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The Death Walks von Belanna

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Kapitel Bemerkung: Short-Cut: Nur noch wenige Stunden trennen Atlantis von der Deadline und das zwang die Überlebenden, das Heilmittel auf dem Planeten zu suchen, wo zur Stunde Null der Anfang vom Ende begann.

The death walks, Teil 3 - Hoffnungslose Hoffnung?


Kapitel 1.
Der Himmel war dunkel, kein Stern leuchtete, welcher, der durch den Wald stolpernden Gruppe, Licht gespendet hätte.
Obwohl sie alle seit Stunden unterwegs waren, konnte man noch nicht einmal die ersten Sonnenstrahlen am Horizont erkennen.
Die wenigen Taschenlampen vermochten kaum, den feuchten Waldboden vor ihnen zu erhellen.
Die Dunkelheit, die sie umgab, war fast vollkommen. Fast greifbar schien sie wie schwarzer, schwerer Stoff über ihnen zu hängen. Dieses bedrückende Gefühl der absoluten Dunkelheit, es raubte der Gruppe mehr den Atem, als der mühsame Abstieg auf dem schlammigen Boden. Geröll löste sich unter jedem Schiritt ihrer Stiefel und drohte jeden mit sich zu reißen, der nicht achtsam genug war.
Dillon sah sich ständig um. Seine Augen waren aufs äußerste gereizt, um in der sie umgebenden Schattenwelt eventuelle Veränderungen zu erkennen. Seine Augen tränten unter der Anstrengung.
Von Minute zu Minute schien der Wald lichter zu werden. Die ansonsten engstehenden Bäume bildeten größere Abstände und im Schein der Taschenlampen kam eine Lichtung in Sicht.
Die kleine Gruppe trat über Splitt und Geröll hinaus, auf einen steilen Abhang zu.
"Was jetzt?" fragte Lindsay, welche mit einem Frösteln den Abhang hinab blickte. Wer da den Halt auf dem nassen Geröll verlor, hatte mehrere hundert Meter freien Fall vor sich.
"Hier drüben!" rief eine Stimme und all Blickte folgten dem Ruf zu einem, mit einer Taschenlampe bewaffneten Rebil, welcher links von der Truppe stand.
"Der Weg fällt hier nicht so steil ab", rief der Rebil erneut.
Dillon trat, dicht gefolgt vom Rest der Gruppe, zu dem Arzt.
"Der Abstieg wird nicht leicht werden, aber hier zumindest machbar" bestätigte der Soldat.
"Sir", kam es von Robin Chin. Dillon blickte zu dem dunkelhäutigen Chinesen.
"Ich hab als Bergsteiger einiges an Erfahrung. Hab das Zuhause Hobbymäßig mit meinem Bruder betrieben."
Dillon nickte erfreut. "Soll das heißen, Sie wollen vorausgehen?"
Chin nickte. "Ich dachte mir nur, es würde vielleicht helfen, wenn ich als Erfahrener den sichersten Weg für die anderen vorgebe."
Dillon überlegte nicht lange, sondern warf dem Lieutenant eine Taschenlampe zu. Mit einer einladenden Geste den Berg hinab, ließ er Chin an sich vorbei treten.

Geschickt bahnte sich Robin Chin seinen Weg den Hang hinunter. Immer wieder mussten sie jedoch anhalten, weil ein Mitglied gestürzt war. Doch alles in allem schien der Abstieg reibungslos zu klappen.
Da! Kaum hörbar ein Geräusch, welches sich in der Stille der Nacht abzeichnete.
Dillons Muskeln spannten sich an. Instinktiv griff er nach seiner Waffe, versuchte in der sie umgebenden, erdrückenden Dunkelheit einen sich bewegenden Schatten zu erkennen.
Das Geräusch wiederholte sich! Diese Mal war es jedoch eindeutig näher!
Der junge Soldat dachte nach.
Dumpf erinnerte in das Geräusch an das Schaben eines sehr harten Gegenstandes über bloßen Fels.
Robin Chin und die anderen schienen es ebenfalls gehört zu haben, denn wie auf einen stillen Befehl hin, blieben alle stehen.
Man konnte das rutschen von Steinen und ihr Aufeinenderschlagen hören, als diese den Abhang hinabbröckelten.
Jetzt war es sicher, dass dieses Geräusch nicht von ihnen verursacht wurde. Sondern, dass sie in dieser Dunkelheit nicht allein waren.
Ein sich bewegender Schatten schlich links von ihnen elegant den Hang entlang. Zwar war es Dillon kaum möglich, die sprichwörtliche Hand vor Augen zu sehen, doch das sich bewegende Etwas hob sich aus der Dunkelheit ab.
Unheimlich, als ob die Dunkelheit selbst sich bewegt.
Nicht mehr als eine Silhouette, aber dennoch vorhanden.
Das Geräusch, welches der Schatten verursachte, kam näher.
Die Soldaten erhoben ihre Waffen und zielten auf die sich langsam nähernde Gestalt. Der Silhouette nach zu urteilen, war das Wesen so groß wie ein Kalb.
Langsam und voller Furcht richteten sich die ersten Lichtstrahlen der Taschenlampen auf den seltsamen, unförmigen Leib, der sich ihnen bis auf wenige Meter genähert hatte.
Als der erste, gelbliche Lichtstrahl das Wesen traf, schlugen ihm bereits Kugeln aus Dillons Waffe entgegen. Noch bevor die anderen dazu kamen, den Stecher ihrer Waffe durch zu ziehen, brüllte das Wesen auf und ergriff die Flucht.
Ehe sich die Anspannung aller gelegt hatte, übertönte ein Schrei, der an einen verschleimten Rachen erinnerte, den sich jemand frei räusperte, das rauschende Adrenalin in ihren Ohren.
Erinnert irgendwie an einen Hund, der mit dem Maul voller Blut knurrt, dachte Dillon.
In diesen seltsamen Laut stiegen andere Stimmen mit ein. Ihr Echo hallte von überall aus den Bergen wieder.
Dillon drehte sich um seine eigene Achse, versuchte einzuordnen, aus welcher Richtung die Laute kamen. Plötzlich spürte er einen Lufthauch in seinem Nacken, drehte sich reflexartig um und sah in zwei verengte, gelbliche Augen.
Er sah es und war gleichzeitig nicht sicher, was er sah. Das Wesen stand auf vier kräftigen Beinen sicher auf dem Geröll. Wie geschaffen für dieses zerklüftete Gelände. Was die Größe des Geschöpfes anging, so hatte er sich geirrt. Das Tier wirkte eher wie eine Art Bergziege.
Auf langen, schlanken, gehuften Beinen und ihm Schein der umher zuckenden Lampen, erkannte Dillon seidiges, braunes Fell und ein Maul gespickt mit scharfen Zähnen, die an eine Wildkatze erinnerten.
Das Tier wirkte wie ein Wolf auf zu lang geratenen Beinen. Es war etwas wie…wie…wie nichts, was er je gesehen hatte!
Der perfekte Jäger der Berge.
Schlagartig traf ihn die Wahrheit dieses Gedankens. Sie würden diesen perfekt angepassten Tieren nie entkommen, wenn diese beabsichtigten, anzugreifen! Der Wolf schnaufte, blies dem Soldaten einen Schwall übelriechendem Atem entgegen. Langsam setze das Tier zum Sprung an und Dillon, der sich zu spät aus seiner Starre löste, wurde hart zu Boden gestoßen. Seine Waffe glitt ihm aus der Hand. Das Adrenalin rauschte weiter unablässig in seinen Ohren. Er hörte einen Schrei! War sich nicht sicher, ob er von einem seiner Freunde oder gar von ihm selbst stammte.
Das Gewicht des Tieres auf seinem Brustkorb wurde zu einer schier unerträglichen Pein! Dann bemerkte er im schwächer werdenden Licht der Taschenlampe, dass sich Kugeln in den massigen Leib des Wesens bohrten. Dennoch schlugen dessen Hufe wie bleierne Gewichte weiter auf seinen Körper ein.
Wieder hörte er einen Schrei, unfähig zu begreifen, dass dieser obskure Laut aus seiner eigenen Kehle stammte. Das Licht der Lampe geriet aus seinem Blickfeld. Wie ein wackeliges Kartenhaus brach die Dunkelheit über ihm zusammen. Er schlug wild um sich, versuchte die Kreatur zu treffen, sie zu verletzen. Jeder seiner Schläge ging ins Leere und der Schmerz, der seinen Körper peinigte, wurde noch stärker. Schüsse, viele Schüsse übertönten dann und wann die Rufe der Tiere, hallten wie Donnergrollen an den Bergwänden wieder. Plötzlich traf einer seiner Fausthiebe weiches Fell! Das Tier war unter dem Kugelregen zusammengebrochen und Dillon rollte sich darunter hervor. Schmerz durchzog seinen Brustkorb, schnürte ihm die Luft fast vollständig ab. Von der Todesangst getrieben, stemmte er sich in die Höhe, nur um mit dem nächsten, unbeholfenen Schritt über einen weiteren Stein zu stolpern und wieder zu fallen. Er schlug härter auf dem Boden auf, als erwartet. Sein Kopf begann zu pochen, bunte Flecken hüpften durch die Finsternis. Mit aller Macht versuchte er, die nahende Ohnmacht nieder zu kämpfe, um sich erneut aufzurichten. Schatten huschten um ihn herum, als wabere die Dunkelheit um den kleinen Schein seiner, in seiner Nähe fallen gelassenen Taschenlampe.
Bleiern schmeckendes Blut rannte aus seinem Mund, während er sich kriechend auf seine Waffe zu bewegte. Geröll rutschte unter seinen zitternden Händen ab und ließ ihn erneut, zu Boden fallen. Blut hustend, rappelte er sich wieder hoch, kroch weiter und streckte seine Finger nach der Waffe aus. Dann traf ihn neuerlich ein Hieb von einer der Bestien und dieses Mal verlor er das Bewusstsein, noch bevor sein Kopf erneut auf die spitzen Steine der zerklüfteten Berglandschaft prallte.

Cady hatte panisch ihre Waffe erhoben, zielte auf die Tiere, welche durch die Dunkelheit huschten.
Überall glaubte sie Bewegungen zu erkennen, die bei so geringer Sicht schier unmöglich waren.
Cady hasste die Dunkelheit. Schon seit sie ein kleines Mädchen war, hatten Träume von Monstern sie heimgesucht. In ihrer Fantasie lebten diese Wesen, welche nur auf sie zu warten schienen, um ihr Angst einzujagen. Wesen bestückt mit messerscharfen Krallen lauerten perfekt getarnt im Dunkeln der Nacht. Wohl wissend, dass diese Monster einfach nur ihrer blühenden Fantasie entsprangen und die Schuld ihres großen Bruders waren, der ihr von klein auf damit Angst gemacht hatte. Doch die Monster ihrer Fantasie waren mit diesen Kreaturen, mit denen sie sich gerade völlig real herumschlagen mussten, nicht zu vergleichen. Dennoch waren es einfache Tiere. Sie dachten nicht, sondern handelten ihren Instinkten entsprechend.
Waren im Gegensatz zu Cadys Traumwesen nicht in der Lage, vernünftig zu denken, geschweige zu handeln. Trotzdem schien es egal, welche Wesen einen tyrannisierten.
Ein Geräusch ließ Cady zusammenzucken, als der Schein ihrer Lampe unerwarteter weise auf eine Gestalt traf. Der Wolfsbock fletschte seine Zähne.
Die Kugeln ihrer 9mm trafen das Wesen hart, ließen es vor Schmerz brüllen und dann verschwand es wieder in der Dunkelheit um sie herum.
Cady richtete die Lampe in alle Richtungen, als wieder mehrere wütende Schrie dieser Wesen durch das Gebirge hallten. Es kam ihr so vor, als verschlinge die Dunkelheit, wie ein gieriges schwarzes Loch, das Licht ihrer Lampe schon nach wenigen Metern. Als könnte das Licht an diesem Ort nicht existieren.
Cady erkannte, wie eine menschliche Gestalt von einem der Tiere mitgerissen wurde. Schreiend ging dieser zu Boden. Doch Cady bekam nicht die Gelegenheit, auf dieses Tier zu reagieren, denn der Schrei von Diego Lewis: "Vorsicht, da ist noch eines!" ließ sie herumwirbeln. Mit einem überraschend gut gezielten Schuss traf ihre Kugel direkt in den Kopf des Wesens. Fetzen roten Fleisches und Blut spritzten über das graue Geröll und ließen das >Ding< wanken und fallen. Es rutschte kurz über den nassen Grund und blieb wenige Meter weiter, außerhalb des Lampenscheins, reglos liegen.
Trotz ihrer Furcht drehte sie sich von dem toten Tier fort und zielte sogleich auf das Nächste. Sie zog den Stecher durch, wieder und wieder und…klack! Ihre Munition war alle! Ungeschickt versuchte sie die letzten Reservepatronen aus ihrer Hosentasche zu ziehen. Ihre Hände zitterten dermaßen, dass ihr die Taschenlampe entglitt. Diese rollte einige Meter nach unten, wo sie in einer Pfütze zum Liegen kam.
Cady schaffte es, die letzten Patronen zu laden und zielte erneut. Durch das Fehlen ihrer Lampe war ihre Sicht jedoch ziemlich eingeschränkt.
Wieder hallten wütende Schreie durch die Nachtluft und wenn man diesen Schreien nach urteilte, kamen wohl immer mehr dieser Tiere auf sie zu. Was immer sie jetzt taten, es müsste schnell gehen!
"Wir müssen hier weg!" drang plötzlich Radek Zelenkas Stimme zu ihr durch. Der Wissenschaftler wedelte mit seiner Lampe und versuchte, die über den Berg zerstreute Truppe, wieder zu einen.
Die Wesen in der Dunkelheit abzuschütteln, erschien dem Tschechen die einzige Option zu sein.
Doch den vielen Schreien nach zu urteilen, waren schon eine Menge Personen verletzt. Sie würden diese Personen zurücklassen müssen und Radek fielen die Worte von Major Lorne wieder ein, welche er auf dem Wraithschiff an ihn gerichtet hatte. Im Nachhinein konnte er die Entscheidung des Soldaten verstehen. Manches Mal musste man Opfer bringen, um die Mehrheit zu retten! Dies erschien ihm auch jetzt als einziger Ausweg.
Doch wie gut mochten diese Tiere wohl im Dunkeln sehen? Wie gut standen ihre Chancen für eine Flucht und für wie lange würde die Munition noch reichen? Eines stand aber zweifelsfrei fest. Ihr Ziel war noch zu weit entfernt, als dass sie die wertvolle Munition an diesen Tieren verschwenden konnten. Sie mussten sparsam mit der Munition sein, also blieb nur noch die Flucht.
Einige der Teammitglieder hatten es bereits zu ihm geschafft. Darunter auch Robin Chin.
"Lauft!" kam ein Schrei von Diego. "Wir halten die hier in Schach! Lauft und versucht, nicht auf die Taschenlampen zurück zu greifen! Vielleicht bemerken sie euch dann nicht!"
Ehe Radek Widerspruch einlegen konnte, packte Cady ihn am Arm und alle begannen zu rennen! Ohne auch nur Umrisse ihrer Umgebung wahrnehmen zu können, stolperten sie nach unten.
Radek lauste gebannt, doch außer den Schüssen hörte er nichts. Wurden sie etwa wirklich nicht verfolgt? Waren die Tiere durch ihre Lampen angelockt worden und eine Flucht in der Dunkelheit ungefährlich? Dieser Gedanke schien so unglaublich, dass Radek ihn nicht weiter verfolgte.
Dann stolperte er. Auch Cady, welche immer noch den Arm des Tschechen umklammert hatte, stürzte mit. Ihre Begleiter hoben sie unsanft wieder auf ihre Füße, zogen und zerrten sie weiter über das unwegsame Gelände. Die Grenze des Berghanges, wieder hinein in den dichten Wald, lag bereits im Schein ihrer Taschenlampen vor ihnen.
Das Gefühl, die anderen in der tiefen Nacht hinter sich zurücklassen zu müssen, zermürbte Radek. Nie hätte er geglaubt, einmal so eine Entscheidung zu treffen! Aber sie durften nicht stehen bleiben! Selbst wenn es den Tod dieser Soldaten bedeuten sollten.

Kapitel 2.
Die ersten Sonnenstrahlen krochen über den Horizont und begrüßten mit ihrem güldenen Schein die vor Erschöpfung zu Boden gesunkene kleine Gruppe, welche den Fuß des Berges endlich erreicht hatte. Zahllose Schnittwunden, Prellungen und blaue Flecken zierten ihre Körper. Deutliche Spuren, welche die nächtliche Dunkelheit und das dichte Unterholz hervorgebracht hatten. Mehr als einmal waren sie gestolpert, hatten sich Steine in das weiche Fleisch gebohrt oder hatten spitze Dornen an Ästen und Sträuchern über ihre Haut gekratzt.
Nach Atem ringend, mussten sie inne halten und einige Minuten verschnaufen.
Keines der Tiere war ihnen gefolgt. Das widerhallende Echo der Schüsse war längst verklungen und Radek hoffte inständig, dass dies ein gutes Zeichen war. Das die fehlenden Mitglieder bald zu ihnen stoßen würden.
"Soll…sollten…sollten wir nicht…weiter" kam es nach Atem ringend von Cady.
Auch Robin Chin, welcher aufgrund des vielen Trainings im Bergsteigen und trotz ihres hektischen Abstiegs kaum außer Atem war, stimmte zu.
"Je länger wir an einem Ort verweilen, desto gefährlicher. Wer weiß, was es hier noch an Tieren gibt."
Radek erhob sich und sog die feuchte Luft noch einmal tief in seine schmerzenden Lungen.
"Wir sollten die anderen über Funk warnen. Wenn diese Geschöpfe den Jumper und die Verletzten finden, dann…" Radek sprach nicht weiter "Das Funkgerät können wir auf diese Distanz vergessen", kam es von Lindsay Seals, die sich um die erschöpften Rebil bemühte.
"Da hat Sie recht", bestätigte auch Chin.
"Das heißt dann wohl im Klartext, wir überlassen unsere Verletzten ihrem Schicksal? Und was ist mit denen, die wir auf dem Berg zurückgelassen haben? Sollen die da oben sterben?"
"Wenn Sie gerne zurückgehen wollen, bitte!" Chin reichte Radek seine Taschenlampe.
"Aber passen Sie auf, im Wald ist es immer noch dunkel", gab er ihm als Ratschlag mit auf den Weg.
"Blödsinn!" mischte sich sogleich Cady ein.
"Ich verstehe ja wie Sie sich fühlen, Dr. Zelenka, aber jetzt umzukehren wäre unsinnig!"
"Vielleicht jagen die Tiere nur Nachts?" spekulierte Henry Lewis. Ein ansonsten sehr ruhiger Soldat, der Radek vor diesem Einsatz nie aufgefallen war.
"Vielleicht ja" gab Radek sarkastisch zurück.
"Es reicht, Doc!" kam es von Chin.
"Wer hat Ihnen das Kommando übertragen!"
Robin hob verblüfft seine dunklen, buschigen Augenbrauen.
"Wollen Sie's etwa haben? Bitte!"
"Hört schon auf!" ging jetzt Lindsay dazwischen. "Euer Gehabe ist wirklich auf Kindergartenniveau."
"Rangmäßig wäre Nelson der Kommandant" Taako Brock deutete auf einen braunblonden Mann, welcher einer Rebil-Frau gerade eine Beinwunde verpflasterte.
"Was?" erkundigte sich Nelson, als sein Name fiel.
"Du hast das Kommando" erklärte Taako kurz und bündig.
"Schön, damit alle einverstanden?" fragte Lindsay lässig in die Runde.
"Ich werde umkehren!" kam es von Philip Mathis, welcher gerade seine Munition checkte.
"Ich lass die Jungs da oben nicht allein."
Chin schüttelte den Kopf. "Sei vernünftig! Allein kannst du nichts ausrichten!"
"Ja, selbst wenn die Tiere weg sind, wie willst du die Verletzten zum Jumper bringen? Wenn das klappen soll, brauchst du Hilfe."
"Und du meldest dich?"
Taako erhob sich. "Ja, ich denke, ich sollte das tun. Diesen Rettungseinsatz schulden wir den anderen einfach."
Taakos Worte fanden breite Zustimmung. Niemand ließ gerne jemanden zurück. Zum Glück erlaubte ihnen die Situation auch dementsprechend zu handeln. Die Sonne kroch zentimeterweise über den Horizont und im Hellen hatten sie einen Angriffsvorteil. Sie würden die Tiere einfach überraschen.
"Also dann…"
Ein Rascheln!
Ruckartig war die Gruppe versummt und die Mündungen sämtlicher Waffen zweigten in Richtung Wald.
Wieder raschelte Buschwerk im Unterholz. Zweige brachen hörbar, als sich jemand oder etwas, Durchgang verschaffte.
Gespannt hielten alle den Atem an. Bereit, bei Gefahr sofort die Flucht zu ergreifen.
"Nicht schießen!" rief eine bekannte Stimme.
Diego schleppte sich mit einigen Verwundeten auf die Lichtung.
"Diego!" rief Lindsay erfreut und alle eilten zu den noch vor wenigen Sekunden todgeglaubten Kameraden.
"Wir haben einige Verletzte", brachte er mit schwach klingender Stimme hervor.
Nelson legte seinem Freund die Hand auf die Schulter.
"Gut gemacht, Diego", lobte er.
"Wie viele haben es nicht geschafft?" fragte Radek nach, der die Gruppe Verwundeter kurz überblickte.
Diego nahm einen Schluck Wasser und gab die Flasche dann an Lindsay zurück.
"Dillon, er…diese Biester haben ihn umgebracht. Sein Kopf…sein ganzer Brustkorb war zertrümmert. Ich…wir konnten nichts mehr für Ihn…" wieder brach seine Stimme ab.
"Schon gut" versuchte Nelson die Lage zu beruhigen.
"Aber…diese Biester…" begann Diego und holte geräuschvoll Luft.
"Diese Tiere verschwanden, als die Taschenlampen aus waren. Ich weiß nicht genau, aber ich denke das plötzliche Licht hat sie aggressiv gemacht."
"Schon möglich. Menschen sind in den Bergen bestimmt selten. Vielleicht sind wir auch nur durch ihr Revier gegangen und sie wollten sich nur verteidigen".
"Dillon ist tot und diese Viecher sind schuld daran!" schnauzte Diego.
Schweigen legte sich über die Lichtung.
Die Rebil versorgten die Verletzten.
Dr. Barned erhob sich, als er Diegos Bein verbunden hatte.
"So können wir nicht weiter", meinte er nachdenklich.
"Wie meinen Sie das?" hakte Radeck nach.
"Na mit den Verletzten. Es wird dauern, sie soweit zu versorgen, bis sie es zum Tor schaffen. Wenn unser Zeitplan nicht so eng wäre, dann…" Dimitri beendete den Satz nicht. Alle wussten, worauf er aus war und alle gaben ihm, im Stillen, Recht.
"Schon gut", kam es schwach von Diego. "Wir haben Waffen und kommen auch allein zurecht."
Nelson überlegte. Jetzt war es an ihm, die Entscheidungen zu treffen, und er wollte auf keinen Fall die Verletzten sich selbst überlassen.
Er blickte kurz in die Runde. Die Rebil waren allesamt damit beschäftigt, die zum Teil schwer verletzten Nachzügler zu versorgen. Nein, ein Marsch zum Tor mit all den Verletzten war ausgeschlossen. Ein Wunder, dass sie es überhaupt den Berg herab geschafft hatten.
"Nelson?" fragte Lindsay.
Der Angesprochene nickte. "Hickey, Mathis, Sie bleiben hier bei unseren Verletzten. Ich würde auch einen der Rebil-Ärzte bitten, hier zu verweilen. Wir schicken so schnell es geht Verstärkung, die euch alle hier rausholt."
Taako und Phil stimmten ohne lange Worte zu und auch ein freiwilliger Rebil war schnell gefunden.
"Wir melden uns über Funk, wenn wir das Tor gefunden haben." Toby Nelson verschnürte einen Medizinrucksack und schwang ihn sich über die Schulter.
"Geht klar", meinte Diego und hob den Daumen nach oben. "Wir warten hier."
"Falls wir nicht zurückkommen…"
"Das ist keine Option" warf Taako ein.
"Ich sagte ja nur, falls."
"Schon klar, Boss. Dann schleppen wir uns den Berg wieder rauf zu den anderen, reparieren den Jumper und retten selbst die Welt."
"Genau", Nelson schmunzelte.
Radek, dem der Scherz in dieser Aussage nicht entgangen war, hoffte dass es nicht zu einer derartigen Situation kommen würde. Selbst er hätte den Jumper nie wieder flugfähig bekommen, geschweige denn die technisch unqualifizierten Soldaten.
Mit einem letzten, besorgten Blick auf die Verletzten wandte sich Nelson zum Gehen.
"Wir rücken ab" und alle folgten ihm. Wieder hinein in den Wald.

Nebelfetzen krochen wie Geister durch die Bäume. Als wären sie kondensierte Luft aus dem dunklen Maul einer riesigen Bestie.
Bisher hatte Dillon die Truppe angeführt und seinem rationalen Verstand verdankten sie bis hierher ihr Leben. Ein ungeheurer Schmerz durchzog Toby Nelsons Herz, wenn er an den verstorbenen Freund dachte. Sie hatten sich lange gekannt. Waren bereits zusammen in der Ausbildung gewesen. Einem glücklichen Zufall verdankten sie beide ihre Stelle in Atlantis. Nelson musste unweigerlich daran denken, wie glücklich und stolz Dillon über die Auswahl war. Wie hatte er sich gefreut, als sein Name auf der Liste gestanden hatte.
Jetzt war er tot. Zurück blieben ungeweinte Tränen und eine Vielzahl an Bildern und lebhaften Erinnerungen.
"Sir?"
Nelson reagierte nicht.
"Nelson?"
"Was?" Toby schrak aus seinen Erinnerungen auf. Sich für dieses Verhalten ohrfeigend, blickte er sich um. Er sollte nicht in Erinnerungen schwelgen. Nicht jetzt! Hier war es viel zu gefährlich, als dass er es sich hätte leisten dürfen, auch nur eine Minute unachtsam zu sein. Schließlich war er jetzt für das Leben aller, verantwortlich.
"Riechen Sie das?" fragte der Soldat nach.
"Ich war's nicht" kam es sogleich von Robin.
"Sehr lustig" maulte Radek, der aber nichts riechen konnte.
"Nein", gab auch Nelson zu. "Was riechen Sie denn?"
"Ich finde" und er schnüffelte noch einmal in die feuchte Luft. "Es riecht verbrannt."
"Kann ich nicht behaupten" kam es von Cady und auch die anderen hoben ihre Nasen in den Wind.
"Verbrannt wäre aber ein gutes Zeichen", argumentierte Nelson.
"Ja stimmt", warf Radek ein. "Das Dorf, es hat ja gebrannt".
"Na dann, Spürnase voraus." Nelson deutete dem jungen Soldaten, an ihm vorbei zu treten und die Führung zu übernehmen.

Mit jedem Schritt wurde der Brandgeruch penetranter, raubte der kleinen Gruppe fast den Atem. Hustend kamen sie bei den Überresten des verbrannten Dorfes an.
Reste eingestürzter Wohnhäuser und umgestürzter Bäume erschwerten das Durchkommen. Teilweise lagen Tierkadaver in den Ruinen und schwängerten den ätzenden Brand- und Rauchgeruch mit dem süßlichen Geruch von Verwesung, der alle würgen ließ.
Wieder einmal wurde die blanke Gewalt der Wraith, die hinter diesem Angriff gesteckt hatte, in aller Deutlichkeit sichtbar. Nichts und niemand war verschont worden. Selbst wenn es Überlebende des Dorfes gab, welche in die Wälder hatten flüchten können, so war nichts mehr da, zu dem diese Leute hätten zurückkehren können. Eine weitere Zivilisation ausgelöscht.
Niemand sprach ein Wort, als sie ihren Weg zum Stargate vorsetzten. Es gab keine Worte, mit denen man dieses Gewaltszenario hätte beschreiben können. Nichts schien der Situation gerecht zu werden.
So schwiegen sie alle. Weit weniger froh darüber, das Stargate endlich gefunden zu haben, lastete der Tod dieses Ortes genauso schwer auf ihnen, wie der Tod ihrer Kameraden, welche während dieser Mission bereits gefallen waren.
Radek konnte sich nach alldem, was er miterleben musste, langsam vorstellen, wie die Rebil sich fühlen mussten. Dem Tod so vieler Bekannten und Freunde beiwohnen zu müssen, war Strafe für ein ganzes Leben. Und auch Radek war sich bewusst, dass diese Mission Spuren an ihm hinterlassen hatte. Ja, diese Erlebnisse hatten ihn geändert. Stärker, als er es je für möglich gehalten hätte. Nie wieder würde er sein Leben, die Anwesenheit seiner Freunde und Familie als selbstverständlich erachten, wie er es stets zu tun gepflegt hatte. Nichts war so kostbar, als dass es nicht im Alltagstrott nach und nach seine Bedeutung und Achtung verlöre. Doch hier und jetzt schwor er sich, dies alles nie wieder zu vergessen.
In Gedanken verloren beobachtete Radek, wie Dr. Barned das Tor anwählte und sich der schimmernde Ereignishorizont bildete.
Wie lange war es her, dass er diesem Ereignis das erste Mal beigewohnt hatte? Er wusste es nicht mehr genau. Mittlerweile war dieses Schauspiel täglich Brot und seine Erfurcht vor dieser hochentwickelten Technologie war nach und nach verschwunden. Ein weiteres >Opfer< des Alltags. Warum vermochte man so etwas immer erst dann zu sehen, wenn etwas Außergewöhnliches passierte? Etwas, dass den Alltag aus der Bahn brachte? Radeks Fragen blieben unbeantwortet auf dem Planeten zurück, als er mit den anderen durch das Tor trat. Gespannt auf das, was ihnen noch bevorstehen möge, und hoffend, dass alles endlich gut werden würde, verschwammen seine Gedanken. Sein Körper löste sich auf, entschwand in der Unendlichkeit und als sich das Licht vor seinen Augen auflöste, blickte er in eine tote Welt.

Kapitel 3.
Ein schrecklicher Gestank lag in der Luft. So penetrant und übelriechend, dass Radek schlecht wurde. Den abscheulichen Geschmack der Galle hinunterwürgend, atmete Radek durch den Mund aus und ein, um seinen aufgewühlten Magen zu beruhigen.
Die Waffen erhoben, hatten sich die Soldaten bereits auf den kleinen Marktplatz hinausbegeben und beäugten misstrauisch die Umgebung. Eine kühle Brise spielte mit Radeks Haar und ließ die abendliche Schwüle erträglich erscheinen. Die Sonne stand bereits sehr tief und mehr als 2, vielleicht 3 Stunden würde sie ihnen kein Licht spenden. Wenn die Dämmerung einsetzte und die Nacht sie einholen würde, wäre ihr Mission noch gefährlicher. Radek flucht leise.
Langsam setzte sich der Trupp in Bewegung, tauchten durch die langgezogenen Schatten der kleinen Blockhütten, folgten dem schmalen, sauber gepflasterten Weg, welcher sich durch den Vorort hinaus zu den hohen Fabrikgebäuden schlängelte.
Dr. Barned hatte die Führung übernommen und marschierte zielstrebig auf sein ehemaliges Krankenhaus zu.
Der Weg bog an einem großen, im Wind mit dem Blättern raschelnden Baum vorbei nach links ab.
Unweit der Biegung lag die schlaffe Gestalt einer Frau. Das Haar noch ordentlich hochgesteckt, lag sie in einer Lache aus geronnenem Blut. Die weiße Bluse war aus dem Bund des dunkelbraunen, halblangen Rockes gerutscht und offenbarte beim Näherkommen zerfetztes Fleisch und rötlich schimmernde Muskelstränge.
Radek schlug seine Hand vor Mund und Nase. Schnell schritt er an dem geschundenen Opfer vorbei. So sehr er sich auch bemühte, seinen Blick von der toten Frau zu lassen, fing dieses Szenario sein Interesse doch geradezu magnetisch ein. Der Oberkörper der jungen Frau war…angefressen. Radek viel kein anderes Wort dafür ein. Die hoch gerutschte Bluse offenbarte hell hervortretende Wirbelkörper des unteren Wirbelsäulenbereichs. Weiß glänzende Rippen stachen aus dem blutig roten Überresten des Brustkorbes heraus und verschwanden in Geweberesten und letzten Fetzen des weißen Kleidungsstückes.
Dieses Szenario war so unreal! Radeks Gehirn hatte größte Schwierigkeiten damit, das Gesehene einzuordnen. Es zu begreifen. Zombies! Dieses Wort schrillte ohne Unterlass durch Radeks Gedanken.

Der Weg führte neuerlich auf einen kleinen Platz und von alter Gewohnheit her getrieben, lenkte Dimitri seine Schritte nach Westen. Gleich würden sie an dem keinen Krämerladen vorbeikommen, in dem er gewöhnlich immer einzukaufen gepflegt hatte. Das Leben, wie es hier einst war, flimmerte wie ein Film vor Dimitris Augen. Als wäre es erst gestern gewesen, dass Tod und Verzweiflung die Stadt in blutrote Stille getaucht hatten. Fast erwartete Dimitri die Krämersfrau das Trottoir vor ihrem Laden fegen zu sehen. So, wie sie es jeden Abend zu tun gepflegt hatte. Ihr Mann trug derweil die halbleeren Obstkisten zurück ins Lager und schenkte Dimitri an so manchem Tag noch einen Apfel für den Heimweg. Doch niemand stand heute vor dem Laden. Heute nicht, Morgen ebenso wenig…
Die Krämerin und ihr Gatte waren längst Tod oder irrten als halbverweste Gestalten durch die leeren Straßen der Stadt.
Dimitris Herz schmerzte bei diesen Gedanken.

Durch die fast perfekte Stille hallte ein seltsames Geräusch. Alarmiert und angespannt blieb die Gruppe stehen. Sie alle lauschten und blickten suchend in alle Richtungen. Ein tiefes, kehliges Stöhnen erklang. Radek wirbelte um seine eigene Achse und blickte in den Schatten, welcher die Gasse zwischen zwei Blockhütten ausfüllte. Schlurfende Schritte näherten sich. Eine Woge stinkender Luft schlug Radek entgegen und mit vor Angst hämmerndem Herzschlag richtete er seine Waffe auf das, was da auch kommen möge.
Ein muskulöser Mann trat aus dem Schatten in den Schein der Abendsonne heraus. Sein Hemd war blutbefleckt. Ebenso wie seine Hände. Das zerfurchte, teigige Gesicht des Mannes war bereits von den ersten Anzeichen der Verwesung befallen und seine milchigen Augen waren stur auf Radek gerichtet. Blut und Speichel rannen aus seinem, zum Stöhnen geöffneten Mund, tropften über die spröden, geborstenen Lippen zu Boden. Hinter der männlichen Gestalt stolperten zwei weitere halbtote Personen aus dem Schatten. Ein Mann und eine ältere Dame. Die Gestalten hoben ihre bleichen Hände und kamen mit hungrigem Stöhnen auf Radek zu.
Ein weiteres dieser Zombiewesen trat aus einer geöffneten Tür, einer offensichtlich früheren Kneipe, welche auf der anderen Straßenseite lag, heraus.
Auch von vorne näherten sich zwei weitere Gestalten. Ein junger Mann und ein älterer Herr. Wie Dimitri und der Rest der Rebil, war auch er in weiß gekleidet. Ein Ausweis baumelte an einer Schnur, welche er um den Hals trug. Dieser Mann hatte früher eindeutig zum Krankenhauspersonal gehört. Dimitri vermochte sich jedoch nicht an ihn zu erinnern. Nicht, dass er alle Angestellten persönlich gekannt hätte, aber zumindest die meisten seiner Kollegen.
Nelson zielte auf die beiden Gestalten. "Keinen Schritt weiter!", rief er mit fester, befehlender Stimme. Doch die beiden Männer nahmen keine Notiz davon. Schienen blind zu sein für die auf sie gerichteten Waffen. Der ältere Mann stimmte ein Wimmern an, was aus allen Richtungen erwidert wurde. Immer mehr dieser Zombies kamen aus dem Schatten getorkelt.
Dann viel der erste Schuss, traf den älteren Mann in den Oberkörper und ließen ihn kurz wanken. Doch das Loch in seinem Körper störte den Herrn nicht. Ohne Schmerz zu empfinden, schlurfte er weiter vorwärts.
Von dem ersten Schreck erholt, schossen nun alle auf die ständig näherkommende Bedrohung, versuchten die blutenden Leiber zu Boden zu schicken. Doch nichts schien sie verlangsamen zu können. Unaufhörlich näherten sie sich.
Radek, der damit beschäftigt war, den muskulösen Typen auf Abstand zu halten, wich einige Schritte zurück, als der stinkende Kadaver weiter auf ihn zu marschierte. Polternd fiel der leere Clip seiner 9mm aufs Pflaster. Ungeschickt fischte Radek in seiner Hosentasche nach dem Ersatz. Die Augen immer wieder auf den näherkommenden Mann richtend, rammte er den neuen Clip in die Pistole und feuerte auf den, nur noch zwei Schritte entfernten Mann. Seine Hände zitterten dermaßen, dass ihm ein genaues Zielen unmöglich war. Eine leise Stimme irgendwo in seinem Inneren mahnte ihn, auf die Köpfe der Personen zu zielen. So wie in den zahllosen Zombiefilmen, die er in seiner Jugend mit seinem Bruder heimlich bis spät in die Nacht geschaut hatte. Doch sein rationaler Verstand versuchte ihm immer noch einzureden, dass Zombies gar nicht existierten. Es war ein verdammter Traum! Gleichzeitig wusste Radek, dass er bald sterben würde, wenn er die Zombies nicht endlich als real akzeptierte. Er würde sterben. Bei lebendigen Leibe gefressen werden. Zurück würde nur eine verstümmelte Leiche bleiben, wie im Falle der jungen Frau vorhin.
Radek feuerte erneut auf den näherkommenden Mann. Dieser zuckte kurz zusammen, erhob sich aber schnell wieder und mit ausgestreckten Armen näherte er sich Radek. Gierend nach der einen Quelle, die seinen Hunger zu stillen vermöge.
"Rückzug" übertönte ein Schrei das Rauschen, welches das Blut in Radeks Kopf in seinen Ohren verursachte.
"Lauft zu dem großen, gelben Gebäude" rief Dr. Barned über den Lärm der Waffen hinweg. Radek wich aus, stolperte noch einige Schritte von den Zombies fort und späte den von Häusern gesäumten Pfad hinab. Ein gelb gestrichener Gebäudekomplex ragte dort in die Abenddämmerung, wirkte in seiner Größe geradezu einladend und sicher.
"Lauft!" drang noch einmal die Aufforderung an Radeks Ohr. Dann ließ er die Waffe sinken und sprintete los, rannte mit den Rebil und den Soldaten zusammen über den hier und da mit Blut besudelten Weg.
Das Gebäude vor ihnen wuchs mit jedem Schritt. Die Sicherheit schien zum Greifen nahe.
Dann, nur wenige Meter vor ihrem Ziel, endete ihr Lauf abrupt.
Untote bildeten eine Mauer, wie es die Mannschaften auf einem Fußballfeld zu tun pflegten, wenn ein Freistoß anstand.
Nelson überblickte die Situation kurz. Sie konnten weder vor, noch zurück. Sich in den Schatten der engstehenden Häuser zu begeben, erschien ihm unklug. Doch gab es einen anderen Fluchtweg?
Für einige Sekunden standen die Zombies reglos da. Doch dann begannen sie zu laufen! Kamen überraschend schnell auf ihre Beute zugestürmt!
Wieder verstrichen kostbare Sekunden, bis die Soldaten den Ernst der Lage begriffen. Nelson, welcher die Truppe noch immer anführte, packte die ihm am nächsten stehende Person und zock sie mit sich.
"Hier lang!" schrie er und sie stürmten auf eine der Blockhütten zu.
Nelson riss blindlings die Tür auf. Ohne sich groß umzusehen, stürmte er mit Dimitri, welchen er immer noch mit festem Griff gepackt hatte, in das Innere des Hauses.
Zusammen mit Cady rammte er sein ganzes Gewicht gegen die Holztür und verriegelte diese. Für einen kurzen Moment in Sicherheit verschnauften alle. Doch schon trommelten die ersten Faustschläge gegen die Tür. Ließen die Leute darin zusammen zucken. Immer mehr Hände stimmten in das Getrommel ein. Dann pressten sich die ersten Gesichter gegen die Fensterscheiben.
Lange würde die Sicherheit dieses Gebäudes nicht mehr aushalten und dann waren sie gefangen.
Auch wenn es ihren einzigen Ausweg dargestellt hatte, wurde ihnen die Wahrheit unangenehm schnell bewusst. Es gab aus diesem Haus kein Entkommen! Sie saßen in der Falle…

Kapitel 4.
Sie saßen in der Falle!
Das schlichte Holzhaus war nicht besonders groß. Ein einzelner, großer Raum in dem sich neben einer Kochstelle nur noch Tisch und Stühle befanden. Eine schmale Treppe bot den Aufstieg zum ehemaligen Schlafzimmer.
Geronnenes Blut klebte überall auf Tisch und Boden. Faulige Essensreste zierten Teller und Töpfe auf der kleinen Küche. Fliegen krochen über die stinkenden braunen Klumpen, die einst etwas Essbares gewesen sein mussten. Der penetrante Gestank, das stetige Trommeln der Fäuste an Tür und Fenstern… Panik beherrschte Radeks Gedanken. Lange würde ihnen dieses Haus keinen Schutz mehr bieten und dann… Radek wollte nicht weiter denken.
Immer mehr blutverschmierte Hände schlugen gegen die Fenster. Stumme, geschundene Fratzen pressten sich gegen die Scheiben. Schielten mit ihren leeren Augen auf die Beute im Inneren. Erfüllt von einem unwiderstehlichen Drang, den sie zu stillen versuchten.
Radek nahm seine Umgebung nicht mehr bewusst war. Etwas packte ihn am Arm, doch er registrierte es kaum. Sein Blick hing auf der maskenhaften Fratze, einer einst bestimmt schönen Frau, welche in dem Gedränge draußen ihre zerfetzte Backe gegen das Glas drückte.
Starke Hände schoben Radek fort, drückten ihn die Treppe hinauf.
"Wir verschanzen uns hier!", rief eine Stimme, deren Bedeutung doch nie ganz in Radeks Geist ankam. Alles war so unwirklich. So irreal, dass Radek momentan fest davon überzeugt war, dass er dieses Schreckenszenario nur träumte.
Gefangen in diesem Schock bekam er nur am Rande mit, wie die Betten der einst vierköpfigen Familie vor den Treppenansatz geschoben wurden. Wie sich die Soldaten mit ihren noch verbleibenden Kugeln und den letzten Magazinen in Stellung begaben.
Erst als die Glasscheiben im Untergeschoss dem ständigen Trommeln mit lautem Klirren nachgaben, kehrten auch Radeks Gedanken mit einem Schlag in die Gegenwart zurück, ließen ihn vor Endsetzen nach Luft schnappen, als die Wirklichkeit wie eine Welle über ihm zusammenbrach.
Der klare Gedanke an den nahenden Tod war wieder zurückgekehrt.
Tonlos, fast ohne jedes Geräusch verschafften sich die unliebsamen Gäste Zugang. Ein toter Körper nach dem anderen stolperte durch die zerbrochenen Fenster in den Wohnbereich, schnitten sich an den Splittern und verteilten rote Spritzer auf dem staubigen Holzboden. Gierig führte sie ihr Weg die Treppenstufen nach oben. Schritt für Schritt knarrten die Treppen.
Angespannte Stille in die zitternd die Läufe der Waffen gerichtet waren. Die Angst in den Gesichtern der Soldaten, als die ersten Kreaturen die Blockade erreichten…

Ihre Mission hatte die letzte Aussicht auf Rettung bedeutet. Ihre Suche nach einem Gegenmittel hatte sie bis hierher gebracht und doch, von hier aus schien kein Weiterkommen.
Sie waren doch nur gekommen, um Atlantis vor dem Schicksal zu bewahren, welches diesen Planeten heimgesucht hatte. Wohl wissend, dass in der verbleibenden Zeit nur noch hier, hier auf dieser Welt in welcher das Ganze seinen Anfang genommen hatte, eine Aussicht auf Erfolg lag.
Radek konnte sich in Gedanken das Labor vorstellen, in dem Dr. Barnets Forschung stattgefunden hatte. Die ganzen Regale voll gefüllt mit Reagenzgläsern, in denen das Antivirus lagerte. Als könne er in Gedanken die Hand ausstrecken und ihrer aller Rettung greifen…

Die ersten Schüsse fielen. Kugel um Kugel schlugen die Geschosse in die geschundenen Leiber, ließen die ersten Gestalten zu Boden gehen. Doch der zähfließende Strom an Zombies nahm kein Ende. Die, die zu Boden gegangen waren, wurden von den Nachfolgenden überrannt. Die Masse aus Körpern stemmte sich gegen die Barrikade. Sie schoben die Holzbetten Zentimeterweise beiseite. Trotz des auf sie einprasselnden Kugelregens näherten sie sich ungeniert.
Dann war es mit einem Mal still.
Die Waffen schwiegen…
Jetzt konnte sie nichts mehr retten…
Nur noch das schabende Geräusch von Holz das über Holz schliff war zu hören. Dann gab die Barrikade nach, gab den Weg frei.
Alles war so schnell gegangen.
Mit dem Wissen, dass dies hier das Ende war, ließen die Soldaten ihre Köpfe hängen, dachten alle ein letztes Mal zurück an die Freunde, an die Stadt, an all die Leben die sie nicht würden retten können.
Die Gedanken brachen ab und wie auf ein stilles Kommando hin, stürmten die Zombies los.

"Auf die Köpfe zielen!" hallte schwach eine Stimme durch die Gassen. Ein Ruf, gerade laut genug, um das Dröhnen der Waffen zu übertönen.
Ein Schuss, ein Treffer oder sie besiegelten ihren eigenen Untergang. Wenn ihnen das Durchbrechen nicht gelang, hatten sie ihr eigenes Grab geschaufelt.
"Nicht nachlassen!" rief die Stimme erneut, versuchte aufbauend und optimistisch zu klingen, um die Gruppe unablässig voranzutreiben.
"Granate!" brüllte eine weitere Stimme und schon kurz darauf regnete es Geröllsplitter der Explosion.
"Weiter, weiter!"
Die von der Explosion stark beeinträchtigten Kreaturen boten keine weitere Gefahr. Doch ihr Ziel lag noch so weit. Wie viele dieser Horrorgestalten lauerten wohl noch? Wenn wirklich der ganze Planet betroffen war, stand einer handvoll Männer eine Armee von Zombies gegenüber. Ein Kräfteungleichgewicht, das nicht auszugleichen war.
"Kommandant!" Farell Hakon blickte über seine Schulter auf einen seiner Offiziere. Sorgenfalten hatten dessen Gesicht zerfurcht und mit zitterndem Finger wies er auf einen bewachsenen Hügel, welcher unweit ihrer Position zwischen den Häusern lag. Eine weitere Armada an Untoten schlurfte von dort auf die Straße zu.
"Wenn wir noch länger hier bleiben, werden wir überrannt!" warnte Wenzel besorgt.
Noch bevor Farell antworten konnte, drang ein vertrautes und doch unbekanntes Geräusch, getragen vom lauen Sommerwind, an sein Ohr. Es klang wie Waffenfeuer. Doch aus keiner ihm bekannten Waffe. Der Ton war anders, irgendwie dumpfer. Keine der Standardwaffen der tavanaischen Armee.
Waren dies Überlebende? Fremde? Farell fand keine Antwort darauf. Doch wenn noch jemand hier war, so konnte er ihnen nicht feindlicher gesinnt sein, als es die Eingeborenen der einst so friedlichen Welt jetzt waren.
"Rückzug!" rief der Kommandant und seine Truppen reagierten sofort.
"Männer hier lang!" forderte Farell und erntete einen verwunderten Blick von Wenzel Fan.

Bereits seit ihrer Ausbildung waren sie beide ein Team. Wenzel hatte nie einen ihm gegebenen Befehl angezweifelt oder gar verweigert. Doch in diesem Moment vermochte er den Sinn von Farells Befehl nicht zu begreifen. Ihr Ziel lag vor ihnen. Warum sollten sie sich der Gefahr aussetzen, in den Häuserschatten zu fliehen? Nicht wissend, was dort im Halbdunkeln alles lauern konnte? Und doch folgte er seinem Kommandanten und alten Freund, welcher den geraden Weg verließ und durch die Häuser eilte.
Die Waffen immer bereit, landete die kampferprobte Truppe auf einer weiteren Straße. Doch obwohl sich diese Gasse von der anderen im Allgemeinen nicht unterschied, war hier doch etwas anders. Patronenhülsen lagen verteilt in den Ritzen der Pflastersteine und erlegte Kreaturen vergossen ihr stinkendes Blut über das dreckige Grau der Straße.
Ja, hier hatte ein Kampf stattgefunden. Doch welcher?
"Kommandant?" fragend hob ein junger Soldat eine der Hülsen auf. "Das ist kein Geschoss aus unseren Waffen."
"Ich glaubte fremdes Waffenfeuer zu hören." Farell blickte sich suchend um. Niemand war zu sehen. Dann, erneut Schüsse. Die Soldaten hoben ihre Waffen, doch Farell winkte ab. Wo immer sich die fremden Soldaten verschanzt hatten, eine Gefahr würden sie wohl nicht darstellen.
"Kommandant!" kam es besorgt von Wenzel. "Die Kreaturen werden uns bald eingeholt haben. Wir sollten unser Ziel nicht aus den Augen verlieren!"
Wenzel mochte Recht haben, doch Farells Neugierde war größer. Hier gab es Überlebende, die sich auf die gleiche effiziente Art wehren konnten, wie die tavanaische Armee und eben diese Leute interessierten ihn.
"Weiter", befahl er und die Soldaten folgten ihm.
Nach einem kurzen Lauf erregte ein Haus, welches in der Monotonie dieser Straßen etwas aus der Reihe tanzte, seine Aufmerksamkeit. Zerbrochene Fenster, ramponiertes Holz und die Eingangstür war aus den Angeln gebrochen. Als hätte jemand oder etwas versucht, sich gewaltsam Einlass zu verschaffen. Von dieser Tatsache her angelockt, trat Farell leise näher an das Haus heran. Dass Szenario, welches sich in dessen Inneren bot, ließ Farell wieder zurückweichen. Zahllose dieser Kreaturen schoben und drängten sich, eine schmale Holztreppe nach oben.
Also ob dort etwas wäre, was sie unbedingt haben wollten, musste der Kommandant denken.
"Sir", flüsterte Wenzel besorgt. "Wir sollten…" Weiter kam der Offizier nicht. Farell gebot ihm mit erhobener Hand, still zu sein. Dann wandte er sich an seine Männer.
"Die fremden Soldaten sind dort oben. Wahrscheinlich haben sie keine Munition mehr. Ich finde, wir sollten sie ein wenig unterstützen."
Gemurmel wurde in der Gruppe laut.
"Wir wissen nicht einmal, ob dort noch jemand am Leben ist. Auch unsere Munition ist nicht unbegrenzt. Wir sollten für Fremde nicht so viel riskieren."
Farell hob fragend die Augenbrauen.
"Das ist wirklich ihre Meinung?"
Wenzel blickte sich besorgt um. "Wir sind nicht mehr lange sicher hier."
Gut, Wenzel hatte Recht. Dieser Tatsache war nichts entgegenzusetzen und doch schien die Flucht in Farells Augen wie Verrat an Kameraden. Wie etwas, dass Unrecht war.
"Wir haben die Pflicht zu helfen", meinte Farell ruhig. "Ob das jetzt Leute unserer Welt oder Soldaten einer anderen sind. Diese Menschen sind hier, weil sie das gleiche Ziel verfolgen. Heilung für diese schreckliche Krankheit. Wenn wir uns jetzt abwenden, stirbt eine weitere Zivilisation aus. Ich für meinen Teil möchte eine derartige Schuld nicht auf mich laden."
Farells Worte waren klar und deutlich. Voller Zuversicht und sie schienen ihr Ziel nicht zu verfehlen. Die Soldaten nickten einstimmig.
Farell erkannte aus den Augenwinkeln die ersten, schlurfenden Kreaturen aus dem Häuserschatten wanken. Jetzt hieß es >alles oder nichts Der Kommandant zog zwei Granaten. Eine davon reichte er an Wenzel weiter.
"Ich werfe diese nach hinten, Wenzel, sie werfen ihre Richtung Treppe. Männer, Einheit 1 übernimmt die Monster, welche uns über die Straße erreichen. Einheit 2, zielen Sie auf die Untoten im Gebäude."
Farell wartete kurz die Zustimmung ab. Dann gingen alle wie befohlen in Stellung.
"Anlegen!" kam Farells Kommando. Die Kreaturen kamen näher und näher.
Noch ein Stück, noch ein Stück.
"Alles oder nichts, FEUER!"

Kapitel 5.
Eine Explosion riss die Kreaturen von ihren Beinen, schleuderte sie mit einem gewaltigen Tosen gegen die Wände. Ihre verwesenden Körper gaben unter dem Druck nach, wurden davon förmlich zerfetzt und verteilten klebriges Blut und Hautfetzen über den Boden.
Trotz fehlender Gliedmaßen und verbrannter Haut richteten sich die Zombies erneut auf, schielten mit ihren toten Augen in Richtung der Soldaten und reckten ihnen gierig greifende, blutige und verstümmelte Finger entgegen.

Noch bevor einer der Soldaten hatte begreifen können, was eben geschehen war, fielen die ersten Schüsse.
Erleichtert huschte das Wort >Verstärkung< durch Nelsons Geist und von neuem Mut getrieben, lies er seine leere Waffe fallen und stürmte auf den Zombie zu, der nur noch wenige Schritte von ihm entfernt stand. Motiviert von dem ständigen Widerhall der Schüsse draußen auf der Straße, holte Nelson aus und trat mit aller Wucht gegen den Schädel des wankenden Untoten. Mit einem schmatzenden Geräusch gab die bereits von Verwesung befallene Haut des Zombies nach, löste sich in einer Fontäne roten Blutes von den Wangenknochen, als die Schuhsohle des schweren Stiefels darüber glitt. Ein übelriechender Gestank schlug Nelson entgegen und als der Zombie durch die Wucht des Schlages nach hinten viel, konnte man kleine weiße Maden erkennen, welche sich in dem dunklen Fleisch wanden. Von Ekel verfüllt, wandte Nelson seinen Blick ab. Die nächste Kreatur hatte die kleine Gruppe erreicht und ebenfalls neu motiviert kämpfte sich der Rest ihres Teams durch die stinkende Horde Monster.
Nur Radek und einige der Rebil-Ärzte hatten ihre Starre noch nicht überwunden. Dass der Zufall ihnen Hilfe geschickt hatte, vermochten sie noch nicht zu realisieren. Erst als ein stinkender Kadaver auf Radek zukam, hob er wie in Trance seine Waffe. Er hatte noch nicht einen Schuss daraus verbraucht. Er war zu aufgebracht gewesen, um zu reagieren. Es war zu hektisch und alles viel zu schnell gegangen. Er war doch nur Wissenschaftler und kein Soldat. Doch jetzt, als er das Gewicht seiner Waffe zum ersten Mal bewusst in seinen Händen spürte, glaubte er sich in der Lage, diesem Alptraum endlich Einhalt zu gebieten.
Er drückte ab. Fast hätte ihm der Rückstoß die Waffe aus den zitternden Fingern gerissen, doch der Schuss hatte gesessen, zerfetzte der Kreatur einen Teil des Kopfes und in einem sinkenden Regen von Blut und Knochensplittern ging das Wesen zu Boden.
Der Schuss hatte Nelson überrascht. Alle richteten ihren Blick auf Radek, der ungläubig über das, was er soeben getan hatte, auf die blutenden Überreste des einst menschlichen Schädels blickte. Doch der tschechische Wissenschaftler fing sich überraschend schnell wieder, richtete seine Waffe auf einen weiteren Zombie und schoss erneut. Wieder traf die Kugel auf matschiges Fleisch und bohrte ein klaffendes Loch in die Stirn des Zombies. Tonlos fiel dieser zu Boden.

Endlich hatte Radek die Situation im Griff. Sein Gehirn hatte die Eindrücke und Erlebnisse größtenteils verarbeitet und obwohl die Angst ihn noch um Luft ringen ließ, war er nun in der Lage wieder bewusst zu handeln. Egal wie groß seine Angst auch war, er würde ihr widerstehen.

"Wenn Sie das Gefühl haben, hier sein zu müssen, dann akzeptiere ich das. Da unten sind Sie für ihr Leben selbst verantwortlich."

Deutlich erinnerte sich Radek an die Worte des Majors. Wenn Evan Lorne nur wüsste, wie viel Kraft ihm die Erinnerung daran verlieh, vielleicht wäre er stolz auf Radek gewesen. Stolz wie er es stets auf die Soldaten war, welche ohne über ihr eigenes Wohl nachzudenken dieser Selbstmordmission zugestimmt hatten. Radek erinnerte sich an das feuchte Glitzern in den Augen des jungen Majors, als die Soldaten mit einer Selbstverständlichkeit die selbst Radek erstaunt hatte, dieser ohne Bedenkzeit zugestimmt hatten.
Und jetzt waren sie hier. Auf einem von Zombies verseuchten Planeten, um unter allen Umständen das Gegenmittel für Atlantis zu besorgen. War ihre große Stadt erst einmal gerettet, würden sie von dort aus die Heilung aller anderen infizierten Welten koordinieren können. Doch um diesen Plan zu erreichen, mussten sie das hier überleben. Doch Radek war zuversichtlich. Das Schicksal hatte ihnen eine helfende Hand gereicht und diese würden sie ohne zu zögern ergreifen.

Dann, mit einem Mal wurde es still. Die Waffen auf der Straße schwiegen und der Strom an Untoten erstarb. Gedämpft drangen Rufe von der Straße zu ihnen herauf und als sie den dumpfen Klang von harten Stiefelsohlen auf morschen Holzboden vernahmen, begannen ihrer aller Herzen doch noch einmal schneller zu schlagen. Freudig erwartete Radek, Major Lornes Gesicht zu erblicken, als die bis dato namenlose Gestalt die Treppe nach oben kam. Er glaubte so fest daran, dass Evan und die verbleibenden Soldaten zu ihrer Verstärkung gekommen waren, dass sie sich einfach den Befehlen der Rebil-Ärzte widersetzt und doch den Weg hierher angetreten hatten.
Radeks Überraschung war groß, als ein Unbekannter in ihr Blickfeld trat. Ein Hochgewachsener Mann mit breiten, muskulösen Schultern. In eine schwarze Uniform gekleidet, ließ der Mann seine Waffe demonstrativ sinken und schenkte allen im Raum ein aufmunterndes Lächeln. Seine braunen Augen blickten von einem zum andern. Sein schon leicht ergrautes, bis auf wenige Millimeter rasiertes Haar, verlieh im zwar durchaus das Aussehen eines Militärangehörigen der Erde, doch die Rangabzeichen, welche seine schwarze Uniformjacke zierten, erkannte Radek nicht.
"Ich bin Kommandant Farell Hakon", stellte sich der Hüne vor. "Kommandant einer tavananischen Armeeeinheit."
Als die Angesprochenen darauf nicht reagierten, begann Farell zu erklären: "Auch unser Planet Tavana wurde von dieser Seuche heimgesucht. Als unsere Ärzte kein Gegenmittel herstellen konnten, wurden wir ausgesandt, um hier nach der Heilung zu suchen. Ich denke, ihre Geschichte dürfte ähnlich klingen."
Nelson fand als erstes seine Sprache wieder und trat zwischen den am Boden liegenden Leichen hindurch, einige Schritte auf ihren Retter zu. "Ich bin Captain Toby Nelson. Wir…" er brach ab, wusste nicht, wie er diesem völlig fremden Menschen für ihre Rettung danken sollte.
"Schon gut", meinte Farell mit einem Lächeln. "Sie brauchen nichts zu sagen."
"Kommandant!" rief Wenzel aufgeregt zu Farell herauf.
"Scheint als wäre für ein näheres Kennenlernen keine Zeit", meinte Farell und wank den Soldaten zu, damit sie ihm die Treppe hinab folgten.
Unten wartete eine bestens ausgerüstete Truppe und durch die zerstörten Fenster konnte man den nächsten Ansturm faulender Monster nahen sehen.
"Wir sollten verschwinden!" rief Wenzel aufgebracht.
Farell nickte und griff hinter seinem Gürtel nach einer weiteren Waffe, welche er Nelson reichte.
"Bewaffnet unsere neuen Freunde. Gemeinsam überleben wir diesen Wahnsinn."
Mit großer Bewunderung für Farell Hakon nahm Toby die ihm gereichte Waffe entgegen und auch die anderen Soldaten wurden mit voll bestückten, neuen Waffen ausgerüstet.
"Wir waren unterwegs zu einem der Krankenhäuser. Ein Handelsvertreter unserer Welt hat dort", damit deutete Farell auf ein recht weit entferntes, dunkles Hochhausgebäude, "mit Ärzten die getauschten Medikamente besorgt."
"Nein!" mischte sich Dr. Barned ein.
Verwundert blickte der Kommandant den weiß gekleideten Herrn mit den leeren Augen an.
"Ich bin Arzt, ein Rebil. Dies hier war einst meine Heimat."
Unruhiges Getuschel wurde laut, als die Soldaten untereinander flüsterten. Sie gaben wohl in diesem Moment Dr. Barned und den restlichen weißkittligen Ärzten genauso die Schuld für die gegenwärtige Situation, wie Radek es zuvor auf dem Wraithschiff getan hatte.
"Ich weiß, wo das Antivirus ist. Wenn sie es haben wollen, folgen sie mir."
Die Zombies kamen immer näher. Wenzel blickte besorgt nach draußen. Die dort immer noch in Stellung stehenden Soldaten, schossen bereits auf die ersten Kreaturen.
"Kommandant!" flehte Wenzel.
Farell konnte seinen Blick jedoch nicht von dem Rebil nehmen. Tausende Fragen schossen ihm durch den Kopf und jede dieser Fragen wollte zuerst gestellt werden. Die Antwort auf alles lag zum Greifen nahe. Doch hier war nicht der richtige Ort dafür. Farell blickte zu Nelson, welcher angespannt wirkte, aber dennoch abwartete. Dieser Soldat war kein Rebil. Die Rebil hatten nie eine Arme gehabt. Warum also schlossen sich Soldaten einer ebenfalls verseuchten Welt den Schöpfern eben dieser an? Gab es bei dieser Seuche etwa auch unschuldige Rebil oder hatte sich diese Begegnung ebenso zufällig abgespielt wie die ihre? Beschützten sie die Ärzte nur aus dem Grund, weil die über das Gegenmittel bescheid wussten?
"Kommandant!"
Farell wusste keine Antwort. Auf keine seiner dutzenden Fragen. Sie mussten jetzt erst einmal hier weg. Waren sie dann in Sicherheit, würde sich Farell seine Antworten holen.
"Gut", nickte er dem Arzt zu. "Gehen Sie voraus. Gruppe 2, ihr gebt den Ärzten Deckung. Gruppe 1 übernimmt die Nachhut und sie", Farell blickte Nelson an. "Ihre Leute denken die Flanken."
"Verstanden Sir", bestätigte Nelson und hoffe den Respekt, welchen er für Hakon empfand, auch entsprechend rübergebracht zu haben. Farell lächelte jedenfalls und mit einem lauten "Vorrücken!" stürmten sie los.

Kapitel 6.
Durch einen mit Glasscherben übersäten Gang gelangten sie in die Lobby des großen Industriekomplexes. Ein toter Arzt war der Beweiß ihrer Befürchtungen, hinsichtlich der Sicherheit dieses Gebäudes. Der Wahnsinn hatte auch hier gewütet.
Eine leichte Windböe wehte durch die zerbrochenen Fenster des Flures, welcher zum Haupteingang hinauf führte. Ihre Stiefel scharrten über die Scherben. Ein paar wenige Stufen hinauf und vor ihnen lag die aus den Angeln gehobene Eingangstür. Das Metall der Tür war an manchen Stellen gebogen und eingedrückt. Es schien fast so, als hätte sich jemand mit Gewalt hier Eintritt verschafft.
"Wir wurden überrannt", kam es leise von Dr. Barned der fast wehmütig auf die zerstörte Tür blickte.
Ja, als diese Tür nachgab, begann der Anfang vom Ende für das Institut.
"Unter den Nichtinfizierten, die in das Gebäude drängten, waren auch Infizierte. Die Seuche verbreitete sich rasend schnell. Keiner konnte mehr fliehen." Dr. Banreds Stimme brach ab. Zu schwer lasteten die Erinnerungen auf ihm.

Die ehrwürdig wirkende Lobby passte nicht wirklich zu dem modernen Baustiel des Gebäudes. Hohe Wände, klassisch in dunklem Holz und hellen Marmor gehalten. Die Mitte der Halle zierte ein kleiner Brunnen mit einer Statue, aus deren Krug noch immer Wasser plätscherte. Die Figur des Mannes erinnerte Radek an die Steinstatuen der alten Griechen. Im hinteren Bereich führten Treppen in die oberen Stockwerke des Gebäudes. Das Dämmerlicht, welches durch die vielen Fenster in das Gebäude fiel, spiegelte sich auf dem glattpolierten Marmor wieder und tauchte alles in ein diffuses Licht. Doch wo waren die Leichen? Kein Blut, keine Toten. Nichts sprach für den Angriff, welchen Dimitri erwähnt hatte. Die Lobby wirkte so steril, als wären alle Geschehnisse an ihr vorbeigegangen.
"Unheimlich", ließ Radek vernehmen und folgte dann schnell der Gruppe, welche sich bereits einige Schritte von ihm entfernt hatte. Doch der Anblick dieser unberührten Umgebung hatte ihn für einen Moment ganz in seinen Bann gezogen gehabt.
"Wohin jetzt?", fragte Farell mit leiser Stimme. Dennoch echoten seine Worte von der Decke und den hohen Wänden wieder.
Lautlos deutete Dimitri auf den linken Bereich der Halle. Die Soldaten folgten ihm und ihr Weg führte zu einer schweren feuersicheren Tür. Nelson ging mit einem Tavana-Soldaten in Stellung. Die Tür war nicht abgeschlossen, doch Nelson verkniff es sich, diesbezüglich überrascht zu sein. Nach all dem, was er bisher erlebt hatte, überraschte ihn gar nichts mehr. Toby drückte die Tür auf und trat zusammen mit dem Soldaten, die Waffe erhoben und den Finger am Abzug, in das halbdunkle Treppenhaus. Nur ein kleines Fenster erhellte den Flur, an dessen Ende eine Wendeltreppe nach unten und eine nach oben führte. Keine Anzeichen von Leben, aber dafür passte dieses Treppenhaus optisch in das Gesamtbild der Stadt. Die Kreaturen waren hier gewesen und das nicht zu knapp. Schmierflecken getrockneten Blutes zierten die grauen Betonwände. Lachen klebrigen Blutes, in der sich Fliegen tummelten, hatten sich am Treppenansatz gesammelt und führten als blutige Fußspuren die Treppen nach oben.
"Mein Labor war Teil des Hochsicherheitstrakts im Keller.", erklärte Dimitri und angelte aus der Innentasche seines Mantels einen in Plastik geschweißten Ausweis hervor.
"Damit bekommen wir Zugang zu diesem Bereich?" fragte Farell und beäugte die Kennkarte misstrauisch. Der Kommandant wusste zwar, dass die Technologie der Rebil der ihren überlegen war, doch ein Ausweis anstelle eines Schlüssels machte ihn misstrauisch. Wie sollte das funktionieren? Dimitri nickte nur bestätigend auf diese Frage und rieb mit dem Zeigefinger über das glatte Kärtchen. Ein zuversichtlich lächelnder Mann blicke ihm von dem Foto aus entgegen. Ja, als dieser Ausweis erstellt worden war, waren sie noch alle voller Zuversicht gewesen.
Ein hochgeheimer Laborbereich war unterhalb des Institutes erbaut worden. Modernste Technik war hier zum Einsatz gekommen, um zu verhindern, dass die Wraith diesen Bereich fanden. Keine Kosten und Mühen waren gescheut worden, dieses Projekt auf die Beine zu stellen und Dimitri war stolz darauf gewesen, in diesen Laboren forschen zu dürfen. Doch jetzt…
Der Stolz war längst verblasst und das gute Gefühl, welches Dimitri stets gehabt hatte, wenn er die steinernen Stufen nach unten geschritten war, hatte sich in Unbehagen und Schuldgefühle verwandelt.
Am Ende der Treppe war die hochmoderne Tür mit ihren Sicherheitsschlössern eingelassen. Ein in die Wand integriertes Terminal mit einem Kartenschlitz und einem Kodeingabefeld war daneben.
Dimitri steckte den Ausweis in den dafür vorgesehenen Schlitz.
Farell beobachtete ihn dabei genau. Er misstraute dem Arzt. Er war ein Rebil und somit keines weiteren Vertrauens würdig. Auch wenn in Farells Auffassung von Recht und Ordnung ein Menschenleben den meisten Wert hatte, so war ihm das Leben dieses Arztes doch vollkommen gleichgültig. Auch wenn er den Grund noch nicht kannte, der für den Ausbruch dieser Krankheit über die Galaxie verantwortlich war, so waren die Rebil in seinen Augen schuld. So viel stand fest. Das Schicksal, welches ihre Welt zerstört hatte, tat ihm nicht im Geringsten leid für dieses Volk. Doch all die Frauen und Kinder anderer Welten, all die Unschuldigen, welche eines gewaltsamen Todes gestorben waren, all das sah er als Schuld der Rebil. Natürlich waren auch hier unschuldige Frauen und Kinder gestorben. Doch war es letzten Endes nicht der Weg, den alle Rebil bewusst beschritten hatten?
Die Tür schwang ein kleines Stück auf, als Dr. Barned die Kennkarte wieder aus dem Schlitz zog. Die Waffen auf den Spalt gerichtet, aus dem ihnen Verwesungsgestank entgegen strömte.
"Weiter", befahl Hakon und ein Soldat trat gegen die schwere Metalltür. Doch nichts tat sich. Etwas lag offensichtlich im Weg. Selbst mit vereinten Kräften gelang es nicht, die Tür auch nur ein Stück weiter zu bewegen.
"Was könnte da rinnen passiert sein?" fragte Nelson und sein Blick haftete auf Dimitri und den Rebil-Ärzten. Schließlich waren sie die letzten Überlebenden, welche das Labor verlassen hatten.
"Es gab mehrere Explosionen", erklärte ein dünner und schwächlich wirkender Arzt, den Nelson bisher nie bewusst wahrgenommen hatte.
"Explosionen?" hakte Farell nach.
"Wir haben versucht…"
Ein Klappern im oberen Bereich des Treppenhauses ließ alle verstummen.
"Hier unten sind wir leichte Beute", stellte Farell fest und auch durch Nelsons Gedanken war diese Befürchtung gehuscht.
Was jetzt?
"Gibt es noch einen anderen Weg hier rein?"
Dimitri schüttelte ratlos den Kopf. "Es gibt nur diesen Durchgang und wenn wir nicht weiter kommen dann…"
Wieder drang ein Geräusch durch das Treppenhaus.
"Sie kommen!" flüsterte der schmächtige Arzt, welcher offensichtlich noch von ihrer letzten Flucht durch die Horden der Infizierten traumatisiert war.
Radek, welcher neben der Tür kauerte, warf einen Blick durch den doch etliche Zentimeter großen Spalt. Auf der anderen Seite rührte sich nichts. Da kam dem Tschechen eine Idee und er nahm für diesen Test seine Brille vom Kopf und die Welt verschwamm für einen Moment vor seinen Augen.
"Ich pass da durch!" rief er begeistert und das Scheppern im Treppenhaus wiederholte sich erneut. Deutlich waren schnelle Schritte zu hören, welche über die Stufen der vielen Stockwerke stolperten.
Sie kamen!
Farell drängte sich durch die engstehenden Leute zu Radek durch. "Glauben Sie das wirklich?" Noch immer wusste Farell nicht genau, wer dieser Mann war. Er trug keinen weißen Kittel, aber auch keine Uniform. Er hatte noch eine Handfeuerwaffe der Fremden bei sich und wirkte eher unscheinbar. Daher war Farell von der Entschlossenheit überrascht, welche in den Augen des Mannes aufblitzte.
"Ja, ich schaff das!" bestätigte er.
Farell nickte, "Gut, versuchen Sie es."
"Radek", rief Nelson und reichte dem Tschechen eine Handgranate. "Sie wissen, wie die funktioniert?" erkundigte er sich.
Lächelnd nahm Radek die Granate entgegen.
"Ich komm mit", kam es von Cady Goodman, welche neben Radek trat. Sie schenkte dem Wissenschaftler ein zuckersüßes Lächeln und dieser bekam bei ihrem Anblick weiche Knie.
"Los jetzt!" brüllte Farell und Radek zwängte sich durch den Türschlitz. Auf der anderen Seite erkannte er das Problem sofort. Cady, welche neben ihm durch die Tür kam, ließ ein leises "oh Gott" vernehmen.
Ein Teil des Ganges, welcher einst hinter der Tür verlaufen war, war komplett eingestürzt. Trümmer türmten sich zu Bergen hinter der Tür und blockierten ihren Durchgang.
"Was dauert das so lange?" trieb Farells besorgte Stimme sie von draußen an.
"Sir", rief Cady, nicht sicher ob sie damit nun schon Farell oder eher noch Nelson meinte. "Der Gang ist komplett eingestürzt. Die Trümmer versperren die Tür."
"Dann sprengen sie die endlich, verdammt!"
"Nein, das würde nur noch mehr einstürzen lassen!" rief Radek. "Eine Explosion dieser Stärke begräbt uns alle unter den Trümmern!"
Kurzes, unschlüssiges Schweigen trat ein. Das Poltern auf den Treppen wurde lauter. Kam ihnen mit jeder verstreichenden Sekunde näher. Egal was sie jetzt taten, sie konnten nicht mehr fliehen.
"Sprengen Sie die verdammte Tür!" rief Farell aufgebracht.
"Sir?" frage Cady besorgt nach.
"Sprengen Sie, wir krepieren sonst ohnehin hier unten!" rief ihnen Nelson zu.
Cady griff nach der Granate, welche Radek immer noch in der Hand hielt.
"Laufen Sie, ich werden das Ding werfen", meinte sie lächelnd.
Radek schüttelte jedoch den Kopf. "Bei drei werfen Sie und wir beide laufen los!".
Cady nickte, schluckte einmal schwer und Radek zählte. "Eins, zwei, drei…"

Kapitel 7.
Die Explosion riss beide in ihrem Lauf von den Beinen. Wie ein Papierflugzeug, das in einen Luftstoß geriert, flogen sie unbeholfen durch die Luft. Der Aufprall folge hart und ohne Vorwarnung. Radek prallte gegen etwas Hartes, was er in dem um ihn herum herrschenden Durcheinander nicht richtig wahrnehmen konnte. Trümmer der Explosion flogen durch den Raum, trafen schmerzhaft oft auf seinen Körper. Sein Kopf, nein sein ganzer Körper schmerzte und die bedrohliche Schwärze der Ohnmacht zerrte an seinem Geist.

Wie vom Lärm der Explosion angezogen, schlurften immer mehr Kreaturen zu dem großen, gelben Gebäude. Überraschend schnell stürmten sie die zerstörte Türe und ihre toten Augen sahen sich hektisch in der großen Lobby um. Wie von einer unbekannten Macht getrieben, fanden sie den Weg ins Treppenhaus, rannten und stolperten die Stufen hinab. Mit der Aussicht ihren blinden Hunger an frischer, lebender Beute stillen zu können, tropfte Blut und Speichel aus ihren gierig geöffneten Mäulern, formten stumme Schreie und unartikuliertes Stöhnen echote an den Betonwänden wieder.
Feuer züngelte am Ende des Treppenabsatzes an den grauen Wänden nach oben. Die roten und gelben Flammen tanzten, fanden jedoch an den Betonwänden kaum Substanz, um sich weiter ausbreiten zu können. Ohne von der Wärme des Feuer Notiz zu nehmen, welche die Haut der Kreaturen versengte und mit Wasser und Eiter gefüllte Blasen auf ihren ganzen Körper zurückließ, drängten sie durch den zerstörten Eingang hinein in den schmalen Gang welcher von der Explosion ebenso mitgenommen war, wie das Treppenhaus. Rußgeschwärzte Wände waren zum Teil eingestürzt und Schutt war in Mengen von der Decke gerieselt und sah in mitten der lodernden Flammen fast wie Schnee aus. Dunkler, stinkender Rauch produziert von den immer noch brennenden Explosionstrümmern, kräuselte sich an der Decke und raubte einem die Sicht.

Stimmengewirr drang an Radeks Ohr und krampfhaft versuchte er, seine Augen wieder zu öffnen. Seine Brille war bei der Druckwelle und ihrem ungewollten Abflug verloren gegangen und verschwommen erkannte er Bewegung um sich herum. Viel Bewegung. Beißender Qualm lag in der Luft und knackendes Prasseln des an den Wänden rot und gelb tanzenden Feuers war zu hören. Der dichte, schwarze Rauch brannte unangenehm in Radeks Lungen und ließ ihn husten. Doch mit jedem weiteren Atemzug geriet neuer ätzender Rauch in seine Lungen und das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen, jagte in einer Woge der Angst durch den Wissenschaftler. Würgend glitt er zurück auf den kalten Boden und rang um ein Quäntchen saubere Luft. Im nächsten Augenblick packte ihn etwas oder jemand von hinten am Kragen seines Pullovers und zog ihn unsanft und immer noch um Luft ringend auf die Beine. Mit trübem Blick erkannte er das rundliche Gesicht von Toby Nelson, welcher etwas zu ihm sagte, doch Radek verstand nicht. Das Dröhnen der Explosion klingelte immer noch in seinen Ohren und machte ihn taub für jedes andere Geräusch. Plötzlich wandte sich Nelson von ihm ab, gab ihm einen kräftigen Schubs und er fiel wieder zu Boden.
Verdutzt und von der Situation völlig überrumpelt, blieb er sitzen. Das ständige dumpfe Dröhnen seiner Ohren ließ langsam nach und wurde von einem anderen Geräusch überlagert. Schüsse fielen und im dichten Rauch sah er verschwommen die Schemen mehrerer Personen. Ängstlich ohne Waffe und Brille völlig hilflos drängte er sich gegen die Wand und hoffte, wenn diese Gestalten bereits Infizierte waren, dass sie ihn genauso wenig bewusst wahrnehmen konnten. Vielleicht, so hoffte er, raubte ihnen der Rauch ebenfalls die Sicht. Stumm betete er dafür. Radek erschrak und gab einen entsetzten Schrei von sich, als eine Hand nach seiner Schulter griff und daran zerrte. Verschwommen erkannte er vertraute Gesichtszüge und eine grüne Uniform. Seine Angst wandelte sich sekundenschnell in einen leichten Hoffnungsschimmer und immer noch hustend rappelte Radek sich wieder auf.

Schüsse vielen! Viele Schüsse, mit denen die Soldaten versuchten, die Infizierten auf Abstand zu halten. Doch sie wichen nicht zurück. Sie spürten keine Angst und ihre Schmerzensschreie waren schon längst verklungen. In ihrer blinden Gier nach der einzigen Quelle, die ihren Hunger zu stillen vermochte, hielt sie nichts mehr auf! Blut spritzte, verteilte sich über die Wände und färbte den Gang rot, als die Kugeln die Leiber der Zombies durchschlugen. Zerfetzten ihnen die verwesenden Brustkörbe und die noch verbliebenen Gliedmaßen. Und über allem dieser entsetzliche Gestank nach süßlicher Verwesung und verbranntem Fleisch. Kugeln trafen in die Beine der Infizierten, brachten sie zum Stolpern doch die stetig weiterdrängende Masse an Zombies überrannte die Gefallenen einfach, trampelte über ihre matschigen Körper, welche sich unter dem Getümmel kriechend weiter nach vorne schleppten. Immer weiter den engen Gang entlang, welchen die Soldaten zu verteidigen versuchten.

Radek wurde weiter geschoben, versuchte dabei mit aller Mühe seine brennenden Augen offen zu halten und die Schmerzen an seinem rechten Knöchel zu ignorieren und wie die Masse der Körper, die ihn umschlossen, in Bewegung zu bleiben. Er folgte ihr blindlings durch den dichter gewordenen, dunklen Rauch. Seine Augen tränten und kurz wischte er sich mit dem Ärmel über die beißenden Augen und ihm nächsten Moment verlor er das Gleichgewicht. Etwas stieß ihn zu Boden und sein gellender Schrei zerriss die heiße Luft. Mit einem Blick nach hinten konnte er verschwommen die Umrisse eines blutenden Gesichtes erkennen. Ein Zombie, einst einmal ein Mann, hatte seinen schmerzenden Knöchel mit schier unheimlicher Kraft gepackt und ihn somit zu Fall gebracht. Jetzt zog sich das verschmierte Gesicht mit einer Woge fauligem Gestank unerbittlich auf Radek zu. Dieser versuchte zu schreien, doch der dichte Rauch brannte wie Feuer in seinen Lungen und erstickte den Ruf auf ein heiseres Flüstern. Angsterfüllt blickte er um sich, suchte im dichten Rauch nach Hilfe.
"Weiter!" hörte er Farells schrillen Ruf, der sich in Radeks Ohren bereits unerreichbar weit weg anhörte. Wieder kam nur ein ersticktes "Hilfe" aus seinem schmerzenden Rachen und unaufhaltsam näherte sich die Kreatur und ihre kalten Finger wanderten seinen Oberschenkel hinauf. Krank vor Angst schien sich die Welt vor Radeks Augen zu drehen, während er mit aller Kraft seinen unverletzten Fuß dazu benutzte, nach dem Zombie zu treten. Weiche, klebrige Haut löste sich in großen blutenden Batzen von den Wangenknochen der Kreatur, als Radeks Stiefel darüber fuhr. Trotz des ständigen Lärms der Gewehre glaubte Radek ein feuchtes Schmatzen zu hören, als seine Stiefel die linke Wange des Zombies von den letzten Resten braunen Fleisches befreite und gelblich schimmert der Knochen darunter zum Vorschein kam. Doch noch immer lockerte sich der kalte Griff der toten Hände kein bisschen von seinem Fuß. Gierig hatten ihn die milchigen Augen, von denen sich nur noch eines auf seinem ursprünglich angestammten Platz befand, auf Radek gerichtet. Als die Kreatur auch noch mit seiner zweiten Hand nach Radeks Bein griff, erkannte er die schiefen, mit Blut überzogenen Zähne des Zombies, welche sich unaufhaltsam seinem Unterschenkel näherten.
Dann geschah alles sehr schnell. Ohne das Radek das Geschehen recht begriff, platzte der Kopf des Zombies förmlich in einer gewaltigen Explosion aus Blut und Knochensplittern auseinander! Flog in Fetzen durch die Luft und verteilte sich über Radeks zitternden Körper. Eine starke Hand zog ihn hoch und wieder wurde er nach vorne gedrängt.
"Laufen Sie, laufen Sie!" redete die Stimme ununterbrochen auf ihn ein, doch Radeks noch immer vor Angst vernebelter Verstand begriff nicht. Seine Augen stur auf den Zombie gerichtet, dessen Kopf nur noch eine blutende Masse aus Überresten des Gehirnes und der Wirbelsäule war.
"Weiter" brüllte die Stimme erneut und zerrte an Radeks Arm.
Aus dem Rauch hinter ihnen stürmten mehrere Schattengestalten. Rannten unbeeindruckt über das tote Etwas am Boden und der fürchterliche Gestank, welchen ihre Verfolger verströmten, brachte Radek jäh in die Gegenwart zurück, ließ ihn den eben erlebten Schrecken komplett vergessen und der einzige Gedanke, der jetzt noch seinen Geist beherrschte, schrie aus Leibeskräften: Lauf!!!!

Ihre Sicht war immer noch gleich Null, als sie durch den Gange jagten. Radek ignorierte den Schmerz, welcher sich wie ein Messerstich durch sein Bein zog. Die Angst vor dem, was geschehen würde, wenn er stehen blieb oder gar stürzte, war qualvoller als alles andere. Hatte er sich schon nicht gegen eines dieser Wesen vernünftig zur Wehr setzten können, der Gedanke an eine ganze Horde hinter ihnen, trieb ihn weiter. Schritt für Schritt, trotz der Schmerzen. Die Angst ließ ihn seine eigene Erschöpfung kaum spüren und auch die Schmerzen in seiner Lunge, welche bei jedem Atemzug zu bersten drohte, verlor bei dem Gedanken an ihre Verfolger alle Bedeutung.
Dann war ihr Lauf zu Ende. Abrupt und ohne Verwarnung. Schmerz durchzog erneut Radeks Körper. Im ersten Moment desorientiert fand er sich auf dem kalten Boden wieder. Von der Todesangst getrieben, richtete er sich trotz aller Schmerzen wieder auf und schlug tastend um sich. Seine Fingerspitzen berührten etwas Hartes, Kaltes und er begriff.
Eine Wand!
Er hatte die Biegung des Korridors wohl übersehen und schnell versuchte Radek, die richtige Richtung zu finden. Doch links wie rechts fühlte er nichts als kaltes Mauerwerk unter seinen tastenden Händen. Im Bruchteil einer Sekunde huschte das Wort Sackgasse durch Radeks Geist und ehe er seine Lage ganz begriff, griffen kalte Hände nach ihm. Wild um sich schlagend, versuchte er die blutverschmierten Gesichter von sich fern zu halten. Dann spürte er, wie eine starke Hand seinen Arm ergriff und ein sengender Schmerz jagte durch seien Körper. Radek schrie! Schrie aus Leibeskräften während sich immer mehr Zähne in seine Haut bohrten. Wieder bebte die Welt um ihn herum und das Letzte, was er bewusst wahrnahm, war ein verkrustetes, mit frischem Blut besudeltes Gesicht, welches sich zu seiner Gurgel beugte. Bevor der Schmerz ihn jedoch durchdrang, hüllte ein schimmerndes Licht seinen Geist ein. Radek glaubte zu fallen, schlug hart gegen etwas und sein Geist verlor sich in Dunkelheit.

Kapitel 8.
Dunkelheit. Unbeschreiblich erdrückende Dunkelheit umgab ihn. Quälend sah Radek die Bilder seines eigenen Todes. Sah sich selbst, wie er als totes Etwas mit all den anderen Zombies gefangen in seinem Körper als verwesendes Gefängnis und ohne den Grund dafür zu kennen nach dem einen suchte, nach dem es ihm verlangte. Er sah sich seine Freunde töten in dem blanken Bedürfnis, seine Gier endlich zu Stillen.
Radek erwachte schreiend aus seinem unruhigen Schlaf. Licht flutete ihm entgegen und im starken Kontrast der eben noch vorherrschenden Dunkelheit schlug er die Hände vor Augen. Er wusste nicht wo er war, ja genaugenommen wusste er nicht einmal, was genau geschehen war. Hände griffen nach ihm und wieder schrie er laut auf, versuchte sich gegen die Griffe zu wehren, welche ihn nach hinten zwangen. Eine Stimme drang wie aus weiter Ferne zu ihm herüber, formte unverständliche Worte. Noch eine Stimme gesellte sich hinzu und trotz Radeks wild um sich schlagender Hände schafften es die vielen starken Arme, ihn in eine liegende Position zu bringen. Dann hüllte ihn wieder diese alles beherrschende Dunkelheit ein und sein Geist verlor sich darin.

Die ihn umgebende Dunkelheit wurde von einem leisen, aber konstanten Geräusch durchbrochen. Erst war dieses leise Piepen eine willkommene Ablenkung zu all den entsetzlichen Bildern gewesen, die ihn quälend durch die düstere Atmosphäre seines Traums gejagt hatten. Doch jetzt war dieses monotone Piepgeräusch nur noch lästig. Langsam lichtete sich der dunkle Vorhang, welcher wie ein Nebel über Radeks Verstand gehangen hatte. Ein vertrauter und doch fremdartiger Geruch war das Nächste, was Radek in seinem Stadium zwischen Schlaf und Erwachen wahrnehmen konnte. Der sterile Geruch nach Desinfektionsmittel, welcher ihn unmittelbar an Krankenhäuser erinnerte und eine beruhigende Stimme dicht neben ihm.
"Doktor, er ist wach!"
Verschwommen präsentierte sich die Welt vor Radeks Augen, als er diese endlich ganz öffnen konnte. Noch immer zerrte die Müdigkeit an ihm und erschwerte seine Versuche sich seiner Umgebung bewusst zu werden.
"Wie fühlen Sie sich?" fragte ihn eine raue Männerstimme, doch Radek konnte nicht antworten. Sein Körper schien ihm nicht zu gehorchen. Wieder drohte die Schwärze des Schlafes ihn zu übermannen und in einem letzten verzweifelten Versuch die Müdigkeit nieder zu ringen, griff er nach der Hand des über ihm stehenden Mannes.
"Schon gut, schlafen Sie", beruhigte ihm die ruppige Stimme. "Es ist alles gut."

Lautes Stimmengewirr weckte Radek aus seinem traumlosen Schlaf. Verschwommen blinzelte er in das dämmrige Licht, welches die Krankenstation in ihren Nachtzyklus tauchte.
"Seien Sie ruhig", mahnte die gleiche raue Männerstimme, welche Radek zuvor gehört hatte. "Sie wecken noch all meine Patienten!"
Ein genuscheltes "`tschuldigung" welches Radek sogleich erkannte.
"Sie sollten sich jetzt auch ein wenig hinlegen, Major", sagte eine Stimme in ruhigen Befehlston.
"Ja Sir, es ist nur…" Major Lorne schwieg.
"Keine Sorge, es wird jemand hier sein, wenn er aufwacht", konnte er Colonel Caldwell sagen hören.
"Das schon Sir", begann Lorne erneut. "Doch ich finde nach all dem, was geschehen ist, sollte ich Derjenige sein, der es ihm sagt."
Irgendetwas in Evans Stimme machte Radek stutzig. Und da wurde es ihm klar. Die ganzen unbeantworteten Fragen, welche ihn die letzten 24 Stunden beschäftigt hatten, waren mit einem Schlag wieder präsent und mindestens ebenso viele neue Fragen brannten Radek auf der Zunge. Sollte er etwas sagen?
Den Anwesenden im Raum mitteilen, dass er bereits wach war und begierig darauf brannte, all seine Fragen endlich beantwortet zu bekommen? Doch das zwischen den Gesprächspartnern eingetretene unangenehme Schweigen schien ihm nichts Gutes zu bedeuten.
"Ich verstehe durchaus, wie Sie sich fühlen, Major, aber der Doktor hat Recht. Warten Sie bis Morgen", gab Caldwell in einem leisen aber festen Ton zu bedenken.
"In Anbetracht von Dr. Zelenkas momentanen Gesundheitszustand wäre eine Vertagung dieses…" eine kurze, unschlüssige Pause folgte den Worten des Arztes. "Gesprächs auf Morgen, eine wirklich vernünftige Idee."
Radek war die ungewöhnliche Betonung des Arztes in Bezug auf das Wort >Gespräch< nicht entgangen. Unruhig fragte er sich erneut, ob es nicht besser wäre, sich als Wach erkennen zu geben. Doch andererseits sagte ihm seine innere Stimme, dass er kein Wort dieser schlechten Nachrichten wirklich höheren wollte. Vom schlimmsten aller denkbar möglichen Schreckensszenarien ausgehend, verharrte Radek in seiner derzeitigen Position. Ließ es geschehen, dass Caldwell Evan ins Bett beorderte und auch er sich mit einem letzten Gruß von dem in der Krankenstation verbleibenden Arzt verabschiedete und sich mit einem Zischen die Tür hinter den beiden Offizieren schloss. Jetzt war er allein mit seinen Gedanken. Was um alles in der Welt war bloß geschehen? Gut, offensichtlich war die Daedalus zu ihrer aller Hilfe geeilt. Ebenso offensichtlich war etwas von Dr. Barneds Gegenmittel in ihren Besitz gelangt, denn sonst wäre er jetzt nicht mehr hier. Wenn er also davon ausging, dass diese Dinge alle mit überraschendem Ende gut ausgegangen waren, blieb nur noch Atlantis als Hiobsbotschaft übrig. Doch was genau?
Die 24 Stunden waren um, das stand für Radek einwandfrei fest. Somit war das Gegenmittel wohl zu spät auf Atlantis eingetroffen, was erklären würde, warum sie sich immer noch auf der Daedalus befanden. Hatte es gar keine Hoffnung mehr für die Stadt geben? Waren alle tot oder auf dem besten Wege dahin? Gab es keine Hoffnung mehr?
An Schlaf war für den Rest der Nacht nicht mehr zu denken. Viel zu aufgewühlt waren Radeks Gedanken, als das er sich hätte entspannen können. So lag er mit geschlossenen Augen auf dem Biobett und hoffte, dass die Schwestern, welche in einer gewissen Regelmäßigkeit durch die Krankenstation schlichen und neugierige Blicke auf die Instrumente ihrer Patienten warfen, die heißen Tränen nicht sehen konnten, die über seine Wangen liefen.
Er hatte diesen Horror überlebt. Doch zu welchem Preis? Die Gesichter seiner Freunde tauchten vor seinem geistigen Auge auf, wie sie fast bis zur Unendlichkeit verunstaltet durch die Gänge von Atlantis wandelten.
Sein eigenes, immer wieder knappes Überleben spielte sich wie ein Kinofilm in seinem Geist ab. Die Begegnung mit dem infizierten Ronon und ihre knappe Flucht mit dem beschädigten Transporter…
Die Androhung von Kemal, ihre Stadt in Schutt und Asche zu lege… Vereitelt nur durch einen aufstrebenden Politiker, der seine Chance zum Aufstieg in der Unzufriedenheit des Volkes gesehen und sie genutzt hatte…
Die Wraith, welche sie fast getötet hätten…
Ihr letzter verzweifelter Versuch sich durch die Horden Infizierter auf Rebil zu kämpfen, die Zombies, die ihn gepackt hielten…
Und über allem der bittere Geschmack des Versagens. Er hatte dies alles durchlebt, er hatte überlebt, nur um hinterher feststellen zu müssen, dass außer den paar wenigen Überlebenden alle anderen tot waren? Wozu? Wo war da der Sinn?
> Wir retten einige. Wenigstens etwa< Erneut hallten die Worte, welche Major Lorne erst vor etlichen Stunden zu ihm gesagt hatte, durch seinen Kopf. Doch in Radeks unendlicher Trauer klangen sie geradezu lächerlich.

Kapitel 9.
Der nächste Morgen kam schneller, als es Radek lieb war. Nicht, dass er den Sonnenaufgang durch die Fenster hätte verfolgen können, wie es in Atlantis möglich war. Doch der Wechsel zwischen Tag und Nacht war hier mit einem Tausch des Schichtpersonals ganz unspektakulär über die Bühne gegangen. Das gedämpfte Licht der Nachtbeleuchtung war der hellen Arbeitsbeleuchtung gewichen und ein reges Treiben setzte im Krankenflügel des großen Raumschiffes der USAF ein. Ärzte betreuten Patienten, während sich die Routine der Visite einschlich, brachten Schwestern dampfende Tassen mit heißen Kaffee und verteilten die Tabletts mit dem Frühstück. Radek nahm die Tasse mit der fast überschwappenden, braunen Flüssigkeit mit einem aufgesetzten Lächeln entgegen. Erst als ihn der Arzt dazu drängte, er müsse frühstücken, wenn er ernsthaft mit dem Gedanken spielen wollte, heute noch entlassen zu werden, stocherte er in dem kalten Rührei herum. Warum sollte er wert darauf legen, die Krankenstation in nächster Zeit zu verlassen?
Als die Schwestern die Tabletts wieder verräumt hatten und die kleinen Speisewägelchen aus der Krankenstation rollten, wurde es ruhiger. Viele von Dr. Jaros Patienten, welche Radek während ihrer gemeinsamen Suche nach dem Gegenmittel kennen gelernt hatte, waren bereits aus der Krankenstation entlassen worden. Die Schwestern waren dabei, die Betten für eventuelle neue Patienten herzurichten, als sich die Tür zur Krankenstation zischend öffnete. Radek hatte den ganzen Vormittag wartend nur auf diese Tür geschaut. Jetzt war der Augenblick gekommen, Major Lorne betrat die Station. In seiner typisch grünen Uniform war er ein sehr auffälliger Kontrast zu den ansonsten weiß gekleideten Ärzten. Auch wenn Radek ohne seine Brille das Gesicht des Soldaten nicht in der gewohnten Schärfe sah, wusste er doch, dass es nur Evan Lorne sein konnte, welcher zielstrebig zu seinem Bett heran trat.
"Guten Morgen"; grüßte der Soldat mit betont ruhiger Stimme. Radek sagte nichts. Einen Moment stand Evan nur so da und betrachtete den in Schweigen gehüllten Wissenschaftler. Dann, als sei ihm ein Gedankenblitz beim Anblick des anderen Mannes gekommen, öffnete er die mit Klettverschluss versehene Brusttasche seiner Uniformjacke und zog etwas heraus, was er mit einem "hier bitte" an Radek weiterreichte. Dieser griff nach dem Gegenstand und erkannte bereits, was es war, noch bevor es sein verschwommenes Blickfeld erreichte. Er öffnete die Bügel der Brille und schob sie sich auf die Nase. Im ersten Moment war er versucht gewesen den Major zu fragen, wo er die Brille denn her hatte, verwarf diesen Gedanken jedoch und murmelte nur ein knappes "Danke."
Evan, der plötzlich nicht mehr wusste, wohin mit seinen Händen, stopfte sie unruhig in die Hosentasche. Nervös, als wüsste er nicht, wie er das bevorstehende Gespräch beginnen sollte, zog er sich nach weiteren Minuten des Schweigens einen Stuhl heran und setzte sich neben das Bett.
"Also", versuchte er einen Einstieg in diese unangenehme Situation zu finden. "Wie geht es Ihnen?"
Radek warf dem Major einen erst verwirrten, dann zornigen Blick zu, schluckte seine Wut jedoch hinunter, denn er sah ein, dass dem Soldaten die Situation hier schon schwer genug viel.
"Spielt das eine Rolle?" fragte er stattdessen.
Der Major überlegte kurz. Radek konnte erkennen, dass er seinen Gegenüber mit dieser Antwort überrascht hatte. "Ja", antwortete Evan dann mit leichtem Zögern. "Ja, ich denke schon."
"Ich lebe noch", gab Radek als Antwort und dabei klang er wenig glücklich über diese Tatsache. Es schien Evan eher so, als bereue er dies. Schwer schluckend begann er wieder zu sprechen.
"Bedauerlicherweise verlief nicht alles nach unserem ursprünglichen Plan und…"
Kaum hatte das Gespräch begonnen, schon war Radek es leid. Er unterbrach Evan schroff und stellte die eine Frage, ihm als einzige noch wichtig erschein. "Wie viele Tote?"
Wieder sah Evan überrumpelt aus und brauchte einen Moment, die Frage zu überdenken.
"Nun…bedauerlicherweise verloren wir Captain Nelson, die Lieutenants Lindsay Seals, Robin Chin, Simon Chase…"
Radek lauschte der Aufzählung ständig hoffend, dass nicht auch der Name Cady Goodman auf der Liste der Gefallenen auftauchen würde. Als Evan jedoch endete, ohne die junge Frau auch nur erwähnt zu haben, machte sich ein kleines Gefühl der Erleichterung in Radek breit. Sie hatte überlebt.
"Ähm", mit einem verlegenen Räuspern zog Evan Radeks Aufmerksamkeit wieder auf sich.
"Leider waren die Verluste bei unserem Erkundungsteam erschreckend hoch. Doch die Liste der Verstorbenen geht noch weiter."
Das kleine bisschen Glücksgefühl, welches Radek über Cadys Wohlaufsein verspürt hatte, wich wieder der unendlichen Traurigkeit. Jetzt würde sich die letzte Frage beantworten. Bald würde er wissen, wie schlimm es um Atlantis wirklich stand und ob seine Schreckensvisionen der vergangenen Nacht sich bewahrheiteten.
"Leider beklagen wir auch erhebliche Verluste in Atlantis", begann Evan wieder zu sprechen.
"Wer?" brachte Radek mit zitternder Stimme hervor, als Evan nicht gleich weiter sprach. Die Augen des Majors trafen den ängstlichen Blick des Wissenschaftlers und er konnte sehen, wie sich trotz Radeks Bemühen Tränen hinter seinen Brillengläsern sammelten. Die plötzlich so trockenen Lippen befeuchtend, begann er: "Ich bedaure Ihnen mitteilen zu müssen, dass für Dr. Alexej Colao jede Hilfe zu spät kam." Wieder sprach er nicht weiter, sondern zog einen Bericht hervor und reichte ihn Radek.
"Ist besser, wenn Sie sich das selbst durchlesen", schlug er vor.
Radek nahm den Bericht entgegen und unter seinen tränennassen Augen verschwammen die schwarzen Buchstaben zu einer unlesbaren Pampe. Schnell wischte er sich mit dem Ärmel des weißen Krankenhaushemdes über die Augen.
Bericht über Zivilverluste nannte sich das Blatt und Radek klappte ihn gespannt auf.
Bei jedem ihm bekannten Namen spürte er einen leichten Stich. Zeile für Zeile fuhr er mit dem Finger hinab und bei Alexej Colaos Namen verweilte er kurz. Colaos Tod bestürzte ihn zutiefst. Der kleine, dicke Wissenschaftler war ein angenehmer Mitarbeiter gewesen. Stets pünktlich und korrekt, fleißig und immer nett und gewitzt seinen Kollegen gegenüber. Dann wanderte sein Finger eine Zeile tiefer und noch eine und noch eine…
Bei vielen Namen von Kollegen hielt er kurz inne. Der Tod von all diesen Freunden war so…so endgültig. Ihm viel beim besten Willen kein anderes Wort ein. Jeder Name auf dieser Liste bedeutete Hoffnungslosigkeit. Sie waren tot und nichts konnte mehr daran geändert werden. Kein, vielleicht hilft das Gegenmittel noch oder ein, sie sind noch nicht außer Lebensgefahr. Nein, diese in schwarz gedruckten Namen bedeuteten Tod ohne jegliche Hoffnung.
Dann war sein Finger am Ende der Liste angelangt und sein Herz schlug ungewollt schneller. Teils aus Angst, teils aus Aufregung. Er wandte sich wieder an Lorne, der das Entsetzen deutlich in Radeks Augen lesen konnte.
"Und…" setzte Radek an. Wie konnte die Liste nur auf diese Weise enden? Schnell richtete er seinen Blick wieder auf die Notizen, blättere wild umher, als suche er krampfhaft nach etwas.
"Und…" begann er wieder.
"Wo sind die anderen…ich meine…ich…" sammelte er und suchte nach den richtigen Worten.
Auch in Evans Blick konnte man Trauer lesen, als er sich erhob und den Bericht aus Radeks Schoß nahm.
"Komme Sie", forderte er den Wissenschaftler auf.

Die Korridore der Daedalus waren Radek noch nie so lang vorgekommen. Er trug eine olivgrüne Uniformjacke über seinem dünnen, weißen Hemd und schwere Militärstiefel, als er hinter Major Lorne zur Brücke der Daedalus ging. Kaum hatten sie das Kommandodeck erreicht, trat auch schon Steven Caldwell auf sie beide zu.
"Sir", grüßte Evan förmlich. Caldwell sah an ihm vorbei, zu Radek dessen Gesichtsfarbe ebenso blass war, wie sein Hemd.
"Wir bitten um Erlaubnis, in die Stadt beamen zu dürfen."
Caldwell entließ Radek aus seinem prüfenden Blick und bedachte den Major mit einer fragenden Miene.
"Der Arzt hat das O.K dafür gegeben?"
Evan nickte und blickte ebenfalls nach hinten zu Radek.
Caldwell wandte sich ab und gab den Befehl weiter. Bevor Radek auch nur darüber nachdenken konnte, ob es nicht doch einfacher für ihn wäre, er bliebe an Bord, hüllte ihn auch schon das weiße Strahlen ein.

Als er im Kontrollraum der großen Stadt remateralisierte, war sein erster Eindruck durchaus überraschend. Nichts deutete darauf hin, dass gestern noch eine Katastrophe Atlantis erschüttert hatte. Radek musste unwillkürlich an die Stadt der Rebil denken. Doch kein Tropfen Blut verunzierte die Wände, keine Spur des Grauens und des Todes war zu sehen. Nur emsig arbeitende Soldaten und Wissenschaftler huschten durch die Gegend. Alles war so, wie es sein sollte.
Nein, verbesserte er sich in Gedanken. Etwas war falsch. Radeks Herz schien in seiner Brust zu brennen. Wieder kämpfte er seine aufkommenden Gefühle und eine Schwall Tränen nieder. Blinzelnd blickte er nach oben in den Kommandostand. Dort, an dem kleinen Vorsprung fehlte die vertraute Gestalt von Elisabeth Weir, die ihren stets wachend Blick über alle Neuankömmlinge schweifen ließ. Sie war immer dort gewesen, wenn im Torraum etwas los war. Doch er konnte sie nirgends sehen. Sein nächster Blick fiel in ihr Büro, doch auch das war leer. Schweren Herzens musste er sich eingestehen, dass ihr Fehlen auf der Namensliste unter den toten Zivilisten wohl kein Anlass zur Freude war, wie er es schon fast befürchtet hatte. Keine der vertrauten Personen war hier, um sie zu erwarten. Schweren Herzens folgte er Evan.

Kapitel 10.
Tränen rannen über Radeks Wangen. Er konnte und wollte nicht mehr! Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er sich so leer gefühlt. Er war mehr als nur erschöpft und das nicht bloß im körperlichen Sinne. Er wollte sich in seinem Bett verkriechen und nur noch schlafen. Auch auf die Gefahr hin, von schrecklichen Alpträumen gequält zu werden, doch die Realität konnte und wollte er fürs erste nicht länger ertragen müssen. So viele Emotionen, Bilder und Erinnerungen huschten ständig durch seinen Geist und ließen ihm keine Ruhe. Er wollte schlafen, er wollte vergessen…
Leise schluchzend und mit gesengtem Kopf trottete Radek hinter Evan her. Wie erwartet führte sie ihr Weg durch den Korridor, welcher zur Krankenstation führte. Der tschechische Wissenschaftler hätte diesen Weg mittlerweile im Schlaf gefunden. Wie oft hatte er Carson hier besucht, wenn in den Labors nichts los gewesen war, oder er sich während der Abendstunden gelangweilt hatte und er jemanden zum Schachspielen suchte. Gut, Carson hatte in diesem Spiel stets gegen ihn verloren, es aber jedes Mal mit Humor genommen. Eigentlich ging es ja auch gar nicht um das Spiel. Es ging darum Zeit mit seinen Freunden zu verbringen und ja, Carson war stets ein guter Freund für ihn gewesen. Umso schwerer viel ihm jetzt dieser Gang. Was würde ihn jetzt noch erwarten?
Erst als Evan vor ihm stehen blieb und er leicht gegen den warmen Körper seines Vordermannes stieß, hob Rades seinen Kopf und schreckte aus den trüben Gedanken auf. Evan stand vor der Tür und deutete Radek mit einer Handbewegung den Vortritt an. Aus feuchten, verquollenen Augen musterte der Tscheche seinen Gegenüber und ohne sich für dieses zweifelhafte Vergnügen des Vortritts zu bedanken, schritt er auf die Tür zu, welche zischend vor ihm auseinander glitt.

Dr. Marc Steffens schritt zwischen den vielen belegten Betten der Krankenstation hin und her, warf besorgte Blicke auf Krankenakten und wandte sich dann einer am Eingang wartenden Frau zu.
"Er wird sicher bald hier sein, Dr.", meinte er aufmunternd.
Die schlanke, dunkelhaarige Frau versuchte ein Lächeln, doch ihre Nervosität sah man ihr an. Ihre langen Finger spielten unruhig mit dem kleinen, goldenen Anhänger ihrer Halskette und das brachten Marc zum Schmunzeln. Sie wirkte auf ihn wie ein Kind, welches ungeduldig auf den Weihnachtsmann wartete. Dann öffnete sich endlich die Tür und entließ die so sehnsüchtig erwartete Person in die Krankenstation.

Noch bevor Radek eine Chance bekam durch die tränennassen Augen einen Blick auf seine Umgebung zu werfen, zogen ihn zwei Arme in eine herzliche Umarmung. Überrumpelt, wie er war, konnte er die Gestalt im ersten Augenblick nicht erkennen, welche ihn in dieser wohltuenden Geste gefangen hielt. Als sich der warme, schlanke Körper ein wenig von ihm löste, blickte ihn lächelnd das Gesicht der Expeditionsleiterin von Atlantis an. Elisabeth hatte ihre Arme immer noch auf Radeks Schulter ruhen, als der total überraschte Wissenschaftler sie aus großen Augen musterte. Ihr hier sein war für Radek wie ein Wunder, welches ihn so aus der Bahn geworfen hatte, dass er nicht in der Lage war auch nur einen Ton zu sagen. Wortlos stand er da und betrachtete Elisabeth, als hätte er sie noch nie zuvor gesehen. Als Dr. Weir schon besorgt nachfragen wollte, ob es ihm den gut ginge, erwachte Radek aus seiner Starre und zog Elisabeth in eine weitere Umarmung, welche sie lächelnd und nach dem ersten Moment der Überraschung gerne erwiderte. So verharrten sie einen zeitlosen Augenblick in Stille und unendlicher Freude. Neue Tränen suchten sich den Weg über Radeks Wangen, doch zum ersten Mal seit Tagen waren es Tränen der blanken Freude. In diesem einen, perfekten Moment waren alle Sorgen und Qualen vergessen. Als sie sich langsam aus ihrer Umarmung lösten, wischte Elisabeth mit einem sanften Lächeln die noch vereinzelten Tränen von Radeks Wangen.
"Sie sind mir ein Held", lachte sie. Radek musste über diesen Kommentar schmunzeln. Immer noch heil froh darüber, ein vertrautes Gesicht wieder zu sehen. Doch erst jetzt viel ihm auf, dass die jüngsten Ereignisse auch an Elisabeth nicht spurlos vorübergegangen waren. Pflaster zierten ihr Gesicht und Verbände umhüllten ihre rechte Hand sowie den Oberarm. Ein unschöner Bluterguss am Hals, welcher halbwegs unter ihrem roten T-Shirt verschwand, zeugte von der Gewaltbereitschaft der Infizierten. Besorgnis huschte über sein Gesicht und verbannte sein Lächeln. Elisabeth bemerkte den mitfühlenden Blick. "Mir geht es gut", versicherte sie ihm sogleich. Noch bevor Radek etwas darauf erwidern konnte, kam ein fröhliches: "Willkommen Zuhause, Dr. Zelenka", von Seiten des jungen Arztes. Er trat auf Radek zu und reichte ihm die Hand. "Schön zu sehen, dass Sie wohlauf sind", meinte Marc und klopfte dem immer noch schweigenden Wissenschaftler anerkennend auf die Schulter.
"Ja", sagte Radek mit brüchiger Stimme. "Ja, es ist auch schön Sie zu sehen Dr." Doch die Freude währte nicht all zu lange in Radek, denn er blickte sich suchend in der Krankenstation um. Noch nie hatte er so viele belegte Betten gesehen. Den Bericht, welchen er von Evan erhalten hatte, sprach nur von den Todesfällen und hatte keine Auskunft über die Zahl der Verletzten gegeben. So froh er auch war, Dr. Steffens und vor allem Dr. Weir wohlauf zu sehen, war doch die Besorgnis um das Wohl so vieler anderer eine brennende Frage. Sein suchender Blick, welcher durch die Krankenstation schweifte, entging keinem der Anwesenden. Zaghaft griff Dr. Weir nach Radeks Arm und mit einem betretenen: "Kommen Sie", führte sie ihn weiter zu einigen der hinteren Betten. In einem davon erkannte er Teyla. Die junge Athosianerin sah aus, als hätte sie einen Boxkampf verloren. Ein blaugrüner Bluterguss zierte unschön ihr linkes Auge und eine kleine Platzwunde ihre Stirn. Der Rest ihres Körpers lag uneinsichtlich unter dem weißen Betttuch des Krankenbettes.
"Sie hat sich das Handgelenk gebrochen", erklärte Dr. Steffens, der Radeks besorgten Blick nicht übersehen hatte. "Ansonsten etliche Abschürfungen und Blutergüsse sowie Zerrungen und Prellungen aller Art. Wie fast die meisten geheilte Personen."
Radek betrachtete die verletzte Frau mitfühlend. Ihr Brustkorb hob und senkte sich in regelmäßigen Abständen. Sie schien fest zu schlafen. Radek wünschte ihr einen erholsamen, traumlosen Schlaf ohne Zombies.
"Sie wird wieder gesund", meinte Elisabeth und sah Radek zuversichtlich an.
"Ja", flüsterte dieser und sein Blick wanderte einige Betten weiter. Mit einem Gefühl der Freude, aber auch der Besorgnis erkannte er darin Sheppard. Der Zustand des Colonels schien eher Anlass zur Sorge zu geben. Radek trat näher an das Bett des Offiziers heran. Sein Gesicht wirkte reglos und sah im Vergleich zu den von Elisabeth und Teyla kaum geschunden aus. Nur ein einziger, kleiner Kratzer verunstaltete sein hübsches Gesicht. Ein Monitor neben dem Bett überwachte die Lebensfunktonen des Colonels und wies überdeutlich darauf hin, dass Sheppards Zustand durchaus kritischer war.
"Was ist mit ihm?" fragte Radek vorsichtig und hatte schon fast Angst vor der Antwort.
"Als wir ihn fanden, war er kaum noch am Leben", begann Marc zu berichten. "Er hatte offenbar einen ernsten Zusammenstoß mit einem oder mehreren Infizierten." Der Arzt trat etwas näher an Sheppards Bett heran und schlug die weiße Bettdecke ein Stück zurück. Johns Arm war von einem dicken Verband umhüllt und durch eine Nahkosenadel im Handrücken erhielt er Bluttransfusionen.
"Ein Infizierter hatte ihm ein Stück Fleisch aus dem Arm gebissen und dabei die Schlagader erwischt. Wie gesagt, es war sehr knapp als wir ihn endlich fanden. Er wäre um ein Haar verblutet."
Kummervoll betrachtete Radek die schlafende Gestalt des Colonels.
"Aber keine Sorge", fügte Marc hinzu, "wir haben ihn erst einmal ruhig gestellt und sein Zustand ist auch nicht mehr Lebensgefährlich. Es wird zwar eine tiefe Narbe von dieser schweren Verletzung zurückbleiben, aber glücklicherweise wird er sich nicht mehr an den Vorfall erinnern können. Durch die Beeinträchtigungen im Gehirn der Infizierten wurden ihre Erlebnisse nicht im Langzeitgedächtnis gespeichert."
Radek atmete erleichtert geräuschvoll aus. Auch Sheppard stand auf der sicheren Seite und das erleichterte ihn. Im Grunde war der Colonel zu beneiden. Wie gerne wäre Radek ins Bett gegangen und ohne Erinnerungen an das Erlebte wieder aufgewacht.
So froh er auch über die vielen guten Nachriten war, die Blicke seiner drei Begleiter gaben kaum Anlass zur größeren Optimismus. Schon auf der Daedalus hatte Evan nur zögerlich bis gar nicht auf die Fragen geantwortet, welche das Wohlergehen des Teams von Colonel Sheppard und Dr. Weir betroffen haben. Dann noch das Fehlen von Dr. Beckett, welches Radek zuerst auf die viele Arbeit schob, welche das Personal hier wohl gerade hatte. Doch außer Marc war kein weiterer Arzt im Raum. Nur vereinzelt waren Schwestern gekommen und wieder gegangen. Irgendetwas stimmte nicht und diese Befürchtung wurde von Minute zu Minute stärker.
"Wo sind die anderen?" fragte Radek, welcher seinen Blick immer noch auf Sheppard gerichtet hatte. Wieder spürte er Dr. Weirs Hand an seinem Arm, welcher ihn langsam vom Bett des Colonels fort zog. Im hinteren Bereich der Krankenstation waren einige Betten von langen, weißen Vorhängen umhüllt, welche bis auf den Boden reichten und jeden Blick auf die sich dahinter befindenden Personen verbarg. Radeks Magen schmerzte, als zogen sich seine Innereien zu einem Knoten zusammen. Jetzt stand ihm wohl der Teil bevor, den er schon befürchtet hatte. Zwischen zwei der verhangenden Betten saß Ronon in gekrümmter Haltung auf einem Stuhl. Als er die sich nähernden Personen bemerkte, blickte er auf. Seine Augen trafen die von Radek und dessen Unwohlsein verstärkte sich schlagartig. Ronon wirkte richtiggehend traurig. So niedergeschlagen hatte er den ehemaligen Runner noch nie erlebt. Ronon stand auf und humpelte beiseite. Sein rechtes Bein steckte in einem stabilen Gips und erschwerte ihm das Gehen. Der große Krieger überragte Radek um mehr als einen Kopf, so dass der Wissenschaftler zu ihm aufsehen musste, als er vor ihm stehen blieb. Mit dem einen Arm auf seine Krücke gestützt, zog er mit dem anderen Radek in eine flüchtige Umarmung. So schnell das Radek es gar nicht mit bekam, ließ er ihn auch schon wieder los, klopfte ihm auf die Schulter und sagte nur: "Danke." Dann ging er auf die Krücke gestützt aus dem Weg und gesellte sich zu Dr. Weir. Diese sah besorgt zu Ronon und dann zu Radek, der sich nun in die Mitte der beiden Betten begeben hatte und darauf wartete, dass Marc den ersten Vorhang beiseite schob.

Entsetzt sog er scharf die Luft ein. Er hatte zwar mit etwas Schlimmen gerechnet, aber damit irgendwie nicht. Im ersten Bett lag Carson Beckett. Sein Gesicht war so leichenblass, dass Radek ihn für tot gehalten hätte, hätte ihn der Monitor, an welchen der Arzt angeschlossen war, nicht etwas besseren belehrt. Marc schritt um ihn herum und zog den Vorhang des zweiten Bettes zurück. Wie befürchtet lag darin McKay. Sein Gesicht war ebenso fahl wie seine weiße Bettdecke, doch sein Gesicht war von blutigen Kratzern durchzogen. Verkrustete Blutreste kleben in seinem kurzen Haar und ähnlich wie bei Carson war eine ständige Versorgung mit einer milchig weißen Flüssigkeit über die Narkosenadel gewährleistet. Radek bekam von dem schrecklichen Anblick, der sich ihm bot, weiche Knie und ließ sich auf den Stuhl sinken, von welchem Ronon eben aufgestanden war. Keiner sagte etwas. Man ließ Radek Zeit den ersten Schock zu überwinden.
"Was ist mit ihnen?" fragte er schließlich und sah zu Marc auf, welcher immer noch schweigend neben den Betten stand.
"Einige Betroffene reagierten anders als erwartet auf das Gegenmittel", erklärte er dem Tschechen.
"Wollen Sie damit sagen, dass für diese Personen das Antivirus zu spät kam?"
Marc schüttelte verneinend den Kopf. "Nein, so ist es nicht. Das Virus, welches sich in ihrem Blutkreislauf befand, wurde von den Antikörpern genauso vernichtet wie es bei den anderen Patienten der Fall war. Doch…" Er unterbrach sich kurz. "Wir wissen nicht woran es lieg. Das Antivirus löste sich nicht wie erwartet in ihren Körpern auf und zerstört jetzt ihr Immunsystem. Leider konnten wir diesen Vorgang weder korrigieren noch verlangsamen. Ich befürchte, wenn uns nichts bald etwas einfällt…" Marc beendete seinen Satz nicht. Wie auf ein imaginäres Signal hin, begann ein Herzmonitor am anderen Ende des Raumes mit einem lauten, unregelmäßigen Piepen. Alle Augen richteten sich wie gebannt auf das immer noch mit Vorhängen zugezogene Bett, auf welches Marc und einige Schwestern zustürmten. Marc riss den Vorhang beiseite und Radek erkannte eine weitere Kollegin. Miko Kusanagi. Die zierliche Japanerin wirkte trotz ihrer dunklen Hautfarbe extrem blass und unnatürlich. Marc gab viele Befehle, welche sogleich ausgeführt wurden, doch das bedrohliche Piepen hörte nicht auf. Der Piepton verwandelte sich plötzlich ein gleichmäßiges Summen und Marc rief nach einem Defibrillator.
"Geladen!" bestätigte eine Schwester und Marc brüllte ein "Zurücktreten!" Mikos Körper zuckte kurz, doch der unangenehme Ton, welchen der Herzmonitor von sich gab, blieb.
"Noch mal!" rief Marc. "Wegtreten!" wieder zuckte Mikos Körper unter der elektrischen Entladung. "Keine Reaktion!" bestätigte eine Schwester die Befürchtungen aller im Raum. Noch einmal ließ Marc den Defibrillator auf höherer Frequenz laden und versuchte Mikos Herz damit wieder zum Schlagen zu animieren. Jedoch vergebens.
"Notieren Sie", wies er eine Schwester an. "Todeszeitpunkt 11:35 Uhr", meinte er mit belegter Stimme und stand mit hängenden Schultern vor Mikos Bett. Dann zog er die weiße Decke über ihren Kopf und vergrub sein Gesicht in einer verzweifelt hilflosen Geste in seinen Händen.
Radek hatte beim Betrachten dieser Szene unwillkürlich den Atem angehalten. Besorgt sah er zu Carson, dann wieder zu Rodney, welche Mikos Schicksal würden teilen müssen, wenn nicht bald etwas geschah.

Kapitel 11.
Ihr Zustand war nicht berauschend, aber dennoch stabil. Radek saß am Fußende der beiden Betten und seufzte tief. Ronon, welcher sich ebenfalls noch auf der Krankenstation befand, hinkte von einem kurzen Besuch bei der schlafenden Teyla und den ruhig gestellten John wieder zu seinem Stuhl zurück, welcher neben Carsons Bett stand. Erschöpft ließ er sich darauf nieder. Radek hatte bisher noch kaum Zeit mit dem schweigsamen, neusten Mitglied von Colonel Sheppards Team verbracht. Zumindest nicht unter vier Augen. Doch Ronon schien nicht an einem Gespräch interessiert zu sein. Als Radek ihn so aus den Augenwinkeln betrachtete, merkte er erst, wie müde und erschöpft der sonst so voller Energie strotzende Krieger wirkte. Kein Zweifel, er war ebenso mitgenommen wie alle anderen Patienten, auch wenn er als einer der Wenigen unter ihnen schon das Bett hatte verlassen dürfen. Offensichtlich hatte Ronon Zelenkas Blick bemerkt, denn er sah zu dem Tschechen hinüber. Dieser senkte schnell den Blick und mied ihn auch die nächste halbe Stunde.
Dann, ganz unerwartet, begann Ronon zu sprechen. "Ich hätte Sie fast infiziert. Das tut mir leid."
Radek war überrascht, dass Ronon anscheinend das Gespräch mit ihm suchte. "Sie…Sie erinnern sich daran?" hakte Radek nach und sah wieder hinüber zu Ronon. Dieser sah vom Boden auf, welchen er während des Sprechens betrachtet hatte, und suchte Radeks Blick.
"Nein, nicht direkt. Dr. Steffens hat es mal erwähnt", erklärte er. Radek konnte nur nickten, denn er wusste nicht, was er dazu sagen sollten. Ein >schon gut< oder >macht nichts< schien ihm fehl am Platze. Also meinte er nur: "Das waren nicht Sie."
Anscheinend reichte Ronon dieser Satz, denn er sagte nichts weiter dazu. Nach neuerlichen Minuten des Schweigens, begann Ronon erneut zu sprechen. "McKay wird Augen machen" meinte er und schenkte dem im ersten Moment verwirrt blickenden Radek zum allerersten Mal ein leichtes Lächeln. "Ich meine, hab gehört, er kommandierte Sie gerne herum", versuchte er zu erklären, als Radek ihn nur fragend anblickte. "Sie können ihm ja dann ihre Heldentaten unter die Nase reiben, wenn er mal wieder ganz er selbst ist", schlug Ronon vor. Doch Radek fand diesen Kommentar weitaus weniger witzig. Er schluckte einen Kloß in seinem Hals hinunter, welcher sich bei Ronons Erwähnung des Wortes >Held< dort gebildet hatte. Anscheinend hatten sie beide unterschiedliche Definitionen für diesen Begriff.
"Ich…ich denke nicht, dass ich ein Held bin", meinte er mit brüchiger Stimme. Er versuchte erneut zu schlucken, um seiner Stimme einen stabileren Klang zu verleihen.
Ronon musterte stumm den Wissenschafter, welcher seinem Blick auswich und zu Rodney hinüber sah.

Er hatte vor Stunden ein Gespräch mit angehört, in welchen sich Dr. Steffens Elisabeth gegenüber besorgt über Radeks Psyche geäußert hatten. Ein gewisser Dr. Jaro, Ronon sagte dieser Name nichts, schien der Ansicht zu sein, dass Dr. Zelenka körperlich nur wenige Blessuren und kleine Verletzungen hatte, aber psychisch einen schweren, vielleicht permanenten Schaden davontragen könnte. Der junge Major Lorne hatte dem zugestimmt und erwähnt, dass sich Radek Zelenka offensichtlich für Fehlschläge während ihrer Mission verantwortlich fühlte. Dr. Steffens hatte diese Theorie ebenfalls zu unterstützen gewusst. Radek hatte sich für die gescheiterte Mission im Torraum verantwortlich gefühlt und sicher hatte der damit verbundene Tod seines Freundes Dr. Alexej Colao dieses Gefühl der Schuld noch verschlimmert. Auch die Tatsache, dass sich das Virus über die komplette Stadt hatte ausbreiten können, schrieb er seinem eigenen Versagen zu. Elisabeth hatte sich abschließend dennoch optimistisch gezeigt, das Radek mit reichlich Zeit, viel Geduld und Dr. Heightmeyers Hilfe bestimmt bald wieder der Alte sein würde. Ronon verstand nicht recht warum Radek so reagierte. In seinen Augen hatte der Tscheche genau das getan, was man von einem Anführer erwarten würde. Aber vielleicht lag genau darin auch das Problem. Bis zu diesem Moment war der Wissenschaftler wohl ähnlich wie McKay nie in eine Lage gekommen, in der man ihm soviel Verantwortung übergeben hatte. Gut, es waren Leute gestorben, aber hatten nicht viel mehr überlebt? War das wirklich eine Tatsache, die man sich vorwerfen konnte? Ronon sah nachdenklich auf den wieder ruhig gewordenen Wissenschaftler, welcher noch immer seinen Blick mied. Ronon war noch nie gut im Umgang mit Worten gewesen. Er hätte den anderen Mann wirklich gerne Trost gespendet, doch gerade jetzt viel ihm so gar nichts ein. Seine Grübelei wurde von Major Lorne unterbrochen, welcher mit schnellen Schritten die Krankenstation betrat.
"Und?" fragte er sogleich mit besorgtem Blick auf Carson und Rodney, "Hat sich ihr Zustand verändert?"
Da Radek keine Anstallten machte, auf diese Frage zu antworten, gab Ronon ein bedauerndes "nein" zurück.
Stumm nickte der Major auf diese Antwort und betrachtete wieder die beiden reglosen Herren. Dann sah er hinab zu Radek, welcher geknickt und niedergeschlagen auf seinem Stuhl kauerte.
"Der Doc hat gesagt, Sie sollen sich ausruhen", erinnerte er den Tschechen. Dieser sah kurz zu ihm auf, wandte sich dann aber wieder den Betten zu, während er patzig antworte: "Ich ruh mich doch aus, oder sehen Sie mich durch die Gegend springen?"
Evan verzog das Gesicht zu einem frustrierten Lächeln. "Gehen Sie in Ihr Quartier und schlafen Sie ne Runde."
"Nein!" kam es sogleich von Radek, dem der Gedanke die Krankenstation verlassen zu müssen, gar nicht behagte. "Nein, ich kann hier nicht weg!"
Evan seufzte gespielt laut. "Das Thema hatten wir doch schon! Dr. Weir hat es Ihnen doch bereits bestätigt. Sie haben absolut richtig gehandelt! Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass diese Schuldgefühle völlig unbegründet sind."
"Nein", rief Radek fast hysterisch und sprang von seinem Stuhl auf, um Evan direkt in die Augen sehen zu können. "Es ist meine Schuld, dass so viele gestorben sind, denn ich habe die ersten Infizierten aus dem Torraum gelassen! Es ist meine Schuld, dass uns die Wraith schnappen konnte, weil…weil ich nicht rechtzeitig reagiert und geschossen hab. Von mir stammte der Plan, unser Glück auf Rebil zu versuchen, um das Gegenmittel zu besorgen…ich…es…"
Unendliche Trauer zeigte sich in Radeks Gesichtszügen, als er nach Worte ringend den Kopf schüttelte und den Satz unbeendet ließ.
"Ich gebe dem Major Recht", kam es von Ronon, der die ganze Szene bisher schweigend beobachtet hatte. "Sie haben richtig gehandelt."

Das doch etwas lautere Gespräch trieb Marc Steffens neugierig aus seinem Büro. "Was ist hier los? Das hier ist ein Krankenhaus, meine Herren!" mahnte er. "Wenn Sie sich unbedingt streiten müssen, dann würde ich Sie bitten, dies vor der Tür zu tun!"
Evan setzte eine entschuldigende Miene auf und deutete mit einer >er war's< Geste auf Radek. "Der hat sie nicht mehr alle" meinte er, in dem verzweifelten Versuch die angespannte Stimmung mit seinem kleinen Scherz etwas zu heben. Ein böser Blick von Steffens war alles, was sein >Witz< ihm einbrachte und er murmelte leise ein "`tschuldigung".
Er hatte nie ein besonderes Händchen im Umgang mit Zivilisten, welche oft grundlos in sei Einsatzteams gesteckt worden waren, gehabt. Radek war jedoch stets anders gewesen. Anders als die Zivilisten, mit denen er es sonst zu tun bekam und anders als er es sich von einem Wissenschaftler vorgestellt oder erwartet hätte. Evan musste sich eingestehen, dass er in manchen Situationen völlig vergessen hatte, dass Radek überhaupt kein Soldat war. In seinen Augen war der Wissenschaftler so souverän mit all den Gefahren umgegangen, dass Evan ihn nicht mehr als Zivilisten gesehen und auch nicht dementsprechend behandelt hatte. Im Nachhinein tat es ihm leid. Wenn er Zelenka jetzt so betrachtete, niedergeschlagen wie er war, überkamen ihn mehr Schuldgefühle als der Tscheche in seinen Augen jemals hätte haben können. Radek hatte so stark gewirkt. Jetzt sah der Wissenschaftler jedoch so verletzlich aus, wie man es von einem Mann, dessen Job hinter einem Schreibtisch und vor Computern stattfand, erwartete. Diese Situation erschien ihm fast schizophren. Als hätte er zwei Gesichter dieses außergewöhnlichen Mannes kennengelernt.
"Sie hätten doch gar nicht anders handeln können", versicherte jetzt auch Marc dem niedergeschlagenen Wissenschaftler. "Sie haben ein Schiff davon abgehalten Atlantis zu zerstören und…"
"Und wenn schon!" schrie Radek ungeachtet der vorherigen Bitte um Ruhe. "Nur weil das geklappt hat, macht das in Ihren Augen etwa all die anderen Fehler ungeschehen!" fragte Radek.

Evan hörte sich diese in seinen Augen völlig sinnlose Debatte noch ein wenig an, bevor er energisch einschritt. Er verpasste Radek unter den entsetzten Augen von Steffens eine saftige Ohrfeige.
"Reißen Sie sich gefälligst zusammen!" schnauzte er den Tschechen an. "Ich hab immer gedacht, Sie wären nicht der Typ Mensch, welcher gern in Selbstmitleid badet! Fakt ist, hätten Sie nicht so gehandelt, wie sie es nun mal getan haben, wären wir alle tot. Das ist eine Tatsache! Akzeptieren Sie's und hören Sie mit der Flennerei auf!"
Angespannte Stille folgte diesen Worten. Dr. Steffens war offensichtlich von der Situation dermaßen überrascht, dass ihm nichts einfiel, was er hätte sagen können. Ronon, welcher immer noch schwieg, gab dem jungen Soldaten mit dem, was er sagte, Recht und so erfreute es ihn zu sehen, dass die harten Worte ihre Wirkung offensichtlich nicht verfehlten. Radek rieb sich zwar mit der Hand über die schmerzend gerötete Wange, doch sein Blick schien wieder klar und weitaus weniger verzweifelt als noch vor wenigen Minuten.
"Wollen Sie damit etwa behaupten, Sie hätten in jeder Situation genauso gehandelt?" fragte Radek nach, dessen Stimme jetzt nicht mehr traurig, sondern wütend klang.
"Ich?" fragte Lorne mit gespielter Überraschung. "Nein, wäre ich an ihrer Stelle gewesen, ich hätte nicht so gehandelt", meinte Lorne ernst. Radek ließ seufzend seinen Kopf wieder sinken. Er hatte es doch gewusst, er…
"Ich wäre nicht annähernd so weit gekommen wie Sie", erklang leise aber dennoch deutlich hörbar Evans Stimme. Radek blickte verdutzt auf und sah dem Soldaten fest in die Augen.
"Sie versuchen doch nur mich aufzumuntern", gab er patzig zurück.
Evan lachte freudlos. "Glauben Sie das wirklich? Ich meine, ich wäre ohne Sie nicht einmal aus meinem Quartier bekommen! Selbst wenn ich es irgendwie geschafft hätte, wie weit wäre ich denn alleine gekommen? Ich hätte die 48 Stunden schon dafür gebraucht, genügend Personal aus ihren Quartieren zu befreien, um überhaupt den Wraith-fang-Plan in die Tat umzusetzen. Außerdem wurden mein Team und ich ebenfalls von den Wraith gefangengenommen, vergessen Sie das nicht! Nur von Ihnen stammt der Plan zur Vernichtung des Wraithschiffes, welches ja, wie wir wissen, Proben des Virus hatte. Glauben Sie einem von meinen Leuten wären die Berechnungen möglich gewesen, welche das Schiff zerstörten? Nein, Dr. Zelenka. Die Antwort auf all diese Fragen ist nein. Nein, ich hätte das nie alleine hinbekommen." Sein durchdringender Blick hatte während seiner Ansprache stets den von Radek gesucht. "Glauben Sie mir etwa immer noch nicht?" hakte der Soldat nach, als Radek den Blick wieder zu Boden richtete.
"Radek, der Major hat Recht", kam es von Marc. "Sie waren die ganze Zeit über unser Optimist. Sie haben nie aufgegeben und uns andere stets mitgerissen, wenn wir dem Verzweifeln nah waren."
"Ja" stimmte jetzt auch Ronon ein, welcher dem Wissenschaftler unbedingt mit einem positiven Kommentar helfen wollte. "Wären Sie nicht gewesen, hätte uns das Schiff dieses…wie hieß der Typ noch gleich?"
"Kemal" half ihm Evan auf die Sprünge.
Nickend begann Ronon noch einmal. "Also wären Sie nicht gewesen, hätte uns Kemals Schiff alle getötet. Aber wir leben noch!"
Jetzt fehlten Radek die Worte. Er wusste nichts zu sagen, stand nur wortlos mit gesengtem Kopf da und hoffte, dass die anderen seine Tränen jetzt nicht sahen. Sie standen alle hinter ihm! Bereit ihm die Last von den Schultern zu nehmen, von welcher er geglaubt hatte, dass das Schicksal sie allein auf seinen Schultern abgelegt hatte. Doch er hatte sich geirrt. Er war nicht allein! Genau genommen war er nie allein gewesen. Er hatte Freunde und die würden für ihn da sein, wann immer er sie an seiner Seite brauchen würde. Von einer unendlichen Erleichterung übermannt, zog er Evan in eine Umarmung welche alle Anwesenden zuversichtlich stimmte. Radek würde wieder der Alte werden, davon waren sie jetzt alle überzeugt. Sie würden es schaffen, gemeinsam.

Kapitel 12.
Die Nacht senkte sich über Atlantis und tauchte die Stadt mit ihren vielen Lichtern in eine kühle Abendbriese. Eine junge Frau ging zielstrebig durch die beleuchteten Gänge. Ihr Haar, welches sie zu einem ordentlichen Pferdeschwanz gebunden hatte, wippte im Takt ihrer Schritte. Zuversicht zeigte sich auf ihrem hübschen, rundlichen Gesicht, als sie die Krankenstation erreichte.
Major Lorne, welchen sie vor einer Stunde in der Kantine begegnet war, hatte auf die Frage nach den neusten Nachrichten aus der Krankenstation mit einem besorgten "Carson und Rodney geht es noch nicht besser und Radek sollte dringend ein wenig schlafen" geantwortet. Und wenn sie sich nicht sehr irrte, dann würde sie zumindest einem Problem Abhilfe verschaffen können. Cady fand Radek wie erwartet auf einem Stuhl zwischen den beiden Betten vor. Sie blieb stehen und betrachtete ihn einen Augenblick lang. Wie sollte sie vorgehen? Sollte sie mit der sprichwörtlichen Tür ins Haus fallen, oder langsam und vorsichtig…
Ach was soll's?
Sie trat die letzten Schritte auf den ruhig sitzenden Mann zu und umschlang ihn von hinten mit ihren Armen. Überrascht zuckte Radek kurz zusammen und staunend sah er Cady an. Diese lächelte lieb und legte ihren Kopf auf seine rechte Schulter. Sie verharrte in dieser Position und wartete ab, ob von Radek irgendeine negative Reaktion kam. Doch sie blieb erfreulicherweise aus. Was noch besser war, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, genoss er die Situation sogar. Cady strahlte. Sie hatte sich in ihren Gefühlen wohl doch nicht geirrt. Nein, diese Umarmung tat gut und fühlte sich richtig an.
Radeks Gedankengänge kamen ebenfalls zu diesem Urteil. Das hier war richtig! Auch wenn es ihn überraschte.
Er hatte Cady oft beobachtet, wenn sie ihm über den Weg gelaufen war. Vor dieser Mission hatte er nie wirklich Kontakt zu ihr finden können, obwohl er sie wirklich attraktiv fand. Sie war als Militärangehörige immer unerreichbar für ihn gewesen. Ihn, einen Wissenschaftler. Nie hätte er geglaubt, bei ihr eine Chance zu haben und doch…jetzt war sie hier und ihr Kopf ruhte auf seiner Schulter.
Ihr Kopf bewegte sich leicht und mit einer Stimme, die ihm sämtliche Nackenhaare zu Berge stehen ließ, flüsterte sie ihm ins Ohr: "Ich hab gehört, hier ist ein ungezogener Wissenschaftler, der nicht ins Bett möchte." Ihr warmer Atem streifte sein Gesicht und seinen Hals und schlagartig wurde es verdächtig heiß in diesem Raum. Sein ganzer Körper war von einem angenehmen Prickeln durchzogen, als er seinen Kopf in ihre Richtung drehte, fieberhaft überlegend, was er auf diese scherzhafte Bemerkung antworten könnte. Nicht, dass es ihm an Schlagfertigkeit gefehlt hätte. Nein, schlagfertig wurde man automatisch, wenn man lernen musste mit Rodney McKay zusammen zu arbeiten. Was sein Geschick mit Frauen anging, war er schon eher ein wenig eingerostet. Andererseits hatte er auch noch nie eine Frau wie Cady Goodman kennengelernt. Sie war anderes, aber im positiven Sinne. Sie war vielleicht nicht so klug wie er, dafür wohl um einiges stärker, was genügend ausgleichende Gerechtigkeit darstellte. Ja, vielleicht war Cady der Mensch, auf den er sein Leben lang gewartet hatte. Zumindest gab es nur eine Möglichkeit das herauszufinden.
"Ach, und Sie glauben, Ihnen würde dieser ungezogene Wissenschaftler ins Bett folgen?" Ein spöttisches Grinsen lag auf seinen Lippen. Cady löste sich von ihm und sah tief in seine Augen, "nun, zumindest würde er etwas verpassen, wenn er es nicht täte", versprach sie mit einem süffisanten Grinsen.
Radek war kurzfristig mehr als gewillt, auf diesen Vorschlag einzugehen. Aber als sein Blick zurück auf seine beiden fast leblosen Freunde viel, verschwand das Lächeln von seinem Gesicht. Er konnte nicht weg! Was, wenn etwas passieren würde? Wenn sich ihr Zustand verschlechterte? Würde er es sich jemals verzeihen, wenn sie starben und er in ihren letzten Minuten nicht anwesend wäre? Die Antwort auf diese Fragen war ganz klar, nein!
Cady bemerkte seinen inneren Kampf und verstand seine Gefühle nur zu gut. Doch auch sein Gesundheitszustand war weit von einem optimal entfernt. Schlaf würde ihm sicher gut tun. Die Angst davor, dass die Betten von Carson und oder Rodney morgen nicht mehr belegt wären und er durch seine Abwesenheit der letzten Chance sich zu verabschieden beraubt wäre, konnte sie dennoch nachvollziehen.
"Ich…" begann Radek mit einem Versuch, Cady seine Gefühle verständlich zu machen.
"Du hast Angst, dass sie morgen nicht mehr hier sind", nahm ihm Cady die Erklärung ab. Kummervoll nickte Radek und griff nach ihrer Hand. Wieder trafen sich ihre Blicke. "Nicht, dass ich dein Angebot nicht zu schätzen wüsste", begann er "aber…"
"Kein aber" unterbrach sie ihn im Befehlston. "Der Doc sagt, du gehörst ins Bett. Wenigstens für ein paar Stunden" fügte sie hinzu, als Radek schon dabei war zu widersprechen. Schweigen legte sich über das Paar. Sollte er es riskieren? Oder wäre diese Entscheidung der größte Fehler seines Lebens? Er ließ Cadys Hand los und stand auf. Trat immer noch schweigend an das Bett von Rodney heran, blickte dann auf Carsons Monitor. Ihre Lebensfunktionen waren die letzten Stunden stabil geblieben. War da die Möglichkeit nicht groß, dass es für die nächsten Stunden auch so blieb? Dann sah er besorgt zu dem leeren Bett, auf dem noch vor wenigen Stunden Miko gelegen hatte. Ihr Zustand war so plötzlich schlechter geworden, obwohl vorher nichts darauf hingedeutet hatte. Gut, ihr Zustand war kritisch und eine genaue Einschätzung war deshalb nicht möglich.
Unbemerkt hatte Marc sich zu ihnen gesellt und die Beiden erschraken, als er leise zu sprechen begann: "Ich lasse Sie rufen, falls sich irgendetwas ändert", versprach er.
Radek fuhr herum. Der Arzt wirkte müde und ziemlich erschöpft. Offenbar war er ebenso wenig bereit, die Krankenstation zu verlassen. "Wir tun unser Möglichstes. Im Moment sind beide stabil. Ein paar Stunden Schlaf würden Ihnen nicht schaden", meinte Marc an Radek gerichtet.
Wieder sah Radek hinab zu seinen schlafenden Freunden.
Nur ein paar Stunden, versprach er in Gedanken. Ich bleibe nur ein paar Stunden.

"Zu dir oder zu mir?" fragte Cady, als sie die Krankenstation verließen. Im ersten Moment war Radek sprachlos. Wenn er vorher noch letzte Zweifel an Cadys Gefühlen gehegt hatte, so hatten sie sich jetzt endgültig zerstreut. Dennoch starrte er sie mit leicht geöffnetem Mund und großen Augen an, als hätte sie etwas Falsches gesagt. Ohne näher auf Radeks Verhalten einzugehen, griff sie nach seiner Hand und zog ihn mit den Worten: "Zu dir" durch die Gänge.

"Warum ich?" fragte Radek als sie sich nach einem langen ersten Kuss voneinander trennten.
Zum Glück hatte er sein Quartier ordentlich hinterlassen, denn das sonstige Chaos, welches bei ihm eigentlich herrschte, wäre peinlich gewesen. Er hatte zwar nicht erwartet, in nächster Zeit einmal eine Frau hierher mitzubringen, aber gelegentliches Aufräumen war nie verkehrt. Das Licht im Raum war gedämpft, gerade hell genug, um etwas zu sehen und die Stimmung nicht zu ruinieren. Doch seine Frage schien dem zauberhaften Augenblick nicht gerade dienlich zu sein. Offensichtlich war Cady nicht auf eine derartige Frage vorbereitet gewesen, denn sie löste die Umarmung auf und sah Radek fast ein wenig verärgert an. Musste es denn für jede Situation ein Warum geben? Reichte es denn nicht, dass ihre Gefühle für den Wissenschaftler da waren? War da ein Warum denn wirklich noch nötig? Mal abgesehen davon, dass sie diese Frage nicht beantworten konnte, weil sie die Antwort nicht kannte. Sie hatte Radek auf Atlantis das erste Mal in der Kantine getroffen und ihn auf Anhieb sympathisch gefunden. Seine ganze Art und sein niedlicher Dialekt…sie hatte ihn einfach gleich gern gehabt. Je mehr sie über ihn herausgefunden und ihn kennengelernt hatte, desto mehr wurden aus dem bloßen Interesse an ihm richtige Gefühle. Nach dieser gemeinsamen Mission, welche jetzt hinter ihnen lag, war sie sich sicher gewesen. Sie liebte diesen Mann und sie wollte ihn für sich. Aber warum, das konnte sie nicht erklären. Wie hätte sie diese vielen Kleinigkeiten auch zusammenfassen sollen. Sie holte einmal tief Luft und meinte dann: "Weil der Held am Ende immer das Mädchen bekommt."
Radek brauchte eine Weile, um diesen Kommentar zu verarbeiten. Dann begann er zu lachen und Cady stimmte sogleich mit ein. Es freute sie zu sehen, dass er schon wieder so befreit lachen konnte. Dr. Steffens hatte ihr zwar bereits mitgeteilt, dass Radeks Genesung durchaus im Bereich des Möglichen war, da er sich nicht verschloss und jegliche Hilfe ablehnte. Es würde zwar dauern, bis er alles verarbeitet hatte, aber er würde es überwinden und sie wäre bei ihm und würde ihm helfen.

Kapitel 13.
Von neuer Energie durchflutet, welche nicht nur an den Stunden Schlaf lagen, welche Radek gerade hinter sich hatte, sondern auch an der wundervollen Frau neben der er heute aufgewacht war. Zu seiner Freude hatte ein erster Funkruf auf die Krankenstation ergeben, dass alles noch beim Alten war. Keine Verbesserungen aber wenigstens war auch nichts schlechter geworden. Radeks gute Laune schwand jedoch jäh, als er Dr. Barned auf dem Gang zur Krankenstation antraf. Seine Gefühle dem Arzt gegenüber hatten sich bis heute nicht geändert. Noch immer sah er es als die Schuld des Rebil-Arztes an, dass es überhaupt zu dieser Katastrophe hatte kommen können.
"Guten Morgen, Dr. Zelenka", grüßte Dimitri. Sine Stimme wirkte gleichgültig und in seinen Augen lag immer noch diese Leere. Fast wie in den Augen der Zombies. Radek schauderte bei diesem Gedanken.
"Was wollen Sie?" fragte Radek unhöflich. Sein Gegenüber konnte ruhig bemerken, dass er ihn nicht leiden konnte. Dimitri wirkte, als hätte er nichts anderes als Unhöflichkeit von Radek erwartet. Oder er ignorierte sie einfach nur gekonnt.
"Ich habe gehört, dass die Versuche zur Behebung der Seuche auf den anderen Welten gut voranschreitet", erklärte er. Radek gab nur ein Grunzen zur Bestätigung von sich.
Cady hatte ihm erzählt, dass Elisabeth mit den Informationen von Yanic bereits begonnen hatte, die verseuchten Planeten zu retten. Wie es ursprünglich ihr Plan war, brachten sie mit Raketen eine große Dosis Gegenmittel in die richtige Position, um sie mit ihrer Detonation über ganze Dörfer oder Städte zu verteilen. Wann immer die Krankheit auf einem Planeten besiegt war, wurde von Dr. Weir Hilfe für den Wiederaufbau angeboten, die auf den meisten Planeten dankend angenommen worden war. Die meisten Ärzte der Stadt waren deshalb auch außerweltlich unterwegs.
Die Atagra, welche unter neuer Führung von Yanic ebenso wenig Interesse daran hatten, sich an Hilfsmissionen zu beteiligen, wie sie es unter Kemals Führung gewesen waren, waren in den Untergrund ihrer Heimat zurückgekehrt. Sie hatten keinerlei Anstalten gemacht, die neugewonnene Freundschaft ihrer beiden Kulturen zu vertiefen und hatten sich beharrlich geweigert, die Adresse ihres Planeten öffentlich bekannt zu geben. Elisabeth hatte es aufgegeben und sie ziehen lassen.
Radek, der sich wieder auf den Weg zur Krankenstation machte, registrierte resigniert, dass Dr. Barned ihm folgte.
"Was wollen Sie noch?" fragte Radek, blieb stehen und drehte sich zu dem anderen Mann um.
"Ich hab das Gefühl, mich bei Ihnen entschuldigen zu müssen", gestand er.
Radek schnaubte. "Sie glauben doch nicht wirklich, dass ich diese Entschuldigung annehme?!" schrie er. "Schließlich ist alles Ihre Schuld!"
Dimitri wirkte zum ersten Mal ein wenig geknickt. "Nicht, dass ich dies abstreiten möchte, Dr. Zelenka" begann er. "Ich weiß, dass es für die Geschehnisse keine Entschuldigung gibt. Es war auch keine Entschuldigung in so großem Stiel. Ich wollte damit nur sagen, dass mir das Schicksal ihrer Freunde und Kollegen leidtut. Mehr nicht."
Radek sah den Mann minutenlang an. Wie konnte man nach dem Tod so vieler Personen nur so ruhig bleiben? War seine Gefangenschaft bei den Wraith oder das Sterben seiner Welt dafür verantwortlich, dass der Typ jetzt ein Rad ab hatte? Radek wusste es nicht. Vielleicht, so dachte er sich, waren auch die Schuldgefühle derart überwältigend und hatten ihn den Verstand verlieren lassen. Noch gestern hatte er mit ähnlich schweren Reuegefühlen gekämpft und daher konnte er verstehen, dass es einen auf Dauer um den Verstand brachte.
"Es tut Ihnen leid?" wiederholte Radek. Noch nie hatten diese Worte unpassender geklungen, als in diesem Moment. Gut, die Bevölkerung auf Rebil hatte Radek auch leidgetan. Wahrscheinlich hatten sie alle nicht den Hauch einer Ahnung gehabt.
Genauso wie die vielen infizierten Planeten, die nicht mehr gerettet werden konnten. Bisher waren ganze 7 Welten auf ihrer roten Liste. Planeten, deren Tore man unbrauchbar machte, bevor man die Welt verließ. Man wollte unbedingt verhindern, dass die Seuche einen zerstörten Planeten nicht doch noch einmal verlassen konnte. Wie viele Planeten sich der roten Liste wohl noch anschlossen? Wie viele Unschuldige?
Nein, egal was Dr. Barned auch sagte, es würde nichts an der Abneigung ändern, die Radek für ihn empfand.
"Wir wollten nie etwas Böses", fügte Dimitri hinzu, als ob er Radeks Gedanken gehört hätte.
Nein, natürlich hatten sie keine derartige Massenvernichtungswaffe geplant. Es war ein Unfall, aber auch sträflicher Leichtsinn gewesen, überhaupt mit etwas zu experimentieren, für das das vorhandene Wissen zu gering war. Dennoch viel ihm bei diesem Vergleich sofort Atlantis ein. Auch sie spielten hier mit Technologie herum, für deren Verständnis ihnen noch Jahre der Forschung fehlten und auch sie machten Fehler. Auch fatale Fehler, musste er sich eingestehen. Aber bisher hatten diese Fehlschläge nur sie selbst und Atlantis betroffen und nie derartige galaktische Auswirkungen gezeigt. Doch war das vielleicht auch nur Glück gewesen? Was somit unumstößlich zu dem Argument führte, dass Dr. Barneds Fehler nur Pech war. Pech, dass die Katastrophe ihre Welt hatte verlassen können. Aber wenn er soweit ging, hieß das im Umkehrschluss, dass er Dimitri Barned nicht mehr Schuld zuschieben könnte, als er sie auf sich nahm, wenn er eine für ihn unbekannte Technologie untersuchte. Die Richtung dieser Gedanken hätten verwirrender nicht sein können. In seinem Hass auf die Rebil und ihr Virus hatte er sich nie die Zeit genommen, gründlich darüber nachzudenken. Selbst wenn seine Überlegungen jetzt dazu tendierten, dass Dimitri nicht wirklich die Schuld an allem gegeben werden konnte, er würde es wohl nicht über sich bringen diesem Mann zu verzeihen. Auch auf die Gefahr hin, das er ihm damit wirklich Unrecht tat.
"Ich hab mir überlegt", begann Dimitri und zog Radek aus dem Sumpf seiner eigenen Gedanken.
"Ich werde das Schicksal meines Volkes teilen." Dimitri sprach nicht weiter. Radek schien aber dennoch zu verstehen. "Bedauerlicherweise bin ich nicht in der Lage zu vergessen, wie Ihre geheilten Freunde. Auch ich sehe in mir einen Mitschuldigen dieser Apokalypse. Ich lebe ein Leben, welches ich in meinen eigenen Augen nicht verdiene. Daher habe ich beschlossen, nach Rebil zurückzukehren."
Erst war Radek sprachlos. Der Mann musste wirklich den Verstand verloren haben, um so ein Ende für sich zu wählen. Er selbst erinnerte sich noch allzu gut an die Begegnung mit den Zombies und seinen beinahen Tod. Niemand hatte solch ein Ende verdient. Nicht einmal…
"Sie Feigling!" brüllte er Dimitri an, der zum ersten Mal seit Radek ihn kannte, eine richtige Gefühlsregung zeigte. Unverständnis blitze in seinen sonst so ausdruckslosen Augen. "Ich verstehe nicht?" fragte er.
Radek schnaubte übertrieben laut. "Sie können nicht vergessen, also wollen Sie weglaufen! Sie sind ein elender Feigling! Mit Ihrem Selbstmord fliehen Sie doch nur vor der Verantwortung für Ihre Taten! Stimmt's?" hakte Radek mit überheblicher Stimme nach. "Ist es nicht das, was Sie damit bezwecken? Hä? Flucht vor Ihren Taten? Hä?" fragte er. Dimitri musterte ihn mit einen ungewöhnlichen Glänzen in den Augen. "Von dieser Seite habe ich das noch nie betrachtet", gestand er. Radek wurde wieder ruhiger. Es war im Nachhinein wohl auch nicht gerecht einem Selbstmordkandidaten solche Dinge an den Kopf zu werfen. Jedoch schienen diese Worte etwas in Dimitri ausgelöst zu haben, denn nachdenklich schweifte sein Blick vorbei an Radek ins Leere.
"Ich wollte damit nur sagen…" versuchte Radek zu erklären, aber Dimitri gebot ihm mit erhobener Hand, still zu sein. "Sie haben Recht!" sagte er stattdessen und wieder erlebte Radek eine Premiere, denn noch nie hatte Dimitri so eine Überzeugung in der Stimme gehabt. "Ich werde nicht davonlaufen, ich werde mich stellen!" schlug er mit überraschend unerwarteter Fröhlichkeit vor.
"Ich werde das Gegenmittel zusammen mit meiner medizinischen Hilfe zu jedem bringen, der danach ruft." Seine überschwängliche Freude war jetzt nicht mehr zu übersehen. Er griff nach Radeks Hand und schüttelte diese eifrig. "Ich danke Ihnen" sagte er glücklich. "Obwohl Sie mich hassen, haben Sie meinem Leben gerade wieder einen Sinn geschenkt."
Dies war Radek in dem Moment, als er die Worte an Dimitri gerichtet hatte, eigentlich nicht durch den Kopf gegangen. Er hatte den anderen Mann beschimpfen, ihn beleidigen wollen, aber ihm damit helfen, das war unbeabsichtigt geschehen. Jetzt da er aber die Freude im Gesicht seines Gegenübers sah, welcher halblaut darüber spekulierte, wie er sich wohl am besten nützlich machen könnte um zu helfen, da viel ihm ungewollt die Szene in der Krankenstation ein und auch Cady tauchte in seinem Geist auf. Ja, er hatte hier in Atlantis Freunde und sogar eine Frau, die hinter ihm standen. Die es erst gestern geschafft hatten, ihn mit einem ähnlichen Glücksgefühl aus den trüben Gedanken zu helfen. Nach alldem, was geschehen war, hatten sie ihm ein Leben zurückgegeben, welches er verloren geglaubt hatte.
Dieser Moment war so eigenartig, das Radek dazu nichts mehr einfiel und er nur stumm den Arzt ihm gegenüber musterte. Erst als Dimitri ihm noch einmal die Hand reichte, dieses Mal mit den Worten: "Leben Sie wohl. Ich wünsche Ihnen und Ihren Freunden von ganzem Herzen das beste. Wir werden uns wohl nicht wiedersehen, daher spreche ich Ihnen noch einmal meinen Dank aus." Dann drehte er sich um und verschwand in den Gängen. Bevor Radek begriff, was Dimitri ihm eben gesagt hatte, war der Arzt schon außer Sicht.
Kopfschüttelnd versuchte Radek das eben Erlebte richtig einzuordnen und zu überdenken, während er weiter zur Krankenstation ging.

Kapitel 14.
"Gibt es etwas Neues?" Hoffnungsvoll blickte Radek über Marcs Schulter auf dessen Laptop. Nicht, dass er viel von dem verstand, was der Bildschirm ihm zeigte, aber er war neugierig. Marc hatte seine Frage nicht einmal gehört, denn seine Gedanken waren ganz bei seiner Tätigkeit. Ungeduldig wiederholte der Tscheche seine Frage erneut, doch wieder reagierte Marc nicht. Er ließ nur ein genervtes "schhh" vernehmen, damit Radek endlich still war und er sich konzentrieren konnte. Einer der Rebil-Ärzte hatte ihn auf eine interessante Theorie gebracht, welcher er sogleich nachgegangen war. Jetzt forschte er schon seit den frühen Morgenstunden.
Auch er hatte für mehrere Stunden geschlafen, wenn gleich ungewollt. Irgendwann hatte ihn der Schlaf einfach übermannt. Schließlich hatte er in den letzten Tagen nicht besonders viel davon gehabt. Erst der Seuchenausbruch, dann die Suche nach dem Gegenmittel, die Behebung der Seuche, was durch das Lüftungssystem der Stadt zwar problemlos geklappt hatte, aber dann war da die ständig wachsende Zahl Verletzter gewesen, welche seine volle Aufmerksamkeit gefordert hatten. Zwischendurch hatte er sich für Stunden aufs Ohr gehauen, war aber ständig wieder gerufen worden. So hatte ihn letzte Nacht die Anstrengungen und die Müdigkeit der letzten Tage eingeholt und er war auf seiner Tatstatur vor einigen Berichten eingeschlafen. Mit einem lustigen Muster im Gesicht war er aus der unbequemen Position erwacht, als ein Rebil nach ihm verlangte.
Seit diesem Zeitpunkt saß er nun an dieser fixen Idee, welche ihm keine Ruhe mehr ließ. Mit einem Ohr hatte er Radek zugehört, als dieser von seinem Zusammentreffen mit Dr. Barned auf dem Gang berichtete. Auf seinem Computer liefen die Ergebnisse seiner ersten Tests durch und je näher er dem Endergebnis kam, desto aufgeregter wurde er. Hibbelig wackelte er auf seinem Stuhl hin und her und Radeks Blicke über die Schulter und die immer wieder gestellte Frage nach seinen Neuigkeiten machten ihn nur noch nervöser. Wenn er hiermit richtig lag, waren sie einer Hilfe für Carson, Rodney und all den anderen nicht mehr weit entfernt. Mit einem leisen Ton meldete sich der Computer und all die Anspannung dieses Momentes ließen Marcs Hände zittern. Mit ungeschickten Fingern tippte er auf die Tastatur und überflog die sogleich erscheinenden Ergebnisse. Mit jeder Zeile, die er las, wurde sein Gesicht erhellt. Radek deutete dies als gutes Zeichen. Als Marc sich dann lächelnd zu ihm wandte, wusste er, dass er mit seiner guten Vermutung recht gehabt hatte.
"Ich hab's!" bestätigte ihm Marc. Radek konnte sich einen "hoffentlich nichts Ansteckendes" Kommentar auf diese Worte nicht verkneifen, denn auch er war glücklich über diese unerwartete Fügung des Schicksals. Vielleicht sollte er doch versuchen, Dimitri vor seiner endgültigen Abreise zu finden, um ihm für seine Hilfe zu danken. Jetzt stand ihm nämlich gerade der Sinn danach.
"Wir haben eine Lösung?" fragte Radek noch einmal nach, als er Marcs spöttischen Blick im Bezug auf seine Bemerkung erkannte.
"Wir sind dicht dran!" versprach der Arzt. "Ich habe wahrscheinlich ein Serum gefunden, welches unsere Freunde zu uns zurück bringt. Nur die genaue Dosierung muss noch ermittelt werden."
Radek und Marc strahlten einander an. Sie hatten es fast geschafft, nur noch…

Ein schnelles Piepen zerstörte die Stimmung des Augenblicks. Alle Augen wandten sich auf den Monitor neben Rodneys Bett. Seine Herzfrequenz stieg rapide und würde unmittelbar zu den gleichen Schwierigkeiten führen, welche Miko das Leben gekostet hatten. Marc sprang auf und auch alle anderen Ärzte und Schwestern in Hörweite kamen gelaufen. Radek rutschte sein Herz in die Hose. Wie konnte das sein? Gerade jetzt! Sie standen so dicht vor einer Lösung, Rodney durfte jetzt nicht sterben!
"Oh bitte, halt durch!" flehte Radek, die Hände zum Gebet gefaltet.
Das schnelle Piepen wurde zu einem langen, gleichmäßigen Ton und Radek hielt die Luft an. Nein, das konnte, das durfte nicht passieren! Marc verlangte nach dem Defibrilator, während eine Schwester das Krankenhaushemd von Rodneys Brust entfernte.
"Geladen und bereit! Zurücktreten!" Rodneys Körper hob sich unter dem Schock und viel leblos zurück in die Kissen. Noch einmal lud Marc nach und Radek ließ alle Hoffnung fahren. Da…"Wir haben Puls!" Dieser Ausruf ließ Radeks Knie weich werden und er sank auf den Bürostuhl, auf welchem vor kurzem Marc gesessen hatte. Wie in Trance sah der Wissenschaftler zu, wie Rodney versorgt wurde. Doch das wieder gleichmäßige Piepen blieb. Noch nie hatte Radek einen schöneren Ton vernommen. Piep, Piep…

"Es war knapp" sagte Marc, während Radek neben ihn trat und zu Rodney hinabblickte. "Gerade noch geschafft" lobte Radek seinen Kollegen halblaut. "Ja, das können Sie laut sagen", meinte Marc, welcher plötzlich wieder schrecklich müde war. "Aber das wird nicht lange so bleiben". Besorgt betrachteten beide den bleichen Mann. "Noch einmal so ne Aktion und wir bekommen ihn nicht wieder zurück."
Radek hatte das fast befürchtet. "Was jetzt? Wie lange wird es dauern, bis sie ein Gegenmittel für ihn haben?"
Marc schüttelte resigniert den Kopf. "Ich befürchte zu lange."
Wieder drohte die Stimmung, welche vor Minuten noch heiter war, gewaltig zu kippen. Marc zog geräuschvoll die Luft ein und Radek sah zu ihm hinüber.
"Wir haben wohl kaum eine andere Wahl", begann der Arzt.
"Wahl?" hakte Radek sogleich wieder neugierig geworden nach.
"Ja", sagte Marc leicht bekümmert. "Wir müssen bei Dr. McKay einen Versuch wagen."
Versuch klang nicht gut. Es klang wie etwas, was leicht schief gehen konnte. Trotzdem widersprach Radek nicht und wartete ab, bis Marc mit seiner Erklärung weiter ausholte.
"Wir haben das Mittel an sich, nur über die richtige Dosierung kann ich im Moment nur spekulieren. Es ist ein Versuch, der ihn rettet oder ihn töte."
"Ohne diesen Versuch stirbt er auf jeden Fall" gab Radek zu bedenken, der nur zu gut verstand, wie der junge Arzt sich gerade fühlen musste.
"Lassen wir es auf den Versuch ankommen" ermutigte Radek ihn noch einmal. Marc sah ihn halbwegs zuversichtlich an. Dann nickte er.

Eine farblose Flüssigkeit wurde schon nach kurzer Arbeitszeit in einer Spritze zu Rodneys Krankenbett gebracht. Marc hob sie von dem Tablett an und betrachtete sie noch kurz. Dann entfernte er die Schutzhülle und brachte die Nadel in die dafür vorgesehene Öffnung am Schlauch der Nahkosenadel, welche unter Rodneys verbundenem Arm verschwand. Durch leichten Druck entleerte er den Inhalt und sah zu McKay, dessen ungewöhnlich blasse Gesichtsfarbe ihm gerade noch blasser vorkam.
Was, wenn er sich irrte? McKay würde diesen Fehler mit dem Leben bezahlen. Dann sah er hinüber zu Carson und fragte sich erneut, ob der Chefarzt ebenso verfahren wäre.
"Was jetzt?" holte ihn Radeks Frage in die Gegenwart zurück.
"Warten" bestätigte er die Befürchtung. "Wir müssen warten."

Kapitel 15.
"Hab ich Ihnen nicht gesagt, Sie sollen die Finger davon lassen, wenn Sie keine Ahnung von dem haben, was Sie da tun?"
Schmunzelnd trat Radek in die Krankenstation und eine altbekannte Stimme quäkte ihm genervt entgegen.
"Ganz ruhig Rodney" gab John Sheppard in seinem üblichen, lapidaren Tonfall zurück. Der Tscheche fand den Colonel mit einem Antikergerät in der Hand auf Rodneys Bett sitzen.
Der Chefwissenschaftler von Atlantis war nun schon seit fast einer Woche wieder ganz er selbst. Was das gesamte Krankenhauspersonal zur Verzweiflung brachte. Daher hatte Radek ihm ein neues Fundstück aus einem der Labors mitgebracht, damit er wenigstens die nächsten Stunden beschäftigt war. Zwar hatten ihm die Ärzte einen längeren Umgang mit seinem Laptop noch untersagt, doch je mehr er nörgelte, desto lieber ließen sie ihn länger arbeiten und Rodney wusste das genau. Deshalb war er schon seit Tagen so unausstehlich wie irgend möglich. Radek bereute schon fast wieder, ihm dieses kleine Stück unbekannter Technologie vorbeigebracht zu haben. Jetzt hatte John eben jenes Gerät in den Händen und fingerte unter dem ständigen Geschimpfe von McKay daran herum.
"Ich mach's schon nicht kaputt!" maulte der Colonel und beugte sich vor, damit Rodney nicht nach dem Gerät greifen und es ihm entreißen konnte.
"Jetzt geben Sie schon her!" befahl McKay, doch Sheppard lachte nur. Sein Arm, an welchem er gebissen worden war, lag immer noch unter weißen Verbänden verdeckt und sein verstauchtes Bein war geschient. Die Krücken, mit denen er hin und wieder Besuche bei Rodney und Carson machen konnte, lehnten an dem Bett des schottischen Arztes, welcher lächelnd die Szene im Nebenbett beobachtete. Auch über Radeks Gesicht huschte ein Lächeln. Nicht, weil Sheppard McKay ärgerte, was er seinem Chef durchaus gönnte, nein, er war einfach nur glücklich darüber, dass alles wieder im weitesten Sinne >normal< war. Atlantis würde zwar nie wieder ganz so werden, wie vor der Seuche, aber es ging weiter. Ein Neuanfang, wenn man so will.
Carson schien ihn bemerkt zu haben, denn er rief lachend zu dem Mann, welcher immer noch etwas abseits stand: "Radek! Schön Sie zu sehen".
Jetzt sahen sich alle um und auch Sheppard und McKay erkannten den Tschechen, welcher nun auf sie zukam.
"Wie geht es Ihnen heute?" fragte er in die Runde.
"Ich darf morgen gehen!" flötete John fröhlich und in diesem Moment gelang es Rodney, Sheppard endlich das gewünschte Gerät aus den Händen zu nehmen. "He!" beschwerte sich dieser und McKay setzte ein siegessicheres Lächeln auf. "Sie haben doch eh keine Ahnung davon", erklärte er.
John wollte etwas erwidern, wandte sich dann aber zu Radek und meinte nur: "Man bin ich froh, wenn der Kerl" und damit deutete er auf Rodney, "wieder Ihr Problem ist.
McKay protestierte laut, doch es ging im allgemeinen Gelächter unter.
"Danke" meinte Radek und meinte es tatsächlich so. Er war froh Rodney McKays nervende Stimme wieder zu hören. Niemals hätte er geglaubt, dass ihm sein Freund so fehlen könnte. Wo er ihn doch gerne herablassend behandelte und keine Gelegenheit ausließ, um ihn zu ärgern. Doch was wäre Atlantis ohne Rodney McKay? "Tja, ich werde wohl noch eine Weile mit ihm als Nachbarn leben müssen" meinte Carson mit gespielt verzweifelter Miene. Wieder kam ein "He!" von Rodney. "Ihr tut ja gerade so, als ob Ihr mich nicht vermisst hättet" meckerte der Kanadier.
"Haben wir auch nicht" kam es sogleich von John. "Ich erinnere mich jedenfalls nicht daran, dass Sie mir in irgendeiner Weise gefehlt hätten."
Rodney bedachte ihn mit seinem typischen McKay-Blick, als er antwortete: "Was wohl ohne Zweifel daran liegt, dass Sie sich an nichts erinnere können. Denn wäre das der Fall gewesen…"
"Hätten wir Sie bestimmt vermisst" beendeten Sheppard und Carson den angefangenen Satz fast synchron, was zu neuerlichem Gelächter führte. Wie gut es doch tat, wieder mit ihnen allen lachen zu können, dachte Radek.
"Was ist so lustig?" frage Evans Stimme, welcher gerade die Krankenstation betrat.
"Colonel", grüßte ihn Sheppard. "Meinen Glückwunsch zur Beförderung" und er streckte dem jüngeren Mann seine unverletzte Hand entgegen.
"Danke" und Evan schüttelte sie dankbar.
"Das haben Sie sich wirklich verdient" lobte Radek.
"Nach alldem, was Sie geleistet haben" stimmte jetzt auch Carson in die Lobeshymne mit ein.
"Danke, danke" Evan hob die Hände. "Es ist mehr Radeks Verdienst, aber ich denke, man hat Ihnen die Story seiner Heldentaten bereits brühwarm aufgetischt."
Sheppard und Beckett nickten. "Oh ja, da haben wir schon einiges zu hören bekommen."
"Und Sie haben mich auch alle schon oft genug gelobt", meinte Radek, der eine erneute Rühmung seiner Taten nicht mehr hören wollte.
"Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn" kam es von Rodney, der im ganzen Rummel von Radeks Heldenbelobigung ganz untergegangen war.
"Klar, Sie hätten das ja auch gekonnt", witzelte John und erhielt einen Hieb von McKay.
"Aber Evan konnte man für seine Taten wenigstens belohnen, indem man ihn beförderte", meinte Sheppard und sah von Lorne zu Zelenka. "Für Sie bleibt nur unser Lob es sei denn, Sie wollen nicht vielleicht in mein Team" schlug John vor und warf einen Seitenblick auf Rodney, der wieder blass im Gesicht wurde.
"He, Sie…Sie wollen mich rausschmeißen? Für Zelenka? Ich…ich bin…"
"Nein sind Sie nicht!" widersprach John noch bevor Rodney mit dem erwarteten Wort >klüger< auffahren konnte. "Schließlich weiß ich ja jetzt, wer der Mutigere von ihnen Beiden ist, also was sagen Sie dazu?" Grinsend sah er den Tschechen an.
"Nein Danke", meinte er höflich aber bestimmt. "Ich bleibe lieber der Held aus der zweiten Reihe, der die Welt erst dann wieder rettet, wenn Sie mal wieder nicht in der Lage dazu sind."
"Hört, hört" Carson applaudierte. "Mit Ihnen in Atlantis fühlen wir uns doch alle gleich sicherer" meinte der Arzt lächelnd.
Rodney machte nur noch ein schmollendes Gesicht. So viel Aufmerksamkeit wie Zelenka im Augenblick bekam, war sonst meist für ihn reserviert. Und seinen Freunden gefiel es auch noch, ihn gnadenlos mit seiner Eifersucht aufzuziehen. Radek, der eigentlich gar nicht so viel Wert darauf legte, der Mittelpunk von Atlantis zu sein, freute sich insgeheim schon wieder auf den Tag, an dem McKay ihm diesen lästigen Posten wieder abnahm.
"Nun" begann Evan wieder zu sprechen. "Da Atlantis nun einen neuen Lieutenant Colonel hat, könnten Sie doch als Wissenschaftler in mein Team kommen", schlug Evan vor.
"Ich bin kein Fan von Gatereisen und lehne dankend ab."
"Schade" meinte Evan und zwinkerte Radek zu. "Aber falls Sie es sich anders überlegen, gehören Sie in mein Team, nicht in seines."
"He!" schimpfte jetzt Sheppard. "Kaum befördert, wird er frech!"
Bevor Evan einen schnippischen Kommentar zurückgeben konnte, kam Cady auf die Krankenstation.
"Hallo allerseits" grüßte sie fröhlich. Sie ging geradewegs auf Radek zu und packte ihn am Arm und schmiegte sich an ihn.
"Hallo? Hab ich da was nicht mitbekommen?" fragte Carson und blickte in die Runde.
"Tja" klärte Evan die Situation auf. "Die sind schon seit Tagen unzertrennlich, den Rest kann man sich ja wohl denken."
"Nette Geschichte, wer hat sich die denn ausgedacht?" fragte Rodney mit vor der Brust verschränkten Armen.
"Wie bitte?" fragte Radek.
"Na glauben Sie etwa ernsthaft, wir kaufen Ihnen diese Geschichte ab? Das ist doch nur wieder eine Inszenierung. Sie und der Lieutenant" McKay lachte gekünstelt.
"Captain" verbesserte Cady ihn und sah wieder zu Radek.
"Hab dich gesucht, gehst du mit mir essen?" frage sie und schmiegte sich an ihn.
"Sie…Sie gehen wirklich mit ihm essen? Mit ihm?"
"Was dagegen?" maulte Cady. Radek bedachte diese Szene nur mit einem überbreiten Lächeln. Auch John und Carson mussten über Rodneys Gehabe lachen.
"Sagen Sie bloß, Sie glauben ihm die Nummer mit Goodman" fragte Rodney an John gewandt, der nur mühsam seine Belustigung verbarg.
Radek beugte sich, um die Diskussion nicht ausufern zu lassen, zu Cady hinüber und küsste sie leidenschaftlich. McKay stand vor Staunen der Mund offen.
"Also gab es doch auch für Sie ne Belohung" meinte Sheppard erfreut.
"Wie…aber wie kann das…" stotterte Rodney, welcher jetzt vollkommen neidisch auf das glückliche Paar blickte.
"Tja Rodney, in jeder guten Story bekommt der Held am Ende das Mädchen."
Begleitet von Evan, John und Carsons Lachen verließen sie Hand in Hand die Krankenstation, glücklich über ihr höchst eigenes Happy End.

ENDE


Schlusswort: Hiermit danke ich allen treuen Lesern, die bis hierher durchgehalten haben. Ich hoffe sehr, dass euch das Lesen genauso viel Spaß gemacht hat, wie mir das Schreiben.
Es würde mich sehr freuen, wenn jeder der bei diesen Zeilen angelangt ist, mir eine kurze oder auch ausführliche Kritik hinterlassen würde. Denn nur durch eure Kritiken kann ich mich verbessern! Und vielleicht seid ihr ja bei der nächsten Story auch wieder mit dabei.

Eure B'Elanna


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