Stargate Fanfic Login
HilfeImpressumLexikon
Erweiterte Suche

Dunkle Abgründe von Lorien

[Reviews - 0]   Drucker Kapitel oder Geschichte Inhaltsverzeichnis

- Schriftgröße +

Vorwort



Warnung: Spoiler vor allem für SGA 3x07 "Common Ground", verschiedene kleinere Anspielungen auf frühere Folgen. Außerdem eine Anspielung auf SG-1 10x15 "Bounty".
Dunkle Abgründe


Ein Junge weint nicht! Ein Junge beißt
Sich auf die Zunge, auch wenn das Herz reißt.
Das musst du wohl noch lernen?!
(Gerhard Schöne – Ein Junge weint nicht)


***

In dem mit modernster Präsentationstechnik ausgestattetem Auditorium, welches sich im Curie-Gebäude der physikalischen Fakultät einer kleinen im mittleren Westen der USA gelegenen Privatuniversität befand, war es dunkel und stickig. Doch noch immer folgten die etwa zwanzig Anwesenden wie gebannt der Vorführung, die auf dem Podium stattfand. Dort war Dr. Rodney McKay gerade dabei, in seinem üblichen „Ich-weiß-alles-und-ihr-nichts“-Tonfall die Funktionsweise der auf der großen Projektionswand gezeigten Schaltpläne zu erklären. Während die Geschwindigkeit, in der er sprach, jeden Normalbürger längst zur Verzweiflung getrieben und dafür gesorgt hätte, dass ihm keiner mehr folgen konnte, schien hier niemand Probleme damit zu haben.
Niemand, außer mir vielleicht, stellte John Sheppard leicht amüsiert fest. Ich hätte mich wahrscheinlich doch nicht in die letzte Reihe setzen sollen.
Er hatte beinahe laut aufgelacht, als ihm die Sitzordnung in dem nach hinten hin ansteigenden Raum das erste Mal so richtig bewusst geworden war. In der ersten Reihe saßen die, die man eigentlich nur als Anhänger bezeichnen konnte. Dicht gedrängt, hingen sie an jedem einzelnen Wort. Sie würden ohne zu zögern alles glauben, was Rodney ihnen erzählte. Dahinter kamen zwei bis drei Reihen Zweifler. Sie bildeten momentan noch die größte Gruppe und waren bisher mehr oder weniger neutral oder skeptisch eingestellt. McKay würde es bis zum Ende seiner Präsentation jedoch problemlos schaffen, mindestens die Hälfte von ihnen noch auf seine Seite zu ziehen, sie sozusagen zu bekehren. Mit ein wenig Abstand kamen dann die beiden Ungläubigen. Kein Beweis auf der Welt konnte sie von Rodneys Genie überzeugen. So weit wie möglich auseinander sitzend machten sie sich eifrig Notizen, um Rodney am Ende die scheinbar entdeckten Fehler nur so um die Ohren zu hauen. Allein Sheppard saß noch weiter hinten, sozusagen als neutraler Beobachter.
Auch wenn es sicherlich eine Rolle spielte, dass er der einzige Nichtwissenschaftler im Raum war, lagen seine Verständnisprobleme wohl eher daran, dass er sich von Anfang an nicht wirklich Mühe gegeben hatte, Rodneys Ausführungen zu folgen. Vielmehr hatte sich John damit begnügt, den Wissenschaftler zu beobachten.
Die Normalität, die McKay ausstrahlte, während er seinen Kollegen sein Genie vorführte, faszinierte Sheppard. Es war, als wären die letzten zwei Wochen nie gewesen und für einen seltenen Augenblick lang konnte auch John sie – nicht vergessen, aber zumindest in den hintersten Winkel seines Bewusstseins verdrängen.
Hier war niemand, der John besorgt beobachtete, so als ob er darauf warten würde, dass er zusammenbrechen würde, nur weil das eine verständliche Reaktion nach einem Tag in der Hölle wäre. Niemand, der ihm hinterher schlich, aus Angst, dass er wieder verschwinden könnte. Niemand, der ihn dazu zwingen wollte, über das Vorgefallene zu reden, nur weil es besser sei, nicht alles in sich hineinzufressen. Niemand, der ihn missbilligend anblickte, nur weil er sich wieder bis zur Erschöpfung verausgabt hatte, um wenigstens eine Nacht mal zu müde zum träumen zu sein. Nicht, dass dies je funktioniert hätte.
Nur die Stimme eines Freundes, die einen Hauch von überlegener Arroganz nicht unterdrücken konnte, als sie neue Wege der Energieeffizienz aufzeigte.
Mit einem leisen Lächeln breitete John die Arme über die benachbarten Stuhllehnen aus und rutschte, die Beine ausstreckend, in eine bequeme Pose - nun, zumindest so bequem, wie es die harten Holzstühle zuließen. Entspannt wie schon lange nicht mehr setzte er seine intensive Beobachtung von Rodney fort.

***

Schmerz.
Nie zu enden scheinende Folter.
Weißglühende Agonie.
Hilflosigkeit.
Nicht glauben können, dass es wirklich geschah.
Ohnmächtiges Zerren an den Fesseln.

Wut.
Wut auf Gefängniswärter, die sich nicht zu schade waren, einen gemeinsamen Feind als Folterinstrument zu benutzen.
Wut auf den Mitgefangenen, der zu abgestumpft schien, um sich gegen sein Schicksal aufzulehnen.

Hände, die sich ihm entgegenstreckten.
Und wieder Schmerzen, unerträgliche Schmerzen.
Ohne den Knebel hätte er sich wahrscheinlich längst heiser geschrieen.

Ein Kaleidoskop aus Bildern und Gefühlen, die ihn in einem immerwährenden Strudel gefangen hielten - und zwischen allem Kolyas zu einer grinsenden Fratze verzogenes Gesicht.
„Sheppard…“

***

Sheppard…
„JOHN!“
Der besorgte Ausruf seines Namens brachte Sheppard in die Wirklichkeit zurück. Ein einziger Blick nach unten auf das Podium zeigte ihm Rodneys hilflos aufgerissene Augen. Das reichte aus, um auch die letzte Illusion von Normalität zerplatzen zu lassen. Nervös um sich schauend wurde John bewusst, dass alle Augen im Raum auf ihn gerichtet waren.
Oh Gott, er war doch nicht etwa eingenickt und hatte im Schlaf geschrieen? Unbewusst wanderte Johns Hand zu seinem Hals, um seine trockene Kehle zu massieren. Auch ohne sich in einem Spiegel sehen zu können, war ihm klar, dass der Versuch eines beschwichtigenden Lächelns kläglich scheiterte und sein Gesicht viel eher einer Grimasse ähneln musste, die ihn erst recht durchgeknallt erscheinen ließ.
„Äh … Hi! Sorry für die Unterbrechung.“
Ob es nun daran lag, dass die Wissenschaftler einfach nur exzentrisches Verhalten von ihren Kollegen gewöhnt waren, oder daran, dass er vielleicht doch keinen völligen Idioten aus sich gemacht hatte, wusste er nicht. Jedenfalls begannen sich die ersten Köpfe bereits wieder dem Podium zuzuwenden. Allein Rodneys Aufmerksamkeit war noch immer voll und ganz auf John gerichtet.
Für einen Moment trafen sich ihre Augen und Sheppard konnte in McKay deutlich den Kampf widersprüchlicher Gefühle lesen. Hilflosigkeit angesichts des Unvermögens einem Freund helfen zu können. Der Wille es trotzdem zu versuchen, auch wenn das bedeuten würde, Johns Wunsch nach mehr Freiraum zu ignorieren. Und Mitleid.
Oh, wie er das Mitleid hasste!
Nichts wollte er nach den letzten zwei Wochen mehr entfliehen als dem mitleidigen Ausdruck in den Augen derjeniger, die wussten, was geschehen war. So als ob sie glaubten verstehen zu können, wie er sich fühlen musste. Armer, gebrochener Colonel Sheppard.
Ein unsicherer Schritt von Rodney in seine Richtung brach den Bann und ließ John aufspringen. Durch seine Adern floss noch immer das durch den Alptraum erzeugte Adrenalin und trieb ihn mit nur wenigen Schritten durch die Tür des nahe liegenden oberen Ausgangs. In dem Moment als er hindurch war, schob er sie auch schon wieder zu und lehnte seinen Kopf gegen die glatte Holzoberfläche.
Mit pochendem Herzen versuchte er nach Geräuschen aus dem Inneren zu lauschen. Flehend murmelte er leise vor sich hin: „Bitte, lass ihn nicht hinter mir her rennen … bitte Rodney, versuch diesmal nicht ein guter Freund zu sein und lass mich einfach für einen Moment allein … bitte …“

***

Kaum hatte sich John von dem Wraith abgewandt und den Jumper betreten, hob das kleine Fluggerät auch schon ab und machte sich auf den Weg nach Atlantis. Nur Sekunden später war er von seinem Team umringt. Sheppard war sich bewusst, dass sie ihn seit ihrer Wiedervereinigung kaum aus den Augen gelassen hatten, doch bis auf die anfänglichen Fragen hatten sie ihn bisher größtenteils in Ruhe gelassen. So als ob die Anwesenheit des Wraith wie eine unsichtbare Barriere zwischen ihnen gestanden hätte.
Mit einem Mal redeten alle gleichzeitig.
„Wie ist das möglich?“
„Er sieht wirklich jünger aus, Carson!“
„Kommen Sie, Colonel. Setzen Sie sich hin, damit ich Sie kurz durchchecken kann.“
Ein wenig überwältig, ließ sich John widerstandslos zu einer der Bänke des Jumpers dirigieren. Mit dem Abliefern des Wraith schien ihn alles Adrenalin plötzlich verlassen zu haben und ihn die Ereignisse des letzten Tages schließlich doch noch einzuholen. Müde ließ er sich auf die Bank fallen.
Teylas Hand lag unvermittelt wie ein schweres Gewicht auf seinem Arm und auch wenn die Geste sicherlich beruhigend gemeint war, brachte die Berührung seine Haut zum Kribbeln. Als auch Rodney seine Hand ausstreckte, wie um sich zu vergewissern, dass er wirklich real war, konnte John ein instinktives Zurückweichen nicht verhindern. Um dem verletzten Ausdruck in Rodneys Blick zu entkommen, schloss er, ohne die Erschöpfung vortäuschen zu müssen, seine Augen. Es war noch gar nicht so lange her, da war Sheppard überwältigt und unglaublich erleichtert gewesen, dass seine Freunde aufgetaucht waren, doch jetzt war zu müde, um auch nur zu versuchen, ihnen mit seinem üblichen Grinsen zu versichern, dass es ihm gut ging.
Es fiel ihm immer schwerer, den Worten um ihn herum zu folgen. Nach und nach verschwamm alles zu einem einheitlichen Gemurmel, dass direkt über ihm zu hängen schien.

***

Müde. Er war so müde.
Wann war das letzte Mal gewesen, das er eine Nacht hatte durchschlafen können?
Als klar war, dass ihm Rodney nicht folgen würde, drückte sich John mit einer kraftlosen Bewegung von der Tür ab und drehte sich um. Für einen Moment fehlte ihm die Orientierung, als ihn die durch die Fenster einfallenden Sonnenstrahlen blendeten.
Ein Blinzeln brachte den langen Flur, an dessen einem Ende John sich befand, wieder in den Focus. Hinter dem Treppenaufgang rechts von ihm gingen von dem lichtdurchfluteten Gang in regelmäßigen Abständen immer wieder Türen ab, die zu weiteren Unterrichtsräumen führten. Die nach Süden ausgerichtete linke Seite war dagegen mit einer großzügigen Glasfront ausgestattet.
Unsicher, was er jetzt machen sollte, gaben die warmen Sonnenstrahlen auf Johns Gesicht schließlich den Ausschlag. Er stieg die Treppe hinab und wandte sich eine Etage tiefer der nächstliegenden nach draußen führenden Tür zu. Entschlossen betrat er den mit weitläufigen Grünanlagen gestalteten Campus, um den sich die Gebäude der kleinen Universität gruppierten. Mit langen Schritten steuerte er direkt auf eine in der Sonne stehende leere Bank zu.
Auch wenn es die Kraft der Sonne nicht schaffte, alle in seiner Seele lauernden Schatten zu vertreiben, versuchte John für den Augenblick einfach nur so viel Licht wie möglich in sich aufzusaugen. Er konnte ein zufriedenes Seufzen nicht ganz unterdrücken, als er sich auf der Bank niederließ und sein Gesicht der Sonne entgegenreckte. Trotz geschlossener Augen verhinderten seine durch das Sonnenlicht in einem hellen Rot leuchtenden Lider, dass John wieder in die Dunkelheit abrutschte.
Für einige Minuten war das alles, was er brauchte. Das Licht und die beruhigenden Geräusche der ihn umgebenden Natur. Das leise Rascheln der sich in einer sanften Brise bewegenden Blätter eines nur ein paar Meter entfernt stehenden Baumes, das unbekümmerte Zwitschern von Vögeln und in der Ferne das vertraute Brummen eines Rasenmähers.
Eine Klingel störte schließlich Johns Ruhe. Nur kurze Zeit später begannen Stimmen den Hof zu füllen. Widerwillig öffnete er seine Augen und beobachtete, wie Studenten aus den verschiedenen Gebäuden strömten, um ihre Pause dazu zu nutzen, den schönen Tag zu genießen. Immer mehr Gruppen von jungen Leuten ließen sich auf dem Rasen nieder, um zu essen, sich zu unterhalten oder einfach nur in der Sonne zu liegen.
Das Bild des Friedens und der Unbekümmertheit, das sich John bot, ließ ihm schmerzhaft bewusst werden, dass so gut wie niemand auf der Erde auch nur ahnte, welche Gefahren 3.1 Millionen Lichtjahre entfernt lauerten. Für den Bruchteil einer Sekunde spürte er so etwas wie Neid in sich aufsteigen.
Und doch, trotz allem was er in den letzten Jahren gesehen und erlebt hatte, oder vielleicht auch gerade deswegen, würde John sein Leben gegen nichts auf der Welt eintauschen wollen. Erst recht gegen nichts, was es auf dieser Welt gab.
Er würde sich eben etwas mehr anstrengen müssen, um die Sache mit Kolya in den Tiefen seines Bewusstseins zu vergraben, damit er endlich wieder seinen Pflichten als militärischer Leiter von Atlantis nachkommen konnte. So sehr er sich auch von Elizabeth verraten fühlte, weil sie ihn gezwungen hatte „Urlaub“ auf der Erde zu machen, musste er zugeben, dass er in den letzten Wochen irgendwie neben sich gestanden hatte. Im wahrsten Sinne des Wortes. Seine Handlungen und Reaktionen waren wie die eines Fremden gewesen. Vieles von dem was er gesagt oder getan hatte, hatte er meist noch im gleichen Moment bereut und doch hatte er sich nicht stoppen können. Und je mehr er versucht hatte seine irrationale Seite zu unterdrücken und so zu tun, als wäre nichts passiert, desto schlimmer war es geworden.
Mit einer müden Bewegung rieb sich Sheppard über das Gesicht und durch die Haare. Ich werde mich wohl bei ein paar Leuten entschuldigen müssen, dachte er resigniert. Und beginnen kann ich gleich mit Rodney.
Ein Blick auf seine Uhr zeigte ihm, dass gerade mal fünfzehn Minuten vergangen waren, seit er den Hörsaal fluchtartig verlassen hatte. McKay würde wahrscheinlich immer noch mitten in seinen Ausführungen stecken, so dass es kein Problem sein dürfte, sich unauffällig zurückzuschleichen. Und doch war John abgeneigt, den strahlenden Sonnenschein erneut gegen das stickige Auditorium einzutauschen.
In Gedanken schon bei dem Abendessen, zu dem Rodney ihn zuzusagen als Belohnung für sein Mitkommen ‚eingeladen’ hatte, gab er sich noch fünf Minuten, bevor er wieder zurückgehen würde.

***

„Colonel Sheppard!“
Eine eindringliche, mit schottischem Dialekt sprechende, Stimme holte John aus seinem Halbschlaf zurück.
„Es tut mir leid, Sie wecken zu müssen, Colonel. Je schneller wir die Untersuchungen hinter uns bringen, desto schneller kann ich Sie weiterschlafen lassen.“
Überrascht wurde John bewusst, dass er sich auf einer Bettkante sitzend in der Krankenstation wiederfand. Er war zwar noch vollständig bekleidet, doch jemand hatte ihn bereits von seiner Weste und den Waffen befreit. Sheppard war sich nicht sicher, ob er beunruhigt sein sollte, dass er keinerlei Erinnerung daran hatte, wie er vom Jumper hierher gekommen war, entschied dann aber, dass er zu müde war, um sich Sorgen zu machen. Auch dass die Anderen auf einmal verschwunden waren und sich außer Carson und einer Krankenschwester niemand in seiner unmittelbaren Nähe aufzuhalten schien, war John nur recht.
Er war schon wieder dabei wegzudriften, als er plötzlich eine Hand an seiner Schulter spürte. Obwohl er fast im gleichen Moment noch erkannte, dass es Beckett war, der da direkt neben ihm stand, konnte John erneut ein instinktives Zurückzucken nicht mehr ganz unterdrücken.
Um den für ihn peinlichen Moment zu überspielen, stieß Sheppard das erste hervor, was ihm in den Sinn kam. „Es geht mir gut! Wirklich! Der Wraith hat alles rückgängig gemacht. Vielleicht sogar besser. Wie neu!“
„Aye, so sieht es aus. Doch wissen wir nichts darüber, was der Prozess in ihrem Körper angerichtet haben könnte. Gar nicht …“
„Carson.“ John war sich schmerzhaft bewusst, dass seine Stimme einen flehenden, fast weinerlichen Beiklang hatte.
„Gar nicht zu reden davon, was für einen Stress die wiederholten Nährungen für Ihren Körper bedeuten müssen.“ Das ‚und für ihre Seele’ sprach der Arzt zwar nicht extra aus, es klang aber deutlich mit. Genauso wie der verständnisvolle Blick nicht zu missverstehen war.
John spürte, wie mit einem Schlag alle Farbe aus seinem Gesicht wich und sich ein dicker Knoten in seinem Magen bildete. Oh Gott, die gesendeten Übertragungen! Wie viele hatten wohl gesehen, was passiert war? Er hatte geschrieen, oder? Da war ein Knebel gewesen – und doch konnte er sich an Schreien erinnern. Mit nervösem Schlucken versuchte John die aufsteigende Übelkeit in den Griff zu bekommen.
Als er schließlich den Kampf mit seinem Magen verlor, hatte Beckett längst die Zeichen gedeutet und hielt eine Schale vor Sheppards Gesicht. Nur, dass kaum etwas kam und ihn vorwiegend trockene Krämpfe schüttelten. Die Zeit schien sich ins Endlose zu ziehen, während John über der Schale hing. Beckett versuchte ihn mit einer kreisenden Handbewegung auf dem Rücken zu beruhigen, doch Johns Magenmuskeln zogen sich immer wieder krampfhaft zusammen und ließen ihn in den Pausen zitternd zurück.
Als die Krämpfe endlich aufhörten, war er so erschöpft, dass ihn nur noch Carsons Hand an der Schulter aufrecht hielt. Nachdem die bisher im Hintergrund gebliebene Krankenschwester die Schale weggenommen hatte, half Beckett John dabei, sich auf dem Bett auszustrecken.
„So ist es gut, Colonel. Lassen Sie mich einfach machen.“
Völlig ausgelaugt lag John mit geschlossenen Augen da. Noch während er Carsons Bewegungen lauschte, fing er wieder an zu dösen.
„He!“ Diesmal hatte ihn ein Stechen in seinem linken Handrücken geweckt. Unwillkürlich versuchte er seine Hand wegzuziehen, doch mit einem festen Griff und geübten Bewegungen hatte Beckett blitzschnell die Infusion fixiert.
„Das ist nicht nötig“, beschwerte sich John. „Es geht mir gut, ich brauche nur etwas Ruhe. Und Sie wissen genauso gut wie ich, dass ich die hier in der Krankenstation niemals finden werde.“
Doch Beckett schaute ihn nur unbeeindruckt an. „Ihr Elektrolythaushalt ist nicht überraschend ein wenig durcheinander und die Infusion ist der schnellste Weg dagegen vorzugehen. Denn seien Sie ehrlich, es ist doch schon ein Weilchen her, dass sie das letzte Mal etwas getrunken haben, Colonel. Oder etwas gegessen haben.“
„Keine Ahnung“, kam es kaum wahrnehmbar zurück. In Wahrheit wusste er es genau: das Frühstück, kurz bevor sie durch das Stargate gegangen waren, vor ... Sheppard wurde bewusst, dass er keine Ahnung hatte, wie viel Zeit eigentlich genau vergangen war. Sicherlich mehr als ein Tag. Und doch verspürte er weder Hunger oder Durst. Es war, als ob der Wraith ihm nicht nur die Lebensenergie zurückgegeben hatte, sondern ihn irgendwie auch ‚genährt’ hatte. Konnten Menschen eigentlich auf diese Weise überleben, wenn sie einen Wraith hatten, der bereit war, sie mit zu ‚ernähren’?
Mit einem Schaudern erinnerte sich John daran, woher diese Energie jedoch kommen müsste und ihm wurde klar, dass er lieber sterben würde, als sich auf die Art am Leben zu halten. Und trotzdem war er froh, dass er sein Leben zurück erhalten hatte. Er konnte auch damit leben, dass dafür einige von Kolyas Männern hatten sterben müssen. Schließlich hatten sie ihn zuerst angegriffen und er hatte sich letztendlich nur gewehrt. Indem er sich mit einem Wraith zusammengeschlossen hatte ... Ein weiteres Schaudern ging durch Johns Körper. Durch einen Wraith das Leben ausgesaugt zu bekommen, war etwas, das Sheppard – vor allem nachdem er es am eigenen Leib erfahren hatte – nicht einmal seinem schlimmsten Feind wünschen würde.
Eines schwor er sich, Kolya würde eine weitere Begegnung nicht überleben.
„John!“
Sheppard blinzelte in Carsons besorgtes Gesicht. Der Arzt musste schon seit einem Weilchen versucht haben, ihn anzusprechen.
„Sorry, Doc, war wohl mit meinen Gedanken ganz woanders.“
Und da war er wieder, dieser verständnisvolle und Mitleid verströmende Blick. John bis die Zähne zusammen, um die auf der Zunge liegende sarkastische Bemerkung zurückzuhalten. Er konnte nicht jedes Mal, wenn jemand Mitleid zeigte, auf Konfrontationskurs gehen. Es war klar, dass so gut wie alle in Atlantis wussten, was passiert war, entweder weil sie die Übertragungen gesehen hatten oder dank der gut funktionierenden Gerüchteküche. Ständige Konfrontation würde in den nächsten Tagen nicht nur seine Beziehungen zu den anderen Expeditionsmitgliedern belasten, sondern ihn auch unnötige Kräfte kosten. Er würde ihnen auf einem anderen Weg klarmachen müssen, dass er kein Mitleid und erst recht keine Schonbehandlung wollte. Am Besten wäre es, wenn alles seinen gewohnten Gang gehen würde.
„Ich habe die Untersuchungen erst einmal abgeschlossen. Wir müssen natürlich noch abwarten, was die Bluttests ergeben, aber es sieht so aus, als ob es Ihnen angesichts des Geschehenen überraschend gut gehen würde“, berichtete Carson mit einem freundlichen Lächeln.
„Okay, wann kann ich hier raus?“
„Sollten Sie noch wach sein, wenn die Infusion durchgelaufen ist, können wir noch einmal darüber reden.“ Damit wandte sich der Arzt zum Gehen und Sheppard blieb nichts anderes übrig, als sich in sein Schicksal zu fügen. Auch wenn er sich fest vorgenommen hatte, wach zu bleiben, war er innerhalb von nur wenigen Minuten eingeschlafen.

weiter: Kapitel 2
Du musst login (registrieren) um ein Review abzugeben.