Stargate Fanfic Login
HilfeImpressumLexikon
Erweiterte Suche

The Death Walks von Belanna

[Reviews - 0]   Drucker Kapitel oder Geschichte Inhaltsverzeichnis

- Schriftgröße +
Kapitel Bemerkung: Short-Cut: Wird es dem Team von Radek und Lorne gelingen in der verbleibenden Zeit einen Wraith gefangen zu nehmen, oder scheitert ihr verzweifelter Versuch an der Übermacht des Feindes?
Author's Note:Falls die medizinischen Zusammenhänge dieser Story nicht immer korrekt sind, entschuldige ich mich dafür, ich hab leider nicht das nötige Fachwissen. Aber ich hab mich bemüht, alles plausibel klingen zu lassen.
Mein herzlichster Dank geht an dieser Stelle wieder an Lenari, fürs Betalesen und für die vielen hilfreichen Tipps. Viel Spaß beim Lesen von Teil 2 und bitte gebt mir reichlich Kritik. Positiv wie negativ, ich nehm alles solang es konstruktiv ist.

The death walks, Teil 2 - Gejagter Jäger


Kapitel 1.
Grelles Licht flutete den Jumperhangar, als sich das kleine Schiff der Dachluke näherte. Fast lautlos schwebte es einen Moment über der Stadt, bis sein zügiger Steigflug begann.
Der fast sehnsüchtige Blick Radeks haftete auf dem immer kleiner werdenden Fleck inmitten des blauen Ozeans.
Die Bindung, welche er in den fast zwei Jahren zu dieser außergewöhnlichen Stadt hatte herstellen können, erinnerte ihn schon fast an die Bande, welche ihn mit seiner Heimat verknüpften.
Der ländlich gehaltene kleine Ort, an dem er aufgewachsen war, wie sehr hatte er ihn doch die erste Zeit vermisst.
Sein bisher gefährlichster Außenwelt-Einsatz stand unmittelbar bevor und der bloße Gedanke, Atlantis mit all seinen Geheimnissen vielleicht für immer hinter sich zurücklassen zu müssen, rief ein schmerzhaftes Gefühl in ihm hervor.
Das gleiche Gefühl wie damals, als er ohne zu wissen, ob er die Erde und sein Zuhause jemals wieder sehen würde, hierher aufgebrochen war.
Du hast die Erde wieder gesehen und du wirst Atlantis wieder sehen!
Seine Gedanken waren voll Zuversicht, doch das beklemmende Gefühl des Verlustes haftete weiterhin wie ein Schatten auf seiner Seele.
Mühelos verließ der Jumper die Atmosphäre, wurde von der kalten Schwärze des Alls empfangen.
Vor dem sternenreichen Hintergrund zeichnete sich ein gewaltiges Raumschiff ab.
In seinen Maßen war es gut zweimal so groß wie die Daedalus.
Der Schiffsrumpf war in einer ovalen Form gehalten, die zur Front des Schiffes hin spitz zulief. Darunter verlief eine breite, röhrenförmige Sektion mit einem Satz Zwillingsantriebsgondeln.
Das Schiff wirkte keineswegs elegant oder in irgendeiner Form beeindruckend.
Es erweckte eher den Anschein, als wären die unterschiedlichsten Komponenten wild zusammengewürfelt und zu einem zweckmäßigen Gebilde vereint worden, ohne Wert auf Ästhetik zu legen.
Was die Zweckmäßigkeit betraf, so huschte das Wort >Arche< kurz durch Radeks Geist.
Die Hashepsto war der Versuch einer Zivilisation, ihr blankes Überleben zu sichern. In einer Galaxie, in welcher Fortschritt ansonsten einem Todesurteil gleich kam.
Zur gegebenen Zeit würde Radek, um seine Neugierde zu befriedigen, vorsichtig nachfragen, wie Kemals Volk der Bau der Hashepsto unter den sonst so strengen Blicken der Wraith geglückt war.

"Wir werden gerufen.", meldete Major Lorne, der den Platz des Piloten eingenommen hatte. Was ansonsten Sheppards Job gewesen wäre, war heute der seine. Nun bekam Kemals Stimme endlich ein Gesicht. Ein älterer Mann mit einem vom Leben gezeichneten Gesicht. Zwischen sein kurzes, ergrautes Haar mischten sich vereinzelt noch schwarze Strähnen. Seine Stirn lag in Falten und klare, blaue Augen musterten die Besatzung des Jumpers misstrauisch genau.
"Ich bin Rastherr Kemal. Wer von Ihnen ist Dr. Radek Zelenka?"
Kurzfristig verwirrt, dass Kemal gerade mit ihm sprechen wollte, schob Radek sich in das Blickfeld.
Er nahm an, dass er als Zivilist wohl weniger bedrohlich wirkte, als die Militärs in ihren Uniformen.
Auch war er es gewesen, der den ersten Kontakt zu Kemal gesucht hatte und diesen davon hatte überzeugen können, dass in den fähigen Leuten von Atlantis die Rettung für sie alle verborgen lag.
Radek setzte ein unsicheres Lächeln auf und nickte dem Ratsherrn höflich zu.
"Ich bin Radek Zelenka."
Die wachen, blauen Augen Kemals waren nun streng auf Radek gerichtet, als er fortfuhr: "Wir dachten schon, Sie melden sich nicht mehr. Die Ihnen gegebenen Frist wäre in 3 Minuten abgelaufen. Freut mich, dass Sie es doch noch geschafft haben. Bitte berichten Sie uns von Ihren Ergebnissen."
Radeks Blick suchte und fand den des jungen Arztes, welcher zwischen den Soldaten im hinteren Teil des Schiffes saß.
Radek deutete ihm, sich ebenfalls in Kemals Blickfeld zu begeben.
"Ratsherr, dies ist Dr. Steffens. Er hat sich zusammen mit seinen Kollegen eingehend mit den von Ihnen gesendeten Daten, und auch den unseren, über das Virus informiert."
Marc war nun neben Radek angekommen und grüßte Kemal ebenfalls mit einer leicht angedeuteten Verbeugung.
"Ratsherr, wir besitzen bereits Proben von Wraith-DNA. Die in der Stadt verbliebenen Mediziner beschäftigen sich bereits damit."
"Haben Sie zum jetzigen Zeitpunkt ein Gegenmittel oder nicht?" Kemals Stimme klang streng und sein Gesicht verriet seine deutlich wachsende Ungeduld.
Wenn sich herausstellte, dass das Warten auf die Menschen dieser Welt nichts weiter als eine große Zeitverschwendung darstellte, die keinerlei nennenswerte Ergebnisse zutage fördern würde, hätte Kemal bereits viele seiner einst so gut gemischten Karten verspielt.
Das Zögern der Menschen hier trug somit maßgeblich zu seiner schlechten Stimmung bei.
"Bitte Ratsherr, wenn Sie es uns gestatten würden, an Bord Ihres Schiffes zu kommen, könnten wir Ihnen und Ihren Ärzten unsere bisherigen Erkenntnisse mitteilen.", bat Radek.
"Nein.", war alles womit der Ratsherr Radeks Bitte quittierte.
Lorne verkniff sich ein Seufzen und schluckte einen etwas unhöflichen Kommentar hinunter.
Diese Mission, zu deren Ausführung sie hier waren, schien zu scheitern, bevor sie begonnen hatte.
Was dem Major ein ungutes Gefühl bescherte.
Wenn Kemal nicht drauf einging, gingen ihnen die Optionen aus.
Radek, der immer noch nicht wusste, wie er antworten sollte, mied den prüfenden Blick Kemals.
Obwohl ihm bewusst war, dass den Blick seines Gegenübers zu meiden, ein schlechtes Signal aussendete, konnte er seine Augen nicht gleich wieder auf den Bildschirm richten.
"Ratsherr Kemal, wie Dr. Steffens bereits betonte, arbeiten unsere Mediziner noch an einem Gegenmittel."
"Wird dessen Fertigstellung in den nächsten Stunden zu erwarten sein?", kam die Gegenfrage.
"Nein, leider muss ich das verneinen. Wir bräuchten beträchtlich größere Mengen an DAN-Proben, um die Forschung dahingehend auszuweiten."
Schweigen folgte diesen Worten.
"Sie haben also lediglich unsere kostbare Zeit verschwendet?", begann der Ratsherr wütend.
"Nein, nein so ist es nicht!", unterbrachen ihn Marc und Radek fast gleichzeitig.
"Es verbleiben noch ca. 19 Stunden bis die Bevölkerung unserer Welt die Deadline von 48 Stunden überschreitet. Ich weiß natürlich nicht, wann in Ihrer Welt die ersten Infizierungen stattgefunden haben, aber denken Sie an die vielen Leben, die wir zusammen zu retten vermögen!", gab Marc dem Politiker zu bedenken.
Man konnte sehen, wie sich hinter Kemal eine Gestalt rührte. Ein, in einen weißen Kittel gekleideter Mann trat zu dem Ratsherrn.
"Uns bleibt sogar noch mehr Zeit zur Heilung als diesem Volk.", sprach er leise zu dem Anführer ihrer Nation.
Dr. Mulat hoffte inständig, dass die Fremden es vermochten, Kemal die Rettung aller Betroffenen so schmackhaft wie möglich zu machen.
"Wie lautet Ihr Plan?", erkundigte sich Kemal ohne auf Mulats Anmerkung einzugehen.
"Sie gestatten es uns immer noch nicht, dieses Gespräch von Angesicht zu Angesicht auf Ihrem Schiff fortzusetzen?", hakte Radek nach.
"Teilen Sie mir jetzt Ihren Plan mit, oder nicht?" Der Politiker ließ sich nicht beirren und wich keinen Millimeter von seinem ursprünglichen Standpunkt zurück.
"Wir haben mit unseren Tiefraumsensoren mehrere Wraithschiffe beobachtet. Uns ist es gelungen zu berechnen, wie lange sich ihre Schiffe im Hyperraum aufhalten können und welche Planeten unmittelbar auf ihrer Rute liegen. Somit haben wir etwa ein halbes Dutzend möglicher Planeten, die unmittelbar vor einem Wraithangriff stehen. Gelingt es uns, frühzeitig an einem dieser Planeten einzutreffen, sind unsere Soldaten in der Lage, einen Wraith gefangen zu nehmen. Damit diese Vorhaben aber in der noch verbleibenden Zeit zu schaffen ist, brauchen wir Ihr Schiff. Die Wraith wählen das Stargate nämlich an, sobald sie einen Planeten angreifen, um ein Entkommen ihrer >Beute< zu verhindern. Müssten wir den Angriff also am Boden abwarten, würde uns kostbare Zeit verloren gehen."
Radek beendete seinen Vortrag und wartete gespannt Kemals nächste Reaktion ab.
Dieser hatte ausdruckslos den Ausführungen des Wissenschaftlers gelauscht.
"Der Begriff >Stargate< ist mir nicht vertraut. Ebenso wenig glaube ich daran, dass Ihren Soldaten ein derartiges Komplott gegen die Wraith gelingen könnte."
"Ratsherr Kemal, ich bin Major Evan Lorne, Leiter des militärischen Teams, welches eben dieses Komplott durchführen wird. Bitte glauben Sie mir, das wäre nicht der erste Wraith, den wir gefangen nehmen würden. Wir sind durchaus in der Lage dazu."
Kemal beäugte den Major misstrauisch. Er war nie ein Freund des Militärs gewesen und dieser unscheinbare Bursche, welcher so große Worte spuckte, schien ihm überhaupt nicht erfahren genug und schlichtweg zu jung und zu überheblich zu sein. Nie würde er ihm so eine Mission zutrauen.
"Wenn ich erklären dürfte, Stargate ist unser Begriff für den Ring der Vorfahren.", setzte Radek seine Erklärung an, als er merkte, dass Kemals Blick unentwegt nachdenklich auf Major Lorne haftete.
"Ring der Vorfahren ist mir ein Begriff. Doch wir haben seine Funktionsweise nie ergründet. Nur wenige Aufzeichnungen berichten von früher, als unser Volk den Ring noch benutzte. Uns ist nicht bewusst, dass die Wraith dies ebenfalls tun."
"Dann werden Sie uns helfen?", hakte Radek vorsichtig nach.
"Nein.", war erneut Kemals schlichte Antwort.
"Warum nicht?" Evans Stimme erinnerte Radek an ein schmollendes Kind. Schnell überlegte er, wie er den doch etwas patzigen Ton es Soldaten kompensieren konnte, damit sie Kemals Aufmerksamkeit nicht verloren.
Über Kemals Lippen huschte ein Lächeln. Auch auf ihn machte der Soldat, der vor weinigen Minuten noch zuversichtlich die Gefangennahme eines Wraith angekündigt hatte, den Eindruck eines Kindes, welchem man Süßigkeiten vorenthalten hatte. Doch die unverdorbene und energiegeladene Art der Jugend ließ ein Feuer in den braunen Augen des Soldaten lodern, wie es Kemal einst bei sich festgestellt hatte.
Das machte den Mann dann doch durchaus sympathisch.
Auch die Hartnäckigkeit dieser Menschen verblüffte und bewunderte Kemal zugleich.
Sie waren ihm wirklich durchaus sympathisch.
Sympathisch genug, ihnen etwas zuteil werden zu lassen, was er kaum jemanden seines Volkes gegenüber je angeboten hätte.
Eine Rechtfertigung.
"Mein Volk ist auf einem Planeten heimisch, welchem die Grundlagen für das menschliche Leben fast gänzlich fehlen. Die Sensoren der Wraith vermögen es nicht, uns unter der Oberfläche aufzuspüren. Daher leben wir seit Generationen zwar mit strengen Gesetzen, aber immerhin in Frieden und Freiheit. Auch wenn ich dieser Seuche einen Grossteil meiner Bevölkerung opfern muss, hab ich doch die Hoffnung, dass, sobald die Infizierten in dieser Galaxie ausgerottet sind, genügend Zeit verstrichen ist und die Infizierten unserer Heimat bereits verhungert sind. Wenn die Wraith die Hashepsto bis zu jenem Moment noch nicht bemerkt haben, können Quarantäneteams die toten Infizierten beseitigen und mein Volk in die Sicherheit des Untergrundes zurückkehren. Diese Chance werde ich nicht verstreichen lassen für den lediglich vagen Versuch, einen Wraith gefangen zu nehmen und somit in der bleibenden Zeit ein Heilmittel zu finden."
Dr. Mulat schüttelte, sichtbar unbegeistert über den Ausgang der Gespräche, seinen Kopf.
Kommandant Shigeru, Oberbefehlshaber der Atagra-Garde, welcher am Kontrollpult für die taktischen Daten der Hashepsto saß, schüttelte ebenfalls resigniert seinen Kopf.
Ebenso wie der Doktor hatte auch er gehofft, man könnte den Ratsherrn noch umstimmen.
Schon wenige Stunden nach Beginn ihrer Mission, noch lange bevor sie Ranagarr als erstes potenzielles Ziel erreicht hatten, hatte er ein Gespräch mit Kemal gesucht.
Shigeru hatte dem Ratsherrn seine Bedenken bezüglich ihrer Mission unverblümt kundgetan.
Nie könnte es ihnen gelingen, auch nur die Hälfte der ihnen als infiziert bekannten Welten zu säubern, bevor die Wraith sie bemerkten.
Auch die Atagra verfügten über Tiefraumsensoren und ihre Wissenschaftler hatten seit dem Beginn ihrer Aufzeichnungen nie ein derartig reges Treiben der Wraith dokumentiert.
Sie würden scheitern und die Hashepsto an die Übermacht des Feindes verlieren.
Ein weiteres Volk ausgelöscht, an das sich nach nicht mal einer Generation kein Wesen mehr erinnern würde.
Eine sinnlose Art zu sterben. Der Nichtexistenz gleichzusetzen.
Der Plan dieser Leute war gefährlich, doch Erfolg versprechender als der des Ratsherrn allemal.
Vom Volk der Atagra jedoch war keiner in der Lage gegen den Ratsherrn aufzubegehren und so drückte Shigeru dem Soldaten Lorne die Daumen, als dieser sich erneut an den Ratsherrn wandte.
"Sie müssen uns lediglich zu einem von Dr. Zelenka benannten Planeten bringen. Ihr Schiff kann sich während des ganzen Angriffes von mir aus sogar in einem benachbarten System verstecken. Die Wraith werden Sie gar nicht bemerken.", versuchte Evan den Ratsherrn umzustimmen.
"Wenn die Wraith Sie schnappen, könnten sie dennoch von unserer Existenz erfahren. Das Risiko ist mir zu groß. Ich gebe Ihnen exakt 1 Stunde Zeit, alle Ihre gesunden Personen zu evakuieren. Danach eröffnen wir ohne ein weiteres Wort der Warnung das Feuer auf Ihre Stadt, bis nichts mehr von ihr und den Infizierten übrig ist."
Damit endete die Übertragung und die Insassen des Jumpers blickten schweigend auf die Hashepsto, welche kurz zuvor noch einen rettenden Strohhalm inmitten einer Flut dargestellt hatte und nun bedrohlich die Waffensysteme auf die Stadt zielprogrammierten.

Kapitel 2.
"Kann ich Sie sprechen?"
Dr. Mulat war lange wie ein geprügeltes Tier durch die Gänge der Hashepsto geschlichen.

Seit Kemal den Fremden eine Frist von lediglich einer Stunde gesetzt hatte, waren erst 10 Minuten vergangen und noch keimte ein kleiner Hoffnungsschimmer in Mulat. Er hatte gedacht, die Leute dieser prächtigen Stadt würden mit der Hashepsto spielendleicht fertig. Das ein Schiff auftauchen würde, größer und mächtiger als das ihre und sie Kemal zur Einsicht zwangen.
Minuten der Ungewissheit und dann wurde ihm seine eigene Dummheit schlagartig bewusst.
Hätten diese Menschen ein Schiff, welches in seinen Ausmaßen dem ihrem überlegen wäre, so hätten sie kaum um Hilfe gebeten. Nein, sie brauchten die Hashepsto und mit ihr Kemal, um Aussicht auf Erfolg für ihre Mission zu haben.
Gardekommandant Shigeru hatte sich als erstes bei dem Ratsherrn entschuldigen lassen und war von der Brücke verschwunden.
Als Mulat endgültig klar war, dass das kleine Schiff der Fremden keinen Angriff auf die Hashepsto wagen würde, hatte auch er sich vor Kemal verneigt und sich entschuldigt, da Arbeit auf ihn wartete.
Eine Lüge und nicht einmal eine besonders gute.
Kemal hatte dennoch nicht weiter nachgefragt und hatte ihn von der Brücke entlassen.
Erst war er ziellos durch das große Schiff geirrt.
Wollte nichts hören, mit niemandem reden - einfach nur seinen Kopf frei bekommen von all den erdrückenden Gedanken.
All die Infizierten, deren Tod Kemal so gewissenlos akzeptierte…
Das konnte er nicht!
Keinen einzigen dieser Leute wollte er mit Hilfe der Hashepsto, an deren Bau sein eigener Vater mitgewirkt hatte, den Tod bringen.
Auch sein Tod und der eines jeden Atagras hier hatte Kemal über all ihre Köpfe hinweg entschieden. Zumindest war Shigeru dieser Ansicht.
Mulat hatte dessen Protest dem Ratsherrn gegenüber vernommen.
Wäre dies eine normale Situation gewesen, hätte der Kommandant seine Sachen packen können. Kemal duldete Widerspruch dieser Art nicht. Ein anderes Ratsmitglied hätte protestieren dürfen, aber nicht ein Militär.
Kemal hatte für Soldaten nichts übrig und wegen genau dieser Geringschätzung hatte Mulat ihn seinerzeit auch nicht gewählt.
Nicht, dass er ein großer Freund des Militärs war, nein ganz und gar nicht.
Er verstand die Notwendigkeit für die Garde und er bewunderte Leute wie Shigeru, welche ihr Leben ganz in den Dienst der Sicherheit ihrer Heimatwelt stellten.
Doch Kemal benahm sich Soldaten gegenüber mehr als nur herablassend und dieses Verhalten Kemals hatte Mulat letzten Endes hierher geführt.

Kommandant Shigeru hob seinen Kopf und blickte mit seinem gesunden Auge auf den Mann, welcher unschlüssig im Türrahmen stand.
"Kann ich Ihnen helfen, Dr. Mulat?"
Shigerus Stimme war ruhig und gefasst, obwohl er innerlich kochte.
Mulat trat einen weiteren Schritt in den kleinen Büroraum, von dem aus der Oberbefehlshaber das Militärpersonal an Bord koordinierte.
Geräuschvoll schloss der Arzt die schwere Tür hinter sich und schritt unruhig im Raum auf und ab, ohne auf Shigeru zu achten, der ihm mit einer überschwänglichen Geste einen Stuhl ihm gegenüber anbot.
Shigeru beobachtete die Szene eine Weile schweigend. Er hatte dem Mediziner nichts zu sagen. Obwohl dieser ohne Zweifel so dachte und fühlte wie er.
"Darf ich offen sprechen?", erkundigte sich Mulat, nachdem der Soldat anscheinend auf eine Reaktion seinerseits wartete.
"Sie dürfen sprechen, worüber Sie wollen, werter Doktor. Aber erwarten Sie bitte keine Äußerung von mir, wenn es um ein Thema geht, welches nicht diskutiert werden darf."
Noch immer zeigte Shigeru keinerlei Gemütsregungen.
Natürlich brannte Beiden das gleiche Thema auf der Zunge.
"Wie kommen Sie darauf, dass ich so etwas zu sagen hätte?", hakte Mulat nach, in der Hoffnung seinen Gegenüber so zu einem Gespräch zu zwingen.
"Es liegt mir wirklich fern, Ihnen so etwas zu unterstellen. Also bitte, reden Sie offen."
Mulat wurde wütend. Der Mann ihm gegenüber war ein guter Stratege und seine Wortwahl sehr diplomatisch. Nie würde er etwas aussprechen, was seine Stellung als Oberbefehlshabender gefährden könnte.
Ein wirklich beeindruckender Mann.
Mulat war kurz in Gedanken versunken, was Shigeru jedoch nicht weiter störte. Ihm war klar, dass der Arzt nach den diplomatischsten Worten suchte, um eine Situation zu besprechen, für die man sie beide hinrichten könnte. Sofern sie jemand dabei belauschte.
Shigeru hatte Kemal nie vertraut. Es würde ihn nicht wundern, wenn eine Wanze in diesem Büro versteckt war. Dem Arzt gegenüber konnte er diesen Verdacht jedoch nicht erwähnen, denn eine diesbezügliche Äußerung würde ihn nur unter verdacht bringen.
"Kemals Entscheidung war falsch!"
Erst glaubte Shigeru sich verhört zu haben. Verblüfft über die unverblümte Äußerung des Arztes, richtete der ältere Soldat den Blick starr auf seinen Gegenüber. Sein gesundes Auge, von einem klaren blau, schien den Arzt förmlich zu durchbohren, während das milchig gewordene, rechte Auge kaum mehr als die Konturen des anderen Mannes wahrzunehmen vermochte.
Shigeru war alt. Um ein vielfaches älter als Dr. Mulat.
Der Unfall, welcher Shigeru einst fast das gesamte rechte Augenlicht gekostet hatte, war noch vor Mulats Geburt gewesen.
Shigeru hatte in seinen vielen Lebensjahren, die er dem Arzt voraus war, einiges an Lebenserfahrung angesammelt. Viele Politiker hatte er kommen und gehen gesehen. Über viele hätte er nichts Gutes zu berichten gewusst, doch er hatte stets seinen Mund gehalten. Nie war ein Wort der Verleumdung oder des Verrats über seine Lippen gekommen. So auch dieses Mal nicht.
Wie so oft war er mit einer der politisch getroffenen Entscheidungen nicht einverstanden gewesen.
Widerspruch einem Politiker gegenüber wurde mit Amtsenthebung geahndet, es sei denn man war ebenfalls ein Ratsmitglied.
Verrat oder Zuwiderhandlung einer vom obersten Ratsmitglied getroffenen Entscheidung kam einem Todesurteil gleich.
Kaum eine Person ihres Volkes verstand diese Art der Politik, noch konnte sie jemand gutheißen.
Vor hunderten von Jahren mochte diese Art der Regierung funktioniert haben. Doch ihr Volk war gewachsen, nicht nur technologisch.
Würde nur einmal ein vernünftig denkender Mensch an den Posten des obersten Ratsherrn gelangen, würde alles anders werden - würde es besser werden. Doch nicht solange jedes Ratsmitglied lediglich seine eigenen Interessen vertrat.
Solange es Menschen wie Kemal im Rat gab, würde sich nichts ändern.
Mulat hielt dem Blick des Soldaten stand.
Dieser verschwendete noch einmal einen kurzen Gedanken an seine Wanzen-Theorie und suchte dann nach den passenden Worten, mit denen er sich distanzieren konnte.
"Es liegt weder in Ihrer noch in meiner Macht dies zu beurteilen."
Dr. Mulat lächelte. Der Kommandant wich zurück.
"Aber Sie beurteilen diese Situation so wie ich?"
"Das habe ich nicht gesagt.", zog sich Shigeru weiter zurück.
"Aber Sie denken es?" Eine Frage oder eine Feststellung? Egal, Shigeru würde darauf antworten müssen.
"Mag sein.", räumte der Gardist ein.
Mulat schäumte über vor Selbstzufriedenheit! Dieses Gespräch verlief in die richtige Richtung.
"Dann sind Sie vielleicht ebenfalls der Meinung, dass man etwas unternehmen sollte?"
Endlich zeigte Shigeru die erste Gefühlsregung, seit Mulat den Raum betreten hatte.
Er lachte.
"Ich bitte Sie, selbst wenn dieses benannte Etwas von Ihnen nicht konkretisiert wurde, wer sollte denn dieses Unternehmen gutheißen?"
Schlagartig war Mulats überschwänglich gute Laune verschwunden.
Er hatte gehofft, ohne lange Reden schwingen zu müssen, mit Shigerus Unterstützung rechnen zu können.
Gut, er wusste nicht recht, welche Art diese Unterstützung sein sollte. Eigentlich, so hatte er gehofft, hätte der Offizier selbst bereits einen Plan geschmiedet, dem er lediglich noch zustimmen musste.
"Versprechen Sie mir, mich nicht zu melden, wenn ich dieses Etwas konkretisiere, wie Sie es so schön nannten?"
Shigeru faltete seine Hände ruhig auf dem Schreibtisch und setzte eine entspannte Miene auf.
"Was immer Sie auch von mir halten mögen, Doktor, ich bin vielleicht vieles davon, aber kein Verräter."
Mulat merkte sofort, dass er wohl die falsche Wortwahl benutzt hatte.
Er schenkte dem Soldaten ein schiefes Lächeln.
"Könnte ich bei einem Komplott mit Ihrer Hilfe rechnen?"
Shigerus Gesichtsausdruck blieb regungslos.
Er bewunderte den jungen Mann für seinen Mut.
Ein politischer Umsturz, allein für solche Gedanken hätte man den Arzt weggesperrt oder gar beseitigt. Aber sie waren nicht auf Atagra. Nicht, dass ihre Gesetze auf der Hashepsto weniger geltend waren wie auf ihrem Planeten. Doch so einer Bedrohung hatte sich Atagra auch noch nie ausgesetzt gesehen. Es war so eine Art Präzedenzfall und beide Männer wussten das.
Wenn nicht jemand zum Handeln bereit wäre, würden sie alle sterben.
"Kemal bringt uns mit seiner Entscheidung den Tod! Ich weiß, dass Sie das ebenso sehen.", begann Mulat wieder langsam zu sprechen.
"Was ich denke und, bei allem Respekt, auch das, was Sie denken, ist belanglos. An Bord dieses Schiffes befinden sich 327 Personen. Uns beide, den Ratsherrn eingeschlossen, 12 weitere Ratsmitglieder, etwa 50 von meinen Leuten und der Rest unserer Bevölkerung besteht aus Zivilisten."
"Sie bezweifeln, dass genügend Leute auf unserer Seite stehen?"
Wieder lächelte Shigeru dem jungen Arzt zu.
"Im Moment ist keiner mit der Situation zufrieden, aber auch nicht dermaßen unzufrieden, dass er Worte wie Umsturz auch nur zu denken wagt."
"Ich dachte, Ihre Leute würden Ihnen vielleicht folgen.", meinte Mulat unsicher und wich dem wachsamen Blick des blauen Auges aus.
"Es sind meine Soldaten, doch ich kann sie nicht dazu zwingen gegen Gesetze zu verstoßen."
"Bitte sagen Sie mir Ihre ehrliche Meinung. Könnte ein Sturz Kemals durchzuführen sein?"
"Nein."
Mulat schluckte. Doch dieses Gespräch war noch nicht beendet! So konnte es nicht enden!
"Ihr Plan?"
"Wie kommen Sie darauf, dass ich einen hätte, Doktor?"
"Sie haben Ihr Leben dem atagrischen Volk gewidmet. Wollen Sie mir ernsthaft weismachen, dass Sie zusehen werden, wie Kemal uns alle tötet?"
"Nein."
Mulat war verwirrt.
"Wie lautet dann Ihr Plan?"
Shigerus Gesichtszüge waren kalt, fast unmenschlich, als er von seinem Schreibtisch aufstand.
"Unsere Meinungen haben keinerlei Gewicht. Wir brauchen Unterstützung von jemandem, auf den die Leute nach dem Umsturz hören werden. Jemanden der korrupt genug ist, sich mit unserer Hilfe Kemals zu entledigen. Erst wenn die Politiker das Spielfeld gesäubert haben, beginnt die eigentliche Schlacht."
"Sie wollen allen Ernstes einem Ratsmitglied diesen Vorschlag unterbreiten?" Zweifel an dem geistigen Gesundheitszustand des gealterten Soldaten krochen durch Mulat.
"Wenn Sie dies dem falschen Menschen anvertrauen, sind Sie so gut wie erledigt!"
Mulat musste ihn umstimmen! Die Ratsmitglieder waren alle korrupt, dessen war sich der Arzt zwar sicher, doch sie standen auch alle hinter Kemal.
"Wenn das Ratsmitglied, welches Sie ins Vertrauen ziehen, Kemal bescheid gibt, wird man Sie einsperren und unser aller Tod wird nicht mehr zu verhindern sein!"
Mulat schrie den Mann an, welcher ruhig und gelassen neben seinem Schreibtisch stand.
"Ich gehe Mal davon aus, ja.", stimmte er dem Arzt zu.
Jetzt war Mulat komplett verwirrt.
"Machen Sie sich keine Sorgen um mich Doktor. Das Ratsmitglied, welches ich für meinen Plan ausgewählt habe, wird mich nicht verraten. Trotzdem werde ich zum Ausgang dieses Unternehmens nicht weiter Beitragen können."
Nicht mehr Beitragen?
"Was haben Sie vor?" Verzweifelt und verärgert über die wenigen Informationen, die Shigeru ihm zuteil werden ließ, trat er auf den Offizier zu und schüttelte ihn an der Schulter, als wollte er ihn wecken.
Shigeru entfernte ruhig, aber mit Bestimmtheit die Arme des anderen Mannes von seinen Schultern und drückte spürbar des Doktors linkes Handgelenk zusammen.
"Begeben Sie sich auf die Brücke. Reden Sie mit niemandem, es sei denn, über Belanglosigkeiten.
Achten Sie weder auf mich, noch auf das Ratsmitglied, mit dem ich die Brücke betreten werde. Erst wenn wir die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf uns gelenkt haben, ist es auch Ihnen gestattet. Haben Sie das verstanden?"
Mulat nickte knapp und begab sich schweigend durch die Tür in Richtung Brücke. Er hatte nie geglaubt, einmal einem militärisch motivierten Befehl folge zu leisten, doch im Moment hatte er keinerlei Probleme damit.
Er vertraute Shigeru.

Ratsmitglied Yanic studierte zum 7. Mal in den letzten Sunden den medizinischen Bericht von Dr. Mulat und seinem Team, als es an der Tür zu seinem Büro klopfte.
Da er keinen Besuch erwartete und mit einem Offizier rechnete, der ihn über den Stand der Dinge informieren wollte, so rief er ein knappes "Herein!", ohne sich von seinem Schreibtisch zu erheben.
Umso überraschter war der Politiker, als er die steinerne Mine des Oberkommandanten in seinem Raum erblickte.
"Ist etwas passiert?", erkundigte er sich sogleich. Wenn der Befehlshabende selbst zum Report kam, musste etwas nicht stimmen.
"Noch ist alles in bester Ordnung.", versicherte ihm der Soldat.
"Warum beehren Sie mich dann mit Ihrer Anwesenheit?"
Shigeru hatte nicht vor, lange Reden zu schwingen, und trat näher an den Schreibtisch des Politikers heran, der ihn interessiert musterte.
"Mein Schwiegersohn sowie meine Enkelkinder wurden infiziert und auf Atagra zurückgelassen. Nach dem Tod meiner Frau und meiner Tochter waren sie die einzige Familie die mir noch geblieben war.", begann Shigeru.
"Das tut mir wirklich sehr Leid für Sie, Kommandant." Yanic schwieg, gespannt worauf der Soldat denn mit dieser Äußerung hinaus wollte. Doch er konnte sich fast denken, dass er einen Protest bezüglich Kemals getroffener Entscheidung zu hören bekam. Auch er war oft nicht mit dem einverstanden, was der Ratsherr entschied.
"Bitte Oberkommandant, wenn dieser Besuch erreichen soll, dass ich mich noch einmal mit Kemal über seine Entscheidung beraten soll, dann muss ich Ihnen mit Bedauern mitteilen…"
Weiter kam Yanic nicht.
"Ich bin lediglich hier, um Ihnen eine Frage zu stellen. Meine vorherige Äußerung sollte Ihnen nur meine Entschlossenheit versichern.", unterbrach Shigeru Yanics Vortrag.
Neugierig geworden, lehnte sich Yanic in seinem Stuhl zurück und deutete mit einer Handbewegung dem Soldaten, er möge weiter sprechen.
"Wären Sie bereit Kemals Posten einzunehmen?"
Erschrocken fuhr Yanic in seinem Stuhl zusammen.
"Was fällt Ihnen ein?", rief er den Soldaten zur Ordnung.
"Verlassen Sie auf der Stelle diesen Raum!"
Doch Shigeru rührte sich keinen Millimeter.
"Ich plane einen politischen Umsturz. Sie erhalten Kemals Posten und im Gegenzug gehen wir auf den Plan der fremden Menschen ein und helfen ihnen, einen Wraith zu fangen.", erklärte Shigeru ruhig.
Yanic war geschockt und ihm fehlten die Worte, dem Soldaten zu antworten.
Shigeru ließ dem Ratsmitglied Zeit, seine Worte mit Bedacht wählen zu können.
"Wir sind ein freies Land und unsere Politiker wurden stets vom Volk gewählt. Einen erzwungenen Machtwechsel kann ich nicht gutheißen."
"Kemal tötet unser Volk. Nie wieder wird es auf Atagra zu freien Wahlen kommen, wenn Sie nicht bereit sind, zu helfen."
Wieder überlegte Yanic. Was, wenn der Soldat Recht behielt?
Wenn ihr aller Überleben von dieser Entscheidung abhing?
In ihrer langen Geschichte war stets die Rede von Wahlen. Nie war ein Politiker anderweitig an die Macht gekommen. Andererseits waren in den vergangenen 20 Jahren politisch bedingte Demonstrationen gehäuft aufgetreten. Vor 100 Jahren hatte niemand an den Politikern und ihren Entscheidungen gezweifelt, doch heute wuchsen die politischen Unruhen unter dem Volk stetig.
Immer mehr unzufriedene Bürger beschwerten sich über getroffene oder zu Debatte stehende Entscheidungen.
Vielleicht war es Zeit für eine neue Art der Politik.
Vielleicht war es an der Zeit, ein neues Kapitel der atagrischen Geschichte hinzuzufügen.
"Wie?", frage Yanic den Soldaten, auf dessen Gesicht sich nun der Anflug eines Lächelns zeigte.

"Die von uns gestellte Frist läuft in wenigen Minuten ab. Bitte rufen Sie Shigeru wieder auf die Brücke.", befahl Kemal einem jungen Offizier.
Mulat war schweigend auf die Brücke gekommen und hatte sich zu Kemal gesellt.
Dieser hatte aber keinerlei Interesse an einem Gespräch gezeigt und so waren die Minuten der Ungewissheit zu Sunden der Angst geronnen.
Als er hinter seinem Rücken überraschtes Gemurmel vernahm, drehte sich Mulat zur Tür der Hautkommandobrücke um und erkannte Shigeru in Begleitung des Ratsmitglieds Yanic.
"Die Frist läuft ab, Gardekommandant. Bitte nehmen Sie Ihren Platz an Ihrer Konsole ein.", forderte Kemal den Soldaten auf.
Doch Shigeru blieb stehen. Er dachte gar nicht daran, diesen Befehl zu befolgen.
Alle Augen richteten sich auf ihn.
Verwirrt blickte auch Kemal zu dem Mann, der noch nie einen seiner Befehle missachtet hatte.
Auch Yanic, welcher sich neben Kemal gestellt hatte, machte einen gespielt verwirrten Eindruck.
Yanic war stets der beliebtere Politiker gewesen, doch Kemal der cleverere.
Nur dieser eine Vorteil hatte Kemal seinen Ratsposten eingebracht. Ein Vorteil, den Shigeru zu schmälern versuchte. Alle würden Yanic anerkennen, wenn er ihm nur die Chance dafür ebnete.
"Ratsherr?", erhob Shigeru seine Stimme über die Kommandobrücke.
Mulat zitterte vor Aufregung.
"Sie wollen Ihr Vorhaben durchsetzen, die infizierten Planeten zu säubern, obwohl der Plan dieser Menschen weit viel versprechender für das Überleben unseres Volkes ist, als der Ihre?"
Vor Staunen stand vielen jungen Offizieren der Mund offen.
Einige dachten zwar wie ihr Vorgesetzter, doch dem Ratsherrn so was in aller Öffentlichkeit vorzuwerfen, grenzte an Selbstmord!
Kemals Gesicht rötete sich vor Wut.
"Was fällt Ihnen ein!", donnerte er los!
Shigeru dagegen blieb trotz des Wutausbruches unbeeindruckt.
"Wachen! Ergreift diesen Mann und sperrt ihn ein!"
"Sie verurteilen uns alle zum Tode!"
Völlig perplex und sichtlich hin und her gerissen, wussten die Soldaten nicht recht, was sie nun tun sollten. Was, wenn ihr Kommandant recht hatte? Kemals Gesicht war immer noch gerötet. Die Wut stand ganz deutlich auf sein Gesicht geschrieben!
"Ich verurteile uns alle also zum Tode, ja? Ich regiere über das Volk von Atagra und wenn meine Entscheidung unser aller Tod bedeutet, dann sei es so!" Nach diesen Worten zog Shigeru seine Waffe und schoss…

Er hatte nie vorgehabt, den von ihm beschrittenen Weg weiter forzusetzen.
Somit bereute er seine Tat und alles was danach gekommen war nicht.
Auch wenn ihm der Tod drohen sollte, Shigeru war alt und er würde sich nicht sträuben.
Er würde seinen Tod willkommen heißen, mit dem Wissen, wie viele junge Menschen er dadurch gerettet hatte.
Kemal war Tod und Yanic als Führer anerkannt.
Man hatte ihn verhaften lassen.
Als Mörder.
Yanic musste so handeln, um nicht als Komplize des Mordes zu gelten.
Alles war zu Shigerus Zufriedenheit verlaufen.
Es würde weitergehen.
Yanic würde dafür sorgen.
Und er, er würde hier warten.
In dieser kleinen, dunklen Gefängniszelle.
Warten bis alles vorbei war.
Warten bis ihm Dr. Mulat sagte, dass es ein Heilmittel gab.
Das man seine Familie retten konnte.
Ja.
Und dann würde er sterben.
Sterben mit einem nie vergehenden Lächeln auf seinen Lippen…

Kapitel 3.
"Was machen wir jetzt?" Dr. Steffens Frage war berechtigt, doch er erwartete nicht einmal eine Antwort darauf.
Sie hatten keinen Plan B und das wusste er.
Alle wussten das.
"Rufen wir Kemal erneut, wir müssen ihn umstimmen!", meinte Lieutenant Felicia Benton, welche Evan Lorne gegenüber auf dem Sitz des Kopiloten saß. Sie war eine junge Frau, gerade mal Ende 20, Anfang 30. Ihre Haut hatte eine fast afrikanische Bräune, was mit ihrem kurz gehaltenen, blonden Haar einen starken Kontrast schuf.
"Das bringt nichts, er würde uns nicht zuhören. Wenn wir ihn reizen, erreichen wir nur, dass er die Frist verkürzt.", meinte Lorne.
"Wir brauchen einen neuen Plan."
Des Majors Aussage erntete ein abfälliges Schnauben von Zelenka.
"Als ob wir genügend Möglichkeiten hätten, um uns weitere Pläne in so kurzer Zeit aus dem Ärmel schütteln zu können!"
Lornes Stimmung war gerade auf einem Rekordtief und die abfällige Äußerung des Wissenschaftlers machte ihn nur noch gereizter.
"Reden Sie nicht dumm daher, sondern denken Sie nach!", bluffte er den Tschechen an.
"Hören Sie Major, ich bin nicht so arrogant wie Dr. McKay, der sich für so brillant hält, stets einen Ausweg für alles zu finden. Hier gibt es keinen Ausweg mehr. Was glauben Sie, wie viele Stunden der Vorarbeit hinter diesem Plan gesteckt haben? Wie wollen wir in einer Stunde…"
Evan reichte das Gejammer nun endgültig.
"Ich sagte doch, Klappe halten und nachdenken!"
Radek verschränkte beleidigt seine Arme vor der Brust.
"Dann gehen wir halt doch durch das Stargate.", schlug Captain Raoul Ulerk vor.
"Dumme Idee.", gab Radek leise von sich. Er hatte nicht vor mit Lorne zu streiten, aber alle durchführbaren Pläne hatte er bereits durchdacht und als unmöglich abgehakt.
"Die einzige Idee, die wir haben. Wenn Ihnen nichts Besseres einfällt…" Evan ließ das Satzende absichtlich offen.
Radek brummte auf Tschechisch vor sich hin.
"Bitte Radek, erklären Sie uns, warum das Stargate eine dumme Idee ist.", bat Marc.
Neben Radek war er der einzige Zivilist und dem Tschechen somit sympathischer als der gerade sehr unhöfliche Major.
Radek gab seine abweisende Haltung auf und schenkte dem Arzt sogar ein Lächeln.
"Selbst wenn wir mit dem Jumper jetzt problemlos durch das Tor gelangen, die Wraith wählen das Stargate an. Gut, ich war noch nie auf einem Planeten, welcher gerade unter einem Wraithangriff litt, doch ich glaube kaum, dass die in einer Stunde wieder verschwunden sind. Doch selbst wenn, Kemal würde uns sicher keinen Aufschub mehr geben."
"Warum sehen Sie alles auch so negativ?", fragte Lieutenant Benton.
"In diesem Punkt hat Zelenka wohl Recht. Kemal würde uns nicht glauben. Er würde annehmen, wir wollen Zeit schinden."
"Er hat doch vor alle Siedlungen der Infizierten anzugreifen? Warum schlagen wir ihm nicht einfach vor, mit einem anderen Planeten weiterzumachen? Dann haben wir genügend Zeit für ein Heilmittel", so kam es von einem anderen Soldaten.
"Das ist doch nicht wirklich Ihr ernst? Andere sollen sterben, damit wir ein Mittel für unser Überleben finden können?" Dr. Steffens war außer sich. "So einem Plan würden Sie doch nicht zustimmen?!", fragte Marc besorgt und blickte Lorne an.
"Fest steht, wir haben nicht genügend Zeit, einen Wraith zu fangen und nach einem Gegenmittel für die Seuche zu forschen. Die uns verbleibende Stunde reicht aber auch nicht für eine Evakuierung."
"O.K., uns sind zwar die Infizierten im Weg, doch in einer Stunde sollte es uns möglich sein durch das Stargate zu verschwinden.", kam es nachdenklich von Zelenka.
"Ich gebe Radek recht, wo liegt das Problem?"
"Das Problem, Dr. Steffens, selbst wenn wir keinerlei Hab und Gut mit durch das Tor nehmen, welcher Planet würde uns schon auf unbestimmte Zeit aufnehmen? Außerdem, wenn wir durch das Stargate verschwinden, hat die Daedalus bei ihrer Ankunft in einigen Wochen keinen Anhaltspunkt, wohin wir gegangen sind. Denn nach Kemals Aussage wird von der Stadt nichts übrig bleiben und somit eine Rückkehr für uns ausgeschlossen sein."
"Gut, das ist verständlich. Aber das Festland wäre doch ein ideales Evakuierungsziel."
Evan schüttelte den Kopf und lenkte das kleine Schiff zurück Richtung Planeten.
"Das Festland ist einen ca. 20 Minuten Flug von Atlantis entfernt. Selbst wenn wir die verbleibenden Wochen bis zur Rückkehr der Daedalus auf alles verzichten und somit nur Personen hin und her transportieren und keine Sachgüter, würde die Zeit für eine komplette Evakuierung nicht ausreichen. Wir haben zwar eine Menge Jumper, aber so gut wie keine Piloten dafür."
Nach diesen Worten trat Schweigen ein.
Wenn nicht alle gerettet werden konnten, wer traf die Entscheidung bezüglich des Überlebens und des Sterbens der anderen?
Wie konnte man das Leben einer Person höher einschätzen, als das einer anderen? Und selbst wenn, wer hätte das Recht zu beurteile, welches Leben höhere Priorität besaß?
"Ein Losverfahren!", meinte Radek nachdenklich.
"Somit würde keiner bevor- oder benachteiligt und…"
"Dauert zu lange.", schnitt im Evan ihm das Wort ab.
Der Jumper erreichte bereits die Atmosphäre und ein kurzer Ruck ging durch das kleine Schiff.
"Selbst wenn wir Atlantis rufen und alle Personen in den Hangar bitten, könnte doch einer das Virus einschleppen und das Leben aller gefährden. Wir können niemanden evakuieren, wenn auch nur die geringste Chance besteht das Virus überzusiedeln."
"Ich kann die ankommenden Personen diesbezüglich untersuchen, aber eine hundertprozentige Sicherheit kann ich Ihnen ohne gründliche Untersuchungen nicht bieten. Wir wären auf die sichtbaren Verletzungen beschränkt, um eine Infektion festzustellen."
"Das dauert alles viel zu lange." Evans Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.
Was sollten sie tun?
Ihre Überlebenschancen wurden von Minute zu Minute immer geringer.
"Wir haben keine andere Wahl, wir müssen die Evakuierung auf das Festland versuchen.", stellte Radek klar.
Alle anderen Optionen waren ausgeschöpft und noch weniger viel versprechend.
"Aber was machen wir gegen die Infizierten?". fragte Lieutenant Benton nach.
"Das ist noch ein Problem, für das ich keine Lösung hab.", gestand Lorne.
"Wir können sie nicht betäuben, aber mit scharfer Munition auf sie schießen, können wir auch schlecht. Sonst fällt mir keine Methode ein, um sie vom Hangar fern zu halten, ohne auch unsere eigenen Leute auszusperren."
"Westpier…" kam es leise von Radek.
"Was?", fragte Lorne ungeduldig nach.
Atlantis war bereits sichtbar und ihr Sinkflug würde nicht mehr lange dauern. Zeit das dem Wissenschaftler endlich etwas einfiel!
"Wir…wir landen nicht im Hangar. Das Pier am westlichen Ende, da sollten wir landen!"
"Darf ich fragen warum?", kam dieses Mal die Gegenfrage von Marc.
"Verstehen Sie, dieser Pier liegt so weit außerhalb der Stadt, dass sich zu Fuß noch kein Infizierter bis dorthin vorgewagt haben kann und das zweite Positive dieses Piers…"
"Es liegt in unmittelbarer Nähe eines Transporters!", beendete Evan den angefangenen Satz, als er begriff, was Radek meinte.
"Genau! Wenn wir den einzigen Gang blockieren, der das Erreichen des Piers ohne Transporter möglich macht, ist der Fall gelöst! Wir wissen ja aus eigener Erfahrung, dass die betroffenen Personen den Transporter nicht mehr benutzen können."
Sie hatten tatsächlich einen Plan!
Einen Plan der klappen konnte.
"Bloß wie bringen wir die Piloten in den Hangar?"
Eine Frage aus dem Heckabteil ließ die gehobene Stimmung wieder sinken.
"Wäre es nicht wichtiger, die Piloten sicher an ihr Ziel zu bringen, denn ohne die geht gar nichts."
Da war was Wahres dran.
"Vielleicht haben sich bereits noch mehr Soldaten im Hangar eingefunden. Immerhin sind Sie hier…" und damit deutete Radek ausschweifend mit einer Hand durch den Jumper. "nicht die einzigen Militärs auf Atlantis."
"Da haben Sie durchaus recht, Doktor.", gestand ihm Lorne ein.
Er betätigte das Funkgerät.
"Major Lorne an Hangar, alle Soldaten bitte melden."
Erst war es still, doch dann die Stimme einer Frau: "Wir sind hier, Major!"
Erleichterung erfüllte das Schiff.
"Wie viele sind bei Ihnen, Lieutenant Bergiel?"
"Hab noch nicht gezählt, aber ich schätze mal, wir sind an die 30 Mann."
"Das ist eine tolle Neuigkeit!", verkündete Evan fröhlich.
"Jeder von Ihnen, der einen Jumper fliegen kann, ach nein, was sag ich, jeder der auch nur das Antiker-Gen besitzt, soll sich in einen Jumper begeben und den irgendwie zum Westpier bringen.
Wir treffen uns da."
"Sir, was genau ist eigentlich los?", fragte die Frau nach.
"Das erklären wir Ihnen später, jetzt ist erst einmal wichtig, dass wir die Stadt evakuieren können."

"Major Lorne an alle, bitte begeben Sie sich umgehend zu dem nächstgelegenen Transporter. Vermeiden Sie jedweden Kontakt zu Personen, die sich auch nur im Entferntesten seltsam verhalten oder den Eindruck von geistiger Verwirrtheit machen. Begeben Sie sich mit dem Transporter zum Westpier. Wir evakuieren mit den Jumpern die Stadt. Nehmen Sie nichts mit, lassen Sie alles zurück. Wir müssen nur ein paar Wochen zu den Athosianern aufs Festland, bis die Daedalus zurück ist.
Die Zeit drängt, also bitte beeilen Sie sich! Lorne Ende."

Die Evakuierung war im vollen Gange. Die Jumper waren alle zum Erbrechen mit Personen gefüllt.
Doch die Zeit reichte nicht!
Wie befürchtet, warteten noch zu viele Menschen auf den Transport zum Festland.
Von vielen fehlte aber noch jede Spur.
Entweder hatten sie durch eine Fehlfunktion, welche der erste Angriff von Kemal möglicherweise verursacht hatte, den Funkspruch gar nicht empfangen oder sie waren einem Infizierten begegnet.
In diesem Fall waren sie entweder Tod oder infizierten bereits weitere Personen.
Radek blickte unentwegt auf die Uhr.
Lorne hatte zwar darauf bestanden, dass er als einer der Ersten auf das Festland in Sicherheit gebracht wurde, doch er hatte abgelehnt. Er wartete.
Wartete auf viele seiner Kollegen, auf Freunde, die er in Sicherheit wissen wollte. Er wartete aber auch, weil er sein Leben nicht als wertvoller einstufte, als das jedes anderen hier.
Er wollte keine bessere Chance als die anderen bekommen, nur weil er zufällig als erster zugegen war.
Er war hier und hoffte auf ein Wunder. Denn wenn es Wunder gab, waren sie genau für solche Situationen bestimmt, da war sich der Tscheche sicher.
Ein leerer Jumper landete und Lorne trat leist, aber schnellen Schrittes neben Zelenka.
"Der Letzte…", murmelte er.
"Ich weiß.", Radek blickte erneut auf die Uhr.
In 15 Minuten würde die Frist ablaufen und Kemal erneut angreifen.
Evan griff nach Radeks Arm und lächelte den Wissenschaftler aufmunternd an.
"Kommen Sie, wir gehen."
Radek weigerte sich nicht und ließ sich von Evan zum Jumper ziehen.
Mit einem traurigen Blick zurück auf all die Menschen, die nicht wussten, wie schlecht es um sie stand.
"Sollten wir es Ihnen nicht sagen?", fragte Radek leise.
"Wenn Sie nur noch 15 Minuten zu leben hätten, würden Sie das wissen wollen?"
Radek überlegte.
"Ich würde in Panik ausbrechen."
Lorne nickte.
"Sie würden sich um den Jumper streiten und keiner von uns würde mehr rechtzeitig weg kommen."
Der Gedanke an all die Freunde, die sie zurückließen, ließ Radek schaudern.
"Ich sollte hier bleiben.", meinte er still.
"Nein, sollten Sie nicht."
Der Major verstärkte den Griff um Radeks Arm und beförderte ihn zu den anderen Passagieren in den Jumper.
"Major, da ruft jemand nach Dr. Zelenka.", berichtete ein wartender Passagier.
Überrascht eilten Radek und Evan zur Kommandokonsole des Jumpers.
"Hier Dr. Zelenka!", meldete sich Radek neugierig.
"Hier spricht Yanic. Neuer Ratsherr von Atagra."
Verblüfft wechselten Radek und Evan einen fragenden Blick.
"Wie darf ich das verstehen?"
Lange kam keine Antwort.
Yanic suchte nach Worten, um eine Situation zu beschreiben, die ein Unbeteiligter, der keine Ahnung von ihrer Politik hatte, kaum verstehen würde. Auch musste er peinlichst genau darauf achte, mit keinem Wort sein zutun zu Kemals >Beseitigung< zu erwähnen.
"Der Kommandant unserer Garde war mit Kemals Plan nicht einverstanden und hat unseren Ratsvorsitzenden erschossen. Ich habe jetzt den Posten des Rastvorsitzenden inne und ich stimme dem Gardekommandanten ebenfalls zu. Nicht, dass ich seine Tat in irgendeiner Form billige, nein! Ich habe ihn bereits verhaften lassen und er wird unseren Gesetzen gemäß bestraft. Doch ich gestehe, ich finde Ihren Plan Erfolg versprechend. Mit sofortiger Wirkung stelle ich alle aggressiven Handlungen, die Kemal befohlen hatte, ein. Ich hoffe, dass Sie dies als Akt des Vertrauens werten und Ihren Plan bezüglich der Gefangennahme eine Wraith immer noch mit unserer Hilfe bewerkstelligen wollen.
Wir erwarten Ihr Schiff mit Ihren Soldaten freudig."
>Ein Wunderlebt wohl< oder >vergesst mich nicht< erschienen ihm sinnlos.
So beschränkte er es auf ein geflüstertes "Gott beschütze euch" und ergab sich seinem Schicksal.

Radek sah ihnen nach und erst als die Wraith mit Lorne hinter einer Biegung verschwunden waren, wurde ihm bewusst, was gerade passiert war.

Kapitel 7.
Lorne hatte mit allem gerechnet, aber damit nicht.
Sein kleiner >Ausflug< endete abrupt. Die Wraith brachten ihn in einen großen, leeren Raum.
Nur indirektes Licht sorgte hier und da für schummrige Helligkeit.
Dann ließ man ihn allein.
Verdutzt sah er auf die sich, hinter den Wachen, schließende Tür.
Was sollte das jetzt werden?
Evan schüttelte den Kopf und trat weiter in den Raum. Das Halbdunkel machte es schwer, irgendwelche Konturen des Raumes zu erkennen, doch…da!
Da hatte sich etwas bewegt!
Nur ein Schatten, der nach seiner Bewegung mit der Dunkelheit des Raumes verschmolz.
"Ist da jemand?", fragte Lorne nach.
Zugegeben, eine blöde Frage in so einer Situation. Doch eine treffendere Formulierung war ihm nicht eingefallen.
Eine weitere Bewegung von einem anderen Teil des Raumes aus.
Einer, der sehr schnell war, oder mehrere?
Wollten die Wraith hier mit ihm spielen?
Was sollte das Ganze hier?
Wenn sie ihn töten wollten, warum taten sie es dann nicht einfach?
Evan hatte miterlebt, wie die Wraith ihre Opfer töten. Er hätte keine Chance zur Gegenwehr gehabt.
Also warum das Theater?
Was war der Sinn dieses Raumes und wer verdammt noch mal war noch hier?!
Evan hatte vor dies raus zu finden. So schritt er weiter in den Raum hinein.
Wenn es die Wraith waren, würde er sterben, was er ja, vor wenigen Minuten, eh noch angenommen hatte. Waren es nicht die Wraith, dann war er auch nicht in unmittelbarer Gefahr.
Wieder bewegte sich ein Schatten dicht an ihm vorbei.
Lorne konnte den leichten Windhauch spüren, den der andere Körper verursachte, als er sich schnell an ihm vorbei stahl.
Evan trat einen Schritt zurück, griff nach dem Schatten und bekam etwas oder jemanden zu packen.
Ein verdutzter Schrei hallte durch den Raum. Der Major zog seine >Beute< aus der vermeintlich sicheren Dunkelheit und…
Eine Frau?
Sie war im Höchstfall 20 und blickte mit vor Angst geweiteten Augen auf Lorne. Dieser war im ersten Moment sprachlos. Dann ließ er die Frau los. Verängstigt verschwand sie wieder in der Dunkelheit.
Lornes Gedanken rasten. Anscheinend waren noch andere Gefangene mit ihm hier. Wo immer dieses >hier< auch war. Anders konnte er sich die Anwesenheit eines Mädchens, ja Frau war wohl noch die falsche Bezeichnung für das junge Ding nicht erklären.
Doch warum hatte sie Angst vor ihm gezeigt?
Wenn er jetzt ein Wraith gewesen wäre, dann hätte er eine derartige Reaktion verstanden.
Sah er denn in irgendeiner Weise Furcht einflössend aus? Diesen Gedanken verwarf er wieder.
Bevor er so etwas von sich behauptete, wollte er doch lieber das Mädchen selber fragen.
"Hallo? Keine Angst, ich tu dir nichts."
Keine Antwort.
Damit hatte Evan fast gerechnet.
"Sind noch andere hier oder bist du allein?"
Wieder keine Antwort.
"Bitte, du kannst mit mir reden. Ich heiße Evan, Evan Lorne. Ich bin ein Gefangener der Wraith wie du. Ich werde dir nichts tun."
"Sie sind nicht krank?", ertönte eine Männerstimme von irgendwo aus dem Raum.
Die raue Stimme hallte von den Wänden wieder und so war es für Evan schwer, eine Richtung auszumachen.
Wenn er das Vertrauen dieser Leute hier gewinnen wollte, musste er wohl mitspielen.
Vielleicht wusste ja einer von denen, warum man sie hier festhielt.
"Krank? Nein, wieso?", antwortete Evan.
Da dämmerte es ihm.
Das Virus!
War ja logisch.
Ihre Welt, die Welt von Kemal und seinem Volk. Yanic und seinem Volk, verbesserte er sich, in Gedanken. Warum also sollte das Virus nicht auch durch andere Stargates geschleppt worden sein?
"Bitte, Sie können mir glauben, ich bin nicht krank!", versuchte es Evan erneut.
"Warum sind Sie dann hier?", wurde er gefragt.
Warum ich…oh mein Gott!
Diese Aussage ließ im Umkehrschluss nur eine Möglichkeit zu.
All die Menschen in diesem Raum sind infiziert!?

"Ihnen ist schon klar, dass man uns hierfür, wegen Missachtung eines direkten Befehls, vor das Kriegsgericht stellen wird?"
Diese Frage ließ Cady Goodman lächeln.
"Ist mir klar:", sagte sie knapp.
"Sie sind nicht mal eine voll ausgebildete Pilotin!"; beschwerte sich ihr Kopilot erneut.
"Ist mir auch klar:"
Diese Diskussion war überflüssig. Cady hätte ihre Entscheidung sowieso nicht revidiert.
Da konnte Vinzent protestieren, soviel er wollte.
"Ihnen ist auch klar, dass das eine Schwachsinnsidee von Ihnen war?"
Lieutenant Vinzent van Greyarts warf einen bösen Blick auf die junge Frau neben ihm.
"Sie wiederholen sich.", kam es gelangweilt von Cady.
Warum diskutierten sie hier überhaupt? Die Entscheidung war längst getroffen und ein Zurück ausgeschlossen. Greyarts sollte das endlich akzeptieren.
"Das ist alles, was Ihnen dazu einfällt?", fragte dieser verärgert nach.
Cady sagte nichts. Sie dachte an die Stunden, die hinter ihr lagen, zurück und an das Stückchen Weg, welches noch vor ihr lag.
Cady schloss ihre Augen und die Geschehnisse drängten sich aus der dunkelsten Ecke ihres Bewusstseins heraus. Zurück vor ihr inneres Auge.
"Sie haben Major Lornes und Captian Grace gehört, warum tun wir das hier?"
Stöhnend öffnete Cady die Augen.
"Wie können Sie nur eine dermaßen dämliche Frage stellen?"
Sie war wütend. Wirklich wütend. Warum musste sie ausgerechnet mit diesem…diesem…Nörgler hier festsitzen?

Es war Glück gewesen, pures Glück. Die Wraith hatten sie nicht gefunden.
Cady hatte ganze drei Stunden bewegungslos in ihrem Versteck ausgeharrt.
Sie hatte gewartet, dass die Wraith verschwanden.
Und die Wraith verschwanden.
Zumindest hatte sie seit Stunden keine mehr gesehen.

Sie hatte ihr Versteck verlassen und nach dem Jumperparkplatz gesucht.
Ein unsichtbares Objekt, welches ja auch nicht besonders groß war, in einem Wald zu suchen, der leicht die Fläche von mehreren Fußballstadien besaß, war…die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen.
Gut, sie hatte einen hervorragenden Orientierungssinn und der Jumper stand ja auch auf einer Lichtung, was die Suche eingrenzte.
Sie fand den Jumper…mit einem dumpfen Schlag, als sie dagegen lief.
Sich an der Außenwand entlang tastend, war sie ins Innere, durch die noch immer geöffnete Ausstiegsluke, gestolpert und… da war Vinzent gewesen. Hatte, als sie einfach so herein platzte, eine Schrecksekunde lang eine Waffe auf sie gerichtet.

Tja und da hatte es wieder warten geheißen.
Wieder waren Stunden vergangen, aber kein weiteres Teammitglied war zum Jumper zurückgekommen.
Als den beiden dann klar geworden war, dass sie die einzigen waren, die nicht gefangen genommen worden waren, setzte Resignation bei ihnen ein. Sie hatten ja mitbekommen wie Lorne dem anderen Jumper den Rückzug befohlen hatte.
Vinzent hatte gesehen, wie der zweite Jumper unversehrt, trotz des feindlichen Feuers, den Planeten verlassen hatte und nach den vielen Stunden, die bereits vergangen waren, würde die Hashepsto auch schon weg sein. Somit war das Zurückkehren dorthin kein Thema mehr gewesen.
Doch was sollten sie sonst tun?
Lange hatten sie darüber diskutiert, besser gesagt, gestritten.
Vinzent wollte durch das Gate zurück nach Atlantis. Lieber den Infizierten in die Hände laufen als den Wraith.
Cady konnte mit diesem Argument jedoch nichts anfangen.
Da sie das Antiker-Gen besaß und Vinzent nicht, war das Problem schnell gelöst.
Sie hatte sich entschieden, eine Rettungsmission zu starten.
Ohne auf den Protest ihres Gegenübers zu hören, hatte sie den Jumper ins All gesteuert.
Zugegeben, sie flog mehr schlecht als recht.
Es war aber auch kein Fluglehrer dabei, der sie diesbezüglich hätte tadeln können und Vinzents Protest überhörte sie einfach.

Jetzt saßen sie, noch immer streitend, im Jumper und warteten wieder.
Cady wusste nicht, wo bei diesem kolossalen Schiff das Heck, geschweige denn der Antrieb lag.
Sobald sich die Wraith bewegen würden, bekämen sie eine Salve Drohnen auf ihren Antrieb.
Der dadurch hoffentlich ausfiel und eine Flucht in den Hyperraum unmöglich machte.
Erst dann würde ihr, so hoffte sie, das weitere Vorgehen, in Form eines perfekten Plans, einfallen.
Vinzent hatte diesbezüglich die Augen verdreht und etwas vor sich hin gemurmelt.
Aber Cady war nicht zu überzeugen gewesen.
Sie wollte die Wraith angreifen. Mit einem Puddle Jumper und einer zwei Mann Rettungseinheit.
"Eine saublöde Idee.", kam es wieder von Vinzent.
Cady ignorierte ihn.
Es war die einzige Hoffnung für die gefangenen Freunde.
Sie würden sie retten, sie würden ihn retten…
Das allein war einen Versuch wert, selbst wenn sie dabei starb.
Und so warteten sie auf ihre Gelegenheit.

Kapitel 8.
"Wenn Sie nicht infiziert sind, warum sind Sie dann hier?"
Lorne fand keine Antwort auf diese Frage.
Vielleicht war es Absicht gewesen, dass die Wraith ihn in einen Raum voller Infizierter gesperrt hatten.
Evan erinnerte sich an das dreckige Lächeln, welches der Wraith auf seinen Lippen gehabt hatte, als er Ash und Coverlan losgelassen und ihn mitgenommen hatte.
War das eine Art Strafe, weil er es gewagt hatte, sich den Wraith in den Weg zu stellen, die seine Freunde verschleppen wollten? Weil er den Mut zum Protest gehabt hatte?
Zuzutrauen wäre es den Typen, dachte Evan.
Doch all das Grübeln brachte ihn nicht weiter. Nur die Wraith hätten diese Frage zu beantworten gewusst, doch die würden sich wohl kaum derart gesprächig zeigen.
"Ich kann Ihnen nicht sagen, warum mich die Wraith hierher gebracht haben. Ich kann Ihnen nur versichern, dass ich nicht krank bin."
Ein älterer Mann mit ergrautem Haar trat aus dem Schatten heraus auf Evan zu.
Grau-grüne Augen, die jedweden Lebenswillen bereits verloren hatten, musterten den Neuankömmling.
Der Mann erweckte den Eindruck, als wäre er eine leere Hülle. Ein seelenloses Etwas mit einem menschlichen Körper.
Evan fragte sich ernsthaft, ob dieser Mann seinen momentanen Zustand dem Virus oder den Wraith verdankte. Er wagte es aber nicht, den Mann danach zu fragen.
So ließ er die Musterung einfach stumm über sich ergehen, wartend, dass der alte Mann erneut das Wort ergriff.
Dieser brummte unverständliche Wortfetzen vor sich hin und blieb dann direkt vor Evan stehen.
"Wenn Sie nicht krank sind, sind Sie auch keine Gefahr", stellte er unbekümmert fest.
Seine Stimme war monoton. Ebenso leblos wie seine Augen.
Evan wusste nicht genau, was er jetzt sagen sollte und so schenkte er dem alten Mann ein unsicheres Lächeln.
Dieser brummte erneut etwas Unverständliches, drehte sich um und verschwand wieder in der Dunkelheit.
"Bitte, warten Sie!" forderte Evan ihn auf.
"Sind sie…ich meine, sie alle in diesem Raum sind infiziert?"
"Nein."
Evan fragte sich ernsthaft, ob der alte Griesgram seine Frage wirklich richtig verstanden hatte, denn seine Antwort, obgleich sie Evan erleichterte, ergab keinen Sinn.
"Ich dachte, die Wraith würden sämtliche gefangene Infizierte hier reinstecken. Zumindest, hab ich das aus Ihrer ersten Frage so heraus interpretiert."
"Wir sind nicht mehr krank", erklärte ihm eine andere Männerstimme.
"Nicht mehr?", fragte Evan in die namenlose Dunkelheit.
"Nein, nicht mehr."
Verdammt noch mal, hatten die hiesigen Personen durch das Virus ihren Verstand verloren oder machte es ihnen Spaß, ihn hier mit vagen Informationen durch das Dunkel tappen zu lassen?
Evan wurde wütend.
"Hätte vielleicht mal jemand die Güte, mich aufzuklären? Aber bitte ganz von vorne und, wenn möglich, in ganzen, präzise ausformulierten Sätzen. Dafür wäre ich Ihnen sehr verbunden."
Lang antwortete niemand und Evans Frustpegel stieg in ungeahnte Höhen.
Als endlich eine Person zu sprechen begann und aus der Dunkelheit wieder weiter ins dämmrige Licht trat, war es erneut der leblose, alte Mann.
"Sie wollen unsere Geschichte hören? Ganz von vorne?", fragte er ungläubig.
Evan nickte erfreut.
"Ja, genau das will ich."
"Eine lange Geschichte", fügte der Mann monoton hinzu.
Evan sah auf seine Uhr und meinte: "Ich hab nichts weiter vor. Also wenn Sie nicht irgendwo erwartet werden, dann haben wir Zeit."
Wieder grummelte der alte Mann.
"Mein Name ist Dr. Barned, Dimitri Barned. Ich bin…ich war Mediziner. Ein Arzt vom Volk der Rebil."
Kurz schwieg der Mann, als ob ihm das Erzählen dieser Geschichte unendlich schwer viel.
"Wir waren einst ein stolzes Volk. Voller Wissen und Tatendrang."
Wieder Schweigen.
"Wir hielten uns für klug genug, um mit einem Wraith zu experimentieren, den wir eine Generation zuvor bei einem Ausdünnen ergreifen konnten."
Evan war verblüfft.
"Und die Wraith haben euch dabei erwischt?", hakte er nach.
Evan verstand nur nicht, wieso diese Menschen dann hier eingesperrt und nicht sofort getötet worden waren?
Und wie passte er in dieses Bild?

Dimitri Barnet schüttelte den Kopf.
"Nein, die Wraith haben die Experimente nicht mitbekommen. Nur das Ergebnis."
Plötzlich verbanden sich all die Informationen, welche Evan in Atlantis und hier in diesem Raum bisher hatte sammeln können, wie einzelne Puzzleteile zu einem vollständigen Bild.
Jetzt verstand er.
Alles lag klar und deutlich, als vollendetes Bild, vor ihm.
"Ihr habt das Virus erschaffen! Durch die Experimente an dem gefangenen Wraith. Doch was immer Ihr schaffen wolltet, es war ein Fehlschlag. Das Virus wurde zu einer Seuche, die von Planet zu Planet geschleppt wurde und deshalb, nur deshalb seid Ihr hier. Darum haben sie euch nicht getötet."
Nun verstand Evan auch, warum Dr. Barned einen so leblosen, fast selenlosen Eindruck auf ihn gemacht hatte.
Dies alles musste zweifelsohne am Gewissen des Wissenschaftlers nagen.
Dimitri sagte nichts. Er machte sich nicht einmal die Mühe, zustimmend zu nicken.
Er hatte keine Lust mehr.
Sein Leben sollte enden und zwar bald.
Er wollte es endlich hinter sich wissen.
Er wollte vergessen.
Aber diesen Gefallen würden ihm die Wraith nicht tun. Zumindest nicht in nächster Zeit.

"Sie haben Recht", begann er dann doch wieder zu sprechen. Er fühlte sich auf seltsame Art und Weise verpflichtet, ja fast dazu genötigt, diesem Evan Lorne auch noch den Rest zu erzählten.
Als hätte dieser Mann es aus irgendeinem Grund verdient, vor seinem Tod noch die Wahrheit zu erfahren.
"Das Virus sollte kein Virus werden. Es ist schon so verdammt lange her. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, all die schrecklichen Dinge, die auf meiner Welt vorgefallen sind…All diese Dinge haben mich bereits vergessen lassen, was wir in unserem blinden Ergeiz eigentlich hatten erreichen wollen.
Wofür unsere Forschung eigentlich gedacht war… Wir sahen uns nur mit dem Ergebnis konfrontiert.
Doch wir konnten nichts mehr machen… Zu spät, es war alles zu spät…"
Damit drehte sich Dimitri um und verschwand wieder in der vermeintlichen Sicherheit der Dunkelheit.
"Wir wollten Leben retten, viele Leben", verkündete eine weitere, namenlose Stimme.
"Doch wir haben niemanden gerettet", erklärte dieses Mal eine Frauenstimme aus der Finsternis.
"Wir haben getötet. So viele…alle tot…"
Dann herrschte wieder Schweigen.
Evan konnte verstehen…nein, er konnte ahnen, nur erahnen, wie diesen Menschen hier zumute war.
Sie hatten als Ärzte bestimmt auch einen Eid geleistet. Vielleicht nicht den Gleichen wie die Mediziner auf der Erde dies taten und doch…
Ärzte bewarten Leben, sie töteten nicht.
Dr. Steffens hatte kurz erwähnt, dass das Mittel, auf welchem der Virus basierte, ein Antiker-Betäubungsmittel, also eine Art Aspirin war.
Was immer auch Dr. Barnet und seine Leute daraus hatten machen wollen, Evan glaubte ihm sofort, dass eine Seuche nicht in ihrem Interesse gelegen hatte. Doch all dies erklärte nicht, warum er hier war.
"Sie sagten, Sie seien nicht mehr krank", wandte sich Evan wieder an die Personen dieses Raumes. Ihm war es egal, wer ihm antworten würde, solange es eine sinnvolle Antwort war.
"Wir wussten, was es war. Somit konnten wir es bekämpfen."
Evan schluckte.
"Das…Sie haben ein Gegenmittel?"
Das überraschte ihn doch.
Er hatte erwartet, dass die Wraith ihre eigenen Experimente mit den hiesigen Personen durchführten. Aber dass es den Erschaffern des Virus noch gelungen war, selbst eine Heilungsmethode zu finden, hatte er nicht erwartet.
Obwohl er geglaubt hatte, dass, nach all dem, was er in den letzten Stunden hatte mitmachen müssen, ihn nichts mehr überraschen könnte.
"Zu spät" kam es vereinzelt aus einem Winkel des Raumes.
Zu spät?
"Zu spät wofür? Für Ihr Volk? Bitte, reden Sie mit mir!"
Evan wusste nicht, wie viel Zeit ihm noch blieb.
Die Wraith hatten ihn aus einem bestimmten Grund hier her gebracht.
Er kannte diesen Grund zwar noch nicht, aber es erschien ihm wichtig, zu fragen.
"Wir entwickelten einen Impfstoff. Er bekämpfte das Virus…"
Wieder bekam Evan nicht mehr als diese beiden, halbfertigen Sätze vorgesetzt.
Diese Leute wussten wirklich, wie man eine Situation unnötig in die Länge zog.
"Weiter", fragte er gelangweilt und mittlerweile mehr als nur gereizt nach.
"Wir verabreichten das Gegenmittel. Doch es machte die Betroffenen nicht immun gegen eine Neuinfizierung. Wir fanden einfach keine Möglichkeit, alle Betroffenen gleichzeitig zu behandeln und so… verbreitete sich das Virus erneut…"
"Wir haben alles versucht…"
"Wir konnten es nicht stoppen."
"Das tut mir ja auch alles wahnsinnig leid. Für Sie, für Ihr Volk, aber…"
Dr. Barned trat wieder aus dem Schatten auf Evan zu.
"Sie haben es doch bereits verstanden. Das warum."
Evan hob fragend die Augenbrauen.
"Was meinen Sie damit?"
"Das warum, warum wir hier sind."
Der Major überlegte kurz. Bezog sich diese Frage nun auch auf ihn oder lediglich auf die Rebil?
"Sie sind hier, weil sie die Nahrungsquelle der Wraith mit einem Virus infiziert haben?"
Der alte Mann schüttelte den Kopf.
"Nein. Sie zwingen uns…"
Dimitri sah zu Boden.
"Wir wollten Ihnen nicht helfen. Was hätte es für einen Sinn gemacht, den Betroffenen ein Gegenmittel zu verabreichen, nur damit sie für die Wraith wieder genießbar werden? Sie retten, um sie sterben zu sehen?"
Dann hob der Arzt den Kopf und suchte Evans Blick.
"Sie nährten sich an meinem Sohn. Sie raubten ihm Jahre seines Lebens. Vor meinen Augen wurde mein eigenes Kind zu einem Greis."
Dimitri wandte sich ab. Unterbrach den Blickkontakt zu dem jungen Mann, der ihn so sehr an seinen Sohn erinnerte.
"Sie haben Ihnen die Formel für das Gegenmittel gegeben?"
Eine dumme Frage, denn Evan konnte sich die Antwort denken.
Die Wraith vermochten das Virus zu heilen.
Ganze Welten, Evan wollte die genaue Zahl nicht einmal schätzen müssen, voller Infizierter, die sich irrational verhielten und somit den Wraith nichts entgegenzusetzen hatte.
Sie würden leichte Beute sein.
Nicht in der Lage zu fliehen oder sich zu verstecken.
"Doch damit nicht genug", begann Dimitri und riss Evan aus seinen Gedanken.
"Sie wollten nicht nur das Gegenmittel."
"Bitte?" fragte Evan verblüfft.
Dimitri drehte sich wieder zu Lorne um und dieser konnte die Verzweiflung auf dem Gesicht des alten Mannes deutlich lesen.
"Sie wollten das Virus…" flüsterte er.
Evan begriff nicht.
Warum zum Teufel sollten sich die Wraith für das Virus interessieren?
Dimitris nächste Worte waren klar, so gefühllos, wie seine Augen, und so grob, wie ein Schlag in die Magengrube.
"Sie nutzen das Virus. Sie verbreiten es… Sie schaffen sich Beute, die nicht weglaufen kann…
Wir…wir haben ihnen jegliches Leben dieser Galaxie auf dem silbernen Tablett serviert…"
Damit verschwand der alte Mann wieder im Schatten.
Evan sagte lange nichts.
Er dachte nach.
"Unsere Ärzte gaben an, dass das Virus nach Ablauf von 48 Stunden, vom Moment der Infizierung an gerechnet, nicht mehr zu behandeln sei. Soweit ich weiß, liegt das an der Zerstörung des Gehirns, die nach 48 Stunden durch das Virus irreparabel ist. Was also nützt das Virus den Wraith?"
"Ihre Ärzte liegen da nicht ganz falsch", verriet man ihm.
"Wenn Sie das so sagen, kommt jetzt doch bestimmt der Hacken an dem Ganzen?" erkundigte sich Evan.
"Nach Ablauf der 48 Stunden ist es wegen den erlittenen Gehirnschäden nicht mehr sinnvoll, einen Infizierten zu heilen. Man würde nur das Virus bekämpfen, aber die Person dabei nicht retten können.
Ihre Ärzte haben diesbezüglich Recht. Aber die Wraith stört das nicht."
"Ob sie durchschnittliche Persönlichkeiten wie Sie oder uns töten oder sich an geistig Minderbemittelten nähren, ist ihnen völlig egal."
Evan schüttelte den Kopf.
Zum einen hoffte er, seine Gedanken dadurch wieder ordnen zu können, und andererseits wollte er endlich aus diesem schrecklichen Traum aufwachen.
"Aber wenn die Wraith alles haben, dass Virus und das Gegenmittel, warum ließ man Sie alle am Leben?"
Diese Frage brannte Evan auf der Zunge.
Er musste sie stellen, auch auf die Gefahr hin, keine klare Antwort darauf zu bekommen.
"Wir sind aus demselben Grund hier wie Sie."
Oh, das klingt interessant, dachte sich Evan.
Diese Frage war die Letzte gewesen, die ihn noch gequält hatte. Er hatte nur nicht geglaubt, in diesem Raum hier jemals eine Antwort darauf zu finden.
"Und der wäre?" fragte Lorne in die Dunkelheit.
"Sie zeigen es uns…"
"Bitte?" fragte Evan verwirrt. Diese Menschen regten ihn wirklich auf.
Konnten sie denn keine ganzen Sätze sprechen?
Was sollte das, mochten sie seine Stimme und ließen ihn deshalb ständig nachfragen?
Wieder geschah lange Zeit gar nichts.
Dann trat erneut der alte Mann auf Evan zu.
"Sie lassen uns zusehen, wie sie andere Planeten infizieren. Sie zwingen uns mit anzusehen, wie unser Virus die Infizierten ihren Verstand verlieren lässt und sie wie Tiere aufeinander losgehen.Dann fangen sie sie ein…und wir sehen immer noch zu."
Dr. Barned schlich einmal um Evan herum.
"Dann sperren sie die Menschen in Zellen und verabreichen ihnen, durch das Ventilationssystem des Schiffes, das Gegenmittel. Wir dürfen zusehen, wie der klare Verstand und das Bewusstsein in die Menschen zurückkehren und sehen das Entsetzen auf ihren Gesichtern, wenn ihnen klar wird, wo sie sind. Sie zwingen uns, ihren Triumphzug mit anzusehen, den wir ihnen verschafft haben."
Wieder blieb Dimitri stumm und blickte Lorne lediglich aus toten Augen an.
"Ich weiß nicht, was Sie den Wraith angetan haben, aber ich denke, die Ausrottung von Leben mit ansehen zu müssen, ist wahrlich keine geringe Strafe." Damit verschwand Dimitri und ließ Lorne mit seinen aufgewühlten Gedanken allein.

Kapitel 9.
Kopfschmerzen…
Was hätte er jetzt alles für eine Aspirin gegeben.
Evan hatte sich an der Wand niedergelassen und seinen Kopf gegen das kalte Metall gedrückt.
Im Zwielicht des Raumes vermochte er, hin und wieder, Bewegung wahr zu nehmen, doch keine der Personen kam auf ihn zu. Keiner sprach ein Wort. Es herrschte absolute Stille.
Eine vollkommen künstliche Stille, in Anbetracht der vielen Menschen, die hier im Halbdunkeln gefangen waren.
Als ob die Dunkelheit jegliche Worte verschlucken würde.
Sie warteten. Stumm und ohne Hoffnung.
Auf den Tod?
Evan bezweifelte dies.
War seine Anwesenheit hier wirklich eine Art Strafe?
Lorne blickte zu einer schemenhaften Gestalt, welche zur Schwelle trat, an der sich Licht und Schatten vermischten.
Dr. Barned…der Blick seiner leblosen Augen starr geradeaus ins Nichts gerichtet.
Diese Leute hier warteten auf die Absolution.
Ein schreckliches Schicksal, dachte Evan und eine neuerliche Welle Kopfschmerzen durchzog ihn.
Müde lehnte er seinen Kopf zurück an die angenehm kühle Wand.
Für einen Moment schloss er erschöpft seine Augen.
Kurz verschwendete Evan noch einen Gedanken an den Grund für sein hier sein, dann driftete sein Geist ab. Verschwand in der Dunkelheit eines unruhigen und oberflächlichen Schlafes.

Ein Geräusch!
Schreie, die abrupt die Dunkelheit durchbrachen!
Evan schreckte hoch!
Für den Bruchteil von Sekunden hatte er geglaubt, alles nur geträumt zu haben.
Doch dann sah er sie…
Zwei Wachen, die bewaffnet in der Tür standen.
Plötzlich zuckte Licht durch die schummrige Dämmerung des Raumes. Erfüllte ihn mit hellem Weiß und zwang die Personen dazu, ihre Augen zu verdecken. Auch Evan schmerzte die plötzlich auftretende Helligkeit und mit tränenden Augen späte er zu den Wachen.
Für einige Zeit standen sie nur untätig im Raum. Als ob sie die Anwesenheit all ihrer Gefangenen überprüfen wollten.
Dann kam ein dritter Wraith hinzu.
Trotz der Ähnlichkeit, die die Wraith untereinander aufwiesen, erkannte Evan diesen Wraith als jenen, der ihn hierher gebracht hatte.
Da seine Augen sich langsam an die Helligkeit gewöhnt hatten, wischte er sich schnell den letzten Rest Feuchtigkeit mit seinem Ärmel ab.
Erst jetzt erkannte der Soldat, wie viele der Rebil sich tatsächlich in diesem Raum befanden und ihre Anzahl überraschte ihn.
Er hätte mit einem halben Dutzend gerechnet, doch die verstörten Menschen, die sich in die Ecke des Raumes drängten, waren etwa an die 20. Vielleicht sogar mehr.
Als Evan aufstand und wieder zurück zu den Wraith blickte, bemerkte er, dass das alleinige Interesse der Wachen auf ihm ruhte.
Mit einem dreckigen Lächeln, dass Evan dem Wraith nur zu gerne vom Gesicht gewischt hätte, kam dieser auf ihn zu.
Die Zeit des Wartens war vorbei.
Jetzt würde er endlich erfahren, weshalb man ihn hierher gebracht hatte.
Warum er die Geschichte der Rebil hatte erfahren dürfen.
So hoffte er zumindest.
Gespannt und ohne eine Form der Gegenwehr folgte Evan den Wächtern. Mit einem letzten Blick zurück erkannte Evan den alten Dr. Barned. Sein Gesicht war ausdruckslos, seine Lippen formten stumm unverständliche Worte, als die Dunkelheit zurückkehrte und ihn sowie den Rest der Verdammten erneut verschluckte.

Lange, endlos gleiche Gänge. Evan folgte den Wächtern durch die Korridore des Schiffes.
Einer der Wraith blieb vor einer Türe stehen, ähnlich derer, die den Raum von Dr. Barned und seinen Leuten blockierte.
Wie erwartet, erstreckte sich dahinter ebenfalls ein dunkler Raum.
Als sie eintraten, flackerte die Beleuchtung an den Wänden auf und tauchte den Raum in schummrige Helligkeit.
Ein Stuhl war der einzige Gegenstand in dem ansonst leeren Raum.
Man zwang Evan sich zu setzen und fesselte ihn an Armen und Beinen.
Was immer jetzt kommen würde, es konnte nichts Positives sein.
Evans innere Anspannung wuchs mit jeder verstreichenden Sekunde.
Der unmaskierte Wraith bedachte ihn mit einem herablassenden Lächeln.
Als Evan auf dem Stuhl gesichert war, verschwanden die beiden Wachen und für einige, quälende Minuten geschah gar nichts.
Der Wraith musterte seinen Gefangenen und Evan hielt seinem Blick stand. Stur und ohne jegliches Zeichen von Emotionen. Der Wraith musste lachen. Ein seltsamer Laut, der an Verachtung kaum zu überbieten war.
Evan versuchte genügend seiner Abscheu in seinen Blick zu legen, um seinem Gegenüber das Lachen auszutreiben. Dieser ließ sich jedoch nicht die gute Laune verderben.
"Dein störrischer Blick wird dir schon noch vergehen.", versprach ihm der Wraith.
"Ach", war alles, was Evan darauf erwiderte.
Plötzlich hatten die Wraith wohl Lust auf >zwanglose< Unterhaltung? Da hatten sie sich aber den falschen Gesprächspartner gewählt!
Evan bemerkte, dass jemand den Raum betrat.
Durch seine, von den Fesseln eingeschränkte Bewegung, konnte er nicht erkennen, wer.
Die Tür schloss sich hinter dem oder den Unbekannten, aber Evan tippte darauf, dass die beiden Wachen wohl wieder zurück waren.
Damit hatte er nicht ganz Unrecht.
Das Lächeln auf dem Gesicht des unmaskierten Wraith wuchs in die Breite.
Aus den Augenwinkeln erkannte Evan die Wachen. Doch sie kamen nicht allein.
Nein! Ging es Evan durch den Kopf, als er die weitere Person erkannte.
Man ließ Lieutenant Jells unweit des Gefesselten auf den Boden sinken.
Jells Körper wies unübersehbare Spuren von Misshandlungen auf. Man hatte ihn geschlagen!
Wahrscheinlich hatte er sich nicht gefügt, als die Wächter ihn aus der Zelle geholt hatten.
Rote, blutige Schrammen zogen sich über das junge Gesicht. Blut klebte im zerzausten, blonden Haar und an der Uniform.
Evan versuchte dem Wraith gegenüber keine Gefühle für seinen Kameraden zu zeigen.
Er befürchtete zu wissen, worauf diese Szene hier hinauslaufen würde und darauf würde er sich nicht einlassen.
Auch Jells Blick gab zu erkennen, dass er wusste, worauf er sich einzustellen hatte.
Den Wraith jedoch interessierte diese lautlose Kommunikation herzlich wenig. Er Lächelte nach wie vor. Er schritt einmal um den Stuhl mit seinem Gefangenen herum. Dann beugte er sich zu dem Menschen hinunter, ganz in die Nähe von Evans Ohr.
"Jetzt wirst du uns alles erzählen", drohte er.
Evan schwieg.
Der Wraithwächter hob seine Waffe und ließ sie mit Gewalt auf Lieutenant Jells Körper prallen.
Dieser sank zu Boden.
Er presste die Lippen fest zusammen, um nicht einen schmerzerfüllten Schrei auszustoßen.
Diese Genugtuung wollte er den Wraith nicht gönnen.
Sie würden ihn nicht brechen!
Evan wandte seinen Blick von seinem leidenden Kollegen ab und suchte Blickkontakt zu dem Anführer des Wraith-Trios.
"Was willst du?", presste er unter vor Wut zusammengebissenen Zähnen hervor.
Der Wraith ließ erneut sein Lachen hören und mit einem stummen Signal gab er der Wache den Befehl, wieder auf den wehrlosen Lieutenant einzuschlagen. Dieser krümmte sich unter der Misshandlung. Gab aber dennoch keinen Ton von sich.
Evan war stolz auf den vor ihm liegenden Soldaten. An dessen Stelle würde er sich ebenso verhalten.
Wieder trat der Wraith an Evans Seite.
"Fangen wir mit etwas Leichtem an", schlug er vor. "Nenn mir den Namen deiner Heimatwelt."
Evan schluckte.
Diese Frage gefiel ihm nicht und die Richtung, in die dieses Gespräch zu driften schien, ebenso wenig.
Deshalb schwieg er.
Der Wraith begann wieder durch den Raum zu wandern. Dabei lachte er erneut. Als hätte er Evans Schweigen nicht nur erwartet, nein, es schien ihn zu erfreuen.
Wieder schlug ein Wächter auf Jells ein.
Einmal, zweimal, dreimal, sauste der Lauf der Waffe auf den Oberkörper des jungen Mannes ein.
Bei der vielen überschüssigen Kraft, die die Wraith besaßen, würde es wohl nicht lange dauern, bis Jells erste Rippen unter den Schlägen nachgaben. Der Wraith blieb neben Jells stehen. Zupfte an seinem langen, weißen Bart herum und trat mit einem Fuß auf den am Boden liegenden Soldaten.
"War die Frage nicht einfach genug für dich?", fragte er und richtete sein Augenmerk, wieder auf Evan.
Dieser sah in nur missbilligend an.
"Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich dir irgendetwas verraten werde?", fragte Evan und bemühte sich keineswegs, seine Verachtung aus der Stimme zu verbannen.
Wieder lachte der Wraith.
"Wenn das Leben dieses Menschen nicht ausreicht, um dich gefügig zu machen…"
Das Ende des Satzes ließ der Wraith offen. Demonstrativ bückte er sich zu dem am Boden gekrümmten Soldaten und drückte mit einem triumphalen Lächeln seine Hand auf Jells Brust.
Dieser schrie nun doch unter den heftigen Schmerzen auf.
Genüsslich legte der Wraith seinen Kopf in den Nacken.
Mit Abscheu verfolgte Evan, diese Szene.
Als der Wraith seine Hand vom Körper des Soldaten entfernte, sackte dieser leblos zusammen.
Der Wraith stand auf und lächelte Evan zu.
"Du darfst deinem Freund beim Sterben zusehen."
Mit einem Nicken des Wraith verschwanden die zwei Wächter erneut.
Der dritte Wraith trat aus Evans Blickfeld und ließ ihn mit dem ächzenden Soldaten am Boden allein.
Evan wusste, dass der Wraith ihn beobachtete und so sagte er nichts.
Stumm sah er zu, wie das Leben und die Jungend aus Jells verschwanden. Wie dessen Haar ergraute und Falten das Gesicht durchfurchten. Mit einem letzen flehenden Blick, durchzogen von Angst und Schmerz, blickte Jells zu seinem Vorgesetzten auf.
Evan konnte nichts tun.
Nichts, außer dem sterbenden Mann mit einem letzten, aufmunternden Lächeln zu betrachten.
Dann atmete Jells einmal geräuschvoll ein und seine Augen wurden gläsern. Sein Blick verlor die Schärfe und entglitt ins Leere. Dann war es vorbei. Evan schloss für einen Moment die Augen.
Schluckte die Wut und die Verzweiflung hinunter, die er am Liebsten an dem dumm lächelnden Wraith ausgelassen hätte.
Dieser kam jetzt wieder in Evans Blickfeld und trat noch einmal mit voller Wucht auf den leblosen Körper des Soldaten ein.
Evan hörte, wie sich die Tür des Raumes erneut öffnete. Die Wachen waren wohl zurück.
"Räumt das weg!", befahl der Wraith und deutete auf den toten Körper.
Evan platzte fast vor Wut!
Dann packte ein Wache Jells Beine und zog ihn aus Evans Blick.
Der zweite Wraithwache kam mit Captain Ash zurück.
Die Frau wurde ebenfalls auf die Knie gezwungen.
Ein sorgenvoller Blick ihrer blauen Augen traf auf Lorne und wanderte dann zu der Leiche von Lieutenant Jells, der unweit von ihr in der Ecke lag. Sie schluckte geräuschvoll.
Wieder trat der Wraith auf Evan zu.
"Das männliche Exemplar deiner Spezies war dir offensichtlich egal. Ob es bei einem weiblichen ebenso steht?" erkundigte sich der Wraith.
Evan zwang sich, seine Stimme ruhig zu halten, als er den Kopf drehte und den Wraith direkt ansah.
"Ich werde dir nichts verraten", versicherte er.
Wieder lachte der Wraith und Ash bekam den ersten Schlag eines Wächters.
"Mag sein, dass auch Ihr Leben nicht ausreicht", begann der Wraith erneut zu sprechen.
"Doch glaube mir, in der Zelle warten noch viele andere Menschen darauf, vor deinen Augen zu sterben. Und selbst wenn du mir nicht verrätst, was ich wissen möchte, wird es mir doch eine Genugtuung sein, ihnen wegen deiner Sturheit, das Leben zu nehmen. Sie werden sterben, einer nach dem anderen und dann, wenn du dir nichts sehnlicher wünscht, als deinen eigenen Tod, werde ich dich als Infizierten durch das Stargate schicken. Du wirst eine ganze Zivilisation mit in den Tod nehmen, bevor es dir gestattet sein wird, endgültig zu sterben."

Kapitel 10.
In etwa stündlichen Interwallen kamen die Wraith wieder.
Als Letztes hatten sie Kenneth Bolton, einen dunkelhaarigen Sergeant, aus der Zelle abgeführt.
Keiner von denen, die sie mitnahmen, kam wieder zurück.
Radeks Unbehagen wuchs und wuchs.
Es waren nur noch 10 Stunden bis zur Deadline für die Infizierten von Atlantis.
Ob es Marc und seinen Leuten wohl schon gelungen war, ein Gegenmittel herzustellen?
Oder hatte es die Hashepsto aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen erst gar nicht zurück nach Atlantis geschafft?
Fragen über Fragen. Doch nicht nur das belastete Radek.
Die Ungewissheit, wer von ihnen wohl als nächstes geholt wurde, war schier unerträglich.
Wurden die Betroffenen gefressen, in Kokons gesteckt oder hatten sich die Wraith eine andere Abscheulichkeit einfallen lassen?
Radek schritt in der Zelle auf und ab. Er wollte nicht dasitzen und warten. Auch wenn sein auf und ab Gerenne keineswegs zu einer entspannten Zellenatmosphäre beitrug. Doch mit einem Blick in die Gesichter seiner Mitgefangenen wurde ihm klar, dass selbst sein rastloses Gerenne den Stressfaktor nicht noch mehr erhöhen könnte. Sie waren eh schon alle bis aufs Äußerste angespannt.

"Still!", mahnte ein Soldat, der am Zellenausgang platz genommen hatte, eine kleine Gruppe schwätzender Soldaten. Sogleich kehrte Ruhe ein und alle lauschten.
Auch Radek blieb stehen und beobachtete die Zellentür.
"Sie kommen wieder…" erklärte der Soldat und deutete auf die Biegung, hinter der auch sogleich die beiden Wachen erschienen.
Die Gefangenen erhoben sich. Keiner sagte mehr ein Wort. Still warteten sie ab.
Wer würde es dieses Mal sein?
Die Zellentür öffnete sich und für einen Moment blickten sich die Wachen unschlüssig um.
Als ob ihnen die Wahl des nächsten Opfers schwer viel. Dann viel ihr Blick auf Radek und dieser versteinerte förmlich. Die Wachen sprachen sich wohl telepatisch ab, denn beide griffen zeitgleich nach dem Wissenschaftler. Dieser wehrte sich noch einem Moment, dann gab er auf und ließ sich abführen. Radek warf noch einen letzten Blick zurück, dann verschwanden sie hinter der Biegung.
Seine Füße fühlten sich wie Gummi an und er hatte Angst, sie würden unter seinem Gewicht nachgeben. Trotzdem setzte er, fast mechanisch, einen Fuß vor den anderen. Langsam, aber dennoch stetig, kamen sie ihrem Ziel immer näher. Radek kam sich vor, als ob man ihm zum Schafott geleiten würde. So hatten sich wohl damals die Verbrecher auf ihrem Weg zum Henker gefühlt oder so vermag es einem Verurteilten ergehen, der am Ende des Weges den elektrischen Stuhl erwartete.

Radeks Gedanken schweiften fort. Verließen diese schaurige Umgebung und drifteten zurück, zurück in seine Kindheit.
Er sah sich spielend und lachend an dem Ort, der einst Geborgenheit und Sicherheit repräsentiert hatte.
Sein Zuhause.
Die Gesichter seiner Eltern und Großeltern flackerten als Bilder durch seinen Kopf.
Das Glücksgefühl, welches er in ihrer Nähe stets verspürt hatte, kroch zurück in sein Bewusstsein.
Dann wechselte die Szene vor seinen Augen. Er sah Atlantis. In all seiner Pracht.
Seine Kollegen, seine Freunde, wie sie lachten und lebten…
Das Bild verschwamm vor seinen Augen und zurück blieb die Wirklichkeit.
Eine große, dunkle Tür, die sich vor ihm und den Wraith öffnete.
Erst glaubte Radek, man brächte ihn in einen leeren Raum. Doch dann erkannte er eine auf einen Stuhl gefesselte Gestalt. Bevor er jedoch dessen Gesicht erkennen konnte, packte ihn ein Wraith an den Haaren und warf ihn zu Boden.
Radek keuchte. Rieb sich mit einer Hand über die schmerzende Stelle am Kopf.
Sein Blick viel in eine Ecke des Raumes und sein Blut gefror ihm in den Adern.
Ein Berg aus Leichen!
All die Menschen aus seiner Zelle, all die netten Soldaten waren dort, auf groteske Weise gestapelt.
Ein Gewirr aus Armen und Beinen. Die Wraith hatten ihnen das Leben ausgesaugt und ihre Überreste in die Ecke geworfen. Wie Abfall, wie etwas, was ein einst lebendes Wesen selbst im Tod nicht verdient hatte.
Radek konnte seinen Blick nicht von dieser Szenerie lösen. Zu groß war der Schock, der all seine Glieder gelähmt hatte.
Erst ein Schlag in die Rippen, der ihn unter Schmerzen zusammenbrechen ließ, brachte seine Gedanken zurück in die Realität und zurück zu dem Mann auf dem Stuhl.
"Major Lorne" hauchte Radek mit erstickender Stimme.
So froh wie er auch darüber war, den Major noch lebend wieder zu sehnen, so entsetzte ihn doch der Blick des Soldaten. Starr und völlig gefühllos! Mit einem Wort: eiskalt!
Radek schauderte.
Warum, um alles in der Welt, betrachtete Lorne ihn so? Radek wurde bang.
Was war in diesem Raum hier schon alles geschehen, bevor man ihn jetzt hierher geschleppt hatte?
Obwohl der Tscheche befürchtete, dass seine Fragen früher und härter beantwortet werden würden, als es ihm lieb war.
Ein unmaskierter Wraith schlich mit einem Lächeln auf den Lippen um den gefesselten Soldaten herum.
"Ah", ließ der Wraith vernehmen.
"Dieser hier" und mit den Worten deutete er auf Radek. "Dieser hier ist anders. Anders als seine Vorgänger."
Ungewollt viel Radeks Blick zurück auf den Leichenberg und das Wort >Vorgänger< hallte als Echo durch seine Gedanken.
"Dieser hier hat Angst", bestätigte der Wraith und sah von oben auf Radek herab.
Radek sah zu dem Wraith empor und musste sich unwillkürlich fragen, welcher normale Mensch in solch einer Situation nicht Angst bekäme.
Gut, die Militärs hatten gelernt, solche Emotionen zu verbergen. Aber er war halt bloß ein normaler Durchschnittstyp. Ein Wissenschaftler! Jemand, dessen größte Herausforderung es bisher immer gewesen war, mit Dr. Rodney McKay auszukommen, ohne ihn ausversehen doch zu erwürgen.
Nie hätte er geglaubt, jemals in einer derartigen Lage zu sein!
Und doch war er hier und nach alldem, was er durchgemacht hatte, da war es weder verwunderlich, noch verachtenswert, Angst zu haben.
Nur fehlte ihm der Mut, dies dem Wraith ins Gesicht zu sagen. So schwieg er einfach. Wartend auf das, was noch kommen würde.
Mit einem kehligen Ton, der wohl ein Lachen darstellen sollte, sah der Wraith zurück zu Lorne.
"Ja, dieser hier hat Angst. Vielleicht…ja vielleicht sollte ich ihn fragen", überlegte er.
Fragen? Was sollte man ihn fragen?
Radek rutschte unruhig ein Stück weiter über den Boden. Weg von dem stetig lächelnden Wraith.
"Du wirst es mir verraten, nicht war? Du magst keine Schmerzen, oder?"
Was für eine blöde Frage! Natürlich mochte er keine Schmerzen!
Radek versuchte vergebens, noch ein Stück weiter weg zu rutschen. Seine Bemühungen wurden jäh unterbrochen, als eine Wraithwache mit ihrer Waffe nach ihm schlug.
Schmerzerfüllt blieb er ruhig sitzen, was dem Wraith ein erneutes Lachen entlockte.
"Nein, du magst keine Schmerzen", stellte er mit Genugtuung fest.
Hilfe suchend wandte sich Radek an den gefesselten Lorne.
Doch dieser sah immer noch ausdruckslos auf die sich vor ihm abspielende Szene.
Der Wraith ging jetzt dicht neben Radek in die Knie und dieser versuchte, sich seine Angst nicht all zu deutlich ansehen zu lassen.
"Wenn du meine Fragen beantwortest, wirst du leben", versprach ihm der Wraith.
Was sich in Radeks Ohren aber nicht wirklich glaubwürdig anhörte.
Wenn er die Fragen beantworten würde, würde er nur etwas später sterben. Das war alles.
"Also verrate mir die Koordinaten deiner Heimatwelt."
Jetzt stutzte Radek. Dies hier war ein Verhör?!
Entsetzt sah er zurück zu dem gefangenen Major. Sie hatten wohl seine Kollegen vor ihm gefoltert, um ihn zum Reden zu bringen.
Wie grausam und barbarisch, musste er denken.
Jetzt verwunderte es ihn auch nicht mehr, dass der Soldat nichts anderes als einen kalten Blick für ihn übrig hatte.
Er versuchte bestimmt, sich emotional von dieser Szene zu distanzieren, sonst würde er den Wraith am Ende wohl doch noch antworten. Und da der Major dies offensichtlich bisher noch nicht getan hatte, lag es nun an Radek, ebenso zu schweigen. Eine schwere Bürde.
Wie viel Schmerzen würde er wohl ertragen, bevor er um Gnade flehte?
Bevor er ihnen sagte, was immer sie hören wollten, nur um von den Schmerzen befreit zu werden?
Radek begann zu zittern. Verängstig schloss er seine Augen und wünschte sich einmal mehr, dass dies alles nur ein schrecklicher Traum wäre.
"Wach auf", flüsterte er. "Wach auf!"
"Hast du mir nichts zu sagen?" erkundigte sich der Wraith, als Radek nicht antwortete.
Die Wache schlug erneut zu. Radek presste die Lippen zusammen. Er wollte nicht schreien!
"Antworte!" verlangte der Wraith.
Jetzt war guter Rat teuer. Sollte er Schweigen oder Lügen?
Radek entschied sich, nach einem erneuten Schlag mit der Wächterwaffe, für Letzteres.
"Ich…i…ich kenne die Koordinaten nicht. Ich…ich bin nur ein unbedeutender…" Radek überlegte, "Mediziner" fügte er schnell hinzu. "Ja, ich bin nur ein Mediziner. Mehr nicht. Ich kenne mich mit solchen Details nicht aus."
Selbst überrascht von seiner Ausrede, wartete er ab, ob ein neuerlicher Schlag folgen würde. Doch dieser blieb aus.
Das Lächeln verschwand von dem Gesicht des Wraith und wütend drehte er ein paar Runden durch den Raum. Anscheinend dachte er angestrengt nach.

Evan war verblüfft über die schnelle und vor allem geglückte Lüge des Wissenschaftlers.
Das hätte er ihm gar nicht zugetraut. Doch retten würde ihn das alles auch nicht.
Sie würden mit Zelenka so verfahren wie mit den Soldaten.
Evan hoffte nur, dass der Wissenschaftler nicht unter den Schmerzen der Folter doch noch aussagen würde.
Der Wraith trat wieder auf Lorne zu. Beugte sich nah zu dessen Ohr und flüsterte: "Soll ich seine Aussage überprüfen? Ich denke, dein Freund lügt mich an."
Auch Radek hatte die leise gesprochenen Worte gehört.
Evan blickte den Wraith nur kalt an. Warum nur war dieser Typ so gesprächig?
Die Wraith, die Lorne bisher kennen gelernt hatte, waren weitaus schweigsamer gewesen.
Offensichtlich machte diesem hier seine Arbeit besonders Spaß. Dennoch würde er keine seiner Fragen beantwortet bekommen. Zumindest nicht von Lorne.
"Gut, dann frag ich einfach deinen Freund", stellte der Wraith wieder lächelnd fest.
Dann trat er zurück zu Radek und musterte ihn erneut von oben herab.
"Nenn mir die Koordinaten deiner Heimatwelt!"
Radek sagte nichts. Wie erwartet, erntete er dafür einen Schlag in die Rippen.
Mit schmerzerfülltem Gesicht sah er zu Evan zurück. Dessen stummer Blick mahnte ihn, weiter durchzuhalten.
"Du willst nicht reden? Na schön. Es gibt noch genügend andere".
Damit beugte sich der Wraith hinab zu Radek und presste seine Hand auf dessen Brust. Genoss die Schreie des verzweifelten Mannes und freute sich, als er die nackte Angst in den Augen seines Opfers erkannte.

Kapitel 11.
"Die bewegen sich!"
Cady Goodman erschrak förmlich, als Vinzent van Greyarts losbrüllte.
Die letzten Stunden hatten sie nur schweigend nebeneinander gesessen und Cady war daraufhin wohl kurz eingenickt. Was hätte sie auch groß mit diesem nörgelnden Lieutenant neben ihr bereden sollen?
Was ihre derzeitige Mission betraf, waren sie beide ja von Anfang an unterschiedlicher Meinung gewesen. Außerdem zählte Vinzent zu der Sorte Menschen, mit denen eine vernünftige Diskussion ohnehin unmöglich war. Jemand, der keinen Millimeter von seinem Standpunkt abweichen konnte bzw. wollte, war nicht diskussionsfähig und so hatte sie eine derartige Konversation erst gar nicht angestrebt.

Vinzents gestikulierte wild mit den Armen und deutete auf das Wraithschiff.
"Jetzt starten Sie schon den Jumper!" meckerte er im Befehlston.
Cady schnaubte abfällig und verkniff sich einen bissigen Kommentar. Wenigstens hatte er nicht mitbekommen, dass sie kurz eingenickt war. Das hätte er sicher unter >im Dienst eingeschlafen< in seinen Beicht geschrieben oder noch schlimmer, er hätte gleich über ihr undiszipliniertes Verhalten lang und breit diskutieren wollen.
So war Cady die Abwechslung recht und das untätige Warten hatte auch ein Ende gefunden.
Jetzt würde es endlich losgehen.

Das Wraith-Basisschiff aktivierte seine Sublichtmotoren, um zu wenden. Dazu wollte es Cady aber gar nicht erst kommen lassen. Sie rief das Display auf der Jumperfrontscheibe auf, um das feindliche Schiff zu scannen.
"Was dauert das den so lange? Schießen Sie!" kam es vom Beifahrersitz.
Vinzent gestikulierte immer noch mit seinen Armen in Richtung Basisschiff.
Dieses Mal ließ Cady sich dazu hinreißen, ihm zu antworten.
"Und Sie glauben allen ernstes, dass ein Schuss ins Blaue irgendetwas bewirken würde? Selbst wenn uns die Wraith nicht sehen, wenn wir nicht mit einer schnell aufeinander folgenden Salve an Drohnen den Antrieb ausschalten, werden die einfach in den Hyperraum fliehen. Dann haben wir gar nichts erreicht. Also bitte, halten Sie die Klappe und lassen Sie mich machen."
Vinzent schnappte kurz hörbar nach Luft, sagte aber nichts mehr, sondern ließ sich in seinen Stuhl zurückfallen und beobachtete Cady genau. Wie ein Aasgeier, der seiner Beute auflauert, dachte sie.
"Ziel erfasst!" bestätigte sie, mehr zu sich selbst als zu Lieutenant van Greyarts.
Dann beobachteten die Beiden gespannt und mit angehaltenem Atem den Start der kleinen, gold-gelben Drohne. Im Gegensatz zu dem Wraithschiff wirkte die Drohne winzig und für einen kleinen Moment zweifelte Cady an der Durchschlagskraft ihrer Waffe. Quälende Sekunden, dann der Einschlag. Innerlich jubelnd, konzentrierte sich Cady erneut auf die Sensorendaten.
"Der Treffer hat gesessen!" bestätigte sie erfreut.
"Nicht wirklich", ließ Vinzent vernehmen. "Zumindest hat er sie nicht aufgehalten!"
Mit einem seiner schlanken Finger deutete er auf das sich immer noch bewegende Objekt im All.
"Shit!" fluchte Cady. "Nächster Versuch!"
Dieses Mal steuerten zwei Drohnen gleichzeitig auf das bereits beschädigte Ziel und wieder waren es Volltreffer. Die Sensoren des Jumpers verzeichneten einen kurzen, schiffsweiten Energieabfall auf dem Feindschiff. Dann viel der Antrieb aus.
Jetzt hatte Cady allen Grund zu jubeln. Vinzent war zwar noch vorsichtig optimistisch, aber innerlich freute auch er sich über ihren vorläufigen, wenn auch nur kleinen Sieg.
"So, das habt ihr nun davon, wenn ihr euch mit uns anlegt!" rief Cady durch den Jumper, als ob die Wraith sie hören könnten.
Die optimistische Stimmung wurde jäh unterbrochen, als die Sensoren Jägeraktivitäten meldeten.
"Sie schicken ihre Jäger?!" Vinzent klang irgendwie überrascht und doch ein wenig verzweifelt.
Damit hatte auch Cady nicht wirklich gerechnet. Waren sie etwa entdeckt worden?
"Wir sollten dringen diese Position verlassen", schlug sie vor und flog den Jumper dichter an das Wraithschiff heran.
Die Jäger setzten zu einem Formationsflug an und die beiden Lieutenants beobachteten dies neugierig.
"Ein Suchmuster?" spekulierte Vinzent.
Cady nickte. "Gut möglich. Sie suchen die Umgebung nach einem Rasterprinzip ab. Offenbar hoffen sie so, uns lokalisieren zu können."
Wieder vergingen Minuten des Schweigens und des Zusehens.
"Was jetzt?" stellte Vinzent die Frage, welche schon längst überfällig gewesen war und doch, Cady hatte noch keine vernünftige Antwort darauf gefunden. "Ich überlege noch", gestand sie ihrem Kollegen ehrlich.
Dieser sage nichts, doch Cady konnte sich denken, dass er wenig begeistert war. Aber ein >ich hab Ihnen doch gesagt, dass die Mission eine Schwachsinnsidee war< hätte sie von Vinzents Seite her jetzt auch nicht verkraftet, ohne ihn zu erwürgen.
Was war zu tun?
Wie sollten und wie könnten ihre nächsten Schritte aussehen? Sie mussten es irgendwie schaffen, ihre Freund vom Schiff zu holen, aber wie? Ihre Freunde waren drin und sie waren…
"Rein!" rief sie laut.
"Bitte was?" fragte Vinzent verwirrt.
Cady strahlte ihn an. "Na wir gehen rein!" erklärte sie ihm.
"Rein?", hakte ihr Gegenüber noch einmal nach.
"Ja!" flötete sie fröhlich. "Da, wo die Jäger herausgekommen sind, da fliegen wir rein."
"Sie sind irre! Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst?"
"Haben Sie eine bessere Idee?"
"Nein, gerade nicht. Aber…"
"Somit ist es beschlossene Sache." Cady erstickte jede weitere Diskussion im Keim und steuerte den Jumper am Schiffrumpf des Wraithkreuzers entlang. "Auch auf die Gefahr hin, dass Sie meine Frage wieder als dumm beschimpfen, aber was wollen wir da drin? Zu zweit gegen die Wraith haben wir keine Chance und sobald wir den Jumper verlassen, verfliegt unser taktischer Vorteil, denn wir sind dann sichtbar."
"Schon klar", antwortete sie kurz.
Da war auch schon der feindliche Hangar. Der Jumper verschwand im Inneren des gewaltigen Schiffes und setzte sanft und leise, dort in einer Ecke, zur Landung an.
"Sind Sie nicht dafür", fragte sie leise und blickte zu Vinzent. "…dass wir es wenigstens versuchen. Ich meine, sind wir unseren Freunden eine Rettungsaktion nicht wenigstens schuldig?"
Erst antwortete Vinzent gar nichts darauf.
"Natürlich denke ich diesbezüglich so wie Sie. Aber niemand hätte etwas von einer Rettungsaktion, die nicht funktionieren kann. Solange wir es nicht schaffen, unser Chancen auf Erfolg zu erhöhen, sollten wir unser Leben nicht leichtfertig riskieren. Nur deshalb war ich dagegen gewesen, diese Mission zu zweit zu starten. Unsere Möglichkeiten sind derart begrenzt, dass ich einfach keine Chance sehe", gestand der schlanke, dunkelhaarige Mann.
Cady blickte auf ihre Finger, die noch immer auf der Konsole vor ihr ruhten.
Mochte sein, dass Vinzent Recht hatte. Doch seine Motivation war nicht so groß, wie die ihre. Für ihn gab es niemand Besonderen unter den Gegangenen der Wraith. Freunde vielleicht, aber nicht mehr.
Bei ihr war das anders. Doch mit einer hirnlosen, nicht durchdachten Rettungsaktion würde sie ihm gewiss nicht helfen. Diesbezüglich hatte Vinzent auf jeden Fall Recht. Es musste doch eine Lösung dafür geben!
Denk nach Mädchen, denk nach!
"Genau!"
"Was?" Jetzt war Vinzent erschrocken. Auch er war in Gedanken versunken gewesen und Cadys plötzlicher Ausruf hatte ihn mit einem Schreck in die Gegenwart zurückgeholt.
"Wir haben im Prinzip genau die Ablenkung, die wir brauchen. Denken Sie doch nach! Die Jäger sind bemannt gestartet und suchen da draußen nach uns. Somit fallen schon mal einige Wraith aus, die sich nicht auf den Gängen aufhalten können. Dann haben wir ja auch noch ihren Antrieb lahm gelegt. Viele von denen sind bestimmt mit den Reparaturen beschäftigt. Noch ein paar weniger, die uns Ärger machen können und noch ein großer Vorteil, die erwarten uns nicht hier drinnen!"
Vinzent überlegte. Die blonde Frau hatte durchaus nicht Unrecht.
"Jetzt oder nie. Wenn Sie das wirklich durchziehen wollen, wird sich uns wohl keine bessere Gelegenheit bieten."
Erfreut, endlich Unterstützung von Seiten van Greyarts zu haben, erhob sich Cady und bewaffnete sich.
Den Lebenszeichendetektor nahm sie vorsichtshalber mit.
Dieser machte zwar keinen Unterschied zwischen Wraith und Menschen, aber er würde ihnen eine eventuelle Annäherung von Personen oder Personengruppen anzeigen. Da, wo viele kleine, weiße Pünktchen auf einem Haufen versammelt waren, musste wohl das Gefängnis sein.
"Ist ein Druckausgleich im Hangar durchgeführt worden?" erkundigte sich Vinzent beiläufig.
"Kraftfeld", murmelte Cady, währen sie sich eine der 9-Millimeter einsteckte.
Vinzent nickte. "Hab ich mir fast gedacht", bestätigte er beiläufig.
Er steckte noch die Fernbedienung für den Jumper ein und bestens ausgerüstet verließen sie ihr Versteck.

Kapitel 12.
"Können Sie mich hören? Radek, wachen Sie auf!"
Eine vertraute Stimme hallte durch die Dunkelheit, welche Radek umgab.
Doch nur Fragmente und einzelne Wortfetzen drangen in seinen Geist und hallten durch sein Bewusstsein. Die ihn umgebende Schwärze machte ihm das Denken unnötig schwer.
Warum erinnerte er sich nicht daran, wem diese doch so bekannte Stimme gehörte?
Er kämpfte gegen diese unsichtbare Macht, die seine Gedanken vernebelte. Er wollte diesen dunklen Ort, an dem sein Geist gefangen war, verlassen. Dann viel es ihm ein.
"Major Lorne", flüsterte er.
"Sind Sie wach?"
Radek blinzelte und öffnete einen Spalt breit die Augen. Lornes Gesicht blickte besorgt zu ihm hinab.
"Wie geht es Ihnen?" fragte der Soldat.
Radek konnte nicht antworten. Seine Kehle war trocken wie Sandpapier. Sein gesamter Körper schmerzte. Jeder einzelne Muskel, jede Sehne und selbst seine Knochen taten ihm alle einzeln weh.
Doch eine Woge der Erleichterung durchflutete ihn trotzdem. Schmerz bedeutete, er war nicht tot!
Radek schluckte, wollte seine trockene Kehle befeuchten. Was hätte er jetzt nicht alles für einen einzigen Schluck Wasser getan.
"Wasser kann ich Ihnen leider nicht anbieten", kam es entschuldigend von Lorne, als ob der Soldat Radeks Gedanken gelesen hätte.
Dieser schenkte seinem besorgten Gegenüber ein leichtes Lächeln. Mühsam erhob sich Radek und Evan half ihm dabei, sich an die Wand zu lehnen.
"Tut Ihnen etwas weh?"
Radek musste lachen, was durch seinen trockenen Hals aber eher zu einem Husten wurde.
"Alles", brachte er erschöpft hervor. "Mir tut alles weh."
"Das ist gut", lächelte Lorne ihm entgegen und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.
"Willkommen zurück unter den Lebenden Doc."
Radek brachte nur ein Nicken zustande.
"Ruhen Sie sich aus", meinte Evan und klopfte noch einmal kräftig auf Radeks Schulter.
"Wie…ich…" Radek bemühe sich, trotz seiner Halsschmerzen, einen lauten und deutlichen Satz zu formulieren. Scheiterte aber.
Evan hob fragend die Augenbrauen. "Tut mir leid, aber das hab ich nicht verstanden."
Radek senkte seinen Blick hinab auf seinen Brustkorb. Sah ganz deutlich die Stelle, an der sich der Wraith von ihm hatte nähren wollen. Jetzt verstand Evan auch, was der Wissenschaftler hatte fragen wollte.
"Keine Sorge. Die Verletzung ist nicht schlimm und er hat Ihnen auch nichts von Ihrem Leben gestohlen. Sie sehen immer noch aus wie…tja, wie immer halt."
Radek war nicht wirklich zum Scherzen zumute. Aber dennoch, erleichtert war er schon sehr über Evans Aussage.
"Diese Einschläge ins Schiff kamen genau zur richtigen Zeit. Fragt sich nur, was das war", überlegte der Soldat.
Radek hatte die Einschläge, wie der Major sie nannte, nur am Rande mitbekommen. Die Erleichterung über die Tatsache, dass der Wraith ihn in diesem Moment losgelassen hatte, war so überwältigend gewesen und dann…dann war auch sogleich die Dunkelheit gekommen. Hatte seinen Geist erfüllt und ihn zu Boden geschickt.
"Wie geht es Ihrem Freund?"
Radek erschrak! Die unbekannte Stimme, welche aus einem dunklen Abschnitt des Raumes kam, hatte ihn überrascht. Zugegeben, er hatte seiner Umgebung noch nicht wirklich viel Aufmerksamkeit geschenkt, seit er wieder bei Bewusstsein war.
Even, der Radeks Zusammenzucken bemerkt hatte, begann zu erklären: "In diesem Raum sind die gefangenen Überlebenden einer Welt, die sich Rebil nannte. Das Virus, welches unser Team mit durch das Tor gebracht hatte, stammt von ihnen."
Radek blickte ungläubig in die Dunkelheit. Ein alter Mann trat aus dem Schatten und seine leblos wirkenden Augen musterten die beiden Atlanter.
"Das ist Dr. Barned", stellte Evan den Herrn vor.
Radek wollte diesen Menschen gar nicht kennen lernen.
Er wusste zwar durch die vielen, ausführlichen Gespräche mit den Doktoren Steffens und Spencer, dass das Erschaffen eines Virus nicht in der Absicht der unbekannten Ärzte gelegen haben konnte, und doch…Dieses Virus war Schuld an allem!
Und da er seine Wut kaum an dem Virus persönlich auslassen konnte, so wollte er wenigstens auf dessen Erschaffer zornig sein und dieser Barned gehörte offensichtlich dazu.
"Die Wraith halten diese Menschen hier gefangen", erklärte ihm Evan weiter.
Na und?, hatte Radek sagen wollen, doch durch seinen schmerzend, trockenen Hals blieb es lediglich ein Gedanke.
"Sie mussten den Wraith die Formel für das Virus und das Antivirus verraten."
"Virus?" fragte Radek. Was sollte das Virus den Wraith bringen? Das Gegenmittel hätte ihnen doch völlig ausreichen müssen.
Evan sah kurz betreten zu Boden und schweifte dann ab zu Dr. Barned.
"Sie infizieren Personen und schicken sie durch das Stargate auf bewohnte Planeten. Diese infizieren dort die Bevölkerung, damit ihre >Beute< nicht mehr in der Lage ist, vor ihnen zu fliehen. So ist es für sie einfacher, sie zu fangen."
Evan hatte die ganze Zeit, während er sprach, seinen Blick nicht von Dimitri Barned abgewandt. Dieser sah dennoch genauso gefühllos drein, wie er dies immer tat.
"Können wir das nicht verhindern?" fragte Radek leise.
Evan schüttelte seinen Kopf. "Ich wüsste nicht wie."
"Selbst wenn Ihnen etwas einfallen würde", kam es von Dr. Barned. "Es wäre ohnehin schon zu spät." "Wie meinen Sie das?" fragte Evan nach.
"Unsere Welt war sehr bekannt. Viele Dörfer überall in der Galaxie trieben mit uns Handel. Glauben Sie mir, nicht nur Ihr Volk kam durch das Tor, seit der Virus auf Rebil ausgebrochen ist. Viele Menschen kamen und schleppten das Virus mit auf Ihre Welt. Von denen mag vielleicht ein Infizierter noch eine andere Welt besucht haben, bevor das Virus bei ihm ausbrach, oder ein Mitglied einer anderen Gemeinde kam zu Besuch dort hin. Es gibt dutzende, verschiedene Szenarien, wie sich das Virus verbreiten könnte und eines ist gewiss, da draußen gibt es sicher schon ein dutzend infizierter Welten, die den Wraith schutzlos ausgeliefert sind."
Ungewollt mussten sie Dimitri beipflichten. Diese Situation war wirklich eskaliert.
"Wir hatten versucht…" sprach Dimitri weiter. "Einer unser Wissenschaftler, welcher sich sein Leben lang mit dem Ring der Vorfahren beschäftigt hatte, war überzeugt davon gewesen, dass die letzten gewählten Adressen im Wahlgerät gespeichert blieben. Er gab sein Leben bei dem Versuch, Zugriff auf das Wahlgerät zu erlangen. Wir konnten seine Theorie somit nie bestätigen."
"Wozu diente dieser Versuch?", hakte Evan nach.
"Wir wollten das Gegenmittel zu den infizierten Dörfern bringen. Eben zu all den Menschen, die durch unsere Schuld infiziert wurden. Zu Leuten wie Ihnen, welche die Seuche ungewollt mit durch Ihr Sternentor gebracht hatten."
"Es funktioniert" kam es von Radek. "Ich weiß das. Das mit den Adressen meine ich."
Evan nickte. "Ja, Radek hier" und damit deutete er auf den Angesprochenen, "er weiß, wie er Zugriff auf die im Wahlgerät gespeicherten Informationen bekommt. Wir mussten dies schon einmal versuchen und es hat geklappt. Wir konnten nur nicht erkennen, in welcher Reihenfolge die Adressen angewählt wurden."
"Was in unserem Fall aber irrelevant wäre", bestätigte Radek, der seine Halsschmerzen schon vergessen hatte.
"Wir fanden aber nie eine Möglichkeit, das Gegenmittel flächendeckend einzusetzen. Deshalb konnten wir die Seuche auf Rebil auch nicht bekämpfen."
"Auch kein Problem", gab Radek bekannt.
"Mit einer Rakete könnte man das Antiserum in Gasform über den betroffenen Dörfern in Position bringen, um es in der Luft freizusetzen. Damit decken wir eine ausreichend große Fläche ab, um ein ganzes Dorf auf einmal, zu entgiften. Diese Methode funktioniert aber auch nur, wenn das Dorf in der Nähe des Stargates liegt. Sonst bräuchte man jemanden vor Ort, der das Ziel für die Rakete markieren würde."
"Das Antivirus in Gasform? Darüber haben wir nie nachgedacht", kam es von Dimitri. "Aber es könnte funktionieren. Da hat Ihr Freund schon Recht, denn die meisten mir bekannten Dörfer und Städte liegen unweit des Tores."
"Schön und gut, aber das hilft uns im Moment nicht wirklich weiter."
Schweigen legte sich wieder über den Raum.
Solange sie keinen Weg hier raus fanden, brachten all die Ideen, die sie hatten, um das Virus zu bekämpfen, überhaupt nichts.

Radek warf, zum hundertsten Mal, einen Blick auf seine Uhr.
Wieder waren sie eine Minute näher an das Ende der 48 Stunden heran gerückt. Wieder war eine Minute verstrichen, die auch ihn und Evan näher an ihr Ende brachte. Ihr Schicksal würde sich kaum abwenden lassen. Zumindest war ihnen auch nach reiflichen Überlegungen nichts eingefallen, was sie aus dieser Zelle hätte befreien können.
Irgendwann, das war ihnen bewusst, würden die Wraith hier wieder auftauchen und dann hatten sie bestimmt nicht so viel Glück wie beim letzten Mal. Plötzlich sprang Lorne, der neben Zelenka an der Wand gesessen war, auf.
Radek war so in Gedanken versunken gewesen, dass er erst jetzt merkte, wie sich die Tür zu diesem Raum öffnete. Jetzt war es wohl soweit. Die Wraith kamen wieder.
Auch Radek erhob sich, jedoch langsamer als Evan dies getan hatte. Warum sollte er sich beeilen? Sein Tod würde bestimmt auch lange auf sich warten lassen. Mit schaudern dachte er an den Wraith zurück, der sich an ihm hatte nähren wollen. Ja, der Tod würde lange und schmerzlich sein.
"Hallo?" fragte eine Frauenstimme in die Dunkelheit des Raumes.
Überrascht sahen sich Evan und Radek an. Ließen den vor Aufregung angehaltenen Atem langsam wieder entweichen.
Eine zierliche Gestalt erschien bewaffnet in der Tür. Trotz des Mangels an Licht konnte man die Uniform der eingetretenen Person deutlich erkennen. Evan strahlte und auch Radek, der ihr Glück kaum fassen konnte, brachte seinen Mund vor Staunen kaum zu.
"Wir sind hier!" rief Evan erleichtert.
"Sir?" fragte die weibliche Stimme vorsichtig nach.
"Ja, hier ist Major Lorne. Dr. Zelenka ist ebenfalls bei mir!"
Evan packte Radek und stürmte mit ihm zur Tür.
Lieutenant Cady Goodman strahlte die Beiden erleichtert an.
Er lebt!, dachte sich überglücklich.
"Sir", kam es jetzt von einem anderen Soldaten.
"Wo ist der Rest von unseren Leuten?"
"Nicht hier. In einer Zelle den Gang hinunter", erklärte er knapp.
"Wir sollten erstmal von hier verschwinden, bevor die Wraith auftauchen."
"Oh, wir haben für Beschäftigung für die Kerle gesorgt", meinte Cady.
"Das erklären Sie mir alles auf dem Weg hier raus." Mit diesen Worten drehte sich Evan zurück in Richtung des dunklen Raumes.
"Wenn Sie nicht sterben wollen, schlage ich vor, dass Sie sich uns anschließen."
Ohne lange zu überlegen, kamen die Rebil aus der Dunkelheit gestürmt.
Überrascht, über die vielen Zellenmitbewohner ihrer Kollegen, hoben Cady und Vinzent die Augenbrauen.
"Ob wir alle in den Jumper passen?" spekulierte Vinzent.
"Das lassen wir auf uns zukommen. Los, holen wir die anderen!"

Kapitel 13.
"Wohin jetzt?"
Es war ihnen nicht schwer gefallen die Zelle zu finden, in der ihre Teamkameraden gefangen gehalten worden waren. Doch eine Flucht aus dem Wraithschiff, mit einer derart großen Anzahl an Personen, stellte einen viel schwierigeren Part da.
"Der Jumper steht getarnt im Hangar. Wir konnten rein, als die Wraith mit ihren Jägern gestartet sind", erklärte Cady ihrem Vorgesetzten.
Sie hatte Lorne bereits berichtet, wie sie es geschafft hatten, als Rettungstruppe hier aufzukreuzen.
Evan war stolz auf die beiden Lieutenants und ihren Mut, welcher einer so verrückten Rettungsaktion zugrunde liegen musste. Er würde sie für eine Beförderung vorschlagen, wenn sie erst wieder zurück in Atlantis waren. Wenn sie erst wieder Zuhause waren.
Doch würden sie ihr Zuhause noch wieder erkennen?
Gab es dort noch jemanden, der auf sie wartete, oder hatten die Ärzte und Soldaten den Kampf gegen den Virus verloren?
Evan verdrängte diese Gedanken. Es war weder die richtige Zeit, noch der richtige Ort, um über solche Eventualitäten nachzudenken. Er fokussierte seine Gedanken starr auf ihr Ziel.
Wir verlassen das Schiff, dann retten wir Atlantis, wenn das nötig sein sollte.

Cady und Vinzent hatten nicht übertrieben. Es waren kaum Wraith auf den Gängen unterwegs.
Lorne, der die Vorhut übernommen hatte, lugte um eine weitere Ecke. Wieder kein Wraith in Sicht.
Noch waren sie nicht im Hangar, doch eine derart reibungslos ablaufende Flucht hatte er nicht erwartet.
"Weiter" gab er halblaut den Befehl und die kleine Gruppe setzte sich wieder in Bewegung.
Noch eine Biegung, noch ein kleines Stück weiter und sie wären an ihrem Ziel!

Die blaue Energieladung traf völlig unerwartet in die Flüchtlingsgruppe. Schreiend stürzte ein Mann zu Boden! Dann brach das Chaos aus!
Lorne versuchte, aus dem Gewirr der durcheinander laufenden Menschen, ihren Angreifer zu erkennen.
Erneut traf ein blauer Blitz einen Menschen und schickte ihn zu Boden. Und noch einer!
Die in Panik geratenen Leute waren ein leichtes Ziel!
Sie mussten hier weg! Wenn sie überleben wollten, dann musste jetzt etwas geschehen!
"Lieutenant Goodman, bringen Sie diese Leute hier raus!"
Das war jedoch leichter gesagt als getan.
"Folgen Sie mir!" rief Cady laut und stürmte in Richtung Hangar.
Radek, der irgendwo in dem Gewirr aus Körpern untergegangen war, versuchte die aufgebrachten Personen zu beruhigen.
"Keine Panik. Laufen Sie da lang! Da lang!" schrie er immer wieder, schob und zerrte die aufgebrachten Rebil in die richtige Richtung.
Unentwegt schossen die Wraith weiter. Immer mehr Menschen gingen zu Boden. Menschen, die in der Hektik keiner beachtete. Personen, die einfach zurück blieben.
Radek, der dies bemerkte, lief zurück, wollte einem getroffenen Rebil wieder auf die Beine helfen.
Lorne, der sich zusammen mit einigen Soldaten gegen die Wraith mit Händen und Füßen zu wehren versuchte, schrie ihn an: "Verschwinden Sie!"
Radek sah den Major überrascht an.
Die Wraith waren nah! Sie zielten auf die Soldaten. Versuchten so, den Widerstand zu zerschlagen.
"Wir können nicht alle retten!" schrie ihm Evan erneut entgegen.
"Wir halten die Wraith auf, solange wir können. Nützen Sie den Vorsprung, denn viel wird es nicht sein!"
Doch Radek wollte dies nicht akzeptieren. Ließen die Soldaten denn Leute zurück, die nicht zu ihrem Militär gehörten? War die Regel, welche besagte, dass kein Mann zurückgelassen wurde, letzen Endes nur ein schöner Spruch, der nicht für Zivilisten oder, wie in diesem Fall, Personen einer anderen Welt galt?
"Wir können sie doch nicht einfach hier lassen!" rief Radek zurück und versuchte, den schweren Rebilmann auf die Beine zu ziehen.
Ein Treffer, haarscharf an Radeks Kopf vorbei, traf die nahe gelegene Wand. Radek erschrak, sprang auf und bot somit ein leichtes Ziel.
Evan rannte los, hechtete zu dem Wissenschaftler und riss ihn mit sich zu Boden. Wieder zuckte die Entladung einer Waffe nur Millimeter über sie hinweg. Radek fiel, mit Lornes Gesicht auf sich, unsanft zu Boden. Evan sprang jedoch sofort auf und riss den Wissenschaftler mit sich.
"Sie verschwinden jetzt, das ist ein Befehl!" brüllte Lorne ihn an. Scheiß egal ob Zelenka ein Soldat war oder nicht. Es war das einzig Richtige!
"Sie lassen sie also zurück, weil sie nicht zu uns gehören, weil sie keine Ihrer Soldaten sind, denen Sie was befehlen können?"
Evan war im ersten Moment sprachlos. Seine Wut darüber, dass der Tscheche nicht auf ihn hören wollte, wurde bei dem, was Radek ihn da an den Kopf warf, nur noch verstärkt.
"Haben Sie etwa geglaubt, wir könnten wirklich alle retten? Wir retten so viele wie möglich. Das ist der Plan. Also laufen Sie! Helfen Sie Cady, die verängstigten Rebil in Sicherheit zu bringen. Somit retten wir einige. Besser als nichts!".
"Sir" rief ein Soldat und warf Evan einen Wraith-Betäuber zu. Dieser griff sofort nach der Waffe.
Radek warf erneut einen besorgten Blick auf den betäubten Mann, der chancenlos für eine weitere Flucht reglos am Boden lag.
"Ich weiß, wie Ihnen zumute ist!"
"Nein!" rief Radek. "Nein, das können Sie nicht! Sie sind Soldat! Ihnen hat man beigebracht, solche Situationen emotionslos zu betrachten. Sie wissen nicht, wie ich mich fühle! Sie wissen gar nichts!"
Blitzschnell drehte sich Evan um. Schoss auf einen Wraith, der unweit von ihnen den Gang betreten hatte. Mit einem letzten Zucken ging dieser zu Boden. Es wurden immer mehr!
Er hatte keine Zeit diese sinnlose Diskussion mit Radek weiter vorzusetzen.
"Gut", meinte er und drehte sich zurück zu Radek.
"Ich versteh also nicht, wie Sie sich fühlen. Ist mir auch egal! Wenn Sie hier bleiben und krepieren wollen, bitte. Ist Ihre Entscheidung!" Damit stand Evan auf.
"Ich werde mein Leben nicht dafür riskieren, einen Menschen zu retten, für den ich nichts mehr tun kann! Ich sorge lieber dafür, dass die Wraith nicht bis zum Hangar kommen und rette somit das Leben der übrigen Flüchtlinge. Wenn Sie diese Denkweise nicht gutheißen können oder aus irgendeinem Grund nicht verstehen, dann ist das ab jetzt nicht mehr mein Problem."
Damit beendete Evan diese überflüssige Diskussion und lief zurück zu seinen Kameraden.
Radek saß noch eine Weile nachdenklich am Boden.
Dies hier war kein Ort für einen Wissenschaftler! Dies hier war aber auch kein Ort, um seine Grundeinstellung in Frage zu stellen. Er wollte niemanden hier zurücklassen müssen!
Radek erhob sich.
Lorne und seinen Leuten würde er nur im Weg stehen. Hier konnte er bestimmt nicht helfen. Vielleicht hatte der Major doch Recht.
Nicht, dass ihm dieses Eingeständnis die Schuldgefühle genommen hätte, welche er verspürte, als er Richtung Hangar lief. Er ließ unschuldige Menschen zurück. Menschen, deren Tod nunmehr sicher war. Einen Tod, den er fast mit ihnen geteilt hätte. Sein Leben durch einen Wraith zu verlieren, war eine schreckliche Art, diese Welt zu verlassen.
Ein weiterer schwarzer Fleck auf seiner Seele, den er niemals mit seinem Gewissen würde vereinbaren können.
Wir retten einige. Wenigstens etwas, versuchte er sich einzureden, während er weiter lief.

"Sir, wir können die Stellung nicht mehr halten!"
Es war Evan rätselhaft, wie sie mit nur zwei ergatterten Waffen, ihre Stellung überhaupt solange hatten einnehmen können. Er blickte kurz auf seine Uhr. Wenn die Flüchtlinge durchgekommen waren, ohne auf weiteren Widerstand der Wraith zu stoßen, so wären sie sicher bereits im Hangar.
Sie hatten ihnen immerhin 5 Minuten Vorsprung verschafft. 5 Minuten, in denen die Wraith mit ihnen beschäftigt gewesen waren und ihr Augenmerk nicht weiter auf die fliehenden Menschen hatten richten können.
Ihr bisheriges Glück hatte darin bestanden, dass durch das Ablenkungsmanöver der Lieutenants van Greyarts und Goodman die meisten Wraith anderwärtig beschäftigt waren, doch das Glück blieb ihnen nicht hold.
Plötzlich hallte ein schriller Alarm durch die Gänge. Der Ton war mehr als nur nervenaufreibend!
Sie mussten hier weg, ehe die Verstärkung eintraf! Gegen die ganze mobil gemachte Wraithmannschaft hätten sie keine Chance.
"Rückzug" befahl Lorne.
Dem Major war klar, wie sinnlos dieser Befehl in solch einer Situation klang. Als ob sie eine andere Option gehabt hätten.
Die ersten Soldaten, welche noch vor kurzem die Aufmerksamkeit der Wraith, aus ihren Verstecken heraus, auf sich gezogen hatten, spurteten los. Liefen eilig bis zur nächsten Abzweigung und gingen erneut, vor dem feindlichen Feuer, in Deckung.
Evan schoss unentwegt weiter. Versuchte die Wraith zurück zu halten, bis die Soldaten fliehen konnten.
"Laufen Sie!" befahl er einigen weiteren Soldaten, die ihm kurz zunickten und dann verschwanden.
Vinzent van Greyarts stand noch mit der zweiten Waffe in der Hand neben ihm.
Die ersten Einheiten der Feindverstärkung trafen ein.
Evan und Vinzent hatten keine andere Wahl, als in Deckung zu gehen.
"Laufen Sie, Sir! Ich halte sie weiter auf!" bot der Lieutenant an.
Evan schüttelte energisch den Kopf. Er wusste, dass der Feind, welcher sich unaufhaltsam näherte, in derartiger Überzahl war, dass ein Rückzug, den sie beide überleben konnten, außer Frage stand. Doch floh nur einer, hatte dieser wenigstens eine kleine Chance, durchzukommen.
"Nein, Sie gehen!" rief er seinem Untergebenen zu und schoss erneut auf einen näher kommenden Wraith.
"Der Jumper braucht einen anständigen Piloten, wenn sie durch die Jäger durchbrechen wollen! Cady bekäme das nämlich nicht hin! Im Jumper kann ich niemandem helfen! Sir, ich halte hier weiter die Stellung! Gehen Sie!"
"Nein Lieutenant, Sie…"
"Sir! Die Zeit reicht nicht für eine Diskussion. Sie werden noch gebraucht! Ihr Überleben sichert das, der anderen!"
Vinzent hatte Recht. Da führte kein Weg vorbei. Auch wenn Evan den jungen Mann ungern hier zurück ließ, es blieb keine andere Wahl. Wenn er nicht bald floh, waren sie beide verloren und dem Jumper würde ein anständiger Pilot fehlen.
Als Major sollte er es sein, der dem Untergebenen Lieutenant die Flucht ermöglichte. Er sollte es sein, dessen Leben hier endet. Warum nur wollte das Schicksal dies nicht einsehen?
Wir retten so viele wie möglich. Das ist der Plan, spuckten die Worte durch Evans Kopf, die er eben zu Radek gesagt hatte.
Lorne stand auf. Schoss noch einige Male auf die näher kommenden Feinde.
"Major!" schrie Vinzent erneut.
Evans Blick fixierte den Soldaten neben ihm.
"Gott steh Ihnen bei!" Mit diesen Worten drehte er sich um und rannte, so schnell ihn seine Beine trugen.
Er blickte nicht zurück.
Akzeptierte stillschweigend den Heldenmut von van Greyarts.
Ein stechender Schmerz durchzog ihn. Quälte sein, in einem schnellen Rhythmus schlagendes Herz.
Sie sind Soldat! Ihnen hat man beigebracht, solche Situationen emotionslos zu betrachten. Sie wissen nicht, wie ich mich fühle.
Gott, was hätte Evan doch nur dafür gegeben, dass die Worte Radeks wirklich zutreffend gewesen wären…

Kapitel 14.
"Verdammt! Die Wraith bewachen das Gate!"
Damit hatte Evan jedoch fast gerechnet. Dennoch frustrierte es ihn.
Ihre Flucht mit dem getarnten Jumper hatte spielend funktioniert. Zwar hatten einige Jäger ihre Patrouillenflüge beibehalten, doch es war ihnen nicht gelungen, das kleine atlantische Schiff zu orten. Jedoch hatte der Fluchtversuch der Gefangenen dazu geführt, dass ein Grossteil der Jägerschiffe abgezogen und zur Kontrolle des Stargates eingesetzt worden waren. Somit war eine Flucht unmöglich.
"Verdammt!", fluchte Evan erneut.
Der Jumper war so voll beladen wie noch nie. Dicht gedrängt standen die Flüchtlinge zwischen den Soldaten. Körper an Körper, gerade so, dass jeder Platz gefunden hatte. Radek, der an einer Konsole im Cockpit stand, meinte: "Die Sensoren zeigen 7 Jäger in der unmittelbaren Umgebung des Tores an. Weitere 3 Schiffe befinden sich in einem Suchflug über dem Gebiet der ehemaligen Siedlung."
"Was jetzt?"
"Wir sitzen fest!"
"Hier kommen wir nie weg!"
"Klappe halten!" befahl Evan. "Panik bringt uns nicht weiter", erklärte er den verängstigten Rebil.
Als sie noch Gefangene der Wraith waren, hatten sich die Rebilüberlebenden alles aus der Nase ziehen lassen und jetzt wäre Evan ihnen dankbar gewesen, würden sie nur wieder still sein!
"Was machen wir jetzt?" kam es erneut von einem der Zivilisten.
"Darüber denken wir noch nach", beantwortete Evan die Frage.
"Also stören sie uns nicht beim Denken, indem sie dauernd überflüssige Fragen stellen", stellte Cady klar, die auf dem Kopilotensitz Platz gefunden hatte. Sie war froh gewesen, als der Major es unversehrt zum Jumper geschafft hatte und ihre begrenzten Flugkenntnisse, nicht gebraucht wurden.
Dennoch hatte sie tiefes Mitleid für van Greyarts empfunden, als der Major ihnen berichtet hatte, dass dieser zum Wohle aller zurückgeblieben war, um ihnen noch mehr Zeit zur Flucht zu verschaffen. Auch wenn Vinzent ein Nörgler und sie eigentlich nie seiner Meinung gewesen war, hatte sie seinen Tod zutiefst bedauert.
Und jetzt sah es so aus, als ob sein heroisches Opfer vergebens war. Sie würden nicht fliehen können.
"Wir müssen die Wraith vom Tor ablenken!" schlug ein weiterer Zivilist vor.
"Und dann?", hakte Evan gelangweilt nach.
"Die Wraith würden uns folgen, sobald wir das Tor vom Jumper-DHD aus aktivieren würden", erklärte Radek. "Und auf einem anderen Planeten können wir die Wraith genauso wenig gebrauchen wie hier."
"Es sei denn…" begann Evan.
"Dr. Barned, haben Sie nicht mal gesagt, den Wraith für ihre Forschungen hätten sie gefangen nehmen können, weil sie einen Jäger abschossen hatten?"
Dr. Barned, welcher dicht gedrängt im hinteren Abschnitt des Jumpers fest saß, antwortete gepresst: "Ja schon, warum fragen Sie?"
"Besitzt Ihr Planet automatische Verteidigungssysteme?"
"Nein. Wir besitzen nur begrenztes, militärisches Wissen. Das große Vermächtnis unserer Vorfahren beläuft sich auf medizinisches Wissen. Wir besitzen zwar einige Raketen, die in unterirdischen Verstecken gelagert werden, diese müssen aber von Hand auf ihr Ziel ausgerichtet und abgefeuert werden."
"Sie dachten, wir könnten nach Rebil fliehen?" fragte Cady nach und blicke zu ihrem Vorgesetzten, der anscheinend angestrengt nachdachte.
"Sollten wir nicht versuchen, nach Atlantis zu kommen?" erkundigte sich ein weiterer Soldat.
"Erst wenn wir die Seuche ausgerottet haben", erklärte Evan.
"Sir?" Cady schien verwirrt.
"Die Rebil waren eine, in der ganzen Galaxie bekannte Zivilisation. Viele Besucher anderer Planeten reisten täglich dort hin. Dr. Barned befürchtet, dass viele dieser Reisenden, genau wie unser Team, das Virus der Rebil von dort weg auf ihren Heimatplaneten mitnahmen. Somit besteht die Gefahr, dass dutzende weitere Planeten unter dieser Krankheit leiden und diese sich durch Neuinfizierungen immer weiter ausbreitet. Dr. Zelenka ist in der Lage, die zuletzt angewählten Adressen aus dem DHD zu entnehmen. Damit wissen wir, welche Planeten höchstwahrscheinlich infiziert sind. Die Rebil besitzen das Gegenmittel und die nötigen Raketen, um es über die betroffenen Planeten zu verteilen."
"Klingt nach einem Plan", kam es von Dr. Barned.
"Da gibt es nur noch ein kleines Problem".
"Und welches, Dr. Zelenka? Mal abgesehen von unserem gegenwärtigen" und mit diesen Worten deutete Evan durch die Frontscheibe auf das von Jägern bewachte Stargate.
"Der Impfstoff macht nicht immun gegen eine Neuinfizierung. Da die Wraith das Virus besitzen, sind wir immer noch alle in akuter Gefahr."
Schweigen trat ein.
"Die Wraith besitzen das Virus?"
Evan nickte Cady zu. "Sie nutzen es. Schicken infizierte Personen durch das Gate, um die dortige Bevölkerung zu infizieren. Damit ihre Beute nicht fliehen kann. Dann verabreichen sie ihnen das Gegenmittel und zack…" Evan beendete den Satz nicht.
"Zerstören wir das Wraithschiff!" schlug ein Rebil vor.
"Mit welcher Armee?" fragte Evan sarkastisch.
"Ihre Leute haben das Schiff doch bereits beschädigt!"
"Der Jumper ist nicht in der Lage, ein Wraith-Basisschiff zu zerstören!"
"Fällt Ihnen etwa besseres ein?"
"Wir müssen etwas tun!"
"Genau, versuchen wir es!"
"Ich hab doch schon mal gesagt, Klappe halten, ich denke!" Evan fuhr sich frustriert mit einer Hand durchs Haar. War es ihm doch glatt entfallen, dass auch die Wraith über das Virus verfügten.
Radek hatte Recht. Solange sie das Basisschiff nicht zerstörten, blieb die Gefahr für alle Menschen dieser Galaxie bestehen.
Doch wie?
"Rein theoretisch", begann Radek und die Blicke aller richteten sich auf den Wissenschaftler. Radeks Gesichtszüge wirkten angespannt. "Mit einigen, richtig platzierten C4 Ladungen wäre es durchaus möglich, genügend sekundäre Explosionen hervorzurufen, um das Schiff zu zerstören. Natürlich würde es nicht schaden, wenn wir diesen Prozess mit einigen Drohnen des Jumpers unterstützen würden."
"Klingt gut."
"Hört, hört!" lobten einige Rebil.
"Alles nur Theorie!" brummte Evan.
"Seien Sie nicht so negativ!" mahnte ein weiterer Rebil.
Jetzt reichte es Evan endgültig.
"Gut, wenn Sie von diesem Plan des Dr. so überzeugt sind, melden Sie sich bestimmt auch freiwillig, die Sprengladungen an Bord des Wraithschiffes anzubringen!"
Evan drehte seinen Kopf und blickte über die Schulter zu den Menschen im Jumper.
Dazu sagte keiner etwas.
"Sir, ich melde mich freiwillig!" kam es von einem dunkelhaarigen Soldaten.
"Die Wraith nehmen zu Recht an, dass wir durch das Tor fliehen wollen und ihre Antriebsreparaturen sind ebenfalls noch nicht beendet. Niemand wird uns an Bord erwarten."
"Diego hat Recht", meinte ein weiterer Soldat und blickte seinen Freund lächelnd an.
"Ich bin auch dabei."
"Scheiße Leute, ich mach auch mit."
"Wir ein echtes Höllenspektakel!"
Evan schluckte. Der Mut und die Einsatzbereitschaft seiner Männer raubten ihm fast den Atem. Wenn man bedachte, welchem Feind sie gegenüber standen…welches Schicksal die Männer erwartete, würde man sie schnappen…
"Ich bin stolz auf euch" meinte Evan kleinlaut.
"Gut, wenn sie alle davon überzeugt sind…" Er wendete den Jumper und begann wieder mit einem schnell steigenden Flug Richtung Atmosphäre.
"Rüsten Sie sich mit C4 und den restlichen 9-Millimetern aus. Zelenka, berechnen Sie die Orte, an denen wir die Bomben platzieren müssen, und geben Sie jedem Freiwilligen eine kurze Wegweisung.
"Ladys und Gentlemans, sprengen wir das Basisschiff!"

Kapitel 15.
Darauf bedacht, ja kein Geräusch zu verursachen, schlich ein dunkelhaariger Soldat durch die endlos langen Gänge des Wraith-Basisschiffes. Seine Muskeln waren aufs äußerste gespannt. Bereit, innerhalb von Sekunden auf jegliche Art von Gefahr, blitzschnell reagieren zu können.
Würden die Wraith ihn entdecken, waren auch die anderen, sich an Bord befindenden Personen in Gefahr. Ein falscher Schritt, ein noch so feines Geräusch zuviel und die Mission würde scheitern.
Dwalyn Crews wusste, was auf dem Spiel stand.
Das C4-Paket fest an seine Brust gedrückt und mit der 9-Millimeter nach vorne zielend, versuchte er, seinen hämmernden Herzschlag zu beruhigen. Sein Herz klopfte so laut, dass er glaubte, die Wraith würden es hören können. Natürlich war diese Annahme blanker Blödsinn und dennoch, obwohl er wusste, wie albern seine Gedanken waren, er konnte sie nicht verdrängen.
Der Weg, den Dwalyn beschritt, führte ihn an eine Gabelung.
Welcher Designer steckte nur hinter dieser verworrenen Schiffskonstruktion?
Der Lieutenant lugte um die Ecke, hinein in die Biegung nach links und dann mit erhobener Waffen in den leicht nach rechts abfallenden Korridor. Nichts, er war allein! Kurzfristige Erleichterung durchströmte ihn.
Für einen Moment schloss er seine Augen und rief sich die Wegbeschreibung zurück ins Gedächtnis, die er sich, auf Dr. Zelenkas Monitor im Jumper, eingeprägt hatte.
Links, links, gerade, links, rechts, zweite Tür im Korridor…links? Oder rechts?
Beim Schluss war er sich nicht mehr sicher. Er hoffte, dass ihm am Ende des rechten Korridorstückes nur eine Tür zur Auswahl stehen würde und sein Ziel somit deutlich erkennbar wäre.
Die ersten beiden Linksabbiegungen hatte er bereits hinter sich gebracht. Das Stück geradeaus hatte er soeben überbrückt und jetzt…Links.
Langsam und vorsichtig schob er sich in den breiten Gang. Lauschte aufmerksam, damit ihm ja kein Geräusch entgehen konnte.
Egal wie viele Trainingsstunden man in der Ausbildung auch absolvierte, jeder erneute Ausflug in feindliche Gefilde war nervenaufreibend. Durch Dwalyns Kopf spukten all die theoretischen Abhandlungen über das taktische Verhalten unter Feldbedingungen. Die vielen Belehrungen und Mahnungen seiner Lehrer und Ausbilder, von denen keiner jemals einem Wraith begegnet war. Ja, so ein Kursus fehlte echt in der Ausbildung.
Crews blieb stehen. Hielt unwillkürlich den Atem an. Stimmen…!
Erst eine, dann eine weitere.
Dicht an die Wand gedrängt, schob Dwalyn sich vorwärts. Lugte vorsichtig in den nach rechts führenden Korridor, in den er planmäßig hätte einbiegen müssen. Zwei maskierte Wachposten, standen bewaffnet vor einer großen, grauen Tür.
Dwalyn wusste nicht, was sich hinter der Tür befand. Auch Dr. Zelenka hatte ihm dies nicht mit Sicherheit bestätigen können. Der gute Doktor hatte diese eine, bestimmte Stelle lediglich deshalb als guten Platz für eine Detonation ausgewählt, weil wichtige Energieleitungen dicht unterhalb dieses Raumes verliefen. Genau diese Leitungen waren sein Ziel. Von dort aus floss Energie in viele Teile des Schiffes und eben genau diese Versorgung gedachte er zu unterbrechen.
Doch das Wachen diese Tür sicherten, hatte er und bestimmt auch niemand im Jumper vorhersehen können.
Der junge Soldat ließ seinen angehaltenen Atem geräuschlos entweichen. Sollte er ein Stück zurückgehen und Funkkontakt mit dem Major aufnehmen? Doch was konnte dieser vom Jumper aus bewirken, was ihm bei seinem gegenwärtigen Problem half?
Ein leises, kaum hörbar klackendes Geräusch drang aus Dwalyns Funkgerät.
Erst erschrak er kurz und vergewisserte sich rasch, dass die Wraith dieses Geräusch nicht vernommen hatten. Erneut kam ein kurzes >Klick< aus dem Funkgerät. Überlagert vom statischen Rauschen, aber dennoch hörbar.
Sie hatten vereinbart, sich mit diesem kurzen Signal zu bestätigen, sobald eine Bombe platziert war. Offenbar hatten zwei seiner insgesamt sieben Kollegen ihr C4-Paket bereits ausgeliefert.
Dwalyn warf einen letzten, kurzen Blick auf die strammstehenden Wachen, dann zog er sich aus dem Korridor zurück. Suchte vorübergehend Deckung und wartete ab.
Minuten verstrichen, ohne das ihm eine Lösung für sein Dilemma einfallen wollte. Hin und wieder vernahm er das leise Klicken aus dem Funkgerät. Offenbar verlief bei den anderen alles nach Plan.
Sieben, zählte er stumm mit. Das letzte Klick…nur noch das seine fehlte.
Was sollte er tun? Alles riskieren und die Funkstille brechen? War es wirklich unumgänglich, dass das C4 hier explodierte? Konnte er es wagen, sein Paket einfach einige Meter vor dem Ziel zur Detonation zu bringen? Dwalyn wusste es nicht. Andererseits war ihre Mission hier zu wichtig, um sie durch irgendwelche halben Sachen zu gefährden.
Was also sollte er jetzt tun?

Diego Lewis betrachtete interessiert den kleinen Raum. Der Blick seiner blauen Augen scannte förmlich die Umgebung. Nichts dürfte ihm entgehen, wenn er die Mission nicht gefährden wollte. Jedes noch so kleine Detail konnte wichtig oder besser gesagt, gefährlich sein. Auf einem Schiff wie diesem war alles eine potenzielle Bedrohung.
Die Beleuchtung des Raumes erinnerte ihn an Schwarzlicht. Es verlieh der Umgebung ein unwirkliches Aussehen. Erzeugte einen starken Kontrast zu den bunten, blinkenden Lichtern der verschiedenen Maschinen. Auch sein wasserstoffblondes Haar hatte unter der seltsamen Beleuchtung einen Grauton angenommen.
Diego drehte sich um und die automatische Schiebetür, durch die er den Raum betreten hatte, öffnete sich erneut vor ihm. Mit einem angespannten Blick nach rechts in den mit spärlichem Licht erhellten, weitläufigen Korridor erkannte er, dass er allein war. Keine weitere Wache.
Dann bückte sich der Soldat, griff nach den leblosen Armen der Wraithwache und zog sie mit sich in den kleinen Maschinenraum. Nachdem sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, ließ er die Leiche achtlos liegen.
Sein Glück war es gewesen, dass den Korridorabschnitt, welchen er als Ziel von Dr. Zelenka bekommen hatte, von einer gewaltigen Tür gesichert worden war. Die Schüsse seiner 9-Millimeter waren ungehört verhallt, als er die Wache ausgeschaltet hatte.
Jetzt rannen Rinnsäle wässrigen Blutes aus den Schusswunden des Wraith und verfärbten sich durch die ungewöhnliche Beleuchtung in ein dreckiges Grün. Dann wandte er sich wieder den zahlreiche, für ihn gänzlich ungekannte Gerätschaften des kleinen Raumes zu. Das C4-Paket war schnell angebracht und unterhalb der Konsole so gut wie unsichtbar. Wenn jemand diesen Raum betreten würde, war das C4 auch Diegos letztes Problem. Dieser jemand würde nämlich als erstes die getötete Wache finden und höchstwahrscheinlich gleich darauf Alarm auslösen. Deshalb sollte er auch so schnell es ging wieder von hier verschwinden.
Den Zeitzünder auf 20 Minuten gestellt, blieb ihm genügend Zeit, das Schiff zu verlassen und zurück in den Hangar zu gelangen.
Er hob die Waffe des toten Wraith auf und befestigte seine 9-Millimeter am Gürtel. Der Betäuber war ihm als Waffe insofern lieber, da sie nicht so einen Krach machte wie seine 9-Millimeter.
Dann späte er noch einmal hinaus auf den Gang. Sein Vordringen in diesen sensiblen Bereich des Schiffes hatte anscheinend immer noch niemand gemerkt. Und Diego Lewis war dankbar dafür.
Bevor der Soldat die Sicherheitstür dieses Schiffsabschnittes verließ, zog er noch sein Funkgerät heraus. Der Schalter stand auf >on< und Diego drückte einmal, nur kurz als kleines Signal an die anderen, auf den Knopf für den Sprechfunk. Danach verstaute er das schwarze Gerät wieder sicher und betätigte mit gezückter Waffe den Türöffner.

Dillon Atwood war bereits auf dem Rückweg, als er das vorletzte Klicken aus dem Funkgerät vernahm. Erleichtert darüber lief er eilig einen weiteren, geraden Korridor entlang.
Sein Weg hatte ihn nahe an den Maschinenraum geführt und wie erwartet hatten sich dort unzählige Wraith aufgehalten. Hatten versucht, die Schäden zu beheben, die der Jumper bei seinem ersten Angriff dem Schiff zugefügt hatte. Zu Dillons Glück waren sie mehr mit ihrer Arbeit beschäftigt gewesen, als auf ihre unmittelbare Umgebung zu achten.
Sein Ziel war ein unbedeutender Lagerraum für Ersatzteile aller Art gewesen. Kistenweise unbekanntes Material war dort gelagert worden und hatte sich exzellent als Deckung geeignet. Hin und wieder hatte ein Wraith den Raum betreten und war mit einzelnen Teilen oder einer ganzen Kiste Ersatzteilen wieder verschwunden. Dillons Timing war derart geschickt gewesen, da ihn niemand beobachtet hatte.
Nicht ganz ohne Stolz eilte der dunkelhaarige Soldat jetzt weiter durch die endlos langen Gänge. Das C4 hatte er geschickt an der Wand zum nahe gelegenen Maschinenraum platziert und mit einer Kiste vor neugierigen Blicken abgeschirmt. Ja, er konnte ohne Zweifel sehr Stolz auf sich sein! Der Hangar war nicht mehr weit. Dillon blickte unauffällig in den nächsten Korridor. Dieser gabelte sich unweit danach in zwei Richtungen. Sein Weg würde ihn nach links führen. In solchen Situationen trog ihn sein Gedächtnis nie und so machte er sich zielstrebig auf den Weg, weiter zum Jumper. Es begegnete ihm kein weiterer Wraith und schon kurze Zeit später öffnete sich die große Hangartüre vor ihm. Mit seiner 9-Millimeter die Umgebung absichernd, schlich er in den Raum. Vorbei an einigen zerlegten und wohl durch Abstürze beschädigte Jägerschiffe. Ganz in der Nähe des Kraftfeldes, welches das Vakuum des Weltalls abhielt und einen ständig geöffneten Durchgang für die sich im Einsatz befindenden Schiffe darstellte, war der Jumper 'geparkt'.
Dillon senkte seine Waffe und wartete darauf, dass Kerri, welche an der getarnten Jumperluke Ausschau hielt, heraus trat und ihm somit die genaue Position des unsichtbaren Schiffes verriet.
Und da war sie auch schon. Steckte ihren Lockenkopf aus der Luke und wank Dillon zu sich. Dieser musste ungewollt schmunzeln. Es sah aus, als ob Kerris Kopf in der Luft schwebte, da ihr Körper das Tarnfeld nicht verließ.
Überraschen zeigte sich auf Dillons Gesicht, als er den Jumper betrat. Von dem üblichen Gedränge der zu vielen Passagiere einmal abgesehen, waren die meisten seiner Freunde, die wie er mit einem Packen C4 und einem Zeitzünder unterwegs gewesen waren, schon wieder anwesend.
Josh, der den verwunderten Gesichtsausdruck seines Freundes bemerkt hatte, erklärte schnell: "Kurze Wege" und klopfte Dillon auf die Schulter.
"Wir wissen schon, dass deine Mission die schwerste war. Bist ein toller Soldat", meinte Josh lapidar und fing sich, neben einem gespielt bösen Blick, einen Schlag von seinem Freund ein.
"Schön zu sehen, dass euch Beiden nichts die gute Laune vertreiben kann", maulte Isaac Ramirez, der ebenfalls dicht neben der Luke einen Sitzplatz gefunden hatte.
"Kann ja nicht jeder so ein Miesepeter sein wie du", kam es von Dillon.
"Schön, dass Sie zurück sind, Captain Atwood", begrüßte Lorne seinen Untergebenen und setzte somit dem sinnlosen Gezanke der jüngeren Offiziere ein Ende.
"Danke, Sir."
"War Ihre Mission ein Erfolg?", hakte Evan nach.
Ein breites Lächeln umspielte Dillons Lippen als er mit einem einfachen "Ja, Sir" antwortete.
"Beeindruckend", lobte ihn Lorne. "Wirklich gute Leistung und das gilt für Sie alle hier. Ihr Mut und Ihre Einsatzbereitschaft werden nicht unbelohnt bleiben, das verspreche ich Ihnen."
Ein Lächeln legte sich auf die Gesichter der Männer und Frauen des Jumpers. Auch Cady, die noch vor kurzem mit ihren Gedanken ganz weit weg gewesen war, freute sich über die Worte des Majors.

Den Menschen im Jumper blieb nichts anderes übrig, als wieder einmal zu warten. Außer Dwalyn Crews waren alle Soldaten wieder zurück. Auch das vereinbarte Zeichen zur Bestätigung der geglückten Mission war ausgeblieben. Dwalyn steckte offensichtlich in Schwierigkeiten. Doch bisher hatte niemand den Alarm ausgelöst. Was Evan unverständlich fand. Wenn er erwischt worden war, mussten die Wraith doch davon ausgehen, dass sich noch weitere Eindringlinge an Bord befanden. Selbst wenn die Wraith nicht erkannten, welche Bedrohung von dem C4, welches der Lieutenant mit sich führte, ausging, müsste der Weg einer ihrer Patrouillen sie doch direkt in den Hangar führen. Doch niemand kam.
Wenn Crews wirklich gefangen genommen worden war, so würde man ihn vielleicht foltern? Oder hatte man ihn gleich getötet? Vielleicht musste er auch nur, in Deckung gehen und abwarten. Somit würden sie ihn verraten, wenn sie ihn anfunkten.
Erneut sah Evan auf die Uhr. Wenn der Lieutenant nicht schon auf dem Weg zu ihnen war, würde es wohl ziemlich eng für ihn werden. In 10 Minuten würde die Zeit des ersten C4-Zünders ablaufen und Dr. Zelenka hatte bei der Einweisung den Soldaten gegenüber erwähnt, dass der Jumper mindestens 5 Minuten vor Ablauf der Frist aus dem Inneren des Basisschiffes verschwunden sein musste. Sonst würden sie der Druckwelle, welche die Explosion auslöste, nicht entkommen und der Jumper schwer beschädigt oder gar zerstört werden.
Sie würden warten. Die restlichen 5 Minuten ganz ausreizen. Ja, 5 Minuten würde Evan dem sympathischen und strebsamen Soldaten noch geben. 5 Minuten…

Dwalyn sah keinen Ausweg mehr. Die Wraith hatten sich keinen Millimeter gerührt, seit er hier angekommen war. Viel hatte er nachgedacht, doch ihm war einfach keine Möglichkeit eingefallen, die beiden Wachen von ihrer Tür wegzulocken.
Hätte er doch nur eine Rauchbombe! Noch nie war ihm eines dieser Dinger so praktisch erschienen.
Als nur noch 10 Minuten verblieben und das Klicken aus dem Funkgerät schon längst verstummt war, kam Dwalyn wieder aus seinem Versteck.
Mit nichts weiter als seiner 9-Millimeter bewaffnet, schlich er wieder zur Biegung des Korridors.
Er verstaute das C4 sorgsam und lehnte sich noch einmal gegen das kalte Metall des Ganges. Der Soldat hatte einen Entschluss gefasst. Sein Leben würde er dabei höchstwahrscheinlich nicht retten können, aber das der anderen dafür.
Er dachte an seine Freunde aus Atlantis und an seine Eltern. Das Bild seiner Freundin und ihrem letzen gemeinsamen Ausflug aufs Festland schwirrte durch seinen Kopf.
Er würde es für sie tun. Für ihr Überleben!
Dann spannte er seine Muskeln, hob die 9-Millimeter und stürmte in den Gang.
Kugel für Kugel bohrte sich in die Körper der nichts ahnenden Wachen. Ließ sie wanken und zu Boden gehen. Einer von ihnen feuerte noch seine Waffe ab und sank dann ebenso zu Boden.
Laut hallte das Geräusch der Waffe durch die Gänge wieder. Wenn die Wraith das nicht hörten, müssten sie taub sein.
Dwalyn überzeugte sich nicht davon, ob die beiden getroffenen Wachen tot oder nur verwundet waren. Sie stellten momentan keine Bedrohung dar und dabei wollte er es belassen.
Die Tür öffnete sich vor ihm und dahinter empfing ihn ein kalter, fast leerer Raum. Nur wenige Computer zierten die Wände doch sein Blick haftete ohnehin auf einem großen Fenster.
Dwalyn drehte sich zurück zur Tür und untersuchte den Schließmechanismus. Da er die seltsamen Symbole der Wraithsprache nicht entziffern konnte, schoss er mit seiner letzten Kugel auf das Schloss. Ein seltsames Geräusch, als ob ein Schloss einrasten würde, ließ ihn erleichtert aufatmen.
Dann ein Schreck! Obwohl Dwalyn damit gerechnet hatte, zuckte er zusammen. Wraithwachen, die seinen Angriff gehört hatten, versuchten die Tür zu öffnen. Mit zittrigen Fingern holte er das C4 aus seiner Tasche und schritt zu dem großen Fenster. Offenbar genossen auch die Wraith von Zeit zu Zeit die Aussicht. Von dem Fenster aus konnte Dwalyn den Planeten erkennen. Von oben sah dieser fast wie die Erde aus. Nur die Kontinente waren anders verteilt, aber sonst…
Weiße Wolken, die sich wie dickflüssiger Nebel über die blauen Ozeane und die grünen Landflächen zogen. Genau wie zuhause.
Das Poltern gegen die Tür nahm zu.
Dwalyn platzierte das C4 auf dem Fußboden, unter dem laut Dr. Zelenka die Energieleitungen verliefen und griff nach dem Funkgerät.
"Lieutenant Crews an Major Lorne. Hörne Sie mich, Major?"
"Laut und deutlich. Wo sind Sie?"
Dwalyn sah erst auf seine Armbanduhr, bevor er antwortet.
"Zu weit entfernt, um rechtzeitig zu ihnen zu stoßen. Außerdem werden die mich wohl kaum wieder hier rausspazieren lassen. Nicht nach dem Chaos, das ich anrichten musste, um ans Ziel zu kommen."
Für einige Sekunden sagte der Major nichts.
"Sind Sie sicher?" fragte er dann.
Als ob er sich diese Frage nicht schon zig tausend Mal gestellt hatte, bevor er seine Kamikazeaktion gestartet hatte.
"Ja Sir, ich bin mir sicher."
Wieder eine längere Pause.
"Das ist wirklich kein Problem, Sir. Ich hab von hier aus einen tolle Sicht auf den Planeten. Der Ausblick ist wirklich zum Sterben schön".
"Stellen Sie Ihren Zünder auf 5 Minuten!", erklang Lornes Stimme nach kurzem Zögern.
Dwalyn tippte die 5 Minuten ein und betrachtete lächelnd die roten Zahlen auf dem Display.
"Tun Sie mir noch einen letzten Gefallen?" fragte Dwalyn ins Funkgerät.
"Welchen Lieutenant?"
"Na ja, den üblichen schmalzigen Kram halt. Sagen Sie meinem Mädchen, dass ich sie liebe und richten Sie meinen Eltern aus, dass sie die besten waren." Dwalyn wartete die Antwort nicht ab. Er ließ das Funkgerät zu Boden fallen und lächelte dem Planeten zu. Dachte ein letztes Mal an Fiona und an seine Eltern.
5, 4, 3, 2, 1…

Kapitel 16.
"Feuer!" Lautlos glitten die goldenen Geschosse durch die Schwerelosigkeit des Alls. Trafen mit Wucht auf das bereits schwer beschädigte Schiff der Wraith und lösten eine weitere Serie an Explosionen aus. Doch das Feindschiff hielt dem stand. Erneut schoss der Jumper zwei seiner Drohnen ab. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie den Kampf für sich entscheiden würden. Die Wraith konnten nicht fliehen. Dafür hatten sie gesorgt. Sie würden diesen Kampf gewinnen!
Schweigen hatte sich unter den Jumperpassagieren ausgebreitet. Jeder der Insassen, der einen Blick durch die Frontscheibe erhaschen konnte, hielt gespannt den Atem an. Sie würden gewinnen! Ja, sie würden tatsächlich gewinnen!
Die mit freudiger Erwartung angefüllte Spannung, welche in der Luft lag, wurde jäh unterbrochen, als sich der Jumper durch eine Explosion zur Seite warf!
"Wir wurden getroffen!" schrie Cady, die sich am Copilotensitz festklammerte und verzweifelt versuchte, Daten über ihren Angreifer aufzurufen. Lorne, der den Jumper in Bewegung brachte, schoss noch ein letztes Mal auf das Basisschiff.
"Jetzt sollten wir verschwinden", schlug er vor.
"Wie konnten die uns aufspüren?" kam es von Radek, der durch die plötzliche Erschütterung des Einschlages von den überfüllten Menschenmassen an die seitliche Wand des Jumpers gedrückt worden war.
"Die Drohnenschüsse haben unsere Tarnung verraten!" erklärte Lorne und startete erneut ein Ausweichmanöver.
Die Jäger, welche eben noch das Sternentor bewacht hatten, waren allesamt wieder in der Luft und versuchten in das Kampfgeschehen einzugreifen. Sie schossen blindlings und…trafen!
Ein Zufallstreffer ließ den Jumper erneut erbeben. Panische Schreie unter den Passagieren, als Funken durch die Kabine des kleinen Schiffes flogen.
"Ich hab das rechte Triebwerk verloren!" schrie der Major, um die kreischenden Schreie zu übertönen.
"Dagegen bin ich im Moment machtlos!" kam es von Radek, der sich kaum auf den Beinen halten konnte. Das Gedränge der vielen Körper war so extrem, dass Radek es nie bis in den hinteren Bereich des Jumpers geschafft hätte.
"Keine Sorge, der Jumper fliegt auch nur mit einem Triebwerk" schrie Radek zurück.
Ja, technisch gesehen war dem Jumper auch ein Flug mit nur einem Triebwerk möglich, doch dieses Wissen beschränkte sich auf das Fliegen an sich, nicht auf ein Kampfgeschehen. Neben dem Triebwerk waren bestimmt dutzende andere Systeme ebenso betroffen und bei der Geschwindigkeit, mit der der Major das kleine Schiff zurück in die Atmosphäre des Planeten steuerte, wurde ihm wirklich bange. Sein Herz schlug so heftig in der Brust des Wissenschaftlers, das es ihn fast schmerzte. Wenn nur ein einziges, weiteres, wichtiges System beschädigt oder gar defekt war, würden sie alle auf dem rasend schnell näher kommenden Boden aufschlagen und sich in einer gewaltigen Explosion zu Staubpartikel auflösen!
Radek schloss seine Augen. Schickte ein stummes Gebet an den Allmächtigen und wagte nicht, noch einmal durch die Frontscheibe ihrem Ende entgegen zu blicken.
Ein weiterer Treffer unter dem der Jumper heftig erbete!
Lorne hatte die Zähne fest zusammengebissen und blickte angestrengt auf seine Anzeigen. Die ersten Warnlichter begannen zu blinken. Gaben Auskunft über die beschädigten Systeme und warnten vor dem drohenden Absturz.
Evan wusste, ob sein Plan nun gelingen würde oder nicht, es blieb ihm nur eine Chance. Das rauchende Triebwerk markierte ihre Position und das schwer beschädigte Schiff ließ sich kaum mehr manövrieren. Die Treffer der Wraith verfehlten daher nur selten ihr Ziel. Ein weiterer Treffer! Zwar nur ein leichter, doch genau darauf hatte der Soldat gewartet! Mit einem gedanklichen Befehl deaktivierte er die Tarnvorrichtung.
Sie waren nur noch wenige Meter über dem Boden! Rasten mit einer aberwitzigen Geschwindigkeit auf die Baumkronen des dicht bewachsenen Berghangs zu. Ein weiterer Treffer raubte dem Jumper fast jegliche Energie!
Nur noch ein paar Meter, noch ein klein wenig!
Evan leitete die verbleibenden Energiereserven um und feuerte eine weitere Drohne Richtung Boden.
Sekunden verstrichen, dann folgte die erwartete Explosion. Hüllte den Jumper ein und Evan aktivierte gleichzeitig die Tarnung. Was sie zwar nicht vor der Detonationswelle schützte, dennoch aber den gierigen Griffeln der Wraith entriss!
Evan versuchte gegenzusteuern! Den Jumper aus der Welle zu reißen, doch es gelang nicht. Die Bäume waren zu nah! Der Jumper schrammte die Äste, schrammte die dicht an dicht wachsenden Bäume und schlug unweit der Detonationsstelle ihrer letzten Drohne auf den harten, verbrannten Waldboden auf.

Radek öffnete seine Augen.
Schmerz…überall…Er war am Leben! Welch ein Wunder!
Unter dem Schmerz in seiner Brust schwer atmend, stemmte sich der Wissenschaftler in die Höhe. Erstickendes Wimmern und Stöhnen war im ganzen Jumper zu hören. Die meisten Passagiere schienen verletzt zu sein. Auch Radek, der eine blutende Wunde an seiner Stirn ertastete, hatte ihren Absturz nicht unbeschadet überstanden.
Langsam und vorsichtig erhob sich der Tscheche. Lehnte sich aber sogleich wieder an die Wand des Jumpers. Schwindel hüllte seine Gedanken ein und raubte ihm die Standsicherheit. Wankend tastete er sich, über die bewusstlosen Körper hinweg, zu Lorne und der hübschen Cady durch.
Diese schien äußerlich nicht verletzt zu sein. Erleichtert über diese Tatsache rüttelte er leicht an ihrer Schulter.
"Können Sie mich hören?" fragte er besorgt. Cady reagierte erfreulicherweise sogleich auf seine Frage. Sie ließ ein leises Stöhnen vernehmen und für einen Moment wirkte es so, also ob sie Schwierigkeiten hätte, ihre Augen zu öffnen. Als es ihr dann endlich gelang, blickten ihre ausdrucksstarken Augen direkt in die des Wissenschaftlers. Trotz der gefährlichen Umstände, in denen sie sich befanden, wurde Radek von diesem Augenpaar magisch angezogen. Eine leichte Röte legte sich auf seine Wangen, als er den Lieutenant anlächelte.
"Geht's?" fragte er mit einer verdächtig schwankenden Stimme. Sie nickte und setzte sich aufrecht in den Sessel. Dann wandte sich Radek dem gegenübersitzenden Lorne zu.
Sein Kopf ruhte auf der Steuerkonsole und seine Arme hingen schlaff am Körper hinab. Radek fasste behutsam nach des Majors Schulter.
"Hören Sie mich?" fragte er erneut. Doch von dem Soldaten kam keinerlei Reaktion. Mit zitternden Fingern tastete Radek nach dem Puls. Schwach spürte er das Pulsieren unter seinen Fingern.
Überlegend, was aus medizinischer Sicht wohl die nächste und richtige Vorgehensweise war, blickte Radek Hilfe suchend durch den Jumper. Ihre Passagiere waren doch schließlich alle Ärzte.
"Dr. Barned?!" rief er und hoffte, dass ihm der Arzt antworten würde.
"Wie geht es dem Major?" hörte Radek neben sich Cadys Stimme.
Der Blick des Wissenschaftlers glitt wieder zurück zu dem bewusstlosen Evan.
"Ich weiß es nicht. Außer einer blutenden Wunde am Kopf könnte ein Schleudertrauma oder eine Beschädigung der Wirbelsäule hinzukommen. Ich trau mich nicht, ihn zu bewegen, denn dadurch könnte ich alles nur noch schlimmer machen."
Frustriert über seine Hilflosigkeit rief Radek erneut nach dem Rebilarzt. Wieder kam keine Antwort.
Ein seltsames Gefühl kroch durch Radek. Das Gefühl, in jeder Hinsicht versagt zu haben.
Ein Gefühl, welches er als erfolgreicher Wissenschaftler nur selten zu spüren bekam. Doch es ließ sich weder leugnen, noch unterdrücken. Der Major schien ihn ständig zu retten. War immer da gewesen, wenn er ihn als Stütze gebraucht hatte.
Doch wann immer der Major seine Hilfe gebraucht hatte, war Radek damit überfordert gewesen. Auf dem Wraithschiff, genauso wie jetzt.
Wut, Angst und Verzweiflung brodelten in ihm. Drängten sich als Tränen an die Oberfläche. Doch Radek widerstand. Schluckte alles hinunter, was ihm an Emotionen zu übermannen drohte. Jetzt war die Zeit zu handeln und nicht Zeit zu zerbrechen.
"Dr. Barned!" rief Radek erneut.
Mit einem Schlag auf die Konsole des Cockpits öffnete Radek die Heckluke.
"Jeder, der sich bewegen kann, soll den Jumper verlassen!" rief er.
"Hören Sie mich? Steigen Sie aus, sofern es möglich ist! Wir müssen die Schwerverletzten bergen und schnellstmöglich behandeln!"
Und tatsächlich. Einige Menschen erhoben sich und stolperten aus dem kleinen Schiff gen Wald.
Der durch die Drohne verbrannte Waldboden glomm noch an einigen Stellen und ließ die Überlebenden durch den starken Rauch husten.
Radek, der nun auch einen Weg nach Draußen gefunden hatte, blickte zum Himmel.
Selbst wenn die Wraith noch da waren, durch die starke Rauchentwicklung würde man den Jumper wohl nicht sehen können. Das waghalsige Manöver des Majors hatte sicher auch mit dazu beigetragen, dass der Jumper als zerstört abgehakt und nicht weiter nach ihnen gesucht wurde.
Wenigstens etwas, musste Radek denken.
"Wir brauchen Verbandszeug!" schrie ein Arzt, der sich über einen verletzten Rebil gebeugt hatte.
Cady war bereits eifrig dabei die Erste-Hilfe-Sets zu verteilen.
Erst jetzt wurde Radek bewusst, wie groß das Ausmaß der Verletzten und die Zerstörung des Jumpers waren. Das kleine Schiff würde nie wieder fliegen. Ihr gesamter, taktischer Vorteil war reif für den Schrottplatz.
Ein Rebil rannte an Radek vorbei, schubste ihn beiseite, doch der Wissenschaftler nahm dies kaum war. Die ganze Szene erschein ihm so unwirklich. Wie aus einem Film, aber nichts, was in die Realität gehörte. Nichts, was passieren dürfte!
Die vielen Verletzten, die schreienden und sterbenden Menschen und über allem dieser schrecklich beißende Rauch, der sie in der Hölle willkommen zu heißen schien.

Kapitel 17.
"Wie geht es Ihnen?" Radek setzte sich neben den schweigenden Soldaten.
Stunden waren seit dem Absturz vergangen. Lange Zeit war Evan bewusstlos gewesen. Als er seine Augen dann endlich wieder geöffnet hatte, war bereits die Nacht über den Planeten hereingebrochen.
Seit dieser Zeit saß der Major schweigend am Lagerfeuer und blickte geistesabwesend in die lodernden Flammen.
Radek musterte den Mann besorgt. Was er wohl dachte? Machte er sich Vorwürfe? Mit welchen Dämonen musste dieser Mann gerade kämpfen?
Evans Gesichtsaudruck war finster. Seine Augen dunkel und leer. Dieser Anblick, des ansonsten so starken und tapferen Soldaten, jagte dem Wissenschaftler Angst ein. Wenn einer stets die Hoffnung auf Erfolg hochgehalten hatte, dann war es Evan Lorne gewesen. Doch jetzt erschien es Radek, als hätte eben jener starke Mann alle Hoffnung aufgegeben.
Die Stille zwischen ihnen war bedrückend. Doch Radek viel beim besten Willen nicht ein, wie er ein Gespräch hätte beginnen sollen.
Die meisten der Rebil hatten sich in das Wrack des Jumpers zurückgezogen und versorgten die Verletzten.
Einige Soldaten, waren zur ersten Nachtwache angetreten. Die anderen versuchte, dringend benötigten Schlaf nachzuholen.
Die Nacht war überraschend still. Kein Windhauch spielte mit den trockenen Blättern und auch keine Tiergeräusche waren zu hören. Eine unnatürlich drückende Stille, wenn man bedachte, dass sie sich mitten in der Wildnis eines Berggebietes befanden. Auf der Erde hätte man in einer derartigen Wildnis noch Wölfe, Bären und ähnliches Getier angetroffen. Doch hier, auf diesem der Erde eigentlich so ähnlichen Planeten, schien das tierische Leben gänzlich zu fehlen.
In der lauen Nachtluft lag modriger Waldgeruch, nach Moos, Pilzen und feuchtem Holz. Teilweise überlagert von dem ätzenden Geruch verbrannter Erde. Radek seufzte. "Einen Penny für Ihre Gedanken", schlug er Evan vor und beobachtete seinen Gegenüber genau. Dieser gab jedoch keine Reaktion von sich. "Reden Sie mit mir", bat Radek. "Tut Ihnen noch etwas weh?"
Die Platzwunde an der Stirn des Piloten war ordnungsgemäß versorgt worden. Schwindel und Übelkeit wären zwar die nächsten paar Tagen noch die ständigen Begleiter einer derart schweren Verletzung, aber ansonsten fehlte dem Major nichts.
Auch Radeks Verletzung war verpflastert und durch eine Aspirin waren auch die Schmerzen auf ein erträgliches Niveau zurückgegangen.
"Wie lange noch?"
Erst war Radek überrascht gewesen und hatte geglaubt, sich die leise gesprochenen Worte eingebildet zu haben. Denn der Major blickte weiter reglos in die tanzenden Flammen.
Dann dauerte es wieder einige Minuten, bis die Worte für Radek einen Sinn ergaben. Er begriff, worauf der Major eine Antwort erwartete.
"Die 9 Stunden, die wir für das Ergreifen eines Wraith angesetzt hatten, sind natürlich bereits verstrichen. Aber den Infizierten auf Atlantis bleiben schon noch einige Stunden", versicherte er ebenso leise. Jedoch klang seine Stimme nicht derart emotionslos wie die des Soldaten. Nein, Radek konnte diese Situation keineswegs emotionslos betrachten. Auch wenn er versuchte, das ganze Geschehen optimistisch zu betrachten und nicht in Depressionen zu verfallen, solange er nicht die genauen Fakten kannte. Doch es viel ihm schwer. Sehr schwer.
"McKay?" kam es leise von Lorne.
Radek blickte fragend zu dem Soldaten hinüber. "Was meinen Sie?"
"Er war der Erste?"
Radek nickte. "Ja, soweit ich weiß."
"Er kann ne ziemliche Nervensäge sein", meinte Lorne nach kurzem Bedenken.
"Aber ich würde ihn vermissen…"
Diesen Worten folgte ein erneutes Schweigen.
Radek hatte selten die Gelegenheit gehabt, seinem selbstsüchtigem Kollegen, ein nettes Wort zu schenken. Egal wie oft sie sich auch gestritten hatten, er hatte den Kanadier stets als Freund gesehen. Die Ungewissheit, ob er Rodney McKay noch einmal sehen würde, wenn sie es endlich zurück nach Atlantis geschafft hätten, lastete schwer auf ihm. Selbst wenn McKay ihn nur anschnauzten würde oder ihm eine Standpauke hielt… Es wäre ihm alles Recht gewesen, wenn McKay nur noch am Leben wäre.
"Die Hashepsto hat es bestimmt zurück geschafft", brach Radek das Schweigen.
Evans Blick haftete weiterhin auf den Flammen. Er wollte nicht darüber nachdenken. War alles, was er sich in Gedanken zusammenreimen konnte, doch nur Wunschdenken. Warum sollte für die anderen alles nach Plan verlaufen sein? Bei ihnen hatte doch auch nichts geklappt.
Nein, Evan war an einem Punkt angelangt, an dem Optimismus geradezu lächerlich für ihn wirkte.
"Glauben Sie?" fragte er gleichgültig zurück.
Radek nickte. "Ja. Ja das glaube ich."
Ein bitterböses Lächeln huschte über Evans Gesicht.
"Was veranlasst Sie dazu, immer noch vom Positiven auszugehen? Das hier ist kein Film, in dem immer die Guten gewinnen…"
Radek überlegte kurz. "Sie glauben nicht an Gott, oder? Aber selbst wenn nicht, was spielt es für eine Rolle. Dann glauben Sie halt an Dr. Steffens und sein Team. Glauben Sie an deren Wissen und Fähigkeiten."
"Was sind Sie, Hobbypsychologe oder Priester?"
"Ein Freund, der Ihnen helfen möchte", kam es von dem Tschechen. Dieser sah seine Zeit gekommen, endlich seine Schuld zurückzahlen zu können und dem Major zu helfen. Ihm beizustehen und aufzumuntern, genau wie dieser es auf dem Wraithschiff für ihn getan hatte.
"Ich gebe zu, meine Worte mögen schmalzig klingen, aber das, was als Weg jetzt noch vor uns liegt, ist nichts im Vergleich zu dem, was wir bereits hinter uns haben. Wir brauchen Sie! Geben Sie jetzt nicht auf!"
Evan hob seinen Kopf und blickte den Wissenschaftler müde an. Es war ja nicht so, dass Evan aufgeben wollte. Die körperliche und geistige Erschöpfung nagte schwer an ihm. Nie war ihm eine Mission so unsagbar schwer vorgekommen.
"Wir haben den Jumper verloren. Besitzen nur leichte Bewaffnung und dafür kaum Munition. Wir sind mindestens einen Tagesmarsch vom Gate entfernt und haben immer noch kein Gegenmittel. Unseren Freunden zuhause bleiben keine 10 Stunden mehr und Sie glauben immer noch an ein Happy End?"
Radek sprang auf und Evan musterte ihn überrascht. Der Wissenschaftler klopfte sich demonstrativ den Dreck von seiner Hose, der sich durch sein Niederlassen auf dem Waldboden dort angehaftet hatte, und blickte den Major streng an.
"Was?" fragte dieser.
"Wenn Sie glauben, dass das Stargate so weit entfernt liegt, sollten wir lieber los."
Evan war sprachlos. Die ungebrochene Entschlossenheit des Wissenschaftlers verblüffte ihn.
"Sie wollen ernsthaft mit all den Verletzten im Dunkeln durch ein unbekanntes Gebiet ziehen zu einem Ziel, von dem keiner genau weiß, wo es liegt?" Nun gut, dass war ein Argument.
"Ist besser, als nichts zu tun."
"Das ist Selbstmord. Sie wissen nicht, ob die Wraith nicht doch noch nach uns suchen und welche Geschöpfe sonst noch auf diesem Planeten heimisch sind. Sie könnten in eine Schlucht fallen, sich verirren oder sonst was!"
Radek schüttelte energisch den Kopf. "Wovor haben Sie Angst? Davor, dass unsere Mission scheitert und wir unseren Freunden nicht mehr helfen können, oder davor, dass man Sie für dieses Versagen verantwortlich machen könnte?"
Jetzt erhob sich auch Evan und wollte wütend etwas entgegnen. Doch das schnelle Aufstehen sendete einen stechenden Schmerz durch seinen Körper und ließ ihn wieder zu Boden gehen.
Radek lief sogleich zu dem Soldaten und kniete sich neben ihm nieder.
Dieser schob Radeks helfende Hände energisch beiseite. "Schon gut, mir geht's gut."
"Nein, das glaub ich nicht", meinte der Wissenschaftler, ließ den Major aber dennoch los.
Der Soldat quälte sich zurück zu seinem vorherigen Platz am Feuer und Radek beobachtete ihn missmutig. Wenn es schon Lorne so schwer fiel sich zu bewegen, wie mochte es dann den anderen Rebil ergehen? Vielleicht hatte Major Lorne doch Recht, wenn er Radeks Vorhaben als undurchführbares Hirngespinst abtat. Mit Verletzten durch ein dunkles, unbekanntes Gebiet irren…Radek seufzte. Im Nachhinein hörte sich sein Vorschlag wirklich albern an. Doch er verspürte auch keine Lust mehr, weiter untätig hier rum zu sitzen.
"Und wenn…" begann Radek nachdenklich und zog wieder die Aufmerksamkeit Lornes auf sich.
"Wenn die Verletzten bleiben und sich nur ein Teil von uns weiter auf den Weg macht…"
Es war nur ein laut ausgesprochener Denkansatz, aber daraus ließe sich bestimmt etwas machen.
"Klingt zumindest vernünftiger", pflichtete Evan bei.
"Ja, ja das klingt nach einem Plan!"

"Verteilen Sie die Waffen gleichmäßig auf beide Gruppen." Dillon Atwood reichte die übrige Munition samt ihrem Rest an 9-Millimetern an Cady weiter, welche vor dem Jumper wartete.
Die Freiwilligen für Radeks Plan hatten sich schnell gefunden. Ihnen war jeder Plan recht gewesen, nur um endlich wieder in Aktion treten zu können. Das ewige Warten zermürbte und auch die Gedanken an die gefährdeten Freunde Zuhause in Atlantis trieben die Soldaten an.
"Hier sind Taschenlampen!" rief Lindsay Seals und reichte ihren Fund ebenfalls an Cady weiter.
"Ich hoffe, die wurden durch den Absturz nicht beschädigt", grummelte Lindsay und testete die letzte Lampe, bevor sie diese ebenfalls nach draußen reichte.
"Scheint zu funktionieren", meinte sie erleichtert.
"Die Dinger halten ne Menge aus", bestätige Dillon und kramte heruntergefallene Munition unter dem Sitz hervor.
"Habt Ihr alles?" kam es ungeduldig von Radek.
Cady reichte dem ungeduldigen Tschechen eine Waffe und eine Taschenlampe, die sie bereits auf ihre Funktion hin überprüft hatte.
"Hier bitte".
Lächelnd nahm ihr Radek die beiden Gegenstände ab. Es freute ihn, dass die hübsche, junge Frau sich ebenfalls freiwillig gemeldet hatte und die Mission an seiner Seite durchführen wollte.
Evan hatte sich derweil langsam erhoben und hatte den Kampf gegen Schwindel und Schmerz gewonnen. Unsicheren Schrittes kam er auf Radek und Cady zu. "Meine Waffe?" fragte er und hielt Cady auffordernd seine gestreckte Hand hin. Diese wollte ihrem Vorgesetzten gerade die Waffe übergeben, als Radek dazwischen ging.
"Nichts da! Sie bleiben schön hier! Sie sind verletzt!"
"Blödsinn!" rief Evan. "Ich bleibe bestimmt nicht untätig hier!"
"Ach, seit wann haben Sie Ihren Tatendrang wieder gefunden?"
"Was geht Sie das an, Zelenka?" gab der Soldat patzig zurück.
"Schon gut!" griff Cady in den Streit mit ein.
"Ich finde Dr. Zelenka hat Recht, Sir. Sie sind zu schwer verletzt, als dass Sie diese Mission auf sich nehmen sollten."
"Das ist Ihre Meinung, Lieutenant?"
"Jetzt spielen Sie sich nicht mit Ihrem höheren Rang auf! Sie sind verletzt und würden uns nur im Weg stehen!"
"Im Weg stehen?" kam es erbost von Evan.
"Ja, haben Sie jetzt auch noch was an den Ohren? Sie sind zu langsam! Sie können sich kaum auf den Beinen halten, geschweige denn kämpfen!"
"Dr. Zelenka hat Recht, Major", mischte sich jetzt auch noch Dr. Barned ein.
"Sie sollten sich ausruhen. Ihre Verletzungen waren sehr schwerwiegend."
"Außerdem, Sir", begann Cady "brauchen die zurückbleibenden Rebil ebenfalls Ihre Hilfe und Ihren Schutz."
"Genau", bestätigte Radek sogleich.
"Dann vermasseln Sie es nicht…" meinte Evan und wandte sich ab. "Atwood? Sie haben das Kommando!"
"Ja, Sir!"
Dann trennte sich das Lager in zwei Gruppen.
Dr. Barned und einige weitere, unverletzte Rebil machten sich mit Radek und dem Grossteil an Soldaten und Waffen auf, das Stargate zu finden. Winkend und mit Tränen in den Augen verabschiedeten sich die zurückbleibenden Rebil von ihren Freunden und Familienmitgliedern. Hoffend, sie trotz der vor ihnen liegenden Gefahr, irgendwann wieder in die Arme schließen zu können.
Auch Evans Blick und der, der verbleibenden Soldaten, hafteten noch lange auf ihren, in der Dunkelheit verschwindenden Kameraden.

Sie wünschten ihnen stumm, aber von ganzem Herzen, Glück und Erfolg.

Fortsetzung ...Kapitel 3
Du musst login (registrieren) um ein Review abzugeben.