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Dunkle Abgründe von Lorien

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Kapitel 5

Auch wenn ihm die Sanitäter die Versorgung des Colonels aus den Händen genommen hatten, war Rodney nicht bereit, sich völlig zur Seite drängen zu lassen. In unnachgiebiger Art bestand er darauf, mit ihnen im Krankenwagen mitzufahren. Zunächst weigerten sie sich, aber dann stimmte das Argument, dass McKay in Sheppards Patientenverfügung, die jedes Mitglied der Atlantis-Expedition hatte ausfüllen müssen, als Bevollmächtigter aufgeführt war, die Sanitäter schließlich um.

Trotz des Einsatzes der Sirenen schien die Fahrt zum nächstgelegenen Krankenhaus für Rodney kein Ende zu nehmen. Minuten dehnten sich auf einmal ins Unendliche und aus Sekunden wurden Stunden. Als Sheppards Lebenszeichen dann plötzlich abstürzten, schien die Zeit für einen Moment stillzustehen.

Rodney war viel zu geschockt, um einen klaren Gedanken zu fassen und konnte nur hilflos zuschauen, wie die Sanitäter versuchten, Sheppards Herz wieder zum Schlagen zu bringen. Obwohl es nicht das erste Mal war, dass der Wissenschaftler so eine Szene beobachtete, war sie nicht leichter zu ertragen. Eher im Gegenteil. Während die Gestalt am Boden des Jumpers vor fast drei Jahren ‚nur’ Major Sheppard, militärischer Leiter von Atlantis, gewesen war, handelte es sich bei dem Körper, der da direkt vor seinen Augen Elektroschocks verpasst bekam, jetzt um John Sheppard, einen der besten Freunde, den er jemals gehabt hatte.

Nach einem scheinbar nie enden zu wollenden Augenblick, verriet ein erlösendes Piepen der angeschlossenen Geräte schließlich, dass die Sanitäter den Kampf gegen den Tod diesmal gewonnen hatten. Rodney stieß langsam seinen Atem aus, von dem er gar nicht bemerkt hatte, dass er ihn angehalten hatte. Bei all den Beinahekatastrophen und Sorgen, die er sich ständig um den Colonel machen musste, war es ein Wunder, dass er noch keine grauen Haare hatte.

Unsicher lauschte er für den Rest der Fahrt auf das Geräusch des Monitors, der Sheppards Herzschlag überwachte, und achtete ängstlich auf jede Unregelmäßigkeit. Doch besonders schlimm war für Rodney der Moment, in dem er nicht mehr weiter mitgehen durfte. Als die Türen vor seiner Nase zugeschlagen wurden und das unerträgliche Warten begann. Er wusste schon immer, dass er ein kein geduldiger Mann war und er die meisten Zeitspannen nur dann erträglich überstehen konnte, wenn er etwas zu tun hatte. Vorzugsweise irgendwelche komplizierte Probleme, die er lösen konnte. Doch selbst wenn er seinen Laptop geistesgegenwärtig eingepackt hätte, hätte er sich wohl nicht darauf konzentrieren können. Denn noch nie war ihm das Warten so schlimm vorgekommen. Vielleicht lag es an der unvertrauten Umgebung, vielleicht lag es auch daran, dass er hier allein und nicht zusammen mit seinem Team saß oder vielleicht lag es daran, dass Sheppards Leben nicht in Carsons fähigen Händen lag – nicht, dass er diesen Gedanken dem Schotten gegenüber jemals erwähnen würde -, sondern in den Händen von völlig Fremden. Wahrscheinlich war es jedoch eine Kombination all dessen.

Der Schockzustand, in dem sich McKay seit der Fahrt im Krankenwagen, nein, eigentlich seit dem Überfall in der Universität befand, hatte ihn fest im Griff und ließ ihn unnatürlich ruhig, ja fast apathisch sein. Ohne das Geschehen um ihn herum wirklich wahrzunehmen, saß Rodney hilflos in dem vollen Wartesaal der Notaufnahme und harrte darauf, dass jemand kam, um ihn über Sheppards Zustand zu informieren. Alles was er sah, war die Tür, hinter der die Trage mit dem Colonel verschwunden war. Er wandte nicht einmal seine Augen ab, als sich eine der Krankenschwestern erbarmte und mit einem feuchten Tuch versuchte Sheppards Blut, das sich noch immer an seinen Händen befand, zu entfernen.

Als endlich jemand durch die Tür kam, der Neuigkeiten für Rodney hatte, wäre er nie in der Lage gewesen zu sagen, wie viel Zeit tatsächlich vergangen war. Es konnte sich genauso gut um fünf Stunden wie um fünf Minuten gehandelt haben. Vermutlich lag die Realität irgendwo dazwischen. Doch in dem Moment, als plötzlich ein Arzt vor ihm stand, war es, als ob der Schock von ihm abfallen würde, kehrte all die unterdrückte Energie mit einem Schlag zurück und er sprang hastig von seinem Stuhl auf.

Ohne seinem Gegenüber die Chance zu geben, überhaupt den Mund aufzumachen, lief McKay vor dem Arzt auf und ab, rang die Hände und rief mit nervösem Gebaren, „Er ist tot, oder? Sie sind hier, um mir zu sagen, dass er es nicht geschafft hat, nicht wahr?“

„Beruhigen Sie sich bitte, Mister …?“, versuchte der ziemlich jung wirkende Arzt Rodney zu beschwichtigen.

„Doktor! Doktor McKay!“

„Okay, Dr. McKay. Mein Name ist Dr. Chandler und wenn ich es richtig verstanden habe, sind Sie als Colonel Sheppards nächster Angehöriger eingetragen.“

„Jaja, also nichts von wegen, Sie dürften mir nichts verraten, weil wir nicht blutsverwandt sind. Und jetzt sagen Sie mir endlich, wie es ihm geht“, verlangte Rodney mit einer ungeduldigen Handbewegung zu wissen. Nur in allerletzter Sekunde nahm er davon Abstand, den Arzt am Kittel zu packen und zu schütteln.

„Vielleicht sollten Sie sich lieber hinsetzen.“

„Ich will mich aber nicht … Oh Gott, Sheppard ist tot und Sie versuchen jetzt, mir das schonend beizubringen“, stieß Rodney stammelnd hervor. „Als ob es irgendeine Möglichkeit gäbe, jemandem schonend beizubringen, dass sein bester Freund tot ist.“ Leichenblass geworden, sank er auf seinen Stuhl zurück.

„Colonel Sheppard lebt“, versicherte der Arzt. „Aber ich möchte ehrlich mit Ihnen sein, ihr Freund ist sehr schwer verletzt. Die Kugel ist beim Eintritt in den Brustkorb in einem flachen Winkel von einer Rippe abgeprallt und hat dabei einigen Schaden angerichtet, bevor sie in der Lunge stecken geblieben ist. Ihr Freund hat vor allem durch innere Blutungen sehr viel Blut verloren, doch ist es uns gelungen, ihn so weit zu stabilisieren, dass er operiert werden kann. Zurzeit ist ein Team von Chirurgen damit beschäftigt, alle Schäden zu reparieren. Die Operation wird bestimmt noch einige Zeit dauern und danach wird Colonel Sheppard auf die Intensivstation verlegt. An eine Verlegung in ein Militärkrankenhaus ist derzeit nicht zu denken. Die verantwortlichen Ärzte werden Ihnen dann sicherlich mehr zu seinem Zustand sagen können. Wenn Sie mir bitte folgen würden, dann zeige ich Ihnen den entsprechenden Wartebereich, damit Sie nicht hier in der Notaufnahme sitzen müssen. Dort gibt es auch ein Telefon, wenn Sie irgendjemanden benachrichtigen wollen.“ Dr. Chandler wandte sich zum Gehen, hielt dann aber wieder inne. „Ach, noch etwas. Ein Polizist hat sich schon nach Ihnen und ihrem Freund erkundigt und will sicherlich bald mit Ihnen reden. Wenn Sie möchten, kann ich ihm ausrichten, dass er warten soll, bis Colonel Sheppard aus dem OP ist.“

„Uh …“ Rodney hatte für einen Moment Mühe, dem Arzt zu folgen, da er in Gedanken noch immer bei der Liste von Sheppards Verletzungen war. „Ja … Ja, sagen Sie ihm das.“

Dann ließ er sich zu dem den Operationssälen zugeordneten Wartebereich führen. Doch bevor er wieder die kaum erträgliche Aufgabe des Ausharrens begann, nutzte er das in einer ruhigen Ecke angebrachte Telefon, um das SGC über die aktuellen Entwicklungen zu informieren. Aufgrund des früheren Anrufes von Sheppard, stellte man Rodney umgehend zu General Landry durch, der ihm versicherte, dass er Leute schicken würde, die sich um die lokale Polizei und alles weitere in der Universität kümmern würden. Zusätzlich versprach er, dass Dr. Lam innerhalb von wenigen Stunden da sein würde, um Sheppards weitere Behandlung zu übernehmen, bis man ihn in den Cheyenne Mountain verlegen konnte. An die Alternative, dass Sheppard es nicht schaffen könnte, weigerten sich beide auch nur zu denken.

Danach blieb ihm nichts Anderes übrig, als weiter zu warten. Ohne wieder in seinen früheren Schockzustand abzurutschen, saß Rodney für seine Verhältnisse trotzdem immer noch viel zu ruhig da. Nur langsam begannen die Geschehnisse der letzten Stunden so richtig in sein Bewusstsein einzudringen. Müde rieb er sich mit seinen Händen über das Gesicht, um die Erschöpfung zu vertreiben, die sich nach und nach in seinen Knochen einnistete.

Um sich abzulenken, sah er sich in dem Raum um. Im Gegensatz zu den sonst üblichen beige-grauen Krankenhausfarben und –einrichtungen hatte man sich doch tatsächlich Mühe gegeben, den Raum freundlich zu gestalten und mit halbwegs bequemen Sesseln auszustatten. Auf einer Couch, Rodney direkt gegenüber, saß eine Familie. Eine Mutter mit zwei kleinen Kindern, die dicht zusammengedrängt und aneinandergeklammert auf Neuigkeiten – wahrscheinlich über den Ehemann/Vater - warteten. Der ältere Mann rechts an der Wand, saß dagegen wie Rodney ganz alleine da und schaute verloren in die Luft. Der ganze Raum war erfüllt von Unsicherheit und Angst, aber auch einem kleinen Quäntchen Hoffnung.

Wie dicht Freud und Leid beieinander lagen, erlebte Rodney, als einige Zeit später ein Arzt zunächst der jungen Mutter offensichtlich positive Nachrichten brachte und sie ihm in ihrem Glück um den Hals fiel. Kurz darauf kam jedoch ein weiterer Arzt, der sich mit müden Bewegungen zu dem alten Mann setzte. Rodney konnte nicht hören, was gesagt wurde, doch der tränenreiche Zusammenbruch des Mannes ließ nur wenig Raum für Spekulationen.

Danach war er für einige Zeit allein. Als er es nicht mehr aushielt, begann er zwischen den Sesseln hin und her zu wandern und die Bilder an den Wänden zu studieren. Vermutlich Repliken teurer Werke, die er sich persönlich aber nie irgendwo hinhängen würde. Wofür manche Leute so Geld bekamen … Mit einem Schulterzucken setzte Rodney seine Wanderung fort. Erst als ein offensichtlich aufgewühltes Ehepaar mittleren Alters den Raum betrat, zwang er sich dazu sich wieder hinzusetzen.

Als der Stress des Tages schließlich begann, Rodney einzuholen und er Mühe bekam, die Augen offen zu halten, kam ein älterer Arzt in OP-Kleidung auf ihn zu. „Sind Sie für Colonel Sheppard hier?“

Ein Kloß im Hals verhinderte, dass McKay mehr als nur Nicken konnte.

„Ich werde ehrlich mit Ihnen sein.“ Oh Gott, nicht schon wieder dieser Satz, schoss der entsetzte Gedanke durch Rodneys Kopf. „Ich habe schlechte und weniger schlechte Nachrichten für Sie. Colonel Sheppard hat die Operation überlebt und wir haben unser Bestes gegeben, um alle Schäden, die die Kugel in seinem Körper angerichtet hat, zu reparieren. Unglücklicherweise waren die Verletzungen schlimmer als angenommen. Weitere Komplikationen gab es, als wir ihn auf dem OP-Tisch beinahe zweimal verloren hätten. Trotz all unserer Bemühungen konnten wir nicht verhindern, dass Colonel Sheppard ins Koma gefallen ist. Im Moment ist er halbwegs stabil, doch sehr schwach. Es tut mir leid, aber es besteht die nicht geringe Chance, dass er die nächsten Stunden nicht überleben wird.“

„Kann …“ Das Krächzen konnte unmöglich Rodneys Stimme sein. „Kann ich zu ihm?“

„Im Moment wird er gerade auf ein Zimmer der Intensivstation verlegt, wo wir ihn unter ständiger Beobachtung halten werden. Ich schicke eine Schwester zu Ihnen, wenn alles aufgebaut ist. Bei so einem Fall sind die sonst geltenden Bestimmungen zu Besuchszeiten natürlich aufgehoben.“ Bei so einem Fall? Mit diesem Satz wurde Rodney erst wirklich bewusst, dass der Arzt nicht mit Sheppards Überleben rechnete. Schwärze und bodenlose Verzweiflung waberte von allen Seiten auf ihn zu und er musste sich setzen. Nein! Nein! Nein! Wären sie doch nur nie auf die Erde gereist, hätte er doch nur nie vorgeschlagen … Rodneys Kopf quoll über mit Vorwürfen.

Wie in Trance folgte er der Krankenschwester, die kurze Zeit später auftauchte und ihn zu Sheppard führte. Wenn er sich innerlich nicht schon so taub gefühlt hätte, wäre er beim Anblick des Colonels sicherlich entsetzt zusammengezuckt. Sheppard wirkte so blass und zerbrechlich auf den weißen Laken und neben all den Geräten, dass Rodney seinen Freund für einen Moment beinahe nicht erkannt hätte. Der Beatmungsschlauch verdeckte die Hälfte seines Gesichtes. Überall waren Kabel und Schläuche angebracht, die zu und von Sheppards Körper führten. Zudem war das Laken nur bis zur Hälfte des Oberkörpers hochgezogen, so dass Rodney problemlos die dicken Verbände sehen konnte, die die rechte Hälfte des Brustkorbes bedeckten. Die stetigen Geräusche, der um das Bett angeordneten Maschinen, verstärkten den Eindruck, dass Sheppard nur dank ihnen am Leben erhalten wurde.

Widerstandslos ließ sich Rodney zu einem bereitstehenden Stuhl führen. Für einen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, nach der Hand des Colonels zu greifen, um sich zu überzeugen, dass die Geräte nicht logen und dieser tatsächlich noch am Leben war. Um die Schläuche der Infusionen nicht zu stören, entschied er sich dann doch dazu, sich in seinem Stuhl zurückzulehnen und Sheppard nur zu beobachten.

In den nächsten Tagen war Rodney kaum von Sheppards Bett wegzubekommen. Er gönnte sich nur wenige Stunden Schlaf, dann saß er wieder im Krankenzimmer. Ärzte und Schwestern – auch aus dem SGC – kamen und gingen, untersuchten Sheppard, betrachteten seine Werte, sprachen leise miteinander und konnten doch auch nicht viel mehr tun als zu warten.

Für die Zeiten, zu denen er nicht an seinem Laptop saß – was erstaunlich oft vorkam, da er nicht wirklich fähig war, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren -, hatte sich Rodney ein kleines Tischchen besorgt, auf dem er ein Schachbrett aufgebaut hatte. Auf diesem trug er heftige Schlachten zwischen Sheppard und ihm selbst aus, wobei er versuchte, möglichst wenig zu schummeln, wenn er Sheppards Züge machte. Während der Colonel noch immer unnatürlich still dalag und weiterhin mehr oder weniger von den Maschinen um ihn herum am Leben erhalten wurde, hatte McKay die ganze Zeit fast ohne Unterbrechung geredet.

„Verdammt, Sheppard“, schimpfte er bei einer Gelegenheit. „Ist Ihnen überhaupt klar, was Sie mir antun würden, wenn Sie an einer Kugel sterben würde, die für mich bestimmt gewesen war? Ich würde für den Rest meines Lebens von Psychiatern abhängig sein.“ Rodney zögerte einen Moment. „Nicht, dass ich nicht auch jetzt schon oft genug Grund habe, bei einem vorbeizugehen. Ich muss sagen, Kate ist wirklich verständig. Auch wenn Sie mir während unserer Sitzungen manchmal so gestresst und irgendwie genervt vorkommt. Vielleicht bräuchte sie auch mal einen Psychiater …“

„Elizabeth lässt Ihnen übrigens Grüße ausrichten“, erzählte er ein anderes Mal. „Irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass sie es genießt, dass wir beide nicht in Atlantis sind. Sie erwähnte etwas von der ruhigsten Woche, die sie jemals in der Stadt erlebt hat. Ich glaube, sie hält uns für Unruhestifter. Oder zumindest glaubt sie, dass wir Ärger anziehen würden.“ Rodney senkte seine Stimme noch ein wenig mehr. „Aber mal ehrlich Sheppard, ich habe doch gar nichts damit zu tun. Das ist alles Ihre Schuld. Ich bin nur der arme Begleiter, der in Ihre Probleme immer mit hineingerät.“ Fast beiläufig fügte er noch hinzu: „Äh, bevor ich es vergesse, Teyla und Ronon senden natürlich auch noch ihre Grüße. Die beiden versprechen Ihnen, dass sie das Training mit Ihnen verstärken werden, sobald es Ihnen besser geht, damit Sie der nächsten Kugel vielleicht ausweichen können. Oder so was in der Art.“

Und dann gab es noch ein Gesprächsthema, das Rodney schon ein Weilchen auf dem Herzen gelegen hatte und das er eines Abends, als es im Zimmer fast dunkel war, anging. „Habe ich Ihnen eigentlich schon erzählt, warum Sie hier liegen?“, fragte er schließlich. „Naja, warum ist ja offensichtlich, Schusswunde und so. Was ich meine, ist warum

„Maynard.“ Rodney sprach den Namen mit Verachtung aus. „Robert Maynard. Vor Jahren war der einmal ein vielversprechender Wissenschaftler gewesen. Während ich zur selben Zeit an meiner zweiten Doktorarbeit schrieb, habe ich nebenbei noch an einem Forschungsprojekt mit ihm zusammengearbeitet. Er war ein paar Jahre älter als ich und zuerst war ich richtig begeistert von ihm gewesen. Ein brillanter Kopf und wirklich innovativer Denker. Und das will immerhin etwas heißen, wenn es von mir kommt. Es war ein ziemlich harter Schlag für mich, als ich entdeckte, dass er seine Forschungsergebnisse gefälscht hatte, nur damit sie zu seinen Theorien passten.“ Noch im Nachhinein konnte Rodney nicht seine Verachtung darüber aus seiner Stimme heraushalten, das war mit seiner Auffassung von Wissenschaft einfach nicht vertretbar.

Wie er Sheppard dann auch erläuterte: „Ich weiß, dass ich meine Ideen manchmal auch recht rücksichtslos vorantreibe, doch ich habe ja auch meistens Recht. Und außerdem würde ich niemals so verantwortungslos vorgehen. Wenn andere Wissenschaftler auf diesen falschen Ergebnissen beruhende Forschungen machen und Experimente durchführen würden, kann leicht Unvorhergesehenes und damit möglicherweise auch Katastrophales geschehen. Ich musste ihn einfach melden. Das sehen Sie doch genauso, oder?“

Für einen Moment schwieg Rodney, dann fuhr er fort: „Danach war Maynard selbstverständlich ein Ausgestoßener und verlor seinen Job. Woher sollte ich denn wissen, dass ihn seine Frau zur selben Zeit ebenfalls verlassen und die gemeinsame Tochter mitnehmen würde?“, fragte McKay hilflos. „Aber wahrscheinlich hätte das trotzdem nichts an meiner Vorgehensweise geändert.“

„Es tut mir wirklich leid“, flüsterte er. „Also nicht, dass ich Maynard gemeldet habe, sondern dass Sie das Ganze jetzt ausbaden müssen. Die Polizei hat mir erzählt, dass er die beiden Möchtegernganoven irgendwo in einer Bar aufgegabelt und dafür bezahlt hat, bei der Präsentation aufzutauchen. Keiner weiß, was genau sein eigentlicher Plan gewesen ist, denn Maynard weigert sich zu reden. Alles was wir erfahren haben, stammt von seinen Handlangern. Selbst Mitchell und Teal’c haben es nicht geschafft, ihn während der Verhöre zu knacken. Wie versprochen hat Landry die beiden zusammen mit Carter geschickt, damit sie die Ermittlungen überwachen und sichergehen, dass es keinerlei Verbindungen zum Stargate Programm gibt.“

„Übrigens, noch jemand aus dem SGC ist hier. Dr. Lam hat jetzt Ihre Behandlung übernommen, Sheppard. Nicht, dass sie mit Carson mithalten könnte, aber immerhin ist sie kompetenter als die Idioten hier. Die Ärzte hier wollten mir doch tatsächlich weismachen, Sie wären so gut wie tot und da kaum Hoffnung bestünde, sollte ich mich von Ihnen verabschieden.“ Rodney hatte Mühe, das Zittern aus seiner Stimme herauszuhalten, weshalb er sich beeilte schnell weiterzureden: „Lieutenant Colonel John Sheppard sollte von einer winzigen Kugel besiegt worden sein, obwohl er doch zahlreiche Begegnungen mit den Wraith überlebt hat? Die haben ja keine Ahnung!“, redete sich McKay ein wenig in Rage. Wieder ruhiger fuhr er schließlich fort: „Trotzdem wäre es nett, wenn Sie es nicht ganz so spannend machen und endlich aufwachen würden.“

„Und dann ist da noch Carter. Können Sie glauben, dass Sie nur gekommen ist, um mir Gesellschaft zu leisten? Weil Ronon und Teyla nicht hier sein können.“ Rodney klang ehrlich erstaunt. „Sie ist richtig nett zu mir. Sie bringt mir Kaffee und regelmäßig etwas zu Essen. Und außerdem hält sie mir die verdammten Krankenschwestern vom Leib, wenn die mal wieder anfangen, was von Besuchszeiten zu faseln. Allerdings halte ich das mittlerweile eher für ein gutes Zeichen, da das impliziert, dass sie hier nicht mehr jeden Moment mit Ihrem Tod rechnen, Sheppard.“

Als Rodney die allgemeinen Gesprächsthemen schließlich ausgingen und es auch keine Neuigkeiten aus Atlantis mehr zu berichten gab, ging er dazu über, von seinen Projekten zu reden. Längst vergangene Sachen, auf die er noch immer unglaublich stolz war oder kommende Projekte, von denen er erwartete, dass ihm wenigstens eines den Nobelpreis einbringen dürfte, wenn das Stargate Programm endlich der Öffentlichkeit bekannt gemacht wird. Er wollte einfach nur sichergehen, dass wenn Sheppard schon nicht in einer vertrauten Umgebung war, er so doch wenigstens eine bekannte Stimme um sich hatte. Es hieß doch immer, dass Leute im Koma von vertrauten Dingen umgeben sein sollten. Oder?

******************************


Die Welt um ihn herum schien nur aus Schmerzen zu bestehen.

Weder war es etwas wirklich Neues, noch überraschte es ihn.

Er nahm es einfach resigniert hin. Manche würden behaupten, er hätte aufgegeben, doch war aufgeben etwas, dass ihm nie bewusst in den Sinn kommen würde.

Er war schlicht müde, so unendlich müde.

Also ließ er sich treiben. Seinen Körper ignorierend, ohne Bindungen, ohne Verpflichtungen, einfach nur im Nichts. Schließlich spürte er, wie die Schmerzen nachließen. Doch gleichzeitig nahm die Schwärze um ihn herum zu.

Das Einzige, das ihn davon abhielt, sich völlig zu verlieren, war ein nagendes Gefühl in seinem Hinterkopf.

Etwas, das sein Bewusstsein wie mit einen Anker, an diese Ebene band.

Da ihm die Kraft fehlte, dagegen anzukämpfen, wartete er einfach ab.

Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, doch plötzlich wurden aus dem Gefühl, dass irgendetwas störte, die Gewissheit etwas zu hören. Eine Stimme, die ihn immer weiter zurückzog.

Nein!

Er war noch nicht bereit dazu!

Er wollte den Frieden hier weiter genießen … bitte, nur noch ein kleines bisschen … bitte …

***

Als Sheppard schließlich aufwachte, geschah das in Schüben. Mit jedem Mal nahm er mehr von seiner Umgebung war.

Hören kam als Erstes. Und damit auch die scheinbar immer anwesende Stimme, die ihm einfach keine Ruhe lassen wollte. Sie wurde der Strang, an dem er sich sprichwörtlich in die Wirklichkeit zurückhangelte. Noch wusste er nicht, wem sie gehörte, aber er assoziierte sie umgehend mit Sicherheit.

Als nächstes folgte der Geruch. Vertraut und doch so fremd. Antiseptisch, wie jedes Mal wenn er sich in der Krankenstation befand, und doch fehlte der Hauch der Meeresbrise, die fast immer durch die Zimmer von Atlantis ging, selbst wenn man sich tief in der Stadt befand.

Fühlen kam beinahe beiläufig. Irgendwann stellte er einfach fest, dass er den Stoff auf seiner Haut spüren konnte. Doch gleichzeitig war dieses Gefühl irgendwie vernebelt, so als ob … ja klar, man hatte ihm die guten Schmerzmittel verabreicht. Kein Wunder, dass er zwischendurch noch immer das Gefühl hatte in einer Wolke dahinzudriften.

Schmecken … Schmecken … Irgendetwas stimmte nicht. Sein Mund fühlte sich so voll an. Warum konnte er ihn nicht schließen? Und schlucken … Etwas füllte seine Kehle. Atmen … er konnte nicht atmen! In seiner Panik nahm Sheppard die zunehmenden Geräusche um ihn herum gar nicht wahr. Alles was ihn interessierte war der Versuch, Luft in seine Lungen zu bekommen.

Schließlich öffnete er seine Augen. Er musste sehen, was los war! Das Erste, was er wirklich bewusst registrierte, war ein über ihm hängendes Gesicht, mit unglaublich blauen Augen, die John irgendwie vertraut vorkamen. Gleichzeitig spürte er, wie die Hände, der zu dem Gesicht gehörenden Gestalt ihn daran hinderten, sich zu sehr zu bewegen. Doch anstatt sich eingeengt zu fühlen, war die Berührung ungemein beruhigend. Als er dann die Stimme registrierte, ergab auf einmal alles einen Sinn. Rodney, dachte John mit einem Lächeln.

„Shhh … ganz ruhig, John“, ließ er sich von Rodneys Worten beruhigen. „Sie sind noch an ein Beatmungsgerät angeschlossen, wehren Sie sich nicht dagegen.“

Mit der Erinnerung an die Erleichterung, die deutlich in Rodneys Augen zu lesen war, driftete John wieder in den Schlaf.

Beim nächsten Aufwachen, stellte Sheppard erleichtert fest, dass der Schlauch in seiner Kehle verschwunden war. Trotzdem gelang es ihm nicht wirklich, für längere Zeit die Augen offen zu halten. Das besserte sich im Verlauf der nächsten Tage aber allmählich, bis John schließlich länger wach war, als nur ein paar Minuten am Stück. Doch wann immer er aus dem Schlaf auftauchte, fand er Rodney neben seinem Bett sitzend.

Irgendwann schien Rodney dann der Meinung zu sein, dass es Sheppard gut genug für ein ernsthaftes Gespräch ging. Im Nachhinein, würde John amüsiert feststellen, dass jeder, der das Gespräch zufällig belauscht hätte, nichts damit würde anfangen können. Im Laufe der vergangenen Jahre hatten die beiden fast so etwas wie eine eigene Sprache entwickelt und die wirklich wichtigen Dinge wurden sozusagen im Subtext abgehandelt. Kein Wunder, dass sich immer alle wunderten, wie McKay und Sheppard überhaupt miteinander klarkommen konnten.

„So“, baute sich Rodney mit verschränkten Armen neben Johns Bett auf. „Wir müssen reden.“ Ich weiß, dass ich nicht gerade die fähigste Person im Bereich tiefgründiger Gespräche bin, aber das hier ist mir wichtig.

„Hm …“ Sheppard verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. Muss das wirklich sein?

„Es geht wirklich nicht, dass Sie immer den Helden spielen müssen!“ Auch wenn ich Ihnen dafür dankbar bin, dass Sie mir das Leben gerettet haben, will ich nicht mit der Schuld leben müssen, dass Sie Ihr Leben für mich geopfert haben, sollte Sie das Glück einmal verlassen.

„Wer soll es denn sonst machen? Etwa Chuck?“ Wenn es sein muss, würde ich mein Leben für jedes Mitglied der Expedition ohne zu zögern hergeben. „Ich glaube lieber nicht.“ Tut mir leid, aber so bin ich nun einmal.

Diesmal war Rodney an der Reihe sein Gesicht zu verziehen. „Na, solange es nur nicht Kavanaugh ist.“ Vorher bin ich erst einmal wieder dran mit dem Leben retten.

„Urgh … was für eine Vorstellung!“ Wir werden sehen.

„Elizabeth sendet Grüße aus Atlantis.“ Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

„Danke.“ Wenn Sie meinen.

„Irgendwie sollte unser Ausflug auf die Erde ja doch ganz anders verlaufen.“Tut mir leid, dass ich Ihren Urlaub ruiniert habe.

„Ja, komisch wie das so kommen kann.“ Es war nicht Ihre Schuld. „Und McKay“, grinste John den Wissenschaftler möglichst unschuldig an. „Bei unserem nächsten Urlaub gehen wir aber surfen!“ Danke - für alles.

Rodney antwortete mit einem Schnauben. „Träumen Sie weiter, Colonel!“ Gern geschehen.

Beiden war bewusst, dass es noch ein Weilchen dauern würde, bis John die traumatischen physischen und psychischen Ereignisse der letzten Wochen endgültig verarbeitet hatte.

Aber erstaunlicherweise hatte diese ‚richtige’ Verletzung es geschafft, Johns Gedanken nachhaltig von seinen diffusen Schuldgefühlen und Unsicherheitsgefühlen gegenüber der Rettung durch den Wraith zu vermindern. Seine Antipathie gegen Berührungen war fast zwangsweise zurückgedrängt worden, denn hilflos im Krankenhaus zu liegen, ließ keinen Raum für solche Regungen zu.

Sheppard spürte Rodneys Sorgen in jedem Moment, in jedem der Worte, die der Wissenschaftler sprach – zumindest wenn er nicht gerade wieder über Alltäglichkeiten und Belanglosigkeiten meckerte – aber diese Sorge war jetzt auf seinen körperlichen Zustand und nicht seinen seelischen gerichtet und damit konnte John hundertmal besser umgehen.

Er war noch lange nicht über den Berg und mit Sicherheit würden ihn sowohl der Wraith als auch der Schuss noch lange in seinen Träumen heimsuchen. Doch ein Anfang war geschafft und sie schworen sich im Inneren beide, dass es von jetzt an nur noch vorwärts gehen würde. Manchmal vielleicht nur in kleinen Schritten, manchmal vielleicht auch scheinbar so gut wie gar nicht, aber immer beständig.

ENDE
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