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Eine zweite Chance von Sally Reeve, Destiny

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Kapitel 2

Daniel saß mit seinem Kopf in seinen Händen vergraben im Umkleideraum. Er ließ sich von der warmen Luft seine gefrorenen Gliedmaßen aufwärmen und seine Finger und Zehen wieder zum Leben erwecken, die noch immer blau waren. Aber er konnte nichts gegen den kalten Schmerz in seinem Herzen tun, oder den Moment aus seinem Gedächtnis verbannen, wo sich Sam hilflos an einen Stück Seil zu weit von ihnen entfern festkrallte. Ihr starrer Blick der Angst spiegelte sich kontinuierlich in seinem Kopf, er sah es, egal, ob seine Augen geschlossen oder geöffnet waren. Und er konnte nicht anders als sich schuldig zu fühlen. Wenn er nur bemerkt hätte, dass Tasha fehlte, wenn er Sam nur daran gehindert hätte, auf die Brücke zu gehen, wenn er doch nur…

Ohne sich zu rühren, seufzte er schwer. Das Geräusch der Duschen im Hintergrund war merkwürdig einschläfernd und beruhigend. Er saß einfach nur da und lauschte. Er dachte, wenn er einfach nur bewegungslos dasitzen würde, dann müsste er sich vielleicht nicht mit dem Verlust auseinandersetzen. Er müsste dann nicht seinen Sache nehmen und sein Leben weiter leben, als wäre nichts passiert, als wenn Sam nicht fort wäre. Er müsste dann nicht mit den bitteren Anschuldigungen auf Ferrettis und Gibsons Gesicht leben müssen, wenn sie Tasha ansahen oder ihre Reue oder Teal’cs teilnahmsloses Trauer sehen. Und er müsste dann auch nicht Jack sehen.

Erst gute fünf Minuten nach ihnen war O’Neill durch das Tor gekommen. Sein Gesicht so starr und weiß, wie der Sturm, seine matten Augen brachte nur schwarzen Eis zum Vorschein. Er sah so aus, wie der Mann, den er vor all den Jahren kennengelernt hatte und dieser Anblick hatte ihn einen Schauer über den Rücken jagen lassen. Jack war an ihnen vorbeigegangen und hatte noch nicht mal Tasha einen Blick zugeworfen. Ihr Blick folgte ihm, als sie voller Angst und Reue sah, wie er den Raum verließ. Er konnte es ihr nicht verübeln… wenn Jack herausfand, wie Carter gestorben war….

Gestorben … Gott…

Plötzlich wurden die Duschen abgestellt und tauchten den Raum in Stille. Daniel hob seinen Kopf und einen kurzen Augenblick später sah er, wie Jack mit einem Handtuch um seine Hüften gewickelt aus dem Duschraum kam. Er sagte kein Wort, als er sich zu seinem Spind umdrehte und damit begann sich anzuziehen. Daniel seufzte und ließ seinen Kopf zurück in seine Hände fallen. Die Besprechung würde in einer Stunde sein und seit seiner Rückkehr hatte Jack nur geschwiegen, nicht ein Wort war über seine Lippen gekommen. Aber der Gedanke daran, wie er die Wahrheit vor allen anderen erfahren würde… Er hatte Jack gesehen, wie er reagierte, wenn auch nur einer seiner Freunde verletzt wurde. Und es gab überhaupt keine Zweifel daran, dass Tasha hier eine große Verantwortung auf sich nehmen musste, aber Tasha war nicht irgendeine Person, die sie auf einen Planeten kennengelernt und sie dann verletzt hatte. Sie war die Frau, die er… was? Liebte? Vielleicht Daniel wusste es nicht und es war sicherlich nicht ein Thema über das Jack jemals sprach. Aber nichtsdestotrotz wusste er, wie seine Gefühle für Sam waren, um zu verstehen, wie unmöglich es für ihn sein würde diese Situation zu überstehen. Und Daniel hatte keine Ahnung, wie Jack damit umgehen würde… nicht den blassesten Schimmer.

Daniel hob erneut seinen Kopf und lehnte sich zurück gegen seinen Spind. Er griff nach dem T-Shirt, welches neben ihm auf der Bank lag. Jack war jetzt vollkommen bekleidet und setzte sich hin, um sich seine Stiefel anzuziehen. Daniel konnte sein Gesicht nicht sehen, aber O’Neill trug seine Trauer wie eine Rüstung und wies jeden zurück, der auch nur in seine Nähe kam. Seufzend knirschte er mit seinen Zähnen, als er daran dachte, welchen Schmerz er seinem Freund noch zufügen würde, indem er ihm die Wahrheit sagte. Daniel nahm seinen Blick nicht von Jack. „Ich muss dir sagen, wie es passiert ist.“

Jack hielt in seiner Bewegung inne, aber sonst bewegte er sich nicht. „Das hast du bereits“, sagte er scharf. „Sie ist gefallen.“

„Ich muss dir sagen, warum, Jack“, beharrte Daniel. „Du solltest es vor der Besprechung wissen.“

Jack schüttelte den Kopf. „Daniel“, warnte er ihn mit wütender Stimme, „bitte… ich will keine Einzelheiten…“

„Ich weiß“, flüsterte Daniel, „aber Jack, du musst es wissen… sie hat Tasha gerettet.“

Es breitete sich ein langes Schweigen zwischen ihnen aus, bevor sich Jack mit geschlossenen Augen aufsetzte und gegen seinen Spind lehnte. „Hört sich ganz nach Carter an“, flüsterte er sanft.

„Ja“, stimmte Daniel ihm zu und beobachtete das blasse Gesicht seines Freundes. „Aber da ist noch mehr, Jack. Es tut mir Leid… Aber du wirst das von Ferretti und Gibson hören, also, solltest du gewarnt sein.“

Als er das hörte, öffnete Jack seine Augen und sah Daniel wild an. „Ich sollte gewarnt sein?“ wiederholte er die Worte hohl.

Daniel fuhr mit seiner Zunge über seine ausgetrockneten Lippen. „Die Sache ist die“, begann er. „Tasha ist in Schwierigkeiten geraten, weil… weil sie Sams Befehle missachtet hatte. Sie… dort war eine Brücke und sie…“

Jack hielt nicht einmal an, um den Rest zu hören, er war bereits auf seinen Füßen und rannte hinaus. „Hey!“, rief Daniel ihm hinterher und sprang auf. „Warte! Wo willst du hin?“

Aber Jack antwortete ihm nicht, als er aus der Tür stürmte und sie lautstark hinter sich zuschlug. Und als der Schall abklang, fühlte sich Daniel sehr alleine. Er fragte sich, wie zum Teufel sein Freund damit nur fertig werden sollte… Er fragte sich, wie sie das alle sollten.


++++++++

Hammond saß hinter seinem Schreibtisch und starrte durch das Fenster hinaus auf das Stargate, auch wenn seine Gedanken ganz woanders waren. Er dachte an die junge Frau, die sie verloren hatten. Er konnte kaum glauben, dass sie nicht mehr da war, dass ihr helles Lächeln und ihre ansteckende Begeisterung nicht mehr länger ein Teil von dem sein würde, was sie hier im SGC waren. Es kam ihm wie eine anomale Fügung des Schicksals vor, dass jemand, der so brillant und wichtig für den Menschen war, einfach fort war, während er – der sich mit jeder verstreichenden Minute immer älter fühlte – immer noch hinter diesem Schreibtisch saß. Samantha Carter… In seinen Erinnerungen war sie einst das aufgeweckte und begierige kleine Mädchen gewesen, welches immer mit großen Augen ihm und ihren Vater beim Geschichtenerzählen gelauscht hatte. Und sie war die Frau, der das Stargate-Projekt praktisch gehörte und die Welt mehr als nur einmal gerettet hatte. Wie zum Teufel passt er da nur rein?

Er war so in seiner Trauer gefangen, dass er seinen Besucher übersehen hatte, bis er einmal dreimal lautstark an die Tür klopfte. Ohne den Blick in seine Richtung zu drehen, wusste er, wer es war. „Kommen Sie rein, Jack.“

O’Neill kam in sein Büro und er konnte einen komplett wilden Blick in seinen Augen sehen. „General“, sagte er sofort, „ich muss sofort zurück, um sie…“

Hammond lehnte sich mit einem Kopfnicken nach vorne und stützte seine Ellbogen auf dem Schreibtisch ab. Das hatte er bereits erwartet. „Schließen Sie die Tür“, sagte er, „und setzen Sie sich.“

Jack schloss die Tür, aber setzte sich nicht hin. Stattdessen stand er steif vor Hammonds Schreibtisch. Er sah, dass jeder Muskel in ihm bis zum äußersten angespannt war, und konnte nur erahnen, welche Kontrolle es ihm kosten musste, so ruhig zu bleiben. „Sie wissen, dass wir ein Team senden werden, um Major Carters… Körper zu bergen“, sagte er und zuckte leicht bei dem Wort zusammen. „Aber ich bin mir nicht sicher, ob es eine gute Idee ist, wenn Major Carters Team – oder ihr ehemaliges Team – Teil des Suchtrupps ist. Sie stehen ihr zu nahe, Jack. Gott weiß, dass es so schon schwer genug ist, da müsse Sie nicht auch noch das durchmachen.“

„Niemand wird zurückgelassen“, knurrte Jack, die Worte kam durch zusammengepressten Zähnen. „Ich werde sie nicht dort lassen, damit jemand anderes… sie findet, Sir.“ Sein Gesicht verzog sich leicht, bevor er seinen Blick senkte, obwohl er nicht einmal die Kontrolle verlor. „Es ist meine Schuld, General. Das ist das Mindeste, was ich ihr schulde. das Allermindeste…“

Hammond schwieg für einen Moment, als er Jacks ausgezehrtes Gesicht sah. Er wusste, dass die Beziehung zwischen Carter und O’Neill intensiver war, als sie eigentlich hätte sein dürfen, aber auch wenn er blind dem gegenüber gewesen wäre, so sagte ihm die vollständige Verwüstung in Jacks dunklen Augen alles, was er wissen musste. Was er nicht wusste, war, warum Jack sich selbst die Schuld gab. Von dem, was er von dem noch immer traumatisierten Doktor Jackson und dem Rest von SG-2 erfahren hatte, war Jack nicht einmal anwesend gewesen, als der Unfall passierte. „Setzen Sie sich, Jack“, sagte erneut mit müder Stimme. „Und sagen Sie mir, was passiert ist. Warum ist es Ihre Schuld, Sohn?”

Diesmal machte der Colonel, um was er gebeten wurde und setzte sich steif auf den Stuhl gegenüber von seinem Schreibtisch. Seine Hände hatte er ungewöhnlich ruhig in seinem Schoß gelegt. „Sie wollte nicht auf den Berg gehen“, flüsterte er und traf nicht Hammonds Blick, sondern starrte auf irgendeinen Punkt auf dem Schreibtisch. „Sie hatte sich Sorgen wegen der Wetterbedingungen gemacht… ich… ich habe sie überstimmt… Tasha…“ Er verzog sein Gesicht und da konnte Hammond die blanke Wut in seinem Blick sehen. „Dr. Greene hatte darauf bestanden und ich habe die Entscheidung über Carters Kopf hinweg getroffen. Ich hätte auf sie hören sollen, anstatt auf…Tasha.“

Hammond schloss seine Augen, als er O’Neills Worte hörte. Es war schwierig ein Mitglied aus seinem Team zu verlieren – eine Freund oder eine Freundin – aber noch schlimmer war es, wenn man irgendwie verantwortlich für den Verlust war. „Von dem, was Dr. Jackson mir erzählt hat“, flüsterte er, als er die Augen öffnete und in Jacks wütendes Gesicht blickte, „schien das Wetter gut zu sein… der Sturm kam aus dem Nichts.“

„Carter wusste es. Wenn ich nicht auf Tasha gehört hätte, wenn ich mit ihnen gegangen wäre, anstatt unten im Camp zu warten… Verdammt! Ich habe ihr *gesagt*, sie sollte Carters Befehle befolgen, aber sie ist so verdammt dickköpfig! Ich hätte Sam warnen sollen, ich hätte…“

„Jack!“, sagte Hammond bestimmt und unterbrach seine Auflistung von möglichen Fehlentscheidungen. „Das ist nicht ihre Schuld.“

O’Neill schaute auf, seine Augen waren dunkel und geschlagen. „Doch, Sir, das ist es“, sagte er mit kratziger Stimme. „Denn, wenn es nicht meine Schuld ist, dann ist es Tashas… und ich weiß nicht, ob ich damit umgehen kann.“


+++++++++

Während Tasha im Besprechungsraum saß, spürte sie, wie sie von Kopf bis Fuß am Zittern war. Und es kam nicht nur von der Kälte, die ihr noch immer trotz der heißen Dusche und der warmen Kleidung in den Knochen saß.

Nein, die Kälte, die sie spürte, war eine komplett andere Kälte. Ausgestrahlt von den Männern, die so weit wie nur möglich von ihr entfernt saßen. Gibson und Ferretti sagten kein Wort, nicht zu ihr oder zu den jeweils anderen. Sie saßen einfach nur da und starrten hinunter auf ihre Hände, die sie auf dem Tisch gefaltet hatten. Gelegentlich schoss einer mal einen tödlichen Blick in ihre Richtung, aber nichts wurde gesagt, um die quälend schmerzhafte Stille zu brechen.

Gegenüber von ihr saßen Daniel Jackson und Teal’c, sie waren mehr in Trauer versunken als in Wut. Daniels Augen waren weit aufgerissen und sein Blick war abwesend und bedeckt mit Schmerz. Neue Tränen schossen in Tashas bereits geröteten und geschwollenen Augen, als sie ihn ansah, aber als sein Kopf sich leicht in ihre Richtung drehte, musste sie wegschauen. Sie konnte diese traurigen Augen, die sie sehen würde, einfach nicht ertragen.

Die Schuld war unbeschreiblich.

Sie hatte Samantha Carter umgebracht. Man konnte es drehen und wenden wie man wollte… Sie wäre nicht weniger Schuld gewesen, wenn sie mit einer Waffe auf den Kopf der Frau gezielt und abgedrückt hätte. In dem Moment, in dem sie ihren Fuß auf die Brücke gesetzt hatte, war Carters Schicksal besiegelt gewesen und noch nie zuvor hatte Tasha etwas so sehr bedauert, wie diese Entscheidung, die sie dort getroffen hatte. Sie hatte Blut an ihren Händen… eine junge Frau ist aufgrund ihrer Rücksichtslosigkeit gestorben.
 
Sie zog ein Taschentuch aus ihrer Tasche und wischte sich die Nase und Augen ab. Verzweifelt versuchte sie das Zittern wieder unter Kontrolle zu bringen. Sie würde nicht vor diesen Menschen zusammenbrechen, nicht wenn ihr Verlust noch viel tiefer reichte, als ihr eigener.

Und dann öffneten sich die Tür von General Hammonds Büro und ihre Schuld wurde von vehementer Angst überrannt, als sie sah, wie der General aus dem Raum trat. Jack war direkt hinter ihm. Ein Blick auf Jacks blasses und wütendes Gesicht ließ sich ihren Magen umdrehen. Als sein Blick bestimmt ihren mied, wusste sie ohne jegliche Zweifel, dass ihm jemand die Wahrheit gesagt hatte. Er wusste, dass sie Sam Carter umgebracht hatte… seine Freundin und nur Gott wusste, was sie sonst noch für ihn war. Sie hielt ihren Blick auf ihn gerichtet, als er den Raum betrat und sich rechts von Hammond in seinen Stuhl setzte. Aber nicht einmal schaute Jack in ihre Richtung, als er sich einen Kugelschreiber nahm und damit wütend auf die Tischoberfläche zu tippen begann. Nach einem langen Schweigen begann Hammond mit heiserer Stimme zu sprechen. Er klang mehr, wie ein trauender Vater, als wie ihr Vorgesetzter. Tasha wollte einfach nur weinen.

„Es gibt keine Worte des Trosts durch die Sie sich besser fühlen könnten“, flüsterte er. „Wir haben heute eine Freundin, eine Kameradin, eine Frau …“ Für einen kurzen Moment brach seine Stimme, bevor er fort fuhr. „… eine Frau von so außergewöhnlicher Großartigkeit und einer persönlichen Wärme verloren, die uns jeden Tag aufs Neue erfreut hatte.“

Tasha spürte, wie Tränen ihre Wangen hinunterliefen, aber sie sagte nichts, da sie wusste, dass sie die letzte Person in diesem Raum war, von der sie jetzt etwas hören wollten.

„Der Grund dieser Besprechung“, sprach er weiter, „ist einfach. Ein Rettungsteam wird, wenn der Eissturm sich erst einmal gelegt hat, zurück nach P3X-832 geschickt. Colonel O'Neill hat bereits seinen Wunsch geäußert Teil dieser Mission zu sein und wenn…“

„Ich werde gehen“, unterbrach Daniel ihn augenblicklich, dicht gefolgt von Teal’c. „Genau wie ich.“

„Ich auch, Sir“, fügte Ferretti hinzu und sah zu Gibson hinüber, der knapp nickte.

Hammond nickte tief durchatmend. „Ich kann ihre Gefühle sehr gut verstehen, Gentleman“, sagte er vorsichtig, „und Gott weiß, ich wünschte, ich könnte Sie begleiten… Sam hat es verdient von ihren Freunden nach Hause gebracht zu werden.“

Als er sprach, verdeckte Jack sein Gesicht mit seinen Händen und Tasha bemerkte, wie sie zitterten, als er sie hob. Sie war voller Schuld, aber zur selben Zeit, schlängelte sich tief darunter begraben ihre Eifersucht ihren hässlichen Weg durch den Ballast. Seine Gefühle für Carter mussten sehr stark sein… sie sah nicht die Trauer eines Mannes, der um einen Kriegsgefallen trauerte. Dies war die Trauer eines Geliebten.

Sie schaute hinunter auf ihre Finger, die das Taschentuch in ihren Händen zerknüllten, und fühlte sich aufgrund der eifersüchtigen Gedanken mehr als schuldig. Aber sie wurde schon bald von dem Geräusch abgelenkt, wie Stühle über den Boden geschoben wurden, als Hammond die Besprechung beendete. Und bevor sie auch nur ein Wort sagen konnte, eilte Jack schweigend zum Ausgang. „Jack!“, rief sie ihm hinterher, aber er verlangsamte noch nicht einmal sein Tempo, als er wütend die Tür aufriss und aus dem Raum verschwand.

„Wenn ich Sie wäre, dann würde ich ihm jetzt etwas Raum lassen“, sagte Daniel und schaute mit einem anklagenden Blick zu ihr auf. „Er wird Sie wahrscheinlich eine Weile nicht sehen wollen.“

„Oder für immer“, knurrte Gibson, als er und Ferretti O’Neill aus dem Raum folgten und Tasha hatte Angst, dass sie die Wahrheit sprachen. Was, wenn Jack ihr nie vergeben würde? Was, wenn es das Ende zwischen ihnen bedeutete?

Nach einem Moment war sie immer noch mit Daniel und dem schweigenden Jaffa alleine. Keiner von beiden schien die Absicht zu hegen etwas zu sagen oder sich zu bewegen. Sie saßen einfach nur da, in ihren Gedanken verloren. Doch Tasha, so neugierig sie war, suchte sie jetzt noch nach Antworten. Zögernd und verängstigt darüber, dass sie bereits zerbrochene Eierschalen zerbrechen würde, sagte sie: „Sam bedeutete Jack sehr viel, nicht wahr?“

Niemand antwortete ihr sofort. Auf Daniels Stirn zeichneten sich einige Falten ab, als er seine Brille abnahm und sie an seinem T-Shirt säuberte. „Ah, ja“, antwortete er schließlich. „Das tat sie… sie hat uns allen sehr viel bedeutet.“

Tahsa nickte, aber noch immer war sie nicht zufrieden mit dieser Antwort. „Hat er sie geliebt?“, fragte sie in einem Flüstern.

Diesmal antwortete Daniel nicht und es lag an Teal’c die Worte auszusprechen. „Er hat mit uns nicht darüber gesprochen, Natasha Greene. Aber er würde lieber sterben, als ohne sie leben zu müssen. Da bin ich mir ganz sicher.“

Tasha nickte nur und in ihrem Herzen erkannte sie die Wahrheit seiner Worte. Als sie zurückdachte, da hatte sie es vermutlich bereits gewusst.


+++++++

Jack hatte es geschafft ohne Zwischenfälle zu seinem Quartier zu gelangen. Hinter sich schlug er die Tür zu und ließ sich daran hinuntergleiten, bis er auf dem Boden saß. Seine Trauer war überwältigend und so anders, als die, als er seinen Sohn verloren hatte. Diesmal waren alle Abwehrmechanismen zusammengebrochen. Bei Charlie hatte er sich einfach vor Sara, vor der Welt und sogar vor sich selbst verschlossen. Er hatte seine Gefühle so tief begraben, dass er sogar fast in der Lage gewesen war, sie zu ignorieren. Sogar als sie bereits in ihm verfault und dann in einer dunklen Nacht ausgebrochen waren. Er hatte auf Charlies Bett gesessen und er hätte es fast getan… fast hätte er den Abzug gedrückt. Aber diesmal würden seine Gefühle nicht begraben sein, sie klammerten sich an seine Kehle, knebelten ihn und verwandelte die ganze Welt in Asche… Sie war fort und mir ihr verschwandte jegliche Farbe und jegliches Licht aus seinem Leben. Er konnte nichts anderes als Dunkelheit um ihn herum sehen, nichts als eine tiefe, dunkle Nacht.

„Sam“, flüsterte er laut und genoss den Klang ihres Namens auf seinen Lippen. Er hatte sie kaum so genannt, er hatte es nie gewagt, aus Angst, dass er sich daran gewöhnen könnte. Für ihn war sie immer Carter gewesen. Und das würde sie auch jetzt noch für ihn sein. Er schloss seine Augen, sie waren trocken und gereizt von ungeweinten Tränen. Er dachte an die vielen Lächeln und Berührungen, die sie ihm geschenkt hatte. Er erinnerte sich daran, wie sie in der Lage war mit nur einem einzigen Blick sein Herz zum Pochen zu bringen und die Einzigartigkeit ihres Lächelns, wenn er es geschafft hatte, ihr Herz zum Pochen zu bringen. Er erinnerte sich an die Schmerzen in seinem Herzen, wenn er sie mit anderen Männern gesehen hatte und ihren Schmerz, als sie ihn mit Tasha zusammen gesehen hatte. Er konnte sich an das berauschende Gefühl erinnern, sie in seinen Armen zu halten und ihre weichen Lippen zu küssen… eine Erinnerung, die nur er allein besaß. Er erinnerte sich an Schmerz Thera zu verlieren und daran, wie er in ihren Augen dieselben Gefühle sah. Er konnte sich an viele Dinge erinnern… aber er konnte in seinem Leben nicht verstehen, warum er sie sich durch seine Finger hat gleiten lassen. Die Regeln, seine Pflicht, seine Position innerhalb des SGC… all dies kam ihm jetzt so trivial vor. Hatte er wirklich gedacht, dass diese Dinge wichtiger als sie waren? Ohne und mit ihnen wäre sein Leben weitergegangen, aber ohne Carter hatte sich alles in ein Häufchen Staub verwandelt.
Ein zaghaftes Klopfen ließ ihn aus seinen Gedanken schrecken, aber er war zu mutlos, um jetzt mit jemandem zu sprechen. Er wollte keine Gesellschaft.

„Jack?“ Die zitternde Stimme gehörte Tasha und Jack verspürte eine Welle der Wut durch ihn hindurchrasen, als sie für einen Moment seine Decke der Hoffnungslosigkeit durchdrang. Tasha. Er wusste, dass die anderen ihr die Schuld gaben. Und sie hatten jedes Recht dazu. Aber er verstand sie besser als die anderen. Er wusste, dass sie ungeduldig, rücksichtslos und dickköpfig war. Und er wusste, dass sie misstrauisch seinen Gefühlen für Carter gegenüber war. Er hätte wissen müssen, dass sie Carters Befehle nicht akzeptieren würde. Er hätte diese ganze Situation viel besser handhaben sollen… er hätte nie damit einverstanden gewesen sein sollen im Basislager zurückzubleiben. Das war genauso seine Schuld, wie ihre und seine Wut hatten sich gerecht zwischen ihnen aufgeteilt.

Er drückte sich hoch auf seine Füße und trotz seinem besseren Urteilsvermögens, öffnete er langsam die Tür. Das Gesicht, in welches er blickte, war trostlos und tränenüberströmt. In ihren dunklen Augen spiegelte sich Furcht wieder. „Tasha“, sagte er schwer und wusste nicht, was er sonst noch sagen sollte. Wie immer.

„Es tut mir so Leid“, flüsterte sie sofort. „Es ist alles meine Schuld.“

Er sah sie einen Moment an. „Nicht ganz“, sagte er schließlich.

Sie schaute verwirrt und verängstigt weg. „Ich weiß nicht, was ich machen soll“, schniefte sie durch neue Tränen, die ihr die Wangen hinunterliefen. „Alle hassen mich. Ich kann nicht gehen, weil … ich muss… es gibt noch eine Befragung… die ich noch…“ Sie unterbrach sich selbst und vergrub ihr Gesicht in einem Taschentuch, als sie sich die Nase putzte. „Es tut mir so leid…“

Ein Teil von ihm wollte sie anschreien, sie durchschütteln, bis sie verstand, wie tief sein Verlust ging. Aber der andere Teil sah ihre aufrichtige Reue, der verstand, dass sie niemanden schaden wollte… und irgendwo in sich drin fühlte er sich schuldig, dass seine Gefühle für Sam jetzt so offensichtlich waren. Tasha konnte nicht blind demgegenüber sein, wo sein Herz die ganze Zeit über gelegen hatte, als sie zusammen waren und jetzt stand sie hier und entschuldigte sich bei ihm. Und sie brauchte seine Stärke auf eine Art und Weise, wie Carter sie nie gebraucht hatte… und jetzt nie wieder tun würde. Eine Art und Weise, der er nur schwer widerstehen konnte.

„Du kommst besser rein“, sagte er schließlich und ging einen Schritt zurück, damit er die Tür weiter öffnen konnte. Tasha sah mit roten und tränengefüllten Augen dankbar zu ihm auf, als sie eintrat.


++++++++

Eis.

Schmerz.

Eine kalte Dunkelheit.

Langsam und träge wurde sich Sam ihrer Umgebung bewusst. Das Rauschen des Wassers zu ihrer linken, erinnerte sie daran, dass sie sich nicht besonders weit vom Fluss entfernen konnte, bevor sie zusammengebrochen war. Und als sie ihre Augen öffnete, sah sie nichts als Dunkelheit und da wusste sie, dass die Nacht hereingebrochen war.

„Verdammte, dämliche…“, murmelte sie, als sie sich zwang ihr Gesicht von dem eisigen Boden zu heben und damit kämpfte sich aufzusetzen. Wenn sie daran dachte, dass der Schmerz und die Kälte ihr ihr Leben kosten könnten, war sie froh darüber aus ihrer Unterkühlung wieder aufgewacht zu sein. Sie bewegte sich langsam, das Eis klebte an ihrer Kleidung und ihrer Haut und der Schmerz ihrer Verletzungen sendete heiße Stiche durch ihre Nerven. Sie schnappte tief nach Luft, als sie ihr linkes Bein bewegte – ihr Gelenk war mit ziemlicher Sicherheit gebrochen - und sie sah, wie es anschwoll. Sie musste ihren Stiefel ausziehen, erkannte sie, oder die Zirkulation zu ihrem Fuß würde abgeschnürt werden und sie würde ihn aufgrund von Wundbrand verlieren – wenn sie überhaupt noch so lange lebte. Aber ihre Finger waren taub vor Kälte und blutig von ihrem Fall gegen die Klippen. Sie verzog ihr Gesicht, als sie sich daran erinnerte und ihr Schnürsenkel öffnete. Ihre Schultern schmerzten – wahrscheinlich ein Bänderriss, hervorgerufen durch die Art und Weise, wie sie ihre Arme verdrehen musste, damit sie nicht von der Brücke fiel und schließlich entschieden hatte, dass ihre einzige Hoffnung war, ins eiskalte Wasser zu fallen, bevor die Brücke ihr Gewicht nicht mehr hätte halten können. Es dauerte er eine blutige, schmerzhafte Ewigkeit, bevor sie es schaffte die gefrorenen Schnürsenkel zu öffnen. Als sie dann erst einmal ihren Stiefel so weit es ging gelockert hatte, biss sie ihre Zähne zusammen. Das würde verdammt wehtun.

So vorsichtig wie möglich, versuchte sie sich ihren Stiefel ausziehen, aber die Bewegung drückte auf ihr gebrochenes Gelenk und sie erlaubte sich selbst vor Schmerzen aufzuschreien. Es war doch schließlich niemand da, der sie hören konnte. Sie atmete ein paar Mal tief ein und aus und versuchte nicht vor Schmerzen ohnmächtig zu werden, als sie schwer schluckte und darauf wartete, dass der Schmerz nachließ. Langsam tat er das. Kalter Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn und gefror in der eisigen Luft, als Sam ihre Augen öffnete, die sie zusammengepresst hatte und erneut nach Luft schnappte.

Es sah nicht gut aus. Sie verdrehte leicht ihren Hals, um nach oben zu schauen, aber sie konnte keine Sterne sehen, sondern erblickte nur die hohen Wände der Schlucht und sie wusste, dass sie diese nie hochklettern wird, können. Egal, ob sie einen gebrochenen Fuß hatte oder nicht. In Anbetracht ihres Zustandes, war ihre einzige Hoffnung zu überleben die auf Rettung. Aber der Trick bestand darin, solange am Leben zu bleiben. So weit unten und nahe dem grausamen Fluss, war der Wind nicht ganz so stark. Der Schnee fiel ungehindert auf sie, getragen von einem frostigen Wind, aber die Wände der Schlucht boten ihr ein wenig Schutz. Nichtsdestotrotz war sie schutzlos. Zu schutzlos, um zu überleben, besonders in der nassen Kleidung, die an ihrer Haut festfror. Sie musste einen Unterschlupf finden oder sie würde sterben. So einfach war das. Sie zwang sich auf ihre Knie zu setzen, doch bei dieser Bewegung musste sie einen Schrei unterdrücken und sie verzog stattdessen ihr Gesicht zu einer Grimasse. Mit diesem Fuß war es ihr unmöglich zu laufen, aber in der Ferne konnte sie etwas Treibgut ausmachen. Sie hoffte, dass sie dort etwas finden würde, was sie als Krücke benutzen könnte. Vielleicht sogar etwas, um ein Feuer zu machen. Irgendetwas… Und so biss sie ihre Zähne zusammen, um den Schmerz zu unterdrücken und ihr Klappern zu stoppen. Für Sam begann ein langes und schmerzhaftes Kraulen zu dem Trümmerhaufen. Ihr ausgezogener Stiefel füllte sich bereits mit Schnee.


+++++++++

Jack wachte in Dunkelheit auf. Warme und weiche Dunkelheit. Tasha lag schlafend und gleichmäßig atmend neben ihm. Sie war eingewickelt in seiner Decke und ihre Locken verdeckten halb ihr Gesicht. Aber selbst im Schlaf konnte er die Falten der Reue in ihrem Gesicht sehen und sie waren fast so tief wie seine eigenen.

Er rollte sich auf den Rücken und starrte an die Decke. Licht schien unter dem Türschlitz hindurch und erleuchtete den Raum gerade mal so viel, dass er die schattigen Schemen seiner Umgebung ausmachen konnte. Er seufzte, sein Herz war so leer und kalt wie Eis.

Das kurze Feuer der gemeinsamen Nacht mit Tasha hatte nichts von seinem Schmerz genommen; es war mehr eine Suche nach Trost gewesen, mehr wütend als liebend… wild und unbefriedigend für beide. Er drehte seinen Kopf in ihre Richtung. Er konnte sie nicht dafür hassen, was passiert war… wie konnte er auch? Aus eigener Erfahrung wusste er, dass auch nur eine einzige minimale Fehlentscheidung zu einer Katastrophe führen konnte. Wie viele Nächte hatte er sich immer und immer wieder mit dem Gedanken gequält, dass er vergessen hatte, die Waffe wegzuschließen? Sein Fehler, aber Charlie musste dafür bezahlen. Genauso wie Carter jetzt den Preis für Tashas Fehler bezahlen musste. Unfälle passierten. Menschen werden verletzt.

Er konnte sie dafür nicht hassen. Aber er konnte sie auch nicht lieben. Er liebte sie nicht. Er hatte es nie getan. Er hatte Zuflucht in ihren Armen gesucht und den Kontakt gefunden, nach den er sich so gesehnt hatte, aber sein Herz hatte nie ihr gehört. Es war nicht wirklich eine erbauliche Entdeckung gewesen, aber seine Trauer tauchte alles in ein scharfes, schmerzhaftes, klares Licht und er wusste, dass es die Wahrheit war. Er liebte Carter, aber er hatte mit Tasha geschlafen – er hatte sie benutzt, genauso, wie er sie jetzt benutzte, um seine Gefühle zu sublimieren. In Tasha hatte er ein Gefäß gefunden, in das er alle Gefühle für Carter gesteckt und sie dann an Tasha weitergeleitet hatte. All die Gefühle, die er für so lange unterdrückt hatte. Er hatte sie auf diese Art und Weise geliebt, wie es ihm nie erlaubt war Sam zu lieben und jetzt, wo Carter fort und sein Herz nichts weiter mehr als ein Haufen Asche war, gab es nichts mehr, was er Tasha geben konnte.

Seine Entdeckung ließ eine gewisse Übelkeit in ihn aufsteigen und er stand leise von dem engen Bett auf. Tasha war erschöpft und rührte sich keinen Zentimeter, wofür er sehr dankbar war. Er konnte jetzt nicht mit ihr reden. Sie würde in dem Moment die Wahrheit in seinen Augen sehen, in dem sie ihn anschaute – wenn sie es nicht schon bereits wusste.

Er schlurfte durch den Raum, um sich seine Kleidung zusammenzusuchen und zog sich leise an. Die Uhr neben seinem Bett zeigte ihm, dass es fast fünf Uhr in der Früh war, also würde die Kantine bereits offen sein. Nicht, dass er hungrig war, aber besser als sein eigenes Quartier. Leise schlich er durch die Tür und schloss sie vorsichtig hinter sich. Ein paar Mal musste er gegen das grelle Licht blinzeln, bevor er sich in Bewegung setzte. Er wusste, dass er müde war, er konnte die Müdigkeit in seinem schmerzenden Kopf und seinen zitternden Gliedmaßen spüren, aber die Anspannung hielt ihn wach. Seine gereizte Energie schoss durch ihn hindurch und machte ihn ziemlich schreckhaft, als er den Flur zur Kantine hinunterging. Er war gereizt und angespannt und betete, dass ihm niemand begegnen würde, da er sich nicht sicher war, ob er seine Wut und Angst wirklich unter Kontrolle hatte.

Jack hatte seinen Blick auf seine Füße gerichtet, als er den Korridor entlang ging, auf dem Carters Labor lag. Aber er schaute nicht auf. Er ertrug es einfach nicht, es dunkel und verlassen zu sehen. Er erschauderte und hastig eilte er daran vorbei. Jemand würde es ausräumen müssen. Aber nicht er. Nicht jetzt.
 
Die Kantine war fast menschenleer, als er die Tür öffnete und eintrat, aber ihm war seine Umgebung ziemlich egal, als er sich grimmig einen Kaffee bestellte. Koffein war garantiert das Letzte, was sein Körper in seinem momentanen angespannten Zustand gebrauchen konnte, aber was kümmerte ihn das schon? Mit etwas Glück würde er innerhalb der nächsten Stunden nach P3X-382 zurückkehren und immerhin konnte der Kaffee ihn bis dahin wach halten. Er wollte sich grade an einen leeren Tisch setzen, als er Daniel und Teal’c leise redend an einem Tisch in der Ecke sitzen sah. Er zögerte für einen Moment, sich unsicher, ob er Gesellschaft wollte. Aber am Ende wusste er, dass er es brauchte. Von allen Menschen auf diesem Stützpunkt, war es sein Team, die den Verlust von Carter fast genauso stark empfanden, wie er selbst.

Daniel sah mit einem ausgemergelten und blassen Gesicht zu ihm auf, als er ihren Tisch erreichte. Er sah nicht so aus, als ob er auch nur ein Auge zugetan hätte. Teal’c schaute ausgezehrt aus, auch wenn es mehr Trauer als Müdigkeit war, die sich in seinen Augen widerspiegelte.

„Hey“, flüsterte Jack, als er einen Stuhl herauszog und sich setzte.

„Jack“, nickte Daniel. „Alles klar?“

Ein schlagfertiger Kommentar lag bereits auf seinen Lippen, aber schließlich sagte er nur die Wahrheit. „Nein. Bei dir?“

„Nein“, seufzte Daniel. „Ich denke immer wieder daran, dass es doch etwas geben musste, was ich hätte tun können… irgendeine Möglichkeit, die das verhindert hätte.“

Mit einem Schluck Kaffee schüttelte Jack den Kopf. „Mach nur so weiter und du zerstörst dich damit selbst“, sagte er seinem Freund. „Vertrau mir, ich weiß, wovon ich spreche.“

„Wenn ich doch nur ein Auge auf Tasha geworfen hätte…“, murmelte er, bevor er verstummte und besorgt zu Jack schielte. „Nicht, dass es vollkommen ihre Schuld war“, fügte er schwach hinzu.

Jack lächelte ihn gezwungen an. „Das denkt sie aber.“

Daniel nickte. „Das muss schwer für sie sein“, sagte er. „Und für dich.“

Indem Jack einen weiteren Schluck nahm, vermied er es ihm zu antworten. Deshalb durchbrach Teal’c die Stille. „Major Carter“, sagte er, „ist eine starke und einfallsreiche Kriegerin.“

Jack schaute zu ihm auf. Der Hinweis von möglichen Vermutungen in Teal’cs Stimme hatte seine Aufmerksamkeit erregt. „Das ist… war sie“, stimmte er ihm flüsternd zu.

„Bis wir ihren Körper nicht gefunden haben“, fuhr Teal’c fort und ließ Daniel zusammenzucken, „sollten wir nicht alle Hoffnungen aufgeben. Sie könnte immer noch am Leben sein.“

Ein qualvoller Stoß von Adrenalin schoss durch Jacks Brust, so dass seine Hand so stark zu zittern begann, dass er seine Tasse abstellen musste. Sie konnte immer noch am Leben sein…? Der Gedanke war so mächtig, er konnte nicht mehr atmen. Er hatte es nicht gewagt auch nur diese Hoffnung in sich aufkeimen zu lassen, aber wenn Teal’c auch so dachte… Er sammelte seine Gedanken wieder und drehte sich zu Daniel um. „Aber…“, sagte er vorsichtig, „diese Schlucht war ziemlich tief, oder? Ich meine, sie konnte den Sturz doch nicht… überlebt haben. Konnte sie doch nicht, oder?“

Daniel runzelte leicht verängstigt die Stirn. „Jack… ich glaube nicht. Ich meine, da unten gab es einen Fluss… aber… dass sie darin gelandet sein sollte, ist ziemlich unwahrscheinlich. Und die Brücke… Die Trümmer waren mit ihr hinunter gestürzt…“

„Aber gibt es eine Chance?“, beharrte Jack und schaute zwischen Daniel und Teal’c hin und her, während eine verzweifelte Hoffnung in seiner Brust wie wild zu schlagen begann. „Glaubst du, dass es noch eine Chance gibt?“

Teal’c beugte leicht seinen Kopf. „Es gibt immer eine Chance, O’Neill.“

Langsam nickte Jack und er spürte, wie so etwas, wie ein kleines Lächeln seine Lippen berührte. „Vielleicht ist sie ja von der Brücke gesprungen und im Fluss gelandet“, sagte er, während zahlreiche Möglichkeiten seinen Kopf durchströmten. „Oder es gibt irgendwo einen Felsenvorsprung… oder irgendwas anderes.“

„Warte“, sagte Daniel und berührte leicht seinen Arm. „Jack, bitte denk nach. Sogar, wenn sie den Sturz überlebt haben sollte – was sehr… unwahrscheinlich ist – ist sie jetzt schon wie lange dort draußen im Sturm?“ Er schaute hinunter auf seine Uhr. „Etwas über zwölf Stunden. Die Chancen sind…“

„Erzähl mir nichts von Chancen“, knurrte Jack. Er wollte die neu entdeckte Hoffnung nicht wieder aufgeben. „Teal’c hat recht. Wir reden hier immerhin von Carter. Bis wir keine Beweise finden, die das Gegenteil beweisen, gibt es eine Chance.“ Er stand auf, der Kaffee war vollkommen vergessen. „Wir müssen zurück. Sofort. Wenn sie wirklich noch am Leben ist, dann überlebt sie nicht lange in diesem Sturm.“
Plötzliche Wut loderte in ihm auf. „Verdammt, wir hätten nie von dort verschwinden sollen! Wir hätten sofort zurückgehen sollen. Wir hätten versuchen müssen…“

„O’Neill“, unterbrach Teal’c ihm, als er ebenfalls aufstand. „Wir hätten nicht bleiben können“, sagte er ernst. „Der Sturm war zu stark. Unsere Kleidung und Ausrüstung war unzureichend und SG-2, Daniel Jackson und Natasha Greene brauchten medizinische Versorgung.“

Jack runzelte die Stirn und in seinem Inneren stimmte er ihm zu. Nicht, dass ihn das besser fühlen ließ. „Niemand wird zurückgelassen…“, wiederholte er die Worte in einem Flüstern.

„Wir werden sie finden“, versicherte Teal’c ihm, als eine schwere Hand auf seiner Schulter zum Liegen kam. „Egal was auch passiert, wir bringen sie wieder zurück.“ Jack nickte nur, er war zu benommen, um zu sprechen.

Als Daniel aufstand, sah er zwischen den beiden hin und her. „Dann denke ich, sollten wir nachsehen, wie das Wetter auf P3X-832 ist.“


++++++++++


Schnee fegte inzwischen die Schlucht hinunter, wild getragen von dem Wind, der schon fast triumphierend über sie heulte. Die Flocken krallten sich an alles, an die senkrechten Felswände, die über ihr standen, an den Felsen unter ihr und an Sam selbst – ihre ungeschützten Hände und ihr Gesicht hatten einen Zustand weit hinter Taubheit erreicht, wahrscheinlich waren sie schon längst erfroren. Aber es war ihr egal. Sie konnte an nichts anderes denken, als sich zu bewegen, ein qualvoller Schritt nach dem anderen, als sie mit einem Bündel feuchten Holz unter ihrem Arm am felsigen Flussufer entlang humpelte. In ihrer anderen Hand hielt sie einen großen Stock, der ihr als sehr unschickliche und unbequeme Krücke diente, aber zumindest stand sie einigermaßen aufrecht und sie bewegte sich. Und solange sie sich bewegte, lebte sie – aber noch immer floss Blut durch ihre Adern, auch wenn sich eisig langsam anfühlte.

Aber es war hart. Der Schmerz in ihrem Gelenk war enorm, bei jeder Berührung mit einem Felsen schrie er auf. Und ihr Kopf schmerzte, verletzt durch ihr hilfloses Überschlagen und Treiben im Fluss. Jedoch gab es kein Blut und dafür war sie dankbar. Aber jeder Muskel tat ihr weh und sie war müde, so müde. Ihre Augen schlossen sich langsam, sie bettelten darum sich nur für einen Moment auszuruhen. Aber sie wusste, dass ihr das der Sturm einredete, das Flüstern der Kälte, damit sie anhielt, um sich auszuruhen, um einfach nur zu schlafen… und um nie wieder aufzuwachen.

Sie kämpfte sich weiter durch den Schnee, suchte die Wände nach einem Unterschlupf ab. Irgendwo musste es doch etwas geben, ein Aufschluss, eine Felsspalte, unter der sie sich zwängen konnte, um den Klauen des Sturmes zu entgehen und wenn sie Glück hatte, noch Feuer machen zu können. Plötzlich berührte ihre selbst konstruierte Krücke unebenen Boden und brach unter ihr weg. Mit einem kurzen Aufschrei fiel sie zu Boden und verdrehte ihren Fuß so stark, dass sie aufschrie. Und dann wurde aus dem Schrei ein Schluchzen, als der Schmerz etwas nachließ. Ihr war so verdammt kalt, sie war so allein. Und sie hatte solche Angst. Für einen Moment war sie versucht einfach dort liegen zu bleiben und der Erschöpfung sie endlich in den Schlaf zu und von dort aus ins Nichts zu wiegen. Sie hatte gehört, dass es eine schmerzfreie Art war zu sterben. So, als würde man einfach nur einschlafen.

Aber etwas in ihr rebellierte dagegen. Trotz des eisigen Sturmes loderte immer noch eine Flamme in ihr. Sam Carter gab nie auf. Sie hatte nie gesagt sterben zu wollen. Und so zwang sie sich dazu unter einem Schrei des Schmerzes und der Wut wieder auf ihre Beine zu klettern. Unter den Qualen biss sie ihre Zähne zusammen und musste sich weiter dazu zwingen, weiterzugehen. „Bescheuertes Miststück“, knurrte sie, als sie weiter humpelte und der Klang ihrer Stimme ihr etwas Trost schenkte. „Wenn ich… diese Frau… je wieder zu Gesicht bekomme…dann… bringe ich sie… um.“

Aber der Gedanke, wie sie das Leben aus Natasha Greene würgte, wurde plötzlich unterbrochen, als ihr Blick auf etwas in der Dunkelheit fiel – ein schwarzer Klecks gegen die verschneiten Felsen. Sam starrte darauf und kämpfte damit etwas auszumachen. Langsam schlurfte sie weiter und je näher sie kam, desto sicherer war sie sich, bis sie schließlich… „Ja!“, zischte. Vor ihr lag die Öffnung einer kleinen Höhle. Ein kleiner Wasserstrom floss heraus, aber Sam beachtete es gar nicht, als sie ihre Krücke gegen die Felswände drückte und auf ihre Knie fiel. Sie steckte ihren Kopf durch die Öffnung. Sie konnte nichts erkennen, aber als sie eine Hand ausstreckte und durch die Luft tastete, wusste sie, dass sie genug Platz hatte, um hineinzukriechen. Und genau das tat sie, als sie ihren mageren Vorrat an Feuerholz vor sich herschob. Es war eine unbeschreibliche Erleichterung dem heulenden Wind und dem wütenden Sturm für einen Weile zu entkommen. Sie hatte es geschafft. Sie hatte wieder eine Chance.

Aber ihre Freude war nur von kurzer Dauer. Sie erstarrte – schon fast wortwörtlich – und trotz ihrer äußerst optimistischen Ansammlung an feuchtem Feuerholz, hatte sie nichts, mit dem sie ein Feuer entfachen konnte. Ihre gesamte Ausrüstung befand sich in ihrem Rucksack, welchen sie abgesetzt hatte, bevor sie zur Brücke gegangen war. Alles, was sie bei sich trug, war ein Snickers, ein Paket Taschentücher und ein Taschenmesser. Oh, und jede Menge Munition. Wenn sie jetzt noch irgendwie das Schießpulver aus ein paar Hülsen bekommen könnte und ein Funken entfachen… Natürlich brauchte sie auch noch etwas um das Schießpulver anzuzünden.

Sie seufzte und rieb ihre tauben Hände gegeneinander. Es war zu dunkel, um irgendwas zu sehen und sie war erschöpft. So schön ein Feuer auch sein mochte, wusste sie, dass sie kaum eine Chance hatte, eines zu machen, wenn sie in vollkommener Dunkelheit getaucht war. Es konnte nicht mehr allzu lange bis zur Dämmerung dauern und immerhin war sie nicht mehr draußen im Sturm. Sie entschied sich auszuruhen und auf das erste Licht zu warten, bevor sie die Höhle verlassen würde. Als sie sich hinlegte, wickelte sie vorsichtig mit ihren Zähnen das Papier von dem halbgefrorenen Snickers und nahm nur einen Bissen. Und dann noch einen und zwang sich nicht dem Verlangen hinzugeben noch mehr zu essen. Sie würden den Rest für später aufbewahren. „Frühstück“, murmelte sie schläfrig. Noch während Sam den Geschmack von ihren Zähnen leckte, steckte sie ihre Hände unter ihre Arme und legte sich in eine Fötuslage, um so viel Wärme wie möglich zu speichern, als sie ihre Augen schloss. Sie wusste, dass sie innerhalb weniger Sekunden einschlafen würde – ob sie dann wieder aufwachte, war ein vollkommen anderes Thema.


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Von dem Kontrollraum aus schaute Tasha hinunter zum Stargate, wo Jack und sein Team erwartungsvoll darauf warteten, dass sich der Ereignishorizont etablierte. Es waren noch andere Soldaten bei ihnen, aber keinen, den sie kannte. Und sie alle trugen wetterfeste Kleidung, Schutzbrillen und auf ihrem Rücken einen schweren Rucksack. Bereit für alles.

Insgesamt konnte sie neun Mann zählen. Neun Männer, um den Körper ihrer gefallenen Kriegskameradin zurückzubringen. Die Frau, die sie umgebracht hatte. Der Knoten in ihrem Magen hatte sich nicht gelöst. Die Schuld schlummerte immer in ihr drinnen und sie wusste, dass sie sie bis zu ihrem Tode tragen würde. Aber als sie hinunter auf Jack schaute, drang ein anderes Gefühl an die Oberfläche. Er war bereits fort gewesen, als sie aufgewacht war. Das Letzte, was sie erwartet hatte, als sie zu ihm gegangen war, um sich zu bei ihm zu entschuldigen, war in seinem Bett zu enden. Aber seine Schmerzen waren so offensichtlich gewesen, dass sie ihm nur ihren Trost angeboten hatte und er hatte darauf mit einem wilden Verlangen geantwortet. Er hatte sie mit starken, schmerzenden Händen an sich gedrückt, sie schon fast wütend geküsst. Er hatte sie gebraucht und sie schämte sich zuzugeben, dass sie es genossen hatte. Er hatte *sie* gebraucht. Trotz dem, was sie getan hatte, hatte er bei ihr Trost gesucht. Sie lächelte leicht, als sich das Wurmloch etablierte.

Neben ihr sprach General Hammond mit düsterer Stimme. „SG-1 und SG-3, Sie haben grünes Licht. Bringen Sie sie nach Hause.“

Mit einem flüchtigen Winken führte Jack sein Team die Rampe zum Tor hinauf. Und sie beobachtete ihn mit einer neuen Zuversicht in ihrem Herzen. Er hatte sie gebraucht. Sie hatte ihm dabei geholfen die Trauer um Samantha Carter zu überwinden. Vielleicht hatten sie ja doch noch eine Chance.

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Obwohl der Sturm abgeklungen war, war es auf P3X-832 bitterkalt und hatte die Umgebung, die Natur in eine märchenhafte Winterlandschaft verwandelt. Als Daniel durch das Tor trat, umgab ihn in Schwaden sein eigener Atem. Vor ihm sah er, wie Jack sich etwas vom Tor entfernte und unverzüglich nach seinem Funkgerät griff. „Carter, hören Sie mich? Ende.“

Es kam keine Antwort, natürlich, und es war eine Qual für ihn die Enttäuschung auf dem Gesicht seines Freundes zu sehen. Er hatte nur wenige Hoffnung, dass sie Sam lebend finden würden, und hoffte inständig, dass Teal’c Jack mit seiner neuen Hoffnung nicht um den Verstand gebracht hatte. Es würde alles nur noch schlimmer machen, wenn sie sie finden würden. Er seufzte, als er hörte, wie SG-3 durch das Tor kamen und die Kälte des Torreisens abschüttelten, nur um von einer noch bitteren Kälte empfangen zu werden. Es war verdammt kalt – es gab keine Möglichkeit, wie Sam die Nacht überlebt haben könnte. Niemals. Aber ein Blick auf Jacks grimmiges Gesicht verriet ihm, dass er seine brüchige Hoffnung nicht aufgeben würde, egal wie unrealistisch sie auch sein mochte.

„Okay“, bellte Jack in dem Moment, in dem der letzte Mann durch das Tor geschritten kam. „Wir gehen wie gewohnt vor. Wir wissen, wo Major Carter gestürzt ist, also wird SG-1 diese Umgebung absuchen. Aber wenn sie den Sturz überlebt haben sollte, dann könnte sie versucht haben vom Berg wieder herunterzukommen. Deswegen will ich, dass jeder Zentimeter abgesucht wird. Verstanden?“

Einheitlich antworteten sie und mit einem knappen Nicken machte sich Jack auf den Weg zum Berg, dicht gefolgt von Daniel und Teal’c. Daniel hoffte nur, dass Jack wusste, wohin er sie führte, denn in diesem neuen Winterwunderland hatte er bereits vollkommen seine Orientierung verloren.


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Sie brauchten einen guten halben Tag, bis sie die Ruinen erreicht hatten und während ihres gesamten Weges, verfluchte Jack ihr langsames Vorankommen. Aber der Schnee und das Eis machten ihre Reise noch schwieriger als zuvor und so war er gezwungen gewesen ihr Tempo zu drosseln. Aber schließlich hielten sie an und Daniel stand schwer ein und ausatmend neben ihm.

„Ne ganz schöne Aufwärtssteigung“, keuchte er und holte tief Luft.

Jack nickte nur. „Wohin?“, fragte er und begutachtete die verschiedenen Felsvorsprünge, die sie umgaben.

Daniel beglückwünschte ihn mit einem unverständlichen Blick, als er seinen linken Arm hob. „Über diesen Hügel“, sagte er leise, aber Jack überhörte nicht die Furcht in seiner Stimme und er verzog sein Gesicht.

Schon bald würden sie Sicherheit haben und der Gedanke Carters kalten, verdrehten Körper am Fuße der Schlucht zu finden, war etwas, an das er nicht denken wollte. „Zeig uns den Weg“, sagte er und sah ihn Daniels besorgte Augen. Sie teilten einen Moment der Angst und Furcht, aber er verstrich und Entschlossenheit machte sich erneut Platz. „Wir müssen sie nach Hause bringen“, sagte Jack mehr zu sich selbst, als zu den beiden anderen. Daniel nickte und sie setzten schweigend ihren Weg fort.

Es dauerte nicht lange und sie kamen zu der Stelle, wo einst die Brücke gestanden hatte. Einige der hölzernen Überreste wehten erbärmlich im starken Wind, der durch den Berg peitschte. Jack schaute über die Schlucht hinweg – es war wunderschön. Schnee glitzerte in der kalten Luft und leichter Nebel umgab die Ruinen, die auf einer felsigen Insel mitten in der Schlucht standen. Es war wunderschön und kalt und Jack spürte, wie sich etwas um sein Herz herum zusammenzog, als er sich hinkniete, und begann die Überbleibsel der Brücke zu untersuchen. Für einen Moment starrte er einfach nur auf das Holz und das Seil. Dann zog er seine Handschuhe aus, um es anzufassen, so, als ob er dadurch irgendwie Carter erreichen konnte. Sie war hier gewesen. War hier wahrscheinlich gestorben. Seine Kehle schnürte sich kurzzeitig zusammen, aber er spürte die Gegenwart von Daniel und Teal’c hinter sich und das brachte ihn wieder zurück. Er hatte eine Mission und da gab es keinen Platz für persönliche Gefühle. Und so hob er willentlich seinen Blick und schaute hinunter in die Schlucht, er widerstand seiner Reaktion zusammenzucken bei dem möglichen Anblick. Aber alles, was er sehen konnte, war Schnee und der fließende Fluss mit seinen schneeweißen Schaumkronen. Dort lag kein verdrehter Körper. Nicht ein Zeichen von ihr. Und er konnte nur noch sehr wenige Überreste der Brücke erkennen. Offensichtlich wurden sie vom Fluss davon gespült. Vermutlich genau wie Carter.

Jack biss seine Zähne zusammen und stand auf. „Wir müssen dort runtergehen“, entschied er und drehte sich zu seinem Team um. „Teal’c, du und ich, wir werden runterklettern. Daniel, du bleibst hier.“ Daniel öffnete in Protest seinen Mund, aber Jack ging ihm dazwischen. „Jemand muss uns führen und, wenn wir Probleme bekommen sollten, dann hol Hilfe.“

Und das war es. Einmal in seinem Leben wusste Daniel, wann er seinen Mund halten und einen Befehl befolgen sollte. Mit minimalen Aufhebens und maximaler Arbeitsleistung bereiteten Teal’c und Jack ihre Ausrüstung vor, die sie für den Abstieg gebrauchen würden und schon viel früher, als er gehofft – oder befürchtet – hatte, hing Jack stark schwankend an den Felswänden. Der Abstieg dauerte gute fünf Minuten und mit jedem weiteren Ruck nach unten konnte er das Bild, wie Carter diesen ganzen Weg hinuntergestürzt war, nicht aus seinem Kopf vertreiben. Er versuchte trotzdem diesen Gedanken beiseitezuschieben und richtete seine Aufmerksamkeit auf das, was er hier tat. Als er fast am Fuße der Schlucht angekommen war, verlangsamte er den Abstieg, bis er wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Einmal angekommen löste er sich aus seinen Sicherungen und griff nach seinem Funkgerät. „Daniel, hörst du mich? Ende.“

„Klar und deutlich, Jack“, kam die gezischte Antwort. „Alles in Ordnung?“

O’Neill schaute zu Teal’c hinüber, der in diesem Moment ein paar Meter neben ihm auf dem Boden kam. „Ja, wir sind unten.“ Er legte eine kurze Pause an und sah sich halb hoffend, halb verängstigt die felsige Umgebung an. „Kein Anzeichen von ihr.“

Daniels Funkgerät klickte. „Wenn sie in den Fluss gefallen ist, dann könnte sie flussabwärts sein.“

„Ja, verstanden. Immer schön die Augen offen und die Ohren gespitzt halten, Daniel. Sobald es nur ein Anzeichen eines weiteren Sturmes gibt, dann lass es uns wissen.“

„Mache ich“, kam die Antwort. „Und viel Glück, Jack.“

O’Neill nickte, obwohl Daniel ihn nicht sehen konnte. „Ich halte dich auf dem Laufenden“, sagte er. „O’Neill, Ende.“

Als sich Jack umdrehte, sah er Teal’c, wie er nachdenklich auf die schneebedeckten Felsen starrte. Jack hielt neben ihm an und schaute auf den vorbeirauschenden Fluss. Er war weiß und schaumig, wo er über Stromschnellen hetzte; nur etwas abwärts von der Stelle, wo einst die Brücke gehangen hatte. Wenn Sam ins Wasser gefallen war, dann war es alles andere als angenehm gewesen. Gott… Plötzlich war er überwältigt von dem Verlangen ihr Gesicht noch einmal zu sehen. Er konnte einfach nicht die mögliche Tatsache akzeptieren, dass das eiskalte Wasser sie verschluckt haben könnte, sie von ihm gerissen hatte und irgendwo auf diesem eisigen Planeten sterben ließ. Er musste sie finden. Was auch passieren mochte, er musste sie finden und zurück nach Hause bringen, wo es warm war.

„O’Neill“, sagte Teal’c und holte ihn aus seinen Gedanken. „Wir müssen mit der Suche beginnen.“

„Ja“, stimmte er ihm zu und wandte seinen Blick von dem Fluss ab und schaute stattdessen in das düstere Gesicht seines Freundes. „Ich sehe flussabwärts nach und du flussaufwärts – nur für alle Fälle. Halt mich auf dem Laufenden.“

Teal’c nickte. „Das werde ich“, stimmte er zu. Und dann beugte er seinen Kopf leicht zur Seite. „Wenn Major Carter den Sturz überlebt haben sollte, dann ist es wahrscheinlich, dass sie ich einen Unterschlupf gesucht hat. Wir sollten unsere Aufmerksamkeit besonders auf die Felswände richten – sie könnte irgendwo dort Zuflucht gefunden haben.“

„Ja, gut“, stimmte Jack zu und begrüßte den entschlossenen Optimismus seines Freundes. „Ich werde jeden Zentimeter absuchen.“

„Genau wie ich.“

Und mit einem letzten Nicken, das keiner weiteren Worte bedarf, um ihre geteilte Entschlossenheit zu verdeutlichen, machten sie sich in verschiedene Richtungen auf.


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Schmerz weckte sie und zerrte sie widerwillig zurück in die kalte Realität. Benommen schaute sie über den kantigen Boden der Höhle hinaus in eine Welt aus Schnee. Alles, was sie sehen konnte, war weiß und sie war zu kalt, um sich bewegen, zu müde, um irgendwas anderes zutun, als einfach nur auf dem kalten, harten Boden zu liegen und zu warten – auf Rettung oder auf den Tod, was auch immer zuerst kam.

Ihr halb gegessenes Snickers lag direkt neben ihr, aber der Hunger war schon lange versiegt und die Bemühung sich zu bewegen und es zu essen, war zu anstrengend für sie. Es war einfach zu viel. Irgendwo, im hintersten Teil ihres Kopfes, schrie eine Stimme sie an, dass sie sich bewegen und versuchen sollte ein Feuer zu machen, überhaupt irgendwas zu tun… Aber sie ignorierte sie. Sie war zu müde, ihr war zu kalt. Alles, was sie wollte, war ihre Augen zu schließen und sich wieder in der dunklen Vergessenheit zu verlieren. Ihr war noch nie so kalt gewesen, noch nicht einmal, als sie in der Antarktis gefangen gewesen war. Aber dort war sie auch nicht allein gewesen.

Als sie daran zurückdachte, erkannte sie, dass dies der Augenblick war, wo alles begonnen hatte. Sie hatte ihn gesehen, wie er dem Tode so mutig gegenüberstand, wie er trotz seiner eigenen Schmerzen damit gekämpft hatte ihren Lebenswillen zu unterstützen. Das hatte ihr den wahren Menschen hinter seiner Tapferkeit gezeigt. Sie war so verdammt stolz auf ihn, so beschämt über ihr eigenes Versagen gewesen. Aber nicht dieses Mal. Diesmal war sie diejenige, die die Heldin spielen und dafür den Preis zahlen musste – sie hatte ihm Tasha zurückgebracht. Sie hatte ihm versprochen, dass sie sich um sie kümmern würde und das hatte sie auch getan. Und das wirklich Lustige an der ganzen Sache war, sie gönnte sich den Preis, den sie dafür bezahlte. Sogar noch paralysiert von der Kälte, während sie den greifenden Krallen des Todes immer näher rückte, bereute sie nicht das, was sie getan hatte. Sie liebte ihn und sie hatte ihm seine Chance zum Glück zurückgegeben. Was konnte sie sonst noch für ihn tun?

Ihre Gedanken schwirrten wie in einem Traum durch ihren Kopf und zogen sie immer weiter von der Realität weg. Und sie folgte ihnen auf dieser verschwommene Straße der Erinnerungen – als sie lachte und ihr noch warm war. Sie ließ die harte Realität zurück, um Frieden in dem sanften Vergessen des Todes zu finden.

+++++++++

Jack marschierte mit raschem Tempo, er erlaubte sich nicht einmal zu trödeln. Seine Augen überflogen den Boden, das Flussufer, die Felsen am Fuße der Felswand und suchten nach nur dem kleinsten Hinweis. Aber je weiter er ging, desto mehr sank sein Herz. Wie weit konnte sie von der Strömung den Fluss hinunter gespült worden und noch immer am Leben sein? „Komm schon, Carter“, murmelte er zu sich selbst, „gib mir irgendeinen Hinweis.“

Und plötzlich stand er wie angewurzelt da, als die Worte seinen Mund verließen und er etwas sehr vertrautes im Schnee begraben liegen sah. Er taumelte nach vorne und beugte sich nach unten, um den Carter großen Stiefel aus dem Schnee zu ziehen. Sein Herz schlug wie wild, als er den Stiefel anstarrte und sich fragte, was das nur zu bedeuten hatte. Man verlor nicht einfach so irgendwelche Stiefel. Auf gar keinen Fall. Das war einfach unmöglich. Also bedeutete das… Sein Magen drehte sich um, als er nach seinem Funkgerät griff. „Daniel… ich habe einen von Carters Stiefeln gefunden. Ich glaube, sie hat es lebend aus dem Fluss geschafft.”

Es ertönte ein Rauschen und dann ein: „Danke Gott! Schon irgendwelche Anzeichen von ihr?“

Jack sah sie hastig um. „Nein. Nichts. Ich gehe weiter flussabwärts. O’Neill, Ende.“

Irgendwas in ihm wehrte sich dagegen den Stiefel wieder fallen zu lassen und so befestigte er die Schnürbänder an seinem Rucksack. Mit jedem Schritt schlug der Stiefel gegen seine Seite. Sein Herz pochte wild in seiner Brust und unweigerlich verdoppelte sich dadurch sein Tempo – sie hatte überlebt! Sie hatte den Sturz überlebt, und wenn sie schon das überleben konnte, dann… was? Er runzelte mit der Stirn, als die Euphorie in ihm langsam abflachte. Es musste einen Grund dafür geben, warum sie ihren Stiefel ausgezogen hatte und das Einzige, was für ihn einigermaßen Sinn ergab, war, dass sie verletzt sein musste und ihn somit nicht mehr tragen konnte. Was wiederum bedeutete, dass sie bereits seit gut vierundzwanzig Stunden hier draußen verletzt und vom Fluss durchnässt irgendwo war. Die Chancen, dass sie immer noch lebte, waren… gering. Er wusste das. In seinem Kopf wusste er es, aber in seinem Herzen war die Hoffnung noch nicht erloschen – schon fast so, als ob es etwas wusste, was er nicht tat.

Trotz seines zunehmenden Tempos versuchte er mit seinem Blick alles auf einmal aufzunehmen. Es gab keinen Pfad, dem er folgen konnte. Der Schnee war dafür noch zu neu, aber er wusste – er wusste es einfach – dass sie hier ganz in der Nähe sein musste. Wie weit konnte sie mit einem verletzten Fuß oder Bein gekommen sein? „Carter!“, schrie er plötzlich laut aus; seine Stimme echote laut gegen den Wänden. „Sam!“

Nichts.

Und dann… was war das? Er blieb wie angewurzelt stehen und sein Blick war starr auf etwas gerichtet. Ein Stock lehnte gegen die Wand. Im Grunde war daran nichts Ungewöhnliches, nur, dass es schon fast zu gestellt aussah, als dass es natürlich wäre – so als hätte ihn jemand dort vergessen. Langsam ging er darauf zu, seine Augen auf den hölzernen Gegenstand gerichtet, bis er bemerkte, dass er nicht das ganze Bild sah. Neben dem Stock klaffte ein kleines, schwarzes Loch – eine Höhle.

Sein Herz machte einen schmerzhaften Aussetzer und er wusste mit absoluter Sicherheit, dass er sie gefunden hatte. Aber in diesem Moment konnte er sich nicht bewegen. Sie war dort drinnen, aber was würde er vorfinden? Was, wenn er bereits zu spät war? Was, wenn sie auf Rettung gewartet und er sie in Stich gelassen hatte…? Bei dem Gedanken daran hörte sein Herz auf zu schlagen, aber trotz seiner eisigen Angst, begann er zu rennen und fiel in dem Moment auf die Knie, in dem er die Höhle erreicht hatte. Schnell griff er nach seiner Taschenlampe. Er schien hinein und der Atem blieb ihm im Halse stecken, als er ihr milchiges Gesicht sah und bemerkte, dass sie es grade mal in die Höhle geschafft hatte. Ihre blauen Lippen waren leicht geöffnet und ihre Augen geschlossen. Eingerollt wie ein Ball lag sie auf dem kalten, harten Boden. Neben ihr lag ein erbärmlicher Holzhaufen – unberührt von der Flamme – und die Reste eines Schokoriegels, der nur wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt lag. „Carter“, flüsterte er, als er spürte, wie heiße Tränen in seine Augen stachen. Er war zu spät. „Bitte…“

Und plötzlich erwachte er aus seiner Starre und schnallte seinen Rucksack von seinem Rücken, sodass er durch den schmalen Eingang passte und zu ihr kriechen konnte. „Carter“, versuchte er es erneut. Er streckte seine Hand aus und berührte ihre Haut – sie war eiskalt. „Komm schon, Carter“, beschwor er sie, „komm schon…“ Er zog seine Handschuhe aus und tastete sich zu ihrem Hals vor, um nach einem Hauch von Leben in ihr zu suchen. „Bitte, Sam“, flüsterte er. „Tu mir das nicht an. Tu mir…”

Puls.

Er schnappte nach Luft.

Puls… Puls… Langsam, schwach… ein Puls rührte sich unter seinen Fingern… Sie war am Leben.

„Ja“, hauchte er. Seine Stimme war mit all denen Emotionen geladen, die wie eine Flut der Erleichterung durch seinen Körper fuhr. „Oh danke, Gott“, murmelte er und war nur froh, sie hier zu haben… sie lebte…. Zum ersten Mal, seit Daniel von dem Unfall erzählt hatte, spürte auch er wie das Leben langsam in ihn zurückkehrte. Die Welt erstrahlte von schwarz zu weiß und dann in kunterbunt. Er musste sie hier rausholen, zurück zum Tor bringen. Aber zuerst musste er sie wärmen.

Als er seine Hand von ihrem Hals nahm, tastete er schnell ihren Körper nach gebrochenen Knochen ab, bevor er sie bewegte. Ihr linkes Fußgelenk war geschwollen und stiefellos. Es war offensichtlich, dass es gebrochen war, aber davon abgesehen, schien ihr sonst nichts zu fehlen. Und wenn sie es schon so weit geschafft hatte, dann dachte er sich, dass es einigermaßen sicher war, sie zu bewegen. Er krabbelte zurück zum Eingang der Höhle und zog seinen Rucksack ins Innere. Hastig zog er eine Thermodecke heraus und legte sie auf den Boden, bevor er Carter vorsichtig darauf rollte. Aber als er sie bewegte, da merkte er erst, wie kalt und nass ihre Kleidung war und er wusste instinktiv, dass er sie entfernen musste. Er zögerte einen Moment und schallte sich dann selbst für seine Dummheit und begann sie ausziehen. Sie würde nie warm werden, wenn er es nicht tun würde und das war eines der ersten Dinge, die sie ihnen im Falle einer Unterkühlung beigebracht hatten. Und musste er zugeben, gab es nichts, was im Moment unprofessionell erscheinen würde – die Kälte brachte sie fast um und er tat nur das, was er tun musste, um sie zu retten.

Er zog sie bis auf ihre Unterwäsche aus und da stoppte er… okay, vielleicht gab es ein Limit für seine Professionalität. Hastig zog er ihr seinen Ersatzpullover über den Kopf und zog es über ihre Brust und Arme, bevor er den Rest von ihr in die Thermodecke einwickelte. Dann griff er nach seinen Schlafsack. Die nasse Kleidung zu entfernen war das Erste, was sie einem im Falle einer Unterkühlung beigebracht hatten, das Zweite, war es Körperwärme zu teilen. Er wusste, dass er gar keine andere Wahl hatte und mit einem merkwürdigen Gefühl der Befangenheit, schnürte er sich seine Stiefel mit einer Hand auf, während die andere nach dem Funkgerät suchte. „Daniel!“, rief er aufgeregt. „Kannst du mich hören?“

„Ja…“, kam die Antwort, jetzt noch schwacher, als zuvor.

„Ich habe sie gefunden!“, grinste Jack. „Sie ist am Leben! Ich brauche hier sofort ein Ärzteteam. Sag ihnen, dass sie unterkühlt ist und ein gebrochenes Fußgelenk hat. Hast du das verstanden?“

Jack konnte schwören, dass er den erleichterten Schrei von den Klippen hören konnte. „Schon auf dem Weg, Jack!“, antwortete Daniel hastig. „Halte nur durch… halte durch! Halt sie warm!”

„Beeil dich nur“, antwortete Jack, als er das Funkgerät beiseitelegte, seine Stiefel auszog und seine Jacke öffnete. Dann schob er Sams eingerollten Körper in den Schlafsack und bemerkte kaum den bläulichen Ton ihrer langen Beine, die dringend gewärmt werden mussten. Als sie erst einmal drin war, atmete er kurz durch und schaute erneut auf ihr blasses, lebloses Gesicht. So kalt. Aber am Leben – er hatte eine zweite Chance. Danke Gott.

Dann kletterte er ebenfalls ganz vorsichtig, darauf bedacht ihr verletztes Gelenk nicht irgendwie zu berühren, neben ihr in den Schlafsack. Er schlang einen Arm um ihren Rücken und zog sie sanft auf ihn drauf, in der Hoffnung, dass sie so nicht noch zusätzlicher Kälte vom Boden ausgesetzt war. Ihr Kopf legte sich schwer auf seine Brust, aber er konnte die leichten Atemzüge gegen seinen Hals spüren und mit jedem weiteren Zug, wusste er, dass sie lebte.

Er zog seine Arme eng um sie herum und drückte sie an sich – vielleicht etwas enger, als unbedingt notwendig war, aber das war ihm im Augenblick ziemlich egal. Nur Stunden zuvor, Minuten zuvor, hatte er noch gedacht, dass er sie für immer verloren hätte und jetzt lag er hier auf dem kalten Boden mit Carter in seinen Armen. Sie war ihm so nah, dass er ihre Kälte spüren konnte, nasses Haar lag an sein Gesicht gedrückt. Sanft fuhr er mit seiner Hand über ihren Rücken, streichelte sie und schenkte ihnen beiden Trost, ihr und ihm selbst. „Alles wird wieder gut“, flüsterte er ihr zu, als er mit seiner anderen Hand eine nasse, eisige Strähne von ihrer Stirn strich. „Alles wird gut. Bald werden sie hier sein. Alles wird wieder gut. Es geht nach Hause, Carter. Es geht nach Hause…”


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Das erste Mal, als Sam aufwachte, war der Schmerz noch immer da, aber da war noch etwas. Ein neues Gefühl, eines, an das sie sich kaum erinnern konnte, wie ein Schatten aus ihrer Erinnerung… Wärme… Sams Augen flogen leicht auf. Sie war noch immer in der Höhle, aber etwas war anders. Geschwächt versuchte sie ihren Kopf zu heben, nur um zu spüren, wie ihr etwas Widerstand leistete. Für einen kurzen Augenblick geriet sie in Panik, bis sie eine leise Stimme hörte. „Sam?“ Verwirrt und noch immer desorientiert versuchte sie sich zu bewegen, aber die Anstrengung ließ nur wieder den Schmerz in ihren Fuß auflodern und sie zuckte zusammen. „Shh“, sagte die Stimme erneut. „Bewegen Sie sich nicht. Ist schon okay. Alles wird wieder gut.”

Es hörte sich an wie der Colonel.

Sie hob leicht ihren Kopf, nur um in das Gesicht von O’Neill zu schauen. Sie schien auf ihn draufzuliegen. „Was…?“, fragte sie und sah sich um, um all das zu verstehen.

„Ich habe Sie“, flüsterte er sanft. „Legen Sie sich hin und ruhen Sie sich aus. Sie sind in Sicherheit. Alles wird wieder gut.“

Sie machte, was er ihr sagte. Ihr war zu kalt und sie war zu erschöpft, um irgendwas anderes zu machen und dann spürte sie, wie sich sein Griff um sie festigte. Langsam schloss sie wieder ihre Augen. Sie war sich nicht sicher, ob dies nur ein Traum war oder nicht, ob dies die Realität oder nur eine Wahnvorstellung war. Aber egal, ob es nun echt war oder nicht, das Gefühl so nahe gehalten zu werden, spendete ihr trotz der Kälte in ihrem Körper und dem Schmerz in ihrem Fuß, Trost. Sie spürte, wie sie sich bei den Gedanken an diesen Traum entspannte und erneut in die Dunkelheit abtauchte. Aber diesmal glaubte sie Worte zu hören, die ihr folgten, ihr ein Anker für das Leben waren. „Ich habe dich, Sam“, sagten sie ihr leise, als eine warme Hand über ihre kalte Wange strich. „Ich habe dich…“


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IIm Torraum herrschte absolutes Schweigen, obwohl er mit einer unglaublichen Anspannung gefüllt war, als General Hammond auf das Stargate starrte. Am Fuße der Rampe stand Doktor Fraiser mit ihrem Team und einer ganzen Ansammlung von Ausrüstung und Thermodecken bereit. Ihr Gesicht war ausdruckslos, entschlossen und professionell. Nur ihre Augen zeigten ihm ihre Mischung aus Hoffnung und Angst, die sie alle teilten. Carter lebte… wenn auch nur knapp. Gegen jegliche normalen Überlebenschancen hatte sich diese unbezwingbare Frau so lange an ihr Leben geklammert, bis ihr Team sie nach Hause bringen konnte. Sein Herz füllte sich mit unglaublichem Stolz und Hoffnung – und Angst, dass sie trotz allem doch zu spät waren. Er verengte seine Augen und starrte auf das Tor, so, als ob er versuchen wollte durch pure Gedankenkraft es zum schneller Drehen zu bringen, um die Männer und die eine Frau nach Hause zu bringen, auf die sie alle gewartet hatten…

Und als ob es auf seinen stummen Befehl antworten würde, begann die blaue Oberfläche zu flackern und Daniel Jackson - vergraben in seiner Kleidung – trat auf die Rampe. „Wir haben sie!“, rief er aufgeregt und ging schnell an die Seite, als O’Neill und Ferretti folgten, die Carter unter einen Berg von Decken auf einer Trage durch das Tor trugen.

O’Neills Blick fand sofort den von Fraiser und in diesem stillen Moment der Kommunikation, rannte der Doktor die Rampe hinauf. Sie durchwühlte praktisch die ganzen Decken, um Sams Gesicht zu sehen zu können. Hammond ging einen Schritt vor, aber niemand hatte Zeit für ihn und das Letzte, was er wollte, war im Weg der Ärzte zu stehen. „Ich habe versucht sie gut wie möglich warmzuhalten“, erklärte er, als er Carter die Rampe hinunter trug. „Sie war bewusstlos, nur einmal ist sie kurz zu sich gekommen… bin mir nicht sicher, ob sie überhaupt irgendwas mitbekommen hat.“

„Hat sie Sie erkannt?“, fragte Fraiser, als sie sich über Sam beugte, nachdem O’Neill und Ferretti die Trage auf den Boden gestellt hatten. Sie begann damit Carter von den Schnallen zu lösen.

„Nein… ich weiß es nicht“, kam die Antwort. „Sie hat gefragt, was los ist und ist dann wieder eingeschlafen.“ Er verstummte kurz und sah dann besorgt zum Doktor. „Oder wie immer man diesen Zustand nennen kann.“

Fraiser nickte nur. „Wenn sie schon bei Bewusstsein war, dann ist das ein gutes Zeichen. Wie lange genau, war sie jetzt dort draußen?“

„Vierunddreißig Stunden“, antwortete O’Neill. Die anderen Ärzte kamen jetzt an seine Seite und er ging offensichtlich etwas widerwillig zur Seite. Sein Blick klebte förmlich auf dem blassen Körper seiner Freundin. Jetzt, wo die Decken entfernt waren, konnte Hammond das erste Mal einen richtigen Blick auf Carter werfen. Ihre Haut war weiß, schon fast durchsichtig. Ihre Lippen blau und ihr Finger und Zehen sahen schon fast abgestorben aus. Sie trug nur einen großen Pullover und sie sah so extrem verletzlich aus. Er musste bei diesem Anblick seine Zähne zusammenbeißen. Einmal mehr kamen seine väterlichen Gefühle durch und er konnte sie einfach nicht unterdrücken. „Sie war vollkommen durchnässt“, sagte O’Neill in einem Flüstern und die Ärzte verluden Carter auf eine fahrbare Trage. Ihr Kopf rollte leicht zur Seite und Hammond sah, wie O’Neill bei diesem Anblick zusammenzuckte und schon fast zu ihr gelaufen wäre, aber es sich dann doch anders überlegte. „Ich habe versucht sie zu wärmen, aber sie war so kalt. Durchnässt… fast erfroren…“

Für einen kurzen Augenblick legte Fraiser mitfühlen eine Hand auf seinen Arm. „Sie haben alles richtig gemacht, Sir“, versicherte sie ihm. „Wir werden sie jetzt erst einmal aufwärmen und von da sehen wir dann weiter.“

Und damit verschwand sie, warf wie der General im Höhepunkt einer Schlacht mit Befehlen um sich. Nachdem die Türen hinter ihr schlossen, sackte O’Neill sichtlich zusammen. Er nahm seine Kappe von seinem Kopf und ließ sich auf den Fuß der Rampe fallen. Hammond beobachtete ihn einen Moment, bevor er sagte: „Gute Arbeit, Sohn.“

Der Colonel reagierte nicht sofort darauf, aber schließlich hob er seinen Kopf und sah ihn mit einem niedergeschlagenen Blick an. „Denken Sie?“, murmelte er mürrisch.

„Sie haben ihr Leben gerettet“, erinnerte ihn Hammond und war von O’Neills trüber Stimmung etwas überrascht.

Er nickte. „Dieses Mal schon.“

Oh, darum ging es also. Die Sterblichkeit. „Das ist auch das einzige Mal, was zählt“, sagte er etwas sanfter. „Jetzt gehen Sie und wärmen sich auf“, fügte er hinzu und schaute zu Jackson und Teal’c auf, die noch immer auf der Rampe standen. „Und wir können Gott danken, dass Sie sie rechtzeitig gefunden haben.“

Langsam nickend stand O’Neill auf. „Das habe ich bereits getan, Sir“, versicherte er ihm mit einem Flüstern. „Aber…“ Er seufzte und schüttelte nur den Kopf. Hammond runzelte die Stirn. Das, was er sah, beunruhigt ihn. Jack war normalerweise immer der Erste, der nach einer Krise wieder rasch auf den Beinen war und da Carter noch nicht aus dem Gröbsten raus war, war diese Versonnenheit ziemlich ungewöhnlich. Er fragte sich, was es zu bedeuten hatte und er fürchtete sich vor dem, was es vielleicht bedeuten könnte… Jack hatte diesen Blick in seinen Augen, der seine Prioritäten neu geordnet hatte.

Als Teal’c die Rampe hinunter kam, legte er eine schwere Hand auf O’Neills Schulter. „Wir müssen uns beeilen“, sagte er und setzte seinen Freund in Bewegung. „Wir sollten fertig sein, um Major Carter zu begrüßen, wenn sie wieder bei Bewusstsein ist.“

Ein Hauch eines Lächelns zeichnete sich auf Jacks Lippen ab, als er ihnen folgte. „Ja“, sagte er mit einem leichten Schauer, „das sollten wir.“

Hammond beobachtete sie schweigend, als sie den Torraum verließen. Seine anfängliche Freude, als er von Carters fast sicherer Rückkehr erfahren hatte, bekam jetzt von O’Neills beunruhigendem Verhalten einen massiven Dämpfer. Er wusste genug über die zweideutige Beziehung von Jack zu Carter, dass dieser Beinaheverlust so etwas wie eine Offenbarung in diesem Mann ausgelöst haben könnte. Er hoffte nur, dass die Air Force und das SGC daraus nicht die Konsequenzen ziehen mussten.


+++++++

Gähnend saß Janet in ihrem Büro und griff nach ihrer Kaffeetasse, als sie sich in ihren Stuhl zurücklehnten und auf die ruhige Krankenstation hinausschaute. Sam war ihre einzige Bewohnerin. Langsam erreichte Sam wieder ihre normale Körpertemperatur, aber bisher war sie immer noch bewusstlos. Janet hatte die meisten der Besucher davongejagt, aber O’Neill blieb hartnäckig, so dickköpfig und kompromisslos wie ein Stein. Sie beobachtete ihn durch das gedämpfte Licht, als er an ihrer Seite saß, mit seinen Ellbogen auf seinen Knien abgestützt, während seine Hand mit einem Gegenstand spielte, den sie nicht sehen konnte. Ein Kugelschreiber vielleicht? Er war tief in Gedanken verloren. Und sie fragte sich, über was er grübelte, als er schon fast im Wachkoma dasaß. Er hatte so gut wie nichts mehr gesagt, seit ihrem letzten Informationsaustausch im Torraum. Daniel hatte gleich eine ganze Lawine von Fragen losgetreten, als er ihr früher einen Besuch abgestattet hatte, aber O’Neill war so schweigsam wie Teal’c. Er beobachtete sie einfach nur mit einem erschreckend angestrengten und undurchschaubaren Blick.

Und sogar jetzt, wo er alleine mit ihr war, bewegte er sich nicht. Sie wusste, wie tief seine Gefühle für Sam waren – wenigstens bis zu einem gewissen Punkt – und Janet wäre nicht überrascht gewesen, wenn er seine Hand ausgestreckt hätte, um sie zu berühren. Aber er tat es nicht, er saß einfach nur an ihrer Seite, wie eine konstante Präsenz, verloren in seine eigenen Gedanken. Sie seufzte und hob ihren Blick, als sie aufstehen wollte, um Sams Vitalzeichen zu überprüfen, aber ein leises Klopfen an ihrer Tür überraschte sie. Es war bereits weit nach Mitternacht. „Herein“, sagte sie leise und fuhr sich in einem halbherzigen Versuch über ihre Haare.

Als sich die Türen öffneten, war sie überrascht Tasha Greene zu sehen. Sie schaute mit weit aufgerissenen, dunklen und neugierigen Augen in Richtung Janet. Und mit einem Hauch von Ärger, dachte sie.

„Hi“, begrüßte die Frau sie und schaute sofort in die Krankenstation, wo O’Neill saß. Ihr Gesicht spannte sich leicht an, aber sie schaffte es zu lächeln, als sie sich zurück zu Janet umdrehte. „Ich dachte, dass ich mal vorbeischaue, um zu sehen, wie es Sam geht.“

Janet zog eine Augenbraue hoch, sie war sich nicht wirklich sicher, dass Sam das Objekt des Interesses dieser Frau war. Und doch waren diese persönlichen Angelegenheiten nicht ihre Sorge, also antwortete sie mit einer professionellen Kühle in der Stimme. „Das ist nett von Ihnen. Wir wärmen sie noch immer auf, aber sie spricht gut darauf an und ist außer Lebensgefahr. Ihre Zehen waren erfroren, aber ich erwarte eine volle Genesung.“

Tasha lächelte erleichtert. „Danke Gott“, seufzte sie und für einen Moment bereute Janet ihrer anfänglichen und irgendwie lieblosen Beurteilung ihrer Motive. „Ich weiß einfach nicht, wie ich damit hätte leben können, wenn sie wirklich gestorben wäre.“

„Nein“, antwortete Janet vorsichtig, „es wäre ziemlich hart gewesen – für alle von uns. Sam ist ein wichtiges Mitgliedes unseres Teams hier.“

Tashas Blick verhärtete sich leicht, als sie zurück zu O’Neill schaute. „Offensichtlich denkt Jack so“, flüsterte sie mit all der Sanftheit von Stahl.

Janet schwieg vorsichtshalber, da sie nicht in dieses kleine Dreieck mit hineingezogen werden wollte. „Ich werde ihm sagen, dass Sie hier sind“, bot sie ihr an und ging zur Tür. Aber Tasha stoppte sie, indem sie eine Hand auf Janets Arm legte.

„Schon okay“, sagte sie, „ich werde zu ihr gehen… ich würde gerne Sam noch mal sehen, wenn das okay ist?“

Janet zögerte kurz und schielte hinüber zu Jack. Er sah nicht so aus, als ob er Gesellschaft wollte, aber sie war auch nicht seine Leibwache. Mit einem leichten Nicken sagte sie: „Nur ein paar Minuten. Sam braucht ihre Ruhe, also, seien Sie leise.“

Tasha nickte mit einem weiteren angespannten Lächeln. „Danke“, sagte sie, straffte ihr Schultern und ging auf Jack zu, der noch immer irgendwo in seinen Gedanken versunken war.


++++++++

Er konnte einfach nicht vergessen, wie er sie gehalten hatte.

Fraiser sagte, dass es ihr schon bald wieder gut gehen würde und obwohl Sams Gesicht noch immer sehr blass war, wusste er in seinem Herzen, dass der Doc recht hatte. Carter würde es schaffen. Sie war zurück und alles konnte wieder zum Normalen zurückkehren. Nur, dass es das nicht konnte. Alles hatte sich geändert während dieser schrecklichen Stunden, in denen er gedacht hatte, dass er sie verloren hätte. Es war so, als ob der Schrecken sie zu verlieren sein Herz aufgebrochen hatte und jetzt widerstand es der Notwendigkeit sich wieder zu schließen. Seine Gefühle für sie überfluteten ihn und er hatte schon längst die Kontrolle darüber verloren. Er liebte sie, bedingungslos, mit seinem ganzen Sein und einer Tiefe, die erschreckend war. So war alles, was er tun konnte, hier zu sitzen, den Kugelschreiber in seiner Hand immer wieder umzudrehen, wenn seine Seele danach schrie, sie noch einmal in seine Arme zu ziehen und einfach nur zu halten. Er sehnte sich nach ihr und das Verlangen nach ihrer Nähe nahm ihn vollkommen ein – es war alles, an das er denken konnte, es war alles, was in seinem Leben noch wichtig war.

Stunden waren vergangen, bevor er etwas widerwillig aus dem Schlafsack gekrochen war und vor Kälte und dem merkwürdigen Gefühl etwas verloren zu haben zu zittern begann, als er dazu gezwungen war seinen Halt um sie zu lösen. Aber die Erinnerungen daran waren so lebendig, dass er sogar jetzt, auf der warmen, sterilen Krankenstation, spüren konnte, wie er sie in seinen Armen hielt, wie ihr Kopf auf seiner Brust lag und wie ihn in den zwei Stunden, bis die Hilfe bei ihnen war, eine Ganzheit erfasst hatte, die er schon dachte, vergessen zu haben. Dort zu liegen, in der dunklen, kalten Höhle, sie so nahe bei sich zu halten, da hatte er einen ungewohnten Frieden gespürt. Einmal hatte sie sich angespannt, war desorientiert und panisch gewesen, aber er hatte sie beruhigt und sie hatte sich gegen ihm entspannt. Seine Arme hatten sich enger um sie geschlossen, während er seine Lippen gegen ihr feuchtes Haar gepresst hatte. In diesem Moment hatte er gewusst, dass es richtig gewesen war. Ihre Pflicht, die Vorschriften und ihre Ehre mögen vielleicht zwischen ihnen stehen, aber in seinem Herzen hatte er gewusst, dass es richtig war – nichts seit seiner Hochzeit hatte sich so perfekt angefühlt.

Und das war das Problem. Wie konnte er von hier aus nur weitermachen? Wie konnte er das nur überwinden? Er sah auf und blickte in ihr friedliches, wunderschönes Gesicht. Er liebte sie. In Wahrheit wusste er es schon seit Langem, aber er hatte einen verdammt guten Job gemacht, es unter all den Regeln, Vorschriften und seiner eigenen, persönlichen Barriere zu begraben. Aber ihr Verlust hatte all seine so vorsichtig errichtete Verteidigung zerstört. Genauso leicht zusammengebrochen wie ein Kartenhaus und er war nicht in der Lage – es widerstrebte ihm vollkommen – diese Verteidigungen wieder aufzubauen.

Das Leben war zu kurz. Und wieder einmal wanderten seine Gedanken zu Major Coburn. Er ist gegangen… für seine Frau, für seine Familie…

„Jack?“ Eine Hand auf seine Schulter erschreckte ihn, aber er versteckte es zusammen mit seiner leichten Wut, als er seinen Kopf umdrehte und aufsah.

„Tasha. Was machst du hier?“

Ihr Lächeln war geheuchelt und gezwungen. „Ich wollte nach dir sehen“, sagte sie ihm und ihre Finger drückten leicht seine Schulter. Er widerstand der Versuchung ihre Berührung abzuschütteln – sie hatte Besseres verdient. „Ich habe gehört, dass Sam wieder gesund wird“, fügte sie mit offensichtlicher Erleichterung hinzu. „Danke Gott.“

„Ja“, nickte er und drehte sich wieder zurück zu der schlafenden Person um. „Danke Gott.“

Es herrschte ein langes Schweigen, bevor sie es wieder brach. „Du solltest etwas schlafen. Sie sagten, dass ich jetzt gehen kann, da das Verhör ja jetzt nicht stattfindet. Kommst du mit mir?“

Er schüttelte seinen Kopf. „Nein. Ich bleibe noch 'ne Weile.”

Tasha seufzte und ging um ihn herum. Sie kniete sich vor ihn hin, sodass sie jetzt auf einer Augenhöhe waren. Er richtete seinen Blick auf sie, aber es war so, als ob sie einen Fremden ansehen würde. „Jack“, flüsterte sie. „Du bist erschöpft. Sam geht es gut, aber du brauchst endlich mal Ruhe. Komm schon. Wir werden reden.“ Sie griff nach seiner Hand, aber er schlug sie schneller weg, als es notwendig war und er konnte einen verletzten Ausdruck auf ihrem Gesicht sehen.

„Tut mir Leid“, murmelte er. „Ich muss… ich muss einfach nur hier sein. Das ist alles.“

„Warum?“, fragte sie. „Ihr geht’s gut. Das hat Dr. Fraiser doch selbst gesagt. Also, worin besteht der Sinn hier sitzen zu bleiben?“

Worin besteht der Sinn? Die Antwort war augenblicklich in seinem Kopf, eine versteckte, eingefrorene Wahrheit, die dort seit Jahren schlummerte und erst jetzt auftaute. Worin bestand der Sinn? Nun, es war ganz einfach, ich liebe sie und ich will bei ihr sein. Die Antwort war so deutlich in seinem Kopf und in seinem Herzen, aber seine Lippen konnten ihr nichts sagen. Was konnte er schon sagen?

Glücklicherweise wurde er von dieser Aufgabe befreit, als Carter sich bewegte und sämtliche Gedanken verflüchtigten sich. Er sprang auf seine Füße, setzte sich auf ihre Bettkante, als sie einen Augenblick lang langsam ihre Augen öffnete. „Hey“, flüsterte er.

Langsam drehte sie ihren Kopf in seine Richtung und blinzelte ein paar Mal, in dem Versuch ihn zu fokussieren. „Colonel?“

„Ja“, lächelte er, der Klang ihrer Stimme ergriff sein Herz. „Ich bin’s. Sie sind auf der Krankenstation.“

Leicht runzelte sie die Stirn, als sie versuchte sich aufzusetzen. „Was ist passiert?“

„Sie sind gefallen“, erinnerte er sie, als er sie sanft zurück in die Kissen drückte. „Sie haben sich ihren Fuß gebrochen und sind fast erfroren.“
Seine Hand blieb auf ihrer Schulter liegen, als er sprach, und genoss die Möglichkeit sie zu berühren, zu wissen, dass sie jetzt warm und in Sicherheit war.

Wenn sie es bemerkt hätte, dann protestierte sie nicht. Erneut schlossen sich ihre Augen, aber nicht weil sie schlief. „Die Brücke…“, seufzte sie. „Genau.“ Und dann öffnete sie abrupt ihre Augen und sah ihm mit einer plötzlichen Dringlichkeit an. „Geht es Tasha gut?“

Sein Magen verdrehte sich aufgrund ihrer Sorge mit einem ungewöhnlichen Schuldgefühl. Sie begriff nicht, dass sie ihr Leben für eine Lüge riskiert hatte. „Ihr geht’s gut“, versicherte er ihr ungeschickt. „Dank Ihnen.“

Ein blasses Lächeln lag auf Carters Lächeln, als sie sich beruhigte. „Ich bin froh, dass es ihr gut geht“, sagte sie schläfrig. „Ich wollte nicht, dass Sie noch jemanden verlieren, der Ihnen wichtig ist.“

Jack zuckte zusammen, sein Drang ehrlich mit ihr zu sein, war zu stark. Er lehnte sich näher zu ihr hin und senkte seine Stimme. „Aber das habe ich fast“, murmelte er. „Ich habe Sie fast verloren… Sam.“

Daraufhin lächelte sie, schon wieder schläfrig und schien ihn nicht wirklich verstanden zu haben, als sie eine Hand hob und sie über seine auf ihrer Schulter legte. „Dann bin ich froh, dass Sie mich gefunden haben, Sir.“

„Genau wie ich“, antwortete er und umschloss ihre Hand mit seinen beiden. „Niemand wird zurückgelassen. Erinnern Sie sich?“

Schläfrig wurde ihr Lächeln größer, sogar als sich ihre Augen wieder langsam schlossen. „Das war das Einzige, woran ich gedacht habe, als ich auf Sie gewartet habe. Ich wusste, dass Sie nicht aufhören würden zu suchen, bis sie mich gefunden hatten.“

Jack schwieg, als Carter erneut in den Schlaf abtauchte. Ihre Finger hielten noch immer an seiner Hand fest. Aber ihm wurde ganz schlecht, als ungebetene Bilder in seinen Kopf schossen – Carter verletzt und verängstigt, wie sie durch den Schnee kroch, um einen Unterschlupf zu finden und sie nichts hatte, außer ihren Glauben, der sie warmhielt. Und wo war er gewesen…? In Tashas Armen und hatte eine Parodie des Liebesaktes vollführt. Ihm war schlecht von seinem eigenen Verrat.'Ich wusste, dass Sie nicht aufhören würden zu suchen, bis sie mich gefunden hatten’. Er drückte seinen Augen zu und legte ihre Hand, umschlossen von seiner, zurück auf das Bett. Dahin hatten ihn also die Lügen geführt – in die Arme eine Frau, die er nicht liebte, weil es so einfacher war, als sich mit der Wahrheit auseinanderzusetzen. Nun, er konnte nicht mehr lügen. Er konnte nicht mehr sich, sie oder die Welt belügen. Sie musste alles erfahren und dann würde der…

„Colonel O’Neill?“ Es war Fraiser, die auf der anderen Seite des Bettes stand und ihn neugierig ansah.

„Huh?"

Ihr Blick wanderte für einen Augenblick hinunter auf das Bett, wo seine Hand mit Carters umschlossen lag und dann sah sie wieder auf. „Ist sie schon aufgewacht?“

Sein Instinkt, durch sein ständiges Verstecken bereits angeboren, war es seine Hand von ihrer zulösen und sie zurück in die alte Lüge zu stecken, von der wusste, dass Janet sie bewahren würde. Aber er tat es nicht. Er zwang sich dazu weiterhin ihre Hand zu halten, als er aufstand. Er war sich bewusst, dass er wahrscheinlich ziemlich unbeholfen aussehen musste, aber er entschied sich, dass er dann auch hier und jetzt mit der Wahrheit beginnen konnte. Er schenkte ihr ein schiefes Lächeln. „Sie ist vorhin aufgewacht“, sagte er, „Denke mal, dass ich Ihnen das hätte sagen sollen?“

Fraiser zog eine Augenbraue hoch. „Ja, das hätten Sie“, sagte sie und beugte sich über die Maschine, die leise neben Carter piepte. Ihre Gesichtszüge entspannten sich etwas, als sie die Daten las. „War sie zurechnungsfähig?“, fragte sie dann und machte sich schnell ein paar Notizen. „Wusste sie, wo sie war?“

„Ja. Wir haben uns etwas unterhalten… Sie konnte sich dran erinnern, was passiert war.“

Das erfreute sie etwas und sie lächelte, als ihr Blick erneut auf ihre umschlungenen Hände fiel. „Das ist gut“, sagte sie. „Ihre Temperatur ist wieder normal und abgesehen von ihrem Fuß geht es ihr gut.“

Er lächelte zurück und zum ersten Mal erlaubte er sich seine Erleichterung anmerken zu lassen. „Danke“, sagte er. Er schaute ein weiters Mal hinunter auf Carter. „Ich dachte, ich hätte sie verloren.“

Für einen Moment sagte Fraiser nichts, sie durchblätterte nur Sams Krankenblatt, als sie leicht ihre Stirn runzelte. Und dann murmelte sie etwas, so lause, dass man es kaum verstehen konnte. „Genau das hat Sam auch gedacht.“

„Wie bitte?“

Sie schaute mit einem hellen, falschen Lächeln auf. „Haben Sie Dr. Greene gesehen?“, fragte sie, obwohl er sich nicht vollkommen sicher war, ob sie gerade eben das Thema gewechselt hatte. „Sie war vor ungefähr zwanzig Minuten bei mir.“

Verwirrt drehte Jack sich um. Tasha war weg und er hatte keine Ahnung, wann sie gegangen war. In dem Moment, in dem Carter ihre Augen geöffnet hatte, schien er alles um sich herum vergessen zu haben. Mist. Es gab bessere Methoden, um sich von jemandem zu trennen. Er sah mit einem Stirnrunzeln hinunter auf seine Hand, die noch immer um Carters lag. „Sie war hier. Ich sollte sie wohl besser suchen gehen und ihr einiges erklären.“

„Es ist schon spät“, hielt Fraiser ihm mit einem ungewöhnlichen Grad an Mitgefühl in ihrer Stimme, vor Augen. „Sie sollten erst etwas schlafen, Colonel. Ärztlicher Befehl.“

Sie sah ihn mit einer Wärme an, die eine Zustimmung zu sein schien, so, als ob er irgendein Sündiger wäre, der schließlich doch noch das Licht erblickte. Vielleicht war er das auch. „Sie haben recht“, sagte er und ließ widerwillig Carters Hand los, seine Finger schwebten noch immer über ihrer zarten, schon fast zerbrechlichen Hand. „Ich sollte etwas schlafen. Morgen könnte ein ziemlich interessanter Tag werden.“


++++++++

Sam langweilte sich. Es hatte nicht lang gedauert. Ein Tag auf der Krankenstation und sie begann durchzudrehen. Die Jungs hatten sie alle besucht – natürlich – aber sie hatten auch noch Arbeit, die sie erledigen mussten und deshalb konnten sie nicht allzu lange bleiben. Daniel und Teal’c hatten ihr versprochen später noch einmal vorbeizuschauen, aber der Colonel hatte es ihr nicht versprochen. Sein Besuch war, der kürzeste von allen und sie fand, dass er merkwürdig angespannt und nervös war.

Er hatte während seines Besuches nicht viel gesagt, sondern saß ziemlich unbehaglich auf dem Stuhl neben ihrem Bett, aber dafür hatte er sie mit einigen ziemlich intensiven Blicken angesehen, die ihre innere Kontrolle total über den Haufen geworfen hatte. Sie hatte das Gefühl, dass er irgendwas an ihr versuchte zu beobachten, was sie viel lieber versteckt halten würde. Das Gefühl der emotionalen Nacktheit war abwechselnd aufregend und irgendwo unangenehm. Erinnerungen daran, wie sie von ihm gehalten wurde, wie sie, während sie schlief gegen ihm gedrückt lag, trugen nur zu ihrer Verwirrtheit bei und es fiel ihr viel schwerer als gewöhnlich zu ihren gewohnten Neckereien zurückzukehren. Als sich das peinliche Schweigen schon schmerzhaft zwischen ihnen ausgebreitet hatte, hatte es O’Neill zum Glück mit ein paar seiner lahmen Witz darüber gebrochen, wie er sie ausziehen musste und trotz ihrer Professionalität konnte sie nicht verhindern, wie ihre Wangen rot anliefen. Aber davon abgesehen war er mehr daran interessiert gewesen, ob sie ihren Krankenurlaub lieber zu Hause oder auf dem Stützpunkt verbringen wolle, als daran, wie sie sich wirklich nach der ganzen Tortur fühlte. Typisch O’Neill, man wusste nie, woran man wirklich bei ihm war.

Sie seufzte und mit einem Kopfschütteln nahm sie eines der Bücher, die Daniel ihr vorbeigebracht hatte. Sie versuchte es nicht zu bedauern, dass ihre Erinnerungen daran, wie sie mit dem Colonel Körperwärme ausgetauscht hatte, so trüb waren. Aber ihr Blick, der die Buchstaben vor ihr nur in eine verschwommene Buchstabensuppe verwandelte, schweifte ab, als ihr Kopf und ihr Herz von den Gedanken überspült wurden, wie starke Arme sie hielten, sein langsames, aber kräftiges Schlagen seines Herzens so nahe an ihrem…

„Sam?“

Mit einem Schuldgefühl errötete sie und schaute auf, nur um Tasha ein paar Meter von ihrem Bett entfernt stehen zu sehen. Ihre Errötung wurde nur noch intensiver, als ihr der absurde Gedanke kam, dass diese Frau vielleicht ihre äußerst unangebrachten Gedanken lesen könnte. Sie zwängte schnell ihre Unruhe beiseite und begrüßte die Frau mit einem freundlichen Lächeln. „Dr. Greene“, sagte sie, „wie geht’s Ihnen?“

Tasha sah etwas verlegen aus, als sie ein paar Schritte auf das Bett zuging. „Mir geht’s gut“, versicherte sie ihr. „Dank Ihnen.“ Sie schwieg einen Moment. „Ich bin eigentlich hergekommen, um mich für mein Verhalten während der Mission zu entschuldigen. Es war falsch von mir auf die Brücke zu gehen und es tut mir Leid…“

Sam sah sie kühl an, aber es lag nicht ihre Natur nachtragend zu sein, also nickte sie schließlich. „Akzeptiert“, sagte sie. „Und ich bin froh, dass es Ihnen gut geht. Ich kann und will mir gar nicht vorstellen, was der Colonel von mir denken würde, wenn ich Sie verloren hätte.“

„Nein“, stimmte ihr Tasha leise mit einem flachen Lächeln zu, das nicht einmal ihre Augen berührten. „Ich nehme an, das können Sie nicht.“ Und dann sprach sie in einer Stimme weiter, die so dünn war, wie ihr Lächeln. „Jacks Meinung ist Ihnen sehr wichtig, nicht wahr?“

Sam erstarrte leicht. „Ah… ja, natürlich”, murmelte sie in der Hoffnung dieses Thema so schnell wie möglich zu beenden. „Es ist ein großartiger Soldat. Ich habe eine Menge von ihm gelernt.“

Tasha jedoch schien davon nicht sehr überzeugt zu sein. Sie stand jetzt direkt neben Sams Bett, ihre manikürten Nägel glänzten rot im Licht. Ihre dunklen Augen waren hell, aber so hell wie die Sonnenstrahlen auf Schnee; sie funkelten eisig. „Kommen Sie, Samantha“, sagte sie in einem freundlichen Ton, der Sam erschaudern ließ, „wir wissen doch beide, dass Ihre Gefühle für Jack tiefer gehen als das.“

„Tun wir das?“, stellte sie die Gegenfrage mit aufsteigender Wut.

„Ich bin nicht blind“, antwortete Tasha kühl. „Und Sie sind nicht so clever, wie Sie denken.“

Sam schluckte schwer. „Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen“, sagte sie ernst. „Es war und wird nie etwas zwischen uns passieren.“

„Oh, das weiß ich“, antwortete Tasha mit einem Lächeln, als sie langsam einen Stuhl heranzog und sich setzte. Sam fluchte leise auf und wünschte sich nur aufstehen zu können, um diese Unterhaltung zu beenden. Aber sie hing an einen Tropf und mit ihrem gebrochenen Fuß war sie ziemlich unbeweglich. „Im Grunde, Sam, bin ich nur hier, um Ihnen einen schwesterlichen Rat zu geben.“

„Wirklich?“ Ja, genau.

Tasha nickte und ihre dunklen Locken begannen bei dieser Bewegung zu wippen. „Überwinden Sie ihn“, sagte sie. „Er ist nicht mehr interessiert an Ihnen.“ Sam gab ihr aller Bestes darauf nicht zu reagieren, aber irgendwas musste sie verraten haben, denn Tasha fuhr mit wachsender Dynamik fort. „Sie sind nicht sein Typ. Sie sind zu kalt, zu analytisch, Sie sind viel zu sehr an die Regeln gebunden. Sie erwürgen ihn, Sam. Jack braucht jemand, der mehr so ist, wie er selbst. Jemand, der nicht davor zurückschreckt Risiken einzugehen – persönliche und auch körperliche – jemand, der offen, liebend und gefühlvoll ist.“ Mit einem Lächeln fuhr sie mit ihrer Hand durch ihre Haare. „Ich weiß, er ist charismatisch und sehr angenehm für’s Auge, aber, Sam, er ist nun wirklich nicht ihr Typ. Sie sollten lieber Daniel Jackson nachlaufen – Sie beide haben viel mehr gemeinsam.“

Sam starrte sie einfach nur an, zerrissen zwischen ihrer Demütigung, ihrem Schmerz und blinder Wut. Am Ende rettete die Wut sie – eine kalte, harte Wut. „Zu allererst einmal“, begann sie mit einer eisigen Stimme, „’laufe’ ich niemanden hinterher. Anders als andere Menschen hier, verbringe ich nicht mein Leben damit irgendwelche Männer nach zu jagen! Und zweitens, meine Beziehung zu Colonel O’Neill ist eine Sache zwischen uns beiden und geht Sie Gott verdammt noch mal überhaupt nichts an!“

Tasha zuckte nur mit den Schultern. „Ich versuche nur, Sie davon abzuhalten einen Idioten aus sich zu machen, indem sie sich hoffnungslos nach Jack sehnen.“ Sie stand gefasst auf. „Oh, und nur damit Sie es wissen, die Nacht, in der Sie auf P3X-832 verschwunden waren, da habe ich genau zu sehen bekommen, wie schmal doch diese Betten für zwei Personen sind – trotz der Vorschriften.“ Sie lächelte. „Ich schätze mal, Jack hat Sie dann wohl doch nicht so sehr vermisst.“

Sam musste schon fast lachen. „Ich glaube Ihnen nicht“, erwiderte sie. „Ich weiß, wie der Colonel ist, wenn jemand aus seinem Team vermisst wird. Ich habe es bereits gesehen. Und ich habe keine Ahnung, was Sie hier versuchen, aber ich habe genug gehört. Verschwinden Sie.“

„Wie ich bereits sagte“, antwortete Tasha, als sie sich langsam vom Bett entfernte. „Ich versuche Ihnen nur einen Gefallen zutun. Und wenn Sie mir nicht glauben wollen, dann ist das auch gut. Wenn Sie es wagen, dann können Sie ja immer noch Jack fragen.“

Sams Mund stand bereits offen, mit einer scharfen Bemerkung auf ihren Lippen, als eine Stimme von der Tür her erklang. „Mich was fragen?“

Tasha erstarrte, ihr Lächeln brach wie zersplittertes Eis. Steif drehte sie sich zu ihm um. In ihren Augen spiegelte sich Angst wieder. „Nichts, was du wissen musst“, sagte sie mit aufgesetztem Humor.

Der Colonel schien weder davon überzeugt noch amüsiert darüber zu sein, als er weiter in den Raum kam. „Carter?“, fragte er und suchte in ihrem Gesicht nach einer Antwort.

Sie traf seinen Blick und hielt ihn, aber sie hatte keine Ahnung, was sie machen sollte. „Es ist nicht etwas, was für uns angebracht wäre zu diskutieren, Sir“, sagte sie ihm förmlich. „Vielleicht könnten Sie und Dr. Greene das irgendwo anders weiter besprechen?“

Sein gesamtes Gesicht spannte sich mit einer Spannung an, die sie als Wut erkannte, obwohl man sie nie gesehen hätte, wenn man ihn nicht kennen würde. Sein Blick bohrte sich in den ihren, voll mit etwas sehr intensiven aber unidentifizierbaren.

„Okay“, sagte er nach einem Moment und riss seinen Blick von ihr los, um sich zu Tasha umzudrehen. „Warum machen wir das nicht einfach?“

Tasha warf ihren Kopf nach hinten, aber sie war nicht in der Lage das Gefühl der Schuld loszuschütteln. „Es ist kein Geheimnis“, versicherte sie ihm und ging auf ihn zu und dann an ihm vorbei. „Ich habe Sam nur grade erzählt, wie wir die Nacht verbracht haben, während sie noch auf P3X-832 war.“

Sam erwartete eine gewisse Verwirrung auf seinem Gesicht zu sehen, aber stattdessen sah sie, wie es vor Wut weiß wurde, als er nach Tashas Arm griff und sie vom Fortgehen aufhielt. Mit leiser und bedrohlicher Stimme begann er zu sprechen. „Warum?“

Tasha zuckte mit den Schultern. „Weil es wahr ist.“

Er leugnete es nicht. Sie wartete auf sein Dementi, auf seine Wut, aber es kam nie. Er ließ einfach nur ihren Arm los und ließ sie gehen. Ihr Weggehen stürzte sie beide in ein Schweigen, als er einfach nur auf den Boden starrte. Sam war viel zu sehr damit beschäftigt ihre blinde Wut im Zaum zu halten, als sie daran dachte, wie ihr Herz grade in Tausend Stücke zerbrach. Sie war ganz alleine gewesen, verletzt, halb tot und er war…? Gott! Wenn es Daniel dort draußen gewesen wäre, dann hätte er ein Camp im Torraum aufgeschlagen – verdammt noch mal, sie hatte bereits gesehen, wie er das getan hatte! Aber als sie verloren zu sein schien, da war alles, was er tun konnte, mit der Frau ins Bett zu steigen, die sie praktisch umgebracht hatte?! Der Verrat war tief und er drang immer tiefer in sie ein. Sie konnte ihn nicht ansehen, deshalb senkte sie ihren Blick auf ihre Hände, die sie in ihrem Schoß verschlungen hatte, als sie ihre Gefühle mit einem übermenschlichen Willen unter Kontrolle hielt.

Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, als er sich schließlich leicht räusperte. Sam schloss ihre Augen und wünschte sich, dass sie ihre Ohren ebenfalls schließen konnte. Sie konnte einfach nicht seine Erklärungsversuche hören. In ihrem Kopf sagte sie sich immer dieselben Worte, wie ein Mantra: 'Verhalte dich professionell, verhalte dich professionell, verhalte dich professionell.’

O’Neills Stimme brach durch ihre Gedanken hindurch. „Ich weiß nicht genau, was sie Ihnen erzählt hat“, begann er, aber sie unterbrach ihn sofort.

Verhalte dich professionell. „Das spielt keine Rolle. Das geht mich nichts an… Sir.”

„Doch das tut es“, flüsterte er. „Sie hatte nicht das Recht Ihnen das zu sagen und ich will nicht, dass Sie denken, dass ich nicht… Gott. Carter! Wir dachten Sie wären tot. Ich brauchte…”

Sam lachte bitter auf. „Oh, also, wenn Sie dachten, dass ich bereits tot war…!“

Er war mit zwei großen Schritten an ihrer Bettseite. Aber sie wandte sich von ihm ab, bemüht ihre Gefühle nicht die Oberhand gewinnen zu lassen. „Sam, ich schwöre… Sam, sehen Sie mich an.“

Sie konnte es nicht. Bittere Tränen brannten jetzt in ihre Augen und drohten zu entweichen. „Sir, das ist eine vollkommen unangebrachte Unterhaltung“, flüsterte sie. „Bitte hören Sie auf.“

„Ich will doch nur erklären…“

„Nein“, beharrte sie und hob eine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Ich will es nicht hören. Bitte…“

Es herrschte ein langes Schweigen zwischen ihnen, aber er rührte sich nicht, stand einfach nur da und trat von dem einen Bein auf das andere. Ein paar Mal räusperte er sich, aber dem folgten keine Worte. Schließlich war sie gezwungen sich zurück zu ihm umzudrehen und traf seinen unbehaglichen und nervösen Blick. Sie hatte ihn noch nie so aus dem Gleichgewicht gesehen. Seine Augen suchten augenblicklich die ihren, suchten nach etwas in ihrem Gesicht. Sie wusste nicht, ob er es gefunden hatte, aber er begann wieder zu sprechen. „Sam“, sagte er und runzelte mit der Stirn. „Ich… ich will, dass Sie wissen… ich meine, ich will sagen, dass…“ Ein weiteres Räuspern. „Okay, ich bin nicht… das ist… ich sollte… Ah verdammt!“

Sie zog ihre Augenbrauen hoch, irgendwo überrascht über seinen extremen Mangel an Redegewandtheit. „Ich glaube“, sagte sie leise, „dass Sie vielleicht einfach nur die Klappe halten sollten.“

Er riss seine Augen auf. „Klappe halten…?“

„Sir“, fügte sich noch hinzu und wandte sich wieder von ihm ab. Sie zog ihre Decke bis über ihre Schultern. „Ich bin müde. Ich muss mich ausruhen.“

„Sam…“

„Bitte“, flüsterte sie und drückte ihre Augen zu. „Gehen Sie einfach.“

Aber er tat es nicht. Sie konnte seine Gegenwart wie Hitze auf ihrem Rücken spüren, wie sie sich in ihren Kopf einbrannte. Absichtlich verlangsamte sie ihre Atmung, in der Hoffnung, dass er denken würde, dass sie eingeschlafen war. Sie hätte es besser wisse müssen. Er begann mit einer leisen Stimme mit ihrem Hinterkopf zu sprechen. „Ich war noch nie gut mit Worten, Sam“, sagte er leise. „Mir fällt nie das Richtige ein. Aber das hier werde ich wieder gut machen, das schöre ich. Ich habe alles versaut, aber das hier, werde ich wieder gut machen.“

Sie hatte keine Ahnung, was er meinte, aber die leichte Sorge mit einem Anflug von Entschlossenheit in seiner Stimme, berührte sie und sie spürte, wie die ersten Tränen durch ihre Wimpern kamen. Diese sanfte Stimme – sie berührte sie jedes Mal. Sie durchbrach die Wut, den Verrat und sprach mit ihrem Herzen. Langsam drehte sie sich um und öffnete ihre Augen.

Er war verschwunden.


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Jack verlangsamte erst sein Tempo, als er vor seinem Quartier stand. Er war vor Wut und tausend anderen Gefühlen leicht außer Atem. Und er wusste, dass er kurz davor stand seine Kontrolle zu verlieren. Aber er kannte sich gut genug, um einmal tief durchzuatmen und sein seelisches Gleichgewicht wieder zu finden, bevor er die Tür öffnete. Weil er wusste, das sie dort auf ihn warten würde und Wut würde ihm da nichts nützen.

Einmal tief durchatmend drückte er die Türklinke runter. Sie war offen, und als er eintrat, sah er Tasha auf seiner Bettkante sitzen, ihren Kopf hatte sie in ihren Händen vergraben, während ihre Schultern fast auf dem Boden hingen. Mist, sie weinte. Er hasste das. Sie schaute auf, als sich die Tür hinter ihm schoss, und blinzelte ihn mit roten Augen an. „Es tut mir Leid“, sagte sie sofort. Er schien das in letzter Zeit oft von ihr zu hören.

Er verschränkte seine Arme vor der Brust und lehnte sich zurück gegen die Tür. „Warum hast du das getan?“

„Ich wollte es nicht“, flüsterte sie mit gesenktem Kopf. „Es ist… es ist mir einfach rausgerutscht… ich war wütend.“

Er sträubte sich. „Auf Carter? Was hat sie dir getan?”

„Weißt du das denn nicht?“, flüsterte sie und starrte hinunter auf den Boden.

Na ja, er hatte eine Ahnung. „Zwischen mir und Carter läuft nichts, falls es das ist, was du denkst.“

Sie schüttelte ihren Kopf. „Nein“, seufzte sie. „Das tut es nicht.“ Dann schaute sie mit einem schmerzenden Lächeln zu ihm auf. „Samantha würde nie diese Regeln brechen, oder?“

Auf ihrem Gesicht zeichnete sich eine ehrliche Einsicht ab und er wusste, dass sie in sein Herz sehen konnte, so als ob es wie ein offenes Buch vor ihr liegen würde. Verleugnung wäre sinnlos. „Nein“, stimmte er ihr zu. „Das würde sie nicht.“

Tasha nickte. „Würdest du es tun?“

„Nein.“

Sie lachte dunkel auf. „Verbotene Liebe“, schnaubte sie. „Da ist es schwer mitzuhalten.“ Er antwortete ihr nicht, so unsicher wie immer, was er ihr sagen könnte. Als sie sein Schweigen hörte, stand sie auf. „Wir sind gut zusammen, Jack“, sagte sie und ging langsam auf ihn zu, bis sie praktisch Zeh an Zeh standen. „Sam mag vielleicht außer Reichweite sein, aber ich bin es nicht…“

Für einen Herzschlag sah sie ihn einfach nur an, bevor sie sich nach vorne lehnte und mit ihren Lippen leicht die seinen berührte. Sie wartete darauf, dass er ihr antworten würde, aber da war nichts. Jack schloss seine Hände um ihre Schultern und drückte sie langsam und sanft von sich. „Es tut mir Leid, Tasha“, sagte er und zuckte leicht zusammen, als er den Schmerz in ihren Augen sah. „Ich kann nicht.“

„Warum nicht?“

„Weil“, sagte er und trat aus dem kleinen Gefängnis zwischen ihr und der Tür und ging weiter in den Raum, „das hier nicht funktioniert.“

„Doch, das wird es“, beharrte sie darauf und drehte sich zu ihm um. „Es hat doch gut funktioniert. Wir waren großartig! Du weißt, dass das stimmt!”

Aber er schüttelte den Kopf und kämpfte damit die richtigen Worte zu finden. Er wollte sie nicht verletzen, aber was für Möglichkeiten hatte er schon? Es ging doch immerhin um die Wahrheit. Sie verdiente die Wahrheit. „Ich fühle… nur nicht so… wie du fühlst. Es tut mir leid.“

Tasha starrte ihn an und fuhr sich mit einer Hand durch ihr Wirr aus Haaren. Haare, welche er gestreichelt und geküsst hatte… „Also, bist du dann lieber allein und schmachtest Sam Carter nach, als mit mir zusammen zu sein?“, fragte sie ungläubig. „Bin ich so schrecklich?“

„Nein“, versicherte er ihr sofort und legte eine Hand auf ihren Arm. Gott, er hasste das. „Du bist wunderschön, klug, lustig… Du bist großartig.“

Ihre Augen füllten sich mit wütenden Tränen, als sie sich von seinem Griff losriss. „Aber offensichtlich doch nicht so großartig“, schnappte sie, als sie ein zerknittertes Taschentuch aus ihrer Tasche zog und sich die Augen abwischte.

„Es liegt nicht an dir“, versicherte er ihr. „Ich bin’s… es ist… Carter.“

Sie starrte ihn durch verletzten und geschwollenen Augen an. „Du liebst sie“, spuckte sie die Worte aus. Aus ihrem Munde klang es wie eine Anschuldigung.

Er zuckte zusammen, aber er würde nicht weiter lügen. „Ja“, antwortete er und straffte seine Schultern. „Das tue ich. Es tut mir leid, Tasha. Das ist alles meine Schuld.”

„Wie lange schon?“, wollte sie wissen.

„Was?“

„Wie lange liebst du sie schon?“

Jack runzelte etwas unsicher mit der Stirn, er war sich nicht einmal sicher, ob er das überhaupt wusste. „Das ist doch nicht wirklich der Punkt, oder?“

„Ist es das nicht?“, fragte sie wütend. „Hast du sie bereits geliebt, als wir zusammenkamen? Wenn du mit mir zusammen warst, hast du da an sie gedacht? Hast du dir gewünscht, dass ich sie wäre – dass ich vorgebe, sie zu sein? Hast du das?“

„Nein!“, widersprach er, obwohl er wusste, dass seine Verleugnung falsch klang. In ihren Worten steckte mehr als nur ein wenig Wahrheit. „Nein“, wiederholte er etwas ruhiger, in der Hoffnung ihr das irgendwie einfacher zu machen. „Tasha… du bedeutest mir etwas. Ich kann nur… ich kann nur nicht meine Gefühle für Carter abstellen… und Gott weiß, dass ich es versucht habe!“

Ihr Gesicht wurde ruhiger und kalt. „Du hast es versucht“, wiederholte sie seine Worte mit einem knappen Nicken des Verstehens. „Das war ich dann also nur für dich? Etwas, damit du über sie hinwegkommst? Gott, Jack, wenn ich gewusst hätte, dass du dich nur über eine Enttäuschung hinweg trösten wolltest, dann wäre ich nie in deine Nähe gekommen!“

„Es tut mir Leid“, sagte er noch einmal und zwang sich dazu ihren wütenden Blick, ohne einmal zusammenzuzucken standzuhalten. „Ich hab’s nicht mit Absicht getan. Ich war die letzten Jahre deswegen so verwirrt…“

Tasha riss ungläubig ihre Augen auf. „Jahre?“

„Ja“, seufzte er, so als ob er es selbst erst zum ersten Mal verstehen würde. „Denke schon.“

„Mein Gott“, knurrte sie. „Du bist so im Arsch.“

Er zuckte nur mit den Schultern. „Das war ich“, stimmte er ihr zu.

Tasha zog einmal die Nase hoch. „Also“, sagte sie bitter. „Das war’s dann? 'Mach's gut, und danke für den Fisch’?“

Huh? „Fisch?“

Sie knurrte nur. „War’s das dann?“, wiederholte sie mit tödlicher Langsamkeit. „Ist es einfach vorbei?“

Er atmete einmal tief ein und schluckte seine Schuld hinunter, als er leise seufzte. „Ja, das war’s. Es tut mir leid.“

Ihre Gesichtszüge härteten sich, so wie Eis auf dem Wasser. „Nein, tut es dir nicht“, schnappte sie und stürmte an ihm vorbei zu der Tür. „Noch nicht.“

Es klang wie eine Drohung und instinktiv schoss seine Hand hervor und hielt sie am Arm fest. „Was zum Teufel soll das bedeuten?“

In ihren dunklen Augen loderte die Herausforderung auf. „Vielleicht kommst du ja drauf.“

Er prüfte ihr Gesicht – Tasha hatte Temperament, er hatte es schon oft an ihr gesehen. Aber für gewöhnlich war es eine feurige Explosion, die so schnell wieder verschwand, wie sie gekommen war. Diesmal jedoch war ihre Wut kalt und berechnend. Beängstigend. „Halt dich von Carter fern“, warnte er sie. „Wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst, dann schwöre ich bei Gott, ich werde…“

„Was?“, zischte sie, als er verstummte. „Mich umbringen?“

„Ich habe schon aus schlimmeren Gründen getötet“, versicherte er und er spürte dieselbe Wut in sich, die er auf ihrem Gesicht sah. „Geh nach Hause, Tasha. Und reg dich ab.“

Wütend zog sie ihren Arm aus seinem Griff. „Oh, mir geht es gut“, antwortete sie, als sie ihr Haar über ihre Schulter warf und zur Tür stolzierte. „Du bist hier derjenige mit den Problemen – Du vermasselst es mit mir, vermasselst es mit Sam Carter.“ Sie hielt an der Tür mit einer Hand auf der Türklinke an. „Ich bin froh, dass ich ihr gesagt habe, wie du wirklich bist“, sagte sie ihm kühl. „Sie hat es verdient zu wissen, was für ein beschissener Mistkerl du bist, Jack O’Neill.“

Ihre Worte trafen ihn tief, obwohl er wusste, dass unter ihrer Wut die Wahrheit verborgen lag. Aber er ließ sie gehen, enttäuscht, dass es so ausgegangen war, aber nicht wirklich überrascht. Sie hatte das Recht wütend zu sein. Genau wie er. „Ich meinte, was ich gesagt habe“, sagte er ruhig, als sie die Tür öffnete. „Halt dich von Carter fern.“

Tasha antwortete ihm nicht, sondern schlug nur die Tür hinter sich zu, als sie ging und er schwor Vibrationswellen zu spüren. Für einen Moment stand er einfach nur da, festgeklebt von seiner Schuld und Wut. Aber über diesen Gefühlen war noch etwas, etwas Neues – eine Klarheit, die er seit Langem nicht mehr gespürt hatte. Er grübelte eine Weile über Tashas Drohung nach, bevor er langsam auf den kleinen Tisch in der Ecke in seinem Raum ging und ein Blatt Papier an sich nahm. Er wusste, was er tun musste. Er musste jetzt nur den Mut dazu haben.


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Von dem Küchenfenster aus sah Sam, wie der Postbote etwas in ihren Briefkasten steckte. Sie beobachtete ihn, als sie an ihren Kaffee nippte und seufzte. Sie überlegte, ob sich die Mühe lohnen würde, den ganzen Weg nach draußen zu hüpfen. Wahrscheinlich war es nur irgendwelche Werbung. Ein Angebot für eine neue Kreditkarte, hundert neue Möglichkeiten sich zu verschulden. Sie bekam nie etwas wirklich Interessantes.

Dann aber auch wieder langweilte sie sich. In ihrer zweiten Woche ihres Krankenurlaubs hatte sie bereits sämtliche Quellen ausgeschöpft und so würde sie wenigstens das Hüpfen zum Briefkasten mal hier herausbringen. Schließlich stand sie auf und schnappte sich ihre Krücken und ging langsam zur Tür. Man hatte ihr keinen Gipsverband angelegt – anscheinend wurde dies heutzutage als altmodisch angesehen – also musste sie sich damit abfinden, hinkend auf Krücken durchs Haus zu gehen und ihren verbundenen Fuß allein aus Willenskraft dazu zu bringen, zu heilen. Das einzig wirklich Positive daran war, dass es ihr linker Fuß war, so konnte sie wenigstens noch Auto fahren – auch wenn man es ihr verboten hatte. Wenn sie den ganzen Tag in ihrem Haus gefangen gewesen wäre, dann dachte sie, dass sie bis jetzt schon total durchgedreht wäre.

Die Luft war klar und kühl mit einem Versprechen für den kommenden Winter, aber sie zog sich keinen Mantel über, da sie die kühle Brise mit Leben einhauchte, als sie zum Briefkasten humpelte. Dort angekommen lehnte sie eine Krücke dagegen und stellte sich auf ihr gesundes Bein, sodass sie den Inhalt des Briefkastens an sich nehmen konnte. Ein Prospekt von der Kirche, die ihr versprach ihre Seele zu retten – dafür war es wohl schon zu spät, vermutete sie – und nein, zwei neue Angebote für Kreditkarten und einen schmalen Brief. Sie drehte ihn um und erstarrte. Dort, in dicken schwarzen Lettern, stand ihr Name – ‚Ms Samantha Carter – geschrieben. Es war unverkennbar die Handschrift des Colonels.
 
Ein Adrenalinstoß ließ ihr Herz kurz aussetzen. Sie war verdammt neugierig, aber zugleich auch nervös. Warum schrieb er ihr? Was hatte das zu bedeuten? Sie hatte O’Neill nicht mehr seit ihrer äußert unerfreulichen Auseinandersetzung mit Natasha Greene auf der Krankenstation gesehen.

Und das Letzte, was sie von Daniel gehört hatte, war, dass er sich etwas Urlaub genommen hatte und zu seiner Hütte gefahren war. Sie hatte angenommen, dass Tasha bei ihm war, also hatte sie ihr Bestes gegeben nicht darüber nachzudenken – an ihn zu denken, oder an Tasha und schon gar nicht an ihn *und* Tasha. In Gedanken verloren drehte sie den Brief in ihrer Hand wieder um, bis ein frischer Wind sie streifte und sie erschauderte. Erst da bemerkte sie, dass sie noch immer draußen, ohne einen Mantel, vor dem Briefkasten stand. Sie klemmte sich ihre Post unter ihren Arm und humpelte zurück zum Haus und fragte sich die ganze Zeit, warum der Colonel ihr einen Brief geschrieben hatte. Schreibt heutzutage überhaupt noch jemand Briefe?

Einmal wieder im Warmen schnappte sie sich ihren Kaffee von der Küchenanrichte und ging zur Couch, wo sie ihren Fuß hochlegte und erleichtert seufzte, als sie es sich bequem machte. Und dann mit einem Schluck von ihrem Kaffee beäugte sie erneut den Umschlag. Er wurde vor zwei Tagen versandt, aus Minnesota. Also war er noch immer dort oben. Das machte es nur noch merkwürdiger, dass er ihr geschrieben hatte, besonders dann, wenn Tasha doch bei ihm war. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, was sie im Inneren des Umschlags finden könnte. Das Einzige, was sie sich vorstellen konnte, war, dass es ein Bericht war, den sie noch abzeichnen musste. Obwohl sie keine Ahnung hatte, warum er den ganzen Papierkram mit in seine Hütte nahm. Sie drehte den Brief wieder um. „Es gibt nur einen Weg das herauszufinden“, sagte sie sich selbst, bevor sie den Umschlag vorsichtig mit ihren Fingernägeln öffnete. Sie zog ein einziges Blatt heraus, vollgeschrieben mit der Handschrift des Colonels. Aber es war nicht sein normales, schon fast illegales Gekritzel. Das hier war sehr ordentlich geschrieben, so als ob er es von irgendwo abgeschrieben hätte. Ihr Blick überflog schnell die Wörter und versuchte alles auf einmal irgendwie zu verstehen, als sie zu lesen begann. Neugier und Sorge kämpften in ihren Inneren um die Oberhand.

Liebe Sam,

Sie fragen sich wahrscheinlich, was ich hier zum Teufel mache und warum ich Ihnen so einen Brief schreibe. Das ist auch für mich ziemlich ungewöhnlich. Aber Sie wissen ja, wie gut ich darin bin die richtigen Worte zu finden, und da dies vermutlich das schwierigste sein wird, was ich je sagen werde, dachte ich mir, dass ich es auf die feige Tour mache und es aufschreibe. Außerdem dachte ich mir, dass Sie den Brief dann in den Mülleimer werfen könnn, wenn Ihnen das, was Sie lesen, nicht gefällt. Und so könnten wir dann beide so tun, als ob es nie passiert wäre, oder?

Okay… Also… am besten ich fange mal mit ein paar Grundlagen an. Erstens, ich weiß, dass das, was ich hier tue, ist falsch. Dass es für uns beide gefährlich ist, dass es unsere professionelle, platonische Beziehung untergräbt. Es ist gegen jegliche Regeln und wahrscheinlich verstößt es gegen hundert Vorschriften bezüglich sexueller Diskriminierung. Ich weiß das alles und trotzdem werde ich es machen. Zweitens habe ich die letzten Jahre damit verbracht zu ignorieren, zu unterdrücken, zu verleugnen und zu lügen. Und ich habe es satt. Ich will die Wahrheit sagen, ich will die Worte sagen, die vermutlich lieber unausgesprochen bleiben sollten. Ich sollte mich einfach mit den Konsequenzen abfinden.

Also, hier ist sie, die Wahrheit: Ich liebe Sie.

Okay, ich weiß, das ist nicht wirklich ein Schock. An dieser Stelle noch mal vielen Dank an Anise und ihrer überaus reizenden Maschine. Aber da ist noch mehr. Ich liebe Sie, Sam. Ich liebe Sie und ich will, dass Sie ein Teil meines Lebens sind – nicht nur als Kollegin und Freundin, sondern als etwas, was viel wichtiger ist. Ich möchte Ihnen in die Augen sehen können und mich nicht schuldig fühlen müssen. Ich möchte Sie berühren, ohne Angst davor zu haben, wer uns beobachten könnte. Ich möchte Sie einfach nur lieben. Und wenn das falsch ist, dann weiß ich nicht mehr, was noch richtig ist.

Ich kann mir vorstellen, wie Ihre Augen jetzt immer größer werden und Sie erstaunt Ihre Augenbrauen hochziehen. „Was zum Teufel redet er da? Hat er jetzt total den Verstand verloren?“ Ja, ich weiß, dass Ihnen das jetzt durch den Kopf geht. Aber hören Sie mir nur noch einen Moment zu.

Als Sie auf P3X-382 vermisst wurden, da habe ich ein paar Dinge verstanden. Erstens, ich bin wirklich gut darin mich und meine Mitmenschen zu belügen und zweitens, dass ich das nicht mehr tun kann. Irgendwas in mir ist zusammengebrochen, Sam. Eine Barriere, die all dies versteckt hielt und ich kann es jetzt nicht mehr dahinter verschließen. Und noch viel wichtiger, ich will es nicht mehr. Das Leben ist zu kurz. Deswegen will ich, dass Sie die Wahrheit wissen – dass ich verrückt nach Ihnen bin und ich alles tun werde, dass das mit uns klappt. Ich werde alles tun, Sam. Alles, was in meiner Macht steht. Aber ich kann nicht länger mich oder Sie anlügen. Ich liebe Sie und diese Tatsache ist der Mittelpunkt in meinem Universum. Ich kann es nicht länger verstecken.

Aber jetzt liegt es an Ihnen. Wenn es nicht das ist, was Sie wollen, dann respektiere ich das vollkommen. Ich werde die ganze Woche oben in meiner Hütte sein, also können Sie mich dort über mein Handy erreichen. Wenn ich nichts von Ihnen höre, dann weiß ich, was es bedeutet und ich schwöre Ihnen, ich werde es Ihnen nicht nachtragen. Aber wenn Sie anrufen, dann könnten wir vielleicht reden und sehen, wo es uns hinführt. Ich hoffe, Sie rufen an.

Bitte ruf an.

Für immer Dein.

JACK

Sam war total perplex. Sie musste den Brief dreimal lesen, bevor sie es verstand – wirklich verstand. Er wollte eine Beziehung… eine wirkliche, echte Beziehung… Mit ihr. Sie schloss ihre Augen, überrascht dort Tränen zu finden. Das war einfach unmöglich – es gab keine Möglichkeit – und er wusste es. Er hatte es gleich zu Beginn des Briefes gesagt.

Also, was zum Teufel wollte er damit bezwecken? Was erwartete er von ihr? Sollte sie einfach sagen: 'Scheiß auf die Regeln’ und dann zu ihm laufen, weil er auf einmal meinte, dass er das wollte? Und wie zum Teufel passte Tasha Greene in dieses Bild? Gott!

 

Das Telefon lag auf dem Kaffeetisch und sie schnappte es sich. Sie hatte schon halb seine Nummer gewählt, als sie innehielt. Mit einem frustrierten und total verwirrten Seufzen sank sie zurück in die Kissen und schloss ihre Augen. Das Telefon hielt sie in der einen, den Brief in der anderen Hand. „Und was zum Teufel soll ich jetzt bitte schön machen?“, seufzte sie unglücklich. Aber das stille Haus hatte keine Antwort für sie.


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General Hammond saß teilnahmslos in seinem Büro, sein Blick ruhte auf den ordentlichen Briefumschlag, der in seiner offenen Schreibtischschublade lag. Die gedruckten Buchstaben, die ihn ansprachen, starrten von dem weißen Papier zu ihm auf. Er kannte den Inhalt, obwohl er es bisher noch nicht gelesen hatte. Und er würde es nicht, es sei denn, er musste es. Obwohl er zugeben musste, dass er sich über den Inhalt etwas zwiespältig fühlte. Es gab ihr kein richtig oder falsch, nur eine extreme Vielschichtigkeit und das Gleichgewicht von pro und kontra. Und er war einmal froh, dass er diesen Schritt nicht gehen musste…

„General Hammond!“

Aus seinen Gedanken gerissen schaute er auf, um Doktor Natasha Greene mit einem Lächeln sein Büro betreten zu sehen. Ihr Hosenanzug hatte sich perfekt an ihre dünne, noch recht jugendliche Figur angepasst. Sie war eine attraktive Frau und er stand auf, um sie mit einem Lächeln zu begrüßen. „Dr. Greene“, sagte er mit warmer Stimme und streckte ihr seine Hand entgegen. „Es ist schön Sie wieder zusehen.“

„Gleichfalls“, antwortete sie und schüttelte fest seine Hand, bevor sie Platz nahm und ihre Tasche auf den Boden abstellte. Er setzte sich ebenfalls wieder hin und schloss seine Schublade, sodass sie den Brief nicht sehen konnte. „Wie ist die Konferenz gelaufen?“, fragte er dann. „Ich nehme an, Dr. Jacksons Unterlagen waren ein Erfolg?“

Sie lächelte. „Natürlich. Er ist ein äußerst außergewöhnlicher Redner, auch wenn eine Paar seiner Quellen etwas unklar sind.“

Hammond nickte nur. „Also“, sagte er und betrachtete sie neugierig, „was verschafft mir die Ehre? Hat Dr. Jackson eine weitere Ruine oder Fundstelle gefunden, die Sie gerne besuchen würden?“

Der Doktor schüttelte mit dem Kopf, während ihre Locken leicht mitwippten und ihr Gesicht einen kaum wahrnehmbar schmerzhaften Ausdruck annahm. „Nein, General“, sagte sie und senkte ihren Blick. „Ich fürchte, dass es um etwas mehr… Persönlicheres geht.“

„Verstehe“, antwortete er, obwohl instinktiv Wut in ihm aufstieg. Über die Jahre hinweg war Hammond zu einem ziemlich guten Menschenkenner geworden und er hatte plötzlich das Gefühl, dass man ihn zum Narren halten wollte. Jedoch hielt er seine Haltung verdeckt. „Inwiefern?“

Doktor Greene sah mit einem leichten Stirnrunzeln zu ihm auf. „Mich geht es wahrscheinlich gar nichts an“, sagte sie flüsternd, „es ist nur so… ich bin besorgt.“

„Wirklich?“

Mit einem leichten Seufzen schüttelte sie ihren Kopf. Ihr Gesicht war ein Bild der Sorge. „Ich gehe davon aus, dass Sie wissen, dass Jack und ich nicht mehr zusammen sind?“, begann sie traurig. Hammond nickte gelassen und sie fuhr fort. „Jack ist ein guter Mann, General“, sagte sie. „Und seine Arbeit hier bedeutet ihm sehr viel. Deswegen will ich nicht mit ansehen, wie er einfach alles hinschmeißt.“

Als Hammond leicht auf seinem Stuhl herumrutschte, faltete er seine Hände. „Und inwiefern tut er das?“

Sie zog anscheinend besorgt ihre Augenbrauen zusammen. „Na ja, General“, sagte sie und senkte ihre Stimme. Sie sah sich kurz um, so als ob sie befürchtete, dass jemand lauschen würde. „Die Sache ist die… nun, der Grund, warum Jack und ich uns getrennt haben, war wegen seiner… seiner Beziehung zu Major Carter.“

Hammond erstarrte, sein Kiefer war angespannt und seine abgestützten Hände so verkrampft, dass er schließlich dazu gezwungen war, sie in seinen Schoß fallen zu lassen. Das war etwas, was er nie hören wollte. „Doktor“, sagte er scharf, „bitte seien Sie sich darüber im Klaren, was Sie hier sagen – die Karrieren zweier sehr guter Offiziere könnte ihr auf dem Spiel stehen. Was genau meinen Sie damit?“

Sie zuckte nur mit den Schultern und warf ihre Haare zurück über ihre Schultern. Plötzlich schien jegliche Sorge von ihr abgefallen zu sein. „Sie lieben sich“, sagte sie ihm mit einer qualvollen Offenheit. „Jack hat es mir selbst gesagt.“

„Ich hoffe, Sie verstehen“, sagte Hammond, als er aufstand, und versuchte seine Wut zu kontrollieren, „dass Sie durch diese Anschuldigung die Zukunft von Colonel O’Neill und Major Carter aufs Spiel setzen.“

Sie riss ihre Augen auf, aber Hammond wusste, dass dies nur aufgesetzt war und in ihren Tiefen konnte er das Eis sehen. „Ich tue nur das, was ich denke, was das Beste ist“, antwortete sie.

Aber er schüttelte den Kopf. „Irgendwie, Dr. Greene, bezweifle ich das“, flüsterte er. „Ich erkenne Rache, wenn ich sie sehe."

Sie errötete leicht, als sie aufstand, aber er konnte nicht sagen, ob es vor Wut oder Demütigung war. „Es tut mir Leid, wenn es das ist, was Sie denken“, antwortete sie mit gefalteten Händen vor sich. „Jedoch lüge ich nicht und ich hatte gedacht, dass jemand wie Sie, in ihrer Position, in der Lage dazu ist, Jack und Samantha Carter davon abzuhalten etwas zutun, was sie vielleicht bereuen könnten.“ Ihre Gesichtszüge waren jetzt kalt und gebieterisch und sie schaute ihm mit einem eisigen Blick an. „Vielleicht habe ich mich aber auch geirrt. Aber Sie sehen nicht aus wie ein Mann, der sich vor der Wahrheit versteckt.“

Wenn ihn das treffen sollte, dann funktionierte es. Er hatte sich schon viel zu lange vor dieser besonderen Wahrheit versteckt. Zu lange vielleicht. „Wenn ich so ein Mann wäre“, antwortet er, „dann wäre ich jetzt nicht hier. Ich hoffe nur, dass es nicht etwas ist, was Sie noch bereuen werden, Dr. Greene. Es gibt nur sehr wenige Menschen, die es sich erlauben können, sich Feinde zu machen.“

Sie lächelte, es war ein kaltes Lächeln, das ihn erschaudern ließ. „Ein Rat“, antwortete sie, „auf den Jack O’Neill besser gehört hätte.“

Hammond sagte nichts, als der Doktor ihre Tasche nahm und sich umdrehte, um zu gehen. Aber als sie die Tür öffnete, wurde sie von einem ziemlich erstaunten Daniel Jackson überrascht, welcher gerade zum Klopfen angesetzt hatte. „Tasha!“, sagte er sofort, die Verwirrung war Beweis genug auf seinem Gesicht. „Äh, was machen Sie hier?“

Doktor Greene warf Hammond einen letzten, eisigen Blick zu, bevor sie sich an Daniel wandte. „Ich verschwinde“, sagte sie.

Und genau das tat sie auch. Hurtig stolzierte sie auf ihren Absätzen, die laut aufhalten, den Korridor hinunter. Langsam drehte sich Daniel um, so wie immer, wenn er in Gedanken versunken war, und betrat das Büro. Sein Blick hing so lange auf dem Doktor, bis sie verschwunden war. „Also…“, sagte er nach einem Moment und sah Hammond an, „was hatte das zu bedeuten?“

Hammond atmete tief ein und sank zurück in seinen Stuhl. „Schwierigkeiten, Sohn“, sagte er dem jungen Mann. „Für zwei unserer Freunde.“

Daniel verzog das Gesicht, er brauchte keinen weiteren Einzelheiten. „Heaven has no rage, like love to hatred turned“, murmelte er leise zu sich selbst. „Nor Hell a fury like a woman scorned.”

„Shakespeare, Dr. Jackson?“, fragte Hammond und lächelte grimmig.

„Hä?“, machte Daniel und schüttelte dann seinen Kopf, so als er erst da bemerkt hatte, dass er die Worte laut ausgesprochen hatte. „Ah, nein, eigentlich nicht. Es ist von 'The Mournig Bride’ von William Congreve. Er war ein englischer Schriftsteller.“ Als er den leicht nervösen Blick von Hammond sah, verstummte er augenblicklich. „Entschuldigung“, murmelte er. Er nahm seine Brille von der Nase und schaute noch einmal durch die offene Tür. Seufzend schüttelte er seinen Kopf. „Schwierigkeiten also…“

Hammond nickte. „Verdammt große Schwierigkeiten.“


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Die Angelschnur lag jetzt schon seit Stunden im Wasser, aber nichts außer die schwirrenden Insekten über dem See störten die Ruhe des Wassers. Mit Sicherheit keine Fische. Nicht, dass Jack das etwas ausmachte. Er saß mit ausgestreckten Beinen auf seinen Stuhl, schaute mit schweren Herzen und einem trüben Schweigen hinaus auf das friedliche Wasser. Ein kaum berührtes und warmes Bier lag in seinem Schoß und auf dem Boden, neben seinen Füßen, lag sein ausrangiertes, vollgeladenes Handy, das auf den Anruf wartete, der nie gekommen war.

Ohne sich zu bewegen, seufzte er. Was sollte er schon tun? Er wusste, dass sie vor drei Tagen seinen Brief erhalten hatte – vor fünf Tagen hatte er ihn abgeschickt – also war ihr Schweigen sehr eloquent. Sie war nicht interessiert. Vielleicht war bereits zu viel Wasser unter der Brücke her geflossen? Vielleicht konnte sie ihm nicht verzeihen, dass er mit Tasha zusammen war, als sie vermisst wurde? Vielleicht war es ihr auch einfach nur egal? Es war schon immer schwierig gewesen Carter einzuschätzen, sie hatte nie wirklich mit offenen Karten gespielt. Vielleicht war sie auch nur nicht an etwas Ernsten interessiert. Sie war jung, vermutlich wollte sie nicht an jemanden gebunden sein – besonders nicht an einen so alten und gescheiterten Soldaten, wie er es war. Er seufzte erneut. Verdammt, aber es war einfach in Selbstmitleid zu verfallen, wenn man alleine war.

Ablenken. Er musste sich irgendwie ablenken, damit er den Schmerz in seiner Brust in Hinblick auf seine Zukunft vergaß. Denn egal, was mit Carter geschehen mochte, er wusste mit Sicherheit, dass seine Zukunft ab jetzt eine drastische Wendung nehmen würde. Also stand er auf, nahm sein Handy und steckte es in seine Gesäßtasche und ging zurück zur Hütte. Die Luft war heute frisch und verkündete das Ende des Herbstes. Schon bald würde es schneien. Er sollte wahrscheinlich mal das Dach untersuchen und sichergehen, dass auch alles für den langen Winter versiegelt war. Wer konnte schon wissen, wann er wieder das nächste Mal hier oben sein würde? Okay, und wo zum Teufel hatte er jetzt sein Werkzeug versteckt…?


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Vorsichtig humpelte Sam den kleinen Pfad hinauf, ihr Vorankommen war äußert langsam auf den unebenen Boden. Sie hatte ihren Mietwagen neben den des Colonels abgestellt und es sah ganz so aus, als ob sie den Rest des Weges zu Fuß gehen müsste. Oder in ihrem Fall, mit nur einem Fuß und zwei Krücken. Großartig. Aber dadurch ließ sie sich nicht abschrecken, nicht nachdem sie bereits so weit gekommen war.

Nachdem sie über eine Stunde nur auf seinen Brief gestarrt hatte, hatte sie begriffen, dass sie zu ihm gehen und mit ihm darüber reden musste – auch wenn sie überhaupt keine Ahnung hatte, was sie sagen sollte. Sie wusste nur, dass dieser Brief sie tiefgreifend berührt hatte, aber wie attraktiv sein Vorschlag auch war, eine verbotene Beziehung zwischen ihnen war immer noch unmöglich. So stark die Kräfte, die sie zusammenführen auch sein mögen, die Kräfte, die sie auseinanderhielten, waren stärker – Pflicht und Ehre. Keiner von ihnen würde dies über ihr Verlangen stellen, keiner von ihnen könnte damit glücklich werden.

Zu guter Letzt sah sie seine Hütte durch die Bäume hindurch und traf Teal’cs Beschreibung perfekt. Im Gegensatz zu O’Neills Haus in Colorado Spring, war diese Hütte auf eine charmante Art und Weise etwas verwildert. Und im Licht der späten Herbstsonne sah sie warm und einladend aus. Sam musste ein Seufzen unterdrücken und sie erinnerte sich daran, dass sie sich unten an der Straße ein Zimmer gemietet hatte. Und sie war nur zum Reden hier, um die Dinge zu klären und nicht mehr… Dann würde sie wieder verschwinden.

Als sie die kleine Lichtung, die seine Hütte umgab, betrat, blieb sie stehen. Ihr Blick war auf den Besitzer des Hauses gefallen, der dem Wetter entsprechend gekleidet war. Seine allgegenwärtige Kappe hing ihm tief in seinem Gesicht und er saß auf einer hölzernen Bank und begutachtete ein wirklich merkwürdiges aussehendes Werkzeug. Noch nicht einmal Sam konnte sagen, wozu man das gebrauchen könnte. Er hatte seine Augenbrauen konzentriert zusammengezogen, als er mit einem Finger über die Kante fuhr. Hier, erkannte sie, war er in seinem Element. So sehr er auch seine Arbeit liebte, war ihm die Steifheit des Militärs immer ein Dorn im Auge gewesen, aber hier, ganz allein, da war er wirklich er selbst. Sie lächelte und für nur einen Moment schwand ihr Widerstand. Wie einfach es doch wäre, in diesem warmen Pool aus Sonnenlicht zu treten, ihre Arme um ihn zu schlingen und zu ihm in diesen kleinen Zufluchtshafen zu flüchten. So einfach, so verführerisch… so falsch.

Sie seufzte und er musste es gehört haben, denn er schaute plötzlich auf und ihre Blicke trafen sich mit einem Erschüttern, das Sam in ihrem tiefsten Inneren spürte. Sie sah Erstaunen, Unglaube und eine wirklich unglaubliche Freude. All dies zeichnete sich auf einmal auf seinem Gesicht ab, geprägt von einer angespannten Erwartung, als er langsam aufstand. „Carter“, sagte er leise. Ihren Namen sprach er halb mit Hoffnung und mit Erleichterung aus. „Hey.“

„Hey“, antwortete sie und für einen Moment bewegte sich keiner von ihnen. Nur ihre Blicke hielten sie fest, als die Welt um sie herum aufhörte, sich zu drehen. Er schien irgendwie verändert zu sein, offener als gewöhnlich und sogar aus dieser Entfernung konnte sie die Wärme in seinen Augen sehen. Sie fragte sich, was er in ihr sehen mag.

„Sie haben nicht angerufen“, sagte er nervös. Es war offensichtlich, dass er durch ihr plötzliches Auftauchen aus der Bahn geworfen war.

„Nein“, gab sie zu. „Das tut mir leid. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.”

Er beobachtete sie eingehend und besorgt. Und beinahe zum ersten Mal, seit sie ihn jetzt kannte, hielt er seine Hände ruhig um das Objekt, angespannt vor Erwartung. „Aber Sie wissen es jetzt?“

Sie wusste, nach was er fragte – war sie hergekommen, um trotz der Vorschriften mit ihm eine Beziehung einzugehen – und sie wünschte sich, dass sie eine bessere Antwort für ihn hatte. Aber er hatte gesagt, dass er die Wahrheit wollte und das war sie. „Nein, nicht wirklich“, sagte sie, ihr Blick noch weiterhin auf ihn gerichtet. „Aber ich dachte, dass es helfen würde, wenn wir darüber sprechen… ich hasse Telefone.“

Es war nicht wirklich eine Antwort und er entspannte sich auch nicht, aber er nickte mit einem kleinen Lächeln und schaute weg. „Ja, ich auch“, sagte er. „Ich bin froh, dass Sie hier sind – wir müssen wirklich reden.“

Und damit war der Bann gebrochen. Nicht länger irgendwelche intensive Blicke. Sam setzte sich wieder in Bewegung und bahnte sich ihren Weg vorsichtig über den unebenen Boden auf seine Hütte zu. So als ob Jack jetzt zum ersten Mal sehen würde, dass sie mit Krücken laufen musste, schnellte er ruckartig zu ihr. „Carter!“, rief er verzweifelt. „Ihr Fuß… wo ist Ihr Auto?“

„Ich habe es bei Ihrem Truck stehen gelassen“, antwortete sie, als sie zum ihm aufschaute und einfach nicht anders konnte, als zu lächeln, als sie seinen Gesichtsausdruck sah. „Teal’c hat mir gesagt, dass man hier nicht hochfahren kann.“

„Sie sind gelaufen?“

„Na ja“, lächelte sie, „eigentlich bin ich mehr gehüpft…“

„Oh, verdammt… Carter, warum haben Sie mich nicht angerufen? Ich meine… wenigstens vom Auto aus. Ich hätte Sie abholen können.“

„Mir geht’s gut“, versicherte sie ihm, als sie an ihm vorbeiging. „Ich bin bereits richtig gut mit diesen Dingern hier, wissen Sie… Außerdem brauchte ich mal die Herausforderung.“

Er fiel in ihren langsamen Schritt und beobachtete sie aus seinen Augenwinkel heraus. „Sie hätten sich verletzten können.“

Sie sah mit einem Lächeln zu ihm auf und war aufgrund seiner ungewöhnlichen Sorge etwas verwirrt. „Tun Sie einfach so, als wären wir auf einer Mission, Sir“, schlug sie ihm vor, „dann wird es Sie nicht so sehr stören.“

Mit einem Stirnrunzeln wandte er schnell seinen Blick ab. „Sieht das so aus?“, fragte er. „Dass es mich nicht kümmert?“

Augenblicklich bereute Sam ihre Worte. „Natürlich nicht“, antwortete sie wieder überrascht über seine ungewohnte Offenheit. „Ich meinte nur… da sind Sie es gewohnt, dass ich mich um mich selbst kümmere, das ist alles.“

Jack nickte. „Es beschäftigt mich“, sagte er ihr. Sein Blick war auf seine Stiefel gerichtete, als sie langsam ihren Weg gingen. „Ich kann es nur nicht so zeigen.“

„Ich weiß.“

Er seufzte, aber bis sie die Hütte erreicht hatten, schaute er nicht ein weiteres Mal zu ihr. „Wollen Sie vielleicht reinkommen?“, fragte er. Es war eine einfache Frage, aber sie verriet einen Hauch von Sorge, so als ob er Angst haben könnte, dass sie ablehnen würde. Sie konnte es ihm nicht verübeln – einige Male hatte sie es schon getan.

Aber diesmal tat sie es nicht, sondern lächelte ihn an. „Für eine Weile“, sagte sie.

„Genau“, murmelte er und verstand ihren Vorsatz nicht für allzu lange bleiben zu wollen.

Sam hielt am Fuße der Treppen an und überlegte sich, wie sie am besten mit ihren Krücken da hochkommen sollte. Es gab nichts, woran sie sich hätte festhalten können und als sie noch über ihr Problem grübelte, schlang Jack einfach seinen Arm um ihren Rücken und unter ihre Arme. Er stützte sie, während sie die Stufen hochkletterte. Der plötzliche Körperkontakt war erschreckend – ein plötzliches Verlangen versetzte ihren Bauch in einen freien Fall und die Luft zwischen ihnen war mit einem Male aufgeladen und äußerst gefährlich. Sich jeder ihrer Bewegung bewusst, schlang sie ebenfalls ihren Arm um seinen Rücken, sodass sie sich an seiner Schulter festhalten konnte, als er ihr dabei half die kleine Treppe zu erklimmen. Unter ihrem Arm konnte sie das Spiel seine Muskeln spüren, als er sich bewegte und sie konnte nicht verleugnen, dass diese plötzliche Nähe sich verdammt gut anfühlte, verlockend und einfach nur richtig. Und plötzlich war sie wieder zurück in der Höhle, ihr Kopf ruhte auf seiner Brust und seine Arme hielten sie fest an ihn gedrückt. Sie konnte sich an ein warmes Streicheln über ihre Wange erinnern, Wörter, die leise in ihr Haar gemurmelt wurden und ihr stockte der Atem bei der Intensität dieser Erinnerungen… Sie versuchte ein Seufzen zu unterdrücken.

Was Jack grade fühlte, konnte sie nicht sagen, weil sie es nicht wagte, ihm ins Gesicht zu sehen. Aber sobald sie auf der Veranda waren, ließ er sie los und ging schnell zur Tür und öffnete sie für sie.

„Hereinspaziert“, sagte er mit einem trockenen Lächeln, so als ob er einen privaten Witz mit sich teilen würde. Sam dachte, dass sie ihn verstand – ein Ziel in seinem Leben war es wohl immer gewesen, sie in diese Hütte zu bekommen, auch wenn er da wahrscheinlich dabei an ein ganz anderes Szenario gedacht hatte.

Sie lächelte ebenfalls, traf seinen Blick und teilte mit ihm für einen Augenblick diesen Witz, als sie eintrat und sich umsah. Aus irgendeinem Grund hatte sie erwartet, dass das Innere dunkel und erdrückend sein würde. Aber das war es nicht. Der Raum war in helles Sonnenlicht getaucht, welches durch das Fenster schien und den hölzernen Boden warm glänzen ließ.

Ein frisch gehackter Stapel mit Feuerholz lag in der Feuerstelle und ihr Duft verlieh dem Raum ein angenehmes Aroma. Ein bequemer Sessel und ein Sofa standen vor dem offenen Kamin. Und durch das Fenster hindurch konnte man den See funkeln sehen und dies gab all dem einen wundervollen Touch von Gemütlichkeit. „Wow“, sagte sie schließlich und atmete tief ein. „Das ist wunderschön.“

Jack grinste, offensichtlich ziemlich erfreut über ihre Antwort. „Danke“, sagte er. „Ich wusste, dass Sie es lieben…“ Verlegen unterbrach er sich selbst. „Ah, setzten Sie sich doch“, bot er ihr an und überspielte seine zeitweilige Verwirrtheit, in dem er die Zeitungen von der Couch nahm. „Wollen Sie etwas trinken? Kaffee? Bier?”

Sam sank mit einem erleichterten Seufzen dankbar auf die Couch, als sie ihr Bein ebenfalls dort ablegte. „Kaffee“, antwortete sie lächelnd. „Danke.“

Mit einem Nicken verschwand er in der Küche und schon bald hörte sie das leise Gluckern der Kaffeemaschine. Aber er brauchte länger als normal üblich, und als er zurückkam, sah er gefasster aus, als zuvor. Etwas von seiner Zurückhaltung war zurückgekehrt und wieder einmal bauten sich seine Mauern auf. Er lächelte sie nicht an, als er sich gegenüber von ihr in den Sessel setzte und ihr die Tasse reichte. Er beobachtete sie mit einem prüfenden Blick, so als ob er auf den großen Knall warten würde. Sein Blick bestürzte sie zutiefst – sie wusste ganz genau, dass er sich zurückhielt, sich vor ihrer Abweisung fürchtete und sich so gut wie möglich davor schütze. Sie wandte ihren Blick ab und wünschte sich mehr als je zuvor, dass sie eine andere Wahl hätte. Aber sie konnte an keine denken, die ihre Pflicht gefährdete. „Also…“, durchbrach Jack das große Schweigen.

 

„Also“, stimmte sie ihm flüsternd zu. „Ich denke… wir sollten reden.“

Jack nickte. „Sie, ähm, Sie haben meinen Brief bekommen?“, fragte er und sie konnte sehen, wie etwas Befangenheit langsam durch seine Abwehr brach.

„Ja…“, antwortete sie. „Ich war… überrascht. Ich hatte angenommen, dass Sie mit Tasha hier oben wären.“

Er verzog sein Gesicht und nahm einen Schluck von seinem Kaffee. „Schätze mal, dass ich nicht erwähnt habe, dass wir uns getrennt haben?“ Er sah auf. „Ich hatte irgendwie angenommen, dass Daniel Sie einweihen würde.“

Sie lächelte; Daniel war trotz allem immer noch die Tratschtante in ihrem Team. „Was ist passiert?“, fragte sie. „Mit Tasha?“

„Was denken Sie denn?“ Noch immer beobachtete er sie vorsichtig. Als er keine Antwort bekam, fuhr er fort. „Sie hatte ihre Vermutungen… über uns.“

„Sie hat Ihnen den Laufpass gegeben?“, fragte Sam plötzlich misstrauisch.

Seine Lippen verzogen sich ein dünnes Lächeln. „Es kam von beiden Seiten.“

Sie nickte und in ihrem Kopf halten die schmerzenden Worte von Tasha auf, die sie zu ihr auf der Krankenstation gesagt hatte. 'Ich schätze mal, Jack hat Sie dann wohl doch nicht so sehr vermisst.’ Er hatte mit ihr geschlafen. Während sie fast zu Tode erfroren war, sie allein und verletzt in dieser Höhle gelegen hatte, hatte er mit ihr geschlafen! Der Verrat, den sie fühlte, war wie ein wunder Punkt in ihrem Herzen. Sie konnte nicht widerstehen ihn immer wieder zu berühren, auch wenn der Schmerz dadurch noch schlimmer wurde als zuvor. Sie sah ihn mit einem gefassten Blick an. „Wann haben Sie sich getrennt?“, fragte sie.

„Der Tag, nachdem wir Sie gefunden haben“, sagte er. „Ich denke, es war ziemlich offensichtlich was ich gefühlt habe, als Sie verschwunden waren…“

„Ha!“ Sam konnte das zynische Lachen nicht zurückhalten und Jack zuckte zusammen. Er musste wissen, was sie darüber dachte, aber er sagte nichts, vielleicht hoffte er so das Thema zu meiden. Keineswegs! „Erinnern Sie sich noch daran, als wir dachten, dass Daniel tot war?“, fragte sie ihm ruhig und entschied sich an das Thema heranzutasten, als langsam ihre Wut diesen warmen Raum erfüllte. „Als wir *wussten*, dass wir ihn tot gesehen hatten?“

Er schaute mit einem ausdrucklosen Gesicht zu ihr auf. Ein sicheres Zeichen dafür, dass er sich noch weiter zurückzog und auf den Sturm wartete. „Ja“, antwortete er bedacht.

„Wir waren alle am Boden zerstört“, sagte sie. „Sie haben sogar die Nerven verloren… Sie haben das Fenster von dem Auto des Generals zerschlagen.“

„Worauf wollen Sie hinaus?“

Sam atmete einmal tief ein. „Wie konnten Sie mit ihr in dieser Nacht schlafen, als Sie dachten, dass ich tot wäre?“

Jack schloss für einen Moment die Augen und stand dann abrupt auf. Er wandte sich von ihr ab und ging zu dem Kamin, eine Hand legte er auf die Brüstung, während er hinunter auf das Holz starrte. Eine lange Zeit herrschte Stille, nur das kontinuierliche Treten seines Fußes, gegen den Kaminsims war zu hören. Als er schließlich zu sprechen begann, war nichts mehr von der Zurückhaltung in seiner Stimme zu hören, sondern sie hörte etwas heraus, was ihn tief persönlich traf. „Wie alt waren Sie, als Ihre Mutter starb, Carter?“, fragte er leise.

Merkwürdige Frage. „Elf“, antwortete sie, und als sie ihn beobachtete, spürte sie, wie die Wut unter den immensen Gefühlen, die er ausstrahlte, zu schmelzen begann.

Er schüttelte den Kopf. „Das ist zu jung“, seufzte er. Dann: „Ich war einunddreißig als meine Mutter gestorben ist. Achtunddreißig als Charlie starb. Neununddreißig als Sara mich verlassen hat.“ Seine Stimme erstickte fast und sein Griff um die Brüstung festigte sich, bis seine Knöchel weiß hervortraten. „Ich habe dreiundzwanzig Männer unter meinem direkten Kommando verloren und vier stellvertretende Offiziere. Ich habe achtzehn Männer von Gesicht zu Gesicht umgebracht und… viel zu viele im Kampf. Das ist verdammt viel Tod in einem Leben.“

Sam wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, erschüttert durch ihren Angriff auf seine Gefühle. Sie hatte noch nie gesehen, dass seine Rüstung auf diese Weise zusammenbrach. Und trotzdem spürte sie, wie er sich noch immer unter Kontrolle hat und sie fragte sich, was passieren mochte, wenn er sie einmal verlieren sollte. Aber im Moment verlangte ihr unverblümter Angriff auf seine Gefühle eine Antwort, egal wie lahm sie auch klingen mag. Also räusperte sie sich und flüsterte: „Ja, das ist es.“ Sie fühlte sich plötzlich wie ein kleines, egoistisches Kind. Wie konnte sie ihn nur dafür verurteilen, dass sie annahm, dass er weniger fühlte, als er eigentlich sollte? Eine Entschuldigung formte sich grade auf ihren Lippen, als er wieder zu reden begann.

„Als sie gesagt haben, dass Sie verschwunden waren, Carter, da dachte ich, dass ich komplett die Kontrolle verlieren würde – dass ich untergehen und *nie* wieder auftauchen würde. Ich griff nach dem ersten Strohhalm, den ich… Es tut mir leid… Ich hätte dort draußen sein und nach Ihnen suchen sollen, aber die haben gesagt, dass sie fort waren und ich habe nur…“ Er verstummte abrupt, ließ seinen Kopf noch weiter hängen. Bewegungslos stand er da, bis auch seine Schultern zusammensackten und er zitternd einatmete. „Das war das Schlimmste, was ich in dieser Nacht getan habe.“

Wenn sie dazu in der Lage gewesen wäre aufzuspringen, dann wäre sie binnen weniger Sekunden bei ihm gewesen. Aber ihre Krücken lehnten gegen der Wand, was, wie die Vernunft ihr sagte, wohl das Beste war. Sie war hierher gekommen, um zu reden – das ist alles – also sollten sie auch reden. „Sie haben mich nicht zurückgelassen, Sir“, beharrte sie sanft. „Sie haben mich nach Hause gebracht. Sie haben mein Leben gerettet – schon wieder.“

„Nein“, antwortete er und drehte sich mit einem dunklen Blick zu ihr um. „Sie haben *mein* Leben gerettet, Carter – jeden einzelnen Tag.“

Er sah sie durch die aufgewühlten Gefühlen in seinen Augen an und da erkannte sie, dass seine Mauern wieder gefallen waren, wie Ruinen lagen sie auf dem Boden und in seinem Blick konnte sie sein Herz sehen. Wohl zum ersten Mal, sah sie die Tiefe seiner Gefühle, die er für sie hegte – und es überwältigte sie gänzlich, ließ sie atemlos. Er liebte sie, brauchte sie, wollte sie… sie konnte Leidenschaft, Begierde, Zärtlichkeit und Hingabe in seinen Augen sehen, als er einfach nur dort stand und vor ihr seine Seele ausbreitete. Und gerade als sie dachte, dass sie es nicht mehr aushalten könnte, schloss er seine Augen, suchte nach Mut, bevor er sie wieder öffnete und sie mit einem flehenden Blick ansah. „Carter“, sagte er erschöpft, „bitte sagen Sie mir einfach nur, ob Sie hierher gekommen sind, um es anzufangen oder zu beenden?“

Der Atem blieb ihr im Halse stecken. Sie wollte – konnte – diese Frage nicht beantworten, nicht unter diesen Umständen. „Ich“, begann sie mit einem Stirnrunzeln, „ich will gar nichts beenden.“

„Aber?“, fragte er, als er einen Schritt auf sie zuging und sich sein Blick in ihren bohrte.

Sie schluckte. „Aber… realistisch gesehen… wissen Sie, dass wir gar nichts anfangen können… Die Vorschriften…“

„Vergiss die Vorschriften“, drängte er und innerhalb weniger Schritte, kniete er an ihrer Seite und berührte ihre Hand. „Carter… das hier ist wichtiger…“

„Nein“, beharrte sie und zog ihre Hand aus seiner und drückte sich so weit in die Couch, wie sie nur konnte. „Sir… wir *können* die Vorschriften nicht vergessen! Sie wissen, was passieren wird, wenn wir es tun.“

Er schüttelte jetzt frustriert seinen Kopf. „Ich weiß… ich meine… was wäre, wenn es diese Vorschriften *nicht* geben würde?“ Er nahm erneut ihre Hand, seine warmen Fingern gegen ihre Haut und sie begann unter seine Berührung leicht zu erschaudern. „Was, wenn sie kein Thema wären?“, drängte er. „Was wäre dann?“

„Dann… wären die Dinge anders“, antwortete sie sanft. „Aber es ist sinnlos so zu denken, Sir. Sie sind da… und es gibt keinen Weg drum herum.“

Er wandte seinen Blick ab, aber seine Hände hielt er an Ort und Stelle und sie spürte, wie ihr Herz wie ein Schnellzug zu pochen zu begann. Als er wieder zurück zu ihr schaute, war er ernst. „Ich denke darüber nach in den Ruhestand zu gehen“, sagte er leichthin, so als ob er ihre Antwort dadurch entkräftigen wolle.

„Was?“, rief sie und von der Art und Weise, wie er zusammenzuckte, war das die Antwort, die er wohl erwartet hatte. „Das können Sie nicht tun!“

Er zuckte nur mit den Schultern. Dann ließ er ihre Hand los und setzte sich neben sie auf die Couch. „Warum nicht?“

Sam schüttelte den Kopf. Sie war sich nicht sicher, ob sie das verstehen konnte, was er ihr da gerade anbot. „Für mich…?“, schaffte sie schließlich zu sagen. „Das kann ich nicht zulassen. Sie sind viel zu wichtig für das SGC, als dass Sie einfach gehen könnten!“

Und dann lächelte er sie schon fast verlegen an, obwohl er sie nicht direkt ansah. „Und Sie sind zu wichtig für mich, um zu bleiben.“ Er schaute zu ihr auf. „Ich meinte jedes Wort in dem Brief, Carter. Ich brauche Sie in meinem Leben. Wenn Sie es wollen, dann werde ich alles tun, damit das funktioniert.“

„Aber nicht das“, beharrte sie. Das war einfach zu viel. Ruhestand? Er würde alles aufgeben, nur damit er mit ihr zusammen sein konnte? Das war doch… verrückt! „Ich kann mir das SGC nicht ohne Sie vorstellen. Und was ist mit den Goa’uld?“

„Würden die mich wohl vermissen?“

„Colonel!“, protestierte sie und starrte ihn ungläubig an. „Sie können nicht davonlaufen!“

Er seufzte schwer und tippte in seinem Schoß seine beiden Daumen nervös gegeneinander. Konzentriert runzelte er seine Stirn. „Sie denken, dass es ein Pflichtversäumnis ist.“

Die Worte hangen zwischen ihnen und sie musste zugeben, dass ihre anfängliche Antwort in diese Richtung ging. Einfach vor den Kampf davon zu laufen, damit er mit ihr zusammen sein konnte… es erschien entartet und unehrenhaft. Und jetzt… ein Teil von ihr war begeistert. Er wollte so sehr mit ihr zusammen sein, dass er dafür *alles* aufgab. Aber die Verantwortung, die dadurch auf sie lastete, war erschreckend und es war mehr, als sie ertragen konnte.

„Ich habe viel darüber nachgedacht“, sagte er plötzlich, stand auf und begann im Raum auf und ab zu laufen. „Das ist nicht nur ne Laune, nicht irgend so ein Testosteron gesteuertes Lustding!“ Sam zog aufgrund seiner Wortwahl ihre Augenbrauen hoch und er winkte diesen Kommentar leicht verlegen ab. „Ich habe mir Gedanken um Major Coburn gemacht“, gab er dann zu und nahm etwas von der Fensterbank und begann damit herumzuspielen. „Er ist gegangen, um bei seiner Frau und seinen Kindern zu sein und das SGC ist auch ohne ihn weitergelaufen. Dasselbe wäre doch auch bei mir der Fall. Ich bin nicht unentbehrlich, Carter. Niemand von uns ist das.“ Er sah sie kurz an und fügte dann leise hinzu: „Aber ich möchte unentbehrlich sein… für Sie.“

Ihr Herz pochte wild und sie redete, ohne nachzudenken. „Aber das sind Sie doch bereits“, flüsterte sie und musste lächeln, als sie das Leuchten in seinen Augen sah. Dann schaute sie schnell weg, verängstigt, dass sie sich in seinen verrückten Fantasien verlieren konnte. „Aber so einfach ist das nicht, oder? Was ist mit Ihnen? Was würden Sie tun, wenn Sie im Ruhestand sind?“

Er schielte zu ihr hinüber. „Dies und das“, versprach er. „Im Grunde habe ich sogar ein Leben außerhalb dieses Berges… nicht so wie manch andere Leute.“

Sie zuckte mit ihren Schultern. „Es wäre jede Menge Druck“, sagte sie dann und hatte unweigerlich das Gefühl immer weiter in die Ecke gedrängt zu werden. Sie konnte doch nicht ernsthaft darüber nachdenken… oder? „Was, wenn das mit uns nicht funktioniert?“, beharrte sie. „Was, wenn wir nach ein paar Verabredungen entscheiden, dass es nicht funktioniert? Dann hätten Sie Ihre Karriere für nichts und aber nichts weggeworfen.“

„Das wird nie passieren, Carter“, sagte er ihr mit Zuversicht. Er drehte sich zu ihr um und lehnte sich gegen die Fensterbank. „Ich kenne Sie ganz genau. Wir haben mehr Zeit zusammen verbracht, als irgendein Ehepaar.“ Er tippte auf seine Brust. „Sie sind hier, Carter, und von dort werden Sie auch nicht verschwinden.“

Sam beobachtete ihn grüblerisch und wog ihre nächsten Worte genau ab. „Die Frau, die Sie kennen Colonel“, sagte sie und benutzt extra seinen Rang, „ist 'Major Carter’, welche Sie 'Sir’ nennt und Ihre Befehle befolgt. Sie können mit *Sam* vielleicht nicht umgehen.“

Ein langsames Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Das hört sich ganz nach einer Herausforderung an.“

Sie musste wegschauen, um nicht selbst zu lächeln. „Ich meine das ernst, Colonel“, erinnerte sie ihn. „So sehr Sie vielleicht denken, dass wir uns kennen, so können wir doch herausfinden, dass wir das eben nicht tun. Es ist immer noch ein Risiko.“

„Es ist ein Risiko“, stimmte er ihr zu. „Aber gehen wir nicht jeden Tag irgendwelche Risiken ein, wenn wir da draußen sind?“

„Dort draußen, ja“, bestätigte sie. „Aber…“ Sam verstummte, da sie sich nicht sicher war, wie sie fortfahren sollte und plötzlich schien Jack zu verstehen.

„Sie haben Angst“, sagte er auf einmal. „Oder?“

Sie runzelte die Stirn, konnte es aber nicht verleugnen. „Ich denke schon. Sie etwa nicht?“

Nach einem Moment zuckte er mit den Schultern. „Etwas“, gab er zu und ging wieder zu ihr, „aber ich habe mehr Angst Sie zu verlieren, Carter.“ Er setzte sich neben sie und legte zögernd eine Hand auf ihr gesundes Bein. Er beobachtete sie, ob es ihr Recht war. Als sie nicht widersprach, redete er weiter. „Mein Dad hat mir mal einen Rat gegeben. Ich habe nie wirklich auf das gehört, was er mir gesagt hat, aber das ist hängen geblieben. 'Du bist eine lange Zeit tot.’“ Er traf ihren Blick, während sich sein Daumen sanft über ihren Oberschenkel bewegte und ihrer Konzentration schreckliche Dinge antaten. „Ich habe der Air Force zwanzig Jahre meines Lebens gewidmet, Carter“, sagte er. „Und verstehen Sie mich bitte nicht falsch, das meiste davon habe ich geliebt. Aber ich werde langsam alt… neue Länder, neue Planeten und alle betreten wir nur mit einer Waffe in der Hand und der Gefahr, die sich fast um jeder Ecke befinden könnte. Fast mein gesamtes Erwachsenenleben über war ich Soldat… ist es da zu viel von mir verlangt oder zu egoistisch wenn ich einfach nur etwas Frieden und…“

„… wenn Sie einfach nur Frieden und Liebe haben wollen?“, beendete sie seinen Satz, als sie nervös seine Hand mit ihrer bedeckte. Er schaute sie einfach nur an, die Antwort lag in seinen Augen. Und in diesem Moment verstand sie es: Er lief vor nichts davon. Das hatte er nie getan. Sie war immer diejenige gewesen, die gelaufen war, die sich hinter den ganzen Vorschriften versteckt hatte, weil sie einfach zu verängstigt war, das größte Risiko überhaupt einzugehen. „Nein“, sagte sie, als sie sah, wie die Wärme in seinen Augen anstieg. Sie war kaum in der Lage unter ihrem lauten Herzschlag ihre eigene Stimme zu hören. „Nein, ich denke, das sind Sie nicht.“

Er bewegte seine Hand und drehte sie um, sodass sich ihre Fingerspitzen berührten, als er sich nervös seine Lippen befeuchtete. „Carter“, sagte er ihr mit einem direkten Blick in ihre Augen, „bitte sag mir, dass du hier etwas anfangen willst.“

Es gab tausend gute Gründe, warum sie es nicht machen sollte, dachte sie, als sie in seine Augen sah und dort in ihrer Wärme versank. Und nur einen wirklich guten Grund, warum sie es tun sollte, aber dieser eine Grund, war der wichtigste von allen – sie liebte ihn. Sie festigte ihren Griff um seine Hand und sprach mit einem Flüstern. „Das will ich, Jack.“

Er sackte vor Erleichterung zusammen, so als ob irgendwo irgendwelche Schnüre durchgeschnitten worden waren. Aber er schrie weder auf, noch grinste er. Stattdessen zog er sie einfach nur in seine Arme, drückte sie fest an sich, als er seinen Kopf in ihren Schultern vergrub. „Danke“, flüsterte er in ihr Haar. „Danke, Sam…“

„Wie lange?“, fragte sie, als sie ihre Arme um ihn schlang und nur lächeln konnte, als sie spürte, wie er sie noch fester an sich drückte.

„Hä?“, murmelte er in ihr Haar.

„Bis du im Ruhestand bist?“, klärte sie ihn auf und zog sich so weit zurück, dass sie ihn ansehen konnte. „Wie lange müssen wir noch warten?“

Er lächelte, ein kleines Lächeln, das seine Augen zum Funkeln brachten. „Hammond hat bereits meinen Brief.“

Sam riss ihre Augen auf. „Du hast bereits abgedankt?“, fragte sie erstaunt. „Bevor du wusstest, was ich tun würde?“

„Ich hab’s versucht“, sagte er ihr und entließ sie aus seiner Umarmung, so, dass sie sich zurück in die Kissen lehnen konnte, aber seine Hände fuhren an ihren beiden Armen hinunter, bis sie ihre Hände fest umschlossen. „Hammond hatte es nicht akzeptiert… er hatte mir gesagt, dass ich mir ein paar Wochen Urlaub nehmen und darüber nachdenken sollte. Also, hier bin ich… und denke nach.“

Verwirrt runzelte sie die Stirn. „Dann hattest du so oder so vorgehabt in den Ruhestand zu gehen? Auch wenn ich dem hier… nicht zugestimmt hätte?“

„Stört dich das?“, fragte er neugierig.

Mit einem Schulterzucken schüttelte sie den Kopf. „Eigentlich nicht. Es ist sogar besser… kein Druck.“

„Kein Druck“, versicherte er ihr. Er sah sie mit einer so tiefen Zuneigung an, dass Sam das Gefühl hatte, dahin zu schmelzen. „Überhaupt keinen“, fügte er hinzu, als er sich ihr näherte und in ihren persönlichen Raum eindrang – näher, noch näher, seine Nase stupste leicht gegen ihre… Oh Gott, er würde sie küssen! Adrenalin schoss durch ihren Körper, ihr Herz begann wie wild zu schlagen, als es von Kopf bis Fuß zu kribbeln begann und sich seine Finger noch fester um ihre legten. Sein Atem war so warm auf ihren Lippen, mit einem leichten Kaffeegeschmack und so köstlich… Gott, sie wollte das. Sie wollte es schon so lange. Sie hatte davon geträumt, hatte es sich gewünscht… Und das war es! Ihre Sicht vor ihren Augen verschwamm, als nichts als ein Hauch von Luft noch zwischen ihnen stand. Langsam begannen sich ihre Augen zu schließen und….

Bleep, bleep.

Sie hielten inne, erstarrten an der Schwelle ihres Kusses… Handy.

Bleep, bleep.

O’Neills Handy.

Verdammt“, murmelte er, als er sich entschuldigend und frustriert von ihr löste. „’Tschuldigung… ich muss rangehen… Notfallnummer“, murmelte er und zog sein Handy aus seiner Gesäßtasche und schaute auf das Display. „SGC“, sagte er ihr, als er antwortete. „O’Neill.“
Sein Gesicht war ausdruckslos und dann überrascht. „General! Was…oh.“ Es herrschte ein langes Schweigen, und während er seinem Gesprächspartner aufmerksam zuhörte, verdunkelte sich sein Blick. „Verstehe“, sagte er schließlich. „Was genau hat sie gesagt?“ Er riss seine Augen auf, nur um sie eine Sekunde später zu zwei engen Schlitzen zu verengen, als er begann mit dem Saum von seinem Pullover zu spielen. Und dann lächelte er leicht. „Ja, Sir… das ist wahr.“ Aber schon bald verschwand dieses Lächeln. „Nein!“, schrie er plötzlich ins Telefon. „Nein, Sir, haben wir nicht. Ich schwör’s bei Gott.” Er ließ ihre Hand los, stützte sich mit einem schmerzerfüllten Gesichtsausdruck von ihr weg. „Ja, ich verstehe. Ich werde so schnell wie möglich dort sein.“ Eine weitere Pause. „Ich bin mir sicher, dass sie das wird, Sir. Danke, Sir… Ja. Tschüss.”

Mit einem Seufzen schaltete er sein Handy aus und schaute zu ihr. „Was ist passiert?“, fragte sie ängstlich.

„Tasha“, kam die dunkle Antwort.

„Geht’s ihr gut?“, wollte Sam wissen und fragte sich, in welche Schwierigkeiten sich diese Frau jetzt schon wieder gebracht hatte.

„Oh, ihr geht’s gut“, sagte Jack verbittert. „Und sie hat über… dich und mich… ein paar Anschuldigungen gemacht.“

Sam riss ihre Augen auf und ihr Magen zog sich zusammen. „Scheiße!“, zischte sie, als sie mit einer Hand durch ihre Haare fuhr. Es schien so, als ob sie sich plötzlich erst bewusst wurde, wie unangebracht es von ihr war hier zu sein und was sie im Begriff war zu tun. Jack war noch nicht im Ruhestand! „Ich sollte besser gehen“, entschied sie und stand auf.

Aber er hielt sie zaghaft an ihrer Hand fest. „Schon in Ordnung“, versichert er ihr. „Wir haben nichts falsch gemacht. Wir müssen nur mit Hammond sprechen. Alles wird gut. Es wird nur 'ne Weile dauern, bis das vom Tisch ist, das ist alles.“ Er lächelte und er streckte seine Hand aus, um ihr Gesicht zu berühren, um den Moment wieder einzufangen, aber sie fing seine Finger mit ihrer Hand und zog sie sanft hinunter in ihren Schoß.

„Nein“, sagte sie. Mit einem Lächeln schwächte sie das harte Wort ab. „Nicht jetzt. Ich kann nicht.“

„Warum nicht?“, fragte er verwirrt.

Sie seufzte. „Weil das zu wichtig ist, als dass wir es überstürzen sollten. Ich will nicht das Gefühl haben, dass wir etwas Falsches machen.“

Er beugte sich weiter zu ihr hin, seine Stimme war leise und verführerisch. „Wir überstürzen nichts und das ist nicht falsch.“

Der unterschwellige Duft von Seife und Rasierwasser erfüllte ihre Nase… Gott, sie war in Versuchung geführt. „Technisch gesehen“, erinnerte sie ihn verzweifelt, „sind Sie immer noch mein Vorgesetzter, *Sir*.“

„Technisch gesehen?“, hauchte er und kam ihr immer näher.

Sie drückte sich zurück in die Kissen, weg von ihm und schluckte schwer gegen die überwältigende Verlockung an. „Bis du nicht im Ruhestand bist, können wir das nicht machen“, wiederholte sie. „Hammond wir jetzt Fragen stellen… besonders nachdem Tasha…“

Er stoppte in seiner Bewegung, seine Augen verloren einen Hauch von dem Verlangen und er sah sie mit plötzlicher Neugierde an. Er glaubte ihr nicht wirklich und erwartete sicherlich, dass sie jeden Moment in ein großes Gelächter ausbrechen würde. Aber das tat sie nicht. Sie sah ihn nur ehrlich an. „Lass uns warten, bis das hier alles durch ist. Ich will das nicht verstecken. Und wir haben jetzt schon so lange gewartet.“

„Sam…“, murmelte er mit einem frustrierten Kopfschütteln. „Wirklich?“

„Ich will unsere Freunde deswegen nicht anlügen… noch nicht einmal für ein paar Wochen“, erklärte sie ihm ruhig und lächelte, als sie sein ungläubiges Gesicht sah. „Ich will, dass das hier ehrlich ist, Jack. Gleich von Anfang an.“

„Gott“, hauchte er, als er sich ein Stück zurückzog. „Du meinst es ernst.“

„Wenn wir… jetzt etwas tun“, sagte sie und spürte, wie sie bei dieser Andeutung leicht rot anlief, „müssen wir General Hammond anlügen und ich weiß nicht, ob ich das kann. So wäre unser Gewissen rein. Wir haben nichts zu verbergen.“

Er schwieg eine Weile und konnte sie nur mit einer Mischung aus Bewunderung und Erstaunen ansehen. „Du hast recht“, stimmte er ihr mit einen leichtem Seufzen und einem zärtlichen Lächeln zu. „Wie immer. Und du bist um einiges stärker als ich.“ Er zog widerstrebend seine Hände aus der ihren, aber er saß noch immer nahe bei ihr und sein Blick ruhte noch immer auf ihr. „Ich weiß nicht, wie ich das verbergen soll, wenn wir zurückgehen“, sagte er, als aus seinem Lächeln ein Grinsen wurde. „Ich fühle mich… na ja, mir fällt kein passendes Wort ein, aber du weißt schon, was ich meine. Und ich bin mir sicher, dass die Leute es bemerken werden.“

Sam nickte. „Dass du glücklich bist?“, schlug sie ebenfalls mit einem Grinsen vor. „Du siehst glücklich aus.“

„Das ist es wohl“, lachte er leicht, als er aufstand und zwischen ihnen eine sichere Entfernung brachte. „Glücklich… ja… sehr, sehr glücklich.“

„Ich auch“, stimmte sie ihm zu und spürte langsam, wie ihre Kontrolle wieder zurückkehrte. „Im Grunde denke ich sogar, dass das so ganz gut sein wird“, entschied sie, als sie ihn beobachtete. „Ein paar Wochen, um sich an den Gedanken von… mehr… zu gewöhnen, ist schon gut. Dann wäre es nicht so überstürzt.“

Jack sah nicht vollkommen überzeugt aus. „Vielleicht“, stimmte er zu. „Obwohl… offen gesagt, könnte ich mich an 'mehr’ ziemlich schnell gewöhnen.“ Sein Lächeln wurde ein wenig anzüglich. „Es ist ja nicht so, als ob ich nicht schon vorher darüber nachgedacht habe.“

„Ach, wirklich? Ist das so?“, antwortete sie und ging auf ihn ein.

„Natürlich“, fügte sie hinzu, „vergisst du auch den anderen Vorteil, die diese paar Wochen des Wartens mit sich bringen.“

„Tue ich das?“, fragte er und zog seine Augenbrauen hoch. Seine dunklen Augen lachten nur so vor Vergnügen – und Verlangen – und sie wusste, dass er sie bewusst reizte.

Also schenkte sie ihm ein langsames, verführerisches Lächeln und sah, wie sein Kinn vor Verwunderung fast auf den Boden fiel. „Wenn mein Fuß erst einmal wieder gesund ist, dann bin ich auch wieder beweglicher… und viel abenteuerlustiger.“

Jack schluckte schwer. „Ich kann’s kaum erwarten“, murmelte er unsicher und sie sah, dass er jedes Wort ernst meinte.

„Sicher kannst du das“, versicherte sie ihm lächelnd. „Denk einfach nur an die Vorfreude.“

Er nickte langsam und beobachtete sie mit solch einer Sehnsucht, dass sie rot anlief. „In dem Moment, in dem meine Papiere über den Tisch sind“, warnte er sie, „klopfe ich an deine Tür.“

Sam grinste glücklich und in ihren Bauch schwirrte ein ganzer Haufen Schmetterlinge. „Ich werde warten.“


+++++++

Die Reden waren schon lange vorbei und der Alkohol floss frei in der gefüllten Cafeteria. Musik wurde laut aber nicht störend im Hintergrund gespielt und das Licht schimmerte durch den Rauch der gelegentlich angezündeten, eigentlich verbotenen Zigaretten. General Hammond atmete einmal tief ein und seufzte. Die Stimmung war festlich, aber er konnte einfach nicht das Gefühl des Bedauerns unterdrücken, als er zu seinem ehemaligen besten Team schaute, die in einer Gruppe nahe der Getränkebar standen, lachten und herumalberten. SG-1 – eine Legende zu ihrer Lebenszeit – und das meinte er ohne jegliche Ironie. Das unschlagbare, unermüdliche SG-1.

Jack stand in der Mitte der Gruppe und stritt lachend mit Doktor Jackson über ein paar Einzelheiten einer Mission, die sie mal in Schwierigkeiten gebracht hatten. Der Doktor bettelte Carter um Unterstützung an, aber sie schüttelte nur grinsend den Kopf und entschied sich klugerweise nicht in diese Diskussion hineingezogen zu werden. Teal’c beobachtete sie schweigend, aber Hammond kannte diesen Mann bereits zu lange, um die Zuneigung in seinem Blick zu sehen, als er seine Freunde beobachtete. Und er seufzte erneut vor Bedauern. Dieser Ort hier würde ohne Colonel O’Neill einfach nicht mehr derselbe sein. Ohne, dass er mit seinen vollkommen irrelevanten Sticheleien und äußerst teils ungestümen Kommentaren durch die Gänge jagte.

Er ließ seinen Blick von Jacks leicht angeheiterten Gesicht zu Major Carter wandern. Ihr breites, ansteckendes Grinsen war schon fast die hellste Sache in diesem leicht dämmrigen Raum und er konnte es O’Neill nicht verübeln, dass es ihn so in seinen Bann zog. Sie war eine außergewöhnliche Frau, brilliant, kompetent und mutig. Und er beobachtete, wie Jack ab und an zu ihr hinunter schaute, wo sie neben ihm an der Bar gelehnt stand. Ihre Blicke trafen sich einen Moment und etwas funkelte zwischen ihnen auf – es war wie ein Blitz, der ihre beiden Gesichter vor Glück erhellte. Und dann war es verschwunden. Jack widmete sich wieder seiner Diskussion mit Daniel und Carter nahm ihren Drink und nippte daran. Aber ein Lächeln leuchtete in ihren Augen und dasselbe Lächeln zeichnete sich auf Jacks Lippen ab, als er mit Daniel sprach. Sie waren glücklich, so verdammt glücklich, dass es durch all ihren Handlungen ausgedrückt wurde.

Und das, seufzte der General, war es doch, um was es in Wirklichkeit ging. Glück. Und warum zum Teufel eigentlich nicht?

„Sir?“ Die Stimme neben ihn riss ihn aus seinen Gedanken und er sah hinunter in die neugierigen Augen von Doktor Fraiser, die zu ihm aufschaute. „Sie sehen nachdenklich aus, Sir“, fügte sie hinzu und bot ihm einen Drink an. „Ich dachte mir, dass Sie vielleicht einen von denen gebrauchen könnten – natürlich nur aus rein medizinischen Zwecken.“

Er lächelte. „Danke, Doktor“, nickte er und nahm den Drink aus ihrer Hand. „Und ich nehme an, dass ich in der Tat etwas nachdenklich bin.“ Sein Blick wanderte zurück zu SG-1, die noch immer glücklich beisammenstanden. „Erzählen Sie nur nichts Colonel O’Neill davon“, warnte er sie, „aber ich werde ihn vermissen.“

„Ich auch“, flüsterte Fraiser. „Und Sie sagen es ihm auch nicht, Sir. Trotz seiner ständigen Beschwerden ist der Colonel sehr… liebenswert.“

Nickend schaute Hammond zurück zu ihr. „Das ist er“, stimmte er ihr zu. „Ich wünschte nur… ich wünschte nur, dass es einen anderen Weg gegeben hätte und dass er nicht diese Entscheidung hätte treffen müssen.“

Fraiser zog ihre Augenbrauen hoch. „Soweit ich informiert bin“, sagte sie neugierig, „geht der Colonel in den Ruhestand, um zu 'Reisen’ und 'andere Interessen zu verfolgen’.“

Hammond lachte leicht, als er das hörte. „Das hat er Ihnen erzählt?“

Ihre Augen verengten sich, als sie zurück zu dem Team schaute. „Ja“, sagte sie langsam. „Ich habe meine Vermutungen“, fuhr sie fort, „aber… niemand hat sie bisher bestätigt, also…?“

Niemand? In anderen Worten, Major Carter hat sogar die Wahrheit vor ihren Freunden geheim gehalten… er war nicht wirklich überrascht. Aber von der Verärgerung aus der Stimme des Doktors, hatte sie wohl erwartet in das Geheimnis mit eingeweiht worden zu sein. „Ich glaube schon, dass Jack plant, etwas zu reisen“, sagte er in dem Versuch sie zu besänftigen. „Er hat mir erzählt, dass er schon immer mal die… Pyramiden sehen wollte.“

Fraiser riss ihre Augen auf. „Das hat er gesagt?“

„Vielleicht hat er es auch nicht ganz ernst gemeint“, gab Hammond zu. „Jedoch glaube ich, dass es ihm ernst damit ist 'andere Interessen zu verfolgen’.“

Der Doktor schwieg einen Moment. „Na ja“, sagte sie schließlich. „Das wird ja auch langsam mal Zeit.“

„Wie ich bereits sagte“, seufzte Hammond, „ich wünschte nur, dass wir ihn deswegen nicht verlieren müssten.“

Sie antwortete ihm nicht, ihre Augen waren auf SG-1 gerichtet und er folgte ihrem Blick. Die Musik spielte jetzt etwas Langsameres und Jack murmelte etwas in Carters Ohr. Zunächst schüttelte sie den Kopf, und wich lächelnd zurück. Jack jedoch blieb hartnäckig und Hammond konnte seine gelachten Worte durch die Menge hören. „Kommen Sie, Carter“, flehte er, „machen Sie einen alten Mann glücklich…“

Carter zögerte, schielte zur Mitte des Raumes, wo bereits ein paar Paare langsam tanzten und verdrehte dann nur ihre Augen. Jack interpretierte diese Geste offensichtlich als ein Ja, denn er eskortierte sie mit einem bestimmten Griff um ihre Schultern, sodass sie auch ja nicht flüchten konnte, zur Mitte des Raumes. Einmal in der Menge drehte er sie sanft herum in seine Arme und hielt trotz allem noch einen angemessen und respektvollen Abstand.

Neben sich hörte er Fraiser leise seufzen und er sah, wie sie die beiden mit einem verträumten Blick beobachtete. Als sie seinen Blick spürte, räusperte sie sich kurz und schaute weg und verfiel wieder zurück in ihre Rolle. „Nun denn“, sagte sie, „es ist wenigstens schön einmal ein Happy End zu sehen.“

„Ich denke besser kann es nicht mehr werden“, antwortete er, als er das tanzende Paar beobachtete. Sie tanzten nicht besonders nahe beieinander, aber die Blicke, die sie sich zuwarfen, erhitzte die Luft zwischen ihnen so sehr, dass selbst er die Hitze spüren konnte. „Ich wünschte einfach nur, dass wir eine Möglichkeit gehabt hätten, Colonel O’Neill im SGC zu behalten.“

Fraiser nickte und schaute zurück zu den tanzenden Paaren, bevor sie ihm einen prüfenden Blick zuwarf. „Haben Sie je in Betracht gezogen“, sagte sie leise, „dass der Colonel gar nicht behalten werden will?“

Er runzelte leicht die Stirn. „Sie meine, auch wenn es einen Weg für ihn geben würde… seine ‚anderen Interessen’ zu verfolgen, während er seine Position hier behalten könnte, dass er trotzdem in den Ruhestand gegangen wäre?“

„Ja“, nickte sie gedankenverloren und kämpfte damit ihre Andeutung noch weiter zu erläutern. Er verstummte und wartete, dass sie weiter sprechen würde. „Als ich Colonel O’Neill das erste Mal traf“, sagte sie vorsichtig, „war es zu seiner Voruntersuchung für die erste Abydos-Mission.“ Sie machte eine kleine Pause und nippte an ihrem Drink. „Ich habe vorgeschlagen, dass er lieber einen Psychologen aufsuchen sollte, als das Kommando für die Mission zu übernehmen.“

Hammond nickte, ihm war der Zustand des Colonels aus dieser Zeit noch allzu vertraut. „Der Tod seines Sohnes war noch nicht lange her.“

Fraiser nickte. „Das stimmt“, bejahte sie seine Worte. „Er war depressiv – meiner Meinung nach war es höchst gradig gefährlich gewesen.“ Sie erschauderte leicht. „Ich kann mich an seine Augen erinnern“, sagte sie leise. „Sie waren tot… nichts konnte man in ihnen sehen. Es kam mir so vor, als ob man in einen dunklen Spiegel sehen würde.“

„Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie er sich damals gefühlt haben musste.“

„Nein“, stimmte ihm Fraiser zu. „Der Colonel nimmt seine Verantwortung sehr ernst. Ich bezweifle, dass er sich jemals vergeben wird.“

Während sie sprach, hob Hammond seinen Blick und sah, dass Jack noch immer mit Major Carter tanzte. Sie redeten leise miteinander und schienen sich ein wenig entspannt zu haben. Sie sind sogar ein wenig näher zusammengerückt. Es war nichts Offenkundiges, aber man konnte die Verbindung, die die beiden teilten, einfach nicht ignorieren. Und dann lächelte Jack, ein Ausdruck, erkannte Hammond, den er in den letzten paar Wochen immer häufiger gesehen hatte.

So, als wenn sie seine Gedanken lesen würde, antwortete ihm Fraiser. „Er ist glücklich, Sir. Er ist nicht mehr der Mann, den ich einst traf… oder besser, er ist nicht mehr die Hülle eines Mannes, die ich vorher kennengelernt hatte. Was auch immer auf Abydos geschehen war, es hatte ihn verändert. Als er wieder zurückkam, da habe ich trotz der tiefen Trauer, Leben in seinen Augen gesehen. Und über die Jahre hinweg, habe ich immer mehr davon gesehen… aber… richtig glücklich habe ich ihn noch nie gesehen, Sir. Nicht wirklich… Sie etwa?“

Hammond dachte über diese Frage nach. Er hatte O’Neill überschwänglich, triumphierend und amüsiert gesehen… aber darunter hatte sich immer eine dunkle Unterströmung befunden. Er vermutete, dass es Trauer, Schuld und Einsamkeit waren. Nach allem hatte er mehr als nur seinen Sohn verloren, als Charlie starb; er hatte auch seine Frau verloren – seine gesamte Familie. Und wenn er jetzt an seine eigene Kinder und Enkel dachte, verstand Hammond, dass Jack all dies verloren hatte. Er hatte seine Zukunft verloren, die Chance mit seiner Frau alt zu werden, zu sehen, wie sein Sohn zu einem erwachsenen Mann heranwuchs und vielleicht eines Tages selbst mal einen Enkel im Arm zu halten.

Aber vielleicht hatte er jetzt eine zweite Chance bekommen. Gott wusste, dass dieser Mann es verdient hatte und in diesem Moment verstand Hammond, dass Fraiser recht hatte. Jack wollte nicht gehalten werden, er wollte frei sein und das wieder neu aufbauen, von dem er dachte, dass er es verloren und Hammond für so selbstverständlich hingenommen hatte – eine liebende Familie. Bei dem Gedanken daran verspürte er einen untypischen Klumpen in seinem Hals und schluckte schwer. „Sie haben recht“, sagte er Fraiser. „Ich habe ihn zuvor noch nie so glücklich gesehen und es wäre egoistisch von mir ihn hier behalten zu wollen. Er hat das verdient… Er hat eine zweite Chance verdient.“

Fraiser nickte und mit einem Lächeln richtete sie ihren Blick wieder auf das tanzende Paar. „Ich denke, sie beide haben es, Sir.“


+++++++

Die Musik war leise und angenehm. Der Rhythmus war langsam genug, sodass Jack nicht nachdenken musste, wohin er mit seinen Füßen treten musste, als er sie in seinen Armen wiegte. Na ja, fast in seinen Armen –wenn man daran dachte, dass sie hier mitten in der Kantine und genau vor General Hammond tanzten.

„Also“, lächelte Jack, „beobachtet uns auch jeder?“

Sam grinste. „Vermutlich“, stimmte sie ihm zu. „Die Hälfte von denen denkt doch sowieso schon, dass wir bereits seit Jahren miteinander schlafen.“

Verdammt, er hätte den Gerüchten wirklich mehr Aufmerksamkeit schenken sollen. „Tun sie das?“

„Natürlich“, zuckte sie mit den Schultern und ihr Lächeln wurde zynisch. „Wie wäre ich wohl sonst so schnell Major geworden?“

Er verdrehte seine Augen, aber er konnte nicht sagen, dass er besonders überrascht darüber war. Verdammt, er hätte es wahrscheinlich schon vor fast einem Jahrzehnt aufklären sollen. „Arschlöcher“, sagte er und schloss sich mit in die Beschreibung ein.

Aber Sam, mit ihrer typischen Gnade, lächelte nur. „Damit werde ich schon fertig“, versicherte sie ihm. Und dann wechselte sie schnell das Thema. „Also, wie sieht’s mit Ihnen aus, Sir? Letzter Tag.“

Sir. Er lächelte sie an, amüsiert über ihre Hartnäckigkeit. „Nur noch zwölf weitere Stunden, Major“, antwortete er natürlich. „Morgen Nachmittag kannst du mich aufhören Sir zu nennen.“

Sie lächelte wieder, aber er konnte auch eine gewisse Traurigkeit in ihren Augen sehen und als sie sprach, war sie wieder ganz ernst. „Bedauerst Sie es?“

Er zog sie etwas näher an sie heran und beruhigte sie so ohne jegliche Worte. Wie konnte er etwas bereuen, wenn er sie in seinen Armen halten konnte? Und doch hatte sie recht. Er fühlte einen gewissen Verlust. Er konnte nicht so tun, als ob er keine gemischten Gefühle über seine Entscheidung haben würde. Er würde die Begeisterung, das Verantwortungsgefühl und besonders sein Team vermissen. Verdammt, wenn er sich nicht sicher darüber wäre, dass er sie auch danach noch sehen würde, dann war er sich nicht sicher, ob selbst Sam ihn von SG-1 hätte trennen können. Aber sein Team waren mehr als nur Kriegskameraden, sie waren seine Freunde – seine Familie - und das würden sie auch noch bis zu seinem Tode sein. Davon war er vollkommen überzeugt. Etwas von seinen Grübeleien musste sich auf seinem Gesicht widergespiegelt haben, denn sie löste sich leicht aus seinen Armen und sah ihn besorgt an. „Sir, wenn Sie Zweifel haben…“

„Nein!“, versicherte er ihr und zog sie wieder zu sich hin… vielleicht etwas zu nah. „Keine Zweifel, aber ich werde das hier vermissen.“

Sie nickte. „Natürlich werden Sie das“, murmelte sie. „Ich wünschte… ich wünschte nur, dass es nicht so sein müsste.“

„Nein, nicht“, sagte er ihr wahrheitsgemäß. „Sicher, ich bin traurig zu gehen, aber das bedeutet nicht, dass ich bleiben will.“ Er runzelte die Stirn. „Macht das überhaupt Sinn?“

Nach einer sorgfältigen Überlegung lächelte sie. „Im Grunde tut es das sogar.“

Er antwortete nicht, sondern erwiderte nur ihr Lächeln und verlor sich in ihren Augen. Seine Gefühle schienen Tag für Tag noch weiter zu wachsen, multiplizierten sich und so musste er sie nur ansehen und sofort zeichnete sich ein Grinsen auf seinen Lippen ab. Sam, natürlich, war noch immer ein Paradebeispiel des Anstandes. Sie behielt ihre 'Colonels’ und 'Sirs’ mit einer Hartnäckigkeit aufrecht, die nur Carter aufbringen konnte. Aber er missgönnte es ihr nicht, nein, eigentlich fand er das sogar ganz reizend. Obwohl er auch sehr genau wusste, dass sie sich jetzt eine P-90 schnappen und damit einen flauschigen Hasen abknallen könnte und er würde es immer noch reizend finden – alles an ihr war wie verhext. Es war ein merkwürdiges Gefühl, aber irgendwo auch vertraut. So hatte er sich schon einmal gefühlt und er erkannte dieses berauschende Gefühl, dass man nur noch von einer Gefühlsachterbahn beherrscht wurde. Es war, wenn man sich verliebte. Natürlich liebte er sie schon seit Langem – er liebte auf eine Macho-Art-und-Weise alle in seinem Team – aber dieses 'Achterbahn-Ding’ war vollkommen anders. Er war total aus dem Gleichgewicht, albern und sich durchaus bewusst, dass er sich bald verraten würde. Es war eine wilde Reise, besonders für einen Mann, wie Jack O’Neill, der es immer bevorzugte seine Gefühle schön unter Kontrolle zu halten.

Ein verträumter Blick glitt zu Carter, als sie ihn ansah und sein Herz überschlug sich, als er sich vorstellte, dass ihre Gedanken vielleicht ganz ähnliche Wege einschlugen. Er hätte jedes Geld der Welt gezahlt, um sie in diesem Augenblick einfach nur an sich zu drücken und jegliche Zweifel bezüglich seiner Gefühle schwinden zu lassen. Jetzt wo das Ende nah war – das Licht am Ende des Tunnels war so hell, dass es ihn schon fast blendete – fand er es immer schwieriger ihr zu widerstehen. Er räusperte gegen die Welle des Verlangens an. „Also… haben Sie morgen schon irgendwelche Pläne, Carter?“

Der verträumte Blick verschwand augenblicklich aus ihren Augen und wurde durch eine helle Aufregung ersetzt, die schon fast an Nervosität grenzte. „Eigentlich nicht. Sie?“

„Das kommt ganz drauf an“, sagte er und war plötzlich unerwarteter Weise ziemlich besorgt.

„Worauf?“, fragte sie mit einem kleinen Lächeln.

Er zuckte mit den Schultern. „Ob Sie auch etwas machen wollen.“

„Etwas…“, überlegte sie. „Etwas wie…?“

„Abendessen?“

Ihr Lächeln wurde breiter. „Abendessen hört sich gut an.“

Okay, jetzt raste sein Herz. Es raste! „Bei mir?“, schlug er vorsichtig vor. Und dann befürchtete er, dass sie vielleicht annehmen würde, dass er erwarten würde, dass sie gleich bei der ersten Gelegenheit ins Bett springen würden. „Wir können aber auch ausgehen. Wenn Sie mir mit meinen…Kochkünsten nicht trauen.“

Ihr Lächeln verschwand und sie sah ihn ernst an. „Ich vertraue Ihren Kochkünsten“, versicherte sie ihm. „Und ich denke, dass es bei Ihnen… nett wäre.“

Nett? Was zum Teufel sollte das schon wieder bedeuten? Nett für was? Essen oder… Oh Gott, plötzlich kam er sich vor wie ein Teenager bei seiner ersten Verabredung. Er hatte absolut keine Ahnung. Mit Tasha war das nie so gewesen. Es gab keine Vorsicht, keine Sorgen. Es war einfach langsam passiert und dann sind sie eines Tages im Bett gelandet und das war es auch schon. Aber das hier! Nichts hatte ihm bisher so viel bedeutet und er hatte noch nie solch eine Angst gehabt das zu vermasseln.

Aber eines der wundervollsten Dinge an Carter war, dass sie ihn in - und auswendig zu kennen schien. Sie drückte leicht seine Hand und zog ihn damit aus seiner plötzlichen Panik. „Neunzehnhundert?“, schlug sie mit einem beruhigenden Lächeln vor.

Er nickte stumm, sich plötzlich darüber im Klaren, dass das hier ein *Date* war, was sie hier arrangierten. Ein gottverdammtes Date! Mit Carter! „Hört sich gut an“, versicherte er ihr unsicher. „Ich… kann’s kaum erwarten.“

Sie grinste plötzlich, ein kurzer Sonnenstrahl, der sein Herz immer aus der Bahn warf. „Ich auch nicht“, gab sie in einer flüsternden Stimme zu, die seinen Magen Purzelbäume schlagen ließ. Oh Mann! Und dann schritt sie grinsend aus seinen Armen. „Vielen Dank für den Tanz, Sir.“
Eine Hand zuckte leicht, darauf erpicht sie wieder zurück zu sich zu ziehen, aber er brachte es gerade noch rechtzeitig unter Kontrolle und atmete einmal tief durch. Und dann schaffte er es noch zurück in die gespielte Formalitäten zu fallen. „Die Freude ist ganz meinerseits, Major.“

„Bist morgen dann…?“

„Bis morgen“, stimmte er immer noch grinsend zu. Und damit drehte sie sich um und verschwand in der Menge. Sie ließ ihn einfach alleine in der Mitte der Tanzfläche zurück, wo er ohne jeglichen Zweifel wie ein grinsender Idiot ausgesehen haben musste und so aufgeregt war, wie ein kleines Kind an Weihnachten. Morgen! Heilige Scheiße, morgen würde es passieren…!


+++++++

„Du gehst schon?“ folgte die Stimme Sam den Korridor hinunter, als sie mit ihrer Jacke über ihrer Schulter geworfen zu den Fahrstühlen ging. Sie lächelte, als sie den Ton aus der Stimme heraushörte, und drehte sich um, nur um Janet mit einem ziemlich verärgerten Blick am anderen Ende des Korridors stehen zu sehen.

Sam zuckte mit den Schultern. „Ich bin müde“, erklärte sie. „Ich fahre nach Hause und werde mich in die Falle schmeißen.“

Janet antwortete ihr nicht, sondern zog nur eine Augenbraue hoch, als sie mit klappernden Absätzen auf sie zuging. „Ich habe heute Abend etwas äußerst Interessantes gehört“, sagte sie, als sie näher kam und ihr scharfsinniger Blick nie Sams Gesicht verließ. „Und dann auch noch ausgerechnet von General Hammond.“

„Wirklich?“, antwortete Sam und leistete volle Arbeit vollkommen uninteressiert zu klingen.

„Also“, sagte Janet und legte ihren Kopf leicht zur Seite, „wann genau hattest du vor mir davon zu erzählen?“

Ihre Augen verengten sich. „Dir von was zu erzählen?“

„Na, von dir und…“

„Ah!“ unterbrach Sam sie und hob schnell eine Hand, als sie sich nervös umsah. „Nicht.“

„Also ist es wahr?“, beharrte Janet mit einem leichten Lächeln in ihren Augen. „Geht er deswegen?“

Sam schüttelte den Kopf und schaute befangen hinunter auf ihre Zehen. „Nichts ist passiert…“

„Aber?“

Mit einem Seufzen, hob sie ihren Blick, griff nach Janets Arm und begann leise zu reden, als sie weiter Richtung Fahrstuhl gingen. „Aber vielleicht… Wir werden sehen… Ich meine… wir werden es versuchen, das ist alles.“

Plötzlich grinste Janet. „Ich wusste es!“, rief sie. Und dann mit etwas Enttäuschung: „Warum hast du mir nichts davon erzählt?“

„Weil es nichts gab, was ich dir hätte erzählen können“, versicherte ihr Sam mit einem plötzlichen Schuldgefühl. Sie waren jetzt bei den Fahrstühlen und kamen zum Stehen. Sam drückte den Knopf und wartete und schielte aus ihrem Augenwinkel zu Janet hinüber. „Weißt du, die Dinge zwischen dem Colonel und mir sind… ich weiß nicht, wie sich alles entwickeln wird. Im Moment ist noch alles ziemlich neu, deswegen wusste ich wohl auch nicht, was ich dir hätte sagen sollen. Bisher ist nichts passiert.“

Janet nickte und verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Und warum dann jetzt?“, fragte sie. „Was hat sich geändert? Etwas hat sich verändert… irgendwas muss doch passier sein. Komm schon, Sam… spuck es aus!“

„Ich weiß nicht, ob es wirklich nur eine Sache war“, sagte sie und dachte an den langen Tag, den sie mit Jack in seiner Hütte verbrachte und wo sie nur geredet hatten. „Ich denke, er ist einfach nur müde immer wieder Menschen zu verlieren. Er sagte, dass er etwas Frieden wollte… Etwas Zeit für… andere Dinge in seinem Leben. Dinge, die er verpasst… oder vielleicht verloren hatte.“

Janet lächelte leicht. „Eine zweite Chance?“, schlug sie vor.

„Ich hoffe es“, antwortete sie, als sie spürte, wie die Gefühle wieder in ihr aufstiegen. „Ich hoffe, das ist das, was wir haben werden.“

Janet streckte ihre Hand aus und drückte lächelnd ihren Arm. „Ich freue mich für dich, Sam“, sagte sie. „Ich hoffe, dass es klappt.“

„Ja, ich auch.“

„Und viel Glück!“, fügte Janet hinzu, als sich die Türen öffneten. „Du wirst es gebrauchen!“

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+++++++

Die ganze Armee von Schmetterlingen in seinem Bauch beschrieb noch nicht einmal annähernd seine Nervosität, als Jack dem gedeckten Tisch den letzten Schliff verpasste. Gläser, Teller, Silberbesteck… er nahm ein Streichholz und zündete die schmalen Kerzen in der Mitte des Tisches an. Verdammt, seine Hand hörte gar nicht mehr auf zu zittern!

„Komm schon, Jack“, murmelte er zu sich selbst, als er das Streichholz ausblies. „Es ist nur Carter.“ Nur, dass es nicht nur Carter war, es war Sam… Sam! Und das hier war ein Date, Gott verdammt noch mal! „Okay“, sagte er sich selbst, „entspann dich einfach.“ Er schaute sich zum hundertsten Male in seinem Wohnzimmer um, aber alles stand genau an seinem Platz. Das Licht war gedämmt, genau richtig und Musik spielte leise im Hintergrund. Perfekt. Sein Blick wanderte grade zur Kaminuhr, welche ihm sagte, dass es eine Minute vor sieben Uhr war, als es an der Tür klingelte.

Sam!

Sein Herz schlug einen Salto rückwärts, bevor es hinunter in seinen Bauch fiel und dort einen Aufstand unter den nervösen Schmetterlingen auslöste. Das war es! Tief ein und ausatmen, tief ein und ausatmen… Okay… Und jetzt öffne die Tür. Er schluckte schwer, sein ganzer Körper war von Kopf bis Fuß angespannt, als er zur Tür ging. Er warf einen flüchtigen Blick in den Spiegel, als er daran vorbeiging. Schwarzer Pullover, darunter konnte man den weißen V-Ausschnitts eines T-Shirts sehen, schwarze Hosen. Einigermaßen schick hoffte er. Nicht zu schick. Oh verdammt, er hatte überhaupt keine Ahnung, was Carter tragen würde, aber er wollte sich wenigstens etwas Mühe geben. Das war mehr als nur spezieller Anlass, das war der Abend, von dem er schon seit Jahren geträumt hatte – und er wollte, dass es perfekt war.
Er hielt einen Moment inne, schickte ein Stoßgebet zu wem auch immer, der gerade dort oben zuhören mochte und öffnete die Tür. Und dort war sie. Perfekt.

„Hi!“, grinste sie, aber er konnte sehen, dass sie mindestens genauso nervös war, wie er. „Bin ich zu früh?“

„Nein“, versicherte er ihr, als er einen Schritt zur Seite ging und die Tür ganz für sie öffnete. „Komm doch rein.“ Sie trug einen langen, schwarzen Mantel, der nur ebenso ihre eleganten Schuhe und schmalen Knöchel zum Vorschein brachte, als sie an ihm vorbeiging. Er fabrizierte einen beneidenswerten Job ruhig zu bleiben und half ihr schließlich noch den Mantel auszuziehen. „Warte“, sagte er und zog ihr den Mantel von den Schultern. „Lass mich das machen.“

Sie lächelte aufgrund seiner ungewöhnlichen Höflichkeit über ihre Schulter an. „Danke, Sir“. Sie zuckte kurz zusammen. „Entschuldigung.“

Er zuckte nur mit den Schultern. „Schon okay. Ich werde dich wahrscheinlich den ganzen Abend über Carter nennen.“ Er drehte sich um, um den Mantel aufzuhängen und erst als er zurückschaute, konnte er sehen, was der Mantel versteckt hatte. Sie trug ein eng anliegendes, kleines, schwarzes Kleid. Heiliger Strohsack! „Wow“, hauchte er und war froh überhaupt einen Ton rauszubekommen. „Du siehst unglaublich aus.“

„Danke“, antwortete sie mit einem verlegenen Lächeln. „Ich dachte mir, ich werfe mich ein wenig Schale… da dies ja ein… besonderer Anlass ist.“

Für einen Moment stand er einfach nur da und starrte sie an, bis sie leicht nervös unter seinen Blick von dem einen Fuß auf den anderen trat. Das erinnerte ihn erst daran, dass sie immer noch an der Tür standen. „Ahm, komm rein“, drängte er sie und führte sie zum Wohnzimmer. „Willst du etwas trinken? Wein?“

„Danke“, nickte sie und sah sich um, als sie in den lichtgedämmten Raum gingen. Ihr Blick blieb auf dem gedeckten Tisch hängen und sie lächelte. „Kerzen.“

Er schaute von seiner Aufgabe ihnen beiden Wein einzuschenken auf. „Du hörst dich überrascht an.“

Sie zuckte mit ihren Schultern und ging zu ihm, um ihr Glas an sich zu nehmen. „Ich denke, das bin ich auch“, gab sie zu. „Ich habe im Grunde vorher ja nie… deine romantische Seite gesehen.“

„Na ja, sie ist ein wenig eingerostet“, gab er zu. „Also, wenn ich irgendwas falsch mache…“ Er hielt ihr Glas entgegen und sie nahm es mit einem Lächeln aus seiner Hand. Ihre Finger berührten dabei zufällig seine, was seinen ganzen Körper mit einem unglaublichen Kribbeln erfasste. Ihre Finger waren so zart…

„So weit so gut“, sagte sie lächelnd und hob ihr Glas. „Auf was sollen wir trinken?“

Er dachte einen Moment darüber nach. „Wie wäre es auf die Zukunft?“

„Hört sich passend an“, stimmte sie zu. „Auf die Zukunft.“

Sie stießen an, und während sie einen Schluck nahmen, hielten sie Augenkontakt. Das war sicherer – denn wenn er ihr nicht mehr in ihre Augen sehen würde, dann würde sein Blick nur ihren Körper hinunter gleiten, wie perfekt das Kleid alles betonte, ihre Beine bis ins Unendliche reichten… Natürlich, erinnerte er sich, war das jetzt nicht mehr vollkommen verboten… Er kam sich vor wie ein kleines Kind, das den Alkoholvorrat seiner Eltern geplündert hatte, und ließ seinen Blick über ihre nackten Schultern gleiten und dann hinunter zu ihrem Dekolleté, weiter zu diesen nicht enden wollenden Beinen. Gott, war sie sexy!

Dieser Gedanke pulsierte durch ihn hindurch und stimulierten alle richtigen Regionen und schnell richtete er seinen Blick wieder zurück auf ihr Gesicht, nur um zu sehen, wie auch sie ihn genauso unverhohlen begutachtete. Sie grinste ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue verschmitzt an. „Also“, sagte sie, „was hast du gekocht?“

„Essen?“, schlug er vor, woraufhin sie leicht zu lachen begann und die Anspannung gebrochen war. „Komm mit“, sagte er und deutete mit seinem Kopf auf die Schiebtür, die zu seiner Veranda führte. „Ich werde ein paar Steaks grillen.“

„Es ist kalt draußen!“, erwiderte sie noch immer lächelnd.

Er zuckte mit den Schultern. „Du wirst doch wohl nicht zimperlich, oder, Carter?“

„Wann war ich jemals zimperlich, Colonel?“, fragte sie spitz.

Er lächelte leicht, als er mit seinem Blick über ihren Körper fuhr und sie leicht errötete. „Na ja, mit diesem Kleid, könnte es zimperlich werden, Carter. Nicht, dass ich mich jemals darüber beschweren würde…“

Sie lachte wieder kopfschüttelnd, und nachdem sie das geklärt hatten, verschwand Jack mit den Steacks nach draußen und kurze Zeit später folgte ihm Carter. Sie hatte sich wieder ihren Mantel angezogen und umarmte sich, als die kühle Luft durch ihre Haare wehte. Und sie redeten über dies und das und alles – über die Arbeit, Reisepläne und ob die Pyramiden nach dem Besuch auf Abydos wirklich die ganze Mühe wert war. Und als sie redeten, legte sich seine Nervosität. Es mag vielleicht *Sam* sein, die so nahe neben ihm stand und hin und wieder seinen Arm berührte, aber sie war auch immer noch Carter – sie war noch immer die Frau vor der einen enormen Respekt hatte und die er letztendlich anbetete. Und obwohl diese ganze Situation für sie beide vollkommen ungewohnt war, war es für ihn natürlich, dass er sein neues Abenteuer mit Carter an seiner Seite erlebte. Letzten Endes war sie doch die letzten Jahre immer genau dort gewesen. Und er würde nichts daran ändern wollen, nicht ein Bisschen.

Die Unterhaltung setzte sich fort, genauso floss auch weiter der Wein und dann waren wieder zurück im Warmen und saßen nahe beieinander am Tisch. Sie hatten aufgegessen und Sam erzählte ihm von ihrem letzten Projekt und er hörte ihr mit mehr begeisterter Aufmerksamkeit zu, als er es je in einer Besprechung getan hatte. Er liebte ihre Stimme, die Art und Weise, wie das Kerzenlicht golden auf ihren Haaren leuchtete und der Anblick, wie ihre Augen mit so viel Begeisterung erleuchtet waren. Er liebte es, wie sie lächelte, wie sie abwesend mit der Gabel spielte, während sie redete und wie er die Kraft des Lebens spüren konnte, die sie ausstrahlte. Er liebte es, dass sie jetzt neben ihm saß. Er liebte es, dass er jetzt ihre Hand nehmen konnte, ohne sich schuldig zu fühlen. Er liebte es, dass diese einfache Geste sie leicht aus dem Konzept brachte, als sich ihre Augen weiteten und sich ihre Finger enger um seine Hand legten. Er liebte es, dass er aufstehen und sie zur Couch führen und sich dort neben sie setzten, konnte. Und es ihm schließlich erlaubt war die Worte auszusprechen, die so lange sein Herz regiert hatten. „Ich liebe dich.“

Sie blinzelte einmal langsam. „Und ich liebe dich“, antwortete sie ihm sanft.

Seine Hand zitterte, als er ihre Wange berührte, die so weich wie Seide unter seinen Fingern war. „Du bist wunderschön“, hauchte er und fuhr mit seinen Fingern über ihre Wangenknochen, hinunter zu ihrem Kinn, über ihr Lippen. „Ich konnte dir das nie sagen.“

Sie legte ihre Hand über seine und drückte ihre Wange gegen seine Handfläche. „Ich weiß“, flüsterte sie. „Ich habe es in deinen Augen gesehen.“

Er hob seine andere Hand, sodass ihr Gesicht zwischen seinen beiden Händen gefangen war. „Sam“, flüsterte er und beugte sich näher zu ihr. „Ich möchte dich küssen.“

Sie lächelte ihn an. „Du brauchst nicht zu fragen“, flüsterte sie zurück.
Er konnte ihr nicht antworten, die Erwartung hatte ihm jeglicher Worte beraubt, als er sie langsam näher an sich heranzog. Leicht beugte er seinen Kopf, als seine Lippen ihre in einem sanften, faszinierenden Kuss fanden. Dieser Augenblick war unglaublich süß, ihre Lippen waren warm und weich, ihr Kuss so liebend, dass er wortwörtlich außer Atem war, als sie schließlich den Kontakt zwischen ihnen brach. Aber sie bewegte sich nicht mehr als einen Zentimeter, Stirn an Stirn saßen sie da, als sie sich beide davon erholten.

Sam sprach zuerst, ein einziges Wort kam über ihre Lippen. „Jack.“

Der Klang eines Namens auf ihren Lippen berührte sein Herz so sehr, dass er seine Gefühle nicht länger zurückhalten konnte. „Oh Gott, Sam“, stöhnte er und zog sie in seine Arme, wo er sein Gesicht in ihren Haaren vergrub. Seine Lippen tauchten unter, um ihren Hals mit einer unglaublichen Leidenschaft zu küssen. Aber er war nicht allein. Sams Hände krallten sich an ihm, ihre Finger fuhren über seinen Rücken hoch zu seinen Haaren, als sie seinen Kopf leicht von ihren Schultern wegzog, um in einen erneuten Kuss abzutauchen. Heiß und fordernd, die Zärtlichkeit wurde von einem puren Verlangen ersetzt, als sie sich wild, tief und endlos küssten. Gott! Er wollte sie so sehr! Er drückte sie hinunter in die Kissen, in seinen Kopf fuhr alles vor Verlangen Achterbahn, als seine Hände über ihren weichen, geschmeidigen Körper fuhren. Er spürte das seidige Nylon, als seine Finger absichtlich ein Bein hochfuhren, so schlank und einladend. Verlangen brannte und ihr Kuss vertiefte sich, als sie sich unter ihm bewegte und sich an ihn drückte, bis der Kontakt zwischen ihnen vollkommen und einfach nur überwältigend war. Er stöhnte leise auf, seine Finger setzten ihre Erkundungstour ihres Beines fort, bis er plötzlich warme, samtartige Oberschenkel berührte – Gott sie trug Seidenstrümpfe! Sam schnappte bei dem plötzlichen Kontakt nach Luft und Jack spürte selbst, wie er immer weiter auf dem Punkt, von wo aus es kein Zurück mehr gab, zusteuerte. Er atmete schwer und konnte kaum noch weiter denken als der rote Schleier des Verlangens. Kaum, aber… dann. Er hielt nach Luft schnappend inne, als er sich zurückzog und hinunter auf sie schaute, wie sie mit einem geröteten Gesicht vor ihm lag. Sie blinzelte ein paar Mal und war genauso wie er in diesem Moment gefangen. „Sam“, flüsterte er, „wenn wir jetzt nicht aufhören, dann glaube ich nicht, dass ich noch…“

„Nein“, hauchte sie und streckte ihre Hand aus, um ihn wieder zurück zu sich zu ziehen. „Hör nicht auf.“

Aber er widerstand dem Drang, nur um auch ganz sicher zu gehen. Das musste einfach richtig sein, es musste perfekt sein. „Bist du dir sicher, dass du das willst? Wir können auch warten…?“

„Ich bin es leid zu warten“, sagte sie heiser. „Ich will das, Jack. Ich will dich. Sofort.”

Und das war es. Er konnte es nicht länger zurückhalten. Er vergaß sich selbst und gab sich hier und jetzt der Lawine der Leidenschaft in seinem Kopf, seinem Köper und seiner Seele vollkommen hin. Irgendwo zwischen dem Durcheinander von umeinander geschlungenen Gliedmaßen und Küssen hörte er sie „Schlafzimmer!“, keuchen und irgendwie schafften sie es auch dort anzukommen. Aber danach war die Nacht nur noch ein Tanz aus puren Gefühlen und Verlangen – und in diesem letzten Akt der Hingabe fiel alles in seinem Herzen zusammen. Und es war perfekt.

Einfach perfekt.


weiter: Epilog
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