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Be All Their Sins Remember'd von Nyada

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Mit gerunzelter Stirn saß er hinter dem Steuer seines Wagens, balancierte einen Coffee-to-go-Becher zwischen seinen Handflächen und blickte durch die die ziemlich verdreckte Frontscheibe. Er hatte den Wagen auf der gegenüberliegenden Straßenseite im Schutz der Büsche geparkt und konnte durch das geöffnete Tor direkt auf das Grundstück, auf den Hof und den Hauseingang blicken. Nichts, aber auch gar nichts entging seinen wachsamen Augen.
Aufmerksam verfolgte er die kleine Szene, die sich in diesen Augenblicken auf dem Hof abspielte, und beobachtete die beiden Gestalten mit starrem Blick. Als er sah, dass sie sich küssten, rümpfte er die Nase.

Alles zu seiner Zeit, sagte er zu sich selbst, leerte den Kaffeebecher und schmiss ihn in den Fußraum auf der Beifahrerseite, startete den Wagen und manövrierte ihn auf die Fahrbahn. Alles zu seiner Zeit, wiederholte er beschwörend. Lächelnd steuerte er seinen Wagen durch den dichten Verkehr San Franciscos, zurück in Richtung der Bay.

Heim.


*°*°*



„Sag erst mal nichts, okay?“, bat John, als er sie vorsichtig durch den Flur manövrierte. „Lass es einfach… einen Moment auf Dich wirken, verstanden?“

Teyla Emmagan nickte. „Ja, ich habe verstanden“, antwortete sie. „Aber“, meinte sie dann und versuchte durch John’s Finger hindurchzublinzeln, „ist es unbedingt nötig, mir deswegen die Augen zu zuhalten?“

„Nein“, erwiderte John und lehnte sich dann etwas vor, so dass sie seinen warmen Atem an ihrem Ohr spüren konnte. „Aber so macht es mir einfach mehr Spaß. Also bitte, tu mir den Gefallen und hör auf zu blinzeln. Denkst Du wirklich, ich merke das nicht?“

Auch wenn sie diese spielerische Seite an ihm liebte, verdrehte Teyla hinter John’s Händen die Augen. „Du bist es unmöglich“, seufzte sie. „Sind wir wenigstens bald da?“

„Einen Moment noch-“ Sie blieben stehen, und Teyla hörte, wie John eine Tür öffnete. „Wie gesagt“, meinte er, als er sie vorsichtig in einen hellen, warmen Raum führte, in dem es nach frischer Farbe und Holz roch, „lass es erst einmal auf Dich wirken.“

„In Ordnung“, versprach Teyla.

„Bereit?“

Sie nickte. „Ja“, antwortete sie ungeduldig.

„Na, dann.“ Sie spürte, wie John seine Hände langsam und sachte zurückzog. „Du kannst Deine Augen jetzt aufmachen“, hörte sie ihn schließlich leise sagen.

Auf dem Weg hierher hatte Teyla einige Vermutungen angestellt, was sie wohl erwarten würde, aber der Anblick, der sich ihr jetzt bot, als sie endlich die Augen öffnen durfte, verschlug ihr im wahrsten Sinne zunächst die Sprache und ihren Atem. Sie hielt überrascht die Luft an und spürte schon im nächsten Augenblick, wie ihr Tränen in die Augen stiegen und ihre Sicht trübten.
Vor ihr lag ein großer, quadratischer Raum, dessen Wände in einem zarten Gelbton gestrichen waren. Das Sonnenlicht fiel durch zwei große Fenster herein, leuchtete das ganze Zimmer aus und zeichnete jetzt, am späten Nachmittag, bizarre, gleichzeitig aber auch wunderschöne Muster auf den hellen Holzfußboden. Eines der beiden Fenster war geöffnet, und eine laue Sommerbrise wehte durch die schlichten, weißen Gardinen.

„Du… meine Güte.“ Teylas Kinnlade klappte herunter, denn sie konnte nicht glauben, was sie sah. Vor ihren Augen lag ein wunderschönes Zimmer, welches vor nicht einmal zwei Wochen noch vollständig kahl und unfreundlich gewesen war. Nicht einmal im Traum hätte sie sich vorstellen können, dass einmal etwas so Schönes aus diesem Raum werden könnte. Und jetzt… Jetzt war es perfekt, schlichtweg atemberaubend!

„Oh… John!“

Noch immer vollkommen überwältigt, ließ Teyla ihren Blick durch das liebevoll eingerichtete Kinderzimmer schweifen. Eine Wiege aus geweißeltem Holz mit einem weißen Betthimmel befand sich zu ihrer Rechten und zu ihrer Linken ein Schaukelstuhl nebst einer ebenfalls geweißelten Kommode und ein Wickeltisch. An den zitronengelben Wänden hingen Bilder von der Familie und von Freunden; Teyla lächelte ergriffen, als sie an der Wand über der Wiege die liebevollen Worte Little Princess entdeckte.
Der Raum sprühte nur so vor Freundlichkeit und Liebe. Die hellen, klaren Farben und die Möbel aus hellem Holz gaben ihm eine klar erkennbare Linie. Er war …
Teyla suchte nach dem richtigen Wort, aber es wollte ihr partout nicht einfallen. Perfekt traf es nicht ganz, denn das hier war mehr als perfekt. Alles in diesem Raum trug John’s Handschrift. Eine liebevolle, wenngleich auch etwas verrückte Handschrift, die Teyla dennoch zu Tränen rührte.

Sie drehte sich zu ihm um und schenkte ihm ein ergriffenes Lächeln. „Du bist doch verrückt“, flüsterte sie; ein leises Schluchzen mischte sich unter ihre zitternde Stimme.

„Wie findest Du es? Gefällt es Dir?“, erkundigte sich John unsicher. „Wenn es Dir nicht gefällt, dann-“

Mit zwei großen Schritten überbrückte Teyla die Distanz zwischen ihnen, stellte sich auf die Zehenspitzen, zog seinen Kopf zu sich herunter und verschloss seinen Mund mit ihren Lippen, bevor er auch nur noch ein weiteres Wort sagen konnte. Seufzend schlang sie die Arme um seinen Hals und küsste ihn innig auf die Lippen.

„Ist das ein ‚ja’?“, fragte John, als sie sich etliche heiße Küsse später zum Luftholen voneinander lösten. „Es gefällt Dir?“

„Ob es mir gefällt?“ Teyla lachte atemlos. „John, es ist wunderschön! Es… es ist absolut herrlich“, hauchte sie, befreite sich aus John’s Umarmung und machte sich daran, dass zukünftige Reich ihrer Tochter weiter zu erkunden. Überwältigt von all den neuen Eindrücken schlenderte sie durch das Zimmer, kreiste in der Mitte einige Male hin und her, steuerte dann auf die Wiege zu. Die Hand ausstreckend, strich sie über das helle Holz und betrachtete die Fotografie, die neben der Wiege auf einer kleinen Kommode stand.
Unwillkürlich hielt sie den Atem an. Es war eine Außenaufnahme von Atlantis oder, besser gesagt, des Piers während eines traumhaften Sonnenaufgangs. Die ersten Sonnenstrahlen brachen durch die Wolkendecke und hüllten die noch von Nebelschwaden umgebene Stadt in ein warmes, rot-goldenes Licht.

„Ich fand es irgendwie passend“, erklärte John, der nun zu ihr herübergeschlendert kam und die goldengerahmte Fotografie ebenfalls in Augenschein nahm. Er lehnte sich neben sie mit den Ellenbogen auf den Rand der Kommode und lächelte leicht. Sein Blick war noch immer auf das Bild gerichtet, als er mit emotionsreicher Stimme meinte:

„Ich möchte, dass unsere Tochter weiß, wo ihr Zuhause ist. Ihr richtiges Zuhause“, verbesserte er.

„Oh, John.“ Teylas Herz schwoll an, als sie ihn das erste Mal seit seinem Zusammenbruch vor zweieinhalb Monaten wieder über die Stadt der Vorfahren, sein ehemaliges Zuhause, sprechen hörte. „Danke“, flüsterte sie und lehnte ihren Kopf an seine Schulter, hob ihn nach wenigen Sekunden allerdings wieder an und blickte zu John auf. „Das alles bedeutet mir wirklich sehr viel.“

John legte einen Arm um ihre nunmehr kurvige Taille und zog sie so nah wie es ihr hochschwangerer Bauch zuließ an sich heran. „Ich bin nur froh, dass es Dir gefällt.“

„Es ist so wunderschön, John. Es gefällt mir sehr“, lächelte Teyla, legte eine Hand an seine Wange und stellte sich etwas auf die Zehenspitzen, um seinen Mund besser erreichen zu können. „Wirklich, ich danke Dir“, wisperte sie, bevor sie ihn zärtlich auf die Lippen küsste.

„Hoffentlich gefällt es ihr auch“, murmelte er nachdenklich, als er seine freie Hand auf ihren Bauch legte, der sich selbst unter dem fließenden Schnitt ihres Sommerkleides kaum noch verbergen ließ. Stirnrunzelnd streichelte er sanft über die Rundung ihres Unterleibes.

Teyla schmunzelte. „Weißt Du, wieso ich weiß, dass Du ein guter Vater sein wirst?“, fragte sie ihn, nahm seine Hand und führte sie zu der Stelle, an der ihr Ungeborenes gegen ihre Bauchdecke strampelte.

„Nein“, antwortete John und drückte seine Hand flach gegen ihren Bauch.

„Du machst Dir Sorgen“, sagte sie. „Du fürchtest ständig, dass es mir oder dem Baby an etwas fehlt- aber das ist nicht der Fall, weil Du uns so gut umsorgst.“

„Ich will halt nicht, dass euch beiden schlecht geht“, erklärte John verlegen. „I…Ihr seid alles was ich habe“, stotterte er und errötete leicht.

„Und das, John“, meinte Teyla, „ist der Grund, warum Du unserer Tochter ein großartiger Vater sein wirst.“

Unsicher zog er erst die eine, dann die andere Augenbraue in die Höhe. „Tatsächlich?“

„Tatsächlich“, bestätigte sie. Als ob es ihr beipflichten wollte, bewegte sich ihre Tochter in diesem Moment ruckartig, nur um ihr im nächsten Augenblick einen kräftigen Tritt zu verpassen. „Deine Tochter scheint mir zustimmen zu wollen“, keuchte sie lächelnd, stöhnte aber gleich darauf dumpf auf, als das Baby sie boxte. „Autsch“, zischte sie, verzog das Gesicht und krümmte ihren Oberkörper leicht nach vorne.

„Alles okay?“, fragte John leicht alarmiert.

„Ja, alles okay“, seufzte Teyla und richtete sich wieder auf. „Sie kann manchmal nur ziemlich kräftig zutreten, unsere Kleine.“ Lächelnd rieb sie sich über den Bauch. „Nicht wahr?“, wandte sie sich an ihr Ungeborenes, welches prompt mit einem weiteren Tritt auf die sanfte Stimme seiner Mutter reagierte.

„Ich kann es kaum erwarten, sie endlich kennenzulernen“, gestand sie aufgeregt. „Vier Wochen erscheinen mir nur so unglaublich lang. Am liebsten würde ich sie jetzt schon in meinen Armen halten.“

„Wir werden später alle Zeit der Welt haben, sie kennenzulernen, Teyla“, erwiderte John sanft, nahm ihre Hand und drückte sie.

„Du hast recht“, lächelte die Athosianerin. „Wir sollten diese letzten Wochen genießen. Auch wenn ich Dir sagen muss, dass ich, wenn ich mich hier drin so umsehe, nur noch ungeduldiger werde.“

John warf ihr einen fragenden Blick zu. „Es gefällt Dir also wirklich?“

„Aber natürlich gefällt es mir“, antwortete Teyla. „Dieser Raum ist… Es ist einfach perfekt. Alles in diesem Raum zeigt mir, wie sehr Du unser Kind liebst, John.“ Ihre letzten liebevollen Worte, zauberten ein breites Grinsen auf John’s Gesicht, und sie konnte seinen Stolz, seine Liebe und seine Vorfreude förmlich auf sich überspringen fühlen, als sie ihn küsste.
„Unser Kind wir es hier sehr guthaben“, flüsterte sie, streckte die Hand nach der Wiege aus und berührte die weichen Decken und Laken, in denen ihre Tochter schon sehr bald schlafen werden würde.

Genau in diesem Augenblick passierte es. Teyla hielt den Atem an und erstarrte.

Statt Vorfreude verspürte sie plötzlich etwas anderes. Kaum, dass ihre Finger den Stoff berührten, durchfuhr sie ein eiskalter Schauer und sie erschauderte. Ihr Herz zog sich in ihrer Brust kurz, aber kräftig genug zusammen, dass sie erschrocken den Atem entweichen ließ und die Hand ruckartig zurückzog.

„Teyla?“ John war sofort an ihrer Seite und berührte sie an der Schulter. „Stimmt irgendetwas nicht?“

„I…ich…“, war alles, was sie herausbringen konnte, ehe ihre Stimme versagte; der Rest des Satzes blieb ihr im Halse stecken. Völlig überrumpelt von den starken Emotionen, welche sie auf einmal verspürte, begann sie zu zittern. Erschrocken starrte sie auf die Wiege und die Decke hinab.

„Teyla? Tey, bitte rede mit mir! Was ist denn los?“, fragte John nervös und besorgt klingend. „Komm“, sagte er, griff nach ihrer Hand und wollte sie behutsam wegführen, doch Teyla sträubte sich.

„D…diese Decke…“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern. Sie streckte ihre zitternde Hand aus und glitt abermals mit den Fingerkuppen über die glatte Textur des Stoffes, die sich so vertraut anfühlte. „W…woher hast Du sie?“

„Ich habe sie gefunden, als ich Deine Sachen auspackte“, antwortete John. „Ich dachte, sie sei für das Baby.“

Teyla schüttelte mit dem Kopf und holte tief Luft, ehe sie mit emotionserstickter Stimme flüsterte: „Sie… sie gehörte…Torren. I…Ich habe sie d…damals für…Torren gemacht.“

„To- Oh, mein Gott! Teyla…“ John entließ einen tiefen Seufzer, als er begriff. „Oh, mein Gott, es tut mir leid“, beeilte er sich zu sagen. „Das wusste ich nicht. Ich wollte ja nicht… Oh, Gott!“

„Nicht“, wies Teyla ihn zurück, als er einen Schritt auf sie zumachte und in seine Arme schließen wollte. „Nicht“, krächzte sie und ballte ihre Hand um den samtenen Stoff der Babydecke.

„E...es tut mir wirklich so leid, Teyla“, wiederholte John. „Ich wusste nicht, dass-“

„Könntest Du… Könntest Du mich bitte einen Moment allein lassen?“ Teyla schluckte und sah ihn flehend an. „Bitte. Ich… ich möchte jetzt allein sein.“

„Teyla…“

„Bitte, John“, wiederholte Teyla mit bebender Stimme und drehte sich von ihm weg, so dass er ihre Tränen nicht sehen konnte. „Bitte geh.“

„Es tut mir leid“, sagte er ruhig. „Ich wusste nicht, dass Du sie für Torren gemacht hast. Hätte ich es gewusst, hätte ich sie nie-“

„Das weiß ich doch“, schluchzte Teyla. „Es… es ist nur…“ Wieder versagte ihre Stimme und sie schnappte nach Luft.

„Hey.“ John berührte sie sanft an den Schultern und drehte sie zu sich um. Als sie seinem Blick auswich, drückte er ihr Kinn mit dem Finger nach oben, sodass sie gezwungen war ihn anzusehen. „Es tut mir leid. Ich wollte das wirklich nicht.“

Teyla biss sich auf ihre zitternde Unterlippe.

„Wenn es Dir dabei besser geht, kaufen wir eine andere Decke“, schlug John vor. „Weißt Du was, ich fahr heute noch los und kaufe eine andere. Das ist gar kein Problem.“

„D…Darum geht es doch gar nicht“, seufzte Teyla und wischte sich mit ihren zitternden Händen die Tränen aus dem Gesicht. „Es… es… geht…Es geht um…“ Sie versuchte es wieder und wieder, jedoch ohne Erfolg. Jedes Mal versagte ihre Stimme aufs Neue und sie spürte, wie ihre Augen sich wieder mit Tränen füllten.

„Es geht um Torren“, erkannte John das eigentliche Problem. „Ach, Teyla.“ Seufzend schlang er die Arme um sie und zog sie zu sich heran. „Es ist nicht Deine Schuld“, flüsterte er. „Du kannst nichts dafür.“

Teyla schüttelte mit dem Kopf. „I…Ich hätte bei ihm bleiben sollen, John“, schniefte sie. „Es ist meine Schuld. Ich habe meinen Sohn verstoßen!“

„Nein, Teyla, das hast Du nicht“, entgegnete John in einem strengen Tonfall. „Wenn hier irgendjemanden die Schuld trifft, dann Torren’s Vater. Er hat ihn Dir weggenommen. Er hat die Entscheidung gefällt, Dir Deinen Sohn wegzunehmen. Es ist nicht Deine Schuld, sondern seine

„Aber-“

„Nichts ‚aber’. Es ist nicht Deine Schuld“, wiederholte er und nahm ihr Gesicht in die Hände. „Hörst Du? Es ist nicht Deine Schuld, Teyla.“

Er hatte recht- das wusste Teyla. Dennoch zog sich bei dem Gedanken an ihren geliebten Sohn ihr Herz in ihrer Brust schmerzhaft zusammen, und sie konnte nicht anders, als sich wieder und wieder zu fragen, was sie hätte anders machen können. Im Grunde wusste sie, dass John recht hatte; ihr war klar, dass Kanaan hinter ihrem Rücken niederträchtig gehandelt und sie bevormundet hatte. Ohne ihr Wissen hatte er eine Entscheidung getroffen, und Teyla fragte sich bis heute wieso. Es war unverständlich, wie der gutmütige, liebevolle Vater ihres Sohnes nur so grausam hatte handeln können. Er hatte sie in der Entscheidung vollkommen außen vor gelassen und sie so womöglich für immer von ihrem Sohn getrennt.
Teyla schluckte. Es verging nicht ein Tag, an dem sie nicht an ihren Sohn dachte, der vor wenigen Wochen drei Jahre alt geworden war. Drei Jahre, von denen sie den Großteil verpasst hatte, weil Kanaan sich das Recht herausgenommen hatte, allein über sie Zukunft ihres Sohnes zu entscheiden. Für sie war er noch immer das hilflose Baby, welches sie am Tage von Atlantis’ Rückkehr auf die Erde liebevoll in den Armen gewogen hatte. Ihre Erinnerungen an die letzten Momente mit ihrem Sohn waren selbst nach fast eineinhalb Jahren noch so frisch und klar, dass Teyla manchmal glaubte, es sei erst gestern gewesen, dass sie ihren Sohn in ihrem Quartier auf Atlantis sanft in den Schlaf gesungen hatte.
Torren hatte dieses Lied geliebt und ihr in den ersten Minuten mit großen, wachen Augen gelauscht. Den Daumen im Mund, war er schließlich doch eingeschlafen, und Teyla hatte ihn behutsam in sein Bettchen zurückgelegt, nicht ahnend, dass dies das letzte Mal sein würde, dass sie ihren Sohn friedlich schlafend sah.

John’s sanfte Hände holten sie aus der Vergangenheit zurück in die Gegenwart. „Komm“, sagte er mit liebevoller Bestimmtheit und führte sie zu der gepolsterten Fensterbank herüber. „Setz Dich hin.“ Gehorsam tat Teyla wie ihr geheißen und setzte sich, denn sie hatte weder Kraft noch die Lust jetzt mit John zu diskutieren. Mit einem tiefen Seufzer ließ sie sich auf die Polster sinken und umklammerte den Rand der Fensterbank fest mit den Händen.

„Ssh, ganz ruhig“, hörte sie John sagen. Er setzte sich neben sie und strich ihr beruhigend über den Rücken. „Denk an das Baby. Ihr tut der Stress nicht gut.“

Teyla nickte. „Ja, ich weiߓ, murmelte, lehnte sich John’s sanften Berührungen entgegen und schloss die Augen.

„Alles wird gut“, flüsterte er und begann sanften Druck auf ihre verspannten Steißmuskeln aufzuüben. „Das verspreche ich Dir, okay?“ Teyla stöhnte leise, als seine Hände ihren Rücken in stetigen, kreisenden Bewegungen zu massieren begannen, und schon bald spürte sie, wie sich ihre harten Muskeln langsam lockerten und entspannten.

„Gut so?“, erkundigte sich John.

Teyla stöhnte erneut. „Ja“, seufzte sie, ließ ihren Kopf nach vorne fallen und bog den Rücken durch. „Oh ja, bitte hör nicht auf. Das fühlt sich so gut an, John.“

Er lachte leise. „Wie sehr ich es doch vermisst habe, solche Worte aus Deinem Mund zu hören“, flüsterte er, arbeitete sich mit seinen Händen an ihrer Wirbelsäule hinauf zu ihren Schultern, schob ihr Haar beiseite und presste seine Lippen zärtlich auf den Flecken nackter Haut zwischen ihren Schulterblättern. Als sie spürte, wie er sie küsste, erschauderte Teyla sogleich und rutschte ein Stück von ihm weg.

„John…“

„Ich weiߓ, winkte er ab und senkte schuldbewusst den Blick. „Entschuldige bitte, das war unangebracht. Es tut mir leid. Ich hätte nicht-“

„Ach, John“, seufzte Teyla, nahm seine Hände in ihre und drückte sie sanft. John blickte auf und sah sie an. Seine haselnussfarbenen Augen flackerten und waren mit einem Mal so aufrichtig, dass Teyla schlucken musste, als sein Blick den ihren traf und festhielt.

„Ich verspreche Dir, dass Du Deinen Sohn wieder sehen wirst“, meinte John schließlich in einem Tonfall, der keinen Zweifel daran ließ, dass er es ernst meinte.

„Wie kannst Du so etwas versprechen?“, fragte Teyla dennoch, worauf John wie zu erwarten vorerst keine Antwort parat hatte. Die Wahrheit hing unausgesprochen zwischen ihnen in der Luft und sorgte für ein bedrückendes Schweigen.

„Weil ich es nun mal kann“, antwortete er nach einer Weile und drückte ihre Hände. „Ganz egal, was es mich kostet, Teyla, ich versprech’s Dir.“

„John…“

„Ich werde Dich zurück zu Torren bringen“, beharrte er.

„Und was ist mit Dir?“

John blickte auf und sah sie mit traurigen Augen an. Er sagte nichts, dennoch bekam Teyla die Antwort auf ihre Frage. Eine Antwort, die ihr nicht gefiel, mit der sie aber gerechnet hatte; er war noch immer nicht bereit, mit ihr nach Atlantis zurückzukehren. Er würde alles tun, um sie mit ihrem Sohn wiederzuvereinen- da war sich Teyla sicher-, aber selbst einen Fuß in die Stadt zu setzen, schien für ihn nicht infrage zu kommen.

„John…“ Er antwortete nicht und wich nun wieder ihrem Blick aus, wandte den Kopf ab.

In diesem Moment begriff Teyla, dass sie beide eine unsagbar schwere Bürde zu tragen hatten, die es ihnen unmöglich machte, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Ihr Wunsch, Torren endlich wieder in die Arme schließen zu können, wurde von Tag zu Tag stärker, während John’s Angst ihn ebenfalls von Tag zu Tag mehr vereinnahmte. Es würde nicht besser werden- dessen war Teyla sich bewusst. Es würde nur noch schwieriger für sie werden. Von Tag zu Tag immer schwieriger.

Bis es zu spät wäre.

Teyla schluckte. Es war an der Zeit, dass sich etwas ändern musste. Ihr zuliebe, John zuliebe und ihres Kindes wegen. Sie würden schon sehr bald eine Familie sein, und es konnte nicht so weitergehen. Also beschloss sie die Dinge in die Hand zu nehmen, bevor es endgültig zu spät war. John’s gespielten Frohmut und sein Tatendrang, ihr und ihrem Baby ein zuhause zu geben, hin oder her- sie brauchten Hilfe! Und Teyla wusste, dass es nur eine Person gab, die ihnen diese Hilfe bieten konnte.
Ebenso wie sie wusste, dass John alles andere als begeistert sein würde. Doch sie musste es versuchen. Dies war nicht die Zukunft, die sie sich wünschte.

Und aus ebendiesem Grund fasste sie einen Entschluss.

„Ich möchte Grace zu uns einladen.“ Sie sagte es viel überzeugter, als erwartet. „Hast Du etwas dagegen?“ Es war eine rhetorische Frage, natürlich hatte er etwas dagegen, aber darauf konnte und wollte sie dieses Mal keine Rücksicht nehmen. Umso überraschter war sie, als John mit dem Kopf schüttelte und verneinte.

„Nein“, antwortete er, „ich hab nichts dagegen. Du kannst sie einladen, wenn Du willst.“

Teyla fiel ein Stein vom Herzen. „Danke“, sagte sie und seufzte erleichtert. „Ich danke Dir, John.“

„Ja.“ Er nickte, ließ ihre Hände los, stand auf und ging. Verließ den Raum, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, und ließ sie allein im Kinderzimmer zurück. Schottete sich wieder einmal ab und schloss sie aus. Es war nicht das erste Mal, dass er so etwas tat, und Teyla hatte sich inzwischen daran gewöhnt, dass es Grenzen gab, die sie nicht überschreiten durfte, und dass John seine Freiräume brauchte. Es gehörte zu seinem Krankheitsbild, mit welchem sie sich in den letzten Wochen intensiv befasst hatte.

Als sie ihm nun nachblickte, wurde ihr klar, dass es die richtige Entscheidung war, Doktor Grace Kinsella zu sich einzuladen. Sie würde sie gleich morgen früh anrufen. Auch wenn das Gespräch womöglich erfolglos bleiben würde, war es hoffentlich ein Schritt in die richtige Richtung.

Wenn auch nur ein sehr kleiner.

*°*°*



„Ja, das ist es. Sie machen das fabelhaft, Misses Sheppard! Jetzt nur nicht aufhören zu pressen! Ja… Sehr schön. Pressen Sie!“

„WAS DENKEN SIE, WAS ICH HIER TUE?!“, schallte es wütend zurück, wovon sich der Arzt jedoch nicht beeindrucken ließ. Er blickte zwischen den Beinen seiner Patientin hervor und begann mit ruhiger und routinierter Stimme auf diese einzureden.

„Sie machen das wirklich gut, nur pressen Sie weiter“, drängte er sie. „Sie dürfen jetzt nicht aufhören. Der Kopf des Babys ist draußen, hören Sie? Ich kann Ihr Baby sehen! Nur noch ein paar Mal pressen, dann ist es soweit.“

Verständnislos schüttelte sie mit dem Kopf. „Ich bin so müde“, murmelte sie und sank erschöpft in die Kissen zurück. „Ich kann nicht mehr.“ Tränen stiegen ihr in die Augen und trübten ihre Sicht. „John?“, keuchte sie und spürte sogleich, wie er ihre Hand drückte.

„Ich bin hier, Liebling“, sagte er. „Ich bin hier.“

„Ich kann nicht mehr“, wisperte sie atemlos. „Ich will nicht mehr, John. Mach, dass es aufhört, bitte.“

„Ssht, alles wird gut, mein Schatz.“ Zärtlich strich er über ihr schweißnasses Haar. „Du machst das großartig. Es ist alles in Ordnung“, beschwor er sie und tupfte ihr mit einem kühlen Tuch fürsorglich den Schweiß von der Stirn. „Ich bin ja bei Dir. Ganz ruhig.“

„John“, wimmerte sie. „Ich kann nicht.“

„Ich bin hier“, wiederholte er. „Ganz ruhig. Wir schaffen das, hörst Du? Wir beide schaffen das. Komm, nimm einen tiefen Atemzug mit mir zusammen. Atme ganz ruhig ein und wieder aus, okay? So wie wir das geübt haben.“

„Ich…habe…Angst…John“, hechelte sie und klammerte sich panisch an seine Hand.

„Ich weiß, aber-“

„Oh, Gott“, unterbrach sie ihn stöhnend und kniff die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen. „Bitte nicht“, winselte sie. „Nicht schon wieder. Nicht- ich kann nicht m…“ Sie brach den Satz auf halber Strecke ab und entließ einen lauten, gepeinigten Schrei, als eine weitere Wehe über ihren geschwächten Körper hinwegrollte. „John!“, japste sie und langte nach ihrem Mann, bekam ihn am Handgelenk zu packen und umklammerte es so fest, dass er selbst kurz vor Schmerz aufstöhnte.

„Sehr gut machen Sie das, Misses Sheppard“, lobte der Arzt sie über ihren bebenden Körper hinweg. „Jetzt nicht aufhören! Pressen! Kommen Sie! Helfen Sie Ihrem Baby!“, feuerte er sie an.

Ächzend krümmte sie sich zusammen, alle Muskeln zum Zerreißen gespannt, tat wie von ihr verlangt und presste, presste so fest es ging, half ihrem Kind- ihrer Tochter.

„Pressen“, rief der Arzt.

„DAS TUE ICH DOCH“, keifte sie und bleckte die Zähne. Eine Strähne ihres dunklen Haars rutschte ihr in die Stirn, als sie ihren Kopf nach vorne auf ihre Brust fallen ließ und kräftig nach unten drückte. Ein lauter, verzweifelter, nach Erlösung verlangender, fast schon animalisch anmutender Schrei entrang sich ihrer Kehle, als die kundigen Hände des Arztes das Kind aus ihrem Leib herausmanövrierten, erst die linke Schulter, dann die rechte.

„Gleich hast Du’s geschafft!“ Die Stimme ihres Mannes überschlug sich beinahe, und er drückte ihre Hand. „Gleich… Oh, Gott!“ Den Blick zwischen ihre Beine gerichtet, erblasste er und riss die voller Staunen die Augen weit auf.

„So ist’s gut. Fast geschafft… Noch einmal pressen. Nur noch einmal… Ja… ja… Sehr gut… Ja… Und da kommt sie! Wir haben sie!“, verkündete der Arzt, als das winzige Baby nass und blutverschmiert aus dem Leib seiner Mutter hinaus und direkt in die kundigen Hände des Geburtshelfers glitt.

„Sie haben’s geschafft! Wir haben sie!“, rief er und säuberte rasch Mund und Nase des Neugeborenen.

„Oh, mein Gott!“ John lachte. Seine Stimme war heiser und tränenerstickt. „Ein Mädchen! Wir haben ein kleines Mädchen! Oh, Gott“, keuchte er dann auf einmal, „ich habe eine Tochter!“

„Wir haben eine Tochter“, verbesserte sie ihn schwach, aber liebevoll und rappelte sich etwas auf, um ihre neugeborene Tochter, die sich noch immer in den Händen des Arztes befand, in Empfang nehmen zu können. Wie gebannt starrte sie den Säugling an. Die Kleine sah aus wie ihr Vater- dieselben dunklen Haaren, dieselbe Nase. Ihre Tochter. Ihre kleine Tochter.

Ihre kleine,
ruhige Tochter.

„Schwester.“ Der Arzt hatte seine Stimme gesenkt und blickte mit unbewegter Miene auf das Baby hinab. Erst jetzt, in diesem Moment, wurde klar, was nicht stimmte. „Schwester!“, rief der Arzt erneut, dieses Mal etwas lauter und bestimmter, und erhob sich.

John verfolgte mit großen Augen, wie man seine neugeborene Tochter fort trug. „Was ist denn los?“, fragte er. „S…Stimmt etwas nicht? Warum schreit sie nicht? Müsste sie nicht schreien?!“

„J…John?“

„Piepen Sie sofort Doktor Wallace an. Schnell! Sie soll sofort herkommen!“

„J…John?!“

„Was ist mit meiner Tochter? Herrgott“, fuhr er den Arzt und die beiden Schwestern an, die sich über einen ruhigen, reglosen Säugling beugten, „reden Sie mit mir? Was ist mit meiner Tochter? Warum schreit Sie nicht?“

„Warum… Oh, Gott! John? J…John, bitte? Was ist mit meinem Baby? Was… Oh, nein, bitte… Bitte nicht… JOHN!”



Von einem erstickten Schrei geweckt, den er offensichtlich selbst ausgestoßen hatte, schreckte John Sheppard schweißgebadet aus dem Schlaf hoch. Keuchend kam er hoch, setzte sich auf, der Stoff seines T-Shirts an seinem schweißnassen Körper, seinem Rücken, seiner Brust, klebend. Zutiefst beunruhigt von den Geschehnissen in seinem Traum, rieb sich John am ganzen Leib zitternd über sein erhitztes Gesicht und atmete ein paar Mal tief ein und wieder aus. Ganz ruhig, John, sagte er sich, versuchte sich selbst und seinen rasenden Herzschlag zu beruhigen. Ganz ruhig, alter Junge, es ist alles in Ordnung. Es war nur ein Traum, nur ein…

Ein leises, feminines Seufzen ließ ihn innehalten. Langsam drehte John den Kopf zur Seite und seufzte erleichtert, als er Teyla’s Silhouette neben sich ausmachte. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt, schlief mit dem Gesicht zum Fenster. Ohne groß darüber nachzudenken, schlüpfte John wieder unter die Bettdecke, rutschte nah an die Athosianerin heran und schmiegte seinen Körper in die Mulde ihres Rückens. Die Nase in ihrem honigbraunen Haar vergrabend, das wie ein Fächer auf dem Kopfkissen ausgebreitet lag, schlang er den Arm um ihre Hüfte und zog sie an sich.

„John?“ Teylas schläfrige Stimme ließ ihn erstarren. Gähnend drehte sie sich halb zu ihm um und sah ihn über ihre Schulter hinweg müde an. Ihr Blick war verhangen, ihre Lider flatterten und hingen auf Halbmast, schlossen sich, als John sich rasch vorbeugte und sie küsste. „Ist alles in Ordnung?“, hörte er sie fragen.

„Jaja“, beeilte er sich ihr zu antworten, „alles okay. Schlaf weiter, Teyla.“ Er küsste sie auf die Stirn und rollte sie dann sanft in ihre ursprüngliche Position zurück. Teyla seufzte wohlig, als er seinen Körper enger als zuvor an ihren schmiegte, und tastete in der Dunkelheit nach seiner Hand.

„Es ist alles in Ordnung. Es war nur ein Traum“, murmelte sie, führte seine Hand an ihre Lippen und küsste seine Knöchel, ehe sie sie auf ihrem runden Bauch bettete und mit ihrer zudeckte. „Alles….wird gut, John“, waren ihre letzten Worte, bevor der Schlaf sie übermannte.

„Ja, das wird es“, flüsterte er und streichelte über ihren Bauch, lächelte, als er spürte, wie sich das Baby unter seine Hand bewegte. Nur ein Traum, wiederholte er in Gedanken und schloss die Augen, auch wenn er wusste, dass er bis zum nächsten Morgen nicht wieder einschlafen würde.

Fortsetzung folgt…
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