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Freunde für immer von Jenny

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Teil 3


„Was tust du da?“, fragte Daniel und betrat Jonath’ kleines Zimmer, das er sich mit fünf anderen Waisenkindern teilte.
„Ich trainiere.“, erklärte dieser und vollführte Tritte und Fausthiebe in der Luft.
„Und wozu?“, erkundigte sich der kleine Achtjährige wieder und sein Freund unterbrach das Training lächelnd.
„Hat dir deine Mutter nie beigebracht, dass du nicht so viel fragen sollst?“
„Nein.“, entgegnete Daniel und strahlte vor Stolz, „Sie hat mir beigebracht, dass ich immer und viel fragen soll.“
„Na wenn das so ist.“, erwiderte Jonath und setzte sich mit dem Kleinen auf sein Bett.
„Wie sind deine Eltern eigentlich ums Leben gekommen?“, fragte der Ältere der beiden und Daniel zögerte einige Sekunden, als all die bösen Erinnerungen wieder hochkamen.
„Sie haben eine Ausstellung vorbereitet, als sich die Abdeckplatte eines Grabmals über ihnen lockerte. Ich habe es gesehen doch dann hat man mich von dort weggezogen und ich habe meine Eltern nie wieder gesehen.“
Jonath hörte still zu, was der Kleine zu erzählen hatte und entschloss sich, ihn ebenfalls über seine Kindheit bis zum Waisenhaus aufzuklären.
„Meine Eltern waren Trinker.“, verriet er, „Tag und Nacht haben sie sich nur angebrüllt oder gesoffen, bis sie so dicht waren, dass sie nicht mehr schreien konnten. Dann war wieder Ruhe- bis zum nächsten Morgen.“
„Warum bist du nicht bei einer Pflegefamilie?“, erkundigte Daniel sich und spielte mit seinem kleinen Plüsch- Teddy, den er auf dem Hof gefunden hatte.
„Ich konnte diese Leute nicht ausstehen, ständig wollten sie mich in die Kirche zerren damit ich einen Gott anbete, der so etwas, wie es mir passiert ist erlaubt hat. Da bin ich weggelaufen. Sie haben mich gefunden und wieder hier rein gesteckt.“
Jonath schossen bei dem Gedanken die Tränen in die Augen, doch er konnte sie zurückhalten. Er musste stark sein um sich und seinen neuen kleinen Bruder vor den Alltagstücken im Waisenhaus beschützen zu können.
„Haben sie dich geschlagen?“, fragte Daniel plötzlich und suchte Blickkontakt mit Jonath, der nur still nickte.
„Wenn ich nicht genug Geld zusammenklaute, damit sie ihren Tagesbedarf an Alkohol decken konnten, setzte es immer Prügel.“
Er spürte, wie die Hand seines kleinen Freundes nach seiner suchte und reichte sie ihm.
„Tut mir leid für dich.“, erklärte der kleine Achtjährige und Jonath war verblüfft, wie erwachsen er doch war für so ein zierliches kleines Kind.
Das Mittagessen wurde ausgerufen als Daniel ihm plötzlich seinen Plüsch- Teddy, seinen einzig wirklichen Besitz im Waisenhaus gab.
„Was ist damit?“, fragte Jonath nach und erhielt ein schwaches Lächeln.
„Harrison hat mich immer zum Lachen gebracht, wenn ich traurig war. Ich möchte ihn dir schenken, damit er für dich dasselbe tut.“

+++

Daniel stand noch zu sehr unter Schock um zu verstehen, wem er da gerade gegenüber stand.
Eine kleine Stimme in seinem Hinterkopf wiederholte immer wieder diesen einen Namen:

Jonath.

Doch sein Bewusstsein weigerte sich nach wie vor, den Fakt zu akzeptieren, dass er endlich seinen lange verlorengeglaubten Bruder wiedergefunden hatte.

Stoisch begutachtete er die Arbeit des diensthabenden Unfallchirurgen des Krankenhauses und zählte die Nähte, mit denen die tiefen Schnittwunden geschlossen wurden.

Je länger er darüber nachdachte, umso absurder wirkte das Geschehen für ihn, aber es war so, als sei mit den zwei jungen Rowdies etwas in ihm erwacht- ein Albtraum wurde zu neuem Leben erweckt- und sein Gehirn schaltete auf Autopilot.

Er erinnerte sich nur vage an das Geschehen und im Nachhinein tat es ihm leid, aber auf der Hinfahrt hatte Jonath ihm versichert, dass er alles regeln würde und er sich nicht zu sorgen brauchte.

Daniel beobachtete, wie der Arzt einen dicken Verband um seinen rechten Unterarm legte und ihm noch eine Spritze gegen die Schmerzen gab, danach war er fertig.

Immerhin verriet ihm ein Blick auf die Uhr, dass er fast anderthalb Stunden in dem Unfallraum der Klinik verbracht hatte. Jack würde wahrscheinlich schon die Wände hochgehen.

Daniel fühlte sich ausgelaugt, die Schmerzen hatten ihn geschwächt und ermüdet.

Trotzdem überschlug sich sein Herz fast bei dem Gedanken, sich mit Jonath zu unterhalten.
Der Arzt gab ihm noch einige Tipps, wie er sich in den nächsten Stunden verhalten sollte, doch er nickte nur stumm.

Als er dann endlich auf den Gang hinaus trat sah er, wie Jonath und Jack gleichzeitig von ihren Stühlen aufstanden und auf ihn zuliefen.

O’Neills Gesicht war angespannt und er versuchte seine Wut mit seiner Sorge unter ein Dach zu bringen. Daniel verdachte es ihm nicht.

Er hatte zwei Jugendliche zusammen geschlagen, dass sah ihm nun wirklich nicht ähnlich.
Jonath schien entspannter und lächelte freudig.

„Alles wieder in Ordnung?“, erkundigte er sich und Daniel nickte.

„Alles...bestens...nehme ich an.“

Jack hatte die Situation richtig gedeutet und winkte mit dem Autoschlüssel.

„Wie wärs, wenn wir uns irgendwo etwas zu essen holen, diese sterile Atmosphäre ruft viel zu viele unangenehme Erinnerungen hervor.“

Daniel wusste, was gemeint war und stimmte ihm zu.

„Wie hast du mich ausfindig gemacht?“, fragte Jonath und kaute nervös an einem Kaugummi herum.

„Durch die Bekannte einer Bekannten einer Bekannten.“, erläuterte der Archäologe und erntete ein Lächeln.

„Beeindruckend.“, erklärte der ältere Mann und deutete in die Richtung, in der Jack den Hummer geparkt hatte, „Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns jemals wieder sehen.“

Der Kommentar packte Daniel und er wusste nicht mehr, als ein stilles Nicken beizutragen.

„Wie ist es dir so ergangen? Abgesehen davon, dass du deine gewalttätige Ader entdeckt hast?“, erkundigte Jonath sich nach eine kurzen Weile des Schweigens und lächelte.

Doch Daniel konnte nicht einmal im Geiste darüber lachen. Er fühlte sich schlecht wegen dem, was er getan hatte.

Vielleicht war es das richtige gewesen, doch er war ein erwachsener Mann.

Er sollte wirklich ein besseres Beispiel für andere Leute sein.

„Mir geht’s gut. Ich habe Archäologe studiert, noch ein paar Doktorate mit drangehängt und arbeite jetzt für das Militär.“, erklärte er so lässig, als sei es das normalste der Welt.

Jonath zog die Augenbrauen hoch und machte dann eine Grimasse.

„Tja...ich habs dann leider nur bis zum Grundschullehrer geschafft. Währenddessen habe ich sämtliche archäologische Fachbereiche hier in der Umgebung nach dir umgekrempelt, aber ich habe keine Anhaltspunkte gefunden. Erst vor einigen Jahren, als von dem Tempeleinsturz in Ägypten ein Bericht im Fernsehen kam, haben die kurz deinen Namen erwähnt, aber all meine Anfragen wurden abgeblockt.“

Daniel stieg vorsichtig in den Wagen ein und ließ Jonath auf dem Beifahrersitz platz nehmen, während er es sich hinten bequem machte.

„Du hättest mich wahrscheinlich nie erreicht, ich war in den letzten Jahren ziemlich...beschäftigt.“, erklärte er dann und schnallte sich an.

„Das kann ich mir vorstellen, bei den Qualifikationen.“

Jack zog bei dem Kommentar eine Augenbraue hoch, doch hielt sich sonst aus der Diskussion heraus. Er spürte, dass die beiden jetzt erst mal einige Dinge besprechen mussten.

„Wie ist es mit dir? Was hast du gemacht, seit du aus dem Waisenhaus...“

Daniel traute sich nicht, den Satz zu vollenden. Zu viele negative Erfahrungen waren mit dieser Einrichtung verbunden.

„Tja...“, Jonath machte eine kurze Pause und fuhr sich dann durch das kurze braune Haar, „Also ich bin dann auf die High School gegangen, hab nebenher ein paar kleinere Jobs
gemacht um mich über Wasser zu halten, dann kam das College und so weiter und so weiter.
Die ewig leidige Geschichte.“

Daniel schien ein wenig verwirrt.

„Ich dachte, du wolltest nie aufs College.“

Der ältere Mann schien etwas irritiert, lächelte dann aber.

„Naja, du weißt doch wie die Zeit einen verändert. Sieh dir doch nur mal an, was aus dir geworden ist. Aus einem kleinen, rotzfrechen, sturen Bengel.“

„Also an dem rotzfrech und stur hat sich noch nicht viel geändert.“, warf Jack nebenher ein und bog rechts ab.

Schon bald hatten sie das Restaurant erreicht.

+++

O’Neill hatte beschlossen, die beiden vorerst allein zu lassen und war zu einer nahegelegenen Autowerkstatt gefahren, um die Seitenscheibe ersetzen zu lassen.

Schon jetzt grübelte er, wie er das Hammond wohl beibringen sollte.

Währenddessen hatten Daniel und Jonath es sich in dem italienischen Restaurant bequem gemacht und über die alten Zeiten gesprochen.

Dabei spielte vor allem das Thema Waisenhaus und Pflegeeltern eine wichtige Rolle.

Daniel stand noch immer zu sehr unter Schock um zu realisieren, dass seine Suche ein Ende hatte und seine Vergangenheit ihn zum ersten Mal auf eine positive Weise einholte.

„Was ist eigentlich aus den Leuten geworden, die dich adoptieren wollten?“, erkundigte sich Daniel, doch Jonath runzelte die Stirn.

„Welche Leute?“

„Na die mit dem hässlichen Bernhardiner, weißt du nicht mehr?“

„Ach DIE!“, stieß sein Gegenüber laut hervor und lächelte nervös.

Daniel blieb das nicht unbemerkt und er wurde unruhig.

„Was ist los?“, fragte er besorgt und richtete seine gesamte Aufmerksamkeit auf Jonath.

„Ach, das ist eine lange und unschöne Geschichte. Ich möchte es dir wirklich ersparen.“, erklärte er dann und wechselte das Thema, „Was ist mit dir? Bist du verheiratet? Kinder?“

Über eine passende Antwort nachzudenken brachte Daniel von dem vorherigen Thema ab und er zuckte mit den Schultern.

„Hatte. Ich hatte eine Frau. Sie ist...verstorben.“

„Das tut mir leid.“, erklärte sein Gegenüber und legte ihm schnell über den Tisch hinweg eine Hand auf die Schulter, „Ich hätte das nicht fragen sollen, tut mir leid.“

„Du konntest es ja nicht wissen.“, wies Daniel die Entschuldigung ab und biss sich auf der Unterlippe herum.

Allein der Gedanke an Sha’uri brachte diese unendliche Leere in sein Leben zurück, das Wissen, jemanden verloren zu haben, der ihm so wichtig war wie sein eigenes Leben.

Er hatte nicht nur sie verloren, sondern auch einen großen Teil von sich selbst.
Seine jugendhafte Art, Dinge spielerisch anzugehen und seinen Humor.

Dem war nun zumeist der Sarkasmus gewichten.

„Es...Sie ist entführt worden. Und wurde getötet.“, erklärte er dann und rührte abwesend in seiner Suppe herum.

Das Schmerzmittel, dass der Arzt ihm gegeben hatte, lullte seinen Geist in eine Art Nebel ein, sodass er die Emotionen leichter wieder unterdrücken konnte, als es sonst der Fall gewesen wäre.

„Naja, ich weiß, dass es kein Trost ist, aber zumindest haben wir uns wieder gefunden, dass ist wenigstes etwas positives.“

„Ja.“, entgegnete Daniel und nickte, „Es ist mehr als nur das. Ich würde es eine Fügung des Schicksals nennen.“

Jonath nickte nur und lächelte bedrückt.

„Da stimme ich dir zu.“

„Weißt du noch, als wir zusammen auf das Dach des Waisenhauses geklettert sind um uns die Sterne anzusehen?“, fragte er und Jonath lächelte verträumt.

„Ja, das waren noch Zeiten. Wir dachten, die Welt würde uns gehören...uns allein.“

+++

Am nächsten Morgen musste Jonath wieder an der Schule Unterricht geben und so hatten Jack und Daniel sich kurzerhand ein Zimmer gemietet.

Nachdem O’Neill General Hammond auf den neusten Stand der Dinge gebracht hatte, entschlossen sie beide, für ein Frühstück in eines der zahlreichen Restaurants zu fahren, da das Motel selbst keinerlei Verpflegung anbot.

„Tut mir leid wegen der Scheibe.“, erklärte Daniel auf dem Weg zu den Parkplätzen.
Jacks Besuch bei der Autowerkstatt war erfolgreich gewesen und den Hummer zierte nun eine nagelneue Seitenscheibe.

„Sollte es auch.“, erwiderte der Colonel etwas vorwurfsvoll und lächelte dann, „Aber ich werde dir verzeihen. Allerdings solltest du so etwas nicht noch mal machen, zumindest nicht ohne dich zu vergewissern, dass du Handschuhe trägst.“

Daniel grinste und folgte seinem Freund zu dem Wagen.

Nur fünf Minuten entfernt warb ein kleines Restaurant mit gutem Service und einer ebenso guten Küche.

Sie hielten an und platzierten sich an eine der Sitzbuchten, weit weg von potentiellen Mithörern.

„Also.“, begann Jack dann, nachdem er einen Kaffe und für Daniel gegen dessen Willen eine warme Milch bestellt hatte- Anordnung vom Doktor.

„Was denkst du von ihm?“

Dem Archäologen schien die Frage etwas unangenehm und er haderte einige Sekunden mit sich.

„Er ist ok. Ich wünschte nur, ich hätte unser erstes Wiedersehen nicht derart vermasselt.“

„Ach.“, bemerkte Jack übertrieben laut, „Ist halb so wild. Warum eigentlich nur ok? Nach dem, was du mir gesagt hattest müsste er doch der Überflieger schlechthin sein- und nicht nur ok.“

„Das ist er ja auch.“, rechtfertigte sich Daniel und wartete ein paar Sekunden, bis die Bedienung ihre Getränke geliefert und eine Bestellung fürs Frühstück aufgenommen hatte, „Ich muss mich nur erst einmal wieder daran gewöhnen, wie es ist.“

„Was?“

„Einen...ihn...er war damals wie ein Bruder für mich. Und ihn wiederzutreffen ist etwas überwältigend.“

O’Neill blickte ihm daraufhin tief in die Augen, suchte nach etwas, dass Daniel nur allzu gut zu verbergen wusste.

Als der Archäologe den Blickkontakt abbrach war Jack klar, dass etwas nicht stimmte.

„Ich will nachher noch einmal kurz mit ihm unter vier Augen reden, danach können wir wieder zurück zum SGC fahren, ok?“

Seine Bitte kam zu unverhofft und O’Neill zog die Augenbrauen hoch.

„So schnell? Ich dachte ihr zwei startet heute Abend so ne richtige Wiedersehensparty mit wilden Entgleisungen und Curling- Wetten?! Ich hatte mich schon als eingeladen betrachtet.“

Daniel verzog die Mundwinkel kurz zu etwas, das Ähnlichkeit mit einem angedeuteten Lächeln hatte, doch Jack war sich nicht sicher.

„Das werden wir machen- ein anderes Mal. Wir wissen ja jetzt, wie wir miteinander Kontakt aufnehmen können. Für so etwas ist später noch genug Zeit.“

Seine Reaktion verunsicherte O’Neill.

Eigentlich hätte er erwartet, dass Daniel diesem Mann, der ihn offensichtlich einen großen Teil seiner Kindheit im Waisenhaus begleitet und beschützt hatte wild um den Hals fiel, dass beide sich freuten, einander wieder zu sehen, aber irgendwie steckte in der ganzen Sache der Wurm drin.

Daniel war ungewöhnlich verschlossen.

Natürlich trug er auch normalerweise sein Herz nicht auf der Zunge, sodass jeder Einsicht in seine Gefühlswelt hatte, aber derart verschlossen war er nur selten.

Meist dann, wenn ihn etwas störte, er aber mit niemanden darüber reden wollte.

„Und sonst ist auch alles ok? Was macht der Arm?“, war das einzige, was Jack einfiel.

„Alles bestens. Solange ich meine Schmerztabletten nehme, spüre ich kaum etwas.“

„Na dann lass uns mal die Nachspeisen studieren, oder?“

Daniel nickte abwesend und griff sich die entsprechende Karte.

„Ja, genau das sollten wir tun.“

+++

Daniel hatte sich wie versprochen am Nachmittag zur Schule fahren lassen um ein paar persönliche Worte mit Jonath zu wechseln, während Jack sich um das Abbestellen des Motelzimmers kümmerte.

Er wusste sein Gefühl des Zweifels diesmal richtig zu deuten und ließ sich von seinem Freund zu seinem kleinen Arbeitszimmer führen, wo sie unter sich waren.

„Also, was ist so wichtig, dass wir es uns hier drin bequem machen müssen?“, fragte Jonath lächelnd und schob demonstrativ einige alte Bücher und Schularbeiten beiseite.

„Ich wollte nur wissen ob du den Stein noch hast, den ich dir damals auf dem Dach des Waisenhauses gegeben habe. Den Stein meiner Eltern.“

Sein Gegenüber wurde sichtlich nervöser und drehte sich zu einem der Bücherregale um.
„Ja, den habe ich hier irgendwo, aber hast du mich deshalb hierher gebeten? Das hätten wir doch auch woanders klären können.“

Damit fuhr er mit seinen Fingern die Enden der Bücherregale entlang, bis er triumphierend den kleinen Kalkstein in der Hand hielt.

„Hier.“

Daniel erstarrte urplötzlich und Tränen stiegen in seinen Augen auf.

„Woher hast du den?“

Jonath sah ihn entgeistert an und schüttelte irritiert den Kopf.

„Was meinst du? Du hast ihn mir auf dem Dach gegeben, das hast du doch selbst gesagt.“
Daniel schüttelte nun seinerseits den Kopf und seine Augen verdunkelten sich.

„So etwas hat nie stattgefunden. Ich wollte nur herausfinden, ob Sie der wahre Jonath Cooper sind, denn der hätte gewusst, dass ich unter Höhenangst leide und nie so etwas getan hätte.“

Sein Gegenüber wirkte erschüttert und setzte sich auf die Kante seines Schreibtisches, die Augen auf irgendeinen imaginären Punkt am Boden gerichtet.

„Also. Woher haben Sie diesen Stein?“, forderte Daniel und ein Zittern wurde in seiner Stimme hörbar.

Der andere Mann schwieg lange, seufzte dann aber.

„Wir haben uns im Krankenhaus kennen gelernt, Jonath und ich...damals war ich neunzehn Jahre alt, er achtzehn. Er hat mir viel von Ihnen erzählt, wie Sie beide zusammen den Horror im Waisenhaus gemeistert hatten...auch ich hatte meine Familie verloren, bei einem Autounfall. Aber ich kam bei meinen Großeltern unter.“

Daniel hob hektisch die Hand, um ihn zu unterbrechen.

„Eine Sekunde- Sie waren zusammen mit Jonath im Krankenhaus?! Weshalb?“

Seine Stimme wurde immer brüchiger, auch seine Hände zitterten.

„Wir hatten beide Krebs. Blutkrebs.“

Daniel versuchte seine Erschütterung zu verbergen, doch es gelang ihm nicht.

„Wir...Jonath war in einem viel schlimmeren Stadium als ich, all die Chemotherapien hatten nichts mehr genutzt. Man wartete Wochen auf einen geeigneten Knochenmarksspender, doch es ergab sich einfach keine Möglichkeit.“

Das Gesicht des Archäologen war wie versteinert, nur eine einzige Träne fand den Weg nach draußen, wo sie schon bald weggewischt wurde.

„Aber...“, stammelte er, doch sein Gegenüber schüttelte nur den Kopf.

„Als es endlich so weit war, war er schon viel zu schwach, doch die Ärzte haben trotzdem den Eingriff gewagt. Leider hat er die OP nicht überlebt.“

Daniels Augen waren gezeichnet von Unglaube und Schock, das einzige, was nicht wie erstarrt zu sein schien waren seine zitternden Hände.

„Aber warum haben Sie...?“, brachte er heraus und wischte sich eine weitere Träne weg.

„Ich konnte mich mit ihm identifizieren. Er war all das, was ich in meiner Jugend gerne gewesen wäre. Er war ein Kämpfer und es hat ihn auch nicht gekümmert, was andere von ihm hielten. Er hat sein Ding gemacht und jeden, der ihn daran hindern wollte, in die Schranken gewiesen.“, jetzt wurden auch die Augen des älteren Mannes feucht, „Ich dagegen, ich war nur ein Verlierer. Habe meinen Großeltern ewig auf der Tasche gelegen weil ich zu faul war, mir einen anständigen Job zu suchen. Und Freunde hatte ich nie. Vor allem nicht solche, die dann wie Brüder für einen sind.“

Daniel musste sich gegen eine der Wände lehnen, um den Schock langsam zu verdauen.
„Wir hatten sowieso den selben Nachnamen, deshalb habe ich beschlossen, meinen Vornamen zu ändern und fortan das Leben des wahren Jonath Cooper zu leben. Ich wollte mit meiner Vergangenheit abschließen und noch mal neu anfangen. Als neuer Mensch. Jonath hatte mir viel von Ihnen erzählt, all Ihre Abenteuer und die Sache mit Hawaii. Er hat immer versucht, sie ausfindig zu machen, doch es war unmöglich. Und als ich damals den Bericht gesehen habe, wo von einem Archäologen mit Ihrem Namen gesprochen wurde hatte ich so ein Gefühl, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis Sie mich oder ich Sie finden würde. Ich wollte Ihnen auch nur ein so guter Freund sein, wie es Jonath bestimmt gewesen wäre.“

Ungläubig schüttelte Daniel den Kopf und blickte zur Seite, als ihm wieder der Stein in den Sinn kam.

„Aber woher haben Sie den dann?“, fragte er und deutete auf das kleine Artefakt in seiner Hand.

„Bevor Jonath in den OP gebracht wurde, wollte er, dass ich ihn aufbewahre, für alle Fälle. Als ich dann hörte, dass er es nicht geschafft hatte, habe ich ihn behalten, für den Fall, das wir uns jemals treffen- was nun auch passiert ist.“

Daniel schloss für einige Sekunden die Augen und versuchte die Fassung wieder zu erlangen, doch es war schwerer, als er es sich vorgestellt hatte.

„Tut mir leid, dass ich es Ihnen nicht eher gesagt habe, ich wollte Ihre Hoffnungen nicht zerstören. Ich dachte, wenn ich so tue, als sei ich der echte Jonath, dann würden Sie zufrieden wieder von dannen ziehen.“, rechtfertigte der Mann sein Handeln, als der Archäologe minutenlang nichts mehr von sich gab und stattdessen nur stumm mit dem Kopf schüttelte.

„Wo...wo ist er begraben?“, stammelte er dann und drückte fest auf den Stein in seiner Hand.

„Er...ich weiß es nicht.“, gestand sein Gegenüber, „Das ist auch schon so lange her, ich bin mir nicht einmal mehr sicher, ob sie ihn in der selben Stadt begraben haben. Auf jedem Fall wurde das vom Waisenhaus aus geklärt.“

Ein Klingeln wurde hörbar und der falsche Jonath blickte auf die Uhr.

„Ich muss jetzt wieder raus, tut mir leid wegen der Sache. Wenn ich noch irgendetwas für Sie tun kann, Sie wissen ja, wo sie mich finden können.“

Damit trat er zusammen mit Daniel aus dem Raum heraus und verschwand in einem Klassenzimmer.

Der Archäologe stand noch zu sehr unter Schock, als das er irgendetwas anderes tun konnte, als sich stumm an die Wand zu lehnen und an seiner Unterlippe zu kauen.

Jonath war tot? Sein Bruder sollte tot sein? Und dieser Mann war nicht der echte Jonath? Denn der echte Jonath sollte tot sein? Sein Bruder?

Seine Gedanken drehten sich im Kreis, als er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter spürte.
Blitzartig öffnete er seine Augen und sah sich Jack gegenüber, der ihn zuerst genervt, dann besorgt anstarrte.

„Ich habe fünfmal versucht, dich anzurufen, aber du bist nicht rangegangen. Was ist los?“

Daniel wischte sich schnell eine Träne weg, zu langsam, als das es von O’Neill unbemerkt blieb und schüttelte den Kopf.

„Ich habe mich nur von ihm verabschiedet, von Jonath. Wir werden weiterhin in Kontakt bleiben.“, erläuterte er dann und folgte seinem Freund in Richtung Ausgang.

„Ach so. Na wenn das so ist.“

Aus Jacks Worten wurde ersichtlich, dass er ihm nicht glaube, aber Daniel scherte sich im Moment nicht darum. Zuerst musste er all das hier selbst verdauen.

O’Neill war klug genug, um ihn jetzt die nötige Distanz zu geben. Immerhin hatten sie noch eine lange Rückfahrt vor sich.

Als sie das Gebäude verließen fiel Daniels Blick automatisch auf das Fenster des Klassenraums, in dem der falsche Jonath unterrichtete. Er sah, wie er mit den Kindern sprach, doch als der Mann auf ihn aufmerksam wurde, wandte er sich schnell ab und verschwand aus dessen Sichtfeld.

Daniel seufzte.

Das waren alles viel zu viel Informationen auf einmal, er musste sich zunächst wieder sammeln, bevor er irgendetwas davon mit jemand anderem teilen konnte.

+++
Jonath lief einsam durch die Korridore und sang ein altes Elvis- Lied vor sich hin.
Daniel war schon seit Stunden weg, verschleppt von einer dieser neureichen Familien und hineingezogen in ein Leben, das er nicht wollte.
Aber danach fragte hier sowieso niemand.
Sie waren beide aufeinander angewiesen gewesen, umso mehr schmerzte diese Trennung nun.
Er war wieder allein, musste die Tücken des Alltags hier ohne seinen kleinen Bruder meistern und das tat ihm weh.
Zu gerne wäre er bei einer richtig guten Pflegefamilie untergekommen, von wo aus er Kontakt mit Daniel herstellen konnte, aber er war ja ein Problemfall, und für so etwas hatten angesehene amerikanische Familien keine Geduld.
Sie wollten etwas kleines und niedliches, was man wie einen Welpen erziehen konnte.
Frustriert warf er sich ins Bett, als sein Kopf gegen etwas hartes stieß, das auf seinem Kissen gelegen hatte.
Erstaunt holte Jonath es hervor und erkannte einen kleinen Gegenstand, der in Küchenpapier eingewickelt und mit mehreren Gummis verschlossen war.
Er öffnete das Päckchen und staunte nicht schlecht, als er Daniels Stein, seine letzte Erinnerung an seine Eltern, in den Händen hielt.
Anbei lag eine kleine, handgeschriebene Notiz.
Jonath hob das Blatt Papier auf und hielt es in Richtung Fenster, um es besser lesen zu können.
Lieber Jonath,
ich weiß, dass ich so schnell nicht wieder hierher zurückkehren werden, denn meine Sozialarbeiterin meinte, dass ich mich ordentlich verhalten solle, ansonsten werde ich einem anderen Waisenhaus zugeteilt.
Ich habe keine Ahnung, ob ich dich jemals hier erreichen werde, oder ob wir uns überhaupt jemals wiedersehen, vielleicht ja, vielleicht nein.
Aber zumindest hast du jetzt etwas, was dich ewig an mich erinnern wird, ein kleines Artefakt, dass Jahrtausende unter der ägyptischen Erde gelegen hat, bis man es fand.
Und ebenso lange wird unsere Freundschaft anhalten, egal was auch passiert.
Du wirst immer mein Bruder bleiben.
Daniel



Ende



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