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[SGA] The core von Ailya

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I hurt myself today
To see if I still feel
I focus on the pain
The only thing that’s real
If I could start again
A million miles away
I would keep myself
And I would find a way
Johnny Cash - Hurt


„ Okay.“ Major Evan Lorne fasste sein Truthahnsandwich mit gespreizten Fingern und betrachtete es musternd von allen Seiten, bevor er es sich in den Mund schob und genüsslich und in aller Ruhe zu kauen begann. Er schürzte seine Lippen und kräuselte die Stirn, als er den Bissen in seinem Mund hin und her schob, ihn dann ganz langsam herunterschluckte und das Sandwich ein zweites Mal an seinen Mund führte. Der nächste Bissen schmeckte genauso gut wie der erste es auch getan hatte, doch dieses Mal spülte er mit Wasser hinterher.
Evan rümpfte die Nase. Hatte nur er das Gefühl und versuchte man da allen Ernstes ihm ein ‚anderes’ Wasser unterzujubeln? Mit kritischem Blick betrachtete er die kleine Wasserflasche, die vor ihm stand. Gleiches rosa Etikett, gleiche Größe- aber es schmeckte so… so anders! Vielleicht sollte er bei der nächsten Gelegenheit einmal den Versorgungsoffizier darauf ansprechen.

Den letzten Bissen seines Sandwichs herunterschluckend, lehnte Evan sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete das Geschehen in der lantianischen Mensa aufmerksam. Er musste zugeben, dass es stiller als sonst war; ausgenommen einer kleinen Diskussion zwischen den Doktoren Kavanagh und Winston. Erster gestikulierte so aufgebracht mit den Händen, dass ihm die Brille von der Nase auf den Tisch rutschte und von Dr. Winstons herabschnellender Faust nur knapp verfehlt wurde.
Schmunzelnd rutschte Evan in seinem Stuhl ein bisschen tiefer und verschränkte seine Füße unter dem Tisch. Interessiert beobachtete er zwei Wissenschaftlern, die sich leise miteinander unterhielten und immer wieder kichernd zu ihm schielten. Evan begegnete ihren Blicken mit einem kurzen Nicken, woraufhin die beiden erröteten und sich wieder umdrehten. Ja, es hatte gewisse Vorteile der ranghöchste Offizier in der Stadt zu sein.
Evan warf einen kontrollierenden Blick auf seine Armbanduhr. Es war kurz nach eins, was bedeutete, dass das Erkundungsteam erst in drei Stunden zurückerwartet wurde. Der Soldat musste zugeben, dass ihn dieses Antikerschiff auch interessierte, doch wann hatte man ihm schon einmal die Befehlsgewalt über Atlantis gegeben?

„ Und, was halten Sie von dieser Idee?“ Evan Lorne schreckte aus seinen Gedanken und sah sich Radek Zelenka gegenüber sitzend, der ihn erwartungsvoll durch seine runden Brillengläser ansah. Den Tschechen hatte er doch glatt vergessen!
„ Ich weiß nicht“, sagte Evan und warf einen flüchtigen Blick auf den Tablettlaptop des Wissenschaftlers. „ Sind Sie sicher, dass Sie nicht lieber Dr. McKay oder Dr. Weir fragen sollten?“
„ Das habe ich bereits“, erwiderte Radek stirnrunzelnd. „ Dr. Weir meinte, dass das eine ziemlich gute Idee ist und Dr. McKay…“ Der kleine Wissenschaftler zuckte viel sagend mit den Schultern.
Evan hob seine Augenbrauen. „ Sie wollen allen Ernstes eine Windmühle bauen?“
„ Es ist mehr eine Art… Wasserwerk“, wurde er sofort streng verbessert und Radek startete eine Simulation auf seinem PC.
„ Wasserwerk“, wiederholte Evan. „ Sie wollen ein Wasserwerk bauen?“
„ Naja…“- Sein Gegenüber zuckte wieder mit den Schultern und zwischen seinen Augen bildete sich eine tiefe Furche. „ Die Bedingungen wären ideal und wir könnten unseren Energiehaushalt um 10-15 Prozent in nur einem halben Jahr steigern.“
„ 10-15 Prozent?“
„ Ich weiß, das klingt jetzt nicht besonders viel; aber es wird sich in nur zwei Jahren rentieren“, verkündete Radek stolz. „ Wir könnten dadurch Energie des ZPMs einsparen. Und so könnten wir im Falle eines überraschenden Angriffs den Schild länger aufrechterhalten; fast um das Doppelte!“
Den Wissenschaftler und dessen PC skeptisch beäugend, lehnte sich Evan wieder zurück. „ Sie sollten das lieber mit Dr. Weir noch einmal besprechen“, meinte er. „ Sie und die anderen werden in drei Stunden zurück erwartet und ich bin mir sicher, dass sie und Dr. McKay die besseren Ansprechpartner sind.“
Radek seufzte. „ Jaja, Sie haben wahrscheinlich recht.“ Er schaltete seinen Computer aus und wandte sich nun endlich seinem vollbeladenen Tablett zu. „ Wissen Sie…“, setzte er an, schob sich eine Gabel Rührei in den Mund und schmatzte weiter, „… das ich das ziemlich unfair finde? Ich hätte das Team begleiten sollen! Rodney hat fast seinen gesamten Wissenschaftsstab mitgenommen- nur mich nicht.“
„ Vielleicht weiß er, dass Sie während seiner Abwesenheit gut auf die Stadt aufpassen?“, spekulierte Evan.
„ Pah“, machte Radek und verteilte dabei etwas Rührei über die Tischplatte. „ Dieser Mensch hasst mich. Ich meine, er hasst mich wirklich! Und ich kann nicht verleugnen, dass das nicht auf Gegenseitigkeit beruht! Arbeiten Sie mal tagein tagaus mit einer solch exzentrischen Person zusammen!“
„ Gott bewahre“, lachte Evan. „ Ihre Chance wird eines Tages kommen, Radek. Stellen Sie sich nur einmal vor, wenn wir dieses Schiff im Kampf gegen die Wraith nutzen könnten!“
„ Das wäre gut“, überlegte Radek laut. „ Trotzdem will ich es beim nächsten Mal…“

Der schrille Alarm eines eingehenden Wurmlochs und Sergeant Chucks Stimme, die krächzend aus Evans Headset erklang, unterbrach den Wissenschaftler. „ Ungeplante Aktivierung von außen, Sir“, verkündete der Tortechniker das Offensichtliche.
„ Ich komme sofort.“ Evan verfrachtete die leere Wasserflasche auf sein Tablett und schob seinen Stuhl zurück.
Radek Zelenka erhob sich ebenfalls. „ Ich werde Sie begleiten, wenn Sie nichts dagegen haben. Ich werde noch einige Systeme anpassen müssen, bevor wir dieses Programm in Angriff nehmen können.“ Er wirkte sehr zuversichtlich, dass seine Idee wirklich in die Tat umgesetzt werden würde, also ließ ihn Evan bei diesem Gedanken. Er hatte sowieso gerade etwas anderes im Sinn; wer um alles in der Welt versuchte da nach Atlantis zu kommen? Sie erwarteten in den nächsten drei Stunden niemanden…


Chuck, der sympathische kanadische Tortechniker, erwartete ihn bereits ungeduldig. Wie ein Stehaufmännchen in Uniform fuhr er von seinem Stuhl hoch, als Major Lorne in den Kontrollraum gejoggt kam. Er hatte ein erschreckend ernstes Gesicht aufgesetzt und in Verbindung mit der Tatsache, dass sich Marines im Gateraum postiert hatten, malte sich Evan das Schlimmste aus.
„ Was ist hier los, Sergeant?“, verlangte Evan zu wissen, in den Gateraum hinab blickend. Jeweils drei Marines flankierten das aktivierte, aber durch den Schild geschützte Gate. Kleinere Erschütterungen ließen den Schild immer wieder aufflackern.
„ Ich weiß es nicht, Sir“, antwortete Chuck.
„ Haben wir einen ID-Code?“
„ Nein, Sir.“
„ Halten Sie den Schild aufrecht, Sergeant“, befahl Evan. „ Wer auch immer das ist wird uns irgendwann kontaktieren.“
„ Jawohl, Sir.“ Chuck setzte sich wieder, schoss aber nach wenigen Sekunden wieder hoch. „ Wir haben eine Funkverbindung, Sir!“
Evan straffte die Schultern und trat auf den kleinen Vorsprung, blickte auf den Gateraum hinab. „ Hier spricht Major Evan Lorne …“
„Deaktivieren Sie den Schild“, donnerte eine Stimme aus den Lautsprechern.
„ Ma’am?“, rief Evan überrascht aus, trat einen Schritt zurück in den Kontrollraum. Er sah zu Chuck und Zelenka, doch die beiden zuckten nur mit den Schultern- scheinbar waren sie genauso überrumpelt wie er es war. „ Wir hatten Sie nicht…“ Evan hatte gerade angefangen zu reden, als ihm seine Vorgesetzte schon wieder ins Wort fiel.
Deaktivieren Sie den Schild, verdammt noch mal!“ Elizabeth Weirs Stimme klang aufgebracht, zugleich ein kleines bisschen panisch, aber auch wütend. „ Sofort! Das ist ein Befehl, Lorne!“
‚Was zur Hölle ist da bloß los?’, dachte Evan; in ihm schlug es Alarm und er wirbelte herum. „ Sie haben sie gehört, Sergeant! Deaktivieren Sie den Schild, los!“

Sergeant Chuck hastete zurück zum DHD und kaum dass er mit geschickten Handgriffen den Schutzschild deaktiviert hatte, sprangen erste Funken durch den Ereignishorizont. Evan eilte auf den kleinen Steg, der Dr. Weirs Büro mit dem Kontrollraum verband und starrte in den Gateraum hinab. Seine stahlgrauen Augen weiteten sich, als er sah, wie die Marines mit lauten Rufen glühenden Metallteilen und Feuerbällen auswichen, die das durch den Ereignishorizont donnerten und in die Treppe einschlugen, die hinauf in den Kontrollraum führte.
„ Was zur Hölle…“, hörte Evan Zelenka fluchen, doch der Rest des Satzes des Tschechen ging in einem spitzen Schrei unter, ausgestoßen von einer jungen Frau, die durch das Gate stolperte. Von hier oben aus konnte Evan ihr Gesicht nur schemenhaft erkennen, doch seine Sehkraft reichte aus, um zu erkennen, dass sie verletzt war. Sie trug eine Wissenschaftsuniform; zerrissen, an manchen Stellen von Feuer versenkt.
„ Walters“, rief Evan einem der Marines zu, der die junge Frau daraufhin beiseite schaffte- genau in dem Augenblick, als weitere Personen den Ereignishorizont passierten. Evan versuchte sie zu zählen, doch bald gab er es auf; es wurden immer mehr. Manche rannten durch das Gate, andere stolperten, wieder andere krochen oder fielen oder wurden geschleudert.
Lautes Stimmengewirr erfüllte den Gateraum, in dem es nun langsam immer enger wurden. Die Personen drängten dicht aneinander; die meisten waren verletzt und sahen sich mit vor Panik aufgerissenen Augen um. Ein paar Wissenschaftlerinnen brachen zusammen, Tränen strömten über ihre verrußten Gesichter und sie schlugen sich die Hände vor die Augen.
Es wurde immer lauter und das Gewimmel immer unübersichtlicher. Noch immer kamen Personen durch das Gate, begleitet von einem starken Funkenflug und brennenden Trümmerteilen.

‚ Verdammt’, fluchte Evan. Er ließ seinen Blick über die panikerfüllte Menge schweifen… und entdeckte mittendrin eine Frau mit schulterlangen dunklen Locken; sie blickte mit ihren grünen Augen zurück auf das Gate, aber dann schien zu merken, dass er sie beobachtete und wandte sich um.
„ Major!“ Elizabeth Weirs Gesicht war verdreckt von Ruß, ihre Augen waren verweint. Ihre Haare fielen zerzaust auf ihre bebenden Schultern… und sowieso machte sie einen furchtbar mitgenommenen Eindruck. Sie sah anders aus, als Evan sie in Erinnerung hatte, doch das war ihm egal. Er stieß sich mit beiden Händen von dem Geländer ab, wollte hinab in das Gewühl, aber sein gesunder Menschenverstand hielt ihn davon ab. Ruckartig blieb er auf der obersten Treppenstufe stehen. Er war doch nicht so wahnsinnig, sich da unten hinzubegeben, oder etwa doch?
Evan kämpfte mit sich, hielt währenddessen den Blickkontakt zu Elizabeth. Panik stand in ihre grünen Augen geschrieben und ihre Mundwinkel zuckten vor unterdrückter Angst. Was war nur auf diesem Schiff passiert, das es die Menschen schreiend zurück nach Atlantis getrieben hatte?

Wieder kam jemand durch das Gate gestolpert; es war eine kleinere Gruppe und Evan musste nicht einmal genau hinsehen, um zu wissen, um wen es sich dabei handelte- Dr. Rodney McKay und Col. Carter taumelten in die Menge hinein, gefolgt von Daniel Jackson und dessen schwarzhaariger Begleitung (Evan hatte ihren Namen vergessen- irgendetwas mit ‚V’).
„ Elizabeth!“, krächzte Dr. McKay und wankte durch die Menge auf die Expeditionsleiterin zu. Sein Gesicht war ebenfalls verrußt und er schnappte nach Luft.
Elizabeth Weir stürmte dem Wissenschaftler entgegen, kaum dass er sie gerufen hatte. Doch nein! Irgendwer aus der Menge rief ihren Namen und sie blieb stehen, wandte sich suchend um. Ihr Kopf drehte sich in die Richtung, aus der man ihren Namen gerufen hatte.
Evan kniff seine Augen zusammen und musste sich sehr anstrengen, um zu erkennen, wem die Expeditionsleiterin da entgegenblickte und wer sie gerufen hatte.
„ Elizabeth“, wurde ihr Name da erneut gerufen und Evan machte eine sichtlich aufgebrachte Teyla Emmagan aus, die direkt auf Dr. Weir zusteuerte. Die beiden Frauen strebten aufeinander zu und Dr. Weir fing die Athosianerin ab, bevor diese an ihr vorbeistürmen konnte, zurück zum Gate.
„ Teyla, nein!“, klang das geradezu panische Flehen der Expeditionsleiterin in Evans Ohren. Sie hielt Teyla mit all ihrer Kraft zurück. „ Das wäre Selbstmord!“
„ Elizabeth, ich muss zurück“, weinte die Athosianerin verzweifelt und dicke Tränen tropften aus ihren braunen Augen. „ Ich kann ihn nicht… Bitte, Elizabeth! Er ist noch… Bitte!“
„ Ich kann nicht.“ Elizabeth Weirs Stimme ging in dem Geschrei der anderen fast unter und sie schüttelte traurig mit dem Kopf.
„ Aber, John… er ist noch… wir können ihn nicht zurück lassen. Bitte, lassen Sie mich. Bitte!“
„ Ich. Kann. Es. Nicht“, beharrte Elizabeth, aber man konnte ihr ansehen, wie schwer es ihr fiel und wie sehr sie mit sich selbst zu kämpfen hatte. „ Es wäre zu gefährlich, Teyla!“

In den nächsten zehn Sekunden geschahen zwei Dinge, mit denen wohl niemand so wirklich gerechnet hatte. Erstens fiel das Wurmloch mit einem lauten Knall in sich zusammen, das Gate aktivierte sich und die zuvor in einem hellen Blau erstrahlten Chevrons erloschen von einer Sekunde zur nächsten. Ein lautes Murmeln ging durch die Menge. Hier und da keuchten manche erschrocken auf und wichen zurück. Andere wiederum starrten mit heruntergeklappten Kinnladen auf das Gate.
Dr. Weir fing Teylas Sturz ab, die schluchzend in ihren Armen zusammenbrach. Dr. McKay ließ seinen PC fallen und machte einen verzweifelten Schritt auf das vollkommen ruhig daliegende Gate zu.

Und zweitens bemerkte Evan, dass etwas nicht stimmen konnte. Er bemerkte es nicht nur an den feinen Unterschieden, die ihm an manchen Personen auffielen; Dr. Weir erschien ihm blasser als zuvor und ihre braunen Haare waren länger. Dr. McKay wirkte noch unausstehlicher als sonst. Und Teyla war…
Nein, nein, nein. Irgendetwas musste auf der anderen Seite des Gates, oben an Bord des Schiffes, passiert sein- zu diesem Schluss kam Evan, während er beobachtete, wie die Athosianerin in Dr. Weirs Arm mit einer Hand über ihren Bauch strich, der sich selbst unter ihrem weiten Top nicht mehr verbergen ließ. Irgendetwas, wovon er und die anderen in Atlantis nichts geahnt hatten!

ooOOoo

...Eine halbe Stunde zuvor...


'Es ist Atlantis!' Rodneys Worte hallten noch immer in seinem Kopf und prallten an seinen Gehirnwänden ab wie ein kleiner weißer Pingpongball. Allein der Gedanke ließ ihm schwindelig werden und löste bei ihm eine Welle von Emotionen los.
Atlantis. Das Wort wirbelte zuerst ganz allein durch die Leere in seinem Verstand und verursachte gleich darauf einen dumpfen, pochenden Schmerz an seiner rechten Schläfe. Sein Kopf sank auf seine Brust und er fasste sich an die Stirn.
Irgendwie konnte er es nicht glauben. Sollte Rodney tatsächlich recht haben würden sie nach Hause zurückkehren! Nach Atlantis! Und das schon sehr bald! Er konnte es nicht glauben...

Warum ausgerechnet jetzt? Warum hatte es so lange gedauert, bis sie ihren Weg zurück gefunden hatten? Es waren Monate vergangen, in denen sie ziellos durch die Weiten des unendlichen Universums gestreift waren. Monate! Entfernt erinnerte er sich an Rodneys Worte, dass die Zeit für sie anders voranschritt, als sie es vielleicht in Atlantis tat. Es konnte gut sein, dass man sie daheim noch gar nicht vermisste oder dass man ihrer aller Posten schon neu besetzt hatte. Ob sie alle in diesem Falle wohl ein anständiges Begräbnis erhalten hatten? Er wollte ja immer auf einer grünen Wiese begraben werden. Völlig unkompliziert.
Vielleicht waren in Atlantis erst Stunden oder Tage vergangen, doch für sie hier, an Bord der Artemis, waren fast acht Monate vergangen- und in diesen langen acht Monaten war so viel passiert. Es war möglicherweise zu viel passiert! Wie sollte es denn jetzt nur weitergehen, wenn sie nach Atlantis zurückkehrten? Was, wenn daheim wirklich nur einige Stunden vergangen waren? Das Leben aller –hier auf der Artemis und daheim in Atlantis- würde aus den Fugen geraten. Zwei Welten würden aufeinander prallen; zwei Welten die einander nicht verstehen würden.

Erneut wallten in ihm die Emotionen auf und der Druck, der seinen Kopf zu zerreißen drohte, verstärkte sich. Warum nur, war alles so kompliziert? Den seltsamen Gedanken im Hinterkopf, dass es ihm hier auch ganz gut gefallen hatte, klammerte er sich mit den Händen an die Tischplatte und schloss nachdenklich seine Augen. Nicht alles, was auf diesem Schiff passiert war, war schlecht gewesen. Nein, das konnte man nicht sagen! Es wäre falsch nur von einem Unglücksfall zu sprechen, denn das war es nicht…
Ein verzweifelt klingendes Seufzen stahl sich über seine Lippen und nach ein paar Sekunden, in denen er in seinem Inneren wild mit sich diskutierte, öffnete John widerwillig die Augen. Es bot sich ihm noch immer dasselbe Bild wie zuvor: Rodney stand mit Elizabeth zusammen und die beiden hatten sich über die Konsole gebeugt, inspizierten sie neugierig und nickten abwechselnd oder schüttelten verneinend mit dem Kopf.
Den Soldaten interessierte das nicht. Er war noch immer mit der Nachricht beschäftigt, dass es vielleicht nicht mehr lange dauern würde, bis sie nach Hause zurückkehren könnten. Nach Hause…

Sein Magen wand sich in seinem Inneren und seine Handgelenke wurden weiß- so sehr klammerte er sich an die Tischkante. Warum fühlte er sich nur zu mies, wenn er an... Atlantis dachte? Es war in den letzten dreieinhalb Jahren sein zu Hause gewesen und er hatte sich dort sehr wohl gefühlt.
Je mehr John darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass sich nun etwas anderes in ihm regte und dieses Etwas war stark daran, sich zwischen ihn und Atlantis zu drängen. Atlantis war sein zu Hause, doch hier hatte er das erlebt, wozu es in Atlantis vielleicht nie gekommen wäre. Lag es möglicherweise daran, dass er zweifelte?

Es fiel ihm nicht schwer, den Blick von Elizabeth und Rodney zu lösen, als eine samtweiche Hand seinen Arm hinab strich und sich schmale Fingern mit den seinen verschränkten. Teyla stand neben ihm und hatte ihren Blick aufmerksam in die Richtung ihrer beiden Freunde gerichtet, doch schon bald merkte sie, dass er sie ansah. Sie lächelte kurz, ehe sie sich zu ihm drehte und ihn durch ihre tiefbraunen Augen ansah.
John musste neidlos zugeben, dass sie umwerfend aussah. Ihr Gesicht strahlte Zuversicht aus und im Gegensatz zu ihm, schien sie sich zu freuen, dass sie bald zurückkehren würden. Was auch nur verständlich war, schließlich waren für sie Monate vergangen, in denen sie ihr Volk nicht gesehen hatte. Das war schwer für sie gewesen und sie hatte es auch immer wieder betont. Auch für sie hatte sich in diesen acht Monaten viel verändert.
Teyla hatte ihre Finger liebevoll mit seinen verschränkt, aber ihre andere Hand lag locker über der anderen ‚Veränderung’, die einer der vielen positiven Aspekte war, die dieses Abenteuer mit sich gebracht hatte. John streckte seine Hand aus und legte sie auf ihren, sich unter ihrem Shirt wölbenden Bauch, wie er es schon sooft getan hatte. Das Baby strampelte leicht und der Soldat spürte die Bewegungen unter seiner Hand.
Bei dem Gedanken, dass es sein Kind war, das da unsichtbar heranwuchs, musste er schlucken. Schon jetzt konnte er es kaum erwarten, bis es endlich soweit war und er dieses kleine Wesen in den Armen halten konnte. Schon jetzt verspürte er einen unüberwindbaren Drang das Baby und seine Mutter zu beschützen.
Er sah Teyla an und wusste sofort, dass sie das Gleiche dachte wie er.

„ Wir müssen versuchen sie anzuwählen“, riss Elizabeths entschlossene Stimme John aus seiner Starre, die ihn immer überfiel, wenn er mit seinen Gedanken woanders war. Die Expeditionsleiterin stand Rodney nun gegenüber und hatte die Hände in die Hüften gestemmt.
„ So einfach ist das aber nicht.“ Rodney schüttelte vehement mit dem Kopf und erst jetzt, als er sich in seine Richtung drehte, bemerkte John den ernsten Ausdruck, der im Gesicht seines Freundes lag. Tiefe Furchen bildeten sich auf der Stirn des Kanadiers und seine erregten, blitzenden blauen Augen verrieten, dass etwas nicht so lief, wie er es angenommen hatte.
„ Irgendetwas stimmt nicht“, platzte es völlig unbeabsichtigt aus John heraus. Seine Freunde sahen ihn an; Rodney machte den Eindruck, als hätte er nicht geglaubt, dass der Soldat ihm tatsächlich zugehört hatte. Aber dann fing es langsam an zu nicken.
„ Soll das heißen, dass wir nicht nach Atlantis zurückkönnen?“, fragte Teyla. Ein leichter Anflug von Angst und Panik lagen in ihrer Stimmen und sofort drückte John ihre Hand fest. Er wollte nicht, dass sie sich Sorgen machte.
Rodneys lang gezogenes Seufzens ließ auf nichts Gutes schließen und seine angespannte Miene ebenso wenig. „ Es ist schwierig“, sagte er nur.
„ Warum ist es schwierig?“ Elizabeth schüttelte mit dem Kopf, während sie versuchte dem Kanadier zu folgen. „ Das verstehe ich jetzt nicht. Es hat doch sonst auch immer geklappt- warum dieses Mal nicht?“
„ Falsch“, rief Rodney aus, reckte besserwisserisch den Finger in die Höhe. „ Hier muss ich Sie leider korrigieren. Nicht wir haben die Planeten angewählt- soweit ich mich erinnern kann, war es immer das Schiff gewesen.“
„ Und weshalb wählt die Artemis Atlantis nicht an?“, erkündigte sich John stirnrunzelnd. „ Das ergibt doch keinen Sinn.“ Er sah sich in der kleinen Runde um, zu der auch noch Ronon gehörte, der sich bis jetzt allerdings aus der Unterhaltung heraus gehalten und eisern geschwiegen hatte. „ Die Artemis ist lantianischer Herkunft, ein Versorgungsschiff der Antiker; warum in alles in der Welt sollte man von hier aus nicht Atlantis anwählen können?“
„ Vielleicht hat sie einfach keine Lust“, murmelte Ronon nun doch, wohl eher unüberlegt. Als Rodney ihn jedoch entgeistert anstarrte und dann zu schnipsen begann, wurde dem Sateder die mögliche Bedeutung seiner Aussage bewusst. „ Was denn? Was hab’ ich denn gesagt?“
Rodney hatte sein nervöses Schnippen beendet, wedelte aber nun mit seinem Finger wie wild in der Luft herum. „ Erinnern Sie sich, wie ich sagte, dass dieses Schiff ein neutrales Interface hat?“ Die Frage war an John gerichtet.
„ Und ich sagte, dass es nicht funktioniert hat“, entgegnete der Soldat; nur er wusste, dass es sich dabei um eine faustdicke Lüge handelte. Er hatte Kontakt mit dem Schiff aufgenommen. Nur leider schien die Artemis damals nicht gewillt ihm zu helfen. Sie hatte ihm Informationen gegeben, doch die hatten damals nur ihm weitergeholfen.
„ Dann versuchen Sie es halt noch mal“, beharrte Rodney fixiert. „ Es muss doch einen Grund geben, dass…“
„ Und was, wenn es gar nicht an dem Schiff liegt?“, warf Teyla nachdenklich ein. „ Es könnte doch auch an etwas anderem liegen, nicht wahr? Vielleicht an irgendeinem Fehler im System.“
„ Das finde ich noch nicht einmal so abwegig“, pflichtete Elizabeth der Athosianerin bei und sich an Rodney wendend sagte sie: „ Sie meinten doch selber, dass das System noch nicht ganz so läuft, wie vorher.“
„ Jaja, genau. Sie sagten, dass sich das System noch mit den ganzen Koordinaten schwer tut“, erinnerte sich John. „ Vielleicht spinnt das System nicht nur da ein bisschen.“
Rodney wollte ihm etwa erwidern und öffnete seinen Mund, schloss ihn aber gleich darauf wieder. Er schien nachzudenken, dann lockerten sich seine Gesichtszüge ein wenig, wurden aber sofort wieder todernst. Er kniff die Lippen aufeinander, hob seinen Kopf und John spürte den intensiven Blick seines Freundes in seinem Gesicht.
‚Grundgütiger’, fuhr es dem Soldaten durch den Kopf. „ Nein, das kann nicht sein, Rodney“, konterte er sofort. ‚Obwohl es eine Möglichkeit ist’, fügte er im Stillen hinzu.
„ Ich fürchte, dass wir es in Betracht ziehen müssen“, seufzte Rodney.
Elizabeth fuhr dazwischen. „ Wovon sprechen Sie beiden eigentlich, wenn ich fragen darf?“
„ Von dem Peilsender“, antwortete John knapp. Ein beengendes Gefühl machte sich in seinem Brustkorb breit.
„ Larrin hat ein Programm darauf geladen, mit dem sie sämtliche Systeme von Atlantis lahm legen wollte“, fuhr Rodney erklärend und gestikulierend fort. „ Leider hat sie nicht damit gerechnet, dass wir sie auf dieses Schiff führen, doch der Plan, die Systeme zum Erliegen zu bringen, hat auch hier funktioniert. Eine Art Virus- wir haben eigentlich darüber gesprochen- hat sich in das System geschlichen. Sie wissen ja gar nicht wie viel Mühe mich das gekostet hat, die Updates durchzuführen.“
„ Wollen Sie damit andeuten, dass ein Rest dieses… Virus das System noch immer… unter Kontrolle hat?“, fragte Elizabeth leise.
Rodney verneinte sofort. „ Es gäbe allerdings eine Möglichkeit. Es könnte etwas von dem Virus zurückgeblieben sein, wenn…“
„… wenn etwas von dem Peilsender übriggeblieben ist“, beendete John den Satz.
„ Aber Carson hat nichts gefunden“, sagte Teyla. „ Er hat dich untersucht. Da war nichts mehr.“
„ Wer sagt denn, dass es nur einen Peilsender gab?“ Auf Johns Frage hin, drehten sich seine Freunde zu ihm um.
„ Was meinen Sie damit?“, wollte Rodney wissen. „ Das es noch einen zweiten Peilsender irgendwo auf dem Schiff gibt? Das ist doch unmöglich; wir hätten ihn gefunden.“
„ Irgendwo hätten sie ganz einfach eine zweite Konsole anschließen können, nicht wahr?
Der Kanadier nickte. „ Worauf wollen Sie hinaus? Oh… Moment… sagen Sie es mir nicht!“ Er kniff die Augen zusammen und riss sie dann wieder auf. „ Nein, nein, nein, das kann nicht sein! Diese Idee… die ist ganz furchtbar dämlich, mein lieber Colonel. Vergessen Sies am besten gleich wieder!“
„ Rodney“, mahnte Elizabeth ihn. „ Lassen Sie John doch bitte Zeit uns zu sagen, was für eine Idee er hat.“
„ Die wird Ihnen sicher nicht gefallen“, murmelte der Kanadier, „ aber wenn Sie darauf bestehen, bitte.“ Er verschränkte demonstrativ kritisch die Arme vor der Brust.
Die Expeditionsleiterin hob ihre Augenbrauen erwartungsvoll in Johns Richtung. „ John?“
„ Ich kenn’ mich wirklich nicht gut in diesen ganzen Sachen aus, Elizabeth“, begann er ihr zu antworten, „ aber ich vermute- ich vermute nur-, dass Larrin den Sender, die Konsole oder was auch immer in einem Raum untergebracht hat. Er liegt nur zwei, drei Ebenen unter dem Gaterium…“
„… und ist außer ein paar nachlässig durchgeführten Strahlenmessungen noch ein unerforscht“, plapperte Rodney sarkastisch. „ Es waren ziemlich schlampige Messungen, wenn Sie mich fragen, aber mir gefällt trotzdem nicht, was ich da sehe. Die Strahlung ist höher, als der menschliche Organismus ihn ertragen könnte.“ Vorwurfsvoll blickte er in Johns Richtung. „ Selbst wenn Sie es schaffen, dieses Was-auch-immer zu deaktivieren- es wird sie innerhalb einer Minute grillen!“
„ Klingt für mich nicht gut“, murmelte Ronon kopfschüttelnd.
„ Wir müssen es versuchen.“ John biss sich auf die Unterlippe; was tat er da eigentlich? Hatte er nicht aufhören wollen, immer sein Leben zu riskieren? Todesursache: gegrillt wie ein Brathähnchen- sehr ermunternd.
Doch es musste sein. Sie alle mussten zurück. Sie alle wollten wirklich zurück. Er wollte zurück; es war an der Zeit, dass er dieses Schiff und damit dieses Abenteuer hinter sich ließ. Er wollte zurück, damit sein Kind seine Heimat kennen lernte… und nicht dieses Schiff.

„ John!“, rief Teyla aus, klammerte sich an seinen Arm. Ihre braunen Augen zuckten aufgeregt in den Höhlen hin und her. Mit ihren zitternden Lippen formte sie ein wortloses ‚Nein’ und dann noch eines.
Schwer seufzend schloss der Soldat seine Augen und nachdem er sich Mut zugesprochen hatte, öffnete er sie wieder. „ Sagen Sie mir, was ich tun muss, Rodney, und ich werde weniger als eine Minute brauchen.“
Der Wissenschaftler warf die Hände in die Luft. Sein Blick war verständnislos. „ Ich versteh’ Sie einfach nicht. Hören Sie…“ Er seufzte tief, „… wenn Sie es wirklich machen, dann sind Sie wahnsinnig, aber das muss ich Ihnen wohl nicht sagen, oder?“
John verdrehte die Augen. „ Vielen Dank für die Aufmunterung, Rodney.“
„ Selbst wenn Sie es unter einer Minute schaffen, könnten gesundheitliche Probleme auftreten… schwerwiegende.“ Rodney unterstrich mit einer dramatischen Handbewegung.
„ Von was für Auswirkungen reden wir hier?“, verlangte Elizabeth zu wissen.
Rodney schnalzte mit der Zunge, bevor er auf Teylas Bauch hinab sah und fragte: „ Sie haben nicht rein zufällig über weiteren Nachwuchs nachgedacht, oder? Das könnte dann nämlich schwierig werden. Nicht, dass ich darüber nicht froh wäre- sie wissen schon, was ich meine.“
„ Rodney...“ John sog scharf die Luft ein. „… sagen Sie mir einfach nur, was ich machen soll, okay?“

ooOOoo


Ein paar Minuten und die eine oder andere Diskussion später fand sich John mit Rodney allein wieder; sie beide waren auf dem Weg zum Reaktorraum, wie Rodney den von John beschriebenen Raum bezeichnete. Der Kanadier redete fast pausenlos seit sie losgegangen waren, doch John war mit seinen Gedanken nicht wirklich bei der Sache.
‚Es wird Sie innerhalb von einer Minute grillen’, hallten Rodneys warnenden Worte in seinem Kopf wieder. Sah so aus, als konnte er das mit der grünen Wiese doch vergessen.
‚ Reiß dich zusammen, Mann’, schimpfte John leise mit sich selbst. Er hatte nicht vor, so seinen Tod zu finden. Nein. Er würde das schon hinbekommen- unter einer Minute- und es würde auch nichts schief gehen. Er hatte ein gutes Gefühl und er ignorierte es geflissentlich, dass er sich in Bezug auf dieses Gefühl schon mehr als einmal getäuscht hatte. Heute würde es anders werden- das wusste er einfach!
John reckte sein Kinn nach vorne. Da unten waren siebzig Personen, die nur darauf warteten, dass er Erfolg hatte und sie so nach Hause bringen würde. Er hoffte inständig, dass er mit seiner Annahme nicht falsch lag und dass das Schiff nicht, bevor er es geschafft hatte, in den Hyperraum sprang.

Rodney und er blieben stehen, starrten den vor ihnen liegenden dunklen Gang entlang. John erinnerte sich entfernt an diesen Abschnitt- ja, er war hier schon einmal gewesen. Da- da hinten lag noch immer das Trümmerteil, das Teyla um ein Haar zerquetscht hätte. Dunkle Erinnerungen kamen in ihm auf, John schluckte nur.
„ Ist es das?“, fragte er, auf eine schwere und verschlossene Eisentür deutend.
„ Ja, das ist es“, antworte Rodney zögerlich. Er reichte ihm seinen Tablettlaptop und zeigte erklärend auf eine Abbildung. „ So müsste der Hauptreaktor aussehen. Wenn diese Larrin so gerissen war, wie Sie sagen, dann wird sie es daran angeschlossen haben. Wenn nicht, dann müssen Sie suchen.“
John erwiderte ihm sarkastisch: „ Das wird dann aber länger dauern als eine Minute.“
„ Hey, ich hab’ gleich gesagt, dass das keine gute Idee ist“, verteidigte sich Rodney. „ Aber nein, Sie müssen mal wieder den großen Helden spielen.“
„ … und rette damit Ihren Hintern“, fügte John hinzu. Tief Luft holend nahm er den PC entgegen. Er sollte sich lieber beeilen, als jetzt noch melodramatisch zu werden.
„ John“, schallte Rodneys Stimme hinter ihm her und als er ein Blick zurück war, sah er den Wissenschaftler unschlüssig im Korridor stehend. „ Kann ich noch ein paar Worte sagen?“
Der Soldat drehte sich vollständig zu ihm um. „ So lange Sie es schnell machen, wir haben nämlich nicht den ganzen Tag Zeit.“
„ Tun Sies nicht; das ist Selbstmord“, platzte es unkontrolliert aus seinem Freund heraus.
Verblüfft von Rodneys ‚Ausbruch’, verlangte es einige Sekunden, ehe John wieder einigermaßen klar denken konnte und dann so trocken es ging erwiderte: „ Tja, das hätten wir uns vorher überlegen müssen, mein Freund.“
„ John?“, versuchte Rodney es ein zweites Mal.
„ Ja, Rodney?“
„ Passen Sie auf sich auf.“
John schmunzelte schwach. „ Ich werde versuchen, mich nicht grillen zu lassen.“

Mit diesen Worten ließ er Rodney allein im Korridor stehen, klemmte sich den Tablettlaptop unter den Arm und marschierte los. Er war sich seiner Sache nicht mehr so sicher wie noch vor ein paar Minuten, doch er wusste, dass es getan werden musste.
Sein Herz pumpte wild in seinem Brustkorb und als John die geschlossene Eisentür erreichte, glaubte er, dass es stehenblieb. Er drehte sich um, doch Rodney war bereits verschwunden. War vermutlich auch besser so…
John holte tief Luft und atmete geräuschvoll aus und legte dann seine Hände an die Tür. Warum konnte ausgerechnet dieses Ding hier nur manuell geöffnet werden?
Weil da hinter ein mit Strahlen verseuchter Raum liegt, antwortete ihm eine verquäkte Stimme.
„ Richtig“, murmelte er brummelig, „ hab’ ich doch glatt vergessen.“ Die Tür öffnete sich mühelos, als er sich mit seinem Körpergewicht dagegen stemmte. Nach kurzem Zögern betrat John den Raum und kam zu dem Schluss, dass Rodney mit seiner Aussage von ‚schlampigen Messungen’ nicht übertrieben hatte. Was auch immer da unsichtbar in der Luft lag und munter vor sich hin strahlte- es trieb ihm die Tränen in die Augen.
John wischte sich mit seinem Hemdsärmel über die Augen und schritt dann voran. Er hatte keine Zeit, um lange nachzudenken- sechzig Sekunden liefen.
Okay, okay- kein Grund zur Hektik. Er musterte Rodneys Beschreibung eingehend und sah sich dann in dem dunklen Raum um, nur um wenige Sekunden später erleichtert aufzuseufzen. Das Objekt der Begierde lag direkt vor ihm und etwas Blinkendes war daran angeschlossen- etwas, was da ganz sicher nicht hingehörte.
‚ Ach, Larrin’, dachte er verbittert, als er auf den Reaktor zueilte und Hand anlegte.
Ein zischendes Geräusch, Schmerzen in den Fingern und der Geruch nach verbranntem Fleisch ließen ihn jedoch zurückzucken. John knurrte vor unterdrücktem Zorn und betrachtete seine verbrannten Finger. Heiße Sache.
Ein flüchtiger Blick auf seine Uhr verriet ihm, dass er sich beeilen und diesem Raum schnellstens verlassen sollte; seine Augen tränten nun pausenlos und seine Haut kribbelte unangenehm. Es gab also doch einen Grund, warum man diese Tür geschlossen hatte.
Grübelnd musterte John die fremdartige Konsole (wenn es überhaupt eine war) und seufzte dann. „ Ach, was soll’s“, murmelte er und zog seine 9mm. Schlimmer, als das er sofort, bei lebendigen Leib verstrahlt wurde oder in die Luft flog, konnte es ja nicht kommen. Nach kurzem Zielen donnerte die kleine Kugel aus dem Lauf der Waffe und schlug präzise da ein, wo er es erwartet hatte- genau zwischen zwei dieser vielen blinkenden Dinger, von denen er keine Ahnung hatte, was sie bedeuteten. Jedenfalls hörte sie auf zu blinken- sehr zu Johns Zufriedenheit.

Er steckte seine Waffe zurück in das Holster, betrachtete sein ‚Werk’ für ein paar Sekunden und drehte sich dann um, verließ den Raum so schnell es ihm möglich war. Ächzend lehnte er sich gegen die schwere Tür, schloss sie. Mit einem lauten ‚Rums’ flog sie zu und eine Stille legte sich über den Korridor. War es vorbei? Noch war gar nichts vorbei!
Johns Haut kribbelte und die Tränen strömten ihm unkontrolliert über seine heißen Wangen. Er blickte auf die Uhr; eine Minute war vorbei und er fühlte sich…gut. Er fühlte sich wirklich gut. Außer ein paar äußerliche Symptome. Gut. Er wollte nicht an die anderen ‚Konsequenzen’ denken, die Rodney angeführt hatte… nein, er wollte erst einmal zurück zu den anderen. Ja, das war eine wirklich gute Idee!
Er schnappte ein letztes Mal nach Luft und lief dann los. Begleitet wurde er nach wenigen Metern von einem ohrenbetäubenden Lärm, der ihm durchs Mark fuhr und ihn dazu veranlasste stehenzubleiben.
„ Ach, was denn jetzt?“, schnappte er. Das klang ganz und gar nicht gut!

ooOOoo


Einige hatten diesen Raum noch nie näher beachtet, geschweige denn hatten die ihn betreten. Und so war es nicht verwunderlich, dass Staunen auf den Gesichtern mancher Besatzungsmitglieder lag, als sich das majestätische Gate zu aktivieren begann und die Chevrons in einem satten Goldton aufleuchteten.
Er hatte es geschafft. Elizabeth schloss in stiller Erwartung ihre Augen und als sie sie wieder öffnete sah sie den gewaltigen Eregnishorizont golden schimmern. Nur noch er trennte sie und die anderen von Atlantis. Nach so vielen Monaten fühlte sich der Gedanke ein kleines bisschen fremd am. Wie man in Atlantis wohl auf ihre Rückkehr reagieren würde? Was würde man zu den Veränderungen sagen? Es schwirrten so viele Fragen in Elizabeths Kopf herum ein leichtes Ziehen in ihrer linken Schläfe kündigte Kopfschmerzen an. Doch zum ersten Mal war ihr das egal.

Sie stand auf der untersten Stufe der Treppe, die hinauf zum Gate führte, und ließ ihren wachen Blick über die Anwesenden schweifen. In den meisten Gesichtern lag Freude und Erwartung. Manche jedoch schnitten besorgte Grimassen und anderen schien das alles hier nicht geheuer zu sein.
Elizabeth bemerkte, dass sich die Menge gruppiert hatte; es waren Gruppen von jeweils zehn Leuten. Das war gut- so konnte man sie besser durch das Gate schleusen und verhinderte, dass Panik ausbrach.
„ Wir werden Sie in Gruppen durch das Gate führen“, fasste sie schließlich noch einmal das nunmehr Offensichtliche zusammen, in der Annahme, dass es vielleicht doch noch nicht alle mitbekommen hatten. „ Bitte bewahren Sie Ruhe und bleiben Sie in der Gruppe, die man Ihnen zugeteilt hat.“ Sie hielt einen Moment inne, um über die aufmerksam zuhörende Menge hinwegzusehen. Den Moment der absoluten Ruhe auskostend, fuhr Elizabeth dann mit sanfter Stimme fort: „ Ich weiß, dass es für manche von Ihnen plötzlich kommen mag, aber bitte… bewahren Sie Ruhe. Nur so können wir gewährleisten, dass alles reibungslos abläuft und…“ Sie kam nicht dazu ihre kleine obligatorische Rede zu beenden.

Ein lauter und schriller Alarm ertönte, der sie und die anderen zusammenzucken ließ. Die kleinen Leuchten, die die Stege säumten, auf denen all die anderen Besatzungsmitglieder standen, verfärbten sich in ein dunkles, bedrohliches Rot. Über die Seitenwände des Gateriums zog sich ein dunkler Schatten.
Elizabeth starrte erschrocken in die Dunkelheit über sich. Der Alarm gellte in ihren Ohren, war nun nicht mehr durchgehend, sondern kam schubweise, geradezu pulsierend. Es war ein lauter Ton, der einem durch und durch ging. In seiner Art und Weise erinnerte er an etwas, das Elizabeth in den letzten Jahren nur zu oft gehört hatte. Ihr Herz blieb stehen und beengendes Gefühl breitete sich in ihrem ganzen Körper aus, der sich daraufhin anspannte.
‚Nein’, dachte sie nur. Wieso musste es nur so enden? Mit vor Panik weit aufgerissenen Augen, aber nicht wirklich registrierend, was passierte, begann sie die Leute durch das Gate zu winken. Sie mussten hier weg! Und das schnell!

Eine junge Wissenschaftlerin stürmte los, hatte das Gate fast erreicht, als ein dumpfer Erdstoß sie zu Boden riss. Der Länge nach fiel sie zu Boden, ihr Armknochen gab unter dem Aufprall knacksend nach. Die junge Frau schrie auf, doch nicht wegen dem spitzen Knochen, der sich durch ihre Haut bohrte, sondern vielmehr wegen dem hellen, glühenden Etwas, dass von oben auf sie herabregnete und sich mit einem Zischen durch ihre Uniform fraß.
Hinter ihr hallten weitere Stimmen auf und Elizabeth beobachtete fassungslos, wie die Gruppen auseinander trieben, als der Boden unter ihren Füßen zu beben begann. Lautes Getöse brach los. Die Dunkelheit über ihren Köpfen wurde erschüttert von sich lösenden Metallteilen, die in hellen Feuerbällen auf die Menschen herabdonnerten und manche von ihnen brutal zu Boden riss.
Schnell war die Luft erfüllt von lauten, gequälten Schreien. Wehklagen und ängstliche Rufe zerrissen die Stille. Der Geruch von verbranntem Fleisch lag in der Luft.
„ Hier spricht Major Evan Lorne…“, drang es plötzlich aus ihrem Headset.
„ Deaktivieren Sie den Schild, Major“, krähte Elizabeth als Erwiderung, inständig hoffend, dass man sie auf der anderen Seite gehört hatte. Sie mussten hier weg, schnell.
Man hatte sie gehört. „ Ma’am?“ Evan Lornes Stimme klang aufrichtig überrascht, zugleich etwas verzerrt. „ Wir hatten Sie nicht…“

Elizabeth kreischte erschrocken auf, als sie etwas Großes und Glühendes auf sich zuschnellen sah. Ihre Muskeln spannten sich an und sie sprang einen halben Meter beiseite, wich dem herabsausenden Trümmerteil gerade noch rechtzeitig aus, bevor es dort aufschlug, wo sie noch eben gestanden hatte.
„ Deaktivieren Sie den Schild, verdammt noch mal“, herrschte sie in ihr Headset. Sie durften keine Zeit mehr verlieren! „ Sofort! Das ist ein Befehl, Lorne!“
„ Sie haben sie gehört, Sergeant“, hörte sie Evan Lornes Stimme gellen. „ Deaktivieren Sie den Schild, los!“

Elizabeth wartete nicht darauf, dass man ihr eine Freigabe gab. Wie im Trance griff sie nach der jungen Frau, die zu ihren Füßen lag, und zog sie hoch. „ Los, los, gehen Sie“, wies sie die vor Schmerzen wimmernde Frau an. Sie legte ihr einen Arm um die Taille und half ihr die verbleibenden Treppenstufen hinauf, ließ sie dann los. Die zitternden Beine der jungen Frau gaben unter ihrem Gewicht nach und sie stolperte stöhnend durch das Gate.
Voller Panik wirbelte sie herum und sah, wie Col. Mitchell begann die Leute in Richtung Gate zu schleusen. Die Gruppen waren so gut wie nicht mehr vorhanden, alle stürmten blind auf das Gate zu, wollten einfach nur noch weg hier.
Begleitet von panischem Geschrei lief Elizabeth die Treppenstufen hinab. Erst jetzt, wo alles so unübersichtlich war, bemerkte sie, dass ein paar Gesichter fehlten. Wo um alles in der Welt war John? Er hätte schon längst wieder hier sein müssen!
„ Rodney“, rief sie den Kanadier, als er von Col. Carter begleitet an ihr vorbeistürmte. „ Wo ist John?“ Doch sie erhielt auf ihre Frage keine Antwort; Rodney blickte sie zwar mit seinen blauen Augen groß an, wurde aber von der Menge mitgerissen, bevor er ihr etwas erwidern konnte.

Elizabeth spürte, wie ihr vor blinder Panik übel wurde. Die Menschen drängten sich an ihr vorbei in Richtung Gate, schrieen und jammerten vor Angst. Immer wieder wurde die Menge aufgewühlt, als neue brennende Trümmerteile inmitten von ihnen einschlugen. Dieses Schiff fiel auseinander- den Grund dafür kannte Elizabeth nicht, aber sie wusste, dass sie und die anderen keine Sekunde länger hier bleiben konnten.
Jemand bekam sie am Ärmel zu packen und ohne sich dagegen zu wehren, ließ sie sich von diesem Jemand mitreißen. Es war einfach nur ein heilloses Durcheinander; von allen Seiten wurde die angerempelt und schwere Militärstiefel traten ihre Füße platt.
Aber Elizabeth achtete darauf nicht. Nein, sie schloss ihre Augen, als sie auf der obersten Treppenstufe angekommen war, hielt sie geschlossen, als man sie mit durch das Gate zerrte. Sie öffnete sie erst wieder, als Major Evan Lornes Stimme sie erreichte.

Der Soldat stand mit geweiteten Augen oberhalb des lantianischen Gateraums, auf der Spitze der mit antikischen Zeichen versehenen Treppe, die hinauf in den Kontrollraum von Atlantis führte, und starrte in den Gateraum hinab, versuchte die neuen Eindrücke zu verarbeiten.
Elizabeth rief nach ihm, er hörte sie, sah sie an. Sie wollte zu ihm, wollte sich durch die Menge kämpfen, doch ein Gewicht, das sich an ihren Arm heftete, hinderte sie daran.
„ Teyla, nein!“, rief Elizabeth, packte die Athosianerin am Arm, hielt sie fest. Ihre Freundin war blind vor Tränen, wollte zurück stürmen, doch sie hinderte sie daran. „ Das wäre Selbstmord! Seien Sie nicht unvernünftig, bitte!“
Die Athosianerin flehte sie an, sie zurückzulassen, versuchte sich immer wieder loszureißen, doch Elizabeth wollte das nicht zu lassen. Je mehr Teyla versuchte freizukommen, desto fester packte sie sie. Sie konnte und durfte nicht zurück!

Es war ein Moment des Schreckens, als der Ereignishorizont mit einem lauten Knall zusammenfiel. Alle drehten sich in Richtung Gate, ein paar brachen zusammen, anderen strömten Tränen über die Wangen und wieder andere blickten einfach nur entgeistert drein. Was war geschehen?
Elizabeth schloss Teyla fest in ihre Arme, drückte den zitternden Körper ihrer Freundin eng an sich, als ein elektronisch klingender Alarm aus dem Kontrollraum die unheimliche Stille brach, die sich über den Gateraum gelegt hatte, und Sergeant Chuck- ein von Elizabeth sehr geschätzter Mitarbeiter- mit erstickter Stimme verkündete: „ Das Schiff, es… es…“
Er beendete seinen Satz nicht, aber jeder wusste, was er hatte sagen wollen: Das Schiff war zerstört worden! Warum, wusste niemand. Wieso, konnte keiner erklären. Irgendetwas war schief gelaufen, irgendetwas… war verdammt schief gelaufen!

TBC
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