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Wäre ich doch nur im Bett geblieben von Destiny

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Teil 3

Dunkelheit und Stille. Friedlich, ruhig, Balsam für die Seele. Keine störenden Geräusche, einfach nur Ruhe. Es tut gut. Wirklich. Ich habe so etwas noch nie vernommen. Es ist so angenehm einfach nur nichts zu hören, nichts zu sehen. Ein Luxus des Vergessens, von dem ich weiß, dass er mir bald entrissen wird. Entrissen von dem heißen, gleißenden, hellen Schmerz. Ich will nicht. Ich kann ihn schon hören. Hämmernd steht er an der Tür. Mein Bewusstsein will wieder die Kontrolle über meinen Körper, aber ich will nicht. Nur noch fünf Minuten. Einfach nur vergessen, dass, wenn ich jetzt diese Tür öffne, ich dann auch den Schmerz spüren werde. Einen höllischen Schmerz. Da bin ich mir ganz sicher. Selbst die Idee überhaupt einen Gedanken daran zu verlieren, verstärkt nur mein Verlangen mich noch weiter in der Dunkelheit zu verkriechen. Denn ich weiß, ein Blinzeln, eine winzige Bewegung, lässt diese Illusion wie eine Seifenblase zerplatzen.

Ich will nicht.

Aber das Hämmern wird immer aufdringlicher und ich weiß, dass die Tür, mein Schutz, nicht mehr lange Stand halten kann. Ich bin noch nicht bereit diesem Giganten gegenüber zu treten. Lasst mich einfach allein. Allein in meiner stillen Dunkelheit, geborgen und beschützt.

Es gibt nur nichts in meinem erfundenen Schutzbunker, was mich vor mich selbst beschützen kann. Ich kann es förmlich spüren, wie die gierigen Finger der Realität nach mir greifen, mich herauszerren wollen in den Schmerz und der nicht verleugnenden Wirklichkeit, der ich einfach nicht entfliehen kann. Egal, ob ich mir jetzt noch für weitere fünf Minuten oder für den Rest meines Lebens einrede, dass dies alles nur ein schlechter Traum ist, ich bin dagegen schlicht und einfach machtlos.

Wie brennendes Feuer bricht es unangekündigt und blitzartig über mich ein. Es lässt mir keine Chance mich zu verteidigen, erstickt meine nutzlosen Versuche des Widerstandes. Die Flammen brennen in meinem Inneren, auf meiner Haut, einfach überall und reißen mich zurück, hinaus aus der Dunkelheit in das gleißend helle Licht meines Bewusstseins.

Und so liege ich jetzt hier, meine Augen noch immer fest geschlossen, in dem Versuch vielleicht doch wieder zurückzukehren. Aber so sehr meine Stimme auch in meinem Kopf schreit, dass sie wieder zurück will, hat sie nicht weiterhin die Kontrolle über mich. Ich spüre den kalten Boden unter mir, ich spüre, wie langsam der Effekt des Schocks abebbt, das Kribbeln und Kitzeln in meinen Knochen, die nur die Obhut von dem Schmerz bilden, der mich jede Sekunde überfallen wird.

Es sind vermutlich die längsten Sekunden meines Lebens, die Ruhe vor dem Sturm. Ich warte nur darauf. Kommt schon. Bitte. Lasst es mich hinter mich bringen. Ich flehe euch, erlöst mich davon.

Und dann… ein ersticktes Stöhnen kriecht über meine Lippen. Gott verdammt noch mal! Scheiße tut das weh! Die grellen Blitze, die gerade einen irrwitzigen Tanz vor meinen Augen aufführen, helfen mir nicht besonders dabei den Schmerz zu ignorieren. Es ist komisch, aber ich kann noch nicht mal genau die Stelle nennen, wo er sich befindet. Er ist einfach überall. In jeder Faser, in jedem Knochen. Ich habe das Gefühl, dass er unweigerlich durch meine Blutbahn gepumpt wird, zu meinem Herzen, hinunter in jegliche Gliedmaßen und dann wieder zurück. Ein endloser, höllischer Kreislauf. Ich sterbe! Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass ich im Augenblick sterbe! Es ist einfach unmöglich, dass das ein lebendiger Mensch ertragen kann. Ich muss tot sein und das ist meine Fahrkarte in die Hölle. Keine Engelsstimmen mit Harfengesang, keine weißen Wolken und ewigen Frieden. Ich habe mich auch nie mit einem Heiligen Schein gesehen. War noch nie der Typ dafür gewesen, aber wenn ich gewusst hätte, dass es dermaßen weh tut, dann hätte ich mich vermutlich mehr angestrengt.

Es kostet mich all die restlichen Kräfte, die noch in meinem leblosen, geschundenen Körper stecken, um zu blinzeln. Verdammt, selbst meine Wimpern scheinen nicht verschont zu sein. Das ist schlecht. So gottverdammt schlecht. Mir ist schlecht. Durch den roten Schleier des Schmerzes, erkenne ich verschwommene Umrisse. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wo ich bin. Es ist alles so unklar. Ich blinzle erneut, diesmal schaffe ich es den Schmerz bis dahin zu reduzieren oder zumindest teilweise zu ignorieren, dass ich die Augen wieder öffnen kann. Oh ja… langsam lichtet sich der Nebel… es ist dunkel. Wo zum Teufel bin ich? Und warum ist mein Untergrund so hart und kalt? Ich dachte eigentlich immer, dass mein Bett bequemer sei.

Ja… liegt wahrscheinlich daran, dass ich nicht in meinem Bett liege. Ich wage es nicht mehr als lediglich meine Augen zu bewegen, während sie sich langsam an die Dunkelheit gewöhnen und ich schließlich nicht nur Täuschungen ausmachen kann, sondern wirklich so etwas wie eine Umgebung erkenne. Steine. Wir sind umgeben von Steinen. Brocken liegen auf dem Boden und ich starre geradewegs gegen eine steile Wand. Ich kann mich nicht erinnern, dass mein Schlafzimmer jemals dermaßen trostlos und verwüstet ausgesehen hat.

Ein bisschen Farbe an den Wänden, hier ein fröhliches Bild, da vielleicht eine etwas bequemere Unterlage und es wäre gerade so annehmbar. Aber das ist unmöglich und das weiß ich. Unter all den Schwachsinn, den ich mir gerade einrede, weiß ich, dass ich nicht in meinen trauten Heim bin und ich weiß, dass ich mich dem hier stellen muss. Gott, Liz, überwinde deinen inneren Schweinehund und bewege zumindest deinen Kopf! Bevor du auch nur dran denken kannst irgendwas zu tun, solltest du immerhin wissen, wo du dich befindest.

Das wäre ein guter Anfang, denn im Moment spielt mir mein Gehirn einen Streich. Ich kann mich beim besten Willen nicht dran erinnern, was passiert ist oder wie ich hierher gekommen bin. Ich weiß nur eins, ich bin hier nicht allein, aber das ist auch schon alles. Deshalb beiße ich mir auf die Zunge, versuche ein weiteres Stöhnen zu unterdrücken, als ich vorsichtig meinen Kopf auf die andere Seite drehe. Und da liegt jemand. Im Schatten. Eine Person. Genauso verwinkelt wie ich.

Nur für einen kurzen Augenblick schließe ich meine Augen, um mich zu sammeln. Okay, fein, du bist immerhin nicht allein. Das Einzige, was mir nur Sorgen macht, ist, dass sich diese Person nicht rührt. Ich wünschte meine Gedanken würden sich endlich klären und diese zusammenhangslosen Stücke und Fetzen zu etwas zusammensetzen, womit ich etwas anfangen kann. Wie bin ich hierher gekommen? Warum bin ich hier? Und noch viel wichtiger, wie komme ich hier wieder raus?

Also beiße ich meine Zähne zusammen, versuche ziemlich vergebens das Kreischen meiner Knochen zu ignorieren und wappne mich dafür mich auf die Seite zu rollen. Noch während ich meine einzelnen Bewegungen genausten plane, läuft in meinen Kopf gerade eine Checkliste durch, was alles gebrochen sein könnte. Und die Aussichten sehen nicht gerade rosig aus. Arme, Beine, Rippen… wunderbar. Einfach nur großartig. Da stört es mich jetzt auch nicht mehr besonders, wie ich spüre, dass mir etwas Warmes die Schläfen hinunterläuft. Ich muss es nicht sehen, um zu wissen, was es ist. Blut. Überraschen tut es mich wirklich nicht. Wenn ich ehrlich bin, dann wäre es eher eine Überraschung, wenn ich hier ohne eine Schramme liegen würde… wo immer hier auch gerade ist.

Okay, Liz, genug Zeit verschwendet. Versuche wenigstens herauszufinden wer dein Nachbar ist. Mit Ach und Krach und einem Haufen Sternen vor meinen Augen, schaffe ich es zumindest in seine Richtung zu robben. Eine zitternde Hand tastet nach seinem Stoff – er ist grob – sie wandern vorsichtig weiter; noch mehr Stoff und dann Haut… Haut und Blut. Ich berühre leicht seinen Hals. Selbst in meinen vernebelten Zustand weiß ich, dass man hier nach den Puls fühlen muss. Ich weiß nicht, ob ich es richtig mache oder nicht, aber im Moment hoffe ich inständig, dass ich es falsch mache, denn ich spüre absolut gar nichts. Leicht panisch ziehe ich mich noch weiter in seine Richtung. Verdammte Schulter! Oh bitte, bitte… Ich blinzle einmal, um endlich meinen Kopf von diesem Nebel zu befreien und mich zu sammeln, bevor ich erneut seinen Hals abtaste. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren. Meiner Fingerspitzen gleiten erneut über seine Haut, zu seiner Halsbeuge und… Oh mein Gott, oh mein Gott… war das ein… war das ein Puls? Bitte, bitte… ich übe noch mehr Druck auf die Stelle aus und dann wieder… Oh Gott sei Dank! Danke, danke, danke!

Langsam verschwimmt meine Sicht, aber diesmal nicht, weil eine neue Welle des Schmerzes mich erfasst hat, sondern weil ich einfach nicht verhindern kann, dass sich einzelne Tränen in meinen Augen sammeln. Gott, danke… ich wüsste nicht, was ich getan hätte, wenn er tot wäre. Ich blinzle ein paar Mal und wische schnell die salzige Flüssigkeit aus meinem Gesicht, während ich mir im diffusen Licht seine Züge genauer betrachte. Markant und doch sanft… sein Haar schimmert leicht silbern in der halben Dunkelheit. Und so verletzt. Blut klebt auf seiner Stirn, ein Striemen zeichnet sich über seine Schläfe hinunter zu seinen Wangenknochen. Mein Gesicht verzieht sich leicht zu einer Grimasse, als ich die klaffende Wunde unter seinem Haaransatz ausmache. Mir persönlich tut schon alleine der Anblick weh, bis meine Fingerspitzen schon fast automatisch über meine eigene Stirn fahren, auf der Suche nach ähnlichen Verletzungen. Irgendwie fühlt sich alles ziemlich taub an, bis dieses stumpfe Gefühl plötzlich von einem Feuerregen durchbrochen wird.

„Argh…!“, stöhne ich unter Schmerzen auf und bin mir in diesem Moment ziemlich sicher gleich ohnmächtig zu werden „Heilige Scheiße“, murmle ich kaum hörbar. Damit wäre meine Frage wohl beantwortet. Ich muss ganz schön was abbekommen haben, denn wie es aussieht entschließt sich ein Brummen dafür sich für eine Weile in meinen Schädel einzuquartieren. Aber hey, es hätte schlimmer kommen können.

Ja, nur will mir kein Beispiel einfallen. Resigniert wandert mein Blick zurück zu der Person neben mir. Ich sollte ihn kennen. Ich weiß, dass ich ihn kenne, aber mir will partout kein Name zu diesem Gesicht einfallen. Das beweist nur, dass ich mir das nächste Mal lieber eine weichere Unterlage für meinen Kopf aussuchen sollte, sollte ich mich noch mal für so einen Ausflug entscheiden.

Colonel O’Neill.

Dieser Name taucht plötzlich dermaßen deutlich und klar in meinem Kopf auf, dass es mich wie der Schlag trifft. Oh verdammt… das ist Colonel O’Neill… Und dann kommen die Erinnerungen wie zerrissene Fetzen zurück. Pyramide, Antiker, die kleine Kammer, der Raum, dieses merkwürdige Gerät… alles kommt wieder… und dann das Beben…

Mit einem schweren Seufzen, schließe ich meine Augen und lasse meinen Kopf nach vorne fallen, so dass meine Stirn den Stoff seiner Jacke berührt. Ich bin erschöpft. Am liebsten würde ich einfach nur schlafen, aber selbst ich weiß, dass Schlaf im Moment das Letzte ist, an was ich denken darf. Auch wenn ich kein Arzt bin, weiß ich, dass ich verletzt bin und der Colonel ebenfalls. Ich hoffe nur inständig, dass nichts gebrochen ist. Aber wie stehen dafür nach solch einem Sturz auf einen harten, kalten, steinigen Boden wohl die Chancen? Schlecht. Verdammt schlecht. Ich hoffe zutiefst, dass er weiß, was wir tun sollen, wenn er wieder aufwacht.

Falls….

Nein, Liz, denk erst gar nicht dran. Wenn du jetzt schon diesen Weg einschlägst, hast du bereits aufgegeben und das ist nicht deine Art. Und irgendwo in meinem Hinterkopf schlummert das Wissen, dass Sam, Daniel und Teal’c auch noch dort draußen sind. Sie werden sich bestimmt auf die Suche machen und uns hier raus holen. Nicht wahr? Sie würden uns nicht hier liegen lassen.

Wenn sie doch nur wüssten, was mit uns passiert ist. Wie viel Zeit ist seit dem Sturz vergangen? Machen sie sich bereits Sorgen? Durchkämmen sie bereits den ganzen Komplex? Fragen auf die ich keine Antwort habe. Jedenfalls noch nicht.

Ich schaffe es gerade noch mich so auf die Seite zu rollen, dass nur die Hälfte aller meiner Knochen aufschreien, bevor meine Augen wie von alleine zufallen und mich die schwarze Ohnmacht erneut übermannt. Ich versuche noch dagegen anzukämpfen. Ich darf nicht wieder einschlafen. Ich darf nicht… aber ich bin zu schwach und mein Körper und der größte Teil meines Verstandes haben sich bereits ergeben. Mein letzter Gedanke gilt meiner Sorge, was passieren wird, wenn ich das nächste Mal meine Augen öffnen werde. Und ob es überhaupt noch ein nächstes Mal geben wird.


+++++


Als etwas Dumpfes auf mich fällt, kriecht meine Taubheit, die meinen Körper in eine Art Stasezustand versetzt hat, von mir und mich zwingt meine Augen zu öffnen. Und obwohl ich weiß, dass ich meine Lider geöffnet habe, sehe ich nur Dunkelheit. Keine schwarze Dunkelheit, irgendwie eine dunkelgrüne Dunkelheit, die sich auch noch ziemlich merkwürdig anfühlt. Es dauert nicht lange, bis ich erneut spüre, wie mich etwas an meinem Kopf berührt, aber diesmal kommt mir der Aufprall nicht mehr dermaßen entfernt vor, denn ein unangenehmes Ziehen und Stechen sagt mir, dass gerade meine Wunde auf dem Kopf zum Leben erweckt wurde. Darauf hätte ich wirklich gut verzichten können. Herzlichen Dank auch!

Mit einem leisen Stöhnen, stütze ich mich mit zitternden Armen betont langsam nach oben. Nur keine vorschnellen Bewegungen. Das Objekt, welches mich aus meinem Delirium gerissen hat, entpuppt sich als eine Hand. Die Hand des Colonels.

Sie fällt auf den Boden und als mein Blick auf seinem Gesicht hängen bleibt, sehe ich, wie sich leicht seine Augen unter den geschlossenen Lidern bewegen. Immerhin lebt er. Erst in diesem Moment merke ich, wie schwer die Last des Gedankens, dass er wohlmöglich den Sturz nicht überlebt haben könnte, auf meinen Schultern gelegen hat. Fühle mich gleich um hundert Kilo leichter. Behutsam bringe ich meinen Körper in eine etwas angenehmere Position, bevor ich meine Hand nach seinem Gesicht ausstrecke.

„Colonel?“, frage ich mit belegter Stimme.

Ich kann deutlich spüren, wie sich seine Muskeln kurzzeitig unter meiner Hand anspannen. Und dann in der nächsten Sekunde starren mich zwei verklärte, dunkle Augen an. Er scheint mich entweder nicht zu erkennen oder er steckt noch irgendwo in seinem komatösen Zustand fest.

„Colonel, können Sie mich hören?“

Er blinzelt. Ich halte meinen Atem an. „Carter?“, kommt es mehr krächzend und stockend als flüssig über seine Lippen. Wenn mir Sams Familienname nicht bekannt wäre, dann hätte ich es garantiert nicht verstanden.

„Nein, ich bin nicht Sam. Sam ist nicht hier. Ich bin’s, Liz.“ Noch immer keine Erleuchtung in seinem Blick. Ich merke schon, wie sich alles beginnt in mir zusammenzuziehen, als er schließlich seine Augen wieder schließt.

„Colonel!“, rufe ich mich etwas mehr Nachdruck. Er darf mir hier jetzt nicht wieder einschlafen. „Colonel. Sie müssen wach bleiben!“

Meine leicht panische Stimme schwankt noch eine Oktave höher und langsam wandern die panischen Wellen von meinen Stimmbändern durch meinen ganzen Körper. Und dann endlich – Gott sei Dank! – höre ich ein Stöhnen über seine Lippen kriechen. Leise und erdrückt, aber es ist ein Ton. Ein Ton, der mir sagt, dass noch Leben in ihm stecken muss. Erleichterung vertreibt bestimmt meine Panik, als er erneut seine Augen öffnet.

„Gott…“, murmelt er. Ja, den Kerl habe ich auch schon verflucht. Langsam und mit bedachten Bewegungen fasst er sich leicht an den Kopf. Erst dann wandert sein Blick durch den Raum. „Wo..?“

Ich kann nur mit den Schultern zucken. „Können Sie sich erinnern, was passiert ist?“, frage ich statt dessen.

Er atmet einmal tief durch. „Ja…“, seufzt er. „Kommt alles wieder…“ Ich schlucke nur und warte, dass er weiter redet und als es den Anschein erweckt, dass er meiner stummen Aufforderung nicht nachkommt, setze ich schon zum Sprechen an, doch werde dann überraschend von ihm unterbrochen. „Carter… Daniel?“

Ich gebe mein Bestes nicht allzu erschüttert auszusehen, aber ich war noch nie so eine gute Schauspielerin wie Sam. „Ich weiß es nicht… Tut mir Leid.“ Und das sage ich nicht nur, um ihm Trost zu spenden. Unsere Funkgeräte sind bei dem Sturz in einzelne Bestandteile zersprungen. Es gibt absolut keine Möglichkeit, woher die beiden oder Teal’c wissen sollen, wo wir uns befinden und was passiert ist. Wir sind so ziemlich auf uns alleine gestellt.

Und auch wenn seine Gedanken vermutlich einen ähnlichen Weg einschlagen, nickt er nur knapp. So als ob das genug sei, versucht er sich doch wahnsinnigerweise aufzurichten. Aber sonst geht’s ihm noch ganz gut. „Sir, ich halte das nicht für eine gute…“ Meine Worte lassen ihn für einen Moment inne halten und er zieht abschätzend eine Augenbraue hoch, während sein Blick zu mir herüber wandert. Ich schlucke einmal und deutete dann etwas wirsch auf ihn. „Sie sind… und na ja, vielleicht sollten Sie lieber…“

Die Augenbraue wandert noch höher und die andere gesellt sich demonstrativ dazu.

Und ich dachte immer, dass die Saharawüste in meinem Hals nichts zu suchen hat.

„Ich meine nur… vielleicht ist irgendwas gebrochen. Und ich weiß, ich bin keine Ärztin, aber ist es nicht gefährlich sich in solchen Situationen zu bewegen?“

„Und was ist mit Ihnen?“

Ein knappes Schulterzucken führt meine Antwort ein. „Bei mir ist nichts gebrochen“, sage ich etwas lahm und bereue kaum, dass ich diese Bewegung ausgeführt habe, sie auch schon wieder. Ja, sicher, nichts gebrochen. Wen veräppelst du hier eigentlich, hm? Und Elvis Presley weilt noch unter uns. Schon klar.

Eine Mischung aus amüsiertem und ungeduldigem Lächeln zeichnet sich auf seinen Lippen ab. „Und das wissen Sie woher?“

Mir liegen die Worte: „Ich weiß es einfach“, bereits auf der Zunge, aber klugerweise entscheidet sich mein Mund dazu einfach nur geschlossen zu bleiben.

„Genau“, stimmt er mir sarkastisch zu. „Also, helfen Sie mir mal.“

„Sir…“, starte ich einen letzten Versuch, der genauso aussichtslos zu sein scheint, wie schon die gescheiterten Versuche zuvor.

„Hören Sie“, geht er mit knirschenden Zähnen dazwischen, während er versucht ein Stöhnen zu unterdrücken. Mir tut schon alles weh, wenn ich ihn nur ansehe. Ich wage es erst wieder zu atmen, als er einmal tief Luft holt und kurzzeitig seine Augen schließt. „Im Gegensatz zu Ihnen, weiß ich mit hundertprozentiger Sicherheit, dass mein Bein gebrochen ist und Sie müssen mir helfen es zu schienen.“

Was?! Ich und eine Schiene legen??? Ich… ich kann keine Schiene legen. Ich weiß noch nicht mal ansatzweise wie so etwas funktioniert! Mein pures Entsetzen muss mir vollkommen aus dem Gesicht springen, denn er sieht mich nur mit einem müden Lächeln an. „Ich…“, beginnt sich ein Wort zu formen, aber dann stocke ich. Ein panisches Kopfschütteln ersetzt schließlich jegliche Worte. Kann man durch eine Schienenlegung eigentlich den Knochen noch mehr brechen?

„Aber vorher sollten wir noch Ihre Schultern wieder einrenken.“ Meine, meine… WAS?! Meine Schulter? Meine Schulter ist nicht ausgerenkt! Der geht es hervorragend. Gut, ich gebe zu, sie tut weh – sehr weh sogar – aber sie ist nicht ausgerenkt!

„Wowowowow.“ Beschwichtigend hebe ich meine Hände und spüre unweigerlich den stechenden Schmerz in dem besagten Körperteil. „Mit meiner Schulter ist alles in Ordnung.“ Seht ihr, ich kann lügen ohne rot zu werden. Meine Schulter ist ganz sicher nicht ausgerenkt und selbst wenn sie es wäre, dieses Ding wieder einzurenken tut höllisch weh! Es ist vollkommen unmöglich, dass ich das nüchtern und bei vollem Bewusstsein über mich ergehen lasse! Nie und nimmer! Nicht bevor die erste Schneeflocke in der Saharawüste gefallen ist.

„Ja, das sehe ich. Ihrer Schulter geht’s genauso gut wie meinem Bein.“ Wenn mich das umstimmen soll, dann muss er sich aber ein wenig mehr anstrengen. „Aber wie Sie wollen“, sagt er schließlich und wenn ich ehrlich bin, dann habe ich eigentlich gedacht, dass er etwas hartnäckiger sei. „Dann helfen Sie mir jetzt meinen Knochen wieder zu richten.“ Hat er nicht noch vor fünf Sekunden von einer Schiene geredet?

Ich schlucke schwer.

Ich habe hier nicht wirklich eine Wahl, oder? Ich habe zwei Optionen; entweder ich lasse meine Finger davon, mein Gewissen prügelt mich in Grund und Boden, weil seine zersplitterten Knochen nicht mehr richtig zusammenwachsen können, er nicht mehr als einsatztauglich eingestuft wird, vermutlich aus dem Team fliegt, Sam mir mit Sicherheit die Hölle heiß machen wird und ich nicht mehr in den Spiegel sehen könnte. Das ist die eine Seite und die andere, ich versuche seinen Knochen zu richten, bete, dass er weiß, wie so etwas funktioniert, er ist nur für ein paar Wochen – vielleicht Monate – untauglich, aber ich habe mein Bestes gegeben. Wenn man von der Tatsache absieht, dass ich bereits bei dem Gedanken an die Schmerzen und wie das alles im Inneren seines Beines aussehen muss, gleich in Ohnmacht falle, ist Wahl Nummer zwei wohl doch die attraktivere.

„Okay, was soll ich machen?“, frage ich schließlich ergeben.


+++++


„AAAHH!“

Es ist noch viel schlimmer als ich es mir vorgestellt habe. Ich stehe wirklich kurz davor gleich umzukippen.

Es tut mir Leid, es tut mir Leid, es tut mir Leid… Wir atmen synchron beide ziemlich schwer ein und aus. Er, weil die Schmerzen einfach unerträglich sein müssen und ich, weil mir persönlich schon sein Geschrei ausreicht. Wir könnten glatt die Plätze tauschen.

„Wissen Sie…“, keucht er, „dafür, dass Ihre Schultern ausgerenkt ist… tut das verdammt weh…“

„Ja…“ Hatte ich schon erwähnt, dass ich noch nie einen Knochen gerichtet habe? „Ich habe das noch nie gemacht.“

„Ich weiß, ich weiß.“ Er schnauft einmal durch den Schmerz hindurch und mein Blick wandert hinauf zu seinem Gesicht, welches schweißbedeckt ist, während meine Hände in ihrer Bewegung inne halten. „Machen Sie weiter“, stöhnt er.

Und ich mache weiter.

„AAH! Verfluchte Scheiße noch mal! Tut das weh!“ Mein ganzer Körper ist am Zittern, ich kann nicht mehr. Ich bin erledigt. Wenn er noch einmal aufschreit, dann mache ich nicht mehr weiter! Das ist mein Ernst, ich mache nicht mehr weiter. Ich kann das nicht. Ein verzweifelter Blick wandert auf sein Gesicht und ich suche in seinen Augen nach Erlösung. „Sie machen das ausgezeichnet…“, krächzt er nickend. Ich glaube ihm kein Wort. Bin meilenweit davon entfernt. „Eigentlich sollte ich mich schon dran gewöhnt haben…“

„Wirklich?“ Dankbar dafür, dass er mir diesen Knochen hinwirft, schnappe ich gleich zu. Aber sollte nicht eigentlich ich diejenige sein, die versuchen sollte ihn abzulenken?

„Ja… war schon zu oft gebrochen…“ Ich nicke nur. „Und ausgerenkt…“ Er lässt das Wort erst einmal einfach nur in der Luft hängen und ich versuche es zu ignorieren. „Hatte es damals nicht hinbekommen es einzurenken“, fährt er unbekümmert fort und nur das kurzzeitige Stocken zwischen seinen Worten sagt mir, dass er damit kämpft nicht die Kontrolle zu verlieren. „Dadurch haben sich meine Muskeln zu überspannt und wo ich… ahh… wo ich vorher noch humpeln konnte… vorsichtig, vorsichtig… na ja, konnte ich später nicht einmal mehr laufen. Ganzes Bein war steif und nutzlos. Böse Geschichte… und wenn Sie… Gott verdammt noch mal..“, zischt er, „… und wenn Sie glauben, ein gebrochenes Bein tut weh, dann hatten Sie noch nie ein… ausgerenktes… Hat Monate gedauert, bis wieder alles da war, wo es sein sollte…“

Ich hätte eigentlich wissen müssen, dass er das Thema doch nicht so einfach fallen lässt, aber, Leute, ich habe echt eine Scheißangst davor! Für ihn mag so etwas vielleicht schon dazugehören, wie das tägliche Wechseln seiner Socken, aber obwohl ich mich nicht gerade davon freisprechen kann ein Glückspilz in Sachen Verletzungen zu sein, eine Schulter oder sonst ein Gelenk habe ich mir noch nie ausgerenkt. „Hmm“, brumme ich lediglich, während irgendwo in meinem Inneren sich gerade ein Bild formt, wie durch eine ausgerenkte Schulter in meinem Körper eine Kettenreaktion ausgelöst wird. „Gleich wird es wohl wehtun“, murmle ich, bestimmt dieses Bild aus meinem Kopf zu vertreiben.

„Es tut schon die ganze Zeit weh.“ Ich zähle langsam stumm bis drei, bevor ich selbst die Zähne zusammenbeiße. Ich gebe hier wirklich mein Bestes!

„Also“, beginne ich diesmal das Gespräch, wobei ich versuche ganz galant das Thema zu wechseln und ihn somit seinem Bein abzulenken. „Was tun Sie, wenn Sie nicht gerade auf einem anderen Planeten sind?“

Ob diese Frage wie eine Schocktherapie funktioniert hat? Keine Ahnung, ob sie jetzt zu persönlich gewesen ist, aber er sieht mich an wie ein Auto. „Wie bitte?“

Ich sehe von meiner Arbeit auf. „Sie müssen doch noch etwas machen, wenn Sie nicht arbeiten, oder?“ Sam hätte ich diese Frage nie gestellt, denn ich weiß, dass ihr Leben die Arbeit ist, aber die beiden scheinen sich in diesen Dingen nicht besonders zu ähneln, jedenfalls ist das mein momentaner Eindruck.

„Natürlich.“

„Also?“

„Ich… aaah… ich fahre zu meiner… Herr Gott noch mal, Sullivan!“

„Entschuldigung.“

„Hat Carter Ihnen gezeigt, wie man das macht?“ Sam? Was hat Sam damit zutun einen Knochen zu richten? Die Frage liegt schon fertig formuliert auf meinen Lippen, aber er winkt nur schnell ab.

„Ich bin sofort fertig… glaube ich zumindest…“

„Sie sind jetzt fertig!“

„Aber…“

Wenn ihr mich fragt, ich habe noch nicht mal richtig angefangen, ganz zu schweigen von der Schiene. Die ist nichts Halbes und nichts Ganzes. „Glauben Sie mir, Sie sind fertig! Hören Sie auf! Hände weg von meinem Bein!“

Vorsichtig ziehe ich meine Hände zurück und betrachte mein kümmerliches Werk. Ein schweres Seufzen fährt durch mich hindurch, während mein Blick über den erbärmlichen Anblick einer Schiene fährt. Wenn das irgendwie helfen soll, dann grenzt das schon nahezu an ein Wunder. Das ist alles andere als fertig.

„Die Schiene ist klasse, ehrlich. Das Bein ist schon wieder fast wie neu.“ Ich kann nicht anders als ihn zweifelnd anzusehen. Die Schiene ist eine Katastrophe und ich habe die Befürchtung, dass sein Bein dasselbe Schicksal erleidet. „Kommen Sie her.“

Wie bitte? Ich soll was machen? Noch während er darauf wartet, dass ich näher zu ihm krieche, zupft er mit seinen Fingern an einer der Taschen an seiner Hose herum und zieht etwas heraus. Es ist ein kleiner Notizblock, gebunden in Kunstleder. Wozu braucht der Colonel einen Notizblock? Nicht gerade ein Utensil, welches zum Überleben beiträgt.

„Nehmen Sie das und beißen Sie drauf.“

Oh nein. Das werde ich ganz bestimmt nicht machen. Netter Versuch, aber nein danke. Ich verzichte freiwillig. „Nein…“, beginne ich und als mein Atemzug noch den Rest der Wörter dranhängen will, scheint das dem Colonel nicht im Geringsten zu interessieren. So, als ob er meinen Protest gar nicht vernommen hat, greift er nach meinem Arm – meinen kaputten Arm! – und zieht einmal dran. Nur mit aller Mühe und den Rest meines gesunden Menschenverstandes kann ich ein Aufschreien verhindern.

Dieser gottverdammte Mistkerl!

„Würde es Ihnen vielleicht etwas ausmachen *nicht* so feste an meinem Arm zu ziehen?“, keife ich ihn durch einen Sternenhimmel vor meinen Augen an.

„Feste? Ich habe ihn kaum berührt.“ In seiner Stimme schwingt dieser ‚Habe ich es nicht gleich gesagt’ - Ton mit und das nervt mich gewaltig.

Ich setze schon zu einem Widerwort an, als mein Blick auf seine Hand fällt, die wirklich nur lose um meinen Arm herum liegt. Oh.

„Also, wenn Sie es nicht freiwillig machen, dann befehle ich es Ihnen.“

Ha! Das kann er gar nicht. Mit einem siegessicheren Lächeln auf den Lippen, öffne ich meinen Mund. „Das können Sie gar nicht. Ich bin nicht…“

„… im Militär. Ich weiߓ, beendet er liebenswürdig meinen Satz. Und dann mit einem Lächeln: „Aber Sie sind in meinem Team und ich habe hier das Sagen. Und solange wir auf dieser Mission sind, tun Sie das, was ich Ihnen sage. Und wenn Sie keine bleibenden Schäden davontragen wollen, dann renke ich Ihnen jetzt diese Schulter ein.“

Mein Mund presst sich zusammen zu einer dünnen Linie. Das ist Erpressung… um acht Ecken gesehen. Natürlich will ich keine bleibenden Schäden davontragen, aber mir wird schon ganz schlecht, wenn ich nur daran denke, wie er gleich meine Schulter einrenken wird.

Und noch während ich mir die Hölle ausmale, legt er geübt eine Hand auf meine Schulter und die andere hält meinen Arm fest, während ich mir sein Notizbuch zwischen die Zähne schiebe und Gott anbete, dass er mich so schnell wie möglich erlösen möge.

„Fertig?“, fragt er konzentriert.

„Nein.“

„Gut, dann auf drei.“

„Ich bin noch nicht…“

„Eins, zwei…“

Bevor er „Drei“ gesagt hat, zieht er einmal kräftig und ich bekomme nicht einmal mehr mit, wie es PLOCK macht und meine Schulter wieder an ihrem Platz sitzt, denn kaum, dass sich sein Griff um meinen Arm festigt, bin ich schon in das Land des Vergessens hinabgerutscht.


+++++


Benommen öffne ich langsam meine Augen. Aber alles, was ich sehe ist verschwommen. Ein Stöhnen kriecht über meine Lippen. Ich habe das Gefühl von einem Lastwagen zermatscht worden zu sein. Ein Rascheln neben mir lässt meinen Kopf auf die andere Seiten rollen. Blinzelnd versuche ich den Umriss vor mir auszumachen.

„Sullivan?“

Das ist mein Name. Wer will das wissen? Irgendwelche merkwürdigen, unmenschlichen Laute kommen aus meinem Mund.

„Sullivan, aufwachen.“

Irgendwas rüttelt gerade an meiner Schulter. Doch diese Berührung hat ausgereicht, damit ich plötzlich kerzengrade in eine aufrechte Position hoch schnelle. Ich hatte meine Schulter ausgerenkt! Welcher Idiot rüttelt daran?

„Hey, wie geht's der Schulter?“

Soll das ein Witz sein? Immerhin kann ich jetzt meine Umgebung wieder vernünftig wahrnehmen und dieser Idiot entpuppt sich als Colonel O'Neill. „Wie soll's meiner Schulter schon gehen, wenn Sie andauernd dran herum zerren?“, schnauze ich ihn grimmig an.

Der Colonel sieht mich einfach nur an. „Das war die andere Schulter.“ Und woher will er das wissen? Ist er derjenige, der mit dem kaputten Ding herumlaufen muss, oder bin ich es? Es war ganz bestimmt... ich schaue von einer Schulter zu nächsten, lasse sie beide kreisen... die andere Schulter. Verdammt. Ja, das ging dann wohl nach hinten los.

„Und wie geht's dem Bein?“, frage ich stattdessen.

„Hervorragend.“ Lügen können wir beide wie die Weltmeister. Mein Blick fällt auf den besagten Körperteil und alleine der Anblick lässt mich wimmern. Als ob wir damit den Small Talk beendet hätten, hievt der Colonel sich vorsichtig an der Wand hoch, so dass er einigermaßen stehen kann. Wenn er nicht aufpasst, bricht er sich das andere Bein auch noch. „Wir sollten uns hier unten etwas umsehen. Vielleicht gibt es einen anderen Weg hier heraus als da hoch zu klettern.“ Er deutet nach oben und ich folge seinem Blick. Wenn er in den letzten Minuten nicht herausgefunden hat, wie wir Menschen das Fliegen erlernen können, sehe ich schwarz. Noch während ich mir unbewusst die Schulter massiere, gehe ich zum Colonel hinüber. „Ich glaube, da hinten ist ein Durchgang.“

Ich kann zwar nur Dunkelheit sehen, aber ich habe auch noch tausend kleine Punkte vor meinen Augen kleben. Ich biete ihm meine gesunde Seite an, dass er sich darauf abstützen kann, denn mit diesem Bein kommt er alleine keine zwei Meter weit. Aber was macht er? „Ich kann alleine laufen.“ Wenn er meint. Ich entferne mich nur wenige Schritte und höre hinter mir ein Fluchen und Murmeln. Drei, zwei, eins...

„Ah!“

Gerade noch rechtzeitig kann ich ihn davor bewahren Bekanntschaft mit dem Boden zu machen. Er kann also alleine laufen, ja? Typisch Mann. Wenn man die letzten fünf Jahre mit einem Mann verbracht hat, der nie über seinen eigenen Schatten springen konnte, wenn es mal darum ging Hilfe anzunehmen, dann erkennt man solche Zeichen sofort. Und unser Colonel ist keinen Deut anders. Mann eben. Und ohne ihm überhaupt die Chance zu lassen, sich aus meinen Griff zu befreien, machen wir uns beide auf diesen Durchgang zu erforschen. Er hinkend und ich leicht humpelnd. Zusammen geben wir bestimmt ein ziemlich erbärmliches Bild ab.

Tapfer, wie Zweidrittel Musketiere schlurfen wir den schwach erhellten Gang entlang. Ich hoffe inständig, dass er uns irgendwo hinführt. Hin und wieder schiele ich zum Colonel hinüber, der konzentriert sein Gesicht verzogen hat. Vermutlich versucht er genauso wie ich den Schmerz zu ignorieren. Ich korrigiere mich, wir müssen irgendwas finden! Schweißperlen haben sich bereits auf seiner Stirn gebildet, die langsam seine Schläfen hinunterlaufen. Auch wenn er sich alle Mühe gibt den Schmerz zu kaschieren, so verraten ihn die flache Atmung und die Art und Weise, wie bei jedem Schritt seine Mundwinkel leicht zucken. Diesem Mann geht es alles andere als gut. Aber ich bin Frau genug – oder einfach nur klug genug – es mit keiner Silbe zu erwähnen.

Mit einem Seufzen, wandert mein Blick wieder nach vorne. Mir kommt das hier vor, als würden wir geradewegs ins Nirvana laufen.

„Denken Sie, die anderen suchen bereits nach uns?“, frage ich schließlich in die Stille.

Er dreht leicht seinen Kopf in meine Richtung, aber ich halte meinen Blick starr geradeaus gerichtet. „Natürlich“, sagt er mit solch einer Zuversicht, als wäre es das Natürlichste der Welt.

„Sie wissen nicht wo wir sind.“

„Nein, das tun sie nicht.“

Betrübt kaue ich auf meiner Unterlippe herum. „Was ist, wenn wir keinen Weg hier herausfinden?“

„Werden wir“, sagt er keuchend.

„Aber was ist, wenn...?“

„Sullivan!“ Ich schlucke schwer und wir beide bleiben stehen. Mit einem erleichterten Seufzen lehnt er sich gegen die Wand. „Hören Sie auf so zu denken.“

„Wie zu denken? Realistisch?“

„Pessimistisch.“

Pessimistisch? Und das kommt von Mr. Pessimismuss höchst persönlich? „Ich sage doch nur wie es ist.“

„Hören Sie, Carter wird schon was einfallen.“

„Sam? Sie weiß noch nicht mal wo wir sind. *Wir* wissen noch nicht mal wo wir sind! Wir könnten Gott weiß wo sein!“ Wie eine hysterische Zicke starre ich ihn an. Jetzt ist es offiziell, ich habe vollkommen den Verstand verloren.

Schweigend ruht sein Blick auf mir, während ich das Gefühl habe, dass mein Brustkorb wie zugeschnürt ist. Ich ersticke gleich an meiner eigenen Panik! Luft! Luft, ich brauche Luft! Betrachten wir unsere Situation doch mal ganz simpel und pragmatisch. Wir befinden uns im Nirgendwo. Niemand weiß wo wir sind, ob wir noch leben und was eigentlich passiert ist. Sam, Daniel und Teal'c irren jetzt irgendwo herum, während wir hier unten festsitzen. Wie lange kann ein Mensch eigentlich ohne Nahrung und Flüssigkeit auskommen? Drei, vier Tage? Also, wenn uns in dieser Zeitspanne niemand findet, sind wir tot. Geschichte, Wurmfutter, langsam und qualvoll dahingeschieden. Meine Mutter weiß von nichts – die kriegt nen Herzinfarkt! - Marcie, John und David, meine Freunde... ohne ein Wort habe ich mich aus dem Staub gemacht und jetzt werde ich zu Staub und Tom... Ich habe noch nicht mal die Chance wahrgenommen mich mit ihm auszusprechen! Das war's dann wohl endgültig!

Ich bin *so* kurz davor durchzudrehen!

„Sullivan!“ Zwei Hände umklammern fest meine Arme. Ich werde bestimmt bleibende Abdrücke davontragen, aber das ist mir im Moment so ziemlich egal. Ich spüre es noch nicht einmal. „Jetzt beruhigen Sie sich.“ Der Kerl hat gut reden. Ist ihm eigentlich nicht klar, wie aussichtslos unsere Situation ist?

„Ich will nicht sterben“, kommt es in einem Flüstern über meine Lippen.

„Sie werden auch nicht sterben. *Wir* werden nicht sterben.“ In dem gedämmten Licht suche ich in seinen dunklen Augen nach der Zuversicht, die mich vor dem Ertrinken rettet. Er lockert seinen Griff, und genauso lockern sich auch seine Gesichtszüge auf. Und da erkenne ich, dass er genauso viel Angst hat wie ich, aber da ist noch etwas. Etwas, was mir fehlt. „Wir werden jetzt diesen Gang weiter hinunter gehen, irgendwohin muss er ja schließlich führen.“ Ich nicke kaum merklich mit dem Kopf. Bei unserem Glück vermutlich in eine Sackgasse „Vertrauen Sie mir, Carter und Daniel werden uns finden. Carter hat wieder eine ihrer total hirnrissigen, aber genialen Ideen und wird uns hier herausholen, wenn wir keinen Weg alleine finden. Niemand wird zurückgelassen. Wir sind ein Team.“ Vertrauen. Grenzenloses Vertrauen spiegelt sich in den Tiefen dieses Mannes wider. „Und jetzt kommen Sie. Wer soll mich den stützen, wenn Sie auf halber Strecke schlapp machen?“

Trotz meiner Panik dem Untergang nahe zu sein, muss ich lachen. Absurd und total fehl am Platz, aber es fühlt sich einfach nur richtig an. „Schon viel besser“, bestätigt er mit einem Grinsen.

Ich schniefe einmal und wische mir die Tränen weg. Ich spüre, wie sich ein Arm um meine Schultern legt und er mich dazu zwingt weiterzugehen. Ich atme einmal tief durch. „Wissen Sie, Sullivan, für eine Wissenschaftlerin sind Sie gar nicht mal so übel.“

Und während wir weiter den Gang entlang humpeln, füllt sich das Gemäuer um uns mit einem erleichterten Lachen.


+++++


Aber schon bald hat es sich ausgelacht. Meine schlimmste Befürchtung – Sackgasse – ist zwar nicht eingetreten, aber die Tatsache, dass mir der Colonel eine Waffe in die Hand drückt, ist mehr als nur ein bisschen Angst einflößend. Seine Argumentation ist einleuchtend. Mit einem kaputten Bein kann man nicht besonders gut laufen. Auch wenn er mir immer Feuerschutz gibt, so ist er Manns genug, um zuzugeben, dass er die Verteidigung nicht alleine schafft. Einfach unfassbar wie sich in innerhalb von nur drei Tagen sämtliche Prinzipien verabschiedet haben, ganz zu schweigen von der astronomischen Wandlung meines Weltbildes.

Und so stehe ich jetzt hier, klein Liz mit so einem Ungetüm in der Hand, und starre vollkommen perplex durch den gigantischen Raum. Was zum Donnerwetter...?! Neben mir ertönt ein anerkennendes Pfeifen. „Die Kerle lassen aber auch gar nichts aus.“

„Was in Gottes Namen ist das?“ Ich weiß noch nicht einmal ansatzweise, wie ich beschreiben soll, was meine Augen hier sehen. Das Hauptaugenmerk gilt dem großen Ding in der Mitte des Raumes. Wie eine richtige Zentrale. Mit Schaltpulten und irgendwelchen transparenten Oberflächen, die wie schwerelos senkrecht in der Luft zu hängen scheinen. Die gesamten Konsolen stehen geschlossen in einem großen Achteck. Ich sag's immer wieder... Hier hat jemand zu viel Enterprise gesehen. Die hinterste Wand entpuppt sich als eine vermutlich verschiebbare Tür. Doch was ich erst viel später wahrgenommen oder einfach nur nicht zuerst registriert habe, ist, dass, wenn man durch die eingebauten Fenster auf der linken Seite sieht, man dann in den Raum blicken kann, der sich hinter der Wand verbirgt. Auf den ersten Blick scheint er nur leer zu sein, aber seine merkwürdige Aufteilung in verschiedene Abteilungen lässt da etwas ganz anderes vermuten. Leider habe ich nur das Gefühl, dass eineinhalb Menschen zu wenig sind, um das hier zu erkunden. Wir sind noch nicht mal mit dem ersten Drittel dieses Raumes durch.

Voller Ehrfurcht bringen mich meine Beine auf die andere Seite, wo weitere riesige flache Bildschirme an der Wand kleben. Dagegen sind unsere TFTs ein Fliegenschiss. Aber was mich zugleich verwundert und fast hypnotisiert sind die großen Säulen mit blubbernden Wasser, die systematisch an den Seiten rundum aufgebaut sind. Wie kann es sein, dass nach so vielen Jahren noch immer Wasser durch dieses Gemäuer fließt?

Es ist einfach nur unglaublich. Also, wenn der Kontrollraum oben schon mächtig viel Eindruck hinterlassen hat, dann ist das hier schlichtweg überwältigend. Leuchtend, blickend, schimmernd, blubbernd... das ganze Spektrum.

„Wow...!“ Höre ich plötzlich den Colonel und sehe da erst, dass er inmitten des Achtecks aus Schalttafeln steht. Durch meinen Mund wird bereits Sauerstoff gepumpt, als wir es wieder hören. Dieses Summen. So vertraut und doch fremd. Genau wie bei unserer Ankunft.

Kein Zentimeter des Raumes bleibt von unseren Blick verschont, die forschend alles abtasten. Das kann kein Zufall sein. Meine Augen wandern zu den Wassersäulen, deren Luftblasengehalt sich in den letzten Sekunden gerade um das Dreifache vervielfacht hat. „Sullivan, Sie sollten sich das hier vielleicht mal ansehen.“

Mit einem bestimmten Nicken, setze ich mich in Bewegung und während mein Blick bereits versucht so viel zu erfassen, wie nur möglich, kann ich dennoch sehen, wie der Colonel versucht sein kaputtes Knie zu entlasten. Ich habe ihm klipp und klar gesagt, dass er sein Bein ausruhen soll, aber was macht er??? Stolziert durch den Raum, um irgendwelche Knöpfchen zu drücken!

Ich habe zwar keine Ahnung, was er gemacht hat, aber jetzt leuchten die Schaltafeln bläulich auf und gerade als ich im Begriff bin, die paar Stufen zur Plattform zu erklimmen, beginnen die transparenten Oberflächen zu schimmern. Alles höchst interessant, aber was mich im Moment mehr interessiert, ist, was in Gottes Namen hat er sich dabei gedacht die Stufen alleine zur Plattform herauf zu klettern?

Janet Fraiser hat meinen vollen und aufrichtigen Respekt! Diesen Mann will ich nicht als Patient haben. „Also, Sullivan, kommt Ihnen irgendwas bekannt vor?“

Ein verzweifelter Blick gleitet von den Strichen vor mir zu seinem Gesicht. Ihm ist schon klar, dass ich diese außerirdische Schrift heute zum ersten Mal zu Gesicht bekommen habe? Heute erst von ihrer Existenz erfahren habe? „Ahm, also...auf den ersten Blick würde ich sagen, dass es sich hier bei um einen Kontrollpunkt handelt.“ Ich nicke in Richtung Bildschirm. „Vermutlich von dem ganzen Komplex.“

Nickend kratzt er sich an der Stirn. „Und Sie könnten damit alles aufrufen?“

„Bestimmt.“

„Und können *Sie* es auch?“

Ja, das ist *die* Frage, nicht wahr? „Na ja, ich will nicht lügen, Colonel. Die meisten Symbole hier sagen mir nichts. Ein paar meine ich bei Daniel gesehen zu haben.“

„Aber es wäre möglich?“

„Sicher.“

Dieser Blick gefällt mir jetzt irgendwie gar nicht. Okay, Liz, nur nicht durchdrehen. „Worauf warten Sie dann noch?“

Dass mich jetzt ein Geistesblitz durchfährt? Kapitel 1 in meinem 'Wie beeindruckt man einen Colonel?' - Ratgeber. „Colonel?“

„Wenn das hier das ist für was ich es halte, dann besteht doch bestimmt die Möglichkeit, dass wir herausfinden, wo wir sind und vielleicht sogar auch, dass Carter, Daniel und Teal'c vielleicht irgendwie mitbekommen, dass es uns gut geht.“ Er zuckt leicht mit den Schulten, während ich nur kurz nicke und meine Aufmerksamkeit wieder auf die Fläche vor mir richte.

„Colonel?“, frage ich nach einer Weile des nutzlosen herum probieren von Tastenkombinationen. Wenn man bedenkt, dass sich auf einer Schalttafel um die zwanzig Tasten befinden, kann man sich leicht ausrechnen, wie viele Kombinationsmöglichkeiten es da gibt. Für meinen Geschmack eindeutig zu viele. „Was genau haben Sie angefasst?“

Aus meinem Augenwinkel heraus sehe ich, wie er bereits nach Luft schnappt, aber irgendwas an meiner hochgezogenen Augenbraue muss ihn gestoppt haben. Stattdessen schürzt er nur kurz seine Lippen und gibt sein bestes keine Blöße zu zeigen. „Ich könnte vielleicht das Ding da berührt haben.“ Er deutet auf eine flache Platte, die gerade mal so groß ist, dass eine Hand draufpasst. „Warum fragen Sie?“

„Ich frag mich lediglich woher die Energie kommt.“

„Wir sind an Carters Energiebaukasten vorbeigelaufen.“

„Mag ja sein. Aber ich weiß mit Sicherheit, dass das hier da noch nicht aktiviert war. Als wir hier reinkamen, war alles inaktiv.“

„Also? Und? Was?“

„Ist nur 'ne Beobachtung.“

Etwas ungeschickt wechselt der Colonel seine Position, um bequemerer zu stehen. „Noch weitere dieser bahnbrechenden Beobachtungen?“

Ich nehme diese Frage einfach mal als das auf, was sie im Grunde ist, eine Frage. Diesen leicht angehauchten Sarkasmus hinter den Worten ignoriere ich schlichtweg. „Im Grunde, Colonel, denke ich... dass ich's gleich hab...“

Konzentriert befeuchtet meine Zunge die Lippen. Hier steckt zwar kein hoch entwickelter Computeralgorithmus dahinter, aber zum Glück bin ich ja auch keine Informatikerin, sondern spezialisiert auf wohl eine der schwersten Sprachen der Welt. Und was liegt da wohl näher einfach mal bekannte Muster und Eigenschaften auf das hier zu übertragen. Noch einen letzten geprüften Blick auf meinen kleinen Zettel mit dem 1x1 für das Antikeralphabet und... „Na, hallöchen...!“

Vor uns baut sich etwas noch Gigantischeres auf als das, was wir bereits draußen vor der Pyramide gesehen haben. Erst ein grober Umriss und dann wird ganz automatisch herangeszoomt, so dass wir im Endeffekt alles auf dem Bildschirm haben. Plus zwei blaue Punkte ziemlich abgeschieden von drei gelben Punkten. Wo in Gottes Namen sind wir nur gelandet?

„Sehr gut, Sullivan.“ Ich kann euch sagen, nicht nur ich wurde gerade von einer Welle der Erleichterung erfasst. Jetzt haben wir zumindest einen Blickwinkel. Wir können unsere Lage etwas einschätzen und meine Frage, ob die anderen drei nach uns suchen, scheint auch beantwortet zu sein. Denn obwohl die drei gelben Punkte ziemlich nah beieinander sind, bewegen sie sich dennoch in verschiedene Richtungen. „Zoomen Sie mal weiter ran.“

Gesagt, getan. Doch was ist das? Plötzlich leuchtet über den Bereich, in dem wir uns befinden, eine penetrant blinkende Warnung auf. Wenn es sich überhaupt um solch eine handelt. Auf den ersten Blick steht da nur Kauderwelsch oder etwas, was ich zunächst nicht zu entziffern vermag. Zwei fragende Blicke treffen sich.

Vielleicht so was wie eine Anleitung. Nach dem Motto: 'Sie befinden sich jetzt da und da, an der nächsten Kreuzung bitte links abbiegen'. Nach mehreren gescheiterten Anlaufversuchen der Entschlüsselung, bin ich ehrlich gesagt auch nicht schlauer als noch vor fünf Minuten. Für mich ergeben diese Worte keinen Sinn. Sie klingen viel versprechend, aber noch kann ich nicht wirklich viel mit ihnen anfangen.

Fragend schaue ich zu ihm auf. „Was ist eine 'Bibliothek des Wissens'?“

Ich bin mir nicht sicher, was ich in dem Blick des Colonels sehe. Verachtung? Angst? Oder den Versuch diese beiden Eigenschaften zu überspielen? Auf jeden Fall macht es mich nervös. „Eine 'Bibliothek des Wissens'“, beginnt er und betont mir diese drei Worte etwas zu scharf, „ist das, wo Sie vorhin fast Ihren Kopf hineingesteckt hätten.“

Wie bitte? Ich soll meinen Kopf beinahe *wo* reingesteckt haben? „Ich habe was?“

„Dieses hübsche Ding an der Wand? Groß, rund, verschnörkelt? Das Fischauge?“

„Oh...das.“

„Ja, das.“

Wenn das Ding wirklich eine Bibliothek ist, dann weiß ich ehrlich gesagt nicht, warum er dann so ausgerastet ist. Es ist ja nicht so, als ob eine Bibliothek gefährlich sein könnte. Gut, ich weiß, was man sagt: Wissen ist Macht... aber ich glaube kaum, dass das hier irgendwie eine Rolle spielt. „Aber wenn es eine Bibliothek ist...?“

„... wie kann es dann gefährlich sein?“ Ich nicke kurz. „Wenn Sie genauere Einzelheiten wissen wollen, sollten Sie Carter oder Doc Fraiser fragen, ich weiß nur, was es mit einem macht und es sind keine angenehmen Erfahrungen.“

Ich trau mich schon gar nicht mehr zu fragen. „Was passiert denn?“

Für eine ganze Weile sieht es so aus als will mir der Colonel darauf nicht antworten. Sein Blick ist abgewendet und er starrt auf eine der Wassersäulen. „Es sind Lichter“, beginnt er schließlich mit leiser Stimme zu erzählen. „Bunte, grelle Lichter. Das menschliche Gehirn ist der größte Speicher auf der ganzen Welt, aber es ist nicht groß genug, um das Wissen zu verarbeiten, was sich in diesen Dingern befindet.“ Langsam dreht er seinen Kopf in meine Richtung und ein reumütiges Lächeln zeichnet sich auf seinen Lippen ab. „Das Gehirn wird überschrieben. Nach und nach verlernt man die menschliche Sprache. Erst sind es nur ein paar Worte, dann ganze Sätze, bis man nur noch in dieser Antikersprache kommunizieren kann. Und wenn dann das Gehirn überlastet ist, stirbt man.“

Ein riesiger Kloß in meinem Hals erschwert mir das Schlucken. Mein Blick wandert zurück zu der transparenten Oberfläche. Und genau in diesem Moment sehe ich, wie in einem Extrafenster so ein Ding in Großaufnahme gezeigt wird.

„Lassen Sie uns versuchen Carter und die anderen zu erreichen“, reißt mich der Colonel aus den Gedanken. Jegliche Nachdenklichkeit oder sonstige Emotionen sind aus seiner Stimme verschwunden. Jetzt ist er wieder Colonel Jack O'Neill.

„Ja“, stimme ich ihm ohne Widerworte zu, „versuchen wir die anderen zu erreichen.“

Es dauert keine fünf Minuten bis mich die nächste Überraschung erwartet. Auf meiner verzweifelten Suche endlich wieder Kontakt mit den anderen aufzunehmen, muss ich irgendwo auf meinem Weg einen falschen Pfad eingeschlagen haben. Nicht nur, dass ich das meiste von den Symbolen frei heraus übersetze, nein, scheine ich mich vollkommen verrannt zu haben. Bestätigt wird mir diese schlummernde Befürchtung nur dadurch, dass plötzlich irgendwas Merkwürdiges auf dem Bildschirm vor mir auftaucht.

„Sullivan?“

Ja, das wüsste ich auch gerne. Keine Ahnung, was das zu bedeuten hat. Die Abbildung, die sich jetzt genau vor uns befindet, ist mit absolut nichts zu vergleichen, was ich bisher bei meinem kurzen Aufenthalt hier gesehen habe.

Eines steht jedoch auf den ersten Blick hundertprozentig fest.

Das gesuchte Kommunikationssystem ist es nicht.


+++++


„Ach du meine Güte“, hauche ich vollkommen verdattert.

„Unmöglich“, murmelt der Colonel.

„Aber hat Daniel nicht…?“, beginne ich die Abbildung vor mir irgendwie rational zu erklären.

„Ganz genau“, unterbricht er mich und wo er vor fünf Sekunden noch erschöpft gegen den Pult gelehnt hat, scheint sein kaputtes Bein jetzt wie vergessen zu sein.

„Und das ist ein…“

„Stargate, ja.“

Heilige Scheiße. Es sieht so gar nicht aus, wie ich es mir vorgestellt habe. Wenn ich ehrlich bin, dann weiß ich noch nicht einmal, was genau ich mir vorgestellt habe. *So was* auf keinen Fall. Aber ein Ring, der so viel Macht haben soll? Es ist unvorstellbar. Durch so ein Ding schreitet Sam Tag ein Tag aus? Das größte Geheimnis der Welt. Direkt vor meinen Augen. Ich werd’ nicht mehr… Ich meine, es soll da angeblich eine Prophezeiung geben, die besagt, dass vor tausenden von Jahren mal eine außerirdische Rasse hier gelandet sein soll und einiges an Technologie hinterlassen hat. Technologie, mit der man zu den Sternen reisen kann. So hatte die Prophezeiung der Maya geheißen und ich fress einen Besen, wenn sie wirklich wahr ist.

„Wo befindet es sich?“, reißt der Colonel mich aus meinen ungläubigen Gedanken.

„Moment“, murmle ich, während meine Finger bereits wieder über die Tasten gleiten, nur um einen Augenblick später inne zu halten. Das kann nicht sein. Garantiert ein Fehler. Und doch… das, was ich dort sehe, lässt keine Zweifel übrig.

„Sullivan? Wo ist es?“

Ich schüttle nur mit dem Kopf und taumle einen Schritt nach hinten. Mir wird ganz schlecht. Ein hilfloses Lachen kriecht aus meiner Kehle. „In der Pyramide, Colonel. Es befindet sich in der Pyramide.“

„Schwachsinn!“, geht er dazwischen. „Wir waren bereits in der Pyramide. Da gibt es kein Tor.“

„Die Pyramide befindet sich… direkt über uns?“ Er starrt mich total entgeistert an und ich kann es ihm kein Stück verübeln. Ich habe selbst das Gefühl gerade meinen Verstand verloren zu haben. Daniel hatte selbst gesagt, dass es zwischen den Pyramiden und Antikern keinen Zusammenhang gibt und laut meinen Analysen stammt diese Pyramide eindeutig von den Maya. Also frage ich euch, wie und wo soll sich da ein Stargate verstecken? „Allerdings“, beginne ich, als meine Gedanken beginnen einen ganz anderen Weg einzuschlagen.

„Über uns? Das ist vollkommen…“

„Ich weiß! Es ist nicht die Pyramide, die wir untersucht haben.“ Wow… mir wird ganz schwindelig! Wie ist das nur möglich? Meine Augen tasten die Abbildung vor mir ab. Nein, unsere Pyramide befindet sich ganz wo anders. Wo sind wir hier nur gelandet?

Sein Blick schnellt in meine Richtung. „Aber das ist ne Mayapyramide und Sie haben selbst gesagt…“

Ich soll was gesagt haben? Wenn ich mich recht erinnere, dann war er es, der mir die Worte so im Mund herumgedreht hat, dass sie in sein Sinnbild passten. „Ich wollte sagen, dass auch die Pyramiden der Maya mehrere Eingänge besitzen können. Tradition ist nur ein großer ganz oben, das ist wahr.“

„Also denken Sie, dass dort noch irgendein Raum ist, wo sich das Tor befindet?“ Skeptisch schielt er mich von der Seite an. Hey, ich habe keine Ahnung, wo diese Dinger für gewöhnlich stehen! Ich weiß nur das, was ich sehe und im Moment sehe ich ein Stargate, welches sich in der Pyramide befindet.

Als Antwort zucke ich nur mit den Schultern. „Es ist da, Colonel. Und wenn man nach dem geht, was uns hier gezeigt wird, dann befindet es sich im unteren Drittel der Pyramide.“

„Ja. Aber vorher müssen wir hier einen Weg raus finden und irgendwie mit den anderen in Kontakt treten.“

Und wie hat er sich das vorgestellt? Mir ist es bisher leider nicht möglich gewesen irgend so ein Kommunikationssystem zu finden und wenn ich ehrlich bin, sieht das hier ebenfalls wie eine Sackgasse aus. Außerdem können wir nicht einfach so wieder verschwinden! Ich meine, schaut euch doch nur mal um. Das Wissen, welches hier verborgen liegt. Wir müssen es genauer untersuchen. Wir brauchen doch noch mehr Zeit. „Colonel…“, beginne ich meine flehenden Worte auszusprechen, aber er schüttelt nur den Kopf und hebt seine Hand.

„Sullivan“, antwortet er erschöpft. Unterstrichen wird diese nur durch seinen gläsernen Blick. Wir starren uns einen Augenblick schweigend an. Es ist kein stummer Kampf, hier geht es nicht darum zu gewinnen, denn alles, was ich dort sehe, ist pure Erschöpfung und Fieber. Ihm geht es alles andere als gut. Seine Arme zittern leicht unter der Anstrengung sich aufrecht zu halten und das ist alles, was ich wissen muss. Es reicht, um mir vor Augen zu führen, dass auch ich das Ende meiner Kräfte erreicht habe. Jetzt, wo sich mein Adrenalinspiegel wieder erholt hat, spüre auch ich den stechenden und nagenden Schmerz in meinen Knochen. Ob das Stechen von meinen Prellungen und anderen Verletzungen herrühren oder mein Körper mir einfach nur sagen will, dass er schon viel zu lange auf Reserve läuft, wage ich nicht zu entscheiden. Aber eines weiß ich mit Sicherheit: Ich bin fix und fertig. Ausgelaugt und ausgebrannt… und dennoch kann ich das gewisse Kribbeln in meinem Bauch nicht verbannen, welches sich mit rasender Geschwindigkeit ausbreitet, wenn ich nur an all das denke, was sich hier unten befindet. Es führt gar kein Weg daran vorbei, wir müssen noch einmal zurückkehren. Koste es was es wolle!

Doch, als ob meine eigene Erschöpfung nicht Grund genug ist die Beine in die Hand zu nehmen, spüre ich das, was ich bisher erfolgreich verdrängt hatte. Ein leichtes Zittern aus den Tiefen unter uns. Ein Zittern, welches nichts Gutes verheißen mag. Nein, bitte nicht. Nicht schon wieder. Vorsichtig schiele ich zum Colonel hinüber, ob er es auch gespürt hat. Unsere Blicke treffen sich. Raus hier! Sofort! Schreien sie. Und da brauche ich nicht noch mehr Überzeugungsarbeit.

„Okay, lassen Sie uns von hier verschwinden“

„Ja“, keucht er.

„Und wie? Ich habe noch keinen dieser komischen Transporter entdeckt.“

„Nein“, schüttelt O’Neill den Kopf und humpelt etwas zur Seite, um auf eine Stelle weiter hinten liegend im Raum zu schauen. Ich folge seinem Blick, aber da ist nichts. Ein kleines, siegessicheres Lächeln zeichnet sich auf seinen Lippen ab. „Wir brauchen keinen Transporter.“

Brauchen wir nicht? „Und wie…?“ Doch meine Frage bleibt unbeantwortet in der Luft hängen.

Er deutet mit einem Nicken in die besagte Richtung. „Sind mir vorher nicht aufgefallen, aber dort hinten gibt es Transportringe.“

„Transportringe?“ Was in drei Gottes Namen sind denn bitte schön Transportringe? Und dann sehe ich sie. In den Boden eingearbeitete Ringe, ganz genau wie auf meinem Foto. Ohne weiter Zeit zu verlieren, macht sich der Colonel wagemutig auf den Weg.

Mein Blick klebt noch immer auf dem Boden. Direkt vor unserer Nase! Mit einem Kopfschütteln, löse ich mich aus meiner Starre und folge dem Colonel durch das immer stärker werdende Beben. „Ich fass es nicht!“


+++++


Transportringe sind eine ganz feine Sache – mit einer Ausnahme: Man landet auf der anderen Seite genau so, wie man in den Transporter reingefallen ist. Und in unserem Fall ist es keine wirklich bequeme Position. Kaum, dass sich mein Körper bewusst ist, dass er wieder ein fester Aggregatzustand ist, prallt die Wucht der Realität auch schon auf ihn ein. Bei mir ist es das Gewicht von Colonel O’Neill. Er hängt dermaßen schief in meinem Griff, dass ich gezwungen bin in die Knie zu gehen. Es ist einfach unmöglich, dass ein einziger Mensch so schwer sein kann… oder ich bin einfach nur zu schwach.

Unser Begrüßungskomitee habe ich mir ehrlich gesagt auch irgendwie anders vorgestellt. Zugegeben, darin kam nie ein roter Teppich vor, aber Waffen, die auf einen gerichtet sind, standen da ganz weit unten auf meiner Liste. Vollkommen erstarrt starre ich auf die außerirdischen Geschosse. Gott, jetzt ist es soweit. Diese Schlangen sind hier und machen kurzen Prozess mit uns. Meine Augen schließen sich und ich wappne mich mental für den ultimativen Todesstoß.

Drei.

Zwei.

Eins.

Ich sehe schon mein Leben an mir vorbeizischen, als ich einen Aufschrei höre.

„Oh mein Gott! Colonel! Liz“

„Jack!“

Nichts. Kein gleißender Schmerz, keine Fahrt Richtung Hölle. Rein gar nichts. Tapfer öffne ich langsam wieder meine Augen. Erst das Linke und dann das Rechte.

Okay… ich lebe noch. Alles ist noch dran. Bin zwar mit Blut bedeckt, aber das rührt wohl eher von mir und Colonel O’Neill her. Meine Kleidung ist ziemlich legiert, was mich ehrlich gesagt nach unserer Achterbahnfahrt in den Abgrund auch nicht sonderlich verwundert, aber ansonsten…ich lebe.

„Liz.“

Jemand nimmt mir die Last des Colonels ab und so verrückt es auch sein mag, aber das war die einzige Kraft, die mich trotz aller Logik nicht zusammenklappen hat lassen, doch jetzt wo sie fort ist, schaffe ich es nicht mehr mein Gleichgewicht zu halten. Ohne eine Vorwarnung von meinem Körper kippe ich nach vorne. Gleich werde ich erneut Bekanntschaft mit dem Boden machen, aber wenn ich ehrlich bin, dann ist mir das herzlich egal. Ich würde am liebsten nur meine Augen schließen und schlafen. Einfach nur schlafen. Endlich diese Müdigkeit aus meinem Körper vertreiben.

„Liz“, ertönt wieder diese Stimme, aber diesmal klingt sie penetranter und die Person, die zu dieser Stimme gehört, rüttelt an meiner Schulter. Fünfzig Prozent Wahrscheinlichkeit, dass sich dieser jemand die gesunde Schulter aussucht und was ist? Jep, er entscheidet sich für die andere.

„Hey, Liz, aufwachen.“

Geh weg!

Ich kann den Schmerz aushalten, ich kann den Schmerz aushalten… ich kann den Schmerz nicht aushalten. Betäubt blinzle ich leicht.

„Oh mein Gott, Liz. Kommen Sie schon…“ Jemand streicht mir über den Kopf, meine Haare, mein Gesicht. Es ist ein zartes, schon fast vergessenes Gefühl. Trotz meiner wunden Haut, schmiege ich mich unbewusst weiter in die Berührung. Ich brauche es. Ich brauche es, wie das Feuer den Sauerstoff. Es ist schon zu lange her… Die tobende Hitze in mir sehnt sich nach der kühlen Hand. Ein Teil in mir beruhigt sich, lässt die vergangenen Stunden des Schmerzes einfach hinter sich. Wie ein weiches Bett, übersäht mit Kissen und Decken. Einfach nur herrlich… Nur nicht aufhören. Bitte, Daniel, hör nicht auf….

„Sie reagiert nicht!“, höre ich die Stimme rufen. Ihr Klang ist hallend, irgendwie entfernt, wie ein Schall, der zu mir rüberschwappt.

„Wir müssen sie hier rausbringen! Teal’c, hilf mir. Daniel, schnappen Sie sich Liz!“ Ich kenne diese Frauenstimme. Ja, irgendwoher kenne ich sie. Aber mir will kein Gesicht dazu einfallen. Doch was macht das schon aus? Alles, was ich spüre, ist, wie mich jemand vom Boden hebt und mich an sich drückt. Hmmmm…. Geborgenheit und Frieden umschließt mich, als ich diesen vertrauten Duft einatme. Jetzt wird wieder alles gut. Alles wird gut.

„Das Beben wird immer stärker!“

Beben? Welches Beben? Das bisschen Rütteln macht mir nichts aus. Ich will einfach nur versinken in diesen warmen, beschützenden Armen und nie wieder aufwachen.

Ja, jetzt wird alles wieder gut.


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Etwas Kühles und Nasses läuft über meine Stirn. Obwohl ich immer noch das Gefühl habe innerlich zu verbrennen, durchfährt mich ein Schauer. Langsam werde ich aus meinem Delirium gerissen. War alles nur ein böser Traum? Die Nebelschwaden lichten sich, was ich allerdings von dem Brummen in meinem Kopf nicht behaupten kann. Es fühlt sich an als hätte ich die Mutter aller Kater. Und ich glaube, in diesem Moment wünsche ich mir, dass dies auch der Fall wäre.

Mit einem Stöhnen, öffne ich schließlich meine Augen. Verschwommen. Alles ist verschwommen.

„Hey, willkommen zurück.“ Da ist sie schon wieder. Hallend, so weit entfernt. „Wie geht’s dir?“

Noch ein nasser Lappen, der meine Stirn abtupft und meine Sicht klärt sich langsam auf. Ein Zelt, ich liege in einem Zelt. Behutsam versuche ich meinen Kopf zu bewegen, aber schon die kleinste Bewegung löst in mir einen Schwall von Übelkeit aus. Okay, also nicht bewegen. „Schlecht… mir ist schlecht.“

„Ja, ich weiß.“ Zwei blaue Augen lächeln auf mich herunter. Sam. Meine Sam. „Hier versuch etwas davon zu trinken.“

Vorsichtig hilft sie mir auf und schon fast gierig, greife ich nach der Flasche. Gott, aber ich bin vollkommen ausgetrocknet!

„Langsam, langsam…“ Sie nimmt die Flasche von meinem Mund und gerade als ich zu einem Protest ansetzen will, drückt sie mich sanft aber bestimmt zurück auf den Boden. „Ich habe dich auf Antibiotika gesetzt. Das ist leider alles was wir hier haben. Janet könnte dir vermutlich mehr helfen. Wir werden so schnell wie möglich aufbrechen.“

Ich habe vielleicht gerade mal die Hälfte von dem verarbeitet, was sie mir da gerade eben gesagt hat. Irgendwo nach Antibiotika habe ich nicht mehr zugehört. Und gerade als ich dabei bin, wieder meine Augen zu schließen, durchfährt mich ein einziger Gedanke.

„Colonel O’Neill!“ Abrupt schnelle ich nach oben, doch diesmal ist Sam nicht schnell genug und kann nicht verhindern, wie ich fast vorne über kippe. Oh ja, ich bereue diese Bewegung bereits. „Wie geht’s dem Colonel? Sein Bein…“

Sam nickt nur angespannt. „Du hast großartige Arbeit geleistet. Die Schiene ist zwar nicht perfekt, aber sie wird reichen, bis wir wieder zu Hause sind.“ Sie verstummt kurzzeitig und wendet besorgt ihren Blick ab, so als ob sie genau abwiegen würde, wie viel sie mir erzählen soll. Sam, komm schon. Doch als ich wieder der Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit bin, wünschte ich mir nicht diese Sorge und Angst in ihrem Blick zu sehen.

„Sam…?“

„Er hat sehr hohes Fieber“, flüstert sie. „Er ist bewusstlos, Liz. Die Anstrengung, es war wohl alles zu viel. Eine Verletzung an seiner Schulter hat sich entzündet.“ Oh mein Gott. Was habe ich nur getan?

„Aber er wird doch…“ Ich kann diese Frage einfach nur ausformulieren. Nein, ich will noch nicht mal dran denken. Ich meine, das hier ist doch nur eine lächerliche Expedition, oder nicht? Und von einer Expedition kommt man immer lebend zurück.

„Ich habe ihn ebenfalls auf Antibiotika gesetzt“, antwortet sie stattdessen ausweichend. Mein ganzer Magen zieht sich zusammen. Ich muss meinen Blick von ihr abwenden. Gott, sie wird mich hassen. Es ist alles nur meine Schuld. Wenn dem Colonel etwas passiert. Es tut mir Leid. Es tut mir so Leid, Sam. „Mehr können wir nicht für ihn tun. Daniel ist jetzt bei ihm. Außerdem habe ich Hammond darüber informiert, was hier vorgefallen ist und was wir gefunden haben. Er meinte, er würde uns sofort einen Rettungstrupp schicken, aber das dauert noch seine Zeit.“ Verbittert lacht sie auf und atmet einmal tief durch. Tränen schimmern in meinen Augen, doch nicht eine wagt es über den Rand hinaus zu fließen. Was habe ich nur getan? Sorgevoll beißt sie auf ihre Unterlippe. Eine Geste, die ich nur sehr selten an ihr gesehen habe und es macht mir Angst. „Weißt du, es ist schon verwunderlich“, beginnt sie erschöpft und einfach nur müde davon alles unter Kontrolle zu haben, „da wird in innerhalb kürzester Zeit ein Suchtrupp organisiert, wenn man auf einem anderen Planeten festsitzt, aber wenn es allerdings darum geht eine Rettungsaktion auf der Erde auszuführen, brauchen sie Stunden.“

Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich bin einfach nicht in der Lage überhaupt etwas zu erwidern. Leicht schniefend lächelt sie zu mir hinunter. „Ruh dich am besten aus.“ Nein, ich will mich nicht ausruhen. Leicht tätschelt sie meine Schulter, aber als sie ihre Hand wegziehen will, halte ich ihr Handgelenk umklammert.

„Es ist meine Schuld“, schluchze ich. „Ich wollte das alles nicht.“

Aber sie lächelt nur. „Ist schon gut, Liz. Es ist nicht deine Schuld. Ich bin mir sicher, dass du alles getan hast, was nötig war.“ Nein, nein, habe ich nicht! Ich habe alles nur noch schlimmer gemacht! Sie versteht es nicht. Sie versteht nicht, dass alles nur meine Schuld ist.

„Nein, Sam… wenn ich nicht…“ Ein Zittern durchfährt meinen Körper. „Du verstehst das nicht. Wenn ich nicht so hartnäckig gewesen wäre, dann wäre nichts von alle dem passiert.“

Jetzt habe ich ihre volle Aufmerksamkeit. Neugierig und mit einer Mischung aus Angst und Anschuldigung sieht sie mich an. Du hast bereits den Weg gepflastert, Liz, also musst du ihn jetzt auch beschreiten. Aber wie es immer so ist, werde ich unterbrochen, bevor ich ihr erzählen kann, was passiert ist.

„Sam.“ Daniel. Mein Ritter in der schimmernden Rüstung, der mich unter normalen Umständen gerettet hätte. Aber ich bin kein Feigling. Sam hat die Wahrheit verdient. „Sein Zustand ist noch unverändert“, antwortet er automatisch auf die stumme Frage. „Ich habe gerade noch mal mit Hammond gesprochen. Wir müssen noch eine Weile aushalten. Er meinte, dass es noch mindestens sechs Stunden dauern wird. Irgendein Problem mit der Regierung. Wie immer.“

„Danke, Daniel.“ Und erst da scheint er zu merken, dass ich wieder bei Bewusstsein bin. Ein erleichtertes Lächeln zeichnet sich auf seinen Lippen ab und keine zwei Sekunden später kniet er neben Sam an meiner Seite.

„Liz. Sie haben mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Wie geht’s Ihnen?“

Ich nicke nur und so gerne ich jetzt auch diesen Small Talk fortgesetzt hätte, meine Gedanken gelten Sam und der Wahrheit.

„Liz, was ist passiert?“, stellt sie schließlich die ultimative Frage.

Und ich erzähle es ihnen. Von Anfang an. Ich lasse keine Einzelheit aus. Sie bekommen nichts als die reine Wahrheit. Ich weiß, dass es die richtige Entscheidung gewesen ist ihnen alles zu erzählen, aber den Schmerz, das Entsetzen oder vielleicht auch die Wut in Sams Blick zu sehen, bringt mich fast um. Gott, Sam, es tut mir so Leid!

Was habe ich nur getan?


+++++


Beklemmendes Schweigen hatte sich zwischen uns ausgebreitet und ich war noch nicht mal halb durch mit meiner Geschichte gewesen. Wo ich vor fünf Minuten noch Sams Berührung gespürt hatte, war sie jetzt verschwunden. Und dabei war ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal zu der Neuigkeit bezüglich des Stargates vorgedrungen. Es ist einer der seltenen Momente gewesen, in denen ich nicht gewusst hatte, was gerade durch Sams Kopf geisterte. Lediglich eine ausdruckslose Fassade ist zu erkennen gewesen, die nichts preisgab. Das Gefühl von einer Leere erfasst zu werden, die einen langsam von Innen heraus auffraß, lag plötzlich gar nicht mehr so fern.

„Liz“, war es schließlich Daniel gewesen, der das Schweigen gebrochen hatte, nachdem er sichtlich unwohl zwischen uns beiden hin und her geschaut hatte. „Es ist nicht Ihre Schuld.“ Mit einem Kopfschütteln hatte ich in seine Richtung geblickt. Nicht meine Schuld? Wie konnte er so was nur sagen? „Hatten Sie von dem Beben gewusst?“, Fragte er schließlich als er meine Zweifel sah.

„Nein, aber…“

„Kein aber“, ging er dazwischen. „Es war Pech, dass Sie sich auf dieser Brücke befunden haben. Ihnen hätte genauso gut irgendwo anders ein Stein auf den Kopf fallen können.“

Und dennoch sind wir wegen meiner Unnachgiebigkeit dort gewesen. Wegen mir standen wir letztendlich auf diesem Übergang und waren in die Tiefen gestürzt. Das ist eine Tatsache.

„Daniel hat Recht, Liz. Du konntest es nicht wissen“, flüsterte schließlich Sam. Ein Seitenblick in ihre Richtung verriet mir genug. Nein, ich konnte es nicht wissen, das ist wahr, aber ich hätte verhindern können, dass wir dort gelandet waren. „Du solltest dich jetzt besser ausruhen. Mit einer Gehirnerschütterung ist nicht zu spaßen.“

Sie wollte hier raus. Wollte nicht mehr in meiner Nähe sein. Dafür musste ich kein Genie sein, um das zu erkennen. Aber noch konnten sie nicht gehen. Nicht bevor ich ihnen nicht erzählt hatte, was wir entdeckt hatten. „Da gibt es noch etwas.“


Und das war vor einer Stunde gewesen. Ich kann einfach nicht glauben, dass ich tatsächlich noch mal eingeschlafen bin. Okay, Systemcheck: Übelkeit? Nein, nicht wirklich. Kopfschmerzen? Wenn man dieses Brummen als dieses betiteln kann, dann ja. Schwindelgefühl? Mal schauen. Gerade als ich im Begriff bin genau das zu überprüfen, merke ich, wie etwas meine Hand unten hält. Erstaunt lasse ich meinen Blick zu der Quelle meiner Behinderung gleiten und was meine Augen dort sehen, muss erst einmal verarbeitet werden. Meine Überraschung wird schon bald durch ein verstohlenes Lächeln ersetzt. Daniel. In einer wirklich Mitleidserregenden Position – halb liegend, halb sitzend – ist er an meiner Seite. Seine Brille hängt schief auf seiner Nase, eine Hand zieht die Haut seiner Wangen bis ins Endlose nach oben in dem Versuch seinem Kopf abzustützen, während seine andere Hand leicht meine umschließt. Das Tuch, welches er den Tag über auf dem Kopf getragen hatte, befindet sich jetzt an meinem Oberarm und ist inzwischen sicherlich schon mit Blut voll gesogen. Kleine Notiz: Kaufe ihm ein neues, wenn du wieder zu Hause bist, Liz. Seine Haare hingegen stehen mittlerweile in alle Himmelsrichtungen ab und ich kann einfach nicht das warme Gefühl unterdrücken, welches sich in meinem Bauch aufbaut. Wie ein Haufen freigelassener Schmetterlinge. Das Kribbeln fließt durch meine Adern als wäre es mein eigenes Blut. Schlichtweg berauschend! Ich traue mich gar nicht mich zu bewegen. Ich will ihn nicht wecken. Komisch, aber es ist schon ziemlich lange her seit ich das letzte Mal neben einem Mann aufgewacht bin. Und obwohl ich mich vermutlich irgendwie unwohl fühlen sollte, tue ich es nicht. Es fühlt sich schön an. Ich vermisse es. Ein leises, sehnsüchtiges Seufzen entkommt meinen Lippen, während der schleichende Verrat durch jeden weiteren Herzschlag durch meine Adern gepumpt wird.

Ja, Liz, du bist wirklich zu bemitleiden.

Langsam jedoch beginnt mein Arm zu schmerzen und so Leid es mir tut, ich muss ihn bewegen. Behutsam, darauf bedacht Daniel nicht zu wecken und mir nicht unnötig viele Schmerzen zuzufügen, versuche ich meine Hand aus seiner zu befreien.

Doch anstatt, dass er sie loslässt, murmelt er irgendwas Unverständliches und umschließt sie nur noch fester. Meine Schulter bedankt sich. Ich kann wirklich nicht mehr so liegen und wenn ich nicht gleich wieder meine Hand zurück habe, glaube ich nicht, dass ich das überlebe. Deshalb ziehe ich jetzt etwas fester. Auch wenn ich es gleichzeitig bereue dieses kribbelnde Gefühl verloren zu haben, übertrifft die Welle der Linderung in meiner Schulter alles.

„Oh..!“, höre ich Daniel schließlich murmeln, als er aufgrund meines Ruckes sein Gleichgewicht verliert und gegen die Kante einer kleinen Box stößt.. Mir bleibt aber auch wirklich gar nichts erspart. Ich verziehe kurz mein Gesicht, während er sich leicht verwirrt umschaut. Er reibt sich kurz die Augen, bevor sein Blick auf mich fällt. „Hey.“

„Hey“, antworte ich leicht verlegen. Ich bin wirklich froh, dass die einzige Lichtquelle das fahle Mondlicht ist, welches durch ein paar Ritzen hinein glitzert, sonst hätte er vermutlich noch gesehen, wie sich meine Wangen um ein paar Nuancen rötlich gefärbt hätten. „Tut mir Leid“, flüstere ich schließlich und deute auf seinen Kopf.

„Oh, oh, nein, nicht so wild…nichts passiert“, lächelt er, während eine Hand abwesend über die gestoßene Stelle fährt. Vorsichtig verändert er seine Position auf dem harten Boden und seufzt erleichtert. „Wie geht’s Ihnen?“

Ich nicke leicht. „Besser. Danke.“ Mein Kopf beugt sich leicht zur Seite, während ich ihn mustere. Hat er hier die ganze Zeit an meiner Seite gesessen? Die Frage brennt förmlich auf meinen Lippen, die Worte wollen freigelassen werden. Eine simple Frage, doch in meinen Augen beinhaltet sie eine Menge Andeutungen. Wenn er es getan hat, warum? Er kennt mich doch kaum. Warum hat er an meiner Seite gesessen und meine Hand gehalten? Und warum macht mir dieser Gedanke keine Angst? Ein fremder Mann...Tom dagegen, ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob Tom auch wirklich diese Strapazen auf sich genommen hätte. Zweifel nagt an meinen Gefühlen, die ich mit aller Macht versuche aufrecht zu erhalten. Was tust du hier nur Liz? Wie kannst du nur wenige Wochen vor deiner Hochzeit solche Gedanken hegen? Torschlusspanik? Ich weiß es nicht. Wenn ich ehrlich bin, dann weiß ich nicht mehr was ich fühlen soll. Zweifel und Aufregung halten sich die Waage und ich habe das Gefühl die Kontrolle verloren zu haben.

„Liz“, beginnt er und ein Teil von mir wünscht sich sehnlich, dass seine Gedanken ähnliche verräterische Pfade einschlagen, wohingegen meine andere Hälfte sehr erleichtert wäre, wenn wir wieder neutrales Terrain betreten würden. Es ist ein komisches, merkwürdiges Gefühl, welches mich seit unserer Kollision in der Pyramide beschleicht. Oh, ich habe bereits bei unserer ersten Begegnung gespürt, dass die Chemie zwischen uns stimmt, aber das hier ist schon lange keine normale Chemie mehr. Es ist zugleich beängstigend als auch aufregend. „Erinnern Sie sich noch, was Sie uns erzählt haben?“ Ich weiß nicht, welches Gefühl letztendlich überwiegt, Enttäuschung oder Erleichterung. Ich kann es wirklich nicht sagen.

„Ja, wieso?“, antworte ich schließlich.

„Sind Sie sich auch ganz sicher, dass sich hier noch ein Stargate befindet?“

„Ja. Wir haben es gesehen.“

„Und es befindet sich in einer Pyramide?“

Irritiert nicke ich. Worauf will er hinaus? „Daniel?“

Mit einem Seufzen, schüttelt er schließlich den Kopf. „Es sieht folgendermaßen aus. Unsere Errungenschaft vor unserer Pyramide ist nicht nur schlichtweg ein Lageplan, wir können damit auch einzelne Parameter aufrufen.“ Ein Nicken meinerseits gibt ihm zu verstehen, dass ich ihm noch folgen kann. Und? Das ist doch toll. „Liz, wir haben kein Stargate gefunden.“

Was? Wie war das? „Ihr habt… ich meine, ihr habt kein…?“ Was? Ich habe es doch gesehen! Mit meinen eigenen Augen! Der Colonel hat es gesehen! „Was reden Sie da, Daniel? Natürlich gibt es hier irgendwo noch ein Stargate!“

„Liz, wir haben alles…“

„Nein.“ Ich kann das nicht glauben! Ich will das nicht glauben! Ich habe mir das doch nicht eingebildet. „Glauben Sie mir, ich habe es gesehen.“

Verstehend nickt er ein paar Mal mit dem Kopf, so als ob er mich beruhigen will. „Ich glaube Ihnen ja, dass Sie denken, dass sie es gesehen haben.“

„Sie glauben mir, dass ich *denke*…?“, wiederhole ich hohl seine Worte. Was soll das den jetzt bitte schön bedeuten?

„Liz“, seufzt er und nimmt seine Brille ab, damit er seinen Nasenrücken massieren kann. „Als wir Sie gefunden haben, da waren sie kaum ansprechbar. Vielleicht ist Ihre Gehirnerschütterung ja…“, versucht er es ganz diplomatisch, aber da stößt er bei mir auf taube Ohren.

„Ich habe mir das nicht ausgedacht. Und der Colonel auch nicht. Wenn Sie mir nicht glauben, dann fragen Sie ihn! Es ist da.“

„Jack hat Fieber.“

„*Jack* hat es gesehen!“

Obwohl sämtliche Knochen Zeter und Mordio schreien, meinem Kopf ging es nie besser! Und ich soll verdammt sein, wenn sich das alles nur als ein Hirngespinst heraus stellen sollte. „Wir sind jeden Parameter durchgegangen.“

„Wo ist Sam?!“

Er schüttelt nur den Kopf. „Liz, beruhigen Sie sich.“ Ich will mich nicht beruhigen!

„Nein!“, schlage ich seine Hand weg, die sich nach mir ausstreckt. „Wieso glauben Sie mir nicht? So was würde ich mir doch niemals ausdenken. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie ein Stargate gesehen. Wieso sollte ich es mir ausdenken? Nennen Sie mir einen vernünftigen Grund.“

Er kann es nicht. Genau wie ich es erwartet habe. Weil es keinen vernünftigen Grund gibt, dass ich mir so etwas ausdenken würde. So einfach ist das.

„Vielleicht befindet sich das Stargate ja auch ganz woanders. Vielleicht noch nicht mal auf diesen Planeten. Wir wissen es nicht.“ Aber ich schüttle nur mit dem Kopf.

„Dann suchen wir eben noch mal.“ Herausfordernd sehe ich ihn an und er nickt schließlich.

Okay. Gut. Da wir das nun geklärt hätten. Ich drücke mich hoch in eine sitzende Position, warte einen Augenblick bis das Schwindelgefühl vorbei ist und mache mich drauf und dran das Zelt zu verlassen.
„Hey, wo wollen Sie hin? Es ist mitten in der Nacht.“

„Ich werde jetzt das Stargate suchen.“

Ein schweres Seufzen ist meine Antwort. Noch während ich damit kämpfe mir meine Jacke überzuziehen, beschleicht mit das merkwürdige Gefühl von deja vu. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob es an mir oder diesem Zelt liegt, aber es ist bereits das zweite Mal innerhalb von zwei Nächten, dass ich aus meinem Unterschlupf stürme. Sollte mir das vielleicht irgendwas sagen? Doch bevor ich mich aufmache, um eigenhändig das Stargate ausfindig zu machen, muss ich noch beim Colonel vorbeischauen. Ich muss einfach wissen wie es ihm geht.

Und so schlurfe ich mitten in der Nacht über den großen Plaza zu dem anderen Zelt. Es ist leicht geöffnet und das Innere wird von einer schwachen Lichtquelle erhellt. Ich werfe einen Blick hinein und was ich dort sehe lässt mich in meiner Bewegung den Eingang vollends zu öffnen, innehalten. Im warmen, schwachen Licht kann man sehr deutlich den Schweiß auf seiner Haut glitzern sehen. Seine Haut ist leicht gerötet, aber er ist bei Bewusstsein. Gott, mir fällt hier gleich eine ganze Steinlawine vom Herzen. Und zu meiner großen Erleichterung ist er nicht alleine. Sam ist bei ihm. Sie sieht fertig aus. Ausgelaugt und erschöpft. Aber tapfer tupft sie weiterhin seine Stirn ab. Meine Anwesenheit hat sie noch nicht bemerkt. „Hey“, flüstert sie und trotz aller Müdigkeit zaubert sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. „Sir, wie geht’s ihnen?“

Schwach dreht er seinen Kopf in Ihre Richtung. „Hei߅Mir ist heiߓ, kommt die kratzende Antwort.

„Sie haben Fieber, Sir.“

„Sullivan?“

Ein Lächeln umspielt meine Lippen. „Liz geht es gut. Daniel ist jetzt bei ihr.“

Er nickt und versucht sein Bein zu bewegen, aber bei dem Versuch holt er nur scharf zischend Luft. „Sir, langsam. Sie sollten sich ausruhen.“ Eine hochgezogene Augenbraue seinerseits. „Ärztliche Anweisung.“

„Ah… Doc Fraiser muss aufpassen. Sonst sind Sie bald auch noch der Chef der Krankenstation.“

Ein leises Lachen erschüttert Sams Körper. „Ich hoffe nicht, Sir.“ Und dann legt sie ihren Kopf schief. „Bald ist ein Rettungsteam hier. Hammond weiß bereits Bescheid.“

„Was ist mit dem Ding, welches Teal’c gefunden hat?“, fragt er plötzlich. Zunächst weiß ich überhaupt nicht wovon er spricht, aber dann fällt es mir wieder ein. Der Sender. Oh nein…

Sam beißt sich kurz auf die Unterlippe und wo ich persönlich ganz nervös werde, antwortet sie ihm vollkommen sachlich. „Es ist leider das, was wir uns bereits gedacht haben. Ein Sender. Allerdings ist es schwer zu sagen, ob ein ausgehendes Signal überhaupt empfangen wird.“

„Hören Sie, Carter“, sagt er erschöpft und schaut ihr direkt in die Augen. „Wenn Apophis hier auftauchen sollte, dann will ich, dass sichergestellt ist, dass er nichts von dem hier bekommt. Wenn wir mit leeren Händen gehen müssen, dann muss er es erst recht.“

„Sir…?“

„Carter, das ist ein Befehl.“

„Aber…“

Mir wird ganz schlecht. Ich hoffe inständig, dass er nicht das damit mein, was ich hier gerade denke, was er damit meint. Er darf es einfach nicht so meinen.

Er schließt für einen Moment seine Augen. „Sam, mein Knie ist kaputt und Gott weiß was noch. Ich kann diese Mission nicht zu ende führen, aber Sie können es.“ Erschöpft nimmt er ihre Hand und Sams Blick wandert hinunter zu seinen Fingern, die ihre umklammern. Ihre Augen werden immer größer. So als ob sie genauestens ahnt worauf er hinaus will, es aber unter keinen Umständen wahr haben will. „Also, wenn wir bis zur Ankunft des Rettungsteams noch kein Zeichen von Apophis haben, dann möchte ich, dass Sie sich darum kümmern.“

Sie schluckt schwer.

Ich schlucke schwer.

„Sir, soll das…?“

Er nickt kaum merklich.

„Ja, Sir.“ Und ich könnte schwören, wie sich bei diesen Worten ihr ganzer Körper anspannt. Vermutlich noch nicht einmal aus Schock, sondern aufgrund der neuen Aufgabe, die ihr jetzt aufgelastet wurde. Ich will wirklich nicht in deiner Haut stecken, Sam. Einmal tief durchatmend entschließe ich, dass das mein Moment ist meine Anwesenheit deutlich zu machen. Und so schiebe ich leicht die Plane zur Seite, so dass ich vor dem Eingang hocke. Zwei Augenpaare fliegen in meine Richtung.

„Liz“, kommt es überrascht von Sam und ich sehe noch, wie sie hastig ihre Hand von Jack wegzieht, die vor wenigen Sekunden noch in seiner gelegen hat. „Du bist… wo ist Daniel?“

„Ich bin hier“, höre ich eine Stimme hinter mir. Einen kurzen Augenblick sieht er mich an und ich befürchte bereits, dass er den anderen von unserem Gespräch und meinen kleinen Ausraster erzählt. Aber nichts von dem passiert. Statt dessen kniet er sich neben mich und seufzt erleichtert als er Jack sieht. „Wie geht’s Ihnen, Jack?“

„Noch nie besser.“ Und dann schweift sein Blick zurück zu mir. „Wie geht’s der Schulter?“

„Ausgezeichnet. Bein?“

„Hervorragend.“

Wir lächeln beide und für Sam und Daniel müssen wir bestimmt wie die letzten Volltrottel aussehen, aber das, meine Lieben, werdet ihr vermutlich nie verstehen. So absurd es sein mag, aber wir beide brauchten erst ein kaputtes Bein und eine ausgerenkte Schulter, um uns zu kriegen. Das Leben hat schon manchmal merkwürdige Eigenheiten einem etwas so simples zu zeigen, bis einem mal das Licht aufgeht. Mir ist es glücklicherweise aufgegangen. Denn als wir dort unten waren, habe ich gespürt, dass ich vielleicht kein fester Teil dieses Teams bin, aber auf dieser Mission bin ich ein Mitglied und das zählt mindestens genauso viel. Danke, Jack.

Um unsere Runde noch zu vervollständigen, gesellt sich Teal’c zu uns. Jedes Mal wenn ich in seiner Nähe bin, durchfährt mich ein komisches Gefühl und ich weiß, dass es nichts mit der Schlange in seinem Bauch zu tun hat. Nein, viel mehr ist es eine gewisse Ruhe und Erhabenheit, die von ihm ausgeht. Dieser Moment bildet da keine Ausnahme. Es ist wirklich das erste Mal seit drei Tagen dass ich das Gefühl habe dazu zu gehören. Ihr könnt gar nicht glauben, was das in mir auslöst. Ich könnte auf der Stelle losheulen! Mein Blick wandert zu Sam, ihr Gesicht ist von Sorge gezeichnet und dennoch erkenne ich in ihren Augen eine gewisse Erleichterung – vermutlich hat die eher was damit zutun, dass Colonel O’Neill wieder ansprechbar ist als die rosigen Aussichten auf den Verlauf dieser Mission – und Entschlossenheit, die mir in dieser schier ausweglosen Situation Mut spendet, weiter zu Jack, der wirklich alles andere als gesund aussieht und dennoch eine gewisse Autorität ausstrahlt. Meine Ma hat immer gesagt: Entweder man hat sie oder man hat sie nicht. Dieser Mann hat sie. Gar keine Frage. Als mein Blick auf Daniel fällt und ich dort in den Tiefen seiner Augen diesen leichten Twist zwischen Aufregung und Sorge ausmache, komme ich nicht drum herum mich zu wundern, wie er all dies jeden Tag schafft. Wir sind uns auf bestimmten Ebenen so ähnlich, dass es schon fast erschreckend ist. Die Neugier und Forschungsdrang sind Eigenschaften, die uns beide vorantreiben, doch gleichzeitig kämpft er Tag für Tag Seite an Seite mit dem Militär. Ein ganzer Wissenschaftler in der Welt des Militärs. Für manche vielleicht ein Gefängnis doch für ihn scheint es sein Zuhause zu sein. Daniel, du bist schon ein komischer Mann.

Ja, ich bin umgeben von einem merkwürdigen – aber außerordentlichen – Team, auf einer noch merkwürdigeren Mission und wisst ihr was das Beste daran ist? Mir kommt es kein bisschen merkwürdig vor. Vielleicht weil schon zu viele verrückte Dinge geschehen sind, aber ich denke, alles was normal abgelaufen wäre, wäre in ihren Augen verrückt gewesen. Und der Tag hat gerade erst angefangen. Es kann noch einiges passieren. Was ich insgeheim allerdings nicht hoffe. Mein Abenteuerdurst ist vorerst gestillt.

„Ah, T.“, unterbricht der Colonel meine monologischen Gedankenstränge. „Gut, dass du hier bist. Ich habe es bereits Carter gesagt. Bevor Apophis auch nur in Erwägung zieht seinen Schlangenhintern oder seine Freunde auf die Erde zu schicken, will ich, dass er nichts weiter als Schutt und Asche findet.“

Vollkommen schockiert schnappt Daniel nach Luft, seine Augen drohen aus seinen Höhlen zu springen. „Jack!“ Der kippt uns gleich um.

„Daniel, ich werde nicht zulassen, dass auch nur ein Goa’uld das Wissen der Antiker in die Hände bekommt. Schon gar nicht Apophis.“

„Aber“, beginnt er mit einem Kopfschütteln, „das hier könnte der einzige Beweis sein, dass die Antiker auf der Erde waren. Und der Komplex! Jack, wir können nicht riskieren das zu verlieren. Wir dürfen es nicht zerstören. Es könnte uns Vorteile bringen. Die Technologien…“

„Ich weiß, ich weiß.“ Er atmet einmal tief durch und wird schon bald von einem erneuten Schauer erfasst, der seinen Körper durchfährt.

„Sir!“ Besorgt legt Sam eine Hand auf seinen Arm und die andere wandert ganz automatisch zu seiner Stirn, wo sie schließlich liegen bleibt. „Sie glühen ja! Sir, Sie sollten sich wirklich ausruhen.“

„Nein, Carter…“ Sein Blick wandert zurück zu Daniel. „Eine Absicherung, Daniel. Wenn ihr Apophis nicht aufhalten könnt, dann wird alles in die Luft gesprengt.“

„Jack?“, hakt Daniel mit einem leicht verunsicherten Unterton nach.

„Carter hat das Kommando.“ Nun, Daniels Gesichtsausdruck zufolge muss das erst einmal verdaut werden.

„Das… das ist vernünftig, aber…?“ Die Sprachlosigkeit trieft förmlich aus seinem folgenden Seufzen. „Jack, es gibt doch bestimmt noch einen anderen Weg.“ Daniel, der ständige Optimist. So muss er zumindest in den Augen der beiden Soldaten aussehen.

„Nennen Sie mir einen.“

Bedrückte Schweigen ist die einzige Antwort, die Jack erhält. Nicht mehr und nicht weniger. Schweigen, welches ihm Antwort genug ist. Doch Daniel schüttelt nur widerspenstig den Kopf. „Wir brauchen mehr Zeit.“

„Die haben wir aber vielleicht nicht.“

„Nicht, wenn wir unsere Chance vertun, das ist wahr.“

„Was soll das heißen?“ Daniels Zungenspitze zuckte nervös über seine Lippen, während eine Hand einmal durch seine Haare fährt. Was ist hier eigentlich los? „Daniel?“, Bleibt der Colonel hartnäckig. Ein verwirrter Blick meinerseits findet seinen. Ich habe keine Ahnung. Kaum merklich zucke ich mit meiner gesunden Schulter. Aber die unausgesprochenen Worte, die zwischen Daniel, Sam und Teal‘c ihren Partner wechseln, scheinen von Bedeutung zu sein. „Major?“

Jegliche Geduld scheint sich aus seiner Stimme verflüchtigt zu haben und der scharfe, fordernde Ton lässt Sams Blick in seine Richtung huschen. „Sir, da gibt es etwas, was Sie noch wissen sollten.“

Erwartungsvoll zieht er eine Augenbraue hoch.

„Wir haben etwas gefunden.“


+++++


Ich glaube, ich bin gerade in den Genuss gekommen eine von, wie es der Colonel so treffend bezeichnet hatte, hirnrissigen und wahnsinnigen Ideen von Sam Carter zu hören. Ich suche noch immer nach der Genialität in ihrem Plan, aber auch wenn mein Leben davon abhängen würde, ich kann sie partout nicht finden. Das ist lebensmüde. Haben diese Leute eigentlich keine andere Sorgen außer sich von der einen hochgradigen Selbstmord gefährdeten Situation in die nächste zu stürzen?

Denn jetzt bin ich wieder da, wo alles seinen Anfang genommen hatte. Gehen Sie zurück auf Los und ziehen Sie keine 2000 Dollar ein. Oder so ähnlich. „Okay, Daniel, nur dass ich das richtig verstehe, wir wollen *was* tun?“

„Wir werden jetzt versuchen das Stargate zu finden...“, beginnt er mir zu erklären, obwohl ich die Einzelheiten genausten kenne.

„Von dem Sie denken, dass es hier gar nicht existiert“, werfe ich dazwischen, was mir nur einen Seitenblick seinerseits einfängt. Was denn? Ist doch wahr, oder nicht?

„Deshalb werden wir es jetzt auch suchen.“

Keineswegs überzeugt schüttle ich mit dem Kopf. „Ihnen ist schon klar, dass das wahnsinnig ist, oder? Ich meine, das kann unmöglich unser Plan sein! Kommen Sie. Wie will Sam das denn anstellen? Sie kennt sich mit dieser Technologie doch noch gar nicht aus.“ Ein kurzes, nicht sehr überzeugendes Lachen plumpst aus meinem Mund. „Wir schaffen das nie. Jack braucht einen Arzt und keine Heldentaten. Wir sollten sehen, dass wir nach Hause kommen.“

„Wir schaffen das. Außerdem hat Jack ihr die Anweisung gegeben.“

„Ich dachte, Sam hat das Kommando.“

Erschüttert über meinen offensichtlichen Dickkopf, seufzt Daniel schwer. „Es wäre unsere Chance Apophis aufzuhalten. Sie haben keine Ahnung, wie gefährlich er ist. Und wenn wir die Technologie, die Sam und ich gefunden haben nutzen können, dann tun wir das.“

„Das ist wahnsinnig“, erkläre ich bestimmt und keinen Deut überzeugt. „Sie wissen noch nicht einmal was das ist!“

Er zuckt nur mit den Schultern. „Sie sehen aus wie Schiffe. Wenn wir diese Schiffe nutzen könnten, könnten wir auch Apophis die Stirn bieten.“

Ich kann nur mit dem Kopf schütteln. „Das ist der reinste Selbstmord.“

„Haben Sie ne bessere Idee?“

Ich wünschte ich hätte eine. Ich wünschte es wirklich.

„Na dann“, sage ich mit mehr Enthusiasmus als mir lieb ist und klatsche einmal in die Hände, „sollten wir lieber gleich anfangen.“ Daniel gibt neben mir ein Geräusch zwischen Schnaufen und Lachen von sich und in mir verhärtet sich der Verdacht, dass auch er kein wirklicher Freund von unserem Unterfangen ist.

Kaum dass wir an unserer kleinen, externen Kommandozentrale neben der Pyramide angekommen sind, hören wir schon von Weiten eine aufgebrachte Stimme.

„Carter! Ich kann laufen!“

Wir beide verziehen gleichermaßen das Gesicht und doch kann ich das Lachen in Daniels Augen funkeln sehen.

„Sir, Ihr Bein ist gebrochen! Und außerdem haben Sie--“

„Carter!“, ertönt ein gefährliches Knurren. „Ich. Kann. Laufen.“

Noch während ich auf meine Lippe beiße, wandert mein Blick zu Sam. Selbst von meinem Platz aus kann ich sehen, wie sie einmal kräftig auf ihre Zunge beißt, ihren Körper anspannt und den Colonel entschlossen ansieht. „Bei allem nötigen Respekt, Sir, aber das können Sie nicht.“

Wow...nicht nur meine Kinnlade droht auf den Boden zu knallen.

Ich beobachte gerade die Meister der Starrsinnigkeit bei der Arbeit. Keiner will nachgeben und ich glaube, wenn es nach den beiden geht, dann können wir noch bis in die Nacht unsere Beine in den Bauch stehen. Letztendlich ist es Sam, die das Schweigen mehr widerwillig als willig bricht. „Sir, dann sollte ich Ihnen zumindest helfen--“

„Ich kann alleine laufen.“

„...und das ist ein Befehl.“

Jetzt ist die Kinnlade mit dem Boden kollidiert. „Was?“ Ein vollkommen perplexer Blick bohrt sich in Sam. „Also, wenn mich nicht alles irrt, Major, dann bin ich noch immer--“

„O‘Neill“, ist es Teal‘cs ruhige, wenn nicht schon fast weise Stimme. „Wenn ich mich recht erinnere, dann hast du Major Carter das Kommando übertragen.“

Oh Gott. Das Atmen nicht vergessen, Jack. Sein Gesichtsausdruck ist zum Schießen! Einfach nur Kamerareif. Sam hingegen versucht mit aller Mühe ihren Triumph nicht allzu offen zu zeigen, was ihr bis auf das Glitzern in ihren Augen und das kurzzeitige Zucken ihrer Mundwinkel auch ganz hervorragend gelingt.

„Vielen Dank auch, Teal‘c“, kommt die vor Sarkasmus triefende Antwort. „Und so was nennt sich Freund.“

Eine obligatorische Augenbraue wandert in unbekannte Hemisphären. Und ohne sich die Mühe zu machen auch nur Ansatzweise auf das gemurmelte Kommentar von unserem Anführer einzugehen, kann man so etwas wie ein leichtes Schulterzucken erahnen, als Teal‘c mit festen Schritten auf uns zukommt.

Ich denke, nur widerwillig lässt sich der Colonel von Sam helfen. Mein Blick bleibt noch eine Weile auf den beiden hängen, auch als sie bereits an unserer Seite stehen. Hingegen seiner lautstarken Aussage alleine ganz hervorragend klarzukommen, wundert es mich nicht, dass auch weiterhin noch sein Arm um Sams Schulter liegt, genau wie ihr Arm einmal um seine Hüfte langt. Natürlich nur um sein Knie zu entlasten. Versteht sich ja von selbst. Schon klar. Den beiden ist langsam echt nicht mehr zu helfen.

„Also“, beginnt Daniel mit einem Räuspern die Runde zu eröffnen. „Wie bereits gesagt, wir haben soweit wir konnten alles abgesucht, aber ein Stargate konnten wir nicht finden.“ Sein Blick wandert einmal über uns. „Allerdings“, fährt er fort, „konnten wir einiges herausfinden. Zum einen ist diese riesige Säule in der Halle, so etwas wie ein gigantischer Energieleiter. Wir scheinen offensichtlich durch einen Seiteneingang hereingekommen zu sein. Zweitens gibt es historische Hinweise darauf, dass die Antiker etwas hinterlassen haben. Wie wir bereits herausgefunden haben, wütete eine unglaubliche Pest in der Galaxis, die die Antiker so gut wie ausgelöscht hat. Diese Pest, so steht es geschrieben, stammt von ihrem größten Gegner. Einen Gegner, der ihnen in der Kraft, Wissen und Technologie ebenbürtig ist. Sam und ich habe so ne Art Raumschiffe gefunden. Wir müssen sie nur irgendwie zum Laufen bringen. Das könnte uns Apophis gegenüber einen riesigen Vorteil verschaffen. Weiter wissen wir auch, dass sich dieser Komplex noch kilometerweit erstreckt, aber das Problem liegt eben darin, dass es von keinen von uns möglich war, das Ding hier wieder richtig zum Laufen zu bringen.“ Großzügig legt er seine Hand auf die Schalttafel. Seine Augen bohren sich gerade zu in Jacks als stumme Aufforderung etwas dagegen zu unternehmen.

„Was?“

Daniel deutet mit seinem Kopf Richtung Sockel.

Jack zieht seine Augenbrauen hoch. „Was?“, betont er noch einmal mit Nachdruck.

Kopfschüttelnd seufzt Daniel, Sam schürzt ihre Lippen und ich atme einmal tief durch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er wirklich so schwer von Begriff ist. „Jack, würden Sie bitte Ihre Hand auf diese Schaltfläche legen?“, kommt es schließlich leicht ungeduldig über Daniels Lippen.

Jack hebt das besagte Körperstück, verharrt aber wenige Zentimeter vor der ultimativen Berührung. „Wissen Sie“, beginnt er mit einen Blick Richtung Daniel, „woher wollen Sie eigentlich wissen, ob es gestern nicht alles bloß Glück gewesen ist?“

„Glück?“ Daniel schüttelt den Kopf. „Nein, das denke ich nicht.“

„Was dagegen es zu erklären?“

„Na ja“, beginnt Daniel. „Hierbei handelt es sich um ein Gerät der Antiker.“

„Und?“

„Sie haben das Wissen der Antiker besessen.“

„Und?“

„Und es könnte doch die Möglichkeit bestehen, dass es da einen gewissen Zusammenhang gibt. Vielleicht wurde ja irgendwas zurückgelassen, wie bei einem Symbionten.“ Mit einem Schulterzucken schaut er in Sams Richtung, die nachdenklich ihre Stirn kräuselt. „Proteine, andere Einzeller, keine Ahnung...“

„Daniel, es gibt da nur eine Unstimmigkeit in Ihrer Theorie“, erwidert der Colonel. „Doc Fraiser konnte bisher nichts finden.“

„Deshalb ist es ja auch nur eine Theorie. Heißt nicht, dass sie wahr ist.“

„Wie dem auch sei“, seufzt der Colonel, „wir wollen dem Doc doch nicht die ganze Arbeit abnehmen, nicht wahr?“ Und mit einem leicht angehauchten, sarkastischen, schiefen Lächeln nimmt seine Haut Kontakt mit dem außerirdischen Material auf. Zu unserer wirklich überaus großen Überraschung leuchtet alles wie ein Weihnachtsbaum auf. „Okay, vielleicht doch kein Glück.“

Neben mir verdreht Daniel nur leicht die Augen. „Fein, konzentrieren Sie sich zunächst auf das Stargate.“

Während Jack nach einmal tief Luftholen seine Augen schließt und wir gebannt darauf warten, dass etwas passiert, scheint Daniel nicht mehr still stehen zu können – mir persönlich geht es keinen Deut besser. Nicht nur, dass wir hier jetzt ein gekonntes Selektionsverfahren kennen gelernt haben, nein, was mir mehr Sorgen macht, warum konnte ich diesen Zentralcomputer bedienen? War es weil der Colonel sie vorher berührt hatte und anschließend immer irgendwie Körperkontakt zu den Gerätschaften hatte? Oder gibt es vielleicht einen ganz anderen Grund, der erklärt, warum es mir gerade ganz heiß den Rücken runterläuft?

Vor uns leuchtet es...und leuchtet...und leuchtet... aber kein Stargate. „Konzentrieren Sie sich stärker“, murmelt Daniel.

„Das tue ich“, murmelt der Colonel mit geschlossenen Augen zurück.

„Vielleicht noch ein bisschen...“

„Daniel!“ Ein Auge öffnet sich warnend.

Mit gehobenen Händen antwortet Daniel ihm in einer ‚Schon gut, schon gut‘- Geste. Das Auge schließt sich wieder, noch mehr Luft wird in die Lungen des Colonels gepumpt, unter seinen Lidern kann man sehen, wie es arbeitet, während ansonsten nicht ein Muskel zuckt. Sams Blick wandert angespannt zwischen ihrem Vorgesetzten und dem Sockel hin und her. Ich beginne mich langsam zu fragen, ob wir überhaupt einen Notfallplan haben, falls dieser ach so wasserdichte Plan mit Pauken und Trompeten scheitert. Doch diese Abgründe kann ich nicht weiter erforschen, denn wie aus dem Nichts leuchtet plötzlich ein Hologramm des Tores vor uns auf. Es überrascht mich nicht wirklich, dass es genau dieselbe Abbildung ist, die auch wir schon gesehen haben. Ein ‚Habe ich es nicht gesagt‘ -Lächeln umspielt meine Lippen, während der Colonel langsam wieder seine Augen öffnet.

„Seht ihr“, platzt es aus mir heraus, obwohl mein Blick auf Daniel liegt. „Ich habe es ja gesagt.“

„Wo ist es?“, fragt Sam, während sie und Teal‘c einen Schritt näher auf das Hologramm zugehen. Die Antwort kommt prompt und zwar in Form eines weiteren Hologrammes. Eine Karte baut sich auf, Orte werden gekennzeichnet, Wege gezeichnet, bis schließlich ein Ausschnitt vergrößert wird.

Und mein Grinsen wird noch eine Spur größer, denn dort genau vor unseren Augen befindet sich das, was ich den anderen bereits erzählt habe. Ha! Von wegen Gehirnerschütterung vernebelt die Sinne! Hab‘s doch gleich gewusst!

„Wenn das wirklich stimmt“, beginnt Daniel grüblerisch, „und das die Stelle ist, wo sich das Tor befindet, dann muss dieser Komplex gigantisch sein! Ich meine, das... das ist mindestens einen Tag Fußweg entfernt; vielleicht sogar zwei.“

„Okay“, murmle ich, während eine Hand in meine Gesäßtasche greift und eine ziemlich mitgenommene Karte ans Tageslicht befördert, die ich vor mir auf den Boden ausbreite. Die anderen bedenken mich mit hochgezogenen Augenbrauen und schiefen Blicken. Die glauben doch nicht ernsthaft, dass ich sämtliche Wege im Kopf habe, oder? Diese Karte ist so etwas wie meine Lebensversicherung! „Was?“, frage ich erstaunt. „Ohne die gehe ich nicht aus dem Haus.“

„Ja, Washington kann auch ein Dschungel sein“, kommentiert Jack schief.

„Natürlich. Ich habe es nur ganz gerne auch zu wissen, wo ich hingehe und wo ich mich gerade befinde. Fein, dann wollen wir mal sehen...Also, wir befinden uns hier im nördlichen Teil der Yucatán Halbinsel.“ Mein Finger fährt grob über das halbrunde Stück Land mitten im Golf von Mexiko. „Wenn wir jetzt dieser Karte dort oben Glauben schenken dürfen, dann müsste sich das Tor genau...hier befinden.“ Erneut fährt mein Finger über die Landkarte... aber das kann nicht sein. Das wäre mehr als bloß ein Zufall... „Das ist, ahm... wow.“

„Was denn?“, fragt Sam neugierig und kniet sich neben mich.

Mit großen Augen und einem noch verblüfften Lächeln sehe ich zu ihr auf. „Guatemala“, verkünde ich entzückt. „Um genauer zu sein Cancún.“

Wo Sam, der Colonel und Teal‘c absolut nichts damit anfangen können, wandert mein Blick weiter zu Daniel. Bei jedem Archäologen müsste an dieser Stelle Klick machen. Erwartungsvoll ruht mein Augenpaar auf ihm, während ich darauf warte, dass ihm ein Licht aufgeht. Kleine, nachdenkliche Falten zieren seine Augenpartien, als er plötzlich nach Luft schnappt und seine Augen so groß wie Untertassen werden.

„Guatemala! Cancún!“

Ich nicke nur aufgeregt. „Cancún.“

„Aber wurde dort nicht...? Warten Sie, Sie meinen...? Liz, das ist... das ist...wow!“ Tief durchatmend fährt er sich mit einer Hand durch seine zerzausten Haare. „Aber das Tor kann sich dort nicht befinden...“

„Hey!“ geht der Colonel mit genauso viel Enthusiasmus aus vermutlich anderen Beweggründen dazwischen. „Hätte jemand vielleicht mal die Güte uns zu sagen, was hier los ist?“

Wir beiden starren ihn einen Moment an. „Cancún“, beginne ich, „ist eine Region in Guatemala. Neben Zahlreichen Gedenkstätten und anderen Funden hat Cancún in den letzten Jahren durch einen besonderen Fund an Bedeutung gewonnen. Im September 2000 ist der amerikanische Archäologe Arthur Demarest sprichwörtlich über den wohl größten Fund in der Geschichte der Maya in den letzten hundert Jahren gestolpert.“

„Ursprünglich verfolgte er nur eine Spur einer angeblich hoch militaristischen Stadtkultur, die Petexbatún genannt wird“, fährt Daniel unbeirrt fort. „Mitglieder seines Teams hatten Aufzeichnungen einer Heirat zwischen zwei Stadtstaaten gefunden; einmal dem Prinzen von Dos Pilas und der Prinzessin von Cancún. Sie untersuchten Eingravierungen und während Demarest den Spuren immer weiter einen überwucherten Pfad einen Hügel hinauf folgte, bis dieser plötzlich einbrach. Erst da erkannte Demarest, dass dieser mit Lianen und der von der Vegetation überwucherte Berg nicht ein Berg war, sondern ein dreistöckiges Gebäude.“

Er legt eine bedeutungsschwangere Pause ein, um den anderen die Zeit zu geben all dies zu verarbeiten.

„Und?“, dehnt der Colonel das Wort ins Unendliche.

„Nun, wenn man mal davon absieht, dass dieser Palast so ziemlich Maya-untypisch ist, handelt es sich dabei um einen gigantischen Komplex, der die Größe von mindestens zwei Fußballfeldern besitzt und sich über hundertsiebzig bis zweihundert Räumen erstreckt und nicht mit weniger als elf Innenhöfe ausgestattet ist. Laut den neusten Entwicklungen wurde dieser Tempel so rund siebenhundertfünfzig nach Christus von einem gewissen König Tah ak Chaan zu Ende gebaut. Er hatte Cancún fünfzig Jahre regiert.“ Ich rede mich hier vollkommen in Ekstase. Meine Stimme überschlägt sich schon fast und ich befürchte, dass ich mehr Worte verschlucke als auszusprechen. „Besonders interessant jedoch ist, dass es so gar nicht das Bild der Maya widerspiegelt. Das Fehlen von Pyramiden und Tempeln ist die größte Sonderbarkeit, genauso wie die Überraschung keine Waffen oder dergleichen gefunden zu haben. Es zeigt deutlich, dass sich in der Hochphase der Maya schon einiges getan hat. Religiöse Stätten standen nicht länger im Mittelpunkt, vielmehr war jetzt das Augenmerk auf das politische und soziale Leben der Maya gerichtet. Man geht heute davon aus, dass es bestimmt noch ein ganzes Jahrzehnt dauern wird, bis man alles wissenschaftlich untersucht hat. Nur ein geringer Teil dieses gigantischen Monumentes wurden bisher freigelegt.“

„Okay, okay“, geht der Colonel dazwischen und unterbricht meinen Redefluss, worüber ich im Grunde ziemlich dankbar bin, denn wenn ich in den nächsten zehn Sekunden nicht Luft geholt hätte, hätte ich ein Problem gehabt. „Und warum kann sich das Tor dort nicht befinden?“

Ich zucke lediglich mit den Schultern und Daniel schiebt seine Brille ein Stückchen höher. „Wie bereits gesagt, es befinden sich dort keine Pyramiden.“

„Also müssen wir gar nicht zu diesem Palast?“

„Natürlich!“

Eine fragende Augenbraue begibt sich auf Wanderschaft.

„Also, doch, ich meine...ja, natürlich.“

„Wieso?“, fragt Sam neugierig. „Ich meine, wenn das Tor nicht dort ist, was sollen wir dann dort?“

Ich drehe mich in ihre Richtung. „Ich habe bisher noch nichts gesagt, weil ich mir noch nicht sicher war – und wenn ich ehrlich bin, dann bin ich es mir jetzt immer noch nicht. Aber ich bin der Überzeugung, dass sich dieser Palast noch weiter erstreckt.“

„Er wurde ja auch noch nicht ganz freigelegt.“

Dafür kassiert der Colonel einen schiefen Seitenblick. „Was ich sagen will, ich habe diese Expedition hier in erster Linie deshalb gestartet, weil ich davon ausgegangen bin, hier einen Teil dieses Palastes zu finden.“

„Aber, Liz“, starrt mich Sam an, „zwischen hier und Cancún liegen ein paar Kilometern!“

„Ganz genau.“

„Die Straßen“, grübelt Daniel laut. „Sie haben gesagt die einzelnen Stätten seien durch Straßen miteinander verbunden.“ Ich nicke, während Daniel nachdenklich auf seiner Unterlippe herum kaut. „Korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre, aber die Maya waren das einzige Volk der Welt, welches ihr Reich von außen nach innen entwickelt hatte.“ Ich nicke erneut mit einem Lächeln.

„Zuerst die Städte Uaxactún, Palenque und Copán, die alle, wenn man sie verbinden würde, die Ecken eines Dreiecks bilden würden.“

Offensichtlich vollkommen übermannt von diesen neuen Erkenntnissen, schließt Daniel einmal tief nach Luft schnappend seine Augen. „Ein Dreieck“, haucht er.

„Ein Dreieck“, stimme ich ihm nickend zu.

„Dreieck?“, wirft Jack dazwischen.

„Der Ausgangspunkt der Tau‘ri“, antwortet Teal‘c ruhig, bevor Daniel oder ich den Mund öffnen können.

„Wa...?“

Auf meiner Karte verbinde ich die drei Städte. „Aber“, meldet sich Sam ziemlich erstaunt zu Wort, „Cancún befindet sich nicht innerhalb dieses Dreieckes.“

„Nein, tut es nicht“, pflichte ich ihr bei. „Jedenfalls nicht nach den heutigen geologischen Gegebenheiten. Vor tausenden von Jahren sah es hier ganz anders aus. Ein Großteil des Landes liegt bereits unter Wasser. Untersuchungen von Gestein zeigt deutlich, dass dort, wo sich jetzt der Kanal von Yucatán befindet, es damals noch richtiges Land gegeben hat. Alles hat sich ein wenig verschoben.“

„Aber dieser Palast wurde doch erst 750 nach Christus gebaut.“

Ich strahle sie an. „Weißt du, ich hätte nie gedacht, dass eure Arbeit meine Theorie in dieser Weise bestätigen würde.“

„Was meinst du?“

„Zunächst wäre da der Komplex der Antiker, die Städte, die das Reich gegründet haben als Form des Ausgangssymbols – ich hatte schon immer vermutet, dass es eine Bedeutung haben muss, aber an das hier habe ich weiß Gott nicht gedacht - dann dieser Palast und die Tatsache, dass weitaus mehr hinter der Geschichte der Maya steckt.“ Ich kann noch immer die Fragezeichen in ihrem Blick sehen. „Neben meiner Suche nach weiteren Stücken des Palastes war es ein Artikel eines gewissen Archäologen gewesen, der mich dazu veranlasst hat tiefer zu graben, ein paar Fragen zu stellen.“

Ich schiele hinüber zu Daniel, der mich überrascht ansieht. „Ich? Ich habe seit Jahren nichts mehr veröffentlicht.“ Er schüttelt verblüfft den Kopf. „Was habe ich denn geschrieben?“

„Och“, zucke ich unschuldig mit den Schultern, „so‘n bestimmter Vortrag und Artikel über die Möglichkeit von gewissen Überschneidungen in der Entwicklung bestimmter Kulturen.“

„Wirklich? Dieser Artikel wurde in der Luft zerrissen.“

„Ich weiߓ, grinse ich ihn an. „Genau wie ich, weil ich anfing diese Theorie zu verfolgen.“

„Oh...nun, danke?“

„Ich hätte nur nie gedacht, dass Sie der Wahrheit so nahe gekommen sind. Es gab sicherlich Überschneidungen aber bestimmt nicht zwischen den Ägyptern und der Maya.“

„Woah“, unterbricht uns der Colonel. „Warten Sie mal kurz. Wollen Sie damit sagen, dass dieser... Palast... auch ein Kunstwerk der Antiker ist?“

„Das habe ich nicht gesagt.“

„Aber gedacht?“

Ich zucke nur mit den Schultern. „Bisher konnte nichts dergleichen gefunden werden. Aber ich hätte auch nie vermutet, dass sich unter meinen Füßen ein außerirdischer Komplex befindet.“

„Aber, nur um noch mal auf die eigentliche Frage zurückzukommen, das Tor befindet sich nicht dort?“

Ich schaue von meinem Plan hinauf zu der Hologrammkarte, die das Tor zeigt, eingeschlossen in einem Raum. Ich meine, ich habe vermutet, dass es sich um eine Pyramide handelt, ich habe keine Ahnung, ob es auch wirklich so ist. Doch bevor ich antworten kann, ist es Daniel, der den Colonel ernst ansieht.

„Jack, egal ob das Tor da ist oder nicht, wir müssen auf jeden Fall dort hin.“

„Warum?“

„Laut der ägyptischen Mythologie war Apophis der Gott der Nacht, der Schlangengott“, erklärt er hastig und ein flüchtiger Blick in meine Richtung verrät mir worauf er hinaus will. Oh mein Gott, daran habe ich ja noch gar nicht gedacht.

„Ja, das hatten Sie schon mal erwähnt... und?“

„Cancún“, vollende ich Daniels Gedanken mit einem bestimmten Blick in die Richtung der beiden, „bedeutet ‚Schlangen-Nest‘.“

„Jack, das kann alles kein Zufall sein. Erst das Zeichen der Schlange – Apophis – dann, wie Liz mir erklärt hat, werfen die Schatten dieser Pyramide ebenfalls das Zeichen der Schlange – Apophis – und nun soll sich das Stargate hier ganz in der Nähe befinden an einem Ort, der die Bezeichnung ‚Schlangen – Nest’ trägt?“

Jack und Sam schließen im Einklang ihre Augen, während Teal‘c die obligatorische Augenbraue nach oben zieht. „Ich wage jetzt mal zu behaupten, dass dies wohl möglich der Ort sein wird, den Apophis aufsuchen wird“, verkündet Daniel mit wenig Begeisterung, aber dafür umso größerer Überzeugung.

„Großartig“, murmelt der Colonel, während er sich mit der freien Hand die Stirn kratzt.

„Da, ähm, da gibt es noch etwas“, starte ich den waghalsigen Versuch mein Leben in Gefahr zu bringen.

„Noch mehr?“

Ich nicke leicht. „Einmal wird dieser Palast rund um die Uhr bewacht und vermutlich wird sich dort auch ein Ausgrabungsteam befinden und...“

„Es gibt noch ein ‚und‘?“

„Ich fürchte schon“, erwidere ich mit meinen besten ‚Bitte lassen Sie meinen Kopf dran‘ Blick. „Wenn ich ehrlich bin, dann machen mir die Beben Sorgen.“ Ich beginne damit meine Karte wieder zusammenzufalten und aufzustehen. „Ohne einen Seismographen kann ich nichts Genaueres sagen, aber die Tatsache, dass wir in einem Abstand von sieben Stunden zwei Beben hatten, verheißt nichts Gutes. Der unterirdische Vulkan kann jeden Augenblick ausbrechen.“

„Du meinst, es wird noch mehr Beben geben“, erkundigt sich Sam, obwohl ich vermute, dass sie die Antwort darauf bereits kennt.

„Ja, davon können wir ausgehen. Die Abstände werden immer kürzer und die Beben immer stärker.“

„Und 'ne Ahnung, wann wir mit dem nächsten rechnen können?“, fragt der Colonel an.

„Tut mir Leid, aber ohne genaue Messungen--“

„Dann schätzen Sie.“

„Das kann ich wirklich nicht. Das läuft so nicht. Man kann nicht mal eben so ein Beben vorhersagen.“

„Grob überschlagen. Ungefähr...zwei Stunden, drei Stunden?“

Ich zucke zustimmend mit den Schultern. „Möglich ja.“

„Klasse...“, atmet er einmal durch, während sein Blick hinauf zur Pyramide wandert, dann hinaus über den Plaza und wieder zurück. Vermutlich ist er genauso wenig scharf auf ein weiteres Beben wie der Rest von uns. Wir haben ja gesehen wo es uns hingeführt hat. Erst in irgend so ein Loch und später ist uns fast die Decke auf den Kopf gefallen. Ich will mir gar nicht ausmalen, was da noch auf uns zukommt. Denn, wenn ich ehrlich bin, dann weiß ich nicht, ob diese Stadt oder der Palast ein richtiges Beben Stand halten wird. Ich bin mir wirklich nicht sicher. Ob das vielleicht später von Vorteil oder Nachteil sein wird, werden wir ja noch sehen. „Und wieso fliegen wir nicht einfach hin, knallen Apophis ab und die Sache ist erledigt? So wie immer?“

Aber ich schüttle mit dem Kopf. „Das Beben! Es ist zu gefährlich!“

„Das Beben ist doch Bestandteil des Plans.“ Flehend sehe ich Sam an. Ich weiß das natürlich und ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass Sams Plan total übergeschnappt ist, aber das ist totaler Wahnsinn!

„Plan B, Sir. Die Schiffe sind Plan B.“

„Aber es wäre doch viel einfacher...“

„Sir, ganz ehrlich, durch das Beben, welches Sie und Liz verschüttet hat, sind die Schiffe ganz schon in Mitleidenschaft gezogen worden. Daniel und ich, wir konnten uns gerade noch retten, aber die Schiffe haben den größten Schaden erlitten. Ich weiß nicht, ob sie noch funktionieren, oder ob ich sie wieder zum Laufen bringen könnte. Außerdem, wenn sie nach dem Prinzip funktionieren, wie hier alles funktioniert, dann wären nur Sie derjenige, der sie aktivieren könnte.“

„Das Risiko gehe ich ein.“

Sam sieht ihn bestimmt an. „Ich aber nicht, Sir. Es ist für uns alle sicherer, wenn wir überirdisch agieren.“

„Carter“, seufzt der Colonel mehr als nur ein bisschen erschöpft, „sagen Sie mir noch mal, warum wir das hier eigentlich alles tun?“

Eine Frage, der es keiner Antwort bedarf.


+++++


Bespickt wie ein Tannenbaum mit Lichtern, haben wir die Stätte mit hochexplosiven C-4 zurückgelassen. Sam hat irgendwas davon geredet, dass es zumal per Fernzünder in die Luft gejagt werden kann, aber auch per Zeitzünder. Doch wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich bereits nach den ersten Worten meine Ohren auf Durchzug gestellt. Nicht weil ich unhöflich bin, oder es mich nicht interessiert – ganz und gar nicht! – nein, es liegt viel mehr daran, dass ich einfach nicht fassen kann, wie sie ernsthaft in Erwägung ziehen können all das hier zu opfern. Ich würde mein Leben hierfür geben…ich würde meinen Doktor wieder abgeben… ach, Herr Gott noch mal, ich würde sogar nackt einen Regentanz aufführen, wenn das nötig wäre, um sie umzustimmen…

Aber nichts von all dem hätte auch nur einen Funken von Überzeugung bei ihnen überspringen lassen können. Deshalb habe ich meine Kleider anbehalten und musste voller Erschütterung dabei zu sehen, wie diese Idylle auf ihre letzten Stunden vorbereitet wurde. Ich habe ihnen sogar mit einer Klage gedroht (ja, ich weiß, ziemlich lächerlich, nicht wahr?) und dann, weil ich natürlich noch einen drauf setzen musste, dass ich es sogar bis ins Weiße Haus anfechten würde.

„Wirklich?“, kam es ein klein wenig belustigt vom Colonel. „Dann grüßen Sie den Kerl mal von mir und fragen Sie ihn doch gleich noch, wann mal wieder ein Dinner im Weißen Haus ansteht. Man kann sagen was man will, aber das Essen dort ist wirklich formidable.“

Ja genau und gerade jetzt habe ich begonnen zu glauben, dass wir auf einer Welle schwimmen, aber was macht er? Reibt es mir noch genüsslich unter die Nase.

Letzten Endes glaube ich, hat der Zeitzünder gesiegt.

Das ist einfach so… so… unfair! Bin wirklich gespannt wie meine Sponsoren darauf reagieren, wenn ich ihnen verklickere, dass da nichts mehr außer Schutt und Asche zu holen ist. Ich bin ruiniert.

„Hey, Liz!“, durchbricht plötzlich die aufgeregte Stimme Daniels meine grauen Gedankenschwaden. „Schnell, kommen Sie her!“ Mit eifrigen Armbewegungen winkt er mich in seine Richtung, keine zehn Meter zu meiner Rechten.

Ich werfe einen flüchtigen Blick in Sams Richtung, die kurz nickt und wohl insgeheim dankbar für diese kleine Verschnaufpause ist. Hinter mir ertönt erleichtertes Stöhnen und das Fallen von Rucksäcken auf den belebten Boden. Aber all das registriere ich lediglich am Rande, denn meine Füße haben sich bereits in Bewegung gesetzt.

Daniel hockt auf den Boden und schiebt mit seiner Hand ein paar Pflanzen zur Seite. Eine alte, mit Moos bewachsene Steinplatte kommt zum Vorschein. Aber man kann noch deutlich die Umrisse von Schriftzeichen erkennen.

„Eine Schrifttafel“, ist meine ernüchternde Feststellung. In dieser Gegend nichts Besonderes. „Man findet hier einige solcher Platten. Sie beschreiben Wege zu Flüssen, Denkmälern, Tempeln und Stätten.“

„Irgendwas, was uns weiterhelfen könnte?“

Ich kann nur mit den Schultern zucken. „Na ja, wir sind zumindest auf dem richtigen Weg. Doch auch wenn wir die Nacht durchlaufen würden, vor morgen werden wir den Palast nicht mehr erreichen. Jedenfalls nicht auf diesem Weg“, füge ich in einem Murmeln hinzu.

„Wie bitte?“

Ein Kopfschütteln macht sich bereits an die Arbeit ausgeführt zu werden, doch dann halte ich inne. „Das ist doch mal was…“

„Was?“ Aufmerksam schaut Daniel von mir zu der Platte und wieder zurück, wobei er ein Stückchen näher gekrochen kommt.

„Wenn ich das hier richtig verstehe, dann soll es hier so etwas wie einen „unsichtbaren“ Gang geben.“ Besser kann ich es nicht übersetzen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das da steht. Jetzt fragt man sich nur, wo sich dieser mysteriöse Gang befinden soll. „Und zwar in dieser Richtung.“ Ich drehe mich einmal im Kreis, bis mein Zeigefinger Richtung Osten zeigt.

Hmm…

Da, wo eigentlich ein Durchgang sein sollte, befindet sich lediglich die dichte Vegetation der grünen Hölle. Es ist in keiner Weise verwunderlich und wenn ich ehrlich bin, dann habe ich auch kein blinkendes Leuchtschild mit einem Pfeil erwartet, wo drauf geschrieben steht: „Bitte hier entlang“, aber eine kleine Hilfe wäre trotzdem nicht schlecht gewesen.

Und so machen wir uns an die Arbeit sämtliche Lianen, Äste und anderes grünes Gewirr aus dem Weg zu schieben. Kratzer und andere Verletzungen sind dabei keine Seltenheit und so ignoriere ich gekonnt jeden schmerzhaften Riss in meine Haut. Wenn ich Glück habe, platziert sich eine weitere Narbe auf meiner Liste. Dennoch kann ich nicht verhindern, dass meine Gedanken ganz andere Bahnen einschlagen. Schon die letzten Stunden über hat sich in mir ein kribbeliges, wenn nicht sogar merkwürdiges Gefühl in mir breit gemacht. Es ist nur eine Kleinigkeit. Aber sie nagt an mir, als wenn ich meinen Schlüssel verlegt hätte, nur um nach minutenlangen Suchen festzustellen, dass ich ihn in der Hand halte. Und ich werde das unbestimmte Gefühl nicht los, dass es etwas mit dem Sturz in die Tiefen des Komplexes zu tun hat. Irgendwas stimmt nicht. Irgendwas sitzt nicht richtig auf seinem Platz. Es macht mich verrückt, wahnsinnig, ich würde am liebsten die Wände hochgehen!

Kopfschüttelnd mahne ich mich zur Ruhe. Dadurch klären sich auch nicht meine Gedanken auf und des Rätsel Lösung lässt sich dadurch auch nicht einfacher finden. „Was ist los?“, fragt mich Daniel und ich bemerke, wie er mich schief von der Seite mustert.

„Ach, keine Ahnung“, antworte ich ihm ausweichend. Seine Antwort ist ein nervtötendes Schweigen. Ich will ja darüber reden, aber ich habe keine Ahnung, wie ich es in Worte fassen soll. Schließlich breche ich meine Suche ab und wirble zu ihm herum, so dass er erschrocken seine Augen aufreißt. „Ich krieg ne Krise!“, platzt es urknallartig aus mir heraus. Ich werde jedoch nur ziemlich verständnislos gemustert. „Kennen Sie das Gefühl, wenn man irgendwas vergessen hat, man aber weiß, dass die Antwort direkt vor einem liegt?“

Jetzt lacht er halb amüsiert, halb belustigt auf. „Natürlich.“ Aber er fängt sich wieder schnell, als er erkennt, dass ich das keineswegs lustig finde. „Was ist es denn?“

„Wenn ich das wüsste.“ Ich schiele flüchtig über meine Schulter zu den anderen hinüber, doch mein Blick bleibt kurz auf dem Colonel hängen. Daniel ist dieser Blick natürlich nicht entgangen und er folgt ihm. „Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich etwas vergessen … oder übersehen habe.“

„Zwingen können Sie sich aber auch nicht. Gehen Sie am besten noch einmal alles Schritt für Schritt durch und vielleicht finden Sie ja dann die Antwort.“ Er verstummt und bedenkt mich dann mit einem schon fast besorgten Blick. „Liz, ich will Ihnen wirklich nicht sagen, was Sie tun sollen, aber genau wie Jack, sind Sie noch angeschlagen. Vielleicht sollten Sie sich ausruhen. Es wäre besser, wenn--“

Aber mein Blick lässt ihn verstummen. Mir geht’s gut. Ich kann stehen und laufen und das alles ohne gleich umzukippen. Ich muss mich nicht ausruhen. Ich muss hier jetzt weitersuchen. Ich muss… Ich will mich nicht ausruhen, denn ich weiß, wenn ich es tue, dann kehren all diese Gedanken und Selbstzweifel zurück. Dieses ganze Schlamassel, in dem wir stecken, davon geht bestimmt achtzig Prozent auf meine Kappe. Wenn ich doch nur vorsichtiger gewesen wäre, wenn ich besser aufgepasst hätte, wenn ich doch nur lernen könnte nicht immer meinen Dickkopf durchzusetzen, dann würde der Colonel jetzt vermutlich nicht da liegen. Ich bin es ihm und allen anderen schuldig nach einem Ausweg zu suchen! Oh nein, ich werde mich ganz bestimmt nicht ausruhen. Ganz bestimmt nicht. Und das Pochen im Kopf und das Ziehen in meiner frisch eingerenkten Schulter ignoriere ich einfach. Schlimmer kann es kaum noch werden.

„Ich hab’s“, rufe ich in Daniels Richtung und mit einem langen, harten Blick kommt er schließlich seufzend in meine Richtung. Tut mir Leid, Daniel, ich weiß, du meinst es nur gut. Aber mir geht’s gut. „Hier. Hier ist der Durchgang.“

Ich schneide die letzten Lianen und Blätter zur Seite, als Daniel bereits seine Taschenlampe parat hält. Hinter den Blättern eröffnet sich uns ein langer, dunkler und ziemlich schmaler Gang. Die Lichtkegel tanzen in die Dunkelheit hinein und ich kann bei Gott nicht sagen, wie tief er geht. Die Wände sind glatt und als ich die Steine zaghaft mit meinen Fingerspitzen berühre, erkenne ich, dass sie identisch mit der in der Pyramide sind. Was vielleicht vorher noch als ein Zufall ausgesehen hat, ist jetzt ohne Zweifel ein Beweis dafür, dass alles in Verbindung steht.

Ein Schwall von kleinen Adrenalinpartikeln durchflutet meine Blutlaufbahn, pulsierend, rauschend und überwältigend. Ich weiß, dass ich hier an der Grenze zu etwas Großem stehe. Wo führt uns dieser Gang hin? Weiter hinein in das unendliche Labyrinth dieses Komplexes? Oder ist es nur eine Art Außenposten? Ich kann’s mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Zu viele Dinge passen bisher zusammen. Und wer weiß, vielleicht es sogar eine Abkürzung? Vielleicht schaffen wir es ja vor unseren Zeitplan an unser Ziel anzukommen. Und vielleicht finden wir sogar etwas, womit wir Jack helfen können? Ich weiß sehr wohl, dass die Chancen dafür minimal stehen, aber in meiner Verzweiflung darf ich doch noch hoffen, oder?

Ich knipse meine eigene Taschenlampe an und will mich wagemutig in ein neues Abenteuer vor mir stürzen, als mich eine Hand auf meiner Schulter – meiner kaputten Schulter – zurückhält. Ich kann nur mit wirklich großer Mühe ein Fluchen zurückhalten, aber als ich unter der Berührung zusammenzucke, schnellt Daniels Hand weg. Ich wirble zu ihm herum und meine Augen sprühen Feuer, nicht vor Wut oder Zorn, sondern einfach nur, weil es verdammt noch mal höllisch weh tut! Wenn das so weitergeht, ist die Ohnmacht mein nächster Stopp. Aber ich soll verdammt sein, wenn Daniel auch nur einen Funken von dem mitbekommt! Mir geht’s gut!

„Warten Sie. Wir sollten Sam vorher Bescheid geben.“ Ich nicke nur kurz, aber ich bezweifle, dass Daniel es gesehen hat, denn kaum waren seine Worte aus dem Mund, hat er sich schon von mir abgewandt. „Hey, Sam!“ ruft er mit einer wilden Handgeste. „Wir haben hier etwas gefunden!“

Es werden noch ein paar Befehle in Teal’cs Richtung verteilt, bevor sie sich auf den Weg macht und zu uns hinüber gejoggt kommt. „Was habt ihr?“

Ich deute lediglich mit meinem Daumen über die Schulter und Sam sieht uns abwechselnd mit ihren großen, blauen Augen an. Sie geht bis zur ersten Stufe und dreht sich dann erneut um. „Wo führt dieser Gang hin?“

„Das wollten wir gerade herausfinden.“

„Jetzt noch?“

Ich nicke überzeugt. „Aber sicher. Wir haben noch mindestens zwei Stunden Tageslicht.“

„Wir werfen auch nur einen Blick rein“, gibt Daniel mir Rückendeckung.

Sam scheint jedoch noch nicht besonders überzeugt zu sein. „Ich weiß nicht“, murmelt sie mit einem Stirnrunzeln. „Was, wenn es ein neues Erdbeben gibt?“ Zugegeben, dass ist ein Einwand, aber keinen, den man geltend machen könnte… sage ich jetzt mal. Ach verdammt, es ist sogar ein sehr triftiger Grund unsere Hintern hier oben zu behalten, aber schon der alleinige Gedanke daran, was wir verpassen, wenn wir nicht wenigstens den Versuch starten es zu untersuchen, treibt mich an den Rand der Verzweiflung.

Tief einatmend lege ich einen Arm um Sams Schultern und schiebe sie etwas von Daniel weg, damit er nicht gleich jedes Wort mitbekommt. „Mal so unter uns Wissenschaftlern, Sammy, was wäre, wenn wir dort unten etwas finden, was uns vielleicht helfen könnte? Eine Abkürzung? Vielleicht sogar irgendeine astronomische Waffe?“

„Liz…“, seufzt sie. „Du hast selbst gesagt, dass das Erdbeben jederzeit wieder ausbrechen könnte und sei mir nicht böse, aber dieser Durchgang sieht mir nicht besonders stabil aus.“

„Wir bleiben auch ganz in der Nähe.“ Als ich merke, dass diese Masche nicht zieht, versuche ich es mal mit einer anderen. „Die Wand ist identisch mit der aus der Pyramide. Es besteht also ein Zusammenhang. Was bedeutet, dass dies hier vielleicht ein weiterer Eingang ist zu diesem Komplex oder so ne Art Außenposten. Sam, ich weiß, du machst dir Sorgen und ich weiß auch, dass es eine wirklich wichtige Entscheidung ist, da du jetzt immerhin das Kommando hast, aber überleg doch nur, welchen Vorteil wir daraus ziehen könnten. Und außerdem“, füge ich mit einem schiefen Lächeln hinzu, „passe ich schon auf Daniel auf. Du brauchst dir keine Sorgen um ihn zu machen.“ Ich knuffe ihr leicht in die Schulter, aber ich bekomme lediglich einen überraschten Blick.

„Es ist nicht Daniel um den ich mir Sorgen mache.“ Autsch. Der hat gesessen.

„Och, komm schon, Sam. Was muss ich machen, damit ich dich umstimmen kann? Auf die Knie fallen? Für eine Woche den Abwasch und die Wäsche? Hey, gar kein Thema.“

„Liz…“

„Bitte.“

„Ich--“

„Bitte!“ Ich überlasse jetzt rehbraunen Kulleraugen und einem herzzerreißenden Schmollmund die Arbeit.

Sie schließt kurz ihre Augen und ich beiße mir angespannt auf die Lippe. Komm schon… „Okay, aber ihr bleibt in Funkkontakt. Sollte auch nur ein Steinchen von der Decke fallen, seid ihr wieder draußen. Eine Stunde.“

„Oh, ich könnt dich knutschen!“, strahle ich sie an, aber halte den Drang diese Handlung auch wirklich auszuführen unter Kontrolle. Stattdessen lasse ich sie los und drehe mich um.

„Ach und Liz!“, ruft sie mir nach. Ich halte inne und drehe mich zu ihr herum. „Pass *bitte* auf.“

Ein Lächeln umspielt meine Lippen, bevor ich wie ein grinsendes Honigkuchenpferd zu Daniel stolziere.

„Und?“

„Bitte nach Ihnen, Doktor Jackson.“, sage ich mit einer einladenden Geste vor dem Eingang.

„Wie…?“

„Berufsgeheimnis.“

„Ah…“

Gleichzeitig schalten wir unsere Taschenlampen ein und begeben uns auf fremde Pfade. Man kann es nicht anders sagen, aber es ist jedes Mal aufs Neue eine staubige Angelegenheit. Das Dickicht der Pflanzen hat ganze Arbeit geleistet die Luft hier drinnen verdammt dünn und heiß zu halten. Jeder Schritt kommt mir wie ein fünf Kilometer Marsch vor. Während wir uns Schritt für Schritt den Gang entlang tasten, kramt Daniel in seiner Tasche herum.

„Was tun Sie da?“

„Ich suche“, murmelt er, „die hier.“ Und zieht aus seiner Tasche die kleine Videokamera, um alles ausführlich zu dokumentieren.

„Wissen Sie, Daniel, ich habe nachgedacht“, sage ich nach einer Weile. „Laut der Maya Geschichte heißt es, dass die fünfte Welt – also unsere Welt – durch ein Erdbeben zerstört werden soll. Natürlich passt das nicht mit Ihrer Theorie überein, aber zu meiner passt es. Und soll ich Ihnen noch etwas sagen? Die vorige Epoche wurde durch eine Überschwemmung ausgelöscht und auch genau das ist eingetreten. Ich will nicht damit sagen, dass diese Goa’uld nicht hier gewesen sind – ich meine, Beweise gibt es genug – aber dennoch können wir nicht das Offensichtliche von der Hand weisen--“

„Sshh!“, zischt Daniel plötzlich und hält mir seine Hand auf den Mund, während ein Finger seiner anderen Hand sich auf seine Lippen legt und die Kamera gefährlich schief in seiner Hand liegt.

„Wa…?“, murmle ich durch seine Hand hindurch, als er sie endlich wegzieht und meine Zunge augenblicklich über meine Lippen schnellt. Natürlich nur, um ihnen Feuchtigkeit zu spenden und nicht, weil sein Duft noch meine Haut benetzt. „Was ist denn?“, flüstere ich.

Sein Lichtstrahl wandert hektisch suchend durch den schmalen Gang. „Haben Sie das auch gehört?“

Ich lausche einen Augenblick. Ich kann nichts Außergewöhnliches hören. „Ne-“, beginne ich bereits meine Verneinung, als ich inne halte. Moment. War da etwas? Etwas Leises… es liegt irgendwo in der Ferne. Was zum Geier...? „Ist das ein Summen?“

Daniel antwortet mir nicht, sondern steht wie eine Salzsäule an seinem Fleck, den Kopf hat er leicht schief gelegt. „Ich bin mir nicht sicher. Hört sich aber nicht sonderlich gut an.“

Im Schneckentempo – gegen das ich absolut nichts einzuwenden habe – bewegen wir uns langsam weiter in das Innere. Meine freie Hand greift nach Daniel. Ich habe wirklich keine Lust hier drinnen verloren zu gehen. Daniel scheint es nicht anders zu gehen, denn sein Griff festigt sich mit jedem weiteren Schritt. Erst da bemerke ich, dass die Kamera lose um sein Handgelenk baumelt, da das Gehäuse in einem stetigen Rhythmus gegen meine Hand stößt. Nur langsam nimmt die Steigung unter uns etwas ab. Durch das schummrige Licht, sehe ich, wie etwas vor uns aufleuchtet. Ich denke das ist es! Gleich werden wir sehen, wohin uns dieser Gang führt! Auf eine morbide Art und Weise erinnert mich das hier irgendwie an den letzten Weg, den man in seinem Leben beschreitet. Der Weg zum Licht. So wie es schon so viele Menschen geschildert haben. Es hat etwas Hypnotisierendes an sich. Wenn ich nicht besser wüsste, könnte ich glatt behaupten, dass von dort eine Art Macht ausgeht, die mich zu diesem Durchgang zieht. Und dennoch bewegen wir uns kaum schneller. Trotz allem scheint es ziemlich rutschig unter dem feinen Staub zu sein. Was mir auch in der nächsten Sekunde schmerzhaft bewusst wird.

Dadurch, dass mein Blick starr geradeaus gerichtet ist, habe ich den kleinen Vorsprung im Boden übersehen und alles, was mir noch bleibt, ist zu sehen, wie sich mein Körper unweigerlich dem harten Grund immer weiter nähert. Der Aufprall war nicht annähernd das, was ich erwartet hatte. Heiße Blitze des Schmerzes zuckten durch meinen Körper. Das Gefühl von innen heraus zu verbrennen frisst mich förmlich auf.

Gott…

Nur das kalte Pflaster unter mir spendet mir Trost, als ich mein Gesicht zur Seite drehe. Obwohl ich versuche sie zu unterdrücken, brennen heiße Tränen in meinen Augen. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass ich irgendwo ein Knacken in meinem Körper gehört habe. Ich habe echt keinen Bock mehr darauf!

„Um Gottes Willen, Liz!“ Daniel kniet neben mir, aber ich kann ihn nur verschwommen erkennen. Vermutlich habe ich ihn durch meinen unglücklichen Sturz ebenfalls mit zu Boden gerissen. „Alles in Ordnung? Tut Ihnen etwas weh?“ Ob mir was weh tut? Soll das ein Witz sein? Ich glaube, von den ungefähr zweihundert Knochen in meinem Körper wurden bereits bisher über die Hälfte stark in Mitleidenschaft gezogen. Mir tut bereits alles dermaßen weh, dass ich kaum noch ein Gefühl habe. Deshalb schiele ich lediglich in seine Richtung und hoffe, dass er die Antwort in meinen Augen lesen kann.

„Versuchen Sie sich aufzusetzen.“ Am liebsten würde ich mich gar nicht bewegen, aber dennoch versuche ich den Schmerz in irgendeine Ecke zu drängen. „Sam?“, ruft Daniel in sein Funkgerät. „Wir hatten hier einen kleinen Unfall. Ich glaube Liz ist verletzt.“

Ich schüttle nur mit dem Kopf. „Nein, mir geht’s gut.“

„Natürlich.“

„Daniel“, kommt Sams besorgte Stimme durch das Funkgerät, „bleibt wo ihr seid. Teal’c und ich holen euch da raus.“ Und damit ist die Verbindung, bestückt mit lautem Rauschen, unterbrochen.

Mit einem Seufzen, schaue ich zu Daniel, der mir gerade mit seinem neuen Kopftuch eine weitere blutende Wunde an meinem Bein verbindet. Kann man diese Dinger auch in einem Dreierpack kaufen? „Es geht schon, wirklich“, versuche ich ihn zu überzeugen.

„Nein, tut es nicht“, flüstert er ohne mich anzusehen.

„Daniel…“

„Liz!“ Sein Kopf schießt zu mir hoch und was ich dort sehe, jagt mir zunächst einen abgrundtiefen Schrecken ein. Wut, Sorge und Ungeduld kämpfen in diesen blauen Augen um die Herrschaft. Ich hätte nie gedacht, dass so ein freundliches, offenes Gesicht zu solch einem Ausdruck fähig ist. Aber bevor er noch etwas sagen kann, hören wir bereits Sam und Teal’c.

Hektische Lichtkegel tasten die Wände ab, begleitet von eilenden Schritten, die sich uns nähern, bis Daniel schließlich aufsteht und ihnen entgegen läuft. Ich kann nicht anders als ihm mit einer Mischung aus Trauer und Schuld nachzuschauen. Ich habe absoluten Mist gebaut. Ich habe alles vermasselt. Ich habe jegliche Sorgen und Warnungen in den Wind geschmissen und warum? Warum wollte ich weder auf ihn noch auf sonst jemanden hören? Weil mein angekratztes Ego es mir nicht erlaubt hat? Weil ich versucht habe ihnen allen zu beweisen, dass auch in mir eine Heldin steckt? Weil ich versucht habe meinen Platz in diesem Team zu finden? Weil ich am liebsten einfach nur alles wieder rückgängig machen würde?

Absolut klasse, Liz. Jetzt hast du es wirklich geschafft. Es ist schon schwer genug zu wissen, dass ich im Grunde der Auslöser dieses ganzen Schlamassels bin, aber ich weiß nicht, ob ich auch noch die Bürde von Daniels Zorn auf mich nehmen kann. Er war hier mein Verbündeter. Wenn ich sein Vertrauen und das von Sam verloren habe…

Meine Gedanken werden plötzlich von einem leichten Zittern unterbrochen. Ein Zittern, das aus der Erde kommt. Es ist zurück. Oh nein. Hastig schaue ich in Richtung Ausgang, in Richtung Rettung. Bevor die anderen bei mir sind, versuche ich mich selbstständig an der Wand hochzuziehen, aber diese glatte Oberfläche macht es mir unmöglich mich richtig festzuhalten. Ich spüre, wie das Blut sprichwörtlich aus meinen Kopf verschwindet. Gott, ist mir schwindelig.

„Liz“, kommt Sam zu mir gerannt. Ihr Blick tastet mein halbherzig verbundenes Bein ab.

„Es fängt wieder an“, sage ich ihr panisch und glaubt mir, sie braucht keine Sekunde, um zu verstehen wovon ich spreche. Ein letzter Blick in die andere Richtung zum Durchgang, bevor sie sich zu Teal’c umdreht, der nur noch wenige Meter von uns entfernt steht.

„Teal’c!“, ruft sie. „Kannst du Liz tragen? Wir müssen sofort hier raus!“ Feiner Staub rieselt bereits auf meinen Kopf, als Sam und Teal’c mir dabei helfen aufzustehen. Nachdem Sam sich vergewissert hat, dass ich bei Teal’c sicher bin, rennt sie zurück zu Daniel und obwohl sich bereits in meinem Kopf Nebelschwaden ausbreiten, merke ich, wie mich jemand auf dem Arm nimmt und dann los läuft. Mein Kopf, Bein und sämtliche Knochen pochen im Einklang zu der rennenden Bewegung. Mit rasendem Herzen versuche ich nicht die letzten Sekunden gegen die Bewusstlosigkeit zu verlieren. Aber sie ist stärker, so viel stärker und ich fühl mich so schwach… so verdammt schwach.

„Es tut mir Leid“, sind die letzten gemurmelten Worte, bevor die Greifarme der Dunkelheit mich in ihrer Gewalt haben


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Presslufthammer veranstalten ein ganzes Orchester in meinem Kopf. Wenn ich dafür Eintritt genommen hätte, wäre ich jetzt Millionärin. Mein Kopf ist einfach nicht für zwei nah aufeinander folgende Dröhnungen geschaffen. Absolut nicht. Kein Wunder, ich brauchte bisher immer nur ein Bier trinken und schon war mein Alkoholhöchstpegel erreicht.

Und so ironisch es sich vielleicht auch anhören mag, aber ich bin dankbar für die Presslufthammer dort oben, denn ohne sie müsste ich mich jetzt mit meinen nagenden Gewissen auseinandersetzen und ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich das jetzt auch noch schaffe. Die Last ist einfach zu groß. Ich habe alles dem Untergang geweiht. Angefangen damit, dass ich dem Colonel von Anfang an das Leben schwer gemacht habe. Und nicht nur ihm – an Sam und Daniel will ich gar nicht erst denken. Was für Rechte habe ich schon? Hier geht es um etwas viel, viel Wichtigeres als um eine simple Ausgrabungsstätte. Diese vier Menschen kämpfen um das Wohl der Erde – diesen Planeten zu schützen – und ich kann an nichts denken als an meine Ausgrabungen. Zu was macht mich das? Zu einem wirklich erbärmlichen Individuum. Selbst Tom hat das bereits erkannt. Wie oft hat er mir gepredigt, dass ich nicht der Nabel der Welt bin? Und es ist schon bitter, dass ich das jetzt erst erkenne. Jetzt, wo es vielleicht schon zu spät ist.

Mit einem Ächzen rolle ich mich auf die Seite. Oh Mann, wenn ich hier raus bin, gibt es erst einmal einen rundum Austausch. Wie spät ist es eigentlich? Ich habe das Gefühl eine Woche durchgeschlafen zu haben.

„Die sechs Stunden sind jetzt um“, höre ich Sams leise Stimme. Erst jetzt wird mir das orange Schimmern des flackernden Feuers bewusst. Die Nacht ist bereits angebrochen.

„Sie sind bestimmt schon da. Wir haben ihnen den neuen Standort durchgegeben.“ Daniel. Ich atme einmal tief durch. Liz, wie willst du da nur wieder rauskommen?

„Vielleicht war es ja Fehler gewesen. Ich meine, der Colonel hat mir das Kommando übergeben. Das sagt doch schon genug darüber aus, dass er nicht mehr körperlich fit ist. Vielleicht hätten wir einfach bei der Pyramide bleiben sollen. Was, wenn sich durch die Strapazen sein Zustand nur noch verschlimmert?“

Können wir nicht einfach noch einmal die ganze Zeit zurückdrehen? Ich verspreche, ich werde dann auch die gehorsame Zivilistin sein, der es eine Ehre ist an dieser Expedition teilzunehmen. Ich werde auch nicht meinen Dickkopf durchsetzen und ich werde niemanden mehr in Gefahr bringen.

„Aber sein Zustand hat sich nicht verändert. Das Fieber ist zwar nicht gesunken--“

„Aber es ist auch nicht gestiegen“, fällt ihm Sam ins Wort. „Und das ist doch gut, nicht wahr, Daniel? Das ist doch ein gutes Zeichen, oder?“ Ich brauche sie nicht zu sehen, um zu wissen, wie sehr sie sich an diesen letzten Strohhalm klammert. Dennoch schiebe ich die Plane etwas zur Seite und sehe, wie Daniel eine beruhigende Hand auf ihren Arm legt.

„Das ist es“, nickt er, „Jack, wird es schaffen, glauben Sie mir.“

Sie nickt halbherzig. „Ja.“

„Glauben Sie mir, wenn wir uns nicht auf den Weg gemacht hätten, um Apophis in den Hintern zu treten, dann hätte er es bei Ihnen getan, wenn er wieder gesund ist.“

Es ist das erste Mal an diesem Tag, dass ich sie wirklich lachen höre. Doch dann wird sie wieder ernst und das Lächeln erlischt. „Es war nicht falsch?“

„Was? Jack nicht zurück zu lassen, Apophis in die ewigen Jagdgründe schießen zu wollen?“ Er schüttelt leicht mit dem Kopf. „Nein, glauben Sie mir, das ist sicherlich nicht falsch.“

„Danke, Daniel.“

„Immer wieder.“ Er verstummt kurzzeitig, wirbelt dann aber zu ihr herum, so als ob ihn etwas Lebenswichtiges eingefallen wäre. „Haben Sie inzwischen das Team erreicht?“

Ein Kopfschütteln ist seine Antwort. „Ich konnte hin und wieder ein Signal empfangen. Ich habe ihnen unsere Position durchgegeben und ihnen unsere Lage geschildert, aber ich ich bin mir nicht sicher, ob auch alles angekommen ist.“ Sie atmet einmal tief durch. „Ich weiß nicht, was los ist, aber ich denke, der Ort hier ist verflucht.“

„Hm“, macht Daniel nickend. „Wir sind vermutlich nur in einem Loch“, versucht er sie genauso wie sich selbst zu überzeugen. Das muss dann aber ein ziemlich großes Loch sein. Es ist eine lahme Ausrede und nach seinem Gesichtsausdruck her, weiß er es auch. Ist ja auch kein Wunder, noch nicht einmal ich glaube es ihm. Mit einem leisen Seufze, lasse ich die Plane vor den Eingang fallen. Wenn ich es mir recht überlege, dann ist so ziemlich nichts nach Plan gelaufen. Ich frage mich, ob dieser Zustand in diesem Team bereits eine kontrollierte Arbeitsbedingung ist.

„Meine Schicht ist um“, höre ich schließlich Sam murmeln. „Danke für die Gesellschaft, Daniel.“

„Kein Problem.“ Ich höre ein Rascheln und schließlich den Reisverschluss, der die Plane ganz öffnet. Schnell schließe ich meine Augen und versuche relativ entspannt auszusehen. Denn das letzte, was ich will, ist, dass Sam mitbekommt dass ich wach bin oder gar die Schlussfolgerung daraus zieht, dass ich sie belauscht habe. Ein Fuß befindet sich bereits im Zelt, aber dann hält die Bewegung inne. „Nacht, Daniel.“

„Nacht, Sam.“

„Bis morgen.“

„Schlafen Sie gut.“

Das Rascheln von Kleidung ertönt neben mir, als sich Sam ihre Jacke auszieht und dann vermutlich in voller Montur in ihren Schlafsack krabbelt. Sie scheint nichts mitbekommen zu haben und als es dann ganz still wird im Zelt, ein leises, stetiges Atmen die Luft erfüllt und nur noch das Schemenhafte Flackern des Feuers zu sehen ist, öffne ich langsam meine Augen und frage mich, ob es noch schlimmer kommen kann. Und eines weiß ich mit Sicherheit: an Schlaf ist heute für mich nicht mehr zu denken.


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Irgendwas Lautes und Grelles lässt mich in einem Ruck aus meinen Dämmerzustand hochschnellen. Ich kann nicht sagen, was es ist, bis ich es wieder höre. Ratternde, hallende Geräusche, die aus einer nicht sehr entlegenen Ferne kommen. Sind das…? Ich will gar nicht dran denken, aber sind das Schüsse? Eine erstickende Panik kriecht in mir hoch, während ich wie angewurzelt dasitze und nichts anderes tun kann außer mit einem starren Blick gegen die Zeltwand zu schauen. Was geht hier nur vor? Die Worte wollen entlassen werde, aber als ich endlich meinen Kopf in Sams Richtung drehe, sehe ich, dass ihr Schlafplatz leer ist.

Und dann bricht alles in einem gigantischen Chaos über mich herein. Rennende Schritte, Rufe, noch mehr Schüsse. Wie ein Amboss der mich mit einem Schwung gegen die nächste Steinwand befördert. Ich kann mit bestimmter Sicherheit sagen, dass ich mich noch nie so schutz – und hilflos gefühlt habe.

Mit einem kräftigen Ruck wird die Plane aufgerissen, dass ich vor Schrecken tausend Tode sterbe. Lieber Gott im Himmel! Es ist Sam. Aber dieser Anblick beruhigt mich kein bisschen. Ihr gehetzter Blick, die angespannten Gesichtszüge und die Art, wie sie sich an ihre Waffe krallt jagt mir mehr Angst ein, als dass es einem Trost spendet.

„Liz, du bleibst hier“, zischt sie hastig. „Daniel, Teal’c und ich, wir sehen uns die Sache aus der Nähe an.“

Ich bin viel zu vor dem Kopf geschlagen, als das ich auch nur irgendwas hätte antworten können. Was ist hier nur los? Was passiert da draußen? Was sind das für Schüsse? All diese Fragen höre ich laut in meinem Kopf hämmern, aber keine findet ihren Weg nach draußen. Und dann, bevor sie sich umdreht, hält sie noch einmal inne. „Halte dich verdeckt. Laufe nicht schutzlos hier im Dschungel herum. Nur für alle Fälle.“

„Sam…?“, kommt es krächzend über meine ängstlichen Lippen.

„Mach dir keine Sorgen.“ Wie bitte? Ich soll mir keine Sorgen machen? Mädel, die schießen sich da draußen zu Tode und ich soll mir keine Sorgen machen? Was ist denn das für eine bescheuerte Floskel?! „Alles wird gut.“ Doch bevor sie mir überhaupt noch die Chance gibt etwas zu erwidern, ist sie auch schon verschwunden und lässt mich und meine heiß geliebte Panik alleine. Mach dir keine Sorgen… Nein, mach ich nicht. Wo denn? Ist doch alles in Ordnung. Und die paar Schüsse…Ich bitte euch, das ist doch nun wirklich nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste. Wirklich nicht. Das ist ja auch vollkommen normal!

Verzweifelt und von klaustrophobischen Anfällen verfolgt, schaue ich mich in meinen äußerst beschützenden Zelt um und entschließe, dass ich mich hier drinnen kein bisschen sicher fühle. Ich will hier nicht alleine sitzen und auf mein Ende warten. Ich kann das einfach nicht.

Und deshalb mache ich genau das, was Sam mir untersagt hat. Ich beuge mich nach vorne und öffne den Reisverschluss. Aber im Grunde ist es gar kein Regelverstoß. Ich werde lediglich ins nächste Zelt schlüpfen. Natürlich nur, um nach dem Colonel zu sehen. Sonst nichts. Und noch während im Hintergrund die Schüsse fallen, renne ich in geduckter Haltung nach neben an.

Ich habe ja mit allem gerechnet; einem bewusstlosen, einen im Fieber oder im Delirium liegenden O’Neill, aber ich habe gewiss nicht mit einer Pistolenmündung gerechnet, die geradewegs auf meinen Kopf zielt. Kein Muskel wagt es auch nur zu zucken. Ich habe das Gefühl, dass mir gleich meine Augäpfel rausfallen und mein Hals ist Sandtrocken. Selbst wenn ich es gewollt hätte, ich hätte nicht reagieren können. Und im ersten Moment scheint es O’Neill nicht anders zu gehen. Obwohl ich vermutlich schon alleine durch seinen niederschmetternden Blick tot umgefallen wäre, braucht auch er eine Sekunde, um sein Magazin nicht in mir zu leeren.

„Herr Gott, Sullivan“, flucht er wütend und erleichtert zugleich, als sich langsam die Hand mit der Waffe senkt. „Kommen Sie schon rein.“

Das muss er mir nicht zweimal sagen. Hastig setze ich auch noch den anderen Fuß in das Zelt und verkrümle mich neben ihn. Er hält sein kaputtes Bein in einer unbequemen Position von sich entfernt, während er versucht sich noch weiter aufzusetzen. Schweißtropfen bahnen sich furchtlos ihren Weg über seine Stirn und seine Schläfen. Wenn man genau hinsieht, dann kann man noch das Fieber in seinen Augen glühen sehen, aber ich hätte es nicht gemerkt, wenn ich es nicht gewusst hätte. Angespannt ziehe ich mein rechtes Knie zu meinem Kinn und schlinge meine Arme herum. „Was geht da draußen vor sich?“,frage ich ihn schließlich in einem Flüstern.

Doch bevor er mir antwortet durchschneidet ein lautes Zischen die Luft. O’Neill schaut für einen Moment an die Zeltdecke, bevor sein Blick zu mir wandert. „Haben Sie das eben gehört?“ Ich nicke lediglich mit dem Kopf. „Das“, sagt er und deutet mit seinem Finger in die besagte Richtung, „war der Schuss aus einer Stabwaffe.“

„Stabwaffe?“, frage ich verwirrt. „Was…? Soll das heißen, dass diese Go – Goa’uld hier sind?“ Er nickt lediglich mit dem Kopf, worauf ich meinen nur ungläubig schüttle. „Nein, nein, das ist doch unmöglich.“

Ein verdutzter Blick trifft meinen. Eilig fahre ich mit meiner Zunge über meine Lippen. „Sam hat doch gestern noch erklärt, dass aus irgendwelchen Gründen sie selbst mit Lichtgeschwindigkeit Tage brauchen würden.“

„Ja, offensichtlich nicht.“ Oh mein Gott… Hilflos starre ich ihn an, während die Luft in erneutem Zischen und Rattern von Gewehrhülsen getaucht wird. „Und was sollen wir jetzt tun?“

„Zuerst einmal warten wir ab, was Carter uns erzählt.“ Irgendwie beruhigt mich das so gar nicht. Wenn ich nur daran denke, dass meine Sam jetzt irgendwo da draußen ist. Zwischen all diesen Schüssen. Was ist wenn ihnen allen etwas passiert und keiner von ihnen mehr zurückkommt? Der Colonel scheint auf sonderbare Weise meine Gedanken lesen zu können, denn er schaut hinunter auf seine Uhr. „Zwanzig Minuten. Sie haben noch zwanzig Minuten. Wenn sie dann nicht da sind, können wir anfangen uns Sorgen zu machen.“

„Aber wenn ihnen in der Zwischenzeit etwas…“

„Carter kann auf sich aufpassen. Glauben Sie mir. Ich würde jetzt nicht hier liegen… mit dieser wundervollen Schiene, wenn Carter nicht gewesen wäre.“ Höre ich da einen Hauch von Ironie heraus? So ne Art Anschuldigung? Irgendwo zwischen den Zeilen versteckt?

Misstrauisch beäuge ich mein Gegenüber und wenn diese ganze Situation nicht so verdammt angespannt wäre, hätte ich alles in den Wind geschlagen. Doch ich muss leider zugeben, dass wir uns im Moment leider auf der falschen Seite befinden. Und ich weiß auch, dass sein Sarkasmus in meine Richtung gerechtfertigt ist. Vergiss das nicht, Liz. Du kannst ihm deshalb keine Vorwürfe machen. „Es, es tut mir Leid“, kommen die Worte schließlich begleitet von einem Kopfschütteln über meine Lippen gekullert. „ich wünschte wirklich, ich könnte es wieder rückgängig machen. Ehrlich.“ Mit einem Seufzen, schaue ich hinunter in meine verschlungenen Finger, die auf meinem Knie liegen.

„Was?“, kommt es nach einer langen Pause.

„Colonel--“

„Jack.“

„Was?“

„Was?“ Sieht auch er mich jetzt verwirrt an, doch dann schüttelt er nur mit dem Kopf. „Es heißt Jack, Sullivan. Nennen Sie mich Jack.“

„Oh… okay.“ Ich atme einmal tief durch und hebe meinen Blick. „Jack, ich möchte mich für mein Benehmen der letzten Tage entschuldigen. Ich weiß, ich war alles andere als die perfekte Begleitung. Angefangen von der Abreise bis hin zu dem Zwischenfall. Und es tut mir so schrecklich Leid. Wirklich.“ Ich atme einmal tief durch. „Auch wegen meinem kleinen Aufstand vor der Abreise.“

„Sulli--“, beginnt er, aber ich bringe ihn mit einer erhobenen Hand zum Schweigen.

Kopfschüttelnd sehe ich zu ihm auf. „Nein, Jack, bitte, lassen Sie es mich erklären. Ich hatte Angst. Sie können das nicht verstehen, diese Ausgrabung war mir sehr wichtig. Ich hatte nur wenige Wochen zuvor meine Sponsoren mit wirklichen Engelszungen davon überzeugen können auch weiterhin Geld zu geben. Und dann kommt ihr daher, also die Regierung, und nehmt mir alles weg. Ich hatte nichts mehr. Alles war weg. Ich konnte nicht mehr entscheiden, ich konnte meiner Arbeit nicht mehr nachgehen, von der einen Sekunde auf die andere, wurde mir alles entrissen und ich hatte das Gefühl innerlich zu explodieren. Das hier war mein Baby und jetzt ist es weg.“ Mit einem Seufzen schaue ich hinunter in auf meine Hände, während sich ein äußerst bedrückendes Schweigen über uns legt.

Der Colonel regt sich nicht, es kommt kein Geräusch aus seiner Ecke, nicht eines. Doch dann ertönt ein Räuspern. „Also...“, beginnt er zögernd. „Ich muss zugeben, von dieser Seite habe ich es noch nicht betrachtet.“

„Offensichtlich.“

„Ja…“ Er verzieht kurz den Mund. „Hören Sie, es tut mir Leid. Ich hätte dran denken müssen, aber…“
Auf das Aber habe ich nur gewartet. „Aber Sie müssen auch verstehen was hier auf dem Spiel steht. Ich verspreche Ihnen, ich werde mich um die Sache kümmern, wenn wir hier raus sind. Ernsthaft, ich werde dafür sorgen, dass Sie keinerlei Schuld trifft, dass die Pyramide und alles nur noch Schutt und Asche ist.“

Ich nicke leicht. „Na ja, jedenfalls wollte ich nur, dass Sie es wissen. Dass Sie verstehen, warum ich mich so verhalten habe, wie ich es getan habe und dass ich auch weiß, dass es hier um weitaus mehr geht als nur um meine Arbeit. Und auch wenn ich das hier jetzt vielleicht nicht erwartet habe, wollte ich Ihnen danken. Mir ist noch immer ein Rätsel, wieso es mir erlaubt ist hier zu sein und von daher, danke.“

Während meines kleinen, ausschweifenden Bekennungsschreibens, nickt Jack ein paar Mal zustimmend mit dem Kopf und verdreht schließlich die Augen. „Hören Sie, Sullivan, auch wenn die Tatsache dass durch Ihre Befehlsverweigerung meine kleine, aber heile Welt ins wanken geraten ist, glaube ich nicht, dass Sie ganz alleine die Schuld trifft.“

„Aber--“

„Natürlich, wenn Sie nicht so dickköpfig gewesen wären, um unbedingt diesen Transporter auszuprobieren, war dennoch ich es, der ihn betätigt hat. Und wenn ich mich nicht irre, haben Sie selbst gesagt, dass es unmöglich ist ein Beben vorherzusagen. Woher sollten Sie es wissen, dass ausgerechnet, als wir uns auf der Brücke befanden, die Erdplatten unter uns sich dazu entschlossen haben ein wenig hin und her zu rutschen?“

„Na ja, eigentlich“, korrigiere ich ihn, „sind die Erdplatten in ständiger Beweg--“

„Sullivan“, unterbricht er mich aufgebracht. Okay, okay, okay, schon verstanden. Ich fahre mit meinem Finger über meinen Mund, als ob ich ihn abschließen würde und schmeiße einen luftigen Schlüssel über meine Schulter. „Das ist mir schon klar.“

„Tschuldigung.“ Ich sehe ihn jetzt ganz offen an. Im Grunde fühle ich mich sogar nackt. Wenn er wollte, er könnte jetzt wie in einem offenen Buch in mir lesen. „Ich habe einfach nur Angst.“

Und nicht nur sein Blick sagt mir, dass das die letzten Worte sind, die er hören möchte. Wenn ich eines in den letzten Tagen gelernt habe, dann, dass der Colonel nicht besonders gut mit Gefühlen umgehen kann. Besonders nicht, wenn es Gefühle sind, die dermaßen nahe an der Oberfläche schwimmen. Und ich weiß auch, wenn sein Bein nicht sein Handicap wäre, wäre er schon längst aus dem Zelt verschwunden. Da aber das Glück nicht auf seiner Seite ist, ist er regelrecht an seinen Platz festgenagelt. „Also… ich“, beginnt er zögernd. „Liz, betrachten Sie es mal so, wenn Sie nicht den Transporter gefunden hätten und wir nicht dort unten gelandet wären, dann hätten wir auch nie das Stargate entdeckt.“ Ich weiß, es ist eine Aufmunterung und ich rechne es ihm wirklich hoch an, obwohl es mir nicht meine Angst nimmt, werden meine Lippen dennoch von einem kleinen Lächeln umspielt. Und nicht umsonst tauchen plötzlich wieder Daniels Worte in meinem Kopf auf.

„Jack ist fair. Sie hatten nur noch keine Möglichkeit das zu erkennen. Aber er ist verdammt fair.“

„Lassen Sie uns erst einmal abwarten.“

Mit selbst zugesprochenem Mut, nicke ich schließlich den Kopf. „Ja.“ Dann sehe ich ihn schief an und versuche mir einzureden, dass Sam irgendwas einfallen wird. Ihr fällt immer etwas an. „Sie haben Recht. Sam kann auf sich aufpassen. Sie ist hier nicht umsonst unser McGyver.“ Ich nicke einmal, so als ob ich meinen eigenen Worten bestätigen würde und wünschte mir, ihnen auch Glauben zu schenken.

Gegenüber von mir sieht mich der Colonel mit hochgezogenen Augenbrauen an. „McGyver?“

Mit einem verlegenen Schulterzucken nicke ich. „Ist sie das etwa nicht? Selbst früher ist ihr immer etwas eingefallen. Jedes Mal wenn wir in Schwierigkeiten waren hat sie was gebastelt. Kaugummi, Büroklammer und Faden. McGyver eben.“

„Ah“, nickt er mit einem merkwürdigen Grinsen. Habe ich jetzt etwas gesagt, was ich eigentlich hätte verschweigen sollen? Aber hey, Sam wird mir ja nicht gleich den Kopf abreißen, nur weil ich es in Gegenwart des Colonels erwähnt habe, richtig?

Und als ich das Gefühl habe, dass direkt neben uns eine Bombe einschlägt, wandern meine Gedanken wieder zu unserer Situation zurück „Gibt es eigentlich noch einen Notfallplan? Falls hier alles auseinander fällt.“

„Na ja“, zuckt er mit den Schultern, „Für’s erste sollten wir das Stargate finden. Und dann gibt es da noch die Schiffe, die jetzt vermutlich irgendwelche Trümmerhaufen sind, aber...“

Ich schließe kurz meine Augen. Das kann nicht sein Ernst sein. Bitte Gott, sag mir, dass das nicht sein Ernst ist. „Wir haben keinen Notfallplan?“

„Ich arbeite noch dran.“

Ein deprimiertes Nicken ist meine Antwort.


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Selbst nach zwanzig Minuten des quälenden Wartens gibt es immer noch kein Zeichen von dem Rest unseres Teams. Das einzige, was wir mit Sicherheit sagen können, ist, dass das Geballer dort draußen nicht im Geringsten weniger geworden ist. Wenn ich mich nicht täusche, dann ist sogar das genaue Gegenteil der Fall.

„Fünf Minuten. Plus, minus fünf Minuten“, durchbricht der Colonel mein ruheloses Schweigen und schaut einmal mehr nervös auf seine Uhr.

„Und was ist…?“

Er schneidet mir das Wort ab, indem er seine Hand hebt, in der er sein Funkgerät hält. Es ist nur ein schwacher Versuch. Vermutlich aufgrund irgendwelcher magnetischen Wellen, gibt es nichts weiter als Störungen. Aber dennoch versucht er es. Jede Möglichkeit ist eine Hoffnung, und die stirbt ja bekanntlich zuletzt. Also drückt er den Knopf… Rauschen… Warten… Noch mehr Rauschen… Aber kein Signal. Gar nichts.

„Okay, das ist nicht gut“, murmelt Jack grimmig.

Und nicht zum ersten Mal in den letzten zwanzig Minuten beschleicht mich wieder das Gefühl, welches ich auch schon Daniel gegenüber geäußert hatte. Ich kann mir einfach nicht helfen, aber ich weiß, dass es wichtig ist und ich weiß auch, dass mir – uns – die Zeit davon läuft. Also packe ich meinen ganzen Mut zusammen und formuliere meine Gedanken.

„Finden Sie es nicht merkwürdig, dass wir in diesem großen Komplex keine Waffen finden konnten? Ich meine, Daniel hat mir erzählt, dass die Antiker technologisch äußerst fortschrittlich waren. Immerhin waren sie die Erfinder des Tores.“

„Vielleicht haben sie ja alles mitgenommen?“

Ich bedenke ihn mit einem „Ach kommen Sie“ – Blick. „Nein, ich bin mir sicher, etwas überflogen zu haben, etwas, was wichtig war.“

„Und das wissen Sie genau oder denken es nur?“

„Na ja, ich denke schon, dass ich was gesehen habe“, antworte ich zögernd.

„Sie denken?“ hakt er wenig überzeugt nach. „Und Sie wollen was tun? Zurückgehen und die Wunderwaffe finden?“

Jetzt, wo er es sagt, hört es sich ziemlich dämlich an. In meinem Kopf hat dieser Plan viel mehr Hand und Fuß gehabt und hat sich auch nicht so ganz abwegig angehört. „Ist es denn nicht möglich?“

„Hm, wenn wir mit Sicherheit wüssten, wo sich diese Wunderwaffe dort befindet und ob sie überhaupt existiert, dann bestimmt, aber, Sullivan, Sie haben lediglich eine Vermutung. Das reicht nicht. Es könnte in einer Katastrophe enden.“

„Wieso? Schlimmer als jetzt kann es gar nicht mehr kommen.“ Jedenfalls kann ich es mir nicht vorstellen. Was soll denn bitte schön jetzt noch passieren? Irgendwelche merkwürdigen Parasiten greifen die Erde an, was soll das denn noch übertreffen? „Sam, Daniel und Teal’c sind nicht zurückgekommen. Wir können doch nicht hier einfach rumsitzen und nichts tun!“

„Nein, aber wir wissen nicht, was mit ihnen passiert ist! Was glauben Sie, was passiert, wenn wir da jetzt blind reinmaschieren und alles zerstören?“

„Aber--“

„Kein Aber, Liz. Das Risiko ist mir zu groß.“

„Sie geben einfach so auf? Lassen Ihr Team schutzlos zurück?“, schnauze ich ihn jetzt wütend an. Ich weiß, dass ich mir diesen Ton eigentlich nicht anmaßen darf, aber das ist mir im Moment so ziemlich scheißegal. Hier geht es um Sam! Herr Gott, was muss man tun, um diese engstirnige Sichtweise zu durchbrechen?

„Wir lassen niemals unsere Leute zurück“, zischt er zornig und das dunkle Funkeln in seinen schwarzen Augen sagt mir nur zu gut, dass ich einen wunden Punkt getroffen habe.

„Mir hat man gesagt, Sie seien die Besten der Besten.“

Jack atmet einmal tief durch und ich kann nur erahnen, welche Kraft es ihn kostet mir nicht an den Hals zu springen. Und zum ersten Mal bin ich froh, dass sein Bein ein wenig invalide ist. „Wenn ihnen etwas passiert ist, dann finden wir das heraus und werden dann erst etwas unternehmen. Glauben Sie mir, ich habe keine Probleme damit diesen ganzen Laden in die Luft zu jagen, aber meine Leute sind da drinnen.“

Frustriert fahre ich mit beiden Händen durch meine Haare. Das darf einfach nicht wahr sein. Wie kann er da nur so seelenruhig sitzen, wenn da draußen die Hölle los ist?

„Aber irgendwas müssen wir doch tun.“

Er nickt nachdenklich mit dem Kopf und selbst meine Wenigkeit merkt ihn an, wie sehr es ihm gegen den Strich geht, dass sein Körper nicht hundertprozentig einsatzfähig ist. Gerade als Soldat – und dann noch als Kopf des Teams – nichts unternehmen zu können, ist wohl das schlimmste, was ihm passieren konnte. Glaubt mir, ich verstehe das. Ich verstehe es wirklich, aber es muss doch irgendwas geben, was wir machen können.

„Was ist, wenn wir wissen wo sie sind?“, frage ich schließlich.

„Wenn wir…“ Er hält kurz inne und legt seinen Kopf schief. „Sie meinen den Computer.“

Meine Schultern zucken leicht in Richtung Himmel. „Als wir die Karte der Pyramide gefunden haben, da konnten wir auch sehen, wo wir uns befinden. Wenn wir im Computer eine Karte finden, die das gesamte Gebiet abdeckt, könnten wir zumindest feststellen, wo sie sind. Das könnte uns doch helfen, oder nicht?“

Langsam nickt Jack mit dem Kopf. „Das Problem ist nur, dass dieser Computer zu weit weg ist. Sie haben selbst gesehen, wo wir waren. Außerhalb des Umkreis.“

„Und wenn es hier irgendwo in der Nähe einen gibt?“

„Sie wollen durch den Tunnel.“ Es ist weder eine Frage noch eine Vermutung, sondern eine Feststellung und was soll ich es leugnen? Natürlich ist das mein erster Gedanken gewesen. Der Tunnel ist das einzige, was uns im Moment noch mit dem Untergrund verbindet.

„Selbst wenn ich den ganzen Tag durchrennen würde, würde ich nicht mehr rechtzeitig an der Pyramide ankommen. Wir haben bereits bis hier hin einen Tag gebraucht. Davon mal abgesehen, dass es dann vermutlich schon zu spät ist. Wenn ich dort ankomme, ist unser einziger Durchgang nur noch ein Trümmerhaufen.“

„Ich weiß, ich weiß. Sie wissen, wo der Tunnel endet? Carter meinte, dass Sie ein paar Meter vor den Durchgang von einem neuen Beben erfasst wurden.“

Wie aufs Stichwort, fängt mein Bein an zu pochen und ich nicke lediglich. „Wenn ich ehrlich bin, dann weiß ich nicht, was sich dahinter befindet. Es gibt Anzeichen, dass dieser Tunnel ein weiterer Eingang ist, aber ich weiß es nicht mit Sicherheit.“

Nachdenkliche Falten zieren seine Stirn. „Das ist ziemlich dünn. Aber unsere einzige Möglichkeit etwas herauszufinden, ohne gleich Aufmerksamkeit zu erregen. Hören Sie, Sullivan, wie Sie offensichtlich unschwer erkennen können, bin ich nicht in der Lage wer weiß was für Kilometer zurückzulegen ohne den Plan zu behindern. Ich fühle mich überaus unwohl dabei… Sie haben keinerlei Kampferfahrung.“

Na ja, kommt drauf an, was er unter Kampferfahrung versteht. Kratzen und beißen? Kabbeleien mit den Geschwistern? Darin habe ich genug Kampferfahrung, allerdings nicht in dem Umgang mit irgendwelchen Kerlen, die von Schlangen kontrolliert werden. Nein, darin habe ich keine Kampferfahrung.

„Außerdem sind Sie selbst ziemlich angeschlagen. Carter hat mir erzählt, dass Sie auf den Weg nach draußen das Bewusstsein verloren haben.“ Ja, aber das war vor sechs Stunden! Jetzt geht’s mir wieder gut. Ehrlich. Sein Blick wandert zu meinem pochenden Bein und ich erkenne, wie das olivgrün bereits einen braunroten Farbton angenommen hat. Verdammt, die Wunde scheint wieder aufgerissen zu sein.

„Daniel war stocksauer“, murmle ich mit gesenktem Blick.

Er seufzt einmal und macht eine wegwerfende Handgeste. „Machen Sie sich keine Sorgen um Daniel. Dem tut das bestimmt schon wieder Leid.“

Und dann schaut er zu mir auf und ich kann den Twist in seinen dunklen Augen sehen. Es wäre schlichtweg hirntot, wenn er mich – Grünschnabel, unerfahren, ohne jeglichen Sinn für diese spezielle Gefahr – in die Gefahrenzone hinausschickt. Anderseits hat er allein kaum eine Chance etwas zu unternehmen. Als Humpelstilzchen kommt er nicht weit. Er ist quasi regelrecht auf meine Hilfe angewiesen und ich kann sehen, wie sehr ihn das stört.

„Hören Sie, Jack“, beginne ich nach einem Räuspern, „ich weiß, dass ich Ihnen vermutlich mehr ein Klotz am Bein bin als irgendeine Hilfe, aber wenn wir wirklich etwas unternehmen wollen, dann muss ich wieder zurück. Sie haben Recht, ich habe keine Ahnung, was da draußen vor sich geht und es wäre absolut unvernünftig von Ihnen auch nur daran zu denken mich alleine da raus zu schicken, aber ich kenne mich hier aus. Das hier ist mein zweites Zuhause. Ich weiß den Dschungel zu meinem Vorteil zu nutzen.“

„Ich mach mir keine Sorgen um den Dschungel, Sullivan. Ich mache mir eher Sorgen um Ihren Orientierungssinn innerhalb dieses Komplexes“, antwortet er mir nüchtern. Aber ich kann darunter noch irgendwas anderes erkennen. Vielleicht eine unterschwellige Angst, dass, wenn etwas passiert, ich auf mich allein gestellt bin. Glaubt mir, mir geht’s kein Deut besser. Wenn ich auch nur einen Gedanken daran verschwende, reduziere ich mich auf ein zitterndes Knäuel. Deshalb atme ich einmal tief durch meine Angst hindurch und nicke entschlossen mit dem Kopf.

Verrückt, nicht wahr?

„Brauchen Sie nicht.“ Ich weiß, kein besonders gutes Argument, aber das muss reichen.

„Was ist mit dieser Zaubernummer? Bisher haben diese Geräte nur auf mich reagiert. Sie werden doch gar nichts herausfinden können.“ Ja… ich habe mich schon gefragt, wann wir endlich auf dieses Thema zu sprechen kommen.

„Kein Problem“, murmle ich leise und sehe überall hin, nur nicht in seine Richtung. Aber das scheint genau das falsche zu sein, denn plötzlich ist er ganz Ohr.

„Sullivan?“ Dieser drängelnde Colonel - Unterton gefällt mir so gar nicht.

„Ja?“ Vorsichtig schiele ich in seine Richtung, während meine Finger inzwischen weiß angelaufen sind.

„Was weiß ich noch nicht?“

Ne Menge? Ich weiß einfach nicht wo ich anfangen soll, deshalb sehe ich vermutlich auch aus wie ein Fisch auf dem Trockenen.

„Liz?“

„Vor ein paar Tagen“, beginne ich langsam und darauf bedacht, dass jedes Wort vernünftig durchdacht ist, „den Abend, als Sam und ich… als ich aus dem Zelt gelaufen bin?“ Ein grobes Schnaufen ist meine Antwort, jedoch bleibt jeder beißender Kommentar aus. „Na ja“, beeile ich mich hastig fortzufahren, „jedenfalls war ich wütend und bin in die Pyramide gelaufen.“

„Und?“

„Na ja, wie bereits erwähnt, ich war wirklich sauer und habe aus Wut gegen die Wand und alles geschlagen. Was ich eigentlich damit sagen will, irgendwas hat auf mich reagiert. Licht flackerte auf und ein Summen hatte die Luft erfüllt.“

Angespannt beiße ich auf meine Lippe und warte auf den Sturm, der ja bekanntlich nach der Ruhe kommt.

Und ich warte.

Und warte.

„Soll das heißen, dann hat diese ganze Nummer nix mit der Tatsache zu tun, dass ich mal meinen Kopf in so ein Ding gesteckt habe?“

Öhm… nö? Keine Ahnung. Offensichtlich nicht. „Soll das heißen ich kann gehen?“

Sein Gesicht verzieht sich zu einer angespannten Grimasse. Er hadert noch immer mit sich selbst. Soll er wirklich das Schicksal in meine ungeschickten Hände legen? Wenn ich die Wahl hätte, würde ich auch nicht mit offenen Armen mir diesen Auftrag zuteilen. Ganz bestimmt nicht, aber im Moment bleibt ihm gar nichts anderes übrig. Und ich erkenne, wie seine Schultern leicht zusammensacken, dass er zu derselben Erkenntnis gekommen ist.

„Sie holen die Informationen und dann bewegen Sie Ihren hübschen Hintern wieder hier hin.“ Ich nicke knapp, was soll ich sonst auch tun? „Und Sie machen nichts kaputt, stürzen nicht irgendwo ein oder fassen etwas an, von dem Sie keine Ahnung haben.“

Wieder nur ein Nicken.

„Haben Sie noch die Waffe?“

Mit einem weiteren Nicken ziehe ich das Metallding aus meinem Halfter am Bein. Schweigend und mit Nachdruck nimmt er sie mir weg und ersetzt sie mit einer anderen Waffe. Einer Waffe, die ich schon bei den anderen gesehen habe und die so gar nicht wie von Menschenhand gefertigt ausschaut. Bestimmt irgend so eine Errungenschaft von ihren molekularen Reisen durch das Wurmloch.

„Das ist eine Zat.“

„Zat?“

„Ja, Abkürzung für Zat’ni— kl – tikel - was auch immer. Zat eben.“

„Ah okay.“ Ich drehe das Ding vorsichtig in meiner Hand und beäuge es von allen Seite. Und dann – von der einen Sekunde auf die andere – schießt das Ding leicht nach oben. Schockiert und vollkommen verschreckt will ich das Ding schon fallen lassen, aber Jack drückt es mir zurück in die Hand.

„Jetzt ist es aktiviert. Ein Schuss lähmt, der zweite tötet und der dritte spielt David Copperfield.“ Ein schiefes, zaghaftes Grinsen zeichnet seine Lippen. „Also passen Sie auf, worauf Sie schießen – falls Sie es müssen.“

Ich setze jetzt mal ganz stark auf das ‚falls’. Denn mal ganz ehrlich Leute, ich würde, bevor ich überhaupt nur einen Schuss tätigen kann, vermutlich ohnmächtig zu Boden fallen. Also, falls da irgendwelche Würmer rumlaufen sollten, haben sie mit mir ein leichtes Spiel. „Was tun Sie in der Zwischenzeit?“

„Oh… ich werde hier etwas rumsitzen… und rumsitzen und die Stellung halten. Ein paar Goa’uld abschießen, wenn sie sich an meinem Vorrat zu schaffen machen sollten und na ja… hier rumsitzen.“ Aber ich verstehe.

Und so will ich keine weitere Zeit verlieren. Also stecke ich die Zat ein und krabble in Richtung Öffnung. Die Hälfte des Reisverschlusses ist bereits offen, als ich hinter mir eine Stimme höre.

„Sullivan. Vergessen Sie nicht so gut es geht immer in Funkkontakt zu bleiben.“ Natürlich, und was will er tun, wenn mir was passieren sollte? Zu Hilfe kommen kann er ja schließlich nicht, aber dennoch nicke ich ihm lächelnd zu. „Ach, bevor ich es vergesse.“ Ich seufze einmal leise. So werde ich hier niemals wegkommen. „Nehmen Sie das mit.“ Er hält mir eine Uhr entgegen, die er sich von seinem Handgelenk genommen hat.

„Was soll ich damit?“ Verwundert starre ich auf die Digitalanzeige. Ne Uhr habe ich auch selbst.

„Darin befindet sich ein Kompass. Falls Sie sich mal verlaufen sollten.“

Dass ich dann auch absolut nichts damit anfangen kann, verschweige ich ihm lieber. Und so ersetze ich sie mit meinem bereits schon zehn Jahre alten Antikstück.

„Viel Glück und seien Sie vorsichtig.“

„Danke. Sie auch.“

Und das ist das letzte Wort, welches ich mit ihm wechsle, bevor ich hinaus in die Dunkelheit stürme, während um mich herum in der Ferne der Kampf noch lange kein Ende gefunden hat.


weiter: Kapitel 4
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