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Und mein ist die Rache von Nyada

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I wish that
I could take back
All the things
I've done to hurt you
I didn't mean to be so cruel
Yet I know that
I've been selfish
And at times a thoughtless fool
Kenny Rankin – Regrets


Es war seine Schuld. John Sheppard gab einen frustrierten Seufzer von sich. Er konnte noch immer nicht begreifen, was passiert war, hoffte jeden Augenblick aus diesem fürchterlichen Alptraum aufzuwachen. Aber er tat es nicht, denn die Wahrheit war, dass es kein Traum war sondern die bittere Realität. Es war alles wirklich geschehen und es würde nicht aufhören, wie ein schlechter Traum, aus dem man irgendwann erwachte. Nein, es würde weitergehen, immer und immer weiter. Es gab kein Entrinnen aus diesem so realen Alptraum, er war darin gefangen.

John seufzte erneut auf und starrte die ihm gegenüberliegende, kalkweiße Krankenhauswand an, die in etwa dieselbe Farbe wie sein Gesicht hatte. Er hatte nicht in den Spiegel gesehen, wusste jedoch, dass er aschfahl war und seine Hände zitterten. Kalter Schweiß bedeckte seinen ganzen Körper und sein Herz hörte einfach nicht auf wie wild in seiner Brust zu schlagen. Gedanken rasten ihm durch den Kopf, der diesem Ansturm nicht gewachsen zu sein schien; John hatte rasende Kopfschmerzen. Eine Krankenschwester hatte seine Not erkannt und ihm Tabletten angeboten, doch er hatte sie einfach ignoriert und die Wand angestarrt. So wie er es jetzt auch tat.

Seit vier Stunden starrte er nun schon abwechselnd die Wand und die Decke über ihm an, hatte jedoch nicht die Erkenntnis erlangt, die er zu finden gehofft hatte. Er war noch nie der große Denker gewesen sondern ein Mann der Tat. Doch, nachdem er nun fast vier Stunden allein auf dem Krankenhausflur gesessen hatte, hatte er viel nachgedacht, vielleicht mehr, als in seinem ganzen Leben zuvor. Nun ja, vielleicht war diese These etwas übertrieben, aber er hatte sich wirklich so viele Gedanken gemacht, dass sein Kopf rauchte.
Und er war auch nicht wirklich allein gewesen.

John hatte so sehr seinen Gedanken nachgehangen, dass er gar nicht bemerkt hatte, dass der Mann, der sie ins Krankenhaus gefahren hatte, zurückgekehrt war und auf der Sitzbank, die auf der anderen Seite des Flurs stand, Platz genommen hatte. Er kannte ihn nicht, aber trotzdem fühlte sich John zu Dank verpflichtet, wusste aber nicht, ob er den Mann nach zwei Stunden des Schweigens einfach so ansprechen sollte.
Der Mann war Mitte bis Ende Dreißig, blond und schlank. Er trug eine ziemlich abgetragen aussehende Jeansjacke mit der farblich dazupassenden Jeanshose, ein Karohemd und Sportschuhe. Ein ziemlich durchschnittlicher Kerl, stellte John fest, mit einem Herzen aus Gold.
Der Fremde schien bemerkt zu haben, dass er beobachtet wurde, denn er löste den Blick von der Zeitschrift, die er sich besorgt hatte, und sah zu John rüber. Stahlblaue Augen fesselten Johns Blick. Das Gesicht des Mannes war wie gemeißelt und seine Haut ebenso blass wie Marmor. Seine Nase war fein, spitz und gerade. John wusste, dass es sich nicht gehörte, jemanden derartig anzustarren, aber er schaffte es nicht, den Blick abzuwenden.
„Michael Kenmore“, kam es plötzlich über die Lippen des Mannes.
John wurde aus seiner Betrachtung gerissen. „Entschuldigen Sie, was?“ Super, erst hatte er ihn angestarrt wie ein Museumsstück und dann hörte er ihm noch nicht einmal zu!
„Michael Kenmore, mein Name“, wiederholte der Mann gütig, legte seine Zeitung beiseite, erhob sich halb und streckte John seine blasse Hand entgegen. „Wir hatten noch keine Gelegenheit einander vorzustellen.“
„O, ja“, erwiderte John, da ihm nichts Besseres einfiel. Er griff nach Michaels Hand und schüttelte sie kurz. „John Sheppard.“
Michael lächelte leicht. „Das habe ich mir schon gedacht. Ihr Name stand auf dem Gebäude und ich kenne Ihr Gesicht aus der Zeitung. Es ist nicht leicht berühmt zu sein, oder?“ Ganz klar, der Mann versuchte, die angespannte Stimmung etwas zu lockern, aber John wusste nicht, ob das Erfolg hatte oder nicht.

Michael lehnte sich mit einem Seufzen zurück und wandte sich wieder seiner Zeitung zu. Hin und wieder blickte er über den Rand hinweg und fasste John für wenige Momente ins Auge, fast so, als wollte überprüfen, dass er tatsächlich noch da war. John kam nicht drumrum sich über diesen komischen Kauz zu wundern.
Bevor seine Gedanken jedoch wieder abschweifen konnten, wurde die Durchgangstür aufgestoßen und Schritte näherten sich. John musste nicht einmal aufsehen, um zu wissen, wessen Schuhabsätze diesen Lärm verursachten.
„O, John, es ist ja alles so tragisch!“ Larrin Wagner eilte mit wehendem Haar heran, ihre grünen Augen voller aufrichtiger Sorge. „Es tut mir ja alles so schrecklich leid!“ Sie nahm John in die Arme und drückte ihn an sich.
„Hi, Larrin“, grüßte John seine Kollegin und schluckte den Kloß in seinem Hals herunter, den er bei ihrer bloßen Anwesenheit verspürte.
Larrin nahm neben ihm auf der Sitzbank Platz und schlang die Arme um seine Schulter. „Wie geht’s ihr?“ Es war dreist von ihr, das zu fragen, fand John, schließlich war es auch mit ihre Schuld, dass sie jetzt alle hier im Krankenhaus waren.
„Der Arzt ist noch bei ihr drin“, antwortete er, ohne sich etwas anmerken zu lassen. „Die haben mich nicht zu ihr gelassen.“
„O Gott!“ Larrin seufzte auf. „John, es tut mir so leid.“ Sie umarmte ihn erneut. „Ich wollte ja nicht…“, murmelte sie gegen seine Schulter. „Ich wusste ja nicht….o nein. Hoffentlich ist ihr nichts passiert! Und den Babys, o Gott!“

John zuckte zusammen, als Larrin neben ihm leidvoll aufseufzte. Er sah sie an und konnte wieder einmal nicht glauben, was passiert war. Dabei hatten sie nur feiern wollen, dass der Vorstand von 'Yakasha Industries' endlich dem Vertrag zugestimmt hatte, was ihrer Firma Millionen einbrachte. Er hatte extra für diesen Augenblick eine Flasche Champagner kalt gestellt, die er mit seinen Mitarbeitern teilen wollte. Doch die meisten waren kurz nach dem erlösenden Anruf aus Tokio verschwunden, wollten nach 72 Stunden Dauerstress einfach nur noch nach Hause, zu ihren Familien. Nur Larrin und er waren zurückgeblieben, hatten also den Champagner geköpft und waren mit steigendem Alkoholspiegel etwas… ausgiebiger geworden. John konnte selbst nicht fassen, was er getan hatte. Er hatte sie geküsst! Nun ja, genau genommen hatte sie ihn geküsst, aber er hatte den Kuss erwidert…und das ließ ihn bitter aufstoßen. Larrin und er waren Kollegen, kannten sich schon, seitdem er denken konnte. Sie waren auf dieselbe Schule gegangen, hatten dasselbe College besucht und dieselben Kurse auf der Uni belegt. Es war ein Freundschaftsdienst von ihm, sie bei sich einzustellen. Sie war eine Freundin, aber nicht mehr. Doch trotzdem hatte er sie geküsst!
Und nun war sie mitverantwortlich dafür, dass seine schwangere Frau in irgendeinem Zimmer lag, umwimmelt von fremden Leuten, die um ihr Leben und das der Babys kämpften.
John stieß einen Seufzer aus. Und das alles nur wegen Yakasha Industries!

Larrin hatte ihren Kopf noch immer an seiner Schulter und John bemerkte den Blick, den Michael ihnen zuwarf; seine Augenbraue hob sich über den Rand seiner Zeitung hinweg und in seinen stahlblauen Augen glaubte John Abneigung zu erkennen. Er hatte ja recht! Schnell und mit einem Räuspern löste sich John aus Larrins Umarmung; es fühlte sich plötzlich so falsch an.
Larrin schien zu merken, dass sie sich unpassend verhalten hatte. „Entschuldige“, murmelte sie. „Ich wollte nicht-“
„Schon gut“, fiel John ihr ins Wort und war beruhigt, dass Michaels Augen nun wieder damit beschäftigt waren, die Zeilen zu lesen.
„Möchtest du einen Kaffee?“, fragte Larrin plötzlich. „Also, ich konnte einen vertragen. Wie steht’s mit dir?“
John lehnte dankend ab und sie marschierte davon. Erst als sie verschwunden war, fiel ihm auf, dass er seit Stunden weder etwas gegessen noch getrunken hatte; sein Körper schrie förmlich nach einem Kaffee- doch es war zu spät.

Das Gesicht in seinen Händen verbergend, beugte sich John vor. Er schloss die Augen und genoss die momentane Stille, die nur dann unterbrochen wurde, wenn Michael die Seiten umblätterte. John lauschte dem Rascheln des Papiers und plötzlich kam ihm die Frage in den Sinn, warum der Kerl noch hier war. Er war zufällig vorbei gekommen, als Teyla auf dem Gehweg zusammengebrochen war, und hatte sie ins Krankenhaus gefahren. Normale Menschen verschwanden gleich darauf wieder und blieben nicht. Vielleicht will er sicher gehen, dass alles in Ordnung ist, überlegte John…und genau in diesem Moment fiel ihm wieder ein, dass er seit Stunden nichts Neues über Teylas Zustand erfahren hatte. Er wurde nervös.

Just in dem Moment, als er drauf und dran war, aufzuspringen, öffnete sich eine der Türen und ein weißgekittelter Mann trat auf den Gang heraus. Er schaute sich kurz um, entdeckte den wartenden John und kam schnurstracks auf ihn zu marschiert.
„Mr. Sheppard?“ Er sprach mit einem harten Akzent- John vermutete, dass er nicht aus den Staaten kam. Sein Akzent klang irgendwie nordisch…vielleicht britisch oder vielmehr schottisch. Er hatte kurze braune Haare und strahlend blaue Augen, war nicht sehr groß und von stabiler Statur. Seine Gesichtszüge waren markant, so wie es sich für einen Schotten (er vermutete nur) gehörte.
John war aufgesprungen, kaum dass der Arzt die Tür hinter sich geschlossen hatte, stürzte nun auf den Mediziner zu. „Wie geht es meiner Frau, Doktor?“
„Setzen wir uns doch“, sagte Dr. Carson Beckett- das verriet sein Namensschild- und deutete auf die Sitzbank. Sie beide nahmen Platz und Michael entschuldigte sich unter dem Vorwand, er könne nun auch einen Kaffee vertragen, und ließ die beiden allein; mit der Zeitung unter dem Arm schlenderte er von dannen.
John sah ihm nach, wandte seine Aufmerksamkeit aber sofort wieder dem Arzt zu. „Geht es meiner Frau gut?“, fragte er wieder.
Dr. Beckett nickte. „Ihr geht es den Umständen entsprechend gut“, antwortete er und John atmete erleichtert auf. „Das ganze war sehr anstrengend für sie, aber jetzt schläft sie.“
„Gut.“ John nickte nervös. „Und was ist mit den Babys?“
Sein Gegenüber schürzte die Lippen. „Ja, was das angeht…“ Er seufzte und John glaubte, keine Luft mehr zu kriegen.
„Doktor…“ John schüttelte mit dem Kopf. „Was…was ist mit den Babys?“ Nein, flehte er innerlich, nein, bitte nicht. O Gott, nein!
„Aufgrund des…Stress’ sind bei Ihrer Frau starke Krämpfe aufgetreten, die mit spontanen Blutungen in der Gebärmutter einhergegangen sind“, begann Beckett behutsam zu erklären. „Es ist gut, dass Sie schnellstmöglich hergekommen sind. Wir konnten so verhindern, dass sie zuviel Blut verliert.“ Beckett legte eine Pause ein. Mit leiser Stimme fuhr er fort: „Allerdings ist es zu Komplikationen gekommen.“
John schluckte. „Komplikationen?“, wiederholte er heiser. „Was für Komplikationen?“ Er konnte sich denken, was nun folgen würde, und eine Enge begann sich in seiner Brust auszubreiten. Als Beckett die Hand auf seine Schulter legte, keuchte John auf, sackte nach vorne und schlug sich die Hände vors Gesicht. „Nein“, flüsterte er in seine Handinnenflächen. Er begann heftig mit dem Kopf zu schütteln, schaffte es mit all seiner Kraft den Kopf zu heben und den Arzt anzusehen. „Bitte, sagen Sie mir, dass das nicht wahr ist.“
„Es tut mir leid“, meinte Dr. Beckett und schleuderte ihm dann die grausame Wahrheit um die Ohren, „aber Ihre Frau hatte einen teilweisen Abort.“
John horchte auf. „Teilweise? Was bedeutet das? Das heißt doch…“
„…das eines der Babys noch am Leben ist, ja genau“, schnitt Beckett ihm nickend das Wort ab. „Wir konnten ein Baby retten, doch das andere hat es leider nicht geschafft. Es ist selten, sehr selten sogar, dass nur ein Fötus abgeht. Normalerweise verliert die Mutter beide.“
„Normalerweise!?“, echote John erbost, entzog sich der Berührung des Arztes und sprang auf. „Sie lassen es so klingen, als wäre es das normalste auf der Welt.“ Wütend erregt fuhr er sich durch die Haare. Er drehte sich ein paar Mal um seine eigene Achse. „Kann ich sie sehen?“, fragte er. „Ich will zu ihr.“
„Vielleicht sollten Sie ihr noch etwas Zeit geben“, sinnierte Beckett. „Sie-“
John schnaubte. „Ich habe vier Stunden gewartet“, rief er. „Ich halte keine zwei Minuten mehr aus. Also, lassen Sie mich gefälligst zu meiner Frau. Ich will sie sehen. Sofort!“

„Bitte, bitte.“ Beckett hob beschwichtigend die Hände. „Sie müssen hier keinen Aufstand machen. Natürlich können Sie zu ihr, aber bitte bedenken Sie, dass Ihre Frau schwere Stunden hinter sich hat. Sie dürfen sie auf keinen Fall aufregen.“
„Das habe ich auch nicht vor“, schnappte John, zwang sich dann zur Ruhe. Er musste ruhig bleiben. Ruhig. Er musste sich jetzt beruhigen. So konnte er Teyla auf keinen Fall gegenüber treten.

Dr. Beckett bat ihn noch einmal inständig, Teyla nicht aufzuregen, und ließ ihn dann in das verdunkelte Zimmer eintreten. Johns Herz schlug ihm bis zum Hals, als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Nun war er allein. Allein mit Teyla und dem quälenden Gedanken, dass er das Leben eines ihrer Kinder auf dem Gewissen hatte.

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Michael musterte die Frau neugierig von der Seite; er stand am Süßigkeitenautomaten und tat so, als könne er sich nicht recht entscheiden, doch in Wirklichkeit interessierte er sich nicht für die trockenen Schokoriegel und die Gummibärchen, sondern für die Frau, die seinem Plan eine so interessante und unerwartete Wendung gegeben hatte.

Larrin war ihr Name- das hatte er aufgeschnappt, als er dem Gespräch zwischen ihr und diesem Sheppard gelauscht hatte. Sie war eine bemerkenswert hübsche Persönlichkeit und von schlanker, athletischer Gestalt. Ihre langen, honigblonden Haare waren sanfte Wellen und flossen über ihre schmalen Schultern. Sie studierte die Anzeige des Kaffeeautomaten aus smaragdgrünen Augen, die das Bild ihres perfekten, Porzellangesichts vervollständigten. Ihr Gesicht sah aus wie gemalt, einziger Makel war eine Handvoll Sommersprossen auf ihrer Nase und eine klitzekleine Falte an ihrem rechten Mundwinkel. Sie trug ein schwarzes Etuikleid, das ihre gute Figur noch unterstrich, und schwarze Pumps, die ihre sowieso schon langen Beine noch länger erschienen ließ.

Für Michael war sie ein Engel in Menschengestalt, der vom Himmel herabgekommen war, nur um ihm zu helfen, seinen Plan durchzuführen. Sie hatte für ihn das erledigt, woran er verzweifelt war. Alles weitere hatte er sich genaustens überlegt, wusste genau, wie er vorgehen wollte. Doch ein kleines Puzzleteil hatte noch gefehlt. Endlich, mit Larrins (unbewusster) Hilfe, war das Bild vollständig. Er sah es schon vor sich. Jetzt, da es ihm gelungen war, Zwiespalt zwischen dem achso glücklichen Paar zu sähen, würde es nicht mehr lange dauern. Eine Woche noch, vielleicht auch nur noch wenige Tage, dann würde er endlich das bekommen, worauf er seit jenem Tag vor einem Jahr gewartet hatte: Rache! Er wollte, dass die beiden litten, Teyla etwas mehr als ihr „Gatte“, schließlich war sie es gewesen, die ihn verletzt hatte. Trotzdem sollte ihm dieser John Sheppard nicht ungeschoren davonkommen, dieser Mistkerl. Für ihn hatte Michael sich etwas ganz Besonderes aufgehoben.

Michael grinste, warf einen viertel Dollar in den Münzschlitz und wählte irgendeinen Schokoriegel aus, der sich, als er hinein biss, als widerlich schmeckendes Zuckerprodukt entpuppte. Michael spie aus, versenkte den Rest im Mülleimer. Dass so etwas überhaupt produziert werden durfte, schimpfte er.
„Sie haben da wohl den falschen erwischt“, mischte sich eine weibliche Stimme ein. Michael sah auf und blickte in Larrins lächelndes Gesicht.
„Ja, kann man wohl sagen“, erwiderte er. „Dieses Zeug ist Karies in bunter Plastikverpackung“, scherzte er.
Larrin schüttelte lachend mit dem Kopf. „Ich rate Ihnen: Lassen Sie die Finger von diesem Zuckerzeugs.“
„Und Sie von diesem Kaffee.“ Michael deutete auf den Automaten.
„Zu spät, befürchte ich“, sagte Larrin und winkte mit ihrem vollen Pappbecher. „Sie haben ja recht“, seufzte sie, trank einen Schluck und verzog das Gesicht. „Dieses Zeug ist übel.“
Michael neigte den Kopf. „Tja, dann sehe ich mich wohl mal wieder gezwungen, einer Dame aus der Not zu helfen. Darf ich Ihnen einen Kaffee spendieren, Miss-“
„Larrin“, fiel sie ihm ins Wort. „Einfach nur Larrin.“
„Larrin“, wiederholte Michael. „Ein schöner Name. Na gut, darf ich Sie zu einem Kaffee einladen, Larrin
„Nur, wenn Sie mir Ihren Namen verraten“, stellte Larrin zur Bedingung.
Michael wedelte mit dem Finger. „Sie können gut verhandeln“, schmeichelte er. „Aber ich will ja nicht so sein.“ Er hielt ihr die Hand hin und schüttelte sie, als sie sie ergriff; ihre Hände waren warm und weich. „Ich heiße Michael.“
„Na schön, Michael.“ Larrin lächelte, als sie seinen Namen aussprach. „Ich würde sehr gern eine Tasse Kaffee mit Ihnen trinken.“
„Sehr schön.“ Michael klatschte in die Hände. Warum sollte er sich der Frau, die ihm auf seinem Weg geholfen hatte, nicht erkenntlich zeigen?

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Er hasste Krankenhäuser. Das Zimmer, in dem sie lag, war noch dunkler und unfreundlicher als John es sich vorgestellt hatte. Die Jalousien waren heruntergelassen, die einzige Lichtquelle war eine kleine Stehlampe in der Ecke des Zimmers. Warmes Licht kroch über den Linoleumboden bis hin zum Krankenbett. Es war ein Einzelbettzimmer. Der Anblick des einzelnen Bettes in dem großen Raum behagte John. Er blieb stehen und wollte erst einmal alles auf sich wirken lassen, ehe er sich weiter traute. Er hasste Krankenhäuser!

„John?“ Er nahm eine Regung im Augenwinkel wahr. „Bist du das?“ Ein Flehen lag in ihrer Stimme, die so schrecklich heiser klang und nicht lauter als ein Flüstern war. Im matten Licht sah er Teyla halb aufgerichtet, gegen einen Kissenberg lehnend. Ihre sonst karamellfarbenen Haare schimmerten nun kupferfarben und trotz der Dunkelheit konnte John sehen, wie furchtbar blass sie war. Die Lippen, die er liebte zu küssen, waren aufgesprungen und ihre wunderschönen rehbraunen Augen waren glasig. Ihr Anblick erschreckte ihn.
„Hey“, sagte er matt. Ihm fiel nichts Besseres ein, er wusste nicht, was er zu ihr sagen sollte. Er fürchtete sich, ihr gegenüber treten zu müssen. Ja, er hatte Angst. Er hatte Angst davor, was er sich würde anhören müssen. Dass er Schuld an dem Ganzen war. Dass es nur seine Schuld war, dass das Baby tot war. Dass sie ihn nicht mehr sehen wollte. Dass sie ihn hasste.
„John?“ Teylas Stimme war jetzt mehr ein Wimmern. Tränen blitzten in ihren Augen auf, liefen ihr über die Wangen. Sie weinen zu sehen, weckte Mitleid in ihm. Er hatte sie noch nie weinen sehen können- so auch jetzt nicht.
Er holte einmal tief Luft, bevor er losmarschierte, an ihre Bettseite eilte und sie in die Arme nahm. „Sscht, schon gut“, flüsterte er in ihr Ohr, drückte sie fest an sich. „Ich bin hier.“
„G…geht nicht“, winselte Teyla, die sich an seine Brust schmiegte und in sein Hemd hineinweinte. „B…bitte bleib hier, John.“
John schüttelte mit dem Kopf. „Ich werde nicht gehen“, versprach er hier, hielt sie in seinen Armen und wiegte sie wie ein kleines Kind. Er hatte die Arme fest um sie geschlungen, hielt sie fest und verdrückte selbst ein paar Tränen, während sie sich an seiner Schulter ausweinte, bis ihr keine Tränen mehr blieben.
Ihr ganzer Körper zitterte, als sie sich schließlich zurücklehnte, und schwer aufseufzte. Sie wirkte erschöpft und sah furchtbar mitgenommen aus. Als sie nach unendlich langen Minuten des Schweigens ihre Stimme erhob, war es nicht mehr als ein Flüstern: „Ich…ich habe unser Baby verloren, John. Ich…ich hab’s verloren. Es ist-“
„Nein, Tey, nicht!“, beeilte sich John zu sagen, beugte sich vor und legte ihr einen Finger an die Lippen. Kopfschüttelnd sah er sie an. „Nicht“, wiederholte er, ließ dann aber ein leises ‚Ich weiߒ folgen.
Teylas Hände strichen über ihren Bauch, der sich unter der Bettdecke wölbte. Der Gedanke, dass nur noch ein Baby darin heranwuchs, schmerzte John. Gestern waren sie noch zu viert gewesen, eine richtige kleine Familie und jetzt…Sie hatten schon Pläne gemacht, hatten über Namenslisten gebrütet, sich darüber gestritten, welche Farbe das Kinderzimmer haben sollte. Sie waren zusammen in eine andere Sphäre eingetaucht, als sie vor ein paar Tagen zum ersten Mal einen dieser mit Waren überfüllten Babymärkte betreten und ihn nach einer Stunde mit Kopfschmerzen wieder verlassen hatten. Wie sehr sie sich gefreut hatten, als Teyla die ersten Bewegungen gespürt hatte, er seine Hand auf ihren Bauch gelegt und gerätselt hatte, welches Baby sich bewegte.

Nun war es einfach so vorbei. Auch wenn sie die Gewissheit hatten, dass es dem anderen Baby gut ging, wusste John zum ersten Mal, was es bedeutete ein Kind zu verlieren und wie es sich anfühlte. Es tat weh, der Verlust schmerzte und er hatte das Verlangen einfach nur bitterlich zu weinen, denn es war seine Schuld, dass das Baby tot war.

John setzte sich auf die Bettkante, nahm ihre Hände und küsste sie auf die zarten, blassen Fingerknöchel. „Es…es tut mir so leid, Teyla. Es tut mir so leid“, wiederholte er immer und immer wieder. Er konnte die Tränen nicht mehr länger zurückhalten und so versuchte er es nicht einmal mit Gewalt, er ließ sie einfach laufen. Kalt strömten sie über seine heißen Wangen, tropften auf den Bettbezug, während er sie immer wieder um Verzeihung anflehte und ihr sagte, wie leid es ihm tat.
„Es war ein Mädchen“, hörte er Teyla plötzlich tonlos sagen. Er sah sie an und erschrak in eine regungslose Maske zu blicken.
„Ein Mädchen?“, wiederholte John heftig schluckend. Ihre Miene verunsicherte ihn. Was bedeutete diese Leere in ihrem Blick?
Teyla nickte und John wurde schmerzhaft bewusst, dass sie nicht nur ein Baby verloren hatten, sie hatten ihre Tochter verloren. Ein kleines Wesen, das bestimmt einmal eine Schönheit geworden wäre.
Ein Mädchen, dachte John, was ihn erneut zum Weinen brachte. Es überraschte ihn, dass er derartig die Kontrolle über sich verlieren konnte. Er erinnerte sich nicht daran, in seinem Leben bisher so geweint zu haben. Doch es tat so weh! Er konnte nicht anders. Sein ganzes Leben lang hatte er beherrscht sein müssen. Jetzt hatte er das Gefühl, dass all diese aufgestauten Gefühle aus ihm herausbrachen. Es war nicht nur der Verlust des Kindes, obwohl es sich anfühlte, als hätte man ihm das Herz herausgerissen, es in den Dreck geworfen und trat nun darauf herum. Er wurde mit seiner Vergangenheit konfrontiert, fühlte sich plötzlich wieder in die Zeit zurückversetzt, als seine Mutter gestorben war, und einen Wimpernschlag später fand er sich auf dem New Yorker Friedhof wieder und sah zu, wie man den Sarg seines Vaters der Erde übergab. Und jetzt das!

„John?“ Teyla schien sein jämmerlicher Anblick zu befremden. Das Leben kehrte in sie zurück und mit besorgter Miene sah sie ihm beim Weinen zu.

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Sie hatte ihn noch nie weinen gesehen, außer den wenigen Glückstränen, die er bei ihrer Hochzeit vergossen hatte. Sie hatte ihn noch nie so weinen gesehen.
Er saß auf der Kante ihres Bettes und weinte, doch er weinte nicht einfach so, er weinte bitterlich, hatte die Hände vor sein Gesicht geschlagen und sie hörte ihn schluchzen. Seine breiten Schultern bebten und er zitterte am ganzen Körper.

„John?“, flüsterte sie erschrocken, streckte die Hand nach ihm aus und berührte ihn sanft an der Schulter. Rote, verquollene Augen lugten durch seine Finger hindurch. Langsam nahm er die Hände weg und tränenüberströmte Wangen kamen zum Vorschein. Teyla hielt die Luft an.
Sie hatte ja gar nicht gewusst, dass er so emotional sein konnte. Für sie war er immer die Sorte von Mann gewesen, die nichts umhauen konnte, komme was da wolle. Wie ein starker Fels in der Brandung hatte er dagestanden, hatte alles abgefangen, alles ertragen, hatte die schlimmsten Gerüchte in der New Yorker Klatschpresse wortlos niedergeschmettert. Ihn nun dermaßen heftig reagieren zu sehen, verunsicherte Teyla.
Sie wusste, dass er sich die Schuld für alles gab, und so gern sie ihm auch gesagt hätte, dass es nicht seine Schuld war, es hätte nichts daran geändert, dass er sich schuldig gefühlt hatte und sie immer wieder an das zurückdenken musste, was sie im Büro gesehen hatte.

Teyla schloss kurz die Augen und verdrängte den Gedanken. Darüber könnten sie später noch reden, jetzt war nicht die Zeit, um sich gegenseitig anzuschreien und sich Vorwürfe zu machen.

„Tut mir leid“, gluckste John.
Teyla schüttelte mit dem Kopf. „Es braucht dir nicht leid tun“, beruhigte sie ihn und nahm ihn in die Arme; der starke Mann fühlte sich so zerbrechlich in ihren Armen an, dass sie fürchtete, ihm irgendwie wehtun zu können.
„Es…es tut mir leid“, schluchzte John, seinen Kopf an ihren Brustkorb pressend, die Arme um ihren Leib geschlungen. „Ich wollte das nicht. Hört du? Ich-“
„Ich weiߓ, fiel Teyla ihm ins Wort, ihm einen Kuss auf die Stirn drückend. Sie rutschte etwas beiseite, damit sie beide Platz auf der Matratze hatten, drehte sich dann auf die Seite, John, seinerseits, lag auf dem Rücken, den Blick gen Zimmerdecke gerichtet.
„Ich wollte das nicht“, wiederholte er.
„John...“
„Es…es ist einfach so passiert.“ Ein nervöses, ungläubiges Lächeln huschte über seine Lippen. „Ich wollte das nicht, Teyla. Ich weiß auch nicht, warum…“ John brach ab, leckte sich über die Lippen.
Teyla schloss die Augen und seufzte. Sie hatte dieses Thema nicht ansprechen wollen, nun lief es doch darauf hinaus. Die Bilder tauchten wieder vor ihrem geistigen Auge auf; John, wie er die fremde, blonde Frau anlächelte, die mit nackten Füßen vor ihm auf dem Schreibtisch saß. Die beiden, wie sie sich zuprosteten und sich sichtlich zu amüsieren schienen. Die Frau, die sich vorbeugte. John, der seine Arme um ihre Schulter schlang. Die beiden…
Ächzend öffnete Teyla die Augen wieder und ehe sie sich versah, war ihr auch schon ein anklagendes ‚Hast du sie geküsst?’ herausgerutscht.
Neben ihr wurde John ganz still; sein Weinen hörte auf, sein Atmen wurde gleichmäßiger. Er löste seinen Blick von der Zimmerdecke, starrte nun seine Hände an. „Ja“, antwortete er leise. „Ja, ich habe sie geküsst.“
Ja, ich habe sie geküsst, wiederholte Teyla seine Antwort in ihrem Kopf. Er hatte sie geküsst, eine andere Frau. Elizabeth hatte recht. Nur warum? Warum hatte er das getan? War sie ihm nicht mehr genug? War es, weil sie ihm seit Wochen körperliche Liebe verweigerte?
Teyla schluckte. Ihr kam ein schrecklicher Gedanke. Allein die Vorstellung war…schlimm, unerträglich verletzend.
„Schläfst du mit ihr?“, fragte sie mit zittriger Stimme.
„Was!?“ John sah sie ungläubig an, dann wurde seine Miene jedoch wieder neutral. Ein schlechtes Zeichen?
Teyla schluckte ein zweites Mal, bevor sie die Frage wiederholte: „Ich will wissen, John, ob du mit dieser Frau schläfst.“
„Nein“, antwortete John augenblicklich. „Ich schlafe nicht mit ihr. Das würde ich nie tun. Das, was du gesehen hast, war ein schlimmes…Missverständnis. Es hätte nie passieren dürfen und ich schäme mich wirklich sehr dafür.“
„Du hast sie geküsst“, krähte Teyla.
„Ja, ich habe sie geküsst“, gestand John, „und das war ein Fehler. Ich wünschte ich könnte es rückgängig machen, Tey, aber das kann ich nicht. Das einzige, was ich kann, ist dich um Verzeihung bitten. Bitte, es tut mir leid.“

Verzweiflung stand in seinen grünen Augen geschrieben. Verzweiflung darüber, was er getan hatte, was daraus erfolgt war. Verzweiflung darüber, dass es so weit gekommen war und sie beide nun hier waren.

Der Druck in ihrer Kehle brach als ein lauter Schluchzer hervor und Teyla schlang die Arme um den Hals ihres Mannes. Die Tränen liefen ihr nun unkontrolliert über die Wangen, durchnässten den dünnen Stoff von Johns Hemd. Sie wusste nicht, ob sie weinte, weil sie erleichtert war, dass sich alles als ein großes Missverständnis herausgestellt hatte, oder weil ihr plötzlich klar wurde, was dieses Missverständnis zur Folge hatte, nämlich, dass sie eines ihrer Babys verloren hatte.
Als sie sich aus Johns Umarmung löste und ihn durch ihren Tränenschleier ansah, glaubte sie plötzlich diesen Ausdruck in seinen Augen deuten zu können, der ihr sofort aufgefallen war, als er sich zu ihr gesetzt hatte.
Es war der Ausdruck der Schuld.

TBC
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