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The Death Walks von Belanna

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Vorwort

Short-Cut: Colonel Sheppards Team schleppt ein gefährliches Virus in die Stadt ein und eine Hetzjagd nach dem Gegenmittel beginnt.
Spoiler: 1x13 Hot Zone, 2. Staffel
Charaktere: Zelenka, Lorne, OCs, Multi-Charakter
Kategorie: Action, Angst, Friendship
Rating: R-16
Author's Note: Mir hat die Folge "Hot Zone" der 1. Staffel besonders gut gefallen und inspirierte mich dazu, in einer FF einen weiteren Virus zu kreieren.
Zugegeben, ich bin auch ein großer Resident Evil Fan, was wohl auch ein wenig zu dieser Geschichte beitrug.
Diese Story dreht sich vermehrt um Personen, die eigentlich sonst mehr im Hintergrund stehen und auch nicht in das typische Helden-Schema passen. Einfache Menschen, die unbewusst in einer schwierigen Situation über sich hinaus wachsen und den Wert der Freundschaft, die sie verbindet erkennen. Außerdem war mir Radek Zelenka immer schon sympathisch und ich wollte mal was über ihn schreiben.
Falls die medizinischen Zusammenhänge dieser Story nicht immer korrekt sind, entschuldige ich mich dafür. Ich hab leider nicht das nötige Fachwissen. Aber ich hab' mich bemüht, alles plausibel klingen zu lassen.
Mein herzlichster Dank geht an Lenari, fürs Betalesen und all die Freunde, welche mir mit Rat und Tat zur Seite gestanden sind. Danke euch allen!
Widmung: -
Disclaimer: Alle Charaktere und sämtliche Rechte an Stargate Atlantis gehören MGM/UA, World Gekko Corp. und Double Secret Production. Diese FanFic wurde lediglich zum Spaß geschrieben und nicht um Geld damit zu verdienen. Jegliche Ähnlichkeiten zu lebenden und toten Personen ist zufällig und nicht beabsichtigt. Alle weiteren Charaktere sind Eigentum des Autors.
Feedback: Bitte gebt mir Feedback! Freue mich über jede positive Äußerung und werde auch negative Kritik annehmen, sofern sie konstruktiv ist. - Belanna@onlinehome.de

The Death Walks


Kapitel 1

Stille…
Kein Hauch bewegte die stickig, heiße Sommerluft.
Kein einziges Geräusch…
Hitzeschleier waberten wie dickflüssiger Nebel durch die leeren Straßen der Stadt.
Plötzlich hallte ein Geräusch durch die Stille. Ein so vertrautes Geräusch und doch war niemand da, der Notiz davon nehmen konnte.
Ein Wirbel, wie aus Wasser, schoss aus dem Ring der Vorfahren und bildete den blauschimmernden Ereignishorizont.
Dann kehrte die Stille zurück.
Vier Gestalten kamen aus dem Tor getreten und wurden von der Hitze willkommen geheißen.
"Hallo", rief John Sheppard durch die leeren Straßen, in die tote Stadt.
Ronon zog unter seinem Mantel seine Waffe hervor und beäugte misstrauisch den Marktplatz.
Das Stargate stand zentral auf einem großen, mit Kopfsteinen gepflasterten Platz. Rings um den Platz reihten sich kleine Geschäfte aneinander und unzählige Gassen führten weiter zu hohen Gebäuden, die wie Firmenkomplexe aussahen. Als hätte man alte, traditionelle Baukunst mit modernen Hochhäusern kombiniert.
"Hallo, ist hier jemand?", hallte ein weiteres Mal Colonel Sheppards Stimme durch die Straßen. Doch seine Frage wurde nur vom widerhallenden Echo seiner eigenen Stimme beantwortet.
"Seltsam ruhig für eine Stadt", hörten sie McKays Stimme hinter sich.
Der Wissenschaftler war dicht am Tor stehen geblieben.
Diese Stadt war im suspekt.
"Vielleicht erwarteten sie die Wraith oder die Wraith waren schon hier", spekulierte Teyla.
"Nein, glaub' ich nicht."
Die Blicke der anderen Teammitglieder richteten sich auf Rodney.
"Und warum glauben Sie das nicht?" Sheppard klang ein wenig genervt. Rodney war kein Soldat, ja noch nicht mal jemand, der in Videospielen, in denen er einen Soldaten steuerte, besonders lange am Leben blieb. Derartige Einschätzungen beruhten bei dem Wissenschaftler daher nur auf seinem Bauchgefühl.
"Vielleicht verstecken Sie sich vor uns? Ich finde, wir sollten zumindest mal nachsehen", beschloss der Colonel und trat zusammen mit Ronon auf den Marktplatz hinaus.
Rodney zögerte. Hier stimmte etwas nicht! Gut, von dem fehlen der Menschen mal abgesehen. Doch irgendetwas war falsch an diesem Szenario! Etwas, das Rodney nicht mit Worten beschreiben oder gar mit einem Finger hätte darauf deuten können. Aber es änderte nichts an der Tatsache, dass es falsch war!
"Einen Angriff der Wraith können wir wohl ausschließen", kam nach einiger Zeit von Ronon.
"Dem stimme ich zu. Hier ist alles noch so ordentlich aufgeräumt. Keine in der Eile umgestoßenen Gegenstände, keine Fallengelassenen Einkäufe." Teyla war neben einem der Läden stehen geblieben und öffnete die Tür.
"Ist jemand hier drin? Keine Angst, wir kommen als Freund und möchten Handel treiben."
Keine Antwort.
"Bitte, wir sollten gehen!", jammerte McKay fast flehend.
"Die Menschen sind aus gutem Grund nicht mehr hier! Etwas stimmt hier nicht, wir sollten auch nicht hier sein!" Während er sprach, war seine Stimme immer leiser geworden. Ängstlich hatte Rodney seine 9-Millimeter umklammert, als bot sie ihm allein dadurch Schutz, vor diesem namenlosen Etwas, welches die Stadt in diese unheimliche Stille getaucht hatte.


Das SG-Team war mit hohen Erwartungen an diesen Planeten hier her gereist. Man hatte ihnen von dem beachtlichen medizinischen Wissen erzählt, welches die Bewohner hier seit Generationen bewahrten und verbesserten. Carson war Tags zuvor mit lächelndem Gesicht förmlich durch die Krankenstation gehüpft, in freudiger Erwartung auf neuartige Medikamente, welche das Team mitbringen würde.
"Sieht so aus, als müssten wir Ihren Doktor enttäuschen." Ronon war bereits zurück zum Stargate getreten.
"So schnell sollten wir nicht aufgeben", meinte Sheppard und Rodney blickte ihn panisch an.
"Bitte nicht, wir sollten gehen!"
"Rodney, reißen Sie sich zusammen! Wovor haben Sie solche Angst, es ist doch niemand hier!"
"Genau deshalb", schrie McKay ihn an. Blickte sich nach allen Richtungen um und begann dann erneut zu sprechen, jedoch viel leiser: "Ich will nicht wissen, warum die Stadt nicht mehr bewohnt ist."
Sheppard seufzte resigniert. "Okay, ich gebe zu, eine menschenleere Stadt ist schon unheimlich. Wie aus einem schlechten Horrorfilm. Aber glauben Sie mir, ich hab' genügend von diesen Filmen gesehen, um zu wissen, was ich tun muss."
Ronon und Teyla blickten den Colonel verwundert an.
"Ja, glaubt mir, in Horrorfilmen ist es doch immer wieder das Gleiche. Der Mörder steht immer hinter einem. Noch Fragen?"
Teyla lächelte und schritt mit Ronon hinter Sheppard her.
"Keine Sorge, Rodney, wir gehen nur zu dem ersten Hochhaus da drüben und wenn da auch niemand ist, dann sind wir weg. Versprochen."
Rodney hatte seine Waffe so fest umschlossen, dass seine Fingerknöchel weiß hervorstanden. Angespannt schenkte er John ein Nicken.
Dieser schüttelte den Kopf und beobachtete die Umgebung.
Es stimmte schon, dass dieser Ort eine merkwürdig düstere Atmosphäre hatte. Auch John hatte es beim Anblick dieser leeren Straßen innerlich gefröstelt. Doch seine Neugier, warum hier keiner mehr war, trieb ihn voran. Von dem praktischen Nutzen guter Medikamente einmal abgesehen. Schließlich war auch Lieutenant Ford noch immer irgendwo da draußen in der Weite der Pegasus-Galaxie. Dass dem jungen Mann geholfen werden könnte, diese Hoffnung keimte immer noch in John und vielleicht war eines der hiesigen Medikamente ja dazu in der Lage.


Urplötzlich änderte sich etwas um sie herum. Es dauerte einige Sekunden, bis sie begriffen, was es war. Die Luft war mit einem Mal so dick und stickig, dass man sie hätte mit einem Messer schneiden können. Ein widerwärtiger Gestank schlug ihnen entgegen und ließ die Gruppe im ersten Moment würgen. Der Geruch war so stark, als wäre die Luft an sich faulig geworden.
"Was ist das für ein Gestank?" Sheppard hatte ihn schon einmal gerochen, diesen süßlichen Geruch, der einen schwindlig vor Übelkeit werden ließ.
"Tod", sagte Ronon leise. "Das ist der Geruch des Todes."
"Dort vorne!" Teylas Hand wies auf einen rotschwarze Klumpen, der unweit von einem der Gebäude am Boden lag.
Eilig traten sie zu dem, was wohl einst ein Mensch gewesen war. Verwesung hatte den gekrümmten Körper befallen und das Fleiß dunkel gefärbt. Fliegen schwebten in der sengenden Hitze über dem Kadaver. Kleine, weiße Maden quollen aus einer offenen Wunde. Der Gestank war schier unerträglich!
"Auch wenn man die Hitze berücksichtigt, muss der Tod dieses Mannes schon Wochen her sein." Teyla hatte sich gebückt und zeigte auf die Wunde am Bauch.
"Dieser Mann ist keinen natürlichen Tod gestorben."
Ronon bückte sich ebenfalls zu ihr herab. "Die Wunde an sich scheint von einem Messer zu stammen. Doch die Verletzungen drum herum…" Ronon deutete auf die zerrissene Bauchdecke, aus welcher die Innereien zum Teil herausgetreten waren. "Diese Verletzungen stammen vielleicht von einem Tier."
"Einem Tier?" Sheppard sah sich um. Er konnte sich nicht vorstellen, welches Tier, fast böswillig, den Leib dieses Mannes geschändet und seine Beute dann nicht einmal gefressen hatte. Als hätte es in den Innereien gewühlt und etwas Bestimmtes gesucht.
Rodney war abseits der Leiche in die Knie gesunken und hatte gerade eine zweite Begegnung mit seinem Frühstück.
Ronon stand auf und blickte nach rechts, eine Straße entlang. "Dort hat sich etwas bewegt!" Seine Waffe suchte nach der eben gesehenen Bewegung. Nur ein schwarzer Schatten, welcher sich hinter der Häuserfront gerührt hatte, aber zu deutlich, um Einbildung gewesen zu sein.
"Vielleicht ist die Stadt doch nicht so tot?"
John drehte sich zu McKay um. "Kommen Sie, Rodney, Ronon hat eine lebende Person gefunden."
Rodney erhob sich auf zittrigen Beinen.
Die Waffen im Anschlag ging es schnellen Schrittes auf das besagte Gebäude zu. Kaum hatten sie die Biegung erreicht, lähmte der auf sie wartende Anblick ihre Glieder.
Der Tod hatte sich durch die Stadt geschlichen und die Straßen mit Blut gefärbt.
Dutzende tote Körper lagen verwesend in ihrem geronnenen Blut. Ähnlich wie der erste Leichnam, waren auch diese schrecklich geschändet! Fehlende Gliedmaßen, tiefe Wunden, zersplitterte Knochen…
Rodney glaubte, sein Herz hätte einige Schläge übersprungen und ein eiskaltes Gefühl kroch durch seine Glieder!
Weg!
Das war der einzige, klare Gedanke, zu dem Rodneys Gehirn noch in der Lage war. Auch seine Begleiter schien der Anblick der verstümmelten Leichen gelähmt zu haben.
John ließ seine vor Schreck angehaltene Luft stoßweise entweichen. Der Gestank um sie herum war noch penetranter geworden, doch sie nahmen ihn kaum mehr war.
Wieder huschte ein schwarzer Schatten die Straße entlang. Blitzartig richteten sie ihre Waffen auf… ja auf was? Dieses Wesen hatte durchaus noch etwas von einem Menschen.
Kratzer zogen sich über seine Haut, entblößten hier und da rosa schimmerndes Fleisch und Muskelstränge. Der Statur nach war es ein Mann. Sein Kopf schwankte auf seinen Schultern, als hinge er nur noch am sprichwörtlichen seidenen Faden. Ein überbreites Grinsen zeichnete eine unnatürliche Mimik auf sein Gesicht. Sein rechtes Bein schien gebrochen, denn er zog das verdrehte Gelenk humpelnd hinter sich her.
Schockiert blickte das Team auf diesen Mann, der, medizinisch gesehen, Tod sein müsste oder zumindest nicht mehr in der Lage sein dürfte, sich aufrecht zu bewegen.
John schluckte schwer und versuchte seine Stimme wieder unter Kontrolle zu bringen. Er wollte den Mann fragen, ob man ihm helfen konnte oder in einfach nur bitten, er möge stehen bleiben und ihnen nicht näher kommen.
Ronon reagierte als Erstes auf die potenzielle Gefahr und schoss. Die erste Kugel traf wenige Zentimeter vor dem Mann auf die Straße.
Ohne Notiz davon zu nehmen, schlurfte er weiter voran.
Unwillkürlich huschte das Wort Zombie durch Sheppards Geist.
Ronons zweiter Schuss riss den Mann von den Beinen.
Anstatt sich vor Schmerz zu winden, setzte sich der Mann erneut auf und blickte grinsend auf seinen Peiniger. Mit anscheinend müheloser Leichtigkeit ließ er sich auf seine Hände fallen und zog sich somit über den Asphalt.
John hob wie in Trance die Waffe und feuerte auf den kriechenden Mann. Tot sackte der Körper auf der Straße zusammen und kleine Rinnsäle wässrigen Blutes ergossen sich über die dreckige Teerdecke.
"Wir sollten gehen." Ronon senkte seine Waffe und zog Teyla, welche immer noch den Leichnam betrachtete, hinter sich er.
John löste ebenfalls seinen Blick von diesem unwirklichen Szenario und sie traten aus dem Gebäudeschatten zurück in die Sonne.
"Rodney?"
Johns Blick wanderte suchend durch die Straßen.
Seit sie hinter der Ecke auf die Leichen gestoßen waren, hatte er Rodney nicht mehr bewusst wahrgenommen. Sich in Gedanken für dieses Verhalten ohrfeigend, lief er zusammen mit Teyla und Ronon zurück zum Stargate. Wie hatte der Anblick der Leichen ihn so aus der Bahn werfen können? Natürlich waren zerstückelte Leichen nicht gerade alltäglich Brot für einen Soldaten der Luftwaffe und doch…
Ein wirklich schlechter Horrorfilm!
Jetzt lag seine letzte Hoffnung darin, Rodney wäre bereits in Atlantis, auf ihre Rückkehr wartend.
Schuldgefühle nagten an Sheppard, denn er hätte auf den Wissenschaftler hören sollen.
Ja, nachher war man immer klüger.
Ihr Lauf zum Stargate wurde abrupt von einem Schuss gestoppt.
"Rodney!", rief Sheppard aufgeregt.
"Der Schuss kam von dort!" Ronon stürmte los.
Unweit des Tores standen mehrere Menschen zu einer kleinen Gruppe versammelt. Ihre Körper waren, wie nicht anders erwartet, ähnlich verunstaltet. Sie standen im Kreis um eine am Boden gekrümmte Gestallt.
Ihre Blicke richteten sich auf die Neuankömmlinge. Die Gestalt am Boden verlor jedwede Bedeutung und mit unerwarteter Schnelligkeit stürmten diese Monster auf sie zu.
Gleichzeitig eröffnete das Team das Feuer auf die Angreifer und einer nach dem anderen ging zu Boden. Viele von ihnen waren nicht sofort tot, sonder erhoben sich erneut. Konnten dem Kugelhagel jedoch auf Dauer nichts entgegensetzen.
John sprang als Erstes über die Leichen hinweg.
McKay lag reglos auf der Straße.
John war sichtlich erleichtert, als er den Puls des Kanadiers unter seinen zitternden Fingern spürte.
Rodney war allem Anschein nach nicht bei Bewusstsein. Mit seinen Händen umschloss er eine blutende Wunde an seinem Bauch. Kratzer von Fingernägeln zogen rote, teils blutige Kratzer über Rodneys Haut, als John ihn hoch zog und ihn sich über die Schulter warf.
McKay war überraschend schwer, was John das Kämpfen unmöglich machte.
"Rückzug zum Gate!", schrie er und seine Stimme brach jäh ab, als die nächsten halbtoten Gestalten in der Straße erschienen.
Diese hielten abgebrochene Holzscheite als eine Art Prügel in den Händen. Was auch immer mit diesen Menschen geschehen war, sie besaßen noch genügend Verstand, um die Ankömmlinge aus dem Ring der Vorfahren für ihre Feinde zu halten.
Wortlos bewegten sich ihre Lippen, ohne dass ein Wort aus ihrem Mund drang.
John wurde sich ein weiteres Mal der erdrückenden Stille dieses Ortes bewusst.
"Durchbrechen!", schrie er seinen Teammitgliedern entgegen und stürmte los.
Ronons und Teylas Waffen schossen ohne Unterlass. Sheppard drückte Ronon seine P-90 in die Hand. Der Weg war soweit frei, dass Sheppard zu laufen begann. Rodneys Gewicht auf dem Rücken, zusammen mit seinen Schuldgefühlen erdrückten ihn fast. Schwer atmend erreichten sie das Gate.
Ungeschickt gab Sheppard die Adresse ein. "Teyla, schicken Sie den ID-Code!"
Die Athosianerin nickte und ließ ihre Waffe schweigen.
Ronon hatte seine liebe Mühe die Wesen auf Abstand zu halten.
Sekundenbruchteile verschwendete er einen Gedanken darauf, ob die Wesen wohl noch imstande waren, Stargateadressen anzuwählen. Atlantis mochte ja über einen Schutzschild für das Tor verfügen, doch andere Welten hatten diesen Luxus nicht.
Von Weitem drang Sheppards Stimme zu ihm durch und er ließ die Waffe sinken und hechtete durch das Tor.


Kapitel 2

"Schild hoch!", schrie Sheppard dem im Kommandozentrum sitzenden Menschen zu.
Das dumpfe Geräusch von gegen das Schild prallenden Körpern war zu hören. Natürlich, so wusste John, waren es nicht wirklich ihre Körper, die dieses Geräusch verursachten. Zu gegebener Zeit würde er McKay mal genau danach fragen.
McKay!
John hatte den Wissenschaftler neben sich auf den Boden gelegt und tastete erneut nach dessen Puls. Rodneys Gesicht war blas und blutleer.
Als der Ereignishorizont hinter dem weißen Kraftfeld kollabierte, ertönte ein vertrautes Geräusch.
Der Colonel brauchte einige Sekunden, bis sein überreiztes Gehirn begriff, woher er dieses Geräusch kannte.
Die Türen schlossen sich automatisch und die Computer schalteten sich ab.
Quarantäne! Die Stadt schützt sich selbst!
Dr. Weir war, ebenfalls von dem Alarm erschrocken, zu ihnen getreten. Ihr sorgenvoller Blick haftete auf Rodney.
"Was ist passiert?"
"Dr. McKay scheint der Grund für die Quarantäne der Stadt zu sein", begann Teyla zu berichten.
Elizabeth nickte und betätigte ihr Mikro.
"Weir an Dr. Beckett, begeben Sie sich mit Ihrem Team in Schutzanzügen umgehend in den Gateraum, Rodney ist schwer verletzt!"
"War das nicht der gleiche Alarm wie damals bei dem Nanovirus?", drang Carsons Stimme aus dem Mikrofon.
"Ja, Rodney scheint mit irgendeinem Erreger infiziert worden zu sein!"
"Wie ist sein momentaner Zustand?", erkundigte sich der Arzt.
"Er hat eine blutende Wunde am Bauch und mehrere kleinere Kratzer überall am Körper. Sein Puls ist schwach, aber stabil. Seit wir ihn aus der Gewalt der Infizierten befreit haben, ist er jedoch ohne Bewusstsein."
John beendete seinen Bericht und hörte Carson nur noch einige Befehle rufen. Dann wurde die Verbindung unterbrochen.
"Was ist passiert?", fragte Weir erneut und ging neben Rodney in die Hocke.
"Die Stadt war wie ausgestorben. Erst fanden wir nur geschundene Leichen und dann griffen uns plötzlich… eine Art Zombies an."
"Zombies?", fragte Elizabeth und blickte Sheppard irritiert an.
"Sie sahen aus, wie etwas, was tot sein sollte, es aber nicht war!"
Rodney regte sich und ließ die, bis jetzt um seinen Bauch geschlungenen, Arme sinken, was zur Folge hatte, dass Blut in Strömen aus der Wunde floss! John zog eine der Mullbinden hervor und versuchte sie auf die Wunde zu drücken, doch Rodney hielt nicht still. Er hob seinen Kopf und blickte Elizabeth aus glasigen, blauen Augen an.
Sie lächelte ihm aufmunternd zu. "Ganz ruhig, Rodney, Carson kommt bestimmt gleich."
Ein unnatürlich wirkendes Lächeln, zog sich über Rodneys mit Blutspritzern beflecktes Gesicht.
Elizabeth wollte gerade nachfragen, wo Carson und sein Team so lange blieben, als sich Rodneys Hände um ihre Gurgel schlossen.
Immer noch grinsend, drückte dieser überraschend fest zu und schnürte Weir die Luft ab! John und Ronon gingen sofort dazwischen und versuchten Elizabeth von Rodney zu befreien. Mit Mühe gelang es ihnen und Ronon drängte McKay unsanft zu Boden. Dieser öffnete und schloss seinen Mund, als wenn er schreien wollte, doch kein Ton verließ seine Lippen. Stumm griff er nach Ronons Armen und bohrte seine Fingernägel in die weiche Haut.
Soldaten eilten herbei, um dem ehemaligen Runner mit dem anscheinend verrückt gewordenen McKay zu helfen.
Hustend rieb sich Elizabeth ihren Hals.
"Alles okay?" Johns Frage klang in dieser Situation geradezu lächerlich. Weir nickte jedoch.
"Aber mit Rodney definitiv nicht." Ihre Stimme klang schwach und noch einmal holte sie tief Luft.
Ronon und zwei Soldaten versuchten unterdes, McKay ruhig am Boden zu halten. Dieser schlug wild um sich, biss in den Arm eines der Soldaten und schlug seine Fingernägel tiefer in Ronons Haut.
Ronon stand auf, richtete seine Waffe auf McKay.
"Nein, nicht schießen", rief Weir ihm zu.
"Ich betäube ihn, sonst infiziert er noch mehr von uns!" Ronon hob demonstrative seinen Arm, um Weir die blutigen Kratzer zu offenbaren.
"Lassen Sie ihn los!"
Die Soldaten sprangen zur Seite und McKay richtete sich auf.
Bevor Ronon den ersten, sicheren Schuss abgeben konnte, rammte Rodneys Gewicht seine Beine und er kam ins Wanken.
Er trat einmal kräftig gegen den Kopf des Wissenschaftlers, doch dieser nahm den damit verbundenen Schmerz nicht war.
Ronon trat erneut zu, versuchte einen sicheren Stand zu bekommen und feuerte.
Anstatt McKay bewusstlos zu Boden zu schicken, machte in der Schuss nur wütender.
Rodney richtete sich auf und lief Ronon entgegen. Dieser feuerte erneut, doch wieder ließ sich McKay nicht davon beeindrucken. Ronon sprang zur Seite und mit einem kräftigen Tritt in Rodneys Brust kippte dieser und verlor den Halt.
Die Soldaten waren währenddessen wieder bei dem Wissenschaftler angelangt und drückten ihn erneut zu Boden.
"Wo bleibt Beckett?", rief einer der Soldaten.
"So kann der Arzt ihn doch eh nicht behandeln." Alle Augen richteten sich auf Ronon.
"Halten Sie ihn am Boden, wir fesseln ihn!" John trat zu Rodney, der sich unter den starken Armen der Soldaten wand.
Als Dr. Beckett eintraf, waren Rodneys Arme auf den Rücken gefesselt und seine Beine aneinander geschnürt.
John und ein Soldat hielten ihn in einer sitzenden Position am Boden fest.
Carson kniete vor seinen Freund und musterte diesen besorgt.
"Hat er sich auf die Zunge gebissen?"
Blut und Speichel rannen aus Rodneys geöffnetem Mund.
"Keine Ahnung, aber Ronon hat vorher nach ihm getreten", klärte Sheppard den Arzt auf.
Dieser warf dem Angesprochenen kurz einen finsteren Blick zu, wandte sich jedoch sogleich wieder an seinen Patienten, ohne Ronon eine Chance auf Rechtfertigung zu geben.
Während Carson notdürftig Rodneys Wunde versorgte, erkundigte er sich weiter.
"Was genau ist geschehen? Erzählen Sie mir von den Infizierten auf dem Planeten. Verhalten Sie sich genauso wie McKay?"
"Sie scheinen noch über genügend klaren Verstand zu verfügen, um sich zu wehren. Wenn ihr Versuch auch noch so primitiv, im Vergleich zu unseren Waffen, wirkte."
"Ja, und ihr Schmerzempfinden scheint blockiert zu sein", fügte Ronon Teylas Ausführungen hinzu.
"Es scheint, als ob er schreien wollte", kam es Beckett, als er Rodneys Blutdruck maß.
"Das hat er auch mit den Infizierten gemeinsam. Kein Ton kommt aus ihrem Mund. Der ganze Planet war still!" Sheppard senkte den Kopf. Totenstill
"So, halten Sie seinen Arm still, ich muss ihm Blut abnehmen."
Beckett gab die gewonnenen Proben an einen seines Teams weiter.
"Untersuchen Sie die gleich im Labor."
Der Angesprochene nickte und verschwand sogleich.
"Was machen wir derweil mit Rodney? Ich meine, die Stadt wird einen Infizierten nicht bis in die Krankenstation lassen."
Nach Becketts Worten, trat unschlüssiges Schweigen ein.
"Aber…", meldete sich Liz grübelnd zu Wort. Alle Blicke richteten sich sofort auf sie.
"Ich meine, die Stadt scheint den Virus zu kennen. Ich meine, es wäre nicht alles einfach abgeriegelt worden, wenn wir nicht etwas für den Hauptcomputer Bekanntes mit durch das Tor gebracht hätten."
Stummes Nicken.
"Da ist was dran", kam es von Carson. "Aber haben wir Zugriff auf diese Daten?"
"Ich befürchte nicht, denn beim letzten Mal war der Hauptcomputer blockiert. Wohl ein Schutzmechanismus, um zu verhindern, dass jemand die Quarantäne aufhebt."
Rodney versuchte erneut, den starken Händen der Soldaten zu entkommen und Beckett, der während Elizabeths Erklärung eine Beruhigungsspritze aufgezogen hatte, gab diese jetzt Rodney.
"Ich hoffe, die Dosis wird ihn ruhig stellen. Denn sonst weiß ich nicht, was ich noch mit ihm machen soll."
Carson atmete geräuschvoll aus. Natürlich war das medizinische Wissen, welches ihn hier erwartete, eine Verlockung gewesen. Nicht, dass er von den Antikern nichts gelernt hätte, im Gegenteil, doch nie hätte er zu glauben gewagt, dass ihn seine Arbeit mit so vielen gefährlichen, neuen Krankheiten in Berührung bringen würde. Er empfand großes Mitleid für den kanadischen Wissenschaftler, den er, trotz charakterlichen Unterschieden, seinen Freund nannte.
Nur mit einem Ohr hörte er den Gesprächen zu, die von den Anwesenden um ihn herum geführt wurden.
Weir hatte Dr. Zelenka über Funk gerufen und ihn gebeten, sich Zugang zu den medizinischen Dateien zu verschaffen.
"Ich werde es versuchen, Dr. Weir. Ich denke, der Hauptcomputer wird uns auf relevante Daten zugreifen lassen, wenn sie diese Situation betreffen. Zelenka Ende."
"Das Medikament wirkt nicht!", schrie ein Soldat, den Rodney mit einer Drehung auf seinem Rücken beförderte. Doch bevor McKay sich aufrichten konnte, traf Ronons Schlag ihn auf den Kopf. Schmerzlos, aber dennoch aus dem Gleichgewicht gebracht, fiel er zurück auf den Boden und wurde erneut nach unten gedrückt.
"Kann es sein, dass das Mittel eine Weile braucht, bis es wirkt?", erkundigte sich Ronon.
Carson schüttelte den Kopf. "Das dürfte nicht der Fall sein. Zur Vorsicht gebe ich ihm noch eine Spritze."
Doch bevor der Arzt auch nur die zweite Spritze an Rodneys Arm brachte, rammte ihn etwas von der Seite. Entsetzt versuchte er zu erkennen, wer ihn attackierte. Aus den Augenwinkeln bekam er mit, dass Ronon und Sheppard einen Soldaten packten und ihn ebenfalls zu Boden zwangen.
"Schnell, Doc. Der Mann wurde von Rodney gebissen!"
Leichter gesagt als getan, rappelte sich Carson mit dem Schutzanzug auf und gab die zweite Spritze dem Soldaten.
"Ich brauche noch weitere Beruhigungsspritzen!", schrie er seinem Assistenten zu.
"Warum hat mich keiner darüber informiert, dass Rodney jemanden derart verletzt hat?" Wut schwang in Becketts Stimme mit, als er seinen Blick auf Sheppard richtete.
"Ich wurde auch gekratzt", gestand Ronon und zeigte seinen Arm.
"Aber mir geht es gut."
Beckett überlegte kurz. "Das kann sich aber noch sehr schnell ändern. Wenn der Mann kurz nach Ihrem Eintreffen von Rodney angesteckt wurde, dann beträgt in Inkubationszeit dieses Virus nur circa 20 Minuten!"


Kapitel 3

In einem der wissenschaftlichen Labors ahnte Dr. Zelenka noch nichts von dem Ausmaß der Bedrohung für ihr aller Leben, welches das Erkundungsteam mit durch das Tor gebracht hatte.
Nun gut, die Quarantäne tat ihr Übliches zur allgemeinen Beunruhigung und er beneidete Dr. McKay keine Minute dafür, dass dieser zum Team von Colonel Sheppard gehörte. Denn schließlich war Rodney meist der Erste, der ein Opfer von gefährlichen Situationen aller Art wurde.
Und so hatte er kein Problem damit, in der vermeintlichen Sicherheit des Labors nach Antworten für Dr. Beckett zu suchen.
"Zatracený!", hörte man den tschechischen Wissenschaftler vor sich hin murmeln.
"Gibt es ein Problem, Radek?"
Ein korpulenter Wissenschaftler trat auf Radek zu und schenkte seinem Kollegen einen Schluck Kaffee nach.
Zu Beginn der Quarantäne waren kaum Wissenschaftler im Labor gewesen. Die meisten würden wohl in der Kantine auf eine baldige Lösung des Problems warten.
Radek war erst gar nicht ins Bett gegangen. Vor zwei Tagen hatte eines der Teams einen interessanten Gegenstand von einer Mission mitgebracht. Mit Rodney zusammen hatte er gestern noch bis spät in die Nacht an diesem gearbeitet.
So war der Wissenschaftler jetzt dankbar für die Tasse Kaffee und nahm einen großzügigen Schluck der heißen, braunen Flüssigkeit.
"Ich befürchte, das, was immer zur Auslösung der stadtweiten Quarantäne geführt hat, ist nichts für den Computer Bekanntes."
Der Tscheche schüttelte den Kopf und deutete mit einer hilflosen Handbewegung auf seinen Bildschirm.
"So unwahrscheinlich sich das anhört, aber Sie haben allem Anschein nach Recht."
Schweigen trat zwischen die Wissenschaftler, welche starr auf die unverständlichen Daten blickten.
"Nun, ich bin kein Arzt", erklang eine weitere Stimme hinter ihnen. "Aber wäre es nicht möglich, dass diese Daten vom Grundprinzip her stimmen und sich das Virus an sich verändert hat? Vielleicht ist es in Kombination mit einem anderen Virus mutiert."
"Eine logische Annahme, Frau Doktor", lobte Radek die Dame, welche mit fragendem Blick über den Rand ihrer Brille hinweg lugte.
"Das wäre zumindest eine Theorie, mit der Dr. Beckett etwas anfangen könnte."
Noch während Radek sprach, lud er die Daten auf eine Disc.
"Dr. Zelenka!", rief just in diesen Augenblick eine aufgebrachte Stimme.
Radek und seine beiden, noch in eine Virus-Mutations-Diskussion vertieften, Kollegen drehten sich erstaunt um.
Ein in Schutzanzug gekleideter Arzt stand in der Türe zum Labor und hielt Radek einen weiteren Anzug hin.
"Ich hoffe, Sie konnten Informationen beschaffen, die uns bei der Suche nach einem Heilmittel helfen werden. Es wurden bereits mehrere Leute in Atlantis infiziert!"
Radek schluckte und auch seine beiden Kollegen wirkten nach den Worten des Arztes recht blass.
"Was ist nun? Wir haben keine Zeit zu verlieren, Dr. Zelenka!"
Radek löste sich aus seinem vorübergehenden Entsetzen und hob demonstrativ die Disc.
"Dann beeilen Sie sich und ziehen Sie den Schutzanzug an!" rief der Mann aufgebracht.


Nie hätte der Tscheche geglaubt, dass diese Dinger noch unbequemer waren, als sie aussahen. Vielleicht war er auch einfach nur ein paar Zentimeter zu klein für die Standartgröße dieser Anzüge geraten. Er kam sich vor, als würde er in dem Gummimaterial versinken, während er dem Arzt in Richtung Krankenstation folgte.
Plötzlich stürmte eine weitere, schutzgekleidete Person auf den Gang. Der Mann war völlig außer Atem und sank vor seinem Kollegen zu Boden.
"Dave, was ist passiert!"
"Es… es ist…", begann Dave Spencer und holte noch einmal tief Luft.
In den letzten Minuten hatten sich die Ereignisse überschlagen! Viel zu schnell wurde aus der ohnehin schon gefährlichen Situation ein Desaster von unglaublichen Ausmaßen.
"Dave, erzähl schon, was ist los? Wo ist Carson?"
Der Angesprochene schloss für einen Moment die Augen. Als hoffte er damit, diesem albtraumhaften Geschehen ein Ende zu setzen.
"Carson wurde infiziert." Dr. Spencer sprach die Worte sehr leise, als wollte er sie ihres Sinnes berauben.
"Wie…?" Mehr brachten weder Radek, noch der junge Dr. Steffens heraus.
Carson infiziert?!
Radek brauchte einige Sekunden, bis diese Tatsache komplett zu ihm durchgedrungen war. Wie ein Schlag in den Magen wurde ihm die Bedeutung dieser Worte bewusst.
Dave erhob sich auf immer noch leicht zitternden Knien. Er schluckte schwer, um die Trockenheit aus seiner Kehle zu verbannen und holte die Blutproben hervor, welche er seit der Flucht aus dem Gateraum, fest in seiner linken Hand hielt.
"Ich konnte die Blutproben retten, bevor…" Wieder stoppte er in seiner Schilderung.
Jetzt löste sich auch Steffens langsam aus seiner Starre.
Im ersten Moment hatte er rot gesehen. Carson war aus gutem Grund der Chefarzt hier.
In der Theorie war Marc Steffens, an der Universität Jahrgangsbester gewesen und deshalb auch nach Atlantis eingeladen worden. Vielleicht lag es an seiner Jugend und der damit verbundenen, mangelnden praktischen Erfahrung, dass er sich das Lösen eines derartigen Problems allein nie zugetraut hätte. Auch wenn Carson ihn immer zu mehr Eigeninitiative angespornt hatte, war die Quarantäne doch zu dem wohl ungünstigsten Zeitpunkt ausgerufen worden.
Carsons eigentlicher Stellvertreter hatte sich erst gestern bei einem medizinischen Besuch auf dem Festland den Knöchel gebrochen und so war es nun an Steffens, das medizinische Team zu leiten.
"Bevor was?" Radeks Frage brachte Marc wieder zurück in die Realität.
"Das erzähl ich Ihnen auf dem Weg in die Krankenstation. Wir müssen so schnell wie möglich die Blutproben untersuchen!"


"Also Dave, was ist passiert?", fragte Dr. Steffens, während sie weiter durch die Gänge eilten.
"Ronon zeigte erst keinerlei Anzeichen einer Infizierung. Sheppard befahl, alle bisher infizierten zu fixieren, damit sie keine Gefahr für die im Torraum verbleibenden Personen werden."
Wieder stoppte Dr. Spencer und schluckte, um den Kloß in seinem Hals zu lösen.
"Bevor dieser Plan jedoch in die Tat umgesetzt werden konnte, griff Ronon Carson an. Er schlug ihn zu Boden und schaffte es, den Helm von Carsons Anzug zu öffnen. Wir versuchten unser Möglichstes, eine Infizierung von Dr. Beckett zu verhindern, jedoch griff ein weiterer betroffener Soldat dann Teyla an und…"
"Es war richtig von dir, mit den Proben zu fliehen", bestätigte Marc. "Du hättest es nicht verhindern können und so haben wir wenigstens Material, mit dem wir arbeiten können."
"Moment mal!", warf Radek ein. "Soll da heißen, das gesamte Personal, Dr. Weir eingeschlossen, ist bereits infiziert!?"


Kapitel 4

"Was soll das heißen, es ist kein Virus?!" Radek brüllte ungeniert durch die Krankenstation. Im Moment waren ihm die Blicke der Anwesenden egal, welche ihn überrascht musterten.
Ja, überrascht war er auch, als er Dr. Steffens Ausführungen gelauscht hatte. Der junge Arzt hatte zusammen mit seinem Kollegen - Radek glaubte, er hieß Spieker oder Spencer - gleich nach ihrer Ankunft auf der Krankenstation mit dem Studium der Daten begonnen.
Dann hatte Steffens einige Aufgaben an die anwesenden Ärzte und Schwestern verteilt und hatte ihnen sogleich die erste Einschätzung zu ihrer gegenwärtigen Situation gegeben.
"Bitte beruhigen Sie sich wieder!", versuchte Spencer den aufgebrachten Wissenschaftler zu besänftigen.
"Was mein werter Kollege damit sagen wollte, ist, dass der Ursprung, das was der Hauptcomputer erkannt hat, kein Virus ist."
Steffens nickte und zog Radeks Aufmerksamkeit wieder auf sich.
"Nicht nur, dass es kein Virus ist, es ist nicht einmal eine gefährliche Substanz. Hier sehen Sie." Dr. Steffens gab etwas in den Computer ein und präsentierte Radek mit stolz lächelndem Gesicht seinen neusten Fund. Eine Art Antiker-Beipackzettel.
"Das hier sind die Anweisungen für ein Antiker-Betäubungsmittel, dessen Wirkung für Antiker wohl einer Aspirin glich. Bei Menschen jedoch ist die Wirkung um ein vielfaches stärker. Was die betroffenen Infizierten uns bereits bewiesen haben. Deren Schmerzempfinden war gleich Null."
Halblaut grummelte Zelenka etwas auf Tschechisch, dann blickte er Steffens ernst an.
"Aber wenn es nicht gefährlich ist…"
"Oh, niemand hat behauptet, dass es das nicht sei", kam es sogleich von David Spencer.
"Die Bewohner des Planeten, welcher von unserem Team besucht wurde und von dem auch das Virus in seiner momentanen Form stammt, haben sich der Antikemedizin zwar bedient, aber eben aus einem, wenn es nicht richtig angewendet wird, harmlosen Betäubungsmittel ein Virus geschaffen."
Schweigen trat ein und Zelenka blickte von einem der beiden Ärzte zum anderen.
"Und warum sollten sie so etwas tun?"
"Tja, Dr. Zelenka, wir haben die Theorie, dass die Rebil nicht vorhatten, aus einem Betäubungsmittel eine biologische Waffe zu bauen, sondern versuchten, dem ursprünglichen Mittel etwas hinzuzufügen oder es einfach für Menschen verträglicher zu machen."
"Sie meinen also, Dr. Steffens, dass das Virus, welches unsere Leute befallen hat, kein Virus hätte werden sollen, als die Rebil-Ärzte daran arbeiteten?"
Steffens nickte.
"Und weiter?", fragte Radek neugierig.
"Nichts und weiter. Was Marc damit sagen will, ist, dass wir anhand dieser Daten kein Gegenmittel herstellen können!"
Radek wurde mit einem Mal kreidebleich. Dies war eine Option, die ihm nie in den Sinn gekommen wäre. Wie konnte es keine Heilung geben? Radek zweifelte an dem medizinischen Wissen, der beiden Ärzte und wünschte sich einmal mehr, Dr. Beckett wäre hier.
"Aber…", begann Radek erneut. "Sie haben doch Blutproben der Infizierten!" Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Tschechen. Ja, genau, darin musste die Antwort liegen. Mit etwas Anderem würde er die zwei Herren nicht durchkommen lassen.
Steffens seufzte resigniert. "Ja, Sie haben schon Recht, die Blutproben waren auch sehr aufschlussreich."
"Aber?", hakte der Tscheche postwendend nach.
"Aber", setzte Spencer die Ausführungen seines Freundes fort, "wir konnten anhand der Blutproben erkennen, dass eben ein harmloses Betäubungsmittel dem Virus zugrunde liegt. Denn die Infizierten reagieren in unterschiedlicher Geschwindigkeit auf das eindringen des fremden Organismus. Das ursprüngliche Mittel brauchte bei einem Antiker nur 20 Minuten, bis die gewünschte Wirkung eintrat. Da einige Faktoren im Körper - ich will Sie nicht langweilen, Dr. Zelenka, und diese näher ausführen - aber von diesen Faktoren ist es abhängig, wie schnell das Virus den Körper befällt. Ronon hatte mehr oder minder Glück, dass nicht auch sein Körper sofort auf das Virus reagierte, so wie es bei den Anderen der Fall war."
"Nein, nein, das kann nicht alles sein! Es muss doch eine Lösung geben!" Radek schrie erneut. Er konnte die Gelassenheit der Ärzte nicht verstehen. Nicht in so einer Lage!
"Natürlich gibt es eine Möglichkeit, auch für dieses Virus ein Gegenmittel zu entwickeln. Aber dies liegt nun mal außerhalb unserer Möglichkeiten."
"Außerhalb Ihrer Möglichkeiten vielleicht. Es wird doch außer Carson noch einen Arzt auf Atlantis geben, der so etwas hinbekommt!"
Steffens hob seinen Arm und gebot Zelenkas Redefluss somit Einhalt.
"Bitte, Doktor, es liegt weder an meinem noch an Davids medizinischem Wissen. Um ein Gegenmittel herzustellen, bräuchten wir eine Probe der Substanz, mit welcher das Betäubungsmittel in Berührung kam. Also im Grunde genommen sämtliche zusätzliche Bestandteile des Virus in ihrer Urform."
"Nicht nur, dass wir dazu die Forschungsaufzeichnungen der Rebil und die eben genannten Stoffe dazu benötigen, wir könnten ja nicht einmal das Stargate öffnen. Doch selbst wenn Sie eine Möglichkeit finden würden, die es uns ermöglicht, das Tor zum Laufen zu bringen, wir müssten uns immer noch durch eine Horde infizierter Personen kämpfen."
Wieder trat für lange Zeit Schweigen ein.
Dann begann Radek: "Könnten wir sie nicht mit einer Art Gas für bestimmte Zeit außer Gefecht setzen? Wenn ich zusammen mit den anderen Wissenschaftler eine Lösung für unser Torproblem finde, dann könnten wir…"
"Was? Was könnten wir?" Jetzt war es an Spencer, den Wissenschaftler anzuschreien.
"Sie sind kein Arzt, glauben Sie, dass es so einfach ist? Hä? Wenn es so einfach wäre, hätten wir das doch wohl schon in Erwägung gezogen! Sehen Sie es endlich ein, es gibt keine Lösung für dieses Problem!"
Steffens war aufgestanden und klopfte dem vor Wut und Verzweiflung schnaubenden David beruhigend auf die Schulter. Dann wandte er sich an Radek, welcher die Schultern hatte sinken lassen und wie ein Häufchen Elend im Raum stand.
"So Leid es mir tut, ich würde Ihnen auch gerne helfen, aber David hat Recht. Die Menge an Betäubungsgas, die wir benötigten, um Ihre, von dem Virus befallenen, Körper ruhig zu stellen, würde sie alle töten. Außerdem dürfen nach der Infizierung nicht mehr als 48 Stunden für den Betroffenen vergehen. Denn sonst wäre auch ein Gegenmittel unwirksam. Ich weiß einfach nicht, was wir sonst noch versuchen könnten."
"Können wir denn nicht einfach mit einem Jumper eine Mission starten? Das brächte doch den gewünschten, taktischen Vorteil für uns, wenn wir uns dem Planeten nähern. Schließlich müssen wir vom schlimmsten Fall ausgehen, dass wir dort keine gesunde Person mehr antreffen."
Radek war dankbar, wenigstens ein Zuspruch. Ein Arzt, der noch nicht aufgegeben hatte.
Alle Blicke richteten sich auf die ältere Dame. Ihr schneeweißes Haar und ihre leuchtenden blauen Augen stellten einen derartigen Kontrast dar, dass Radek für eine Sekunde annahm, sie hätte Linsen in ihren Augen.
"Wäre das möglich, Dr. Zelenka?", fragte Steffens, in dem offensichtlich neuer Mut erwacht war.
Radek schüttelte resigniert den Kopf.
"Der Antrieb des Jumpers ist auf Sublichtmotoren beschränkt. Um so eine Mission durchzuführen, bräuchten wir die Daedalus und die befindet sich nicht in Reichweite. Selbst wenn, wir könnten nicht mal einen Ruf senden. Die Quarantäne der Stadt würde nie zulassen, dass die Daedalus hier landet oder gar Leute aus der Quarantänezone beamt. Die Gefahr für die Besatzung des Schiffes wäre zu groß."
Die Niedergeschlagenheit aller anwesenden Personen war fast greifbar.
Gab es den gar nichts was sie tun konnten? Waren wirklich alle Möglichkeiten besprochen, alle Ideen ausgeschöpft?
"Was ist mit der Quarantäne? Die Personen, die noch in ihren Quartieren oder anderswo in der Stadt gefangen sind. Wenn wir die Quarantänemaßnahmen nicht beenden können, was dann?"
"Die Quarantäne wird beendet werden, keine Sorge." Spencer Stimme triefte voll Sarkasmus.
"In ein paar Tagen sind alle im Gateraum verhungert und verdurstet. Währenddessen können wir die Nichtinfizierten durch unser Personal in Schutzanzügen versorgen. Sind die infizierten Leichen dann einmal verbrannt, besteht weder für die Stadt, noch für ihre Bewohner eine Gefahr der Neuinfizierung."


Kapitel 5

"Xarann, bitte warte doch auf mich!"
Ein junges Mädchen eilte auf den Ring der Vorfahren zu. Sie hielt den Saum ihres blaubraunes Kleides fest in der Hand, um im Lauf nicht über das zu lange Gewand zu stolpern.
"Warte!", rief sie noch einmal.
Xarann, ein Mann von schlanker und hoch gewachsener Gestalt, stand lachend am Wahlgerät und gab die Symbole ein.
"Wenn du dich nicht beeilst, Schwester, dann geh' ich ohne dich!"
Schnaufend kam Migerie neben ihrem Bruder zum Stehen.
Sie waren die Kinder des Dorfsprechers und somit von ihrem Vater persönlich mit dieser heutigen Mission betraut worden.
Xarann, der seinen Vater schon oft auf Handelsmissionen begleitet hatte, war Tags zuvor mit vor Stolz geschwellter Brust durch ihr Dorf gegangen und hatte jedem verkündet, der es hatte hören wollte, dass er, erstgeborener Sohn von Darios, ab morgen für die Handelsmissionen ihres Dorfes alleine verantwortlich wäre. Von den Leuten war viel Zuspruch gekommen. Er sei ein fleißiger Bursche und ein kluger Mann, so hatten sie ihn gelobt.
Jetzt, da Xarann vor dem geöffneten Tor stand, nahm er sich fest vor, er würde die Verhandlungen zu einem guten Abschluss für beide Völker bringen.
Migerie hielt sich ängstlich am Arm ihres großen Bruders fest. Unwissend, aber doch neugierig, was für eine Welt auf der anderen Seite des Ereignishorizonts auf sie warten würde.


Ungewohnte Stille schlug den Otorun-Kindern auf der anderen Seite entgegen. Verwirrt richteten sie ihre Blicke über den menschenleeren Platz.
Xarann hatte die Welt der Rebil schon oft besucht, aber noch nie war ihm dieser Ort so fremd vorgekommen wie heute.
Die heiße Sommerluft war mit einem Geruch geschwängert, den Beide nicht kannten und doch war er so penetrant, dass ihnen Übel davon wurde.
Ängstlich klammerte sich Migerie noch fester an den warmen Körper ihres Bruders, der wiederum gar nicht verstand, warum keine Menschenseele ihre Ankunft erwartete.
"Hallo!? Hier ist Xarann, Sohn von Darios aus dem Volk der Otorun. Wir komme, um Handel zu treiben!" Die Stimme des jungen Mannes hallte in den leeren Straßen wider.
Keine Antwort.
"Bitte, Xarann, vielleicht haben die Wraith sie alle geholt", versuchte Migerie ihren Bruder zu überzeugen, diesen Ort schnellstmöglich wieder zu verlassen.
Natürlich zählte das Ausdünnen immer zur Erklärung Nummer eins, wenn ein Volk von der Bildfläche verschwand. Auch wenn Xarann noch Zweifel an dieser Theorie hatte, er würde nicht bleiben, um sein Leben und das seiner Schwester nur für eine Erklärung zu riskieren.
So schritt er also die wenigen Stufen, welche das Tor säumten hinab und gab die Adresse für die Rückkehr nach Otorun ein.
Wenn, so dachte er bei sich, das Volk der Rebil wirklich komplett von den Wraith vernichtet worden war, so wäre der Verlust nicht nur für seine Leute ein herber Schlag. Die Rebil waren führend, was Medizin anbetraf. Immer, wenn von der Ernte der Otorun etwas übrig blieb, so tauschten sie es hier auf Rebil gegen Medikamente, die im Winter viele Leben zu retten vermochten.
So sollte es auch heute wieder geschehen und doch würde Xarann mit leeren Händen Zuhause ankommen.
Das Stargate öffnete sich und noch in Gedanken schritt der junge Mann darauf zu.
"Xarann, sieh mal dort!"
Der Ruf seiner Schwester ließ ihn kehrt machen und er erblickte eine Gestalt. Der Kleidung nach zu urteilen eine Frau, welche sich schwerlich noch auf den Beinen hielt. Sie schien verletzt zu sein, denn Blut hatte ihr einst so schön besticktes, grünes Gewand an vielen Stellen rot gefärbt.
Migerie warf ihrem Bruder einen kurzen Blick zu, dann eilte sie der Frau entgegen. Auch Xarann, der noch einen Moment lang Bedenken hatte, dass der Angreifer noch in der Nähe sein könnte, lief zu der Verletzten.
"Sie ist nicht ansprechbar, wohl durch den hohen Blutverlust", stellte Migerie fest.
"Wir werden sie mitnehmen müssen. Wenn sie die einzige Überlebende eines Wraithangriffes ist, braucht sie unsere Hilfe."
Migerie zog die benommene Frau nach oben und half ihr zum Tor. Ein seltsam unnatürliches Lächeln zog sich über das Gesicht der Verletzten und ohne Vorwarnung biss sie in Migeries hilfreiche Hand.
Das junge Otorun-Mädchen schrie vor Schmerzen und stellte ihre Bemühung ein, der fremden Frau zu helfen. Tränen rannen über Migeries Wangen, als ihr Bruder ihr die Hand mit einem Tuch verband.
"Sie ist wohl ziemlich neben sich. Womöglich hielt sie dich für einen ihrer Peiniger", versuchte Xarann seine Schwester zu beruhigen.
Die Frau lag gekrümmt auf dem Asphalt und trotz ihres seltsamen Verhaltens, wollte Xarann sie hier nicht einfach liegen lassen.
Ein bekanntes Geräusch durchbrach die Stille der Stadt, als das Stargate sich abschaltete und die schimmernde, wasserähnliche Oberfläche verschwand.
"Bitte, gehen wir jetzt?", flehte Migerie.
Xarann sah sie mit einem liebevollen Lächeln an und strich ihr eine hellbraune Haarsträhne aus dem Gesicht.
"Da du verletzt bist, solltest du nach Otorun zurückkehren. Berichte Vater und den Anderen, was wir hier gesehen haben. Ich werde diese verwundete Frau nach Ranagarr bringen. Dort wird man sich besser um sie kümmern können, als wir das mit unserer begrenzten Medizin vermögen."
Migerie nickte ihrem Bruder zu und versuchte ein leichtes Lächeln.
Bevor sie durch das Tor trat, um nach nur wenigen Sekunden wieder auf dem Heimatboden von Otorun zu stehen, blickte sie noch einmal zu Xarann, der zusammen mit der Frau am Wahlgerät stand. Mit gemischten Gefühlen drehte sie sich wieder dem Ring der Vorfahren zu und schickte ein Stoßgebet gen Himmel, für die schnelle Genesung der armen Frau.


"Ivolt, Ivolt! Xarann von den Otorun ist durch den Ring gekommen und er hat eine verletzte Frau bei sich!"
Xarann war am Tor einer kleinen Gruppe Bauern begegnet, die mit geerntetem Getreide auf dem Weg in ihr Dorf waren. Sie halfen ihm sogleich, die Frau sicher ins Dorf zu geleiten und schickten einen Jungen als Botschafter voraus.
Ivolt, Führer der Ranagarr, trat aus seinem Zelt. Er war ein breitschultriger Mann von stattlicher Gestalt. Doch nicht nur Ivolt hatten die Rufe des Bauernjungen aus dem Zelt gelockt. Das halbe Dorf kam an, um zu sehen, was denn für diese Aufregung zur Mittagszeit sorgte.
"Schnell, wir bringen eine Verwundete ins Dorf", schrie der Junge erneut und gestikulierte wild mit den Armen.
Die Leute brachten sogleich eine Trage und man rief nach der alten Heilerin, die abseits des Dorfes ihr Zelt hatte.
"Du sagst, von den Rebil wäre nur diese eine Frau noch in der Stadt gewesen?" Gespannt lauschte das ganze Dorf Xaranns Geschichte.
"Ja, wenn ich es euch doch erzähle. Die Stadt, welche einst so voller Leben war, ist jetzt völlig ausgestorben. Nicht einmal ein Vogel wollte ein Lied singen und der Wind wehte nicht durch die Zweige wie sonst. Und über allem dieser entsetzliche Geruch, der einem die Innereien verknotete und würgen ließ."
"War die Frau bei Bewusstsein, als du sie fandest, Junge?" Die trockene Stimme der Heilerin erhob sich über das Stimmengewirr der neugierigen Anwesenden.
"Nicht direkt. Sie verfügte noch über genügend Kraft, um bis zum Ring zu gelangen. Doch sie schien sehr verwirrt und verletzte meine Schwester. Jedoch, als ich ihr sagte, ich würde ihr nichts tun, sondern ihr helfen wollen, beruhigte sie sich. Als ich jedoch mit ihr auf dieser Seite aus dem Tor trat, griff sie einige der Bauern an", schloss Xarann seien Bericht.
Die Heilerin sprach leise ein uraltes Gebet, während sie eine Salbe über die Wunden der Frau strich.
"Große Heilerin Ludora, sie hat uns jedoch kaum verletzt. Lediglich ein paar Kratzer.", berichtete einer der Bauern.
"Xarann hat bestimmt Recht und sie ist recht benommen. Wohl noch von dem Angriff, sodass sie unsere guten Absichten nicht gleich erkannte", spekulierte ein anderer.
Gemurmelte Zustimmung unter der Bevölkerung.
"Nun gut, wir werden die Frau in Ludoras Haus bringen und sie dort ruhen lassen. Ihr anderen.", Ivolt vollführte eine ausschweifende Handbewegung, "ihr geht alle wieder an eure Arbeit."
Langsam floss die Masse der Menschen auf dem kleinen Marktplatz auseinander.
Einer der Bauern kam auf Xarann zu.
"Kehrst du gleich in dein Dorf zurück?"
Der Angesprochene nickte stumm.
"Gut, wenn du willst, begleitet dich Namtar gleich. Er wollte eh in den nächsten Stunden zu euch, um über den Tausch von Getreide zu verhandeln."
Der Bauer blickte hoch in die Luft, in den strahlend blauen Himmel. Nicht eine Wolke trübte das klare Blau des Sommertages.
"Unsere Ernte dieses Jahr ist reichlich. Wir haben mehr als genug, auch für einen harten Winter. Aber viele befreundete Stämme hatten dieses Jahr nicht so viel Glück. Wir werden noch diese Stunde zu mehreren unserer Handelspartner reisen und großzügig mit ihnen teilen. Ich bin sicher, sie werden sehr erfreut über das sein, was wir ihnen mitbringen."


Kapitel 6

"Ratsherr Kemal, darf ich stören?"
Der junge Volksdiener Kilov stecke seinen Lockenkopf zur Tür herein.
Kilov hatte den undankbaren Ruf, stets der Überbringer schlechter Nachrichten zu sein.
Die anderen Ratsmitglieder warfen ihn deshalb meist, höflich aber bestimmt, wieder aus ihren Gemächern.
Da Kemal den Ratsvorsitz ihrer vom Volk gewählten Regierung darstellte, war er nun mal für die schlechten Nachrichten die letzte Instanz.
So wank er den jungen Mann mit einem aufgesetzten Lächeln zu sich.
Kilov schlich wie ein geprügeltes Tier über die handgefertigten Seidenteppiche, welche in Kemals Quartieren auf dem Boden lagen. Prunkvolle Wandteppiche und endlose Portraits der ehemaligen Ratsherren verliehen dem Raum etwas Erhabenes und Uraltes.
Kemal ruhte zu dieser Tageszeit, noch mit der morgendlichen Zeitung beschäftigt, in einem schweren, alten Lehnsessel. Zigarrenrauch zog sich wie dickflüssige Spinnweben durch die Luft und ließen Kilov einmal kurz husten.
Unruhig wippte der junge Mann auf seinen Zehenspitzen.
Da er seinen Bericht nicht von selbst begann, forderte ihn Kemal nach einer kurzen Musterung dazu auf: "Was hast du zu berichten, Kilov?"
Der Angesprochene erschrak förmlich und Kemal musste ungewollt über diese Naivität lachen.
"Besucher vom Planeten Ranagarr sind eingetroffen, um zu handeln."
Als Kilov diesem Satz nichts mehr hinzufügte, hob der Ratsherr irritiert die Augenbrauen. Anscheinend war der Lockenkopf Kilov allein wegen seines schlechten Rufes ohne Meldung zu erstatten von den anderen Ratsmitgliedern vertrieben worden, denn sonst würde er mit diesem Anliegen nicht Kemal selbst belästigen, denn er war nicht für die Handelsgespräche mit den Vertretern anderer Planeten verantwortlich.
Nicht, dass diese Aufgabe von zu geringer Bedeutung wäre, als dass sie das Ratsoberhaupt hätte führen können. Es gab jedoch einen gewählten Volksvertreter, dem die Aufgabe zuteil wurde, Atagra bei diesen Gesprächen zu repräsentieren.
Und diese Gespräche waren für Atagra lebensnotwendig. Denn der Planet war, was die Vegetation betraf, sehr unwirtlich und bot kaum die Grundlagen für das menschliche Leben.
Jedoch besaß der Planet andere Vorteile.
Die dichte Atmosphäre, mit ihren vielerlei Giften, welche für das wenige Grün auf Atagra verantwortlich waren, machte seinen Bewohnen das Verstecken im Untergrund leicht.
Auf Dauer würde der menschliche Organismus ein Leben an der Oberfläche auch nicht verkraften.
Die Wraith waren oft in den Orbit um Atagra eingetreten. Ihre Sensoren schafften es gerade durch die Atmosphäre, aber nicht bis in den Untergrund und fanden daher nie auch nur eine Spur von Leben.
So hatten die Atagra es geschafft, sich völlig autark zu entwickeln und ihre Technologie hätte es mit der der Wraith durchaus aufnehmen können. Jedoch nicht mit deren Anzahl.
Dennoch war Atagra ein sicherer Ort, um Kinder großzuziehen und in dieser grausamen Galaxie eine Art Paradies.
"Warum berichtest du mir diese Neuigkeit? Fures ist doch für die Handelsgespräche verantwortlich."
Kilov wippte einmal mehr auf seinen Zehenspitzen. Es schien Kemal, als suche der Junge nach den richtigen Worten.
Atagra war stets sehr vorsichtig, was Besucher von anderen Welten betraf. Denn würde einer dieser Handelspartner sie, wenn auch unabsichtlich, an die Wraith verraten, wäre dies das Ende einer weiteren Zivilisation. Daher war die Wahrung dieses Geheimnisses stets die oberste Priorität des für den Handel gewählten Volksvertreter. In diesem Falle, Fures' Interesse.
So fanden die Handelsgespräche seit Generationen auf der Oberfläche, in einem weitläufigen Höhlensystem, statt und nie hatte einer der Bauern Zweifel daran gehegt, dass die Atagra nicht mit ihrer ganzen Zivilisation in den Höhlen lebten.
"Die Sache ist die, Rastherr.", begann Kilov schüchtern.
"Einer der Bauern zeigt Symptome einer starken Verhaltensstörung. Er wurde aggressiv und verletzte unseren Mittelsmann, den Volksvertreter Fures."
Kemals Stirn legte sich in Falten und er ließ vollständig von der Morgenzeitung ab.
"Wie schlimm sind Fures' Verletzungen?"
Kilov druckste ein wenig um die Antwort herum.
"Die Ärzte behandeln ihn."
Der Ratsherr schüttelte irritiert den Kopf.
"Warum, um alles in der Welt, stört man mich dann zu so früher Stunde und auch noch mit solch Belanglosigkeiten? Die Bauern der anderen Welten sind primitiv und sie leiden unter den ständigen Angriffen der Wraith. Da ist es verständlich, dass ihr Verhalten gestört ist! Wenn Fures nicht ernsthaft verletzt und bereits in Behandlung ist, dann ist der Fall für mich erledigt."
Mit einer unmissverständlichen Handbewegung deutete Kemal dem Volksdiener zu verschwinden. Dieser verneigte sich leicht und schlich zum Ausgang.
Doch noch bevor Kilov die Quartiere des Ratsherrn verlassen konnte, stürmte ein Ratsmitglied, ohne anzuklopfen und mit sorgenvollem Gesicht, zur Tür herein.
Kilov, der nicht im Weg sein wollte, schlich schnellstmöglich durch die Tür auf den Gang.
"Ich verbitte mir dieses ungebührende Verhalten!", donnerte Kemal los.
"Bitte verzeiht, aber diese Angelegenheit duldet keine Sekunde Aufschub." Damit reichte ihm der untersetzte, grauhaarige Mann einige Unterlagen.
Kemal nahm, mit erneutem Stirnrunzeln, die ihm gereichten Unterlagen an und überflog den medizinischen Bericht.
Viele schwer verständliche Fachbegriffe reiten sich an 3D-Darstellungen und bunte Kalkulationsschemata.
Fragend blickte Kemal den ihm Gegenüberstehenden an.
"Was sagt mir dieser Bericht?"
Die Miene des Angesprochenen blieb steinhart, als er antwortete: "Volksvertreter Fures wurde von einem Gesandten des Planeten Ranagarr mit einer Art Virus infiziert. Unsere Mediziner untersuchen den Vorfall noch, aber seit dem Ausbruch bei Fures hat dieser bereits 9 weitere Menschen infiziert. Die Krankheit breitet sich rasendschnell unter dem Krankenhauspersonal aus. Wir haben das besagte Gebäude unter Quarantäne stellen lassen. Leider ist mindestens ein infizierter Arzt kurz nach dem Ausbruch mit einem Krankenwagen zu einer Unfallstelle gefahren. Wir verfolgen ihn jedoch bereits."


Nie hätte Kemal geglaubt, dass etwas so Kleines, wie ein Virus, sein ganzes Volk in derartige Gefahr bringen könnte.
Die letzte Meldung, welche er erhalten hatte, sprach von 63 bekannt gewordenen Fällen der Infektion. Bisher konnten die Ärzte noch nichts dagegen tun. Die Quarantänemaßnahmen hatten kläglich versagt und die Bevölkerung wurde über alle öffentlichen Medien gebeten, ihre Häuser nicht zu verlassen.
Eine dringende Ratsversammlung war einberufen worden und seit etwa 30 Minuten stritten die 12 hochrangigsten Ratsmitglieder über die weiteren Vorgehensweisen.
"Wir sollten die Garde bewaffnen und Sie an jeder Straßenecke postieren. Mit den Infizierten werden wir fertig!"
"Soll unsere Garde etwa auf Frauen und Kinder schießen? Möglicherweise finden die Ärzte noch eine Lösung!"
"Doch bis diese Lösung gefunden ist, infizieren sich ständig neue Leute mit dieser Seuche!"
"Ich finde auch, wir sollten mit Gewalt vorgehen, um die noch gesunde Bevölkerung zu beschützen!"
"Die Infizierten stellen nur einen kleinen Teil der Bevölkerung dar und wir sollten dafür sorgen, dass es so bleibt!"
"Meine Herren, glauben Sie wirklich, dass das Volk, welches diesen Rat gewählt hat, es duldet, wenn man ihre Familienmitglieder auf offener Straße tötet?"
"Ob infiziert oder nicht, der Einsatz der Garde würde auf größten Widerstand in der Bevölkerung stoßen!"
"Die Quarantäne hat bereits versagt, wenn wir die Garde jetzt nicht einsetzten, bleibt niemand zum Demonstrieren übrig!"
"Und wenn die Mediziner doch ein Heilmittel finden? Wie rechtfertigen wir dann das Töten unserer Bürger?"
"Wir hatten zu diesem Zeitpunkt keine andere Wahl, die Menschen werden das verstehen."
"Sicher? Wenn man Ihre Frau erschießt, anstatt abzuwarten, bis es Heilung gibt, würden Sie das verstehen?"
"Bitte, bitte, meine werten Herren", unterbrach Kemal die Meinungsverschiedenheiten.
"Wie erwartet, sind wir nicht einer Meinung."
Kemal schritt durch den Ratssaal. Der Marmorsaal mit seiner schweren, dunklen Holzeinrichtung wirkte heute noch kälter auf ihm, als es sonst der Fall war.
"Ich schlage vor, wir schicken die Garde aus, um alle nichtinfizierten Personen an Bord der Hashepsto in Sicherheit zu bringen."
Ein murmelndes Raunen ging durch den Raum, bis Kemal erneut seine Stimme erhob: "Die Hashepsto ist der sicherste Ort in ganz Atagra und wir geben den Ärzten somit genügend Zeit, ein Heilmittel für diese Krankheit zu entwickeln."


"Rasherr Kemal!" Ein Unteroffizier der Garde salutierte vor dem Ratsvorsitz. Kemal nickte ihm zu und erwartete seinen Bericht.
"303 Zivilisten befinden sich an Bord. Unter ihnen auch Wissenschaftler, Techniker und Politiker. Somit sind 130 Personen vermisst, von denen wir nach den letzten Meldungen 90 als infiziert bestimmen konnten."
Kemal nickte und der Offizier verschwand nach einem erneuten Salut von der Brücke.
Auf Atagra herrschte strenge Geburtenkontrolle.
Sie konnten ihre unterindische Heimat nicht nach belieben vergrößern. Die Energie, welche für die momentane Stadtgröße gebraucht wurden, war noch akzeptabel.
Nicht nur, dass ein Weiterwachsen der Stadt Energiemengen verschlungen hätte, die sie nicht im Stande waren, zu decken, nein, es hätte auch das Risiko enorm erhöht, durch die gestiegenen Energieemissionen vom Orbit aus mit Sensoren erfasst zu werden.
Ein Losverfahren entschied, ob eine Familie Kinder bekommen durfte oder nicht.
Rechnete man die Ärzte und Schwestern noch dazu, welche in Krankenhäuern, verteilt in der Stadt, arbeiteten, zählte die Einwohnerzahle nie mehr als 500 Personen.
Mit 130 Opfern konnten sie leben. Viel weniger, als befürchtet, aber doch zu viele, um Kemal eine weitere Amtsperiode zu bescheren.
"Lassen Sie mich durch!"
Kemal konnte auf den Gängen vor der Kommandobrücke reges Stimmengewirr hören.
Die Garde eskortierte gerade einen ihrer hochrangigsten Ärzte auf die Brücke der Hashepsto.
Kemal hoffte inständig, man möge ihm gute Nachrichten verkünden. Doch der Blick des Arztes belehrte ihn eines Besseren.
"Rastherr, ich überbringe schlechte Nachrichten."
Dr. Mulat reichte ein Klemmbrett weiter, auf dem ein mehrseitiger Bericht befestigt war.
Wieder zierten bunte Diagramme die medizinischen Fachbegriffe.
Kemal hatte sich nie sonderlich für Medizin interessiert. Ihm hatte man die Feinheiten der Politik bereits in die Wiege gelegt und er rühmte sich als stolzer Führer einer ganzen Nation.
Somit gab er kopfschüttelnd die Unterlagen an Dr. Mulat zurück.
"Medizin war nie mein Spezialgebiet", kommentierte er entschuldigend.
Der Arzt nickte und blätterte auf die letzte Seite des Berichts.
"Sehen Sie", bat er dem Ratsherrn an.
Dieser studierte die wenigen Sätze, die das Ergebnis der medizinischen Analyse darstellten.
"Die Vorfahren stehen uns bei!", flüsterte Kemal entsetzt.
"Gibt es keine Chance, dass Sie sich irren?", fragte er vorsichtig an.
Dr. Mulat schüttelte traurig seinen Kopf. Ihm schien dies alles noch viel näher zu gehen als dem Politiker.
Wenn man planetar alle Zusammenhänge betrachtete, so stockte auch Kemal das Blut in den Adern.
Vie viele Planeten wohl betroffen waren? Wie viele Hunderte oder gar Tausende von Menschen waren infiziert?
Eine Katastrophe, die sich über das gesamte All ausweiten könnte!
Und wenn erst einmal keine Menschen mehr übrig waren, würden die Wraith Jagd auf die letzte nichtinfizierte Nahrungsquelle machen. Wie die Hashepsto!
Kemal konnte dies nicht zulassen.
"Steuermann!", schrie er!
"Berechnen Sie einen Kurs nach Ranagarr!"
Dann wandte er sich an den Befehlshaber der Garde sowie an Dr. Mulat.
"Bringen Sie umgehend alle Ärzte und Schwestern sicher auf die Hashepsto. Wir werden die Ausbreitung der Seuche über die Planeten dieser Galaxie stoppen und wenn wir dafür jeden Infizierten einzeln töten müssen!"


Kapitel 7

"*Oh, proboha!", rief Radek Zelenka, als er durch die plötzliche Erschütterung, welche den Boden unter seinen Füßen zum Beben brachte, gegen die Wand geschleudert wurde und sein Trommelfell schmerzhaft auf das Dröhnen der gewaltigen Explosion reagierte, welche durch ganz Atlantis hallte.
Irgendjemand hatte das Feuer auf die Antiker-Stadt eröffnet!
Ohne Unterlass schlugen neue Geschosse überall in der Stadt ein.
(* Der Ausruf, Oh, mein Gott! auf Tschechisch)


Radek war gerade auf dem Weg zurück in sein Labor gewesen.
Die Schutzanzugteams hatten begonnen, Lebensmittel zu verteilen und die aufgebrachte Bevölkerung zu beruhigen.
Irgendwann war Radek die Lust vergangen, untätig auf der Krankenstation zu warten. Die Ärzte waren alle anscheinend mit schrecklich wichtigen Dingen beschäftigt, sodass sich Radek mit seinen aufgewühlten Gedanken alleingelassen vorkam.
Er wollte etwas tun, irgendetwas, ob es nun sinnvoll war oder nicht! Dieses Warten auf die Absolution machte ihn schier Wahnsinnig!
Als ob die immer noch andauernde Katastrophe nicht schon genug für einen Tag wäre, so lieferte ihnen hier ein Unbekannter die nächste.


Erneut warf eine Erschütterung den Wissenschaftler zu Boden. Schmerzerfüllt rieb er sich über seinen Kopf, verwarf aber den Wunsch nach einer Aspirin sofort wieder.
Ohne erneut zu stolpern, schaffte es Radek bis zur Labortür, welche er durch das Überbrücken der Stromkreise öffnete. Genau wie Dr. Petersen im letzten Jahr, als sie es zum ersten Mal mit einem außerirdischen Virus zu tun bekamen.
Dr. Iori Kinahi und Dr. Alexej Colao, die Kollegen, welche wegen der wenigen Schutzanzüge vor einigen Stunden im Labor zurückbleiben mussten, suchten Deckung unter einem der Schreibtische.
Die Angst stand beiden ins Gesicht geschrieben.
"Was geht hier vor?", wimmerte Colao.
Radek schüttelte seinen Kopf und unter einem gemurmelten: "Weiß noch nicht", begann er auf die Computertastatur einzuhacken.
Neugierig geworden, verließen seine wissenschaftlichen Kollegen ihren Unterschlupf und traten auf den Tschechen zu.
Erneut heulte eine Explosion durch die Gänge der Stadt.
"Die Wraith?", spekulierte Iori Kinahi sorgenvoll.
Colao erwiderte darauf nichts, sondern versuchte vielmehr Radeks Bemühungen, in den Hauptcomputer der Stadt zu gelangen, zu überblicken.
"Wir haben bereits versucht, die Sperre des Computers zu übergehen. Ich fand ein Programm, welches das Kraftfeld im Quarantänefall aktivieren sollte, wenn der Stadt ein Angriff droht."
Radek stoppte seine Bemühungen und sah seinen Kollegen über die Schulter hinweg an.
"Warum startete es dann nicht automatisch?"
Colao wirkte kurz ratlos. "Ich denke, ein ZPM reicht der Stadt wohl nicht als Energiequelle, um alle Quarantäneunterprogramme zu starten. Momentan werden…", Colao rief ein Programm über Radeks Laptop auf, "… genau 20 der 51 vorgegebenen Sicherheitsunterprogrammen im Quarantänefall befolgt. Der Rest bleibt wegen mangelnder Energie auf der Stecke."
"Haben Sie versucht, zu beeinflussen, welche Programme das Sicherheitssystem aktiviert?"
Alexej nickte. "Ja, doch es gelang mir nicht. Wann immer ich ein Unterprogramm deaktivieren wollte, um die Dominanz auf ein anderes Programm zu legen, bekam ich eine Warnmeldung. Sehen Sie!"
Colaos Finger flogen über die Tastatur und nach wenigen Sekunden erschien eine Warnmeldung auf dem Bildschirm.
"Der Computer sagt mir also, dass dieses Programm zu wichtig sei, um es zu deaktivieren. Andersherum, also wenn ich versuche, ein inaktives Programm zu starten, kommt diese sinnvolle Meldung. Zum Aktivieren dieses Programms ist die Energieleistung zu gering. Steigern Sie das Energieniveau, um den Vorgang, bla, bla, bla. Sie sehen also unser Dilemma?"
Eine weitere Detonation ließ die Erde erbeben.
Radek hoffte, dass die Wohnbereiche und die zentralen Orte, wie der Speisesaal, noch nicht oder bisher nur geringfügig getroffen wurden. Denn durch die Quarantäne hielten sich dort die meisten Expeditionsmitglieder auf.
Sie mussten diesen Angriff stoppen und zwar gleich!
"Sehen Sie eine Möglichkeit, die Kommunikation online zu bekommen?"
Hoffnungsvoll blickte Radek auf seine beiden Kollegen.
Von Iori kam nur ein Kopfschütteln. Die Angst hatte ihre Züge erstarren lassen und Radek glaubte nicht, dass sich die Dame noch auf das Wesentliche konzentrieren konnte.
Alexej, der wohl seinen ganzen Mut zusammengenommen hatte, um nicht ebenfalls in Panik zu verfallen, überlegte angestrengt.
Nicht, dass Radek diese Situation hier kalt ließ. Auch er wüsste jetzt gerne, Colonel Sheppard, Dr. Weir, ja sogar McKay hier, um all ihre Probleme zu lösen. So wie sie es immer taten.
Doch wir sind auf uns allein gestellt! , mahnte sich Radek in Gedanken.
Dann kam ihm eine Idee.
"Die Notfallsendeanlage im Lagerraum!"
Colao verneinte dies sogleich.
"Erstens wissen wir nicht, ob einer von uns heil dorthin kommt, zweitens, bis wir die Frequenz des Angreifers herausgefunden haben, ist von Atlantis nicht mehr viel übrig und drittens, was, wenn es wirklich die Wraith sind?"
Von Dr. Kinahi kam ein kurzes Wimmern.
Zelenka war sich bewusst, dass Dr. Colaos Aussagen durchaus alle ihren Sinn ergaben. Doch, was war die Alternative? Nichts tun und zu warten, bis sie alle starben?
Nein, nicht schon wieder! Nicht noch einmal nichts tun!
"Ich werde gehen, Sie können ja hier bleiben, wenn Ihnen danach ist."
"Bitte, seien Sie vernünftig, Radek, Sie könnten dabei umkommen!"
Radek schluckte und versuchte seine nächsten Worte so heldenhaft klingen zu lassen, wie irgend möglich. "Sterben müssen wir alle einmal."
Damit stürmte er aus dem Labor.


Radek kannte sich und seine Grenzen sehr gut. Er war weder stark, noch war er ein Held.
Wie die meisten Wissenschaftler hatte er den Großteil seines bisherigen Lebens in geschlossenen Räumen und vor Computern verbracht.
Diese Aktion hier stand nicht nur im krassen Kontrast zu dem, was er sonst in solchen Situationen tat, sondern auch zu seiner ganzen Lebenseinstellung an sich.
Im Gegensatz zu Rodney McKay hatte Radek nie den Wunsch verspürt, als mutig oder heldenhaft angesehen zu werden. Rodney dagegen erwartete besonders von Sheppard, dass dieser jede noch so kleine Tat seinerseits rühmte und den Rest des Tages verbrachte der Wissenschaftler dann stets damit, mit dieser Tat vor allen Andern zu prahlen.
Radek war da ganz anders und doch lief er jetzt, hier und heute, unter Einsatz seines Lebens, durch den Bombenregen eines feindlichen Schiffes.
Nicht viele Türen versperrten ihm den Weg in den Lagerraum.
Dieser hatte leider auch schon mal bessere Tage gesehen. Die Deckenverkleidung hatte einiges abbekommen und war an manchen Stellen bereits zu Boden gefallen.
Vorsichtig bahnte er sich einen Weg durch die Trümmer und die vielen Kisten.
Ein Stoßgebet gen Himmel schickend, der Sender möge noch intakt sein.
Radek schob eine handvoll Schutt vom Deckel der schweren Metallkiste. Diese ließ sich verhältnismäßig leicht öffnen, jedoch hatte der Tscheche dann seine liebe Mühe damit, den schweren Apparat draus hervorzuholen.
Schnaufend mobilisierte er noch einmal seine ganzen Kraftreserven, als der Notsender, leichter als erwartet, nachgab.
Verwirrt erkannte er neben sich Dr. Colao, welcher ebenfalls mit angefasst hatte. Ein Lächeln umspielte ihrer beider Lippen.
Endlich stand der Sender vor ihnen.
"Wir sollten es zuerst auf allen uns bekannten Standartfrequenzen versuchen", schlug Zelenka vor.


"Ratsherr Kemal", meldete sich eine verwunderte Stimme und der Ratsherr drehte sich in seinem Kommandosessel zu dem Kommunikationsoffizier um.
"Was gibt es?", fragte er streng.
Der junge Offizier schüttelte erst verwirrt den Kopf und überprüfte seine Daten erneut. Dann wandte er sich an den Ratsherrn: "Wir empfangen eine Nachricht. Sie wird nicht auf unseren Standartfrequenzen gesendet, stammt jedoch ohne Zweifel aus der Stadt unter uns."
Kemal überlegte. Die Möglichkeit, dass dort unten noch jemand war, der nicht unter der Seuche litt, bestand immer. Doch er würde kein Risiko eingehen.
"Weiterfeuern und die Nachricht ignorieren", befahl er der Crew.
"Ratsherr?", meldete sich Dr. Mulat.
Kemal gab ihm mit einer Handbewegung die Erlaubnis zu sprechen, doch ihm war klar, was der Arzt ihm sagen wollte und dies würde er nicht mit einer Antwort würdigen.
"Bitte, Ratsherr, überdenkt Eure Entscheidung. Ihr seht doch selbst, wie hoch entwickelt diese Kultur sein muss, wenn sie eine Stadt wie diese geschaffen hat. Vielleicht ist ihren Ärzten eine Lösung eingefallen, die wir nicht fanden."
Mulats Einwand schaffte es immerhin des Ratsherrn Aufmerksamkeit zu erwecken. Dennoch verwarf er diese Idee sogleich wieder.
"Unsere Sensoren melden, dass sich in der Stadt Infizierte befinden. Mehr brauch ich nicht zu wissen."
"Aber was könnte es schaden, ihren Ruf zu beantworten?"
Kemal überlegte. Wieder hatte der Doktor Recht.
Natürlich würde Kemal ein Heilmittel gegen diese Krankheit begrüßen. Sie könnten in den Untergrund zurückkehren, ohne dass die Wraith es merkten, und weiter ein friedliches Leben führen. Die Atagra wären nicht zu einem Leben auf der Flucht verurteilt.
Doch er hatte Mulats Bericht gelesen. Ein Gegenmittel herzustellen, dürfte auch außerhalb der Möglichkeiten dieser Welt liegen. Dennoch…
"Gut, ich will mit ihnen reden."


"Wir erhalten eine Antwort?"
Die Wissenschaftler waren gleichermaßen verblüfft, wie erfreut. Gespannt, was sie wohl jetzt erwarten würde, hielten sie unwillkürlich den Atem an.
"Hier spricht Ratsherr Kemal. Mit wem spreche ich?"
"Gott sei gepriesen, es sind nicht die Wraith", kam es von Dr. Colao.
Auch Radek verspürte Erleichterung, doch noch kannten sie den Grund nicht, weshalb dieser Ratsherr einen Angriff auf Atlantis gestartet hatte und selbst wenn, der Einzigen, der Radek es zutrauen würde, die Verhandlungen über die Einstellung der Aggressionen ihnen gegenüber zu einem Erfolg zu führen, wäre Dr. Weir.
Radek schluckte, dann begann er, immer in der Hoffnung, man möge die Panik und Ungewissheit nicht all zu deutlich in seiner Stimme hören.
"Ratsherr Kemal, hier spricht Dr. Radek Zelenka. Wissenschaftler hier auf Atlantis. Also, ich würde gerne erfahren warum… also, warum Sie uns angreifen."
Trotz Radeks Bemühungen, zitterte seine Stimme und in diesem Moment, hasste er sich dafür, nicht mutiger zu sein.
Statisches Rauschen, dann erneut die Stimme von Kemal.
"Diese Krankheit, unter welcher auch Ihre Leute leiden, wurde von einer fremden Welt mit durch unser Sternentor gebracht. Viele unserer Bevölkerung sind daran erkrankt. Wir konnten bisher kein Heilmittel entwickeln. Mein Chefmediziner hat jedoch die Möglichkeit geäußert, dass Sie uns in Ihrem Verständnis für Medizin voraus sein könntet."
Der Ratsherr schwieg und das statische Rauschen erfüllte wieder den Lagerraum.
Was sollten sie drauf antworten? Wenn ein Heilmittel die einzige Chance darstellte, dass dieser Kemal das Feuer auf sie nicht wieder eröffnete, so waren alle in der Stadt so gut wie tot.
Doch Radek wollte nicht aufgeben! Wenn dieses Volk hoch entwickelt genug war, um zu interstellaren Reisen fähig zu sein, könnte ihr Problem durchaus gelöst werden.
"Ratsherr Kemal, wir haben Blutproben der Betroffenen untersucht. Unsere Ärzte glauben, sie wären durchaus in der Lage, ein Gegenmittel herzustellen."
Colao blickte Radek verwirrt an.
Dieser deutete ihm lediglich, still zu sein.
"Wir wissen von welchem Planeten dieser Virus ausging und wir haben die Basis isoliert, auf welcher das Virus in seiner jetzigen Form aufgebaut wurde. Uns fehlen jedoch noch die genauern Informationen über die zusätzlichen Mittel, welche für das Virus verwendet wurden. Wenn wir also mit Hilfe Ihres Schiffes zu dem Planeten flie…" Radek wurde abrupt unterbrochen.
"Das können Sie sich sparen. Wir waren bereits dort und unsere Ärzte konnten die Bestandteile des Virus bereits studieren."
Radeks Miene erhellte sich schlagartig. Das klang wie gute Neuigkeiten! Die Ersten, die er heute gehört hatte.
"Rastherr Kemal, ich muss gestehen, dass das in meinen Ohren wundervoll klingt! Ihre und unsere Ärzte werden in Kooperation bestimmt ein Gegenmittel entwickeln können!"
"Das glaub' ich weniger, Dr. Zelenka."
Schlagartig war die gute Stimmung wieder auf dem Nullpunkt.
"Bis auf eine Komponente des Virus könnten wir alle anderen Synthetisch herstellen. Die fehlende Komponente jedoch liegt wohl auch außerhalb Ihrer Fähigkeiten."
Kemal schwieg kurz. Die nächsten Worte vielen ihm sehr schwer. Sie bedeuteten nicht nur den Untergang für die Rasse dieses Planeten, sondern auch für die seine.
"Da wir uns außerstande sahen, ein Gegenmittel herzustellen und die Seuche sich bereits über 15 Planeten ausgebreitet hat, blieb uns keine andere Wahl. Wir haben die infizierte Bevölkerung, von 3 Welten bereits ausgelöscht. Sie werden die 4. gesäuberte Welt sein. Ich bitte Sie nicht um Verständniss und Vergebung für unser Tun. Wir haben nur keine andre Wahl."
"Bitte, Ratsherr Kemal, geben Sie unseren Ärzten Ihre Informationen und ein paar Stunden Zeit. Ich bin sicher, sie finden eine Möglichkeit, den letzten Bestandteil des Virus zu…" Erneut wurde Radek mitten im Satz unterbrochen. Wäre diese Situation nicht so brenzlig gewesen, dann hätte Radek sich über Kemals Benehmen beschwert.
"Ihre Ärzte könnten alle Zeit der Welt haben und doch würde es an dem Ergebnis nichts ändern. Denn die Rebil haben Wraith-DNA zur Herstellung des Virus verwendet."


Kapitel 8

"Und?", fragende Blicke hafteten auf dem jungen Arzt.
"Im Grunde genommen…", begann Dr. Steffens und räusperte sich kurz. "Nun, es ist nicht direkt Wraith-DNA."
Als er diesem Satz nichts mehr hinzufügte, ahnte Radek Zelenka bereits, dass die unausgesprochenen Worte Dinge waren, die niemand hören wollte.
Vor wenigen Stunden war es ihm und Dr. Alexej Colao gelungen ein vorläufiges Einstellen der aggressiven Handlungen durch das Schiff des Ratsherrn Kemal auf Atlantis auszuhandeln.
Ihre Bitte, den Ärzten hier in der Stadt, die von Dr. Mulat gewonnenen Informationen und etwas Zeit zur Verfügung zu stellen, war nicht zuletzt von Mulat selbst unterstützt worden.
Kemal schien ihm sehr zu vertrauen oder es lag schlicht und ergreifend daran, dass sich auch Kemal insgeheim Heilung und einen Sieg über diese Krankheit erhoffte.
Letzten Endes war Radek der Grund egal, der Kemals Meinung nachhaltig geändert hatte. Wichtig war nur, dass sie im Moment sicher waren und die Forschungsergebnisse hatten wieder Hoffnung in allen geschürt.
Der sprichwörtliche Silbersreifen am Horizont.
Doch Marc Steffens Blick, welcher gesengt auf dem Bildschirm mit den Ergebnissen ruhte, versprach nichts Gutes.
"Anscheinend ist es den Rebil einst gelungen, einen lebenden Wraith für ihre Forschungsarbeit in die Finger zu bekommen. Sie benutzten jedoch nicht seine DNA, wie die Atagra-Ärzte glauben. Ihre Forschung und ihre Kenntnisse im Bezug auf die Wraith sind gering. Durch unsere hoch entwickelte Technologie und unser Wissen über die Wraith, das wir uns in den zahlreichen Begegnungen mit ihnen aneignen konnten, gelang es mir und meinen Kollegen herauszufinden, was die Rebil mit der ursprünglichen Wraith-DNA geschaffen haben.
Ihren Medizinern gelang es, einige DNA-Strängen zu isolieren. So konnten sie einige, der für die Wraith typischen, Eigenschaften isolieren und sie ihrem veränderten Antiker-Betäubungsmittel beifügen. Sie wollten sich diese Fähigkeiten zunutze machen und haben dabei übersehen, dass die Nukleotide der fremden DNA eine für den Menschen gefährliche Veränderung im Gehirn zur Folge haben."
"Sie reden von Veränderungen im Gehirn?", mischte sich Dr. Colao ein. Bisher hatte er, wie alle Anderen, stumm der Erklärung des Mediziners gelauscht. Stolz hätte er behaupten können, alle medizinischen Zusammenhänge begriffen zu haben, doch all diesen Berichten zum Trotz, hatte der Arzt noch mit keiner Silbe eine Heilungschance erwähnt.
Auch Radek, der sich zwischen all den Ärzten etwas deplaziert vorkam und lieber in irgendeiner Weise einen Betrag leisten wollte anstatt abzuwarten, hob fragend die Augenbrauen.
"Die Infizierten", begann dieses Mal Dr. Spencer, "zeigen ein sehr irrationales Verhalten. Sie sind, sobald sich der Wirkstoff in ihrem Blutkreislauf befindet und ins Gehirn gelangt, zu keinem klaren Gedanken mehr fähig. Je mehr Zeit nach der erstmaligen Infizierung vergeht, desto schlimmer werden die Auswirkungen. Immer mehr Bereiche im Gehirn schalten sich ab. Nach der von uns bereits genannten Frist von 48 Stunden ist es nicht möglich, den angerichteten Schaden noch zu reparieren. Dann werden unsere Leute im Torraum nur noch von den primitivsten Instinkten geleitet."
"Was bedeutet, dass sie übereinander herfallen und sich irgendwann gegenseitig töten werden. Wie Zombies."
"Gott bewahre", hörte man eine flüsternde Frauenstimme aus der Menge, der in weiß gekleideten Personen.
Entsetzen hatte sich auf allen Gesichtern breit gemacht. Die Hoffnungen, welche die neuen Daten vor wenigen Stunden noch dargestellt hatten, waren endgültig zerschlagen.
"Eine Frage." Radek zog kurz noch einmal alle Aufmerksamkeit auf sich.
Dr. Steffens nickte dem Tschechen zu.
"Sie haben mit keinem Wort erwähnt, ob Ihnen diese Daten bei der Entwicklung eines Heilmittels helfen können, oder nicht."
Steffens bewunderte den Wissenschaftler. Trotz dieser aussichtslosen Situation gab er nicht auf. Hinterfragte alles, was er nicht auf Anhieb verstand. Immer in der Hoffnung, er könnte noch etwas verändern.
Aber hier gab es nichts mehr, das man verändern könnte. Zumindest nicht im positiven Sinne.
"Rein theoretisch helfen uns die Daten durchaus. Wenn Sie uns jetzt noch einen Wraith liefern, dann sollten wir ein Gegenmittel in der verbleibenden Zeit, herstellen können."
Das hatte gesessen.
Natürlich hatte Radek mit einer Antwort in dieser Form gerechnet. Er war zwar kein Mediziner, aber sein IQ war dennoch hoch genug, um die Situation zu begreifen und alle Informationen diesbezüglich richtig einschätzen zu können.
Die Antwort passte ihm nur nicht.
"Ihnen ist klar, dass wenn ich diese Nachricht an den Ratsherrn Kemal weiterleite, nicht nur wir sterben werden, sondern die Bevölkerung jedes mittlerweile infizierten Planeten?"
Ein verächtliches Schnauben war zu hören. Dr. Spencer musterte den Tschechen mit wütendem Blick. "Selbstverständlich ist uns das klar! Glauben Sie etwa, uns lässt das kalt? Wenn Sie eine Idee haben, dann schlage ich vor, Sie nennen sie uns!"
Schweigen machte sich in der Krankenstation breit.
Radek konnte die Blicke der Anderen fast spüren. Sie alle warteten auf einen Vorschlag seinerseits.
Warum um alles in der Welt war McKay jetzt nicht hier? Das wäre ein großer Auftritt für den Kanadier geworden. Rühmte er sich doch immer damit, in bisher allen schwierigen Fällen zur Lösung beigetragen oder selbst eine brillante Idee gehab zu haben.
Warum nur kam es Radek so vor, als ob heute alles an ihm hinge? Als unterstütze ihn sonst niemand, da alle bereits aufgegeben hatten?
Ein Seitenblick auf Colao zeigte ihm, dass dieser ratlos den allem Anschein nach so faszinierenden Fußboden begutachtete.
Warum ich?, seufzte Radek in Gedanken.
"Wie viel Zeit haben wir", und mit diesen Worten klopfte er seinem wissenschaftlichen Kollegen auf die Schulter, "um uns eine Lösung einfallen zu lassen?"
Steffens und Spencer sahen einander verwirrt an.
"Wenn wir die Zeit der ersten Infektion nehmen, die vergangenen 9 Stunden abziehen und in diese Rechnung mit einbeziehen, dass wir mit den Tests und den Experimenten noch mindestens 12 Stunden brauchen, haben Sie grob einen Tag für eine Lösung, inklusive der Gefangennahme eines lebenden Wraith."


Kapitel 9

"Ein Virus?!"
Iori Kinahi blickte die beiden Männer mit großen Augen über den Rand ihrer Brille hinweg an.


Seit nunmehr 3 Stunden saßen die Wissenschaftler, welche seit Beginn der Quarantäne die einzigen im Labor waren, an der Lösung eines unlösbaren Problems.
Viel hatten sie darüber diskutiert, wie man als nächstes vorgehen sollte.
"Wir brauchen auf jeden Fall die Hilfe des Militärs, wenn wir auch nur den Hauch einer Chance haben wollen, einen Wraith zu fangen", hatte Colao von Anfang an klargestellt.
Dies war ein Fakt, den niemand hätte widerlegen können. Doch viel Spielraum ließ die stadtweite Quarantäne nicht.
"Wenn die Ärzte die eingesperrten Soldaten mit Schutzanzügen ausstatten, dann bekommen wir vielleicht auch Zugriff auf die Waffenkammern."
"Daran hab ich auch schon gedacht", kommentierte Radek Colaos optimistisch klingenden Redefluss.
"Doch wenn wir die Quarantäne nicht aufheben können, stecken wir dann den Wraith, wenn wir einen haben, in einen Schutzanzug und führen ihn brav in die Krankenstation? Wie stellen Sie sich das vor? Ein Wraith würde sich niemals kooperativ uns gegenüber verhalten. Sobald wir gezwungen wären, auf ihn zu schießen, wäre der Schutzanzug, würden wir ihn denn in so einen bekommen, nutzlos werden und keine Tür würde sich mehr für uns öffnen. Ich glaube kaum, dass ich Sie daran erinnern muss, das man nicht alle Türen von Hand öffnen kann."
Radeks ernste Worte ließen den dicklichen Wissenschaftler betreten schweigen.
Erst Dr. Kinahis Worte brachen die drückende Stille im Raum.
"Ja, ein Virus", bestätigte diese ihren beiden Kollegen.
"Versteh ich nicht so recht", gestand Colao ungeniert.
Iori lächelte kurz, wurde sich dann aber der mangelnden Zeit und dem Ernst der Situation schlagartig wieder bewusst.
"Ich meine einen Computervirus."
"Ein interessanter Ansatz, bitte erklären Sie uns Ihre Idee genauer", bat Radek.
Ein kleines Lächeln konnte sie sich doch nicht verkneifen, als Iori das Quarantäne-Sicherheitsunterprogramm des Hauptrechners der Stadt öffnete. Selten waren ihre männlichen Kollegen so an ihren Vorschlägen interessiert gewesen und ein klein wenig genoss sie diesen Moment.
"Wie Sie wissen, meine Herren, ist es uns nicht möglich Einfluss auf die laufenden Sicherheitsprogramme zu nehmen. Wenn wir ein virusähnliches Programm entwickeln, dass uns den Zugriff über das Unterprogramm geben würde, könnten wir bestimmte Teile der Stadt von der Quarantäne befreien. Die Zeit ist momentan unser größter Feind. Je weniger Arbeit wir damit haben, die Soldaten zu befreien und die Waffenkammern zu öffnen, desto mehr Zeit bleibt für die Gefangennahme des Wraith."
Die beiden Herren nickten tonlos, aber anerkennend, als Iori mit ihrer Präsentation fertig war.
"Wir werden das Militär so in einem Bruchteil der von uns geplanten Zeit über den momentanen Status aufgeklärt haben und sie werden mit Kemal einen Plan für unser Wraithproblem schmieden können! Hervorragend, Dr. Kinahi!", lobte Alexej.
"Auf die Gefahr hin das pessimistische Schlitzohr zu sein, selbst wenn es uns gelingen würde dieses Virusprogramm zu schreiben und es als Trojaner in den Hauptcomputer zu laden… Ich meine, wir haben nicht einmal Zugriff auf den Hauptrechner. Die Quarantänemaßnahmen schützen ihn und der Torraum ist voll von unseren Freunden, die gerade keine Skrupel hätten, uns anzugreifen und zu verletzen."
Wieder war es Radek, der den Bemühungen seiner Kollegen zum Trotz, ein plausibles Gegenargument einbringen musste.
Wie er es hasste, in solchen Momenten Recht zu haben.
Warum konnte es nicht einfach mal einen leichten Ausweg geben?
Radek ließ hörbar, seinen Atem entweichen.
"Solange uns nichts Besseres einfällt, möchte ich, dass Sie beide dieses Virusprogramm entwickeln. Ich werde mit Dr. Steffens reden. Vielleicht gibt es doch eine Möglichkeit, wie wir ungehindert in den Kontrollraum gelangen können."


"Ich habe Ihnen bereits gesagt", begann Dr. Steffens erneut, "alles was die Infizierten lange genug außer Gefecht setzen könnte, um so einen Plan wie den Ihren durchzuführen, würde sie gleichzeitig töten!"
Radek hob beschwichtigend die Hände und schenkte dem Doktor ein aufgesetztes Lächeln.
"Schon gut, ich habe Sie beim ersten Mal verstanden, als Sie mir diese Zusammenhänge geschildert haben. Ich dachte nur, weil Sie die verminderten Gehirnaktivitäten der Infizierten angesprochen haben, dass dort der Schlüssel zur Ausführung unseres Plans liegen könnte."
Die Worte des Tschechen brachten Marc zum nachdenken.
Ja, im Grunde genommen war der Wissenschaftler auf eine interessante Theorie gestoßen und erneut bewunderte Steffens seinen Gegenüber.
"Daraus könnte man was machen.", murmelte Marc und seine Aufmerksamkeit galt erneut den gesammelten, medizinischen Daten.
"Die Infektion schränkt sie zwar nicht in ihrer Bewegung ein, dennoch ist ihre Wahrnehmung gestört. Wenn Sie Rauchbomben einsetzen, sich dann leise und gebückt durch den Raum bewegen, dann könnte es klappen."
Freudig strahlte Steffens Dr. Zelenka an.
Dieser konnte das Lächeln jedoch noch nicht so recht erwidern.
Zu viele Dinge an diesem Plan konnten noch schief gehen.
"Sie sind nicht besonders optimistisch?", erkundigte sich Steffens, als er Radeks Zurückhaltung bemerkte.
Radek hob und senkte die Schultern. Er war weder Optimist, noch Pessimist.
"Ich bin realistisch, Dr. Steffens. Wenn der Rauch sich verzogen hat, ist die Person oder sind die Personen, welche in den Gateraum eindringen, so gut wie erledigt. Das wäre noch nicht einmal das schlimmste Szenario! Wenn sich auch nur ein Infizierter in direkter Nähe der Tür aufhält, wird er uns angreifen, bevor wir die Rauchbomben werfen konnten."
"Aber es ist ein Plan. Der einzige und beste, den wir haben. Wir sind es unseren Freunden im Torraum schuldig, es zumindest zu versuchen." Es gelang Marc nicht wirklich, Radeks Stimmung zu heben.
Dann wurde es dem jungen Arzt schlagartig bewusst!
Wie hatte er nur so blind sein können?
Seit er von Carsons Infizierung gehört hatte, war er doch stets in dem Glauben gewesen, alles würde von ihm und seiner Forschung abhängen.
"Sie glauben, alles was geschieht, läge in Ihrer Verantwortung?"
Eine Frage oder eher eine Feststellung? Radek wusste es nicht, doch er nickte.
"Sie können das Gegenmittel nur herstellen, wenn ich Ihnen einen Wraith bringe. Wenn ich unseren gefährlichen Plan nun einfach so genehmige, dann muss ich unter anderem Dr. Colao mit in den Gateraum schicken. Wie könnte ich einem Soldaten diesen Plan vorschlagen, mit dem Wissen, dass er nur daran teilnimmt und sterben könnte, weil ich keine bessere Idee hatte? Ich bin Wissenschaftler! In meiner Position sollte ich keine Entscheidungen treffen müssen, die über Leben und Tod bestimmen! Selbst wenn ich diese Entscheidung vor einem Gericht rechtfertigen könnte, mit meinem Gewissen lässt sich das nicht so einfach regeln!"
All die Sorgen, die Wut und die Verzweiflung übermannten Radek in diesem einen Augenblick.
Er fühlte sich so leer, so entsetzlich hilflos!
Marc Steffens konnte diesen Mann, der gerade wie ein Häufchen Elend vor ihm saß, nur zu gut verstehen. Ohne ein weiteres Wort darüber zu verlieren, stand er auf und umarmte den Tschechen.
Noch vor wenigen Stunden waren sie nichts weiter als flüchtige Bekannte gewesen. Man hatte sich hier und da mal getroffen, sich vielleicht sogar gegrüßt, doch mehr nicht.
Und jetzt, hier in diesem Augenblick, teilten sie so viel mehr!
Die Ungewissheit über das, was morgen sein würde, genauso wie die Bürde, welche das Schicksal auf ihren Schultern abgeladen hatte.
Nein, egal was kommen würde, sie würden es von jetzt an gemeinsam tragen.
Nicht an einem Menschen allein sollte so eine Entscheidung hängen. Im Grunde genommen sollte kein menschliches Wesen jemals so eine Entscheidung treffen müssen. Doch wie so oft gab es keine Wahl. Keinen Ausweg, der ihnen das noch Kommende abnehmen würde.
Nichts, nur ein geflüstertes Versprechen: "Wir stehen das gemeinsam durch!"


Kapitel 10

"Sie wurden über die Situation aufgeklärt?" Dr. Steffens musterte den Major.
Da ihnen die Zeit davon lief und die Stunde Null immer näher rückte, war die Entscheidung, Dr. Kinahis Plan zu versuchen, die einzige Option geblieben.
So hatte Marc ein Team zusammengestellt, welches in Schutzanzügen Militärangehörige aus der Quarantäne befreite. Diese Prozedur erwies sich als recht zeitaufwändig, da man die Leute erst finden und sie dann mit Schutzanzügen zum Kontrollraum bringen musste.
Radek und Alexej, welcher sich als Techniker für diese Mission freiwillig gemeldet hatte, warteten nun mit Marc zusammen, bis die ersten Soldaten ausgerüstet bereit standen.
Um sowenig Aufmerksamkeit wie möglich auf sich zu lenken, bestand die Gruppe nur aus zwei Soldaten und Dr. Colao.
Der Major, ein netter junger Mann, der unter dem Schutzanzug noch immer seine Freizeitkleidung trug, hörte auf den Namen Dwayne Kobschätzky.
Er hatte sich mit einem Wraith-Betäuber bewaffnet. Zwar mit dem Wissen, dass er mit dieser Waffe nicht viel gegen die Infizierten auszurichten vermochte, aber besser als gar nichts.
Der zweite Mann, war ein afroamerikanischer Lieutenant, der stets Firo gerufen wurde, sodass kaum einer seinen richtigen Namen kannte. Dieser Herr hatte es allerdings bereits in den Speisesaal geschafft, als sich die Stadt aus Sicherheitsgründen abriegelte. Er trug bereits die typischen Militärklamotten.
Colao nagte nervös an seinen Fingernägeln.
Ihm war klar, dass wenn etwas schief gehen würde, er im besten Fall nur infiziert, im schlimmsten Falle aber bereits von seinen früheren Freunden getötet werden könnte.
"Wird schon gut gehen", versuchte Steffens ihn aufzumuntern.
"Warten Sie es ab, Alexej, wenn wir erst ein Gegenmittel haben, werden Sie als Held gefeiert!", gab Radek zu bedenken und klopfte seinem Freund auf die Schulter.
"Können wir?" Die Stimme des Majors klang streng, aber siegessicher.
Noch einmal schluckte Alexej schwer, dann trat er hinter die beiden Soldaten, die, so hoffte er, wussten, was sie taten.
"Hier noch einmal der Plan. Firo wirft die Rauchbomben. Sie, Doktor, Sie bleiben dicht bei mir und wir bewegen uns gebückt, so schnell wie möglich Richtung Kontrollzentrum. Firo, Sie werden dann folgen. Wir halten die Infizierten so lange auf, bis Sie mit dem Überspielen des Virus fertig sind. Im besten Falle ist dann noch genügend Rauch vorhanden, dass wir noch unentdeckt sind und auf dem gleichen Weg wieder fliehen können. Wenn dies nicht so sein sollte, dann werden wir warten, bis unsere Leute hier draußen ein Gegenmittel für uns haben. Klar so weit?"
Major Kobschätzkys Stimme hätte keinen Widerspruch geduldet und so bejahten alle diesen Plan.
"Gut, die Herrn Doktoren dürfen sich dann zurückziehen."
Radek und Marc setzen sich die Helme ihrer Schutzanzüge wieder auf und verschwanden mit einem letzten, leicht besorgten Blick hinter dem sich schließenden Schott.


Mit einem schier überlauten Geräusch öffnete sich die Tür zum Gateraum für das Team und mit einem metallischen Klirren rollten die beiden Rauchbomben in die Mitte des Raumes.
Eine weitere wurde zielsicher die Treppe nach oben auf den Gang vor den Kontrollraum geworfen.
Gebückt schlichen sie sich an der Wand entlang, in den großen Raum.
Der weiße Rauch waberte wie Nebel durch die Luft und wäre Alexej nicht dich hinter dem Major durch die Tür gekommen, er hätte sich wohl nicht zurecht gefunden.
So folge er einfach dem bestens ausgebildeten Offizier und ohne einem Infizierten zu begegnen, erreichten sie den Treppenansatz.
Der Schutzanzug verschlang jedes ihrer Geräusche und Alexej hätte nicht einmal sagen können, ob er jetzt schlich oder einen Krach wie eine Elefantenherde verursachte.
Major Kobschätzky warf eine weitere Rauchbombe direkt in den Kontrollraum, um den sich dort befindenden Virusträgern die Sicht zu nehmen.
Mit einer Hand winkte der Soldat den Wissenschaftler an sich vorbei in den Kontrollraum.
Alexejs Herz klopfte wie noch nie in seinem Leben.
Nicht einmal der Angriff des feindlichen Schiffes vorhin oder die Ankunft eines Wraithschiffes hatten ihm so viel Angstschweiß fühlen lassen wie jetzt.
Seine Knie zitterten und für einen Moment fühlte er sich nicht wirklich imstande ihren Plan durchzuführen. Am liebsten hätte er kehrt gemacht und wäre zurück in das Labor gelaufen.
Nur Mut, die zählen alle auf dich!, sagte er sich in Gedanken, während er mechanisch einen Fuß vor den anderen setzte.
Unterhalb der Konsole blieb der Major stehen. Alexej nickte ihm kurz zu und schloss seinen mitgebrachten Laptop an. Die übergroßen Handschuhe, welche Teil des Schutzanzugs waren, erschwerten ihm seine Arbeit jedoch ungemein.
Plötzlich sprang der Major neben ihm auf, stieß ihn beiseite und warf eine Person mit sich zu Boden. Entsetzt erkannte Colao das Gesicht von Elizabeth Weir, die von Kobschätzky zu Boden gedrückt wurde.
Sie hatte den Soldaten trotz des Rauches bemerkt, als sie gegen ihn stieß.
Dwayne betete still, dass kein anderer Infizierter über sie beide stolpern würde oder seine Aktion gar erkannt hatte. Waren sie noch intelligent genug, nach den Eindringlingen zu suchen oder sie als solche zu erkennen?
Stumm wehrte er sich gegen Dr. Weirs Versuche, sich zu befeien und dabei behielt er den neben ihm knienden Wissenschaftler im Auge.
Ihre Mission musste erfolgreich sein, egal was aus ihnen drei hier wurde, das hatte er sich geschworen.
Von einem entfernten Winkel des Raumes aus, drang ein Schrei zu ihnen vor.
Firo?!
Der Lieutenant war auf den infizierten Ronon gestoßen, als er versuchte, den Treppenabschnitt zu sichern, um später seinen beiden Kameraden einen Fluchtweg offen zu halten.
Als Alexej den Schrei vernahm, stoppte er in seiner Tätigkeit. Das Blut schien in seinen Adern gefroren zu sein und wenn sein Herz jetzt unter der Anstrengung kollabiert wäre, es hätte ihn nicht gewundert.
Das Programm, welches ihnen die Kontrolle über bestimmte Teile der Stadt wiedergeben sollte, lief bereits. Noch ein paar zusätzliche Minuten und es wäre erfolgreich in den Hauptcomputer geladen worden.
Nur noch ein paar Minuten!
Dies waren Alexejs letzte klare Gedanken, bevor er von den Beinen nach hinten gerissen wurde.
Der Rauch hatte sich zum größten Teil gelichtet und sein roter Schutzanzug leuchtete förmlich im Raum.
Eine Faust traf ihn direkt in die Magengrube! Er röchelte und versuchte sich dem Einfluss seines Peinigers zu entziehen. Doch ein weiterer Schlag traf mit unglaublicher Härte auf seinen Brustkorb und schickte ihn zu Boden.
Die Luft blieb ihm weg!
Panisch blickte Alexej sich um, in der Hoffnung, der Major würde ihm noch zur Hilfe eilen.
Eine weitere Gestallt, durch den verbleibenden Nebel waren ihre Gesichter immer noch verhüllt, trat an ihn heran.
Wieder schlug und trat man auf den am Boden liegenden Mann ein, der hilflos versuchte, sich zu schützen!
"Hilfe!", schrie er verzweifelt in sein Funkgerät!
Infiziert werden, wäre eine Sache gewesen, doch so brutal zugerichtet zu werden, eine andere.
"Bitte helft mir doch!", schrie er in seiner puren Verzweiflung noch einmal!
Dann beugte sich die Person, welche bis vor kurzem noch nach ihm getreten hatte, in sein Blickfeld und riss ihm den Schutzhelm vom Kopf.
"Colonel Sheppard", flüsterte Colao leise.
Ein unnatürlich wirkendes Grinsen zog sich über Sheppards Gesicht, als dieser erneut ausholte und mit einem Schlag Alexejs Nase brach.
Blut lief dem Wissenschaftler über das Gesicht und der Schmerz ließ Übelkeit in ihm aufsteigen.
Die Realität verschwamm immer wieder vor seinen Augen und nichts hätte sich Alexej jetzt mehr gewünscht, als in die süße Schwärze der Bewusstlosigkeit abtauchen zu können.
Verschwommen nahm Alexej noch wahr, wie sich John Sheppard das Blut von seiner Faust leckte, die ihm gerade die Nase gebrochen hatte.
Mit dem nächsten Schlag, übermannte ihn der Schmerz wie eine Welle und spülte ihn in die Schwärze fort.


Kapitel 11

"Hat es funktioniert?" Marc Steffens blickte Radek Zelenka neugierig über die Schulter, als dieser versuchte, Zugriff auf den Hauptcomputer zu bekommen.
Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Tschechen.
"Ja, so wie es aussieht, konnte Alexej das Programm erfolgreich überspielen. Ich muss es nur noch starten und dann sollte es uns möglich sein, das Quarantänesicherheitsprogramm zu steuern."
Radeks schlanke Finger huschten blitzschnell über die Tastatur.
In freudiger Erwartung, dass nun alles Weitere so ablaufen würde, wie sie es planten.


"Dr. Steffens!", meldete sich eine Stimme über Funk.
Marc aktivierte sein Funkgerät. "Was gibt es?", hakte er nach.
"Wir haben einen Hilferuf von Dr. Colao aufgefangen. Anscheinend wurden sie entdeckt, denn bisher hat es keiner von ihnen zurück geschafft."
Radek unterbrach seine Arbeit und schluckte schwer. Kurz hatte er den Kloß in seinem Hals vergessen, der sich seit Alexejs freiwilligen Meldens für diese Mission dort gebildet hatte.
Das Wissen, dass sein Freund um Hilfe geschrieen hatte und er nichts hatte tun können, um ihm zu helfen, raubte ihm fast den Atem. Schuldgefühlte nagten an ihm.
Erst Marcs beruhigende Worte schafften es, Radeks aufgewühlte Gedanken wieder auf die Gegenwart zu konzentrieren.
"Dr. Colao wusste, was er tat, als er in den Kontrollraum ging. Sein Mut war ja auch nicht vergebens. Wir können die Soldaten befreien und uns auf die Suche nach einem Heilmittel machen. Wir werden ihn zurückholen."
Radek schüttelte jedoch verneinend den Kopf.
"So einfach ist das nicht. Er hat um Hilfe geschrieen, verstehen Sie? Da drinnen ist etwas ganz gewaltig schief gelaufen!"
"Das ist nicht Ihre Schuld. Wir brauchen Sie hier und Ihr Freund Dr. Colao wusste das. Reißen Sie sich zusammen."
Steffens hatte versuchen wollen, den Wissenschaftler aufzumuntern. Doch dieser hatte soviel Angst davor, einen Fehler zu machen, der möglicherweise jemandem das Leben kosten könnte, dass er all die anderen Leben, die von einem Heilmittel abhängig waren, kurzzeitig ganz vergaß.
Den ganzen Tag hinweg war es Radek Zelenka gewesen, der verzweifelt jedem, der dem Aufgeben nahe war, klar zu machen versucht hatte, wie viele Leben auf dem Spiel standen und jetzt verließ ihn sein Mut und seine Entschlossenheit wegen dieses Rückschlags?
Auch wenn dieser Alexej Colao ein Freund Radeks war, verdammt, auch alle anderen Personen im Torraum waren Freunde oder zumindest Bekannte des Tschechen.
Nicht nur er bangte um das Leben für ihn bedeutsamer Menschen.
"Ich bin Arzt, glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass trotz des anfänglichen Schreckens und des Hilferufes, Ihr Freund lediglich infiziert wurde. Ich weiß, das klingt im ersten Moment dennoch schrecklich, aber bedenken Sie, es bleiben uns noch 21 Stunden für ein Heilmittel. Das ist eine durchaus realistische Zeitspanne."
Aufmunternd legte Marc Radek die Hand auf die Schulter.
Ein Lächeln bildete sich auf Radeks Lippen.
Ja, der Arzt hatte vollkommen Recht.
Jetzt in Depressionen zu versinken, wo doch die Möglichkeit eines Heilmittels greifbar näher war, als jemals zuvor, wäre falsch gewesen.
Das war nicht drin!
Schließlich gab es in der Galaxie genügend Wraith und so dürfte es nicht schwer sein, einen von denen zu finden. Die Soldaten würden das schaffen, da war er sich sicher!
Bisher hatten sie stets eine Lösung gefunden und noch jedes Problem in den Griff bekommen.
Auch über die Wraith hatte sich ein beachtliches Wissen angesammelt, auf das sie zugreifen konnten.
Fehlten nur noch die Helden, wenn auch ohne Colonel Sheppard.
Dennoch hätte Radek nie an dem Können der anderen Soldaten hier gezweifelt.
John Sheppard war zwar der ranghöchste Offizier, der in Atlantis auf militärischem Gebiet das Sagen hatte, doch auch Rodney McKay hatte in seiner Abteilung das Sagen und trotz seiner überheblichen Arroganz, niemand wäre so genial wie er, glänzte auch stets der Rest der Wissenschaftler.
Jeder einzelne Mensch, welcher diese Mission in die weit entfernte Pegasus-Galaxie angetreten hatte, war einer der Besten unter den Besten.
Mit einem Anflug von Stolz und Siegesgewissheit klapperte die Tastatur unter Radeks Fingern.
"Ich aktiviere das Programm… jetzt!"
Marc beobachtete interessiert, wie sich Zahlenkolonnen auf dem Bildschirm aneinander reihten und dutzende von Informationen fast zeitgleich die Aufmerksamkeit des Wissenschaftlers beanspruchten.
Plötzlich öffnete sich eine Meldung, die alles überlagerte und die Unterprogramme, welche Radek gerade alle aufgerufen hatte, in den Hintergrund drängte.
"Nein, nein, nein!"
Erst klang Radeks Ruf entsetzt, dann verzweifelt!
Der Tscheche schlug die Hände vor den Mund und beobachtete mit, vor Schrecken geweiteten Augen, das Geschehen auf dem Bildschirm.
"Was ist los? Funktioniert es nicht?"
Marc erhielt keine Antwort.
"Radek, was ist passiert?", fragte er nach und in seiner Stimme klang Angst mit.
Sekunden der Anspannung dehnten sich förmlich zu Stunden.
Dr. Steffens hatte angespannt seinen Atem angehalten und beobachtete den kreidebleichen Dr. Zelenka mit immer weicher werdenden Knien.
Was war nur passiert?
Langsam ließ Radek seine Hände wieder sinken. Untätig saß er auf seinem Stuhl und starrte ohne Unterlass auf seinen Laptop. Unfähig das gerade Erlebte in Worte zu fassen.
In den wenigen Minuten, die er gebraucht hatte, um das Virenprogramm zu starten, hatte er ihre Lage von gefährlich zu vollkommen hoffnungslos rotieren lassen.
Sein ganzer Körper fühlte sich taub an und Dr. Steffens hektisch besorgte Stimme drang kaum zu ihm durch.
Vorbei.
Es war vorbei. Aus und vorbei!
"RADEK!"
Marcs Schrei ließ alle im Raum hellhörig werden.
Neugierig sammelten sich alle Anwesenden um die beiden Männer und den Computer.
Erst jetzt registrierte Radek, wie viele Augenpaare ihn gespannt anblickten und dass er die Situation noch keines Wortes gewürdigt hatte.
Es war vorbei und es war seine Aufgabe diese Nachricht zu verkünden.
"Das Programm hat nicht so funktioniert, wie wir es uns eigentlich gedacht hatten…"
"Spannen Sie uns nicht länger auf die Folter, raus mit der Sprache!", verlangte Dr. Spencer.
Radek schluckte seine Trauer hinunter und wischte so unauffällig wie möglich einmal über seine feuchten Augen.
"Das Programm sollte uns, sobald es erst einmal im Hauptrechner wäre, die Kontrolle über die einzelnen Quarantäneprogramme verschaffen, damit wir entscheiden können, welches Sicherheitsprogramm wir aktivieren. Um das zu erreichen, sollte unser Virus den Antiker-Computer davon überzeugen, dass die Kontamination auf den Kontrollraum beschränkt und keine Gefahr für den Rest der Bevölkerung darstellt. Uns ist jedoch ein Fehler unterlaufen."
Noch einmal pausierte Radek.
"Das von uns entwickelte Programm hat den Hauptcomputer fälschlicherweise suggeriert, die Seuche wäre eliminiert. Was zur Folge hat, dass die Quarantänemaßnahmen komplett aufgehoben wurden und nicht wieder initialisiert werden können. Wir haben gerade den Infizierten den Weg in die Stadt geöffnet."


Kapitel 12

Das hier war Irrsinn!
Mit seit Stunden wachsender Ungeduld schritt Evan Lorne durch sein Quartier.
Der Ausbruch der unbekannten Krankheit im Gateraum, welcher zur Quarantäne geführt hatte und welcher ihn und den Rest der Bevölkerung dieser Stadt in ihren Räumlichkeiten eingesperrt hatte, war schon Stunden her.
Die Ungewissheit, über den derzeitigen stand der Dinge machte in verrückt!
Vor endlos vielen Stunden, so schien es Lorne, war ein in Schutzanzug gekleideter Arzt gekommen und hatte mehrere Beutel mit Notrationen verteilt.
Dieser stand jedoch zu sehr unter Zeitdruck, als dass er dem Major all seine Fragen hätte beantworten können.
"Unser Außenweltteam hat einen Krankheitserreger einschleppt", hatte ihm der Arzt mit einer Gleichgültigkeit erzählt, als zitiere er nichts Bedeutenderes als den Wetterbericht. "Seien Sie unbesorgt, alle auf der Krankenstation arbeiten fieberhaft an einer Lösung. Im Handumdrehen ist die Quarantäne aufgehoben und alles wieder beim Alten."
So gern Evan den Worten des Arztes Glauben geschenkt hätte, er zweifelte doch sehr daran. Jetzt, da die letzte Meldung Stunden her war, schienen seine ersten Zweifel gerechtfertigt.
Wieder einmal aktivierte Evan sein Funkgerät und zum hundertsten Mal, so schien es dem jungen Soldaten, bekam er keine Antwort. Wenn sie sich wenigstens melden würden. Ihm wäre wesentlich wohler zumute gewesen, wenn er gewusst hätte, dass noch jemand da war, der nur zu beschäftigt war, um mit ihm zu reden. Aber nicht einmal das war der Fall.
Gedankenverloren schlenderte er, die Hände in den Hosentaschen, durch seinen Raum, auf den Schreibtisch zu.
Er hatte versucht zu lesen, seinen letzten Bericht zu überarbeiten und seinen Tetrisrekord zu verbessern. Alles hatte er versucht, um sich abzulenken, um die Zeit des untätigen Wartens hinter sich zu bringen. Nichts hatte funktioniert. Mehr als eine Stunde am Stück hatte er sich auf nichts Nebensächliches konzentrieren können.
Immer wieder waren seine Gedanken gewandert. Er hatte sich sämtliche Szenarien ausgemahlt, die passiert sein könnten. Eines schlimmer als das andere.
Doch ohne nähere Informationen waren diese Schreckensszenarien so unrealistisch wie ein Horrorfilm, dem sie entsprungen zu sein schienen.
Entweder hatte er deutlich zu viele dieser Filme gesehen oder die beklemmende Enge dieser vier Wände machte ihn paranoid!
Auch dieser Angriff, unter dem Atlantis vor einigen Stunden erbebt war, hatte ihm zu denken gegeben.
Wieso griff jemand Atlantis genau in diesem Moment an?
Wer griff Atlantis überhaupt an?
Als erstes waren ihm die Genii als Angreifer durch den Kopf gegangen. Denn sie hätten das beste Motiv gehabt.
Doch alsbald war ihm klar geworden, dass sie aus dem All beziehungsweise aus der Luft bombardiert wurden. Somit fielen die Genii aus und Evans Überlegungen tendierten weiter in Richtung der Wraith.
Die Wraith jedoch schloss er nach wenigen Minuten ebenfalls aus, denn sie hätten ihren Transporter benutzt und sicher keinen Menschen in dieser Stadt zurückgelassen. Dafür waren ihre Nahrungsvorräte, seit dem Erwachen aller, zu sehr geschrumpft und da er auch Stunden nach dem Einstellen des Feuers noch wohl behalten hier war, fiel ihm niemand mehr ein, den er als Bedrohung für Atlantis einstufen könnte.
Wieder drehte er aufgewühlt eine weitere Runde durch sein Quartier.
Warum kam den niemand, um sie hier rauszuholen? Man hatte diese Stadt angegriffen! Verdammt, dabei brauchten die Zivilisten doch Hilfe von den Militärs!
Bestimmt, so dachte er, war es Sheppard zu verdanken, dass wer auch immer sie unter Beschuss genommen hatte, sein Ziel noch einmal überdacht hatte.
Ja, Sheppard hatte diesen Typen bestimmt schon in den Hintern getreten und war jetzt sicher dabei mit Dr. Beckett zusammen ein Heilmittel für den besagten Virus zu finden!
Anders konnte es sich der junge Major nicht vorstellen.
Abrupt blieb Evan stehen. Hatte er sich das nur eingebildet?
Dieses leise Geräusch, war es von seinen überreizten Nerven produziert worden oder Teil der Realität?
Ein Geräusch so leise, dass er es im Nachhinein nicht zuzuordnen vermochte. Doch im ersten Augenblick war es ihm bekannt vorgekommen.
Wütend über den zu schnell entwichenen Gedanken, der im Bruchteil einer Sekunde dieses Geräusch benannt hatte, schlug er sich mit der Faust leicht gegen die Stirn.
Konzentrier dich!, rief er sich in Gedanken zur Ordnung.
Um den verlorenen Gedanken vielleicht doch wieder einzufangen, machte er einen Schritt rückwärts, um zu der Stelle zurück zu kehren, an der er ihm durch den Kopf gegangen war.
Erschrocken zuckte Evan zusammen!
Mit allem hätte er jetzt gerechnet, aber damit nicht!
Wieder rasten seine Gedanken!
Mit dem fast schon alltäglichen, surrenden Geräusch hatte sich die Tür seines Quartiers für ihn geöffnet.
War die Quarantäne etwa vorbei?
Anscheinend hatte man alle Probleme beheben können und das Warten war vorbei.
Sicher würde bald eine Durchsage von Dr. Weir kommen, die ihnen die Unbedenklichkeit für eine Rückkehr in die Stadt bescheinigte.
Gespannt trat Lorne auf den Gang hinaus.
Niemand war zusehen.
"Achtung!"
Wieder zuckte Evan Lorne kurz zusammen, als endlich eine Stimme durch die Lautsprecher der Stadt hallte. Nicht wie erwarten, die von Dr. Elizabeth Weir oder von Colonel Sheppard.
Nein, er brauchte einen Moment der Stimme ein Gesicht zu geben.
Dr. Zelenka!
Der Wissenschaftler mit dem leichten Akzent, der stets unter der Fuchtel von Dr. McKay stand.
Angespannt wartete Lorne, bis sich die Stimme des Wissenschaftlers erneut über die unheilvolle Stille der Stadt erhob.
"Die sich im Kontrollraum befindenden infizierten Personen haben durch einen fehlgeschlagenen Plan unsererseits Zugang zum Rest der Stadt erlangt. Bitte gehen Sie alle umgehend in Ihre Quartiere und verriegeln Sie die Türen!"
Eine andere Stimme, welche Evan nicht bekannt war, sprach, nun da Dr. Zelenka schwieg.
"Bitte beachten Sie, dass das Virus durch Körperflüssigkeiten übertragen wird! Zusätzlich ist zu erwähnen, dass nach der Infizierung bis zum Ausbruch der Krankheit mindestens 20 Minuten liegen. Die Infizierten sind nicht mehr in der Lage, klar zu denken. Sie benehmen sich irrational und extrem gewalttätig!"
"Bewahren Sie Ruhe, wir kümmern uns um das Problem", fügte eine weitere, unbekannte Männerstimme hinzu.
"Ach, und alle Militärangehörige sollten sich bitte umgehend im Jumper Hangar melden!", fügte Dr. Zelenka aufgebracht hinzu.
Dann wurde es wieder still.
Fürs Erste hatte Major Lorne genug gehört.
Die Situation hatte sich verschlechtert. Auch wenn er nicht geglaubt hatte, dass das noch möglich war.
Viele seiner unbeantworteten Fragen waren auch nach dem Funkspruch geblieben.
Selten hatte er einen Arzt oder Wissenschaftler so sparsam mit Erklärungen umgehen sehn, wie in diesem Moment.
Sonst redeten sie meist wie Wasserfälle und hatten stets das unglaubliche Geschick an den Tag gelegt, jeden mit ihren konfusen Erklärungen durcheinander zu bringen.
Warum mussten sie sich in dieser Situation nur so zurückhalten?
Liebend gern hätte er jetzt eine dieser langatmigen Reden gehört, die ihn meist peinlich berührt nachfragen lassen mussten, was die Wissenschaftler nun eigentlich damit sagen wollten.
Doch er würde seine Antworten bekommen! Wäre er erst einmal im Hangar, würden sich seine Fragen bestimmt alle beantworten lassen.
Evan lief zurück in sein Quartier und zog in Windeseile seine Stiefel an.
Ohne weitere Zeit zu verschwenden und sichtlich dankbar, dass er endlich aus seinem Quartier befreit an der Lösung ihres Problems mithelfen konnte, lief er mit langen Schritten zum Hangar.


"Gleich haben wir es geschafft!", flüsterte Marc, der zusammen mit Radek so leise wie möglich durch die Gänge der großen Stadt schlich.
Sie hatten die Soldaten in den Jumper Hangar geschickt, ohne vorher darüber nachzudenken, dass dieser Raum recht weit entfernt von der Krankenstation lag.
David Spencer, der den Zweien hatte Mut zusprechen wollen, vertrat die Theorie, dass die Infizierten nicht mehr in der Lage waren, die Transporter zu nutzen.
So schlichen die beiden Herrn Doktoren leise und zügig durch die Gänge zu einem der Transporter. Dieser vermochte sie zwar nicht in die unmittelbare Nähe des Hangars zu bringen, dennoch war es nach Radeks Berechnungen den Virusträgern nicht möglich in der kurzen Zeit, die sie seit dem Ausfall der Quarantäne hatten, zu Fuß bereits in diesen Teil der Stadt vorgedrungen zu sein, in dem die Shuttlerampe lag.
Sobald sie den Transporter benutzt hatten, würden sie sich in vorübergehender Sicherheit befinden.
Als die Männer gerade um eine weitere Ecke bogen, kam der Transporter am Ende des Ganges in Sicht.
Ein Grossteil der Anspannung wich aus ihren Körpern. Sie hatten es hier her geschafft, ohne Konfrontation mit einem Virusträger!
Als hinter ihnen ein Geräusch erklang, blieben sie sofort stehen!
Starr und unbeweglich hofften sie, sich das nur eingebildet zu haben, doch als sich das Geräusch wiederholte, ließ das Adrenalin in ihren Adern sie schwindlig werden.
Schritte!
Sie näherten sich unaufhaltsam!
Dann verstummten sie abrupt und ihnen wurde klar, dass die betreffende Person direkt hinter ihnen stand.
Ein Mitarbeiter aus dem Labor?
Ein Arzt oder eine Schwester, die sich entschlossen hatten, doch mitzukommen?
David?
Radeks Hände zitterten und ein Seitenblick zu Marc zeigte ihm, dass es dem Arzt nicht anders erging. Der hatte die Augen geschlossen und die Hände zu Fäusten geballt.
Sollte er sich umdrehen?
Radek hatte nicht den Mut dazu. Nicht in diesem Moment, nicht jetzt, nicht hier.
Nicht in der Lage, einen vernünftigen Gedanken zustande zu bringen, sah er sehnsüchtig den Gang hinunter zu dem Transporter.
Er war nicht mehr als 20 vielleicht 25 Schritte von ihnen entfernt und doch außerhalb ihrer Reichweite.
Wieder näherte sich die Person hinter ihnen Schritt für Schritt.
Radeks Herz klopfte bis zum Hals.
Sollten sie weglaufen?
Auch Marc verspürte ein Kribbeln, welches sich seine Wirbelsäule hinauf schlängelte und dafür sorgte, dass sich jedes noch so kleine Haar auf seinem Rücken aufrichtete.
Als die Angst ihn vollkommen übermannte, packte er Radeks Arm und zog ihn mit sich herum, öffnete mit allem verbleibenden Mut seine Augen und… hätte sie am liebsten gleich wieder geschlossen!
Vor einer Sekunde war noch der Gedanke renn durch ihre Köpfe gegeistert.
Jetzt war jede Flucht zwecklos.
Radeks Lippen formten stumm den Anfang eines alten Gebetes, als er Marcs Hand fest und zittrig in der Seinen spürte.
Wehrlos ergaben sie sich ihrem Schicksal, als der ehemalige Runner Ronon mit einem überbreiten Lächeln weiter auf sie zu schritt…


Kapitel 13

Sie wusste nicht genau, wo sie hier war.
Alles war so vertraut und doch…
Immer schwerer viel es ihr, einen klaren Gedanken zu fassen und festzuhalten.
Fetzen von Erinnerungen, Fragmente von Bildern, gepaart mit zahllosen Emotionen, welche sie nicht zuordnen konnte.
Für Sekundenbruchteile war alles klar, dann verschwamm alles und hinterließ nur Konfusion.
Je mehr sie versuchte, einzelne Dinge in ihrem Kopf zu ordnen und sich an den vagen Erinnerungen festzuhalten, desto eher entglitten sie ihr.
Erst hatte sie dieser Zustand frustriert, doch jetzt waren alle störenden Gedanken von einem Nebel des Vergessens und der Gleichgültigkeit verhüllt.
Doch etwas trieb sie an.
Ließ sie weiter durch die Gänge streifen.
Ihr Geist war leer, doch ihr Verlangen nach diesem namenlosen Etwas war so enorm.
Es trieb sie weiter.
Sie musste es finden!
Ihr Verlangen danach befriedigen!


Um niemanden zu verletzen und sich dennoch verteidigen zu können, hatte Evan Lornes erster Weg zur Waffenkammer geführt.
Auf seinem Weg hierher war er keinem weiteren Soldaten begegnet, was ihn stutzig machte.
Er griff, noch immer in Gedanken, nach einem Wraith-Betäuber.
Dies hier war die am nächsten gelegene Waffenkammer, von den Wohnquartieren aus gesehen, und trotzdem fehlte noch keiner der anderen Betäuber.
War er wirklich der Erste hier?
Evan blickte auf seine Armbanduhr. Er würde den Anderen noch 10 Minuten geben.
Selbst wenn sie nicht so schnell hierher gelaufen waren wie er, sollte diese Zeitspanne doch ausreichen.
Da er nicht wusste, wer von ihren Teammitgliedern alles infiziert worden war, wollte er sich nicht unbedingt ohne Rückendeckung wieder in die Gänge der großen Stadt begeben.
Zu hoch war das Risiko einem Infizierten in die Arme zu laufen.
Als die 10 Minuten verstrichen und er immer noch allein in der Waffenkammer wartete, nagten doch so einige Zweifel an ihm.
Zwar hatte er die Warnung, welche Dr. Zelenka und, so schätzte er, die Leute aus der medizinischen Abteilung ihnen gegeben hatten, noch im Hinterkopf.
Das Virus wird durch Körperflüssigkeiten übertragen und von der Infizierung, bis zum Ausbruch der Krankheit liegen nur 20 Minuten.
Noch einmal schweifte Evans Blick auf seine Uhr.
Vor nicht mehr als 7 Minuten hatte er sein Quartier verlassen.
Wenn bereits Bewohner von Atlantis neu infiziert worden waren, so hatte er, wenn er das 10 Minuten warten in der Waffenkammer dazu rechnete, noch knapp 3 Minuten bis sie sich den anderen Virusträgern anschlossen.
Selbst wenn ich den Rest der Strecke laufe, in 3 Minuten ist das nicht zu schaffen.
In seinem Kopf ging er den Plan der Stadt noch einmal durch.
Welcher Weg war der schnellste?
Welcher wohl der sicherste?
Die Infizierten können nicht mehr klar denken, fielen ihm die Worte des unbekannten Mannes wieder ein.
Nicht mehr klar denken…
Evan glaubte, dass sich dies wohl weitestgehend auf die Wahrnehmung der Betroffenen bezog.
Wenn er mit dieser Theorie Recht hatte, so wären sie wohl auch nicht imstande die Transporter zu nutzen.
Doch das war nur eine Theorie.
Mit einem erneuten Blick auf die Uhr, waren seine letzten 4 Minuten des imaginären 10-Minuten-Countdowns abgelaufen.
Weiteres Warten würde seiner Situation kaum dienlich sein.
Er musste wohl oder über allein da raus und hoffen, dass er die Infizierten frühzeitig erkennen würde.
Erneut wurde ihm die Menge seiner ungeklärten Fragen bewusst.
"Major Lorne an Krankenstation, hört mich jemand?"
Nichts.
Ob es nun daran lag, dass einfach keiner auf seien Ruf antworten konnte oder der Angriff vor einigen Stunden für Schäden gesorgt hatte, Evan wusste es nicht.
"Lorne an Dr. Zelenka, bitte antworten Sie!"
Nichts.
Warum überraschte ihn das nicht wirklich?
Wie er diese Ungewissheit hasste!
Als sich die Tür der Waffenkammer vor ihm öffnete, zielte er erst nach rechts, dann blitzschnell nach links.
Der Gang war sauber.
Schnellen Schrittes eilte er weiter.
Unweit der Krankenstation war ein Transporter und dieser war Lornes nächstes Ziel.
Zuerst hatte er noch vorgehabt, der Krankenstation selbst einen Besuch abzustatten, um dort mal nach dem Rechten zu sehen, verwarf den Gedanken aber wieder, da es im Grunde genommen nur Zeitverschwendung war.
Wenn es dort noch gesunde Personen gab, so hatten sie sich sicher verbarrikadiert und wenn nicht…
Mit gezückter Waffe sicherte Evan den nächsten Gang und wünschte sich einmal mehr, dass diese schreckliche Situation, in der sich die Stadt befand, bald enden möge.
Lorne huschte einen weiteren Gang entlang.
Seine Sinne aufs äußerste gereizt, einerseits, um selbst keinen Laut von sich zu geben und andererseits, um jedes noch so kleine Geräusch wahrzunehmen.
Was in einer so künstlichen Umgebung wie hier schwer war. Die zahllosen Gänge verschluckten die meisten Geräusche komplett. Viel zu viele Nebengeräusche, produziert von allerlei Gerätschaften der Antiker…
Die reinste Kakophonie verwirrender Töne, die einem nicht auffiel, hörte man nicht genau hin.
Doch der junge Soldat hatte eine gute Ausbildung durchlaufen.
Er zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass er einen Angreifer rechtzeitig entdecken würde, noch bevor der ihn attackieren konnte.
Nein, nie hatte jemand an seinen Fähigkeiten gezweifelt.
Evan Lorne war in seiner Ausbildung stets als besonders talentiert betitelt worden.
Sein Einsatz hier auf Atlantis hatte von vorneherein festgestanden.
Sie hatten nach den besten Soldaten verlangt und sein Name hatte ganz weit oben auf der Auswahlliste gestanden.
Ein Geräusch, gefolgt von einer verschwommenen Silhouette, welche in einem weiteren Gang zu erkennen war!
Evan zielte, bereit auch auf einen Freund zu schießen, sollte man ihn dazu zwingen.
Das Herz des Majors klopfte, während er darauf wartete, dass sich die schemenhafte Gestallt erneut zeigte.
Schritte, leise und gleichmäßig, doch sie kamen nicht auf ihn zu. Im Gegenteil, mit jeder verstreichenden Sekunde wurden die Schritte leiser.
Lorne nützte die Deckung, welche ihm die Gabelung des Ganges bot, und späte in den hell beleuchteten Gang.
Die Person hatte ihn wohl tatsächlich nicht bemerkt, denn sie hatte den Gang schon fast bis zum Ende durchschritten.
Eine zierliche Gestalt - dunkles, halblanges Haar…
Dr. Weir!
Lornes anfängliche Besorgnis schlug in freudige Hoffnung um.
Die Leiterin von Atlantis war anscheinend ebenfalls auf dem Weg zum Transporter, von dem sie nur noch ein kurzes Stück Weg trennte.
Weir würde ihm all seine Fragen beantworten können, da war er sich sicher.
Evan ließ seine Waffe sinken und lief auf die dunkelhaarige Frau zu, die ihn aus irgendeinem Grund immer noch nicht wahrnahm.
Sanft aber bestimmt legte er Elizabeth eine Hand auf die Schulter und wollte ihr gerade mit beruhigender Stimme mitteilen, dass er noch kein Infizierter sein, als sie sich umdrehte und zuschlug!
Die Faust traf Lornes Schulter, der trotz seiner Überraschung hatte ausweichen können.
Mit erhobener Waffe trat er eilig einige Schritte zurück.
Ohne von seiner Waffe Notiz zu nehmen, streckte Elizabeth ihre Arme aus und ihre Finger griffen nach ihm.
Ein überbreites Grinsen hatte ihr sonst so schönes Gesicht entstellt und ihre Augen musterten den Major mit einem derart gierigen Blick, dass es ihn fröstelte.
"Bitte, stehen bleiben!", versuchte er vergeblich, die anscheinend infizierte Frau Doktor von sich fern zu halten.
Schritt für Schritt näherte sie sich, dann schoss er.
Weir geriet ins Wanken, fand jedoch das Gleichgewicht verblüffend schnell wieder. Ihre Augen fixierten den Angreifer und sie spurtete los.
Noch immer verblüfft, dass sein Schuss so gar nichts bewirkt hatte, wich Lorne erneut aus. Doch Elizabeth war darauf vorbreitet.
Sie holte aus und traf den unvorbereiteten Major erneut auf die Brust.
Lornes Gedanken überschlugen sich!
Sie benehmen sich irrational und extrem gewalttätig, so hatte er die Beschreibung der Infizierten im Kopf und der Arzt, welcher ihm diese Einschätzung mitgeteilt hatte, lag richtig.
Dr. Weir versuchte weiterhin, ihn zu verletzen, doch ihre Schläge waren ungenau und unüberlegt. Sie traf kaum, denn sie schien die Bewegungen ihres Gegenübers nicht abschätzen zu können.
Erneut wich Lorne aus, hastete rückwärts einige Schritte von Elizabeth fort, um ein sicheres Schussfeld zu bekommen.
Noch einmal traf eine glühendblaue Ladung aus der Energiewaffe auf die zierliche Frau.
Wieder zeigte sich keine Wirkung und Weir stürmte erneut auf ihn zu und wieder wich er aus. Geschickt und ohne dabei auch nur ins Schwitzen zu kommen, hätte er dieses Spiel noch stundenlang weiterführen können.
Evan überlegte fieberhaft, was er als nächstes machen sollte.
Sie K.o. schlagen?
Was, wenn er sie zu schwer verletzte?
Nein, dieses Risiko wollte er nicht eingehen. Nicht, solange er eine derart überlegene Position einnahm. Weir war keine wirkliche Bedrohung für ihn und doch erhöhte jede weitere vergeudete Minute die Chance auf weitere, gefährlichere Gegner zu stoßen.
Ohne eine wirksame Waffe blieb ihm nur der Nahkampf. Welcher ein erhebliches Risiko für beide Seiten darstellte.
Ich würde mich infizieren, sobald ich mit ihrem Blut in Kontakt komme!
Als ob Elizabeth seine Überlegungen gehört hätte, blieb sie stehen.
Das unnatürliche Lächeln war nicht von ihrem Gesicht zu wischen.
Wieder reckte sie die Hände nach dem, was sie mehr als alles in der Welt begehrte.
Ihn, sein Blut und sein Fleisch!
Lorne gab ihr jedoch nicht die Chance, einen neuerlichen Angriff auf ihn zu starten.
Die einzige Möglichkeit, die ihm blieb, wenn er Dr. Weir nicht verletzen wollte, war die Flucht.
Zwar, so erkannte Evan aus den Augenwinkeln, nahm Elizabeth die Verfolgung auf. Jedoch chancenlos den durchtrainierten Mann je zu erwischen.
Evans Lauf stoppte unweit des Transporters.
Vor ihm erkannte er weitere Personen im Gang.
Ronon, Zelenka und ein ihm unbekannter, in einem weißen Kittel gekleideter, Mann.
Wenn Elizabeth infiziert war, so bestimmt auch Ronon, der sogar zum Team des Colonels gehörte, welches als erstes Kontakt mit dem fremdartigen Erreger gehabt hatte.
Den Gesichtsausdruck der beiden Herren zu schließen, hatten sie die Gefahr erkannt, welche sich ihnen in Form des ehemaligen Runners näherte.
Flucht schienen sie bereits ausgeschlossen zu haben, denn sie hielten ihre Augen krampfhaft geschlossen, während sie bewegungslos ihr Schicksal erwarteten.
Ronon, welcher derart auf sein Ziel in Form des Wissenschaftlers und des Arztes fixiert war, bemerkte den sich nähernden Angreifer nicht.
Ohne zu zögern, warf sich Evan mit all seiner Kraft gegen den stämmigen Körper Ronons.
Dieser stürzte, blieb jedoch nicht besonders lange liegen.
Niemand hätte Evan in Sachen Nahkampf einen stärkeren Schauer über den Rücken laufen lassen können als Ronon Dex.
Bevor Ronon sich erneut aufrichten konnte, trat Evan zu und beförderte in zurück auf den Boden.
Er hatte nicht die geringste Lust jetzt und hier herausfinden zu müssen, wer wohl besser im Nahkampf ausgebildet worden war.
So packte Evan die beiden Herren, die durch ihre geschlossenen Augen ihre eigene Rettung verpasst hatten, und zog sie ruckartig hinter sich her.
Verdutzt über das, was gerade geschah, öffnete Radek seine Augen und erkannte einen uniformierten Mann, welcher sie zum Transporter zog.
Ronon, den der Soldat offensichtlich zu Boden geschickt hatte, rappelte sich bereits wieder auf und begann seine Verfolgung.
"Laufen Sie schon!", hörte er die aufgebrachte Stimme des Soldaten.
Noch im Umdrehen erkannte Radek Elizabeth, welche ebenfalls den Gang entlang stürmte.
Zwei Infizierte, als ob Ronon nicht völlig ausgereicht hätte, um ihre Situation zu verschlechtern.
Das viele Adrenalin in Radeks Körper, die Tatsache, dass der Transporter nur noch ein paar wenige Schritte von ihnen entfernt lag, erschien ihm nach all den schrecklichen Ereignissen so völlig unreal. Wie in einem Traum. Diese Art von Traum, in der man wusste, dass man träumte und alles nach seinen Gunsten steuern konnte.
Die holen uns nicht mehr ein!
Euphorisch lief Radek weiter.
Lorne erreichte als Erstes die Transporterplattform.
Viel zu langsam öffnete sich die Kontrolltafel und ohne lange zu überlegen, wohin sie gehen sollte, tippte er einfach blindlings auf die Kontrollen.
Nichts?!
Die Tür des Transporters stand weiterhin offen!
Wahrscheinlich ein weiteres, von dem Angriff beschädigtes System.
Ronon verlangsamte seinen Schritt und Elizabeth holte zu ihm auf.
Sie waren gefangen!
Beute in einem Käfig!
Der Hoffnungslosigkeit erlegen, schloss Radek erneut seine Augen.
Marc griff nach dem Arm des Majors und ihre Blicke trafen sich.
Alles war umsonst gewesen. Sie hatten die Unterstützung des Militärs gewollt und jetzt war ein Soldat hier und er würde mit ihnen sterben!
Die Infizierung hatte einen Grad erreicht, an dem nur noch ein Instinkt im Kopf der betroffenen Personen vorherrschte.
Fressen!
Die Gier nach ihnen, als Nahrung!
Wie Zombies oder wie die Wraith! Das lief so ziemlich auf dasselbe hinaus.
Evan erkannte im Blick des Arztes dessen unausgesprochene Worte.
Wir werden hier sterben!
Sekunden, in denen Evan noch über einen Fluchtweg nachgedacht hatte, verblassten, als die Infizierten unmittelbar vor ihnen standen.
Der letzte Rest Hoffnung verschwand aus Evans Seele, als er die Augen schloss.
Ein leises, vertrautes Geräusch drang an Evans Ohr, als…


Kapitel 14

Ein zischendes Geräusch, das Gefühl, als ob man für Sekundenbruchteile das Bewusstsein verlieren würde…
Aber der erwartete Schmerz einer Attacke blieb aus.
Evan öffnete die Augen und brauchte einige Zeit, alle Fakten begreifen und richtig einordnen zu können.
Die Tür des Transporters war nach wie vor offen, doch keine Spur von den Virusträgern. Vor ihnen erstreckte sich ein heller, langer und vor allem leerer Gang.
Langsam dämmerte es Evan. Das Geräusch, welches er gerade noch vernommen hatte und in den wenigen Sekunden nicht zuzuordnen vermochte, war das Schließen der Transportertür gewesen.
Offenbar hatte es nur eine Verzögerung und keinen Totalausfall des Systems gegeben.
Die Erleichterung durchflutete ihn wie eine Welle und ließ ihn erneut schwindeln. Er war schon oft dem Tod entronnen und bei vielen Gelegenheiten war es auch sehr knapp gewesen.
Doch beinahe als Zombiefutter zu enden, war eine neue Erfahrung führ ihn gewesen.
So etwas erlebt man hoffentlich nur einmal im Leben, dachte er.
Der Mann im weißen Kittel hielt sich immer noch an Lornes Arm fest. Trotz des dicken Jackenstoffs konnte Evan das Zittern der Hände des Arztes spüren.
Mit einem Lächeln tätschelte er kurz die Hand des anderen Mannes und meinte dann überschwänglich: "Sie können Ihre Augen gerne wieder aufmachen, meine Herren. Wir sind in Sicherheit."
Gleichzeitig öffneten Marc und Radek ihre Augen und auch sie brauchten einige Zeit, um zu verarbeiten, dass der Soldat Recht hatte.
Marc spürte die Belastung, welche seinen Brustkorb zusammengeschnürt und ihm die Luft geraubt hatte, schlagartig von sich abfallen.
Ein unbeschreibliches Glücksgefühl durchströmte ihn.
Doch er konnte nicht aufhören zu zittern.
Seine Knie waren plötzlich wie aus Gummi und trugen sein Gewicht kaum noch.
Er gab dem Drang nach und sank zu Boden.
Seinen Kopf an das kalte Metal des Transporters gelehnt, vergrub er sein Gesicht in seinen Händen.
Evan kniete sich neben den Arzt, dem diese Situation und ihre knappe Rettung offensichtlich zu viel geworden war.
"Alles in Ordnung?", fragte er mitfühlend.
Zu oft vergas er, dass der Großteil des Personals dieser Mission aus Zivilisten bestand.
Einfache Menschen, für die Haushaltsunfälle oder mal ein Knochenbruch bei einem Treppensturz die einzigen Gefahren waren, mit denen sie sich normalerweise konfrontiert sahen.
"Hören Sie, jetzt wird alles gut. Ich bin bei Ihnen und wir begeben uns jetzt gemeinsam in Sicherheit."
Doch der Arzt schien ihn nicht zu hören.
"Wir leben noch!", flüsterte er immer wieder.
"Wir leben noch!"
Evan blickte zu Radek, welcher die Augen immer noch, oder schon wieder, geschlossen hatte und an die Wand gelehnt da stand.
In den letzten Stunden war so vieles passiert und das wenigste davon hatte Radek schon verarbeiten können.
Um ehrlich zu sein, er hatte im Moment auch keine große Lust dazu.
Die Infizierung der Kommandozentrale, der Angriff von Ratsherrn Kemal, die Begegnung mit Ronon eben…
Nein, darüber wollte er noch gar nicht nachdenken.
Lass es nicht an dich rann! Denk nicht darüber nach!
Würde er jetzt anfangen, all die Ereignisse Revue passieren zu lassen, würde er wohl daran zerbrechen.
Irgendwann, wenn alles wieder seinem gewohnten Gang folgte, würde er ein langes Gespräch mit Dr. Heightmeyer führen.
Die Gelegenheit, sich all die Geschehnisse noch einmal in Erinnerung zu rufen, um sie mit fachkundiger Hilfe zu verarbeiten.
Sie waren gerettet und nur darauf kam es jetzt an.
Weitermachen, so lautete die Devise.
Doch leichter gesagt, als getan.
Der Geist war willig, aber sein Körper gehorchte ihm noch nicht.
Hätte er nur einen Schritt von der Wand fort gemacht, er wäre wohl unter seinem eigenen Körpergewicht zusammengesackt.
"Wir müssen jetzt gehen!", hörte Radek die Stimme des Soldaten, welcher ihnen vor wenigen Sekunden das Leben gerettet hatte.
Sein Name, so vermutete der Wissenschaftler, war Lorne. Major Lorne, wenn ihn nicht alles täuschte.
Radek öffnete seine Augen und erkannte, dass es Marc wohl nicht viel besser erging. Dieser saß schluchzend auf dem Boden. Anscheinend waren über ihm die Ereignisse bereits zusammengebrochen. Radek wusste, dass ihm das noch bevor stand.
Denk nicht darüber nach!
"Hören Sie mir zu, wir befinden uns noch nicht in Sicherheit! Wir sind den Infizierten fürs Erste entkommen, doch wenn wir noch lange hier warten, kommen sie wieder!"
Der Major hatte natürlich Recht.
Das wussten Marc und Radek gleichermaßen.
"Reißen Sie sich zusammen!", schrie sie der junge Soldat an.
Wenn er mit Höflichkeit und seinen aufmunternden Worten nichts erreichen konnte, versuchte er es eben mit dem Befehlston.
Sie mussten hier weg und zwar sofort!
Unsanft packte Evan Radek am Arm und warf ihn förmlich aus dem Transporter. Dann zog er den Arzt auf die Beine und schleppte ihn hinter sich her.
"Wir gehen jetzt zum Hangar!", verkündete Evan in einem Ton, der den Zivilisten hoffentlich seine Zuversicht demonstrierte und ihnen auch jedweden Möglichkeit des Einspruchs nahm.
Niemand sprach ein Wort, während sie schnellen Schrittes ihr Ziel anstrebten.
Marcs erste Welle der puren Erleichterung war abgeflaut. Er hatte zwar die Ereignisse immer noch nicht richtig verdaut, aber zumindest hatte er in die Realität zurück gefunden.
Sie durften ihre Mission jetzt nicht gefährden.
Gedanken konnten sie sich später machen.
Auch Radek schien seine anfängliche Starre überwunden zu haben und sein Gehirn arbeitete bereits fieberhaft an dem letzten Stück Weg, das noch vor ihnen lag.


Als sich die Hangartüren vor dem Trio öffneten, richteten sich die Mündungen mehrer Waffen auf sie.
Evan war erleichtert. Verstärkung!
Die Anwesenden senkten beim Anblick ihres Vorgesetzten sogleich die Waffen.
"Sir, was geht hier vor?", fragte eine junge Frau im Rang eines Lieutenant.
Evan hob beschwichtigend die Hände.
"Keine Sorge, meine Damen und Herren. Wir werden gleich alles aufklären." So hoffte er zumindest.
"Also, zuerst einmal", begann Marc, der nun endlich wieder voll bei der Sache war, "hatte einer von Ihnen Kontakt mit einer infizierten Person?"
Marc sah in die Runde. Niemand meldete sich.
Ein klein wenig erleichtert und immer in der Annahme, dass niemand in dieser Runde ihn in solchen Sachen belügen würde, atmete er entspannt die angehaltene Luft aus.
"Schön, dann berichten Sie uns bitte!", forderte Evan seine beiden Begleiter auf.
Radek blickte kurz hinüber zu Marc. Dieser nickte ihm zu und deutete ihm somit, den nicht-medizinischen Teil des Berichts ungeniert übernehmen zu können.
"Gut, also… wo fang' ich an? Das Team von Colonel Sheppard brachte gestern einen Virus mit durch das Tor. Die Stadt leitete sogleich die Quarantäne ein und schnitt uns von der Kommandozentrale ab."
"Wer wurde alles infiziert?", erkundigte sich ein anderer Soldat.
Diese Frage hatte auch Evan vom ersten Moment an auf der Zunge gelegen. Gespannt wartete er auf eine Antwort, obwohl er sich die bereits denken konnte. Nach seinem Treffen mir Dr. Weir und Ronon glaubte er kaum, dass es noch Hoffnung für die restlichen Personen gab, die sich zu der Zeit im Torraum befunden hatten.
"Colonel Sheppards Team und das gesamte Torraumpersonal ist betroffen. Darunter wurden auch noch die Soldaten Kobschätzky und Firo sowie Dr. Colao und Dr. Beckett infiziert."
Man sah den Soldaten an, dass sie nicht mit einer Katastrophe dieses Ausmaßes gerechnet hatten.
Nun, Radek konnte ihnen das nicht verübeln. Ihn würde diese Geschichte wohl auch umhauen, wäre er nicht von Anfang an dabei gewesen.
"Was war mit dem Angriff auf die Stadt vor einigen Stunden?", frage Lorne nach, als Zelenka kurz schwieg.
"Der Angriff, ja, also ein Raumschiff, das, so muss ich gestehen, sich immer noch im Orbit befindet…"
"Noch im Orbit?", hakte ein Soldat nach.
"Heißt das, es geht immer noch eine Gefahr für uns von diesem Schiff aus?"
Radek konnte nur nicken.
Die Soldaten begannen aufgebracht miteinander zu sprechen.
Evan rief sie wieder zur Ruhe.
"Lassen Sie den Herrn weiter erklären.", bat er.
"Dieses Schiff wird von dem Ratsherrn Kemal kommandiert. Die genauen Beweggründe, die zum Angriff auf unsere Stadt führten, kenne ich nicht. Doch in Kemals Interesse liegt die Ausrottung des Virus, das offensichtlich auch auf seinem Planeten zu einer Infizierung der Bevölkerung geführt hat. Den Ärzten dieser Welt ist es nicht gelungen ein Gegenmittel herzustellen und daher sahen sie wohl die einzige Chance, eine galaxisweite Verbreitung der Krankheit zu verhindern, darin, alle Infizierten zu beseitigen."
Wieder wurden die Stimmen der Soldaten im Hangar laut.
"Können wir ein Gegenmittel herstellen?", fragte erneut der weibliche Lieutenant.
"Unter den jetzigen Voraussetzungen nicht", erklärte Dr. Steffens.
"Wir konnten mit dem Ratsherrn über die Notfunksendeanlage im Lagerraum 3 Kontakt aufnehmen. Sie teilten uns ihre Forschungsergebnisse mit und räumten uns eine begrenzte Frist ein, in der wir uns wieder bei ihnen melden sollen."
"Sie sagten, Doktor, dass Sie nicht in der Lage wären, ein Heilmittel herzustellen", richtete Evan sein Wort an den Arzt.
"Das ist korrekt.", bestätigte ihm dieser.
"Wenn wir das diesem Kemal so mitteilen, wird er doch ohne zu überlegen, das Feuer erneut auf uns eröffnen.", gab Lorne zu bedenken.
"Ja, also da haben wir uns schon was überlegt", meldete sich Zelenka.
"Wie Dr. Steffens vorher bereits formulierte, ist es uns lediglich zum gegebenen Zeitpunkt nicht möglich, ein Gegenmittel herzustellen. Eine wichtige Komponente für die Forschung fehlt uns noch. Doch wenn es uns gelingt, Kemal davon zu überzeugen, uns bei der Suche danach zu helfen, könnten wir es in der verbleibenden Zeit schaffen."
"Warum brauchen wir dazu diesen Kemal, wäre es nicht wesentlich einfacher und auch sicherer für uns, das ganze allein durchzuziehen?"
"Moment Mal, verbleibende Zeit, was soll das heißen?"
Eine Menge berechtigter Fragen auf einmal.
Erneut tauschten Radek und Marc einen kurzen Blick aus.
"Nach der Infizierung bleiben dem Betroffenen genau 48 Stunden. Ist diese Zeitspanne überschritten, ist eine Heilung ausgeschlossen", beantwortete Marc die medizinische Frage zuerst.
Gut ein Dutzend betretene Gesichter musterten ihn in diesem Moment.
Als Arzt war er schon oft gezwungen gewesen, schlechte Nachrichten zum Beispiel an Angehörige weiterzugeben.
Eine unschöne Seite seines Jobs.
"Wie viel Zeit bleibt uns noch?", hackte Lorne nach.
Dieses Mal übernahm Radek den Part, eine weitere schlechte Neuigkeit kund zu tun.
"Uns bleiben keine 20 Stunden mehr."
Im ersten Augenblick hatte Lorne mit einer wesendlich schlechteren Nachricht gerechnet. 20 Stunden klangen zwar nicht wie eine Ewigkeit, aber auch nicht wie eine unlösbare Aufgabe.
Doch dann stellte jemand die alles entscheidende Frage: "20 Stunden für was?"
Weder Marc noch Radek konnten darauf sofort antworten.
"Was uns zu der vorherigen Frage zurück bringt, warum wir Kemal und sein Schiff brauchen. Die Jumper verfügen lediglich über Sublichtmotoren, was uns unsere Mission unmöglich macht. Erst das Auftauchen von Kemals Schiff verlieh uns die Möglichkeit, in der verbleibenden Zeit zu einem anderen Planeten zu reisen."
Radek stoppte in seiner Erklärung, um kurz nach den richtigen Worten zu suchen.
"Warum gehen wir nicht einfach durch das Stargate, wenn wir für die Beschaffung des Heilmittels auf einen anderen Planeten müssen?", wurde nachgefragt.
Guter Einwand, dachte Radek.
"Das mag zwar jetzt aus dem Mund eines Wissenschaftlers etwas seltsam klingen, aber ein Jumper würde uns doch einen gewaltigen, taktischen Vorteil verschaffen."
"Kommen Sie endlich zum Punkt, Dr. Zelenka! Wozu haben wir noch 20 Stunden? Ein taktischer Vorteil für welche Situation? Und warum brauchen wir diesen Kemal?"
Evan verlor langsam die Geduld!
Er verstand nicht, warum der Wissenschaftler so herum druckste. Konnte er nicht einfach alle relevanten Daten offen auf den Tisch legen?
Sie waren alle erwachsene Soldaten. Wie auch immer die Fakten aussahen, sie konnten damit umgehen.
Radek befeuchtete seine trockenen Lippen.
Die Stunde der Wahrheit war gekommen. Jetzt entschied sich, ob ihr Plan aufgehen konnte oder ihn die Soldaten für undurchführbar hielten.
Aber selbst wenn, sie würden es versuchen. Sie würden es alle versuchen und wenn sie bei dem Versuch umkamen. So starben sie mit der Gewissheit, nichts für die Rettung ihrer Freunde unversucht gelassen zu haben.
"Wir brauchen einen Wraith, möglichst einen lebenden."
Jetzt war es raus.
"Warum?", kam sogleich die verdutzte Gegenfrage.
Diese Frage, so deutete Marc, würde er beantworten.
"Die Rebil, die Erschaffer dieses Virus, bedienten sich einem Medizinprodukt der Antiker. Sie haben damit herumexperimentiert und dem Grundprodukt unter anderem Wraith-DNA beigefügt. Womit wohl klar wäre, warum wir den Wraith für unsere Forschungen brauchen, wenn wir ein Gegenmittel herstellen möchten."
"Haben wir denn keine Proben von Wraith-DNA? Ich meine, wir hatten doch genügend Gelegenheiten, an solche Proben zu gelangen?"
Marc nickte und gab dem Soldaten vom Prinzip her Recht.
"Das stimmt an sich schon. Wir haben Proben von Wraith-DNA und der Rest meiner Kollegen, welche vor der Quarantäne bereits in der Krankenstation befanden, arbeiten auch bereits mit diesen. Doch sie werden nicht reichen. Mit den wenigen, uns zur Verfügung stehenden Proben wäre es ein enormer Glücksfall, gleich die richtige Zusammensetzug aller Inhaltsstoffe, welche die Rebil verwendeten, heraus zu bekommen. Dann brauchen wir natürlich auch noch eine ganze Menge der DNA für das Gegenmittel selbst."
Stille legte sich über die große Halle.
"Na, wenn es weiter nichts ist, als ein Wraith", meinte ein bekümmert wirkender Soldat in sarkastischem Tonfall.
Evan zweifelte zwar nicht an der Theorie dieses Plans, doch die Ausführung erschien ihm mehr als kompliziert.
Dennoch nicht unmöglich.
Fest stand, ihnen blieb gar keine andere Wahl, als dieses Himmelfahrtskommando durchzuführen und je länger sie hier untätig verweilten, desto mehr wertvolle Zeit ging ihnen verloren.
"Na schön, Ladys und Gentlemen, fangen wir einen Wraith!"


Fortsetzung: Kapitel 2
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