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Mauern von Jenny

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Vorwort



Spoiler: Sha’uris Tod, Meridian
Mauern


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"You can never reach enlightenment if you do not believe you are worthy,"

"Then I guess we may have a problem."


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“Hey.”

“Hey.”

Daniel laechelte innerlich. Es schien, als begannen all ihre Dialoge mittlerweile so. Wahrscheinlich dachten sie sich nichts dabei, doch je laenger sie zusammen arbeiteten, desto aehnlicher wurden sie sich.

„So...was steht auf dem Plan?“, wollte Jack wissen und verbarg seine Haende in den Hosentaschen, waehrend er spielerisch mit den Fuessen hin und her wippte. Dabei blieb er im Tuerrahmen zu Daniels Buero stehen und betrachteten den Archaeologen interessiert.

Dieser liess seinen Blick ueber die Stapel an Buechern gleiten, die auf seinem Schreibtisch verteilt lagen und starrte dann wieder vielsagend in die Richtung seines Freundes.

Jack hob nur verstehend die Augenbrauen und schnappte sich beilaeufig ein Magazin, das er ohne grosses Interesse aufschlug.

Drei Monate waren seit Sha’uri’s Tod vergangen und Daniel hatte gehofft, die Leute wuerden endlich von ihm ablassen, ihm den Freiraum geben, den er im Moment so bitter noetig hatte.

Mit grosser Muehe und Selbstdisziplin hatte er eine Mauer um seine Gefuehle herum aufgebaut, die von niemandem erschuettert werden konnte.

Aber stolz war er darauf nicht.

Es war das Werk eines Feiglings. Eines jungen, verbitterten Mannes, dem klar war, warum er diese Mauer so noetig hatte.

Nicht, weil er den anderen beweisen wollte, wie stark er war und wie gut er mit allem klar kam...nein, die Wahrheit war viel subtiler, viel abstrakter als der aeussere Schein.

Er selbst brauchte diese Mauer weil er die Tatsache, dass seine geliebte Frau nicht mehr lebte nicht akzeptieren konnte.

Daniel konnte es einfach nicht einsehen. Die Mauer war ein Mechanismus, den sein mentaler Autopilot kurz nach der Tragoedie erschaffen hatte, um ihn nicht in den Wahnsinn zu treiben.

In seinem Geist war Sha’uri noch immer da draussen, noch immer besessen von einem Goa’ uld und er wuerde sie bald finden...und retten.

Alles andere konnte seine Gefuehlswelt im Moment nicht ertragen.

Es schien fast so das, je mehr er sich dazu zwang, die bittere Realitaet einzusehen, desto mehr blockte sein Geist ab.

Alles, was Sha’uri betraf schien in einen Safe eingeschlossen worden zu sein, und er hatte keinen kontrollierten Zugriff darauf.

Nur manchmal, wenn er erschoepft von einer Mission zurueckkehrte, oder wenn er beim einkaufen eine Frau sah, die Sha’rui aehnelte, broekelte seine Mauer. Es war fast wie ein mentaler Code, der geknackt werden musste, um Zugriff auf seine Gefuehle zu erhalten, eine Kombination von Faktoren, die ihn an sie erinnerten.

Letzte Woche war es der Geruch von Mehl, das in einer anliegenden Baeckerei frisch hergestellt worden war. Davor war es ein schwarzes Haar, das er in seinem Tagebuch der Abydosmission fand. Immer dann legte sich ein Schalter in seinem Geist um und die Hoelle brach los.

Von einer Sekunde auf die naechste wurde er vom Schmerz fast erschlagen, so als ob ein Haus ueber ihm zusammen brechen wuerde. Sein Herz begann hektisch zu schlagen, sein Koerper fuehlte sich kalt und klamm an. Er verlor komplett den Sinn fuer die Realitaet und wusste manchmal nicht einmal mehr, wo er war oder wieso er sich dort aufhielt.

Wenn das passierte fluechtete er sich gewoehnlich fuer einige Stunden in die Einsamkeit und versuchte, den unerträglichen Schmerz in seiner Seele zu mildern, doch es half alles nichts.

Wie sehr er auch weinte, gegen Waende schlug oder Muelleimer durch die Gegend schoss- der Schmerz liess nicht nach.

„Was macht der Daumen?“, fragte Jack dann, um die Unterhaltung weiterzufuehren, vor der Daniel sich so fuerchtete.

Er wollte nicht mit Jack sprechen, denn Jack war der Einzige, der zu verstehen schien, was vor sich ging. Ganz gleich, wieviel Muehe er sich gab, jedem eine heile Welt vorzuspielen, sein Freund schien ihn wie ein offenes Buch zu studieren.

Froh darueber, dass die meisten Leute mittlerweile dachten, er sei ueber den schlimmsten Schmerz hinweg, hatte er die letzten Wochen ein halbwegs entspanntes Leben gefuehrt, ohne staendig sporadische „Wie geht’s?“ oder „Wie kann ich dir helfen?“ Fragen beantworten zu muessen.

Jeder liess ihn einfach gewaehren, unwissend, dass er nicht mal annaehernd damit begonnen hatte, den Verlust ueberhaupt einzusehen, geschweigedenn zu verdauen. Aber da gab es dann Jack, dem das alles sehr klar zu sein schien, und genau das machte Daniel Angst.

Er wollte nicht darueber reden, denn darueber zu reden konnte ihn unter Umstaenden die Fassung kosten, und das durfte nicht passieren. Wenn er jetzt die Fassung verlor, wie gross waren dann die Chancen, dass all der Schmerz, den er so sorgfaeltig in seinem Unterbewusstsein versteckt hatte ploetzlich mit aller Gewalt an die Oberflaeche schoss?

Wie wuerde er diese riesige Menge an Schmerz verkraften koennen? Konnte ein Mensch das ueberhaupt? Waren seine Emotionen zu so etwas faehig?

Warum liessen sie ihn nicht einfach alleine? Auf diese Weise konnte er stueckchenweise an dem Trauma knabbern und vielleicht irgendwann einmal der Mann sein, der er vor Sha’uris Entfuehrung war.

Stattdessen aber brachte Jack alles immer gerne auf den Punkt und Daniel hatte momentan wahrlich keine Kraft mehr, einen weiteren Nervenzusammenbruch durchzustehen.

„Hm?“, fragte er zurueck, nachdem er abwesend auf eine Tonvase gestarrt hatte, die auf einem der Regale als Buchstuetze fungierte.

„Was dein Daumen macht? Fraiser sagte, es sei eine Infektion. Nimmst du deine Antibiotika?“

Bei dem Gedanken oeffnete Daniel eine Schublade seines Schreibtisches und holte die angebrochene Tablettenpackung hervor. Vorgestern hatte er sich auf einer Mission an einem Dornenstrauch verletzt. Keiner hatte zuviel darueber nachgedacht, bis sein Daumen anfing, sich blau zu verfaerben.

Deshalb waren sie verfrueht zurueckgekehrt, Fraiser hatte den Dorn entfernt und die Verfaerbung auf eine allergische Reaktion verbunden mit einer Infektion zurueckgefuehrt.

Unter Jacks wachsamen Augen holte er eine Tablette aus der Packung heraus und schluckte sie mit kaltem Kaffee herunter.

„Zufrieden?“, murmelte er, als der bittere Nachgeschmack des Antibiotikums auf seiner Zunge brannte.

„Fast.“, erwiderte Jack und legte das Magazin beiseite, das er mittlerweile zusammengerollt hatte. Daniel verkniff sich eine Bemerkung und starrte beschaeftigt auf seine Unterlagen.

„Was macht Kasuf?“, wollte Jack dann wissen.

Daniel laechelte abwesend- nicht aus Freundlichkeit, sondern weil Jack’s Versuch, ihn zum sprechen zu bringen so offensichtlich war, waehrend O’Neill ironischerweise davon ausging, sehr subtil an das Thema heranzugehen.

„Wir waren zusammen auf Abydos, als ich ihn zuletzt gesehen habe- daher weiss ich genauso viel wie du.“

„Es haette ja sein koennen, dass du mal zwischendurch nach Abydos gereist bist um...“

„Um was?“, unterbrach er ihn harsch und blickte auf, „Um Sha’uris Grab zu besuchen? Wie koennte ich das tun, du hast mich in den letzten Monaten ja kaum aus den Augen gelassen...“

Jack sah ihn ueberrascht an und Daniel schuettelte reuevoll den Kopf.

„Tut mir leid.“

„Ist schon ok.“

Jack tat so, als blicke er sich in Daniels Buero um, aber stattdessen musterte er seinen Freund ganz genau.

Daniels Lippen waren leicht geoffnet, so als wolle er etwas sagen, aber seine Augen rasten bereits wieder beschaeftigt auf dem Schreibtisch herum, so als suchten sie etwas, um sich abzulenken.

Schliesslich blieben sie an einem Objekt haengen, aber es war kein Buch. Nicht mal ein Artefakt.

Es war ihr Bild.

Fuer Sekunden schien er zu erstarren, seine Augen verdunkelten sich unter dem Ballast der Schuld, die er sich selbst fuer ihren Tod gab, doch dann...so als sei nichts geschehen, blickte er wieder auf und laechelte.

„Und...was machst du heute abend?“, wollte er gespielt interessiert wissen.

Jack zuckte kurz mit den Schultern und wandte sich dem Regal an Artefakten zu, das direkt neben Daniels Schreibtisch stand. Es gab ihm die Moeglichkeit, seinem Freund naeher zu sein, anstatt gegenueber von ihm zu stehen.

„Deshalb bin ich hier. Fraiser meint, du brauchst eine Pause.“, sprach er und spielte mit einer Miniatur- Gebetstrommel.

Das Klimpern weckte Daniels Aufmerksamkeit und er blickte angespannt in Jacks Richtung.

„Ich habe ihr letzte Woche schon gesagt, dass ich einfach nur wieder in meinen normalen Alltag zurueckkehren muss. Solange ich beschaeftigt bin, bin ich ok.“, warf er ein und Jack hob erstaunt die Augenbrauen.

„Eigentlich hat sie das wegen deinem Daumen gesagt- aber wo wir dabei sind..“

Daniels Kopf fuhr hoch und der Archaeologe blickte ihn ertappt an.

Fuer einen kurzen Augenblickt glaubte Jack sogar, Angst in seinen Augen gesehen zu haben.

„Ich will nicht darueber reden, Jack.“

„Ich weiss.“, erwiderte er kryptisch und stuerzte Daniel nur noch tiefer in die Verwirrung- genau das, was er auch erreichen wollte.

Wenn es nach dieser Tragoedie irgendeine Moeglichkeit gab, zu ihm durchzudringen, dann nur, indem man ihn aus der Reserve lockte.

„Warum bist du dann hier?“, wollte er wissen und stand von seinem Schreibtisch auf, damit er –beschaeftigt wie immer- in seinem Aktenschrank nach einem Missionsbericht suchen konnte.

„Sagen wir es mal so...“, Jack schluckte und gab sich Muehe seine Stimme so ruhig und fest wie moeglich zu halten. Aber die Tatsache, dass Daniel wie sein Abbild vor einigen Jahren handelte, beruehrte ihn tiefer, als er es sich eingestehen wollte.

Auch er hatte es verleugnen wollen, lebte jahrelang in einer Traumwelt, isolierte sich von all seinen Freunden und wachte erst wieder auf, als er in das gluehende Ende einer Stabwaffe blickte- und auf den Menschen, der sich zwischen ihn und ihre Entladung warf.

„Ich habe damals auch geglaubt, dass ich es im Griff habe. Ich wuerde es unter Kontrolle bekommen, wenn es hoch kam.“

Und wie glorreich er gescheitert war.

Natuerlich hatte niemand jemals gesehen, wie sehr Charlies Tod ihn wirklich veraendert hatte, wie es ihn jeden Tag von neuem auffraß- aber es waren die inneren Wunden, die er sich selbst zugefuegt hatte, die ihm noch heute zu schaffen machten.

Wie oft schon hatte seine Seele nach jemanden gerufen, mit dem er darueber sprechen konnte, doch sein Stolz und seine Angst verboten es.

Wenn...falls er jemals offen darueber sprechen konnte, wuerde alles wieder so real sein, wie an dem Tag, an dem es geschah. Und Jack wusste nicht, ob er die Kraft hatte, das noch einmal zu durchleben.

Alles was er tun wollte war zu vergessen.

Solange er sich ablenken konnte, ging es ihm gut.

Zumindest solange bis es Abend wurde und eine weitere Nacht voller Schuldgefuehle und Selbstzweifel anstand...

„Ich weiss nicht, wovon du redest.“, erwiderte Daniel mit kalter Stimme, waehrend seine Augen eine andere Sprache sprachen. Aber die waren derzeit damit beschaeftigt, in dem dimmen Licht nach einem Journal zu suchen.

„Aber je mehr ich versuchte, es zu verdraengen, desto schlimmer wurde es.“, fuhr Jack unbehelligt fort und stellte sich genau neben seinen Freund. Wenn er schon selbst nicht lernte, mit seiner Trauer klar zu kommen, konnte er doch zumindest Daniel dabei helfen.

Dieser hielt inne und starrte gedankenverloren in seinen Aktenschrank. Kaffeetasse in einer Hand, den Griff der Schranktuer in der anderen, haderte er mit sich, ob er auf Jacks Versuche eingehen oder sie weiterhin ignorieren sollte.

Hatte er genug Ueberzeugungskraft, um ihm vorzuspielen, alles sei in Ordnung? Wuerde Jack es ihm abkaufen? Was, wenn er weiterhin darueber sprechen wollte? Wie konnte er nur das Thema wechseln, damit er nicht ueber seine Gefuehle sprechen musste? Wie sollte er ueberhaupt ueber seine Gefuehle sprechen, wenn er sich ihnen doch selbst nicht bewusst war?

„Viele hier im Stuetzpunkt glauben, du waerst wieder ok.“, begann Jack einen neuen Anlauf und diesmal blickte Daniel ihn ueber seine Schulter hinweg an. Der Schmerz, der tief hinter seiner dicken Fassade verborgen lag, zeigte sich fuer einen Sekundenbruchteil.

Bestaetigt fuhr Jack fort.

„Aber du bist es nicht. Nicht einmal annaehernd.“

Daniel zuckte innerlich zusammen. Schon war die Katze aus dem Sack. Soviel zum Thema Ueberzeugungskraft.

„Was erwartest du?“, wollte er dann angespannt wissen.

Welchen Unterschied machte es schon, was die anderen vom Fortschritt seines Trauerprozesses hielten? Letztendlich war er es doch, der mit sich selbst klar kommen musste und solange er seine Arbeit zufriedenstellend erledigte, wollte er einfach nur in Ruhe gelassen werden.

Er war sowieso viel zu muede.

Doch es war keine physische Muedigkeit, sondern eine psychische. Sein Geist hatte keine Kraft mehr, jeden Tag nach Antworten auf die selben Fragen zu suchen. Warum war er nicht im Tempel geblieben? Warum hatte er sie nicht mitgenommen? Warum lebte er noch und sie nicht? Wie konnte er die Zeit zurueck drehen und alles ungeschehen machen?

Und er hatte an wahrlich schoene Plaene gedacht, in denen er seine geliebte Frau retten konnte und sie zusammen den Rest ihres Lebens auf Abydos verbringen und mit Stolz ihre Kinder erziehen wuerden.

In anderen Alternativen waren sie zusammen auf die Erde zurueckgekehrt und hatten sich ein huebsches Haus in Colorado Springs gekauft. Er wuerde sie zu den wunderbarsten Plaetzen dieser Erde fuehren, sie koennten Kreuzfahrten und Wanderungen unternehmen und einfach nur die Tatsache geniessen, dass sie beieinander waren.

Aber all diese wundervollen Traeume waren ihm entrissen und durch eine Leere ersetzt worden, die sein Geist weder verstehen noch ertragen konnte.

Die platonische Frage, warum genau ihm das geschehen war blieb dabei immer als letztes stehen. Und bevor er endlich, nach stundenlangen naechtlichen Debatten einschlief, fiel ihm zumindest darauf die Antwort ein.

Er war ein Versager und sie war ihm als Strafe weggenommen worden, weil er es nicht anders verdiente...

+++

"You believe your journey is still not over."

"Actually, I'm not entirely sure what the point of my journey, so far, has been. I mean, if it's about being honest with yourself…I believe my entire life has been a failure."


+++

Jack beobachtete ihn fuer einige Sekunden besorgt, denn er hatte nicht gelogen, als er Daniel auf Fraisers Besorgnis ueber seinen Gesundheitszustand angesprochen hatte.

Ihre letzte Mission hatte nur auf Jacks ausdrueckliche Bitte hin stattgefunden, denn selbst dem General waren Geruechte ueber Daniels schlechte Ess- und Schlafgewohnheiten zu Ohren gekommen.

Die medizinischen Tests bestaetigten diesen Trend.

Fraiser hatte ihn auf die rapide Gewichtsabnahme in Verbindung mit starken Migraeneanfaellen hingewiesen und eine kurzzeitige Beurlaubung vom aktiven Dienst in Verbindung mit psychologischer Betreuung angeboten.

Allerdings wuerde sich Jack eher die Hand abschneiden, als Daniels psychische Probleme noch einmal in die Haende von sogenannten Fachaerzten zu legen, die ihre Patienten nur in die Kategorien „krank“ und „gesund“ einteilten und mit Ehrgeiz die Vermarktung neuster Psycho-Meds unterstuetzten, ohne ueberhaupt auf die Ursache der Probleme einzugehen.

Ja, zugegebenermaßen glichen Daniels Stimmungen in den letzten Wochen einer Achterbahn. In einem Moment wirkte er unbesorgt und freudig, im naechsten explodierte er und schmiss ihm Vorwuerfe an den Kopf.

Aber Jack nahm es nicht persoenlich. Er selbst war schon oft genug da gewesen und wusste, wie schlimm der Schmerz war. Umso mehr sah er nun ein, wie wichtig seine Hilfe war.

„Nichts.“, entgegnete er schlicht, „Du musst mir nichts beweisen. Und du solltest dir selbst nichts beweisen muessen.“

Daniel starrte ihn mit einer Mischung aus Frustration und Entsetzen an. Doch noch bevor er etwas erwidern konnte, unterbrach ihn Jack.

„Sie war deine Frau, Daniel. Keiner hier erwartet, dass du nach drei Monaten freudestrahlend durch die Gaenge rennst und so tust, als sei nie etwas geschehen.“

Sein Blick wanderte auf Daniels Hand, die den Hebel zum Aktenschrank so fest umklammerte, dass seine Knoechel weiss hervor traten. Ihm entging ebenfalls nicht, wie Daniel nervoes einen kleinen Schritt zur Seite wich, um mehr Distanz zwischen ihn und sich zu bekommen.

„Wir haben viele wichtige Aufgaben. Es geht um das Schicksal des Universums.“, stellte der Archaeologe dann emotionslos fest, „ Das Leben muss weitergehen.“

‚Wem versuchst du hier etwas vorzumachen?’ dachte Jack sich grimmig und erinnerte sich daran, wie er Daniel vor einigen Wochen auf der Heimfahrt angetroffen hatte, als er bei Minustemperaturen um zwei Uhr nachts im Park spazieren ging.

Mit schlotternden Zaehnen hatte er ihm dann erklaeren wollen, dass dies ihn naeher an die Uebersetzung von irgendwelchen Antikertexten fuehrte.

Ja, klar, natuerlich.

Jack hatte ihn mitten im Satz unterbrochen, in sein Auto gezerrt, daheim vor den Kamin gesetzt und betrunken gemacht. Und als er am darauffolgenden Tag nach ihm sehen wollte, war Daniel verschwunden.

Auf eine Erklaerung seines Verhaltens wartete er bis heute noch, denn beim naechsten Zusammentreffen tat er so, als sei nie etwas geschehen.

„Du musst einsehen, dass es kein schlechter Albtraum ist, sondern bittere Realitaet.“, sprach er dann und Daniel blickte auf, als waere er gerade geohrfeigt worden. Jack hatte tagelang darueber nachgedacht, wie er das Thema am besten angehen konnte, doch nun fuehlte er sich schlecht, als er in Daniels verzweifelte Augen sah.

War es zu frueh fuer diese Diskussion? Behandelte er das Thema nicht pietaetvoll genug? Er wusste es nicht mehr. Aber er wusste eins. Dieser Teufelskreis aus Verleugnung und Selbstvorwuerfen musste enden.

Jeden Tag trieb es ihn naeher an den Rand der Resignation und Jack wusste sehr genau, was danach kam...

Eine Antwort blieb aus, und so fuhr er fort.

„Und irgendwann, wahrscheinlich erst in ferner Zukunft musst du lernen, damit zu leben.“

Daniel wandte sich von ihm ab, als wollte er ihn aus seinem Geist blockieren. Doch so ganz schien er sich nicht von der Unterhaltung entfernen zu wollen, denn ungleich frueherer Versuche, war er noch nicht davon gestuermt.

Jack entschied, das Spiel weiterzufuehren, so lange er Daniels Aufmerksamkeit hatte.

„...wir...ich kann dir dabei nicht helfen, ich kann dir den Schmerz nicht abnehmen.“, erklaerte er ehrlich.

Wie sollte er ihm auch dabei helfen koennen, wenn er es selbst nicht hin bekam? Wichtig war jedoch, dass Daniel lernte, den Schmerz kontrolliert anzugehen, anstatt sich langsam aber sicher davon zerstoeren zu lassen.

Jack beobachtete, wie er den Kopf senkte, unsicher darauf wartete, dass sein Freund weiter sprach, weil er selbst nicht die Kraft hatte, etwas zu sagen.

„Aber ich kann fuer dich da sein.“

Daniel schloss bei seinen Worten kurz die Augen. Als er sie wieder oeffnete, hatten sich Traenen gebildet, die er schnell weg wischte.

Jack kaempfte dagegen an, ihn einfach zu umarmen, um ihm wenigstens etwas Unterstuetzung zu bieten, doch Daniel brauchte im Moment die Distanz. Wahrscheinlich gab es ihm ein falsches Gefuehl der Kontrolle.

Es war bestimmt nicht der beste Weg, mit dem Trauma umzugehen, aber Jack wusste auch, dass er ihn nicht zu weit draengen konnte, oder Daniel wuerde sich ihm komplett verschliessen.

Deshalb blieb er einfach ruhig neben dem Schreibtisch stehen.

Er sah, wie der Schmerz Daniel wie ein Messer in die Magengrube traf und er zu zittern begann. Normalerweise waere es ihm nicht aufgefallen. Aber es waren die kleinen Wellen schwarzen Kaffees in seiner Tasse, die ihm eine Ahnung gaben, mit welch innerer Anspannung Daniel versuchte, seine Haltung zu bewahren.

Dieser Zustand hielt einige Sekunden an, doch schliesslich holte er tief Luft und trank einen Schluck Kaffee.

Einmal mehr hatte er die Wahrheit erfolgreich daran gehindert, an die Oberflaeche zu kommen.

„Wenn du willst, dass wir heute Abend etwas unternehmen, solltest du mich jetzt arbeiten lassen.“, schlug Daniel vor, so als sei nichts geschehen. Doch die Erschoepfung von all dem emotionalen Stress stand ihm ins Gesicht geschrieben. Einzig das Brillengestell versteckte etwas von den dunklen Ringen unter seinen Augen.

Jack nickte und trat einen Schritt auf die Tuer zu.

„Gegen neun bei Carter. T. und ich bringen Pizza und Filme. Du Getraenke.“

Daniel blickte kurz auf, waehrend er bereits wieder beschaeftigt einige Journale aus dem Schrank kramte und auf seinen Schreibtisch legte.

„Bis heute Abend dann.“, entgegnete er mit dem Hauch eines Laechelns auf den Lippen.

Nach all den gespielten Gesten der letzten Wochen wirkte das fuer Jack wie ein Durchbruch durch die chinesische Mauer.

Einige harte Monate lagen hinter ihnen, und viele davon wuerden noch kommen. Doch wenn sie beharrlich genug daran arbeiteten, wuerde alles vielleicht irgendwann wieder so sein wie vor dem schicksalhaften Tag vor drei Monaten.

Sie konnten es zumindest versuchen. Und wann war SG-1 jemals gescheitert?

„Bis heute Abend dann.“, erwiderte er schliesslich grinsend und verliess das Buero.

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"The universe is vast, and we are so small. There is really only one thing we can ever truly control."

"What's that?"

"Whether we are good...or evil."


+++


Ende


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