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Im Abgrund von Jadzia

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Kapitel 8:
Akzeptanz


Eine ganze Weile lang war nichts in dem Raum zu hören gewesen, als wenn jemand den Ton abgedreht hätte. Und doch wusste John, dass sein Team und Kate Heightmeyer noch immer bei ihm waren.

Er konnte sich nicht dazu aufraffen, in ihre Augen zu sehen. Er wollte nicht ihre anklagenden Blicke sehen, ihre Vorwürfe, ihr Abwenden von ihm. Konnte er ihnen einen Vorwurf machen? Es würde ihn nicht wundern, wenn er sich selbst nicht mehr im Spiegel ansehen könnte. Wie konnten sie noch zu ihm halten?

„John, Sie konnten nichts dafür, Sie konnten Ihr Handeln nicht mehr kontrollieren. Sie waren in dem Moment nicht mehr zurechnungsfähig," durchbrach Kate die Stille um ihn herum.

„John, der Glaube an den Verlust von Rodney und Teyla hat bei Ihnen zu einer Kurzschlussreaktion geführt. Hinzugerechnet zu den letzten Ereignissen in Ihrem Leben und den Stress, der noch nicht so lange hinter uns allen liegt, ist es verständlich das Ihr Verstand in diesem Moment nicht akkurat mit der Situation umgehen konnte und mit Gewalt gegen die vermeintlichen Mörder Ihrer Freunde reagierte. Hinzu kommt noch die Vorgeschichte zu den Ereignissen auf M74-882. Von Anfang an haben Sie sich die Schuld daran gegeben das Rodney und Teyla überhaupt in die Hände von Chorej geraten sind. Dem offensichtlichen Beiwohnen der Folter und ihren Auswirkungen hat zu Ihrem Kontrollverlust geführt."

Mühsam richtete John seinen Kopf in Kates Richtung, die noch immer unweit neben ihm am Boden saß. Er sah in ihr Gesicht, mied aber ihre Augen.

„Ich habe ein Blutbad angerichtet, bis ich Freund und Feind nicht mehr auseinanderhalten konnte. Ich habe einem meiner eigenen Männer die Kehle durchgeschnitten!"

Und er lachte. Es war zu viel, John konnte einfach nicht mehr. Schreie waren nicht mehr genug, Tränen waren nicht mehr genug.

„John?"

Immer manischer wurde sein Lachen. War es denn nicht komisch? Er hatte sich selbst komplett und absolut verloren. Hatte seine dunkelste Seite hervorgekramt und noch ein paar drauf gesetzt. Er hatte nicht nur seine Gegner brutal abgeschlachtet, sondern sich auch noch gut dabei gefühlt.

„Was ist mit ihm?"

„Jetzt ist er durchgedreht! Hoffnungslos und endgültig durchgedreht!"

Und dann hatte er kein Ende mehr finden können. Wie lange hatte er auf Chorejs Leiche eingestochen? Wann hatte er damit aufgehört? Und warum hatte es nicht aufgehört als der Mann, der für alles verantwortlich gewesen war, leblos und vor Blut triefend vor ihm gelegen hatte?

„John, hören Sie auf. Kommen Sie zu sich!"

Würde Holloman noch leben, wenn er sich ihm nicht genähert hätte? Hätte er noch mehr seiner Leute umgebracht, wenn er die Gelegenheit dazu gehabt hätte?

Sein Lachen hallte von den Wänden nieder und schien ihn zu erdrücken, aber er konnte nicht mehr aufhören.
Holloman. Er hatte die letzten Wochen mit einem Toten geredet! Er war durchgedreht, oder? War in den Abgrund gestürzt aus dem kein Weg mehr hinaus führte, oder?

Jemand versetzte ihm eine kräftige Ohrfeige und brachte John wieder in die Wirklichkeit. Sein manisches Lachen verstummte.

„Ro - Ronon?"

Der Satedaner hatte sich neben ihn gekniet und seine Hand war noch immer erhoben. Er wollte es nicht, aber er sah ihm direkt in die Augen. Da waren keine Zweifel oder auch nur die geringste Spur von Anklage in den dunklen Augen zu finden. Sie sahen ihn an, wie sie es immer taten. Warum? Und diese Frage stellte er laut.

„Weil Sie das nicht sind, Sheppard", war Ronons einfache Antwort.

Konfus sah John ihn an. Nichts außer Überzeugung strömte von Ronon zu ihm.

Teyla war inzwischen auch näher zu ihm gekommen und hatte sich auf sein Bett gesetzt.

„John, wir wissen alle wer Sie sind, nur Sie selbst scheinen das im Moment nicht mehr zu wissen. Sie wurden Ihrer Stärke beraubt, also werden wir für Sie stark sein."

Auch Ihr Blick war reine Überzeugung und Vertrauen in ihn. Und der Blick traf ihn.

„Nein, nein. Ich verdiene das nicht. Ich habe... Ich bin —"

Doch Ronon unterbrach ihn.

„Ich sage Ihnen, was Sie getan haben, Sheppard. Sie haben Sergeant Barnes das Leben gerettet. Hätten Sie nicht eingegriffen, wäre er jetzt tot."

John wollte den dunklen Augen Ronons ausweichen, doch er fixierte ihn und ließ John nicht gewähren.

„Sie haben die Wachen mit Ihrem Angriff genug abgelenkt, dass Lorne, Blade und ich wieder die Oberhand gewinnen konnten. Sie haben unsere Gegner ausgeschaltet, das Wie ist nicht wichtig."

„Sie haben sie ja auch nicht abgeschlachtet", erwiderte John daraufhin, mit einer etwas verlorenen Stimme.
„In einem Gefecht läuft nicht alles nach Spielregeln, Sheppard."

Oh, das wusste er nur zu gut. Er hatte selbst gesehen, wie gute Männer und Frauen im Krieg reagierten, wie sie ausrasteten und zu Killermaschinen wurden. Aber irgendwann kam immer ein Nachher, das Aufwachen aus dem Zustand in den man sich selbst gebracht hatte.

„Erzählen Sie uns, was Sie gesehen haben, Ronon. Ich denke, es wäre gut die Ereignisse auch aus Ihrer Sicht zu erfahren."

Meinte Kate wirklich, dass es etwas bringen würde? Dem Ausdruck ihres Gesichts zu urteilen ja.

„Wir kämpften uns in Richtung der Kampfgeräusche. Als wir näher herankamen, tauchten zwei weitere Wachen auf. Sheppard stand über Chorej gebeugt und stach auf ihn ein."

Ronons Tonfall war erschreckend neutral als er die damalige Situation wiedergab. Typisch Ronon, aber John fühlte, wie ihn das Grauen seiner Tat erneut durchfuhr.

„Gegenüber unserer Position sahen wir Holloman, der keine freie Schussbahn hatte um uns zu helfen. Er wollte zu uns stoßen, als Sheppard in die Schulter geschossen wurde."

John hatte den Schuss überhaupt kaum bemerkt. Hätte er nicht darauf reagieren müssen? Hätte er so nicht zu sich kommen müssen?

„Einer von Chorejs Männern, die mit uns beschäftigt waren, war der Schütze. Er legte erneut auf Sheppard an. Hatte kein freies Schussfeld um ihn auszuschalten. Holloman hatte es. Er brach hervor und erledigte ihn. In dem Moment traf ihn eine Kugel und er ging zu Boden."

Das musste die hässliche Bauchwunde gewesen sein, die John an dem Lieutenant gesehen hatte.

„Dachte, es hätte ihn erwischt. Blade bekam ein paar Kugeln ab. Dauerte etwas, bis wir wieder freie Hand bekamen. Holloman stand inzwischen hinter Sheppard. Hätte nicht gedacht, dass er überhaupt noch laufen konnte."

Auf alles Weitere konnte John verzichten, aber Ronon hielt nicht inne.

„Sheppard fuhr hoch und schnitt ihm die Kehle durch. Wir konnten die verbliebenen Wachen ausschalten. Lorne rief die Übrigen zu uns und kümmerte sich um Blade. Ich sah nach Sheppard. Clayden und seine Männer nach McKay und Teyla. Ihr Zustand war kritisch. Haben uns dann auf den Rückweg gemacht."

„John, der Punkt ist, Holloman hätte nicht überlebt", sprach ihm Kate zu. „Seine Schussverletzung war tödlich. Der Autopsiebericht von Dr. Biro sagt deutlich, dass er diese Verletzung nicht überlebt hätte. Sie haben es nur beschleunigt."

Seelisch erschöpft schüttelte er den Kopf. Verstanden sie es denn nicht?

„Es spielt keine Rolle. Er ist von meiner Hand gestorben. Ich habe sein Leben beendet."

Deutlich spürte er, wie keiner mehr daraufhin wusste, was er sagen sollte. Er sah, wie Kate mit den anderen einen Blick austauschte.

Ronon sah aus wie immer, Teyla ruhig, aber doch besorgt mit einem leisen Schatten des Vergangenen in den Augen. Kate war das Musterbild einer Psychologin und nur Rodney, der etwas weiß um die Nase war, sah nicht so gut aus.

John zweifelte nicht daran, dass der Wissenschaftler das mit Holloman nicht gewusst hatte. Ronon und Kate ja, aber Teyla und Rodney waren in seliger Unwissenheit gewesen. Hatten sie nicht auch schon genug durchgemacht? Aber es sprach für sie, dass sie John noch nicht alleine gelassen hatten. Aber im Moment konnte ihm nichts Trost verschaffen.

„Sie sollten sich ausruhen, John. Sie haben ein paar aufwühlende Stunden hinter sich. Sie haben heute den ersten Schritt getan." Damit erhob sich Kate.

Leben breitete sich bei allen Anwesenden aus und John wurde von Ronon auf die Beine gezogen und auf sein Bett gesetzt. In seinem momentanen Zustand war es ihm egal, wie eine Puppe gehandhabt zu werden. Er wollte sich nur noch zwischen seinen Kissen vergraben und die Welt sich ohne ihn rotieren lassen.

„Ich werde später noch mal nach Ihnen sehen, John. Falls etwas sein sollte..." Kate ließ den Satz unbeendet und verließ den Raum.

„John, falls Sie etwas brauchen sollten, wir sind da", erhob Teyla für die anderen beiden Männer und sich selbst das Wort.

Er nickte stumm und sah ihnen nach, wie sie sein Quartier verließen. In der Tür drehte sich Rodney noch einmal um und suchte offensichtlich nach Worten.

Aber nach ein paar fruchtlosen Ansätzen, gab er es schließlich auf und die Tür schloss sich hinter ihm. John ließ sich nach hinten fallen und wünschte sich für einen kurzen Augenblick nur, dass er noch immer unwissend wäre. Aber die Wahrheit konnte er nicht länger guten Gewissens ignorieren.

Müde schloss er die Augen und hoffte, dass sich alles bessern würde wenn er sich nur etwas ausruhen würde. Einreden konnte er es sich ja.

ooOoo


Die nächsten zwei Tage vergingen in einer Art Apathie für John. Er schlief, aß mit seinem Team, redete mit Kate — oder eher, sie redete mit ihm — und blieb ansonsten mit seinen Gedanken alleine in seinem Quartier. Alles kreiste bei ihm um die eine Tatsache, er hatte Holloman das Leben genommen.

Am dritten Tag verschrieb Kate ihm Antidepressiva und bemühte sich, ihn wieder aus seiner eigenen Welt, die aus nichts außer Grau zu bestehen schien, zu holen.

„Eine psychogene Depression ist in Ihrem Falle nicht ungewöhnlich. Sie tritt häufig nach einem traumatischen Erlebnis auf. Das Medikament kann Ihnen helfen, aber Sie müssen auch bereit sein etwas zu tun, John."

Er war bei Kate und hörte der Psychologin still zu.

„Auch wenn Sie es im Moment nicht für möglich oder auch nur erstrebenswert halten, Sie sollten den Weg in Ihr altes Leben zurück suchen."

Missmutig schnaubte John. „Mein altes Leben?" Der Gedanke allein war schon abwegig. Nichts würde wieder so wie zuvor sein. Niemals.

„Ja, John. Es wird ein Danach für Sie geben. Und es liegt ganz allein an Ihnen zu bestimmen, wann das sein wird. Und es wird sein. Sie sind eine sehr gefestigte Persönlichkeit, John. Andernfalls wären Sie schon lange nicht mehr hier. Sie haben viel erlebt, was sich viele nicht einmal vorstellen können."

„Was ist der Punkt?", fragte er Kate etwas ungeduldig. Musste sie unbedingt all das sagen? Die Worte ließen es ihm unbehaglich zu Mute werden.

Kate musste das auch bemerkt haben.

„John, das ist die Wahrheit. Nur weil Sie von sich selbst gerade keine hohe Meinung mehr haben bedeutet es nicht, dass alles andere in Ihrem Leben mit diesen Augen betrachtet werden muss. Der Punkt ist, John, dass Sie Ihren Weg zurück ins Leben finden werden und das keiner hier daran zweifelt. Also sollten Sie es auch nicht tun. Verbarrikadieren Sie sich nicht länger. Sie haben vor kurzem den ersten großen Durchbruch erzielt. Sie haben sich Ihren Erinnerungen gestellt und sind Ihnen nicht länger ausgewichen."

Ja, aber er hatte es nicht freiwillig getan, oder?

„Wenn Ronon nicht gewesen wäre..."

Kate sah ihn mit festem Blick an.

„Ronon war für Sie da, John. Er hat gesehen, dass Sie sich nicht über den Punkt bringen konnten, sich dem alleine zu stellen. Zugegeben, seine Methode war etwas drastisch, aber am Ende zählt der Effekt. Sie sind nicht alleine mit dieser Sache. Ihr Team steht hinter Ihnen. Halten Sie sich das vor Augen. Beziehen Sie sie mit ein. Sie wollen Ihnen helfen."

Das hatten sie ihm alle gesagt. Und ihr Verhalten sprach für sich. Warum war es so schwer für John ihre Hilfe anzunehmen? Lag es daran, dass er sich selbst nicht mehr mit den gleichen Augen sah? Das er nur noch sich selbst im dunklen Licht erkennen konnte?

„Fangen Sie einfach klein an, John. Es sind oft die kleinen Dinge, die den größten Effekt haben. Versuchen Sie den Menschen um sich herum wieder in die Augen zu sehen. Das, was Sie befürchten dort zu finden, war nie da. Reden Sie mit den Leuten. Es wird am Anfang nicht leicht sein, aber je mehr Sie es versuchen, je besser wird es werden."

Nach einer kurzen Pause, wie um ihre Worte auf John wirken zu lassen, fuhr Kate fort. „Sie haben Ihre Tat akzeptiert. Der nächste Schritt ist, sie zu verarbeiten."

Wenn Kate das so sagte, klang es einfach. Aber das war es nicht. Nein, das war es ganz gewiss nicht.

Als John einige Zeit später aus ihrem Büro kam und sich in Richtung seines Quartiers begab, wunderte er sich nicht, als nach kurzer Zeit Lieutenant Holloman neben ihm her ging. Bis jetzt hatte John noch niemandem gesagt, dass er mit einem Toten redete und er glaubte auch, dass es so bleiben würde. Das war etwas Persönliches.

Er warf einen Blick zur Seite, zu Holloman hin. „Warum sind Sie hier, Lieutenant?"

„Es liegt nicht an mir, diese Frage zu beantworten, Sir."

Nein, wahrscheinlich nicht. Vielleicht war der Lieutenant die Manifestation seines Unterbewusstseins oder sein Wunsch danach, dass Holloman noch am Leben wäre. Oder vielleicht ein kleiner, in der letzten Zeit verschwundener Part von ihm, der alles noch objektiv betrachten konnte. Hatte John sich nicht immer in der Gegenwart Hollomans wohlgefühlt? Da waren keine Hemmungen gewesen in seine Augen zu sehen, etwas, was bei allen anderen anders war. Nur nicht bei der Person, bei der es wirklich so sein müsste.

„Sie sollten wirklich die Hilfe Ihrer Freunde annehmen, Sir. Freunde sind wichtig. Mit ihnen kann man durch dick und dünn gehen. Geben Sie sich selbst eine Chance, Colonel."

„Das sollte ich wohl tun, oder?"

„Jeder liegt mal am Boden. Eine helfende Hand um aufzustehen, sollte man nicht abschlagen."

Stumm schritten sie eine Weile nebeneinander her.

„Werde ich Sie noch öfters sehen?", fragte John schließlich.

„Auch das, Sir, liegt nicht an mir."

Und damit waren sie vor seinem Quartier angelangt.

Verlegen stand John da und wusste nicht, was er tun sollte. Da stand der Mann, den er eigenhändig umgebracht hatte, auch wenn es nur eine Kreation seines Geistes war. Doch um Absolution konnte er nicht bitten. Wie sehr er sie auch wollte. Diese konnte er nicht von einem Toten erhalten.

Lächelnd sah ihn Holloman noch einmal an, bevor er sich umdrehte und sich wieder auf den Weg machte. John sah ihm noch nach, bis er hinter einer Biegung verschwunden war. Er wusste, dass er Lieutenant Holloman nicht wiedersehen würde.

Aber er hatte ihm ein Ziel gegeben. Etwas, was er sich hier vor seiner Tür selbst versprach. John würde Hollomans Angehörige aufsuchen und sich ihnen stellen. Das war er dem Lieutenant schuldig. Absolution würde er auch nicht von Ihnen erlangen, das war auch nicht sein Ziel. Er war es einem guten Mann schuldig. Und er würde alles dafür tun, um dieses Ziel zu erreichen.

tbc
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