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Ein anderes Gefühl von Schmerz von Enny

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Vorwort

Short-Cut: Rodney läuft wieder davon. Eine Lösung, die keine ist.
Spoiler: -
Charaktere: McKay/Sheppard, Beckett
Kategorie: Character Death, Slash
Rating: R-16
Author's Note: Ich weiß, dass Rodney nicht der Sportlichste ist. Versucht drüber weg zu gehen. Es ist eine Extremsituation und er will an seine Grenzen gehen. Sozusagen.
Es ist unwahrscheinlich, dass es im Winter in Atlantis nur 5 Stunden hell ist. Nennt es künstlerische Freiheit.
Auf die Idee gebracht hat mich Running" von Kat. Vieeeele liebe Grüße an dich :)
Widmung: Den ACE Bonbons, die ich gerade gegessen habe.
Disclaimer: Disclaimer: Alle Rechte gehören MGM Television Entertainment. Alles wurde nur zum Spaß geschrieben. Ich will kein Geld verdienen. Jede Ähnlichkeit mit toten oder lebenden Personen ist rein zufällig und keinesfalls beabsichtigt.
Ein anderes Gefühl von Schmerz


Wolken.
Sie bleiben niemals stehen.
Ziehen stetig von einem Ort zum anderen.
Welch ruhelose Gebilde.
Sie können Leben spenden und den Tod bringen.
Weiß und schwarz.
Hell und dunkel.
Leben und Tod.
So viele Gegensätze, die sich in diesen einsamen Wesen vereinen.

Sie ziehen am Horizont auf und kommen unaufhaltsam näher. Jeder weiß, was passiert. Jeder weiß, dass sie kommen. Aber keiner kann etwas gegen das Unvermeidliche tun.
Man muss warten und hoffen, dass sie vorüber ziehen und dich verschonen.

Rodney stand allein auf einer kleinen Lichtung, den Blick gen Himmel gewandt und beobachtete die grauschwarzen Ansammlungen von Wassertropfen. Wie gerne würde er ihnen folgen... Bis zum Horizont und weit darüber hinaus. Er wischte sich kurz den Schweiß von der Stirn und atmete tief aus.
Warten und hoffen. Es war immer dasselbe. Immer nur warten. Diese apathische Passivität brachte ihn beinahe um.

Doch er hatte noch einen weiteren Weg gefunden, um dieser höheren Gewalt, die sich Schicksal nannte, zu entgehen.
Weglaufen. Wie schon so oft. Wie schon immer.
Auch dieses Mal hatte er sich dem Unheil nicht gestellt und jetzt hetzte er den Wolken hinterher, in der Hoffnung diesem Desaster zu entkommen.

Die Nachricht hatte ihn erreicht und er war geflohen, vor dem, was ihn erwartet hätte. Dem Schmerz, der Angst und der Verzweiflung. Das Unvermeidliche war geschehen. Sie alle hatten es kommen sehen. Und sie hatten gewartet und gehofft. Doch wie so oft, war Rodney auch dieses Mal vom Leben enttäuscht worden.

Die Sonne war noch nicht aufgegangen gewesen, als er losgelaufen war. Er hatte den Jumper genommen und war zum Festland geflogen. Alleinsein war das Einzige, das ihn wieder aufrichten konnte, das ihn zusammenhielt. Aber mittlerweile bewegte sich der helle Himmelsstern bereits hartnäckig auf den Horizont zu. Bald würde er dahinter verschwinden und die Dunkelheit würde Rodney umhüllen und sich auf das Land niederlegen, wie ein schwarzes Tuch. Die Wintertage hier dauerten nicht so lange wie auf der Erde, aber lange genug, um einen Menschen über die Verzweiflung zu heben.

Zumindest hatte er das gedacht. Doch er fühlte sich immer noch so wie zuvor. Einfach nur leer. Das Laufen half ihm dabei, sich abzulenken. Immerhin musste er all seine Kraft darauf verwenden, nicht zusammenzubrechen. Aber an seinen Gefühlen änderte es nichts. Alles was er tat, war verdrängen und beiseiteschieben.

Rodney versuchte sich zu beruhigen. Sein Atem raste mit seinem Pulsschlag um die Wette und seine Lungen schienen bei jedem Atemzug aufschreien zu wollen. Die kalte Luft des frühen Winters war belebend und entkräftend zugleich. Erschöpft, die Hände auf die Knie stützend, erlaubte er sich einen kurzen Moment der Ruhe.

Viel zu lange schon hetzte er vorwärts... Er spürte seine Kraft immer weiter schwinden, mit jedem Schritt, den er sich abrang. Er war nicht die ganze Zeit gelaufen, aber er war fast immer irgendwie in Bewegung gewesen. Anfangs hatte er um jeden Meter kämpfen müssen, aber irgendwann hatte er die Grenze überschritten, hatte jedes Gefühl verloren. Spürte weder Erschöpfung, noch Atemlosigkeit. Wie in Trance schleppte er sich weiter. Weg vom Jumper, weg von Atlantis. Immer weiter. Über offene Wiesen, durch Wälder und über Lichtungen. Er glaubte sogar, sich an ein, zwei Flüsse erinnern zu können, die er durchquert hatte. Bei einem der Wildbäche hatte er seine Jacke zurückgelassen, bei einem weiteren seine Stiefel. Einer der Flussläufe lag noch nicht sehr weit hinter ihm, denn seine Hose fühlte sich immer noch nass an.

Als er die Kälte wieder spürte, die langsam an seinen Beinen herauf kroch, wurde ihm bewusst, dass er eine zu lange Pause eingelegt hatte. Er wäre fast wieder bei dem angekommen, vor dem er weglief.
Rodney warf den Wolken über sich noch einen kurzen Blick zu und richtete sich danach wieder gerade auf.

Er hetzte weiter, sprang über Hecken, Büsche und Sträucher. Als er sich durch eine Dornenhecke kämpfte, gesellte sich ein weiterer Schnitt auf seinem fast nackten Oberkörper zu den bereits vorhanden hinzu. Es schienen tausende zu sein, die von Schweiß und Dreck getränkt wie Feuer auf seiner Haut brannten.

Er hatte sie eine Weile nicht gespürt, doch die Unterbrechung der Bewegung hatte sie aus den Abgründen hervorgezerrt, in denen sie verschwunden waren und jetzt ergossen sich die Schmerzen erneut über seinen ganzen Körper.

Ein weiteres Dorngebüsch stellte sich ihm in den Weg. Er hätte leicht außen herum laufen können, doch sein Selbstzerstörungsdrang ließ ihn weiter darauf zu rennen. Als er es versuchte zu überspringen, verwickelte sich sein Knöchel darin und er stürzte zu Boden.

Der Schmerz beim Aufprall ließ ihn vermuten, dass er auf einen großen Stein gefallen war und als er sich mühsam aufrappelte, bestätigte sich dieser Verdacht. Er nahm das Messer von seinem Gürtel und durchtrennte die Ranke.

Die Dornen hatten sich tief in sein Fleisch gebohrt und das Blut lief in dünnen Rinnsalen an seinem Knöchel herunter. Er zog jeden einzelnen Dorn heraus ohne auf den Schmerz zu achten, der langsam an seinem Bein nach oben kroch. Er durfte nichts Anderes erwarten, wenn er barfuss durch einen dichten Wald lief. Nichts Anderes als Schmerz.

Aber es war ein anderer Schmerz als der, vor dem er davonlief. Es war ein guter Schmerz, der die Gedanken überdeckte, die ihn jagten. Er hatte in der ganzen Zeit nicht an ihn denken müssen. Nicht ein einziges Mal. Doch die unfreiwillige zweite Rast, die er jetzt in kürzester Zeit einlegte, war eine zu viel. Die Gedanken kamen mit einem Schlag zurück, begleitet von unsäglich vielen Bildern, die er so gern vergessen hätte. Für alle Zeiten. Doch jetzt waren sie wieder da und überfluteten sein Inneres, gefolgt von einem Gefühl, das er lange nicht mehr gespürt hatte.

Es war dieses Brennen, das man verspürt, wenn man meint, dass das eigene Herz in tausend Stücke zerspränge, vom so genannten Leben zerschmettert und fallen gelassen. Wenn sich einem tausend Dämonen gegenüberstellen, an der Seele reißen und dich hinabziehen ins Ödland der Verzweiflung.

Es war das Gefühl, das Rodney zum ersten Mal verspürte, seit er von seinem Tod gehört hatte. Auf dem Weg hier her war er vollkommen ruhig und gefühllos gewesen, während er gelaufen war, hatte er ihm keine Möglichkeit gegeben, aufzukommen. Die wenigen Pausen, die er eingelegt hatte, hatten ebenfalls nicht gereicht.
Er war immer rechtzeitig wieder in Bewegung gekommen, um das Gefühl, die Gedanken und die Bilder zu verdrängen.

Doch jetzt schien es ihn mit jedem Moment, der verstrich, zu verzehren und innerlich zu zerstören. Sekunden wurden zu Stunden und er konnte nur mühsam einen verzweifelten Schrei unterdrücken, auch wenn er wusste, dass ihm dieser vielleicht helfen könnte. Doch er wollte nicht unter der Last zusammenbrechen, die ihm das Leben aufbürdete. Wenn er es jetzt tat, würde er es auch immer wieder tun.

Rodney biss eisern die Zähne zusammen und schaffte es wieder auf die Füße zu kommen. Er tat das, was ihm in diesem Moment das einzig Richtige erschien. Er lief weiter. Die Gedanken hatten ihn eingeholt und jetzt musste er wieder Abstand schaffen. Der Schmerz in seinem Knöchel, auf seinen Armen, in seiner Lunge, auf seinem Rücken und unter seinen nackten Füßen trieb ihn weiter an. Nur nicht wieder stehen bleiben.

Er konzentrierte sich auf seine Schritte und versuchte sie gleichmäßig werden zu lassen. Nach wenigen Minuten klang der dumpfe Aufprall seiner Füße in einem parallelen Rhythmus zu seinem keuchenden Atem.

Durch die dichten Baumkronen, die majestätisch über ihm thronten, schafften es nur wenige Lichtstrahlen den Boden zu berühren. Dort, wo sie es taten, tauchten sie das Unterholz in goldenes Licht. Der Sonnenuntergang war nahe und mit der Dunkelheit würde auch die Kälte zunehmen. Vielleicht war das Teil dessen, was er hier draußen suchte.

Ein letzter Sprung über einen Graben und er lief wieder über offenes Feld. Sein Atem ging schwer, die Erschöpfung drohte ihn zu übermannen. Aber er blieb nicht stehen, er lief immer weiter. Ohne ein Ziel. Alles, was er wollte, war weg zu kommen, so weit wie möglich.

Ein plötzlicher Abfall seines ohnehin schon unebenen Untergrundes brachte ihn schließlich jedoch zu Fall. Es kam ihm beinahe so vor, als würden bei dem Aufprall sämtliche Knochen in seinem Körper zerbersten. Wieder achtete er nicht darauf, wieder wollte er aufstehen und wieder fiel er zu Boden. Er war am Ende.

Er hörte sich selbst stöhnen, als er sich auf die Ellbogen stützte und spürte, dass sein unverletzter Knöchel nicht länger unverletzt war. Der Knochen war mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit angebrochen. Falls Rodney es schaffen sollte wieder aufzustehen, würde er nicht sehr weit kommen.

Die vertraute Stimme in seinem Kopf wisperte ihm zu, dass er aufstehen, weiterlaufen müsse, oder sie würden ihn einholen. Das leise Flüstern übertönte nur knapp das Hämmern seines Herzschlags.
Rodney gab ein erschöpftes ‚ich kann nicht mehr' zurück und schloss die Augen, um sich wieder einigermaßen zu beruhigen. Er war fast sechs Stunden ununterbrochen in Bewegung gewesen und es war ein Wunder, dass er überhaupt noch atmete.

Ein stechender Schmerz durchzuckte ihn, als er ohne Vorwarnung plötzlich ein Bild von ihm vor seinen Augen sah. Es waren die letzten Augenblicke gewesen, bevor er durch das Gate gegangen war und ihn auf ewig verlassen hatte. Ein letztes Lächeln, ein letzter Blick, eine letzte flüchtige Berührung.

Er wusste nicht, wieso ausgerechnet jetzt dieses Bild vor seinem inneren Auge aufgetaucht war. So plötzlich und unerwartet, ohne jeden Zusammenhang.
Der Erinnerung folgte die von ihrem ersten Treffen. Weitere Bilder strömten unaufhaltsam in seinen Kopf.

Letztendlich konnte er nicht mehr dagegen kämpfen und die Tränen, die er zuvor noch erfolgreich zurückgehalten hatte, liefen jetzt an seinem Gesicht herunter. Sie tropften zu Boden, benässten die Wiese und seine Arme unter ihm.

Sein Körper gab nach und er fiel vollends zu Boden, das Gesicht im Gras und die Hände zu Fäusten geballt. War es Schicksal, dass er nicht mehr zurückgekommen war?
Ein absurder Gedanke! Es konnte doch überhaupt keinen Grund für den Tod eines Menschen geben.

Es war schlicht und einfach nicht gerecht. Er hatte nur versucht, sie alle hier zu retten. Er hatte niemandem etwas Böses gewollt. Er hatte doch nur helfen wollen.
Nur helfen...

Ein unterdrücktes Schluchzen formte sich zu eben jenem verzweifelten Schrei, den er zuvor unterdrückt hatte. Er schrie alles heraus, das sich in ihm angestaut hatte. Den Hass auf die Schmerzen, das Leben, das Schicksal und auf sich selbst.
Er schrie so laut er konnte seinen Namen, immer und immer wieder, gefolgt von der einen Frage, die ihn innerlich zerfraß. Wieso?'

~~~

Harmonie

Keine Schmerzen mehr... nie wieder. Endlich hatte er sein Ziel erreicht.
Er brauchte nur seine Augen zu schließen, dann würde er sie nie wieder öffnen. Nie wieder alleine sein, nie wieder einsam in einer riesigen Menschenmasse sein... und sich niemals mehr den Kopf darüber zerbrechen, ob ihn überhaupt jemand vermissen würde...

Es war völlig irrelevant.
Die Vergangenheit... was war das schon? Bilder und Erinnerungen... nichts weiter als Gedanken. Was kümmerte es ihn? Die Realität war anders. Die Realität war Schmerz...
leben bedeutete Schmerz... nur endlosen Schmerz...

Doch bald würde das alles vorbei sein... sehr bald.
Der Herzschlag, der in seinen Ohren widerhallte, wurde immer leiser. Immer flacher wurde sein Atem, immer schwerer seine Augenlider...

~~~

Ungeahnte Begegnungen

Stille und Dunkelheit umfassten ihn, einzig und allein von einem leichten Schimmer durchbrochen, der mit jedem Moment heller wurde und schließlich in einem gleißenden Lichtstrahl endete. Rodney hätte seine Augen gerne mit irgendetwas verdeckt, aber seine Arme waren zu schwer. Er hatte keine Kraft mehr und sein Körper gehorchte ihm nicht mehr. Falls er überhaupt noch einen Körper hatte.
Bevor das Licht unerträglich wurde, verschwand es auch schon wieder und überließ ihn erneut dem Schutz der Dunkelheit.
Hätte er gekonnt, hätte er wohl erleichtert aufgeatmet. Aber irgendwie konnte er es nicht. Es war, als hätte er diesen angeborenen Urinstinkt verloren.
Schlimm war das jedoch wirklich nicht. Es war beinahe so als bräuchte er keinen Sauerstoff mehr.

Plötzlich durchzog das gleißende Licht die Finsternis zum zweiten Mal. Für einen kurzen Augenblick erklang ein dumpfes Pochen, das immer lauter wurde bis es schließlich wieder verstummte und das Licht verschwand. Dieses Mal jedoch nicht völlig. Ein leichter Schimmer blieb hängen, fast so als würde er sich an Rodney festklammern.
Lästig wurde das alles erst, als es erneut an Intensität zunahm und das Hämmern wieder erschallte und relativ unangenehm wurde.
Rodney wünschte sich nichts sehnlicher, als dass er wieder zurück in die Dunkelheit und die Stille konnte. Er hatte eine leise Ahnung, was sich gerade abspielte und begeistert war er nicht davon.

**

"Noch Mal aufladen!", herrschte Carson die junge Krankenschwester an, die neben ihm auf der nassen Wiese kniete. Sie befolgte ohne zu zögern seinen Befehl und lud den Defibrilator ein weiteres Mal auf. "Und weg!"
Der Arzt drückte die Pads auf Rodneys freien Oberkörper, der augenblicklich nach oben zuckte. Carsons Blick haftete gespannt auf dem EKG. Plötzlich verformte sich die glatte Linie zu einem Zacken und dann noch einer. Aber es war nur ein kurzes Aufbäumen, denn im nächsten Moment drang wieder der nervenzerfetzende, gleichmäßige Piepston an Carsons Ohren.
"Noch einmal!", befahl er barsch.
"Doktor, es...!", entgegnete seine Assistentin schüchtern.
"Tun Sie's!"

**

Wieso konnten sie ihn nicht in Ruhe lassen! Er wollte nicht leben! Herrgott noch mal, deshalb war er doch hier. Damit er alleine sein konnte. Damit er sterben konnte.
"Rodney..."
Nein. Er wollte ihre Stimmen nicht hören. Er wollte nicht aufwachen!
"Rodney..."
Ein innerer Reflex zwang ihn dazu die Augen zu öffnen. Doch anstatt in die hellen Lichter des Krankenflügels zu schauen, schob sich etwas Anderes in sein verschwommenes Blickfeld.
"John!?"

**

"Doktor, wir verlieren ihn wieder!"
"Verdammt, Rodney, fang endlich an zu kämpfen!" Es war fast ein verzweifelter Schrei den Carson dem leblosen Körper entgegenschleuderte. Er setzte die Pads erneut auf Rodneys Brust und wieder kam keine Reaktion von seinem Herzen.
"Noch einmal!"
Die Schwester sah sich hilfesuchend um. Doch von den Umstehenden konnte sie keine Unterstützung erwarten. Elizabeth und Radek, die beide nervös und sichtlich besorgt dreinschauten, würden ebenfalls so schnell nicht aufgeben. Es war immerhin ein guter Freund von ihnen, der da im Sterben lag. Im Grunde war er jedoch schon längst tot und Dr. Beckett klammerte sich nur noch an einen bereits abgeknickten Strohhalm.

**

Rodney genoss die zärtliche Umarmung aus ganzem Herzen und bedauerte es als John ihn wieder losließ.
"Schön dich wieder zu sehen", flüsterte der Wissenschaftler.
"Geht mir auch so." John gab ihm einen flüchtigen Kuss. "Aber du musst wieder zurück."
"Nein. Ich will für immer hier bei dir bleiben."
"Das geht nicht, Rodney. Elizabeth braucht dich." Johns Augen waren verständnisvoll und zugleich auch mit einer gewissen Schärfe durchtränkt. Rodney spürte, dass er es ernst meinte.
"Niemand braucht mich. Aber ich brauche dich, John. Du darfst mich nicht verlassen."
"Rodney! Ich bin bereits tot. Und nichts kann daran etwas ändern. Aber du hast noch eine Chance."
"Ich will diese verdammte Chance nicht! Lieber sterbe ich als ein Leben ohne dich zu führen!"
John entgegnete nichts. Er schüttete lediglich traurig den Kopf. "Wir werden uns irgendwann wieder sehen. Und dann kann uns nichts mehr trennen. Aber dieser Tag ist nicht heute." Dieses Mal war der Kuss, den er Rodney auf die Lippen hauchte, intensiver.
"Du hast noch ein langes und glückliches Leben vor dir. Außerdem wird in Atlantis sowieso alles drunter und drüber gehen, wenn du nicht auf diese Affenbande aufpasst."
"John, bitte...", flehte Rodney, als er merkte, dass das Bild vor seinen Augen wieder verschwamm.
"Sie brauchen dich da unten noch eine Weile", sagte John während er aufstand. "Ich werde auf dich warten, Rodney. Bis auf alle Ewigkeit. Vergiss mich nicht, okay?"
Vor Rodneys Augen begann sich alles zu drehen und als der Boden unter seinen Füßen brach, fiel er in eine endlose Tiefe. Er streckte noch verzweifelt die Hand aus, um John festzuhalten, ihn nicht noch einmal zu verlieren, aber es hatte keinen Zweck. John war verschwunden und Rodney war zurück in der Dunkelheit. Er spürte plötzlich einen furchtbaren Schmerz, der seinen gesamten Körper durchzuckte und ein leises Klopfen, zuerst fast unhörbar und schließlich immer lauter werdend, durchschnitt die Stille wie ein Pfeil.

**

"Und weg!" Erneut schoss Rodneys Oberkörper durch den Stromstoß nach oben.
Carson wagte es nicht, den Blick auf das EKG zu richten. Er wollte nicht sehen, dass es vorbei war. Aber aufgeben konnte er auch nicht.
"Doktor!" Er hörte den Ruf der Schwester nicht, war zu sehr auf Rodneys lebloses Gesicht fixiert. Er konnte und wollte nicht akzeptieren, dass sein bester Freund tot sein sollte.
"Doktor, sein Herz schlägt wieder", rief die junge Frau neben ihm aufgeregt und schüttelte Carson an der Schulter. Der Arzt hob blitzartig den Kopf und tatsächlich. Die Linie hatte sich wieder zu den üblichen Zacken verformt und ein regelmäßiges Piepsen durchzog die Stille der Nacht.
Carson atmete erleichtert auf, auch wenn er nicht ganz glauben konnte, dass er es geschafft hatte.
"Wo bin ich?" Rodneys schwache Stimme drang an sein Ohr und völlig verwirrt stellte er fest, dass der Wissenschaftler die Augen bereits geöffnet hatte.
"Alles in Ordnung, Rodney. Sie sind jetzt wieder in Sicherheit."
Carson warf Elizabeth und Doktor Zelenka einen erleichterten Blick zu, den diese erwiderten. Johns Tod hatte sie alle noch fester zusammengeschweißt und Carson wusste, wie sehr Elizabeth Rodney im Moment brauchte. Für sie war der Verlust fast genauso schlimm gewesen wie für Rodney selbst und der Verlust verband die Beiden in einer Weise, die sie im Moment noch nicht verstanden.
Mit einem erleichterten Seufzen ließ sich Elizabeth auf den Boden fallen und stützte das Gesicht mit den Händen ab. Radek legte ihr eine mitfühlende Hand auf die Schulter und kurz darauf traten sie gemeinsam den Heimflug an.

*~#~*

Sommerregen

"Wie geht es Ihnen heute?", fragte Carson gut gelaunt als er an Rodneys Bett trat.
"Gut genug um aufzustehen!?", erwiderte der Wissenschaftler mehr fragend als feststellend. Er war nun schon seit über zwei Wochen in der Krankenstation und der einzige Erfolg, den er bisher hatte verbuchen können, war, dass er Carson und Elizabeth nach sieben Tagen harter Arbeit davon überzeugt hatte, dass er nicht mehr selbstmordgefährdet war. Was bedeutete, dass die Wachen die Tag und Nacht bei ihm gewesen waren, endlich nicht länger Kindermädchen spielten.
"Ich denke, ja. Aber arbeiten ist nicht! Sie gehen in Ihr Quartier und ruhen sich aus. Wenn ich Sie mit einem Bericht, einer Gleichung oder sonst was in der Art erwische, fessle ich Sie für den Rest der Woche hier ans Bett! Verstanden?"
"Verstanden", erwiderte Rodney freudestrahlend. Endlich konnte er mal etwas Anderes ansehen als immer die gleichen Wände. Aber da war noch etwas.
"Carson?" Er räusperte sich nervös.
"Oh, nein. Was Sie jetzt sagen, wird mir nicht gefallen, richtig?"
"Ich würde gerne..." Sein Blick traf Carsons und er hoffte, dass der Arzt ihm diesen Wunsch erfüllen würde.
"Was würden Sie gerne, Rodney? Na los, raus mit der Sprache. Mehr als Nein sagen, kann ich ja nicht."
"Ich würde gerne sein Grab besuchen", sagte er leise und wandte den Blick ab.
"Verstehe. Nun gut. Aber nicht lange und nicht alleine. Sie sind nicht in der Verfassung, lange draußen alleine in der Kälte zu stehen, geschweige denn einen Jumper zu fliegen. Ist es Ihnen Recht, wenn ich mitkomme, oder wollen Sie dann doch lieber noch etwas warten?"
"Nein. Ich will nicht mehr länger warten."

*~#~*

Auf dem Festland lag der Schnee knöcheltief und die Bäume bogen sich unter einem erbarmungslosen Wind hin und her. Carson zog den Reißverschluss an seiner Jacke hoch und sah zu Rodney, der noch immer an Johns Grab stand. Der Arzt war zuerst mit oben auf den kleinen Hügel gekommen, um sicher zugehen, dass Rodney unterwegs nicht zusammenbrach. Er war immer noch etwas wacklig auf den Beinen.
Aber jetzt lehnte er am Jumper und beobachtete den Wissenschaftler mitfühlend. Er wusste, wie schwer ein solcher Verlust jemanden treffen konnte. Bei Rodney war es jedoch etwas Anderes. Es war ihm beinahe so vorgekommen, als hätte er sich richtig darauf gefreut, hierher zukommen.
Der Arzt hatte schon viele Arten gesehen, wie Menschen trauerten, das blieb ihm in seinem Beruf nicht erspart. Aber noch nie hatte er so etwas erlebt.

**

Ein wissendes Lächeln schlich sich auf Rodneys Gesicht, als er Johns Anwesenheit spürte.
"Hallo", flüsterte er ohne sich umzudrehen. Seine Hand, die nun auf Rodneys Schulter lag, kam ihm so real vor, wie damals, als John dies zum ersten Mal getan hatte.
"Hey."
"Ich wollte dir auf Wiedersehen sagen. Du hast mir ja beim letzten Mal keine Zeit gelassen."
John legte seine Arme von hinten um Rodneys Taille und legte sein Kinn auf seine Schulter.
"Du fehlst mir. Wirklich", flüsterte John.
"Was soll ich denn sagen? Du beobachtest mich doch sicher ständig."
"Nein, Rodney. Jedenfalls nicht so, wie du denkst." Er schwieg einen Moment. "Hör zu, das ist das letzte Mal, dass wir uns sehen können. Oder besser, dass du mich sehen kannst."
"Ich weiß."
"Wir haben nur Zeit, um Leb Wohl zu sagen."
Rodney nickte stumm und umfasste Johns Hände, zog ihn näher an sich heran, bis sein Bauch fest an seinem Rücken lag.
"Weißt du, wann wir uns wieder sehen?"
"Meinst du, ich soll dir deinen Todestag sagen?"
"Mhm."
"Tut mir Leid."
"Kannst du nicht oder willst du nicht?"
"Ich darf nicht", entgegnete Sheppard und Rodney spürte, dass er grinste.
"Wie wär's, wenn du einfach hier bleibst. Dann ist es nur ein Treffen."
"Willst du mit einem Geist zusammenleben, den keiner sieht?" Er drehte den Kopf, um nach Beckett zu sehen. "Carson guckt auch schon ganz komisch."
Ein leises Lachen schlich sich aus Rodneys Hals. "Ja."
"Ich weiß, ich habe dir das schon einmal gesagt... ich werde auf dich warten."
"Tja... dann muss ich wohl auch alleine ausharren."
"Mhm." John seufzte. "Ich muss jetzt gehen, Rodney."
"Oh. Okay. Aber..."
"Aber?"
"Sag mir, dass du mich liebst", murmelte Rodney fast unhörbar.
John lächelte und küsste seinen Hals und seinen Nacken. "Wenn du mir sagst, dass du nicht aus einer Laune heraus etwas Dummes anstellst."
Rodney wusste genau, was er meinte. Kein Suizid.
"Versprochen."
"Ich liebe dich, Rodney. Daran wird sich auch jetzt nichts mehr ändern. Ich liebe dich so sehr, dass ich es nicht ertragen würde, wenn du dir etwas antätest."
"Das werde ich nicht. Ich verspreche es dir. Ich liebe dich auch, John..."
Eine Weile genossen sie schlicht die warme und zärtliche Berührung und John überlegte, ob er Rodney trotz des Verbots nicht sagen sollte, dass Selbstmord nicht gern gesehen wurde und dass sie dann nie wieder zusammen sein würden, bis er schließlich wieder das Wort erhob: "Du willst noch etwas wissen, hab ich recht?"
Rodney nickte. "Weißt du..." Rodney drehte sich um und hielt Johns Hände fest in seinen eigenen, wagte es jedoch nicht, ihm in die Augen zu sehen. "Es gibt Menschen, die sich nach einem solchen... Verlust... erneut verlieben und..." Er seufzte tief "Und ich habe Angst davor."
"Ach, Rodney...", murmelte John und legte eine Hand auf Rodneys Herz. "Ich kann nicht sagen, dass du mich immer so lieben wirst, wie du es jetzt tust. Aber ich bin mir sicher, dass du mich niemals vergessen wirst. Wenn du dich erneut verlieben solltest... dann soll es wohl so sein. Kämpf nicht dagegen an. Es würde sowieso nichts daran ändern und überhaupt... nur weil ich tot bin, heißt das nicht, dass du nie wieder lieben darfst."
"Ich will aber nicht aufhören, dich zu lieben. Ich will bei dir sein!" Plötzlich stiegen Tränen in seine Augen und er konnte nicht anders als sich fest an John zu klammern. Es war ihm egal, wie das wohl für Carson aussehen würde. Er musste ihn jetzt warm und lebendig an seiner Seite spüren. Der Gedanke versetzte ihm einen schmerzenden Stich in der Brust. John war nicht lebendig. Er war tot. So wie Rodney es auch beinahe gewesen wäre.
Als Johns Arme sich fest um seinen Rücken schlossen, konnte er nicht anders und ließ seinen Tränen freien Lauf. "Du fehlst mir so sehr."
"Ich weiß." Johns Umarmung wurde schwächer, bis er ihn schließlich los ließ und seine Hände zu Rodneys Schultern wanderten. "Ich muss jetzt gehen, Rodney."
"Nein, bitte geh nicht!", schluchzte Rodney und versuchte die Tränen mit dem Handrücken wegzuwischen, doch John griff nach seinem Arm und hielt ihn sanft, aber bestimmt fest. Er strich mit dem Daumen sanft über seine Handfläche und sah Rodney in die Tränen verhangenen, blauen Augen.
Sein Schluchzen brach ab, doch er schaffte es immer noch nicht, John in die Augen zu sehen. Dies veranlasste ihn dazu zwei Finger unter dessen Kinn zu legen und ihn somit mit sanfter Gewalt zu zwingen, den Blick zu erwidern. Als er dessen volle Aufmerksamkeit hatte, hauchte er ihm einen Kuss auf die Lippen. "Rodney. Du verdienst es, glücklich zu sein. Du verdienst es, geliebt zu werden."
In diesem Moment wurde etwas in Rodney wiederbelebt, das bei Johns Tod mit ihm gestorben war. "Komm her." Er zog ihn in eine innige Umarmung.
"Ich würde dich so gerne noch einmal spüren", flüsterte Rodney zwischen zwei Küssen. "Leb wohl, Rodney", flüsterte John.
Er ging langsam zurück und hielt Rodneys Hand dabei solange er konnte fest. Bis zum letzten Augenblick berührten sich ihre Fingerspitzen... bis zum letzten Moment hielten sie Augenkontakt.
"Leb wohl."

**

"Alles in Ordnung?", fragte Carson als Rodney auf ihn zukam und sich mit den Händen übers Gesicht fuhr.
"Ja. Es... es geht mir gut", sagte Rodney und unterstützte seine Worte mit einem Nicken.
Er war überrascht, wie wahr seine Worte waren. Es ging ihm tatsächlich gut.
"Sicher?"
"Ja. Danke, dass du mitgekommen bist."
Carson nickte nur. Er spürte, dass er Rodney nun etwas Zeit lassen musste. "Nach Hause?"
"Ja", erwiderte Rodney nach einer Weile des Schweigens.
Bevor er sich zu Carson in den Jumper setzte, ließ er den Blick noch einmal über den kleinen Hügel schweifen, atmete die frische Luft ein und spürte den eisigen Wind auf seiner Haut. Seit Wochen hatte er sich nicht mehr so lebendig gefühlt. Bald würde der Frühling seine Arme auf das Land legen und die Bäume und Wiesen mit seinem warmen Hauch wieder beleben.
Er mochte den Frühling, aber er liebte die Momente, die alles verändert hatten. Es war eine warme Nacht gewesen, durchzogen von leichtem Nieselregen, einem kühlen Wind und sie beide draußen auf dem Festland, alleine, gestrandet in einem Jumper. Doch vor allem erinnerte er sich an die zärtlichen Berührungen, die Leidenschaft und das leise Keuchen, das die Stille des Waldes durchbrochen hatte. Es war ihre erste gemeinsame Nacht gewesen.

Rodney freute sich auf den ersten Sommerregen...
Ja, er würde nach Hause kommen. Sie beide würden nach Hause kommen.
Er und John...

~ El Fin ~
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