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Schmerz von Tanagra

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Schmerz


These wounds won’t seem to heal
This pain is just too real
There’s just too much that time cannot erase

~ aus My Immortal von Evanescence ~




Schmerzen. Unerträgliche Schmerzen waren das letzte, woran er sich erinnern konnte. Als er jetzt langsam zu sich kam, stellte er erstaunt fest, dass er sich gut fühlte, fast erfrischt. Wann hatte er sich das letzte Mal so gesund gefühlt? Selbst das Knie...

Ein bitterer Geschmack stieg in seiner Kehle auf, als ihn die Erkenntnis wie ein Blitz traf: Er war gestorben. Ba’al hatte ihn gefoltert, bis er gestorben war. Und dann musste ihn die Schlange in einen Sarkophag gelegt haben. Deswegen fühlte er sich wie neu. Er war praktisch wie neu. Körperlich.

Jack stöhnte und drehte sich auf die Seite.
Was für eine aussichtslose Situation. Er war allein auf Ba’als Planeten, in seiner Festung, in der die Schwerkraft aufgehoben schien und nichts so war, wie es eigentlich hätte sein müssen. Wusste überhaupt jemand, dass er hier war? Interessierte es jemanden?

Wenigstens war er die Schlange los. Und das war doch wirklich einiges wert! Was Jacob und Sam Carter ihm über die Verbindung mit einem Tok’Ra erzählt hatten, konnte er leider nicht bestätigen. Er konnte sich an die eigentliche Vereinigung nicht erinnern, aber danach war er nicht mehr er selbst gewesen. Er hatte sich selbst zugesehen wie ein Gast im eigenen Körper. Anders konnte es bei der Übernahme durch einen Goa’uld eigentlich auch nicht sein. Er hatte keinerlei Kontrolle mehr gehabt, konnte nicht einmal entscheiden, wohin er sehen, wann er die Augen schließen wollte. Aber fühlen, das konnte er. Nicht nur mit dem Körper. Am schlimmsten war es, als er fühlte, dass dieser Tok’Ra ihn betastete, seine Gedanken prüfte, in seinen Erinnerungen wühlen wollte.

Zunächst hatte er instinktiv dagegen angekämpft, versucht, diesen Eindringling aus seinem innersten Selbst herauszuhalten. Es war unmöglich gewesen. Jack hatte gespürt, dass er das Betasten behindern konnte, aber es kostete ihn unglaubliche Kraft, und sobald er nur ein wenig nachließ, stieß dieser fremde Geist in seinem Kopf in die geheimsten Winkel vor. Irgendwann gab Jack erschöpft den sinnlosen Kampf auf.

Was hatten sie ihm erzählt von einem gegenseitigen Geben und Nehmen, davon, dass beide Seiten von dieser Erfahrung profitieren würden? Hier fand kein innerer Dialog statt. Er hatte immer noch kaum eine Vorstellung von dem Wesen, das sich in seinem Körper eingenistet hatte. Während der Tok’Ra alles gründlich durchleuchtete, was er ihm abrang, all sein Wissen, seine Erfahrungen, seine Erinnerungen gierig aufsaugte, untersuchte, wertete, hatte Jack keinen Zugang zum Selbst seines Besetzers.

Natürlich glaubte diese andere Schlange ihm nicht. Ba’al wusste, dass er ein Tok’Ra gewesen war, und nicht einmal diese miese Kreatur konnte sich vorstellen, dass die Verschmelzung mit einem Tok’Ra einseitig sein konnte. Er stellte Fragen, die Jack nicht beantworten konnte, selbst wenn er es gewollt hätte.

Und Daniel war ihm auch keine Hilfe. Jack war sich immer noch nicht sicher, ob er nicht doch einfach nur ein Trugbild war.

Er horchte auf. Es waren Schritte zu hören. Jack ahnte, was das bedeutete. Sie kamen, ihn zu holen.




Blitzartige Erinnerungen wie aus einem Traum. Oder war es ein Traum? Dieses Mädchen. Er kannte sie. Aber irgendwie auch nicht. Wer war sie? War er ihretwegen zurückgekehrt?

Mit einem Stöhnen richtete Jack sich halb auf und lehnte sich an die Wand. Er hatte keine Schmerzen mehr – was Ba’al ihm auch antat, alles wurde durch den Sarkophag wieder geheilt und war hinterher fast besser als vorher. Was blieb, war die Erinnerung. Die geistige Erschöpfung, ausgelöst durch den Kampf mit den unaussprechlichen Qualen und der Verzweiflung, nahm mit jedem Tod, den er starb, zu.

Wofür kämpfte er? Vielleicht war dieses Mädchen, das er beschützte, nur ein Traum, nur eine Vorstellung, ein Ablenkungsmanöver, das sich sein gemartertes Hirn ausgedacht hatte.

Warum hielt er diese Qualen aus? Was brachte ihn dazu, in dieser ausweglosen Situation weiterzumachen, durchzuhalten? Wo doch selbst diese Erscheinung Daniels ihm keine Hoffnung machte?
Wie viele Tode würde es brauchen, bis er sich eingestand, dass er meinte, gerecht bestraft zu werden? Dass er selbst sich zwang, dies alles auszuhalten, weil er insgeheim glaubte, es verdient zu haben?

Jack presste die Fäuste auf die Augen. Er wollte das nicht! Er wollte lieber wieder die körperlichen Schmerzen, die Ba’al ihm zufügte, ertragen als das, was er sich selbst antat.

>>Manchmal kann ich es vergessen. Aber ich werde es mir nie verzeihen.<<

Hatte er das nicht einmal zu Daniel gesagt?
Nun, die Zeit des Vergessens war vorbei. Was der Tok’Ra aus den dunkelsten Winkeln seines Verdrängens herausgezerrt hatte, lag jetzt, wo Jacks gequältes Selbst nicht mehr in der Lage war, es zuzudecken, nackt und schutzlos da: Er hatte seinen Sohn getötet.

Jack gab einen unartikulierten Laut von sich, den er selbst gar nicht wahrnahm. Die warme Welle der übermächtigen Verzweiflung riss ihn mit sich. Er konnte Schmerzen ertragen, er konnte Qual in Hass verwandeln und daraus Kraft gewinnen.
Aber dies hier war anders. Dies hier war unerträglich. Der Hass richtete sich gegen ihn selbst, und er wollte nur noch sterben, endgültig sterben, damit es vorbei war, damit er diese rasenden Gedanken, diese Erinnerungen, diese Schuld nicht mehr ertragen musste.

Es war seine Aufgabe gewesen, auf dieses wunderbare Wesen aufzupassen. Wenn es irgendetwas Wichtiges auf dieser Welt gegeben hatte, was er tun musste, dann das. Und er hatte versagt. Durch seine Unachtsamkeit, einen Moment der Sorglosigkeit, war die Waffe nicht weggeschlossen gewesen. Statt sein Kind zu beschützen, hatte er es getötet. Wenn es einen Grund gab, in die Hölle zu kommen, dann diesen.




Daniel sah ihn schweigend an.
Immer noch weigerte er sich, ihm zu helfen, ihn zu erlösen. Er musste doch sehen, dass er am Ende war!

Jack hatte kein Interesse daran, auf eine "höhere Ebene des Seins" aufzusteigen. Unsterblich sein? Schon wieder? Nein! Seine Seele konnte, wollte nicht gerettet werden. Er wollte nur, dass es aufhörte. Die Qualen, die äußeren wie die inneren. Es sollte aufhören. Aber Daniel verweigerte ihm sogar diesen Ausweg.

Nun war ein weiterer Mensch in Gefahr. Winzige Schnipsel des Erlebens und Empfindens seines ehemaligen Besetzers waren Jack zugänglich geworden. Dieser Tok’Ra hatte das Mädchen nicht nur benutzt, er hatte sie geliebt. Trotzdem hatte er ihren Verlust einfach so als notwendig hingenommen. Dass er dann nach dem Spionieren in Jacks Gedankenwelt zu dem Entschluss gekommen war, sie doch holen zu müssen, hatte schon fast etwas Komisches.

Daniel musste alldem ein Ende bereiten! Jack spürte, dass er nicht noch mehr aushalten konnte. Er würde das Mädchen verraten. Und dann würde sie, fast noch ein Kind, erleiden müssen, was er erlitt. Wie grausam konnte die Welt noch werden?




Es war vorbei.
Ba’al wusste schon, dass es um diese Sklavin ging, ihm fehlten nur noch die Zusammenhänge. Und die Schlange spürte, dass Jack die Antwort kannte. Er war das letzte Mal für diese Information gestorben. Noch einmal würde er sie nicht zurückhalten können. Beim nächsten Verhör würde Ba’al erfahren, was er wissen wollte.
Vielleicht würde er Jack dann endlich sterben lassen. Wahrscheinlich ließ er sich aber irgendetwas anderes Grausames für ihn einfallen. Ihn leben zu lassen zum Beispiel.

"Daniel!"
"Halte durch!"
"Nein! Ich kann nicht mehr, Daniel."

Und dann gab Daniel ihm etwas, was seinen Verstand aus dieser endlosen Spirale, in der er fruchtlos rotierte, befreite: Hoffnung.
Seine Freunde wussten, wo er war. Und sie hatten einen Weg gefunden, ihm eine Chance zur Flucht zu geben.

Die Aussicht, alldem hier, der Folter und den eigenen Gedanken, zu entkommen, gab ihm wieder Kraft.
Er wusste nicht, ob er es noch einmal schaffen würde, den Schmerz und seine unauslöschbare Schuld in einen dunklen Winkel seines Denkens zu verbannen, aber er wusste, dass er draußen eine Wahl hatte. Wenn es nicht mehr ging, konnte er draußen ein Ende machen. Hier nicht.

"Du hattest Recht, Jack. Es gibt immer einen Ausweg", sagte Daniel und sah ihn eindringlich an.
Wie viel von seinen Gedanken kannte Daniel? Konnte er sie lesen? Wusste er, dass es ihm nicht einfach darum ging, sein Leben zu retten – sondern vielleicht nur seinen Tod?
Er erwiderte Daniels Blick und kam zu der Überzeugung, dass Daniel es wusste. Und dass er darauf vertraute, dass Jack es schaffen würde.
Und vielleicht würde er das wirklich, denn er hatte Freunde. Ganz unbeschreibliche Freunde.

Als das Schwerkraftfeld seiner Zelle sich normalisiert hatte, rannte er los.





I’ve tried so hard to tell myself that you’re gone
And though you’re still with me
I’ve been alone all along

~ aus My Immortal von Evanescence ~




ENDE

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