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Wäre ich doch nur im Bett geblieben von Destiny

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Teil 2

Ich bin nervös. Oh Gott, das ist glattweg gelogen. Wenn ich ehrlich bin, dann beschreibt ‚nervös’ nicht einmal annähernd meinen momentanen Gemütszustand. Das hier ist schlimmer als die Wartezeit vor meiner Doktorarbeit. Ich habe das Gefühl mir gleich in die Hosen zu machen. Ich versuche wirklich ruhig zu bleiben, aber mir wird gerade so richtig schlecht. Warum kann sich nicht einfach der Boden unter mir auftun und mich einfach ganz Mucksmäuschenstill verschlingen? Wieso geht das nur im Fernsehen und nie im richtigen Leben?

Wie ein zitterndes Nervenbündel sitze ich jetzt hier, meine Füße wollen einfach nicht still stehen und in meinen Händen befinden sich schon tiefe Abdrücke von meinen frisch geschnittenen und gefeilten Fingernägeln. Das triste grau der Wände baut mich auch nicht wirklich auf und obwohl ich Sam ja immer mit ihrem Arbeitsplatz aufgezogen habe (von wegen geheim und alles), hatte ich ehrlich gesagt nie die Absicht gehegt hier auch mal aufzukreuzen. Lag mir immer ganz fern. Ich kenne solche Einrichtungen nur aus dem Fernsehen und diese hier scheint sich noch gewaltiger von denen auf dem Bildschirm zu unterscheiden. Ich meine, sieht man irgend so einen Militärstützpunkt auf der Mattscheibe, denkt man nur ‚Cool’ und findet die Sachen mit den Ausweisen und Sicherheitscodes ganz aufregend, befindet man sich aber im echten Leben mal auf so einer Basis (so wie es meiner einer gerade tut), sieht die Sache gleich doch wieder ganz anders aus.

Und besser macht es diese aufgebrachte Stimme auch nicht. Die Wände mögen hier vielleicht aus Stahl bestehen, aber die Tür direkt vor meiner Nase scheint aus Papier zu sein. Oder wie soll ich es mir sonst erklären, dass da drinnen gleich jemand kurz vorm Platzen steht? Oh lieber Gott, bitte lass mich einfach nur von hier verschwinden. Aber das wirklich lustige an dieser ganzen Sache ist und hört gut zu, denn es ist wirklich, wirklich lustig, ich habe noch nicht mal den leisesten Schimmer, warum ich jetzt eigentlich hier gelandet bin. Es hat irgendwas mit meiner Arbeit zu tun, aber das wusste ich auch schon vor einer halben Stunde. Aber hier will ja niemand mit mir reden!

Obwohl es mir laut irgendwelchen Paragraphen nicht mal gestattet ist in einem Umkreis von hundert Meilen auch nur einen Fuß in die Nähe dieser Einrichtung zu setzen, befinde ich mich jetzt mitten in der Höhle des Löwen. So viel dann also zu meinem geplanten Ausheulurlaub bei Sam, den ich mir persönlich so ganz anders vorgestellt habe. Wir sollten uns eigentlich mit dem ganzen ungesunden Zeugs voll stopfen, lästern über die Männerwelt ab, lassen alle Fünfe mal grade sein und hauen auf den Putz. Aber an *das* hier habe ich nun wirklich nicht gedacht.

Mit einem schweren Seufzen, sehe ich mich um. Nichts, was auch nur den kleinsten Hinweis geben könnte, was ich hier zu suchen habe. Ein großer Schutzwall hängt schützend vor einer Glasscheibe und lässt diesen Raum viel kleiner erscheinen, als er vermutlich ist. Ein großer, massiver Tisch steht in der Mitte des Raumes und das einzige, was ich hier als angenehm empfinde, sind die bequemen Stühle. Und die postierte Wache ein paar Meter hinter mir, die mich die ganze Zeit ganz unbewusst anstarrt, ist auch nicht mehr als Dekoration. Die Tür, hinter der Sam und Daniel verschwunden sind, ist noch immer geschlossen und meine Fantasie veranstaltet schon die tollsten Szenarien, was sich dahinter alles abspielen könnte. Laut dem Geschrei verhärtet sich meine Vermutung Richtung Mord und Totschlag immer mehr.

Ich kriege hier gleich wirkliche Zustände. Nicht nur, dass ich hier in einem Bunker zu sitzen scheine, nein, muss er sich auch noch ausgerechnet irgendwo unter der Erde befinden! Stellt euch das mal vor! Unter der ERDE! Schon alleine der Gedanke, dass ich unter der Erde herumwandle, lässt das alles ziemlich morbide und beängstigend erscheinen. Ich meine, kein vernünftiger Mensch läuft unter der Erde herum. Wir Menschen sind Lebewesen, die nach der Sonne schmachten, wer würde sich dann schon freiwillig hier runter begeben? Nicht, dass ich hier jetzt irgendwelche klaustrophobischen Anfälle oder dergleichen entwickle (Gott weiß, wo ich schon alles rumgekrochen bin) aber mal ehrlich, sollte ich mir anfangen ernsthafte Gedanken um Sams Geisteszustand zu machen? Ich meine, wer verbringt denn bitte schön schon freiwillig mindestens acht Stunden am Tag unter der Erde? Und die Betonung liegt hier auf *freiwillig*. Da greifst du im wahrsten Sinne des Wortes nach den Sternen und kannst das nur von einem Ort unter der Erde aus tun? Sam, langsam machst du mir echt Sorgen. Nicht, dass diese auch unbegründet wären. Seht euch nur an, was in letzter Zeit passiert ist, vor zwei Tagen hatte ich lediglich das Problem vor einer zerrüttenden Hochzeit zu stehen und jetzt? Jetzt komme ich mir vor wie der Staatsfeind Nummer 1.

Deshalb ist es auch nicht besonders verwunderlich, dass ich mit einem leichten Schrei aus meiner Haut fahre, als sich plötzlich die Tür des Generals öffnet. Keine Ahnung warum, aber wie Sam, Daniel, offensichtlich der General und Teal’c dort durch die Tür kommen, sehe ich sie plötzlich mit Henkermützen über den Kopf gezogen auf mich zukommen. Ich weiß, dass ich nichts falsch gemacht habe, aber diese Ungewissheit macht mich total verrückt. Ich schlucke einmal schwer den Klumpen in meinem Hals herunter, als der General höchst persönlich vor mir stehen bleibt. „Dr. Sullivan?“

Mein Lächeln muss bestimmt so unsicher aussehen, wie ich mich im Moment fühle. Ich stand noch nie einem hochrangigen General gegenüber. Okay, Sams Dad, aber das war privat, nie im Dienst. Ich sage euch, so eine Uniform kann ganz schön einschüchternd wirken. Ich versuche irgendwo in seinem Blick etwas Verständnis und Erbarmen zu finden und ich bin mir sicher, dass sich diese Eigenschaften dort auch befinden mögen, aber im Moment sehe ich nur Ernst und… Sorge? Gott, Liz, was hast du nur wieder angestellt?

„Ja, Sir, Doktor Elizabeth Sullivan.“

„Ich will Sie darauf hinweisen, dass alles, was Sie hier in diesem Raum hören und sehen der strengsten Geheimhaltung unterliegen. Niemand – und damit meine ich absolut niemand, weder Familie noch Freunde – dürfen je erfahren, was hier besprochen wurde. Sollten Sie diesem Befehl nicht folge leisten, wird das Konsequenzen für Sie haben. Und vergessen Sie nicht, Sie sind nur hier, weil Sie ein Teil des Problems sind. Verstanden?“

Problem? Was denn für ein Problem? Ich bin ein Problem? Hilfe suchend und schon fast panisch schaue ich zu Sam hinüber, aber diese lächelt mir nur beruhigend zu. Ja, sie kann gut lächeln, sie ist ja auch kein Problem.

„Ja, Sir“, antworte ich mit ziemlich schwacher Stimme und schon zum zweiten Mal an nur einem Tag scheinen meine Beine aus Wackelpudding zu bestehen.

„Setzen wir uns“, sagt Hammond schließlich und alle gehen zu ihren Stühlen und setzten sich. Sam nimmt gegenüber von mir Platz und neben mir schiebt Daniel seinen Stuhl nach hinten. Ein wenig erleichtert lächle ich ihm zu. Aber, meine Güte, bin ich nervös. „Wo ist Colonel O’Neill?“, fragt Hammond schließlich mit einem Blick von Sam zu Daniel.

„Der Colonel ist auf dem Weg. Er müsste jeden Augenblick hier sein, Sir“, antwortet Sam ganz sachlich. Mein Blick wandert in ihre Richtung und ich sehe, wie sie vollkommen ernst dasitzt, ihre Hände hat sie auf der Tischplatte gefaltet. Als Hammond ihr einmal knapp zunickt, erwidert sie es mit einem eigenen Nicken. Huh, Major Carter höchst persönlich. Ich habe mich ja schon immer gefragt, ob sie im Dienst auch wie die anderen mit einem Stock im Rücken herumläuft.

„Dr. Jackson, warum fangen Sie nicht schon mal an uns zu erklären, was an dieser Ausgrabung so besonderes ist.“

„Ja, General“, antwortet er und noch während er seine Brille richtet, steht er auf. Er geht nach vorne um den Tisch herum und mit einer Fernbedienung schaltet er das Licht aus und eine weiße Wand fährt herunter, so dass die Bilder des Beamers auf die Wand projiziert werden können. Ich staune nicht schlecht, als ich plötzlich einen Teil von meinen Bildern dort sehe. „Das ist ein Fundort der Mayakultur in der Nähe der Stadt Yucatán“, beginnt Daniel zu erklären. „Obwohl diese Stätte eine der Berühmtesten auf der Welt ist und man bisher dachte, dass sie ausreichend und grundlegend erforscht wurde, beweisen diese Bilder jedoch etwas anderes.“ Er lächelt kurz zu mir herüber und ich kann nicht anders, aber wenn es möglich gewesen wäre, würde ich jetzt vor Stolz glühen. „Hier wird deutlich dass angrenzend an der Stadt noch etwas verborgen liegt…“

„General, entschuldigen Sie die Verspätung“, kommt es plötzlich von der Tür. Ich werfe einen Blick in die Richtung und dort steht er. Der Mann, der meine Sam umgebracht hat. Ich sehe nur durch das Licht des Beamers, wie der General knapp nickt, aber nichts sagt und Colonel Jack O’Neill sich neben Sam in den Stuhl fallen lässt. Er trägt genau wie die anderen seine Zivilkleidung, was, wie ich zugeben muss, soweit ich das sehen kann, ziemlich attraktiv ausschaut. Aber das ist gar nicht der springende Punkt, im Moment sehe ich nur den Mann, der… wow, ich will noch nicht mal dran denken. Er scheint überhaupt nicht mitbekommen zu haben, dass sich noch eine weitere Person im Raum befindet. Mit hochgezogenen Augenbrauen schaut er zu Daniel. „Was habe ich verpasst?“

„Oh, ich habe nur gerade erklärt, was das hier ist.“ Er zeigt mit der Fernbedienung auf die Wand.

Können diese Augenbrauen noch weiter Richtung Himmel wandern? „Und was ist das?“

„Eine neu entdeckte Mayastätte.“

„Ah, dann habe ich ja nichts verpasst.“

Daniel sieht ihn mit einem beleidigten und verletzten, aber auch irgendwo gleichgültigen Blick an und ignoriert den Kommentar gewissenhaft. Ich rate mal. Er erlebt solch ein Verhalten nicht zum ersten Mal. „Wenn es keine Besonderheit hätte, dann würden wir hier jetzt nicht sitzen. Wir sind deswegen hier.“

Er klickt einmal auf die Fernbedienung und die beiden merkwürdigen Abbildungen erscheinen, die ich Sam gezeigt hatte. Mein Problemfall, aber als ich in die Runde blicke, sehe ich keine besondere Ratlosigkeit, sondern höre eher ein Seufzen und erkenne so etwas wie Wiedererkennung. Und ich frage noch einmal: Was ist hier eigentlich los?

„Das kommt mir bekannt vor“, murmelt der Colonel. Ja, ist ja auch etwas vollkommen normales, wenn irgendwelche ägyptischen Zeichen bei den Maya gefunden werden. Natürlich. Verstehe ich vollkommen. „Ra und…“ Daniel setzt bereits zum Sprechen an, aber O’Neill hebt nur seine Hand. „Nein, nein, warten Sie, ich hab’s gleich. Ra und…“

„Apophis“, stimmt ihm Daniel zu.

„Apophis, ganz genau. Wer auch sonst?“

„Ähm, ja, jedenfalls haben laut den Eingravierungen Apophis und Ra um die Vorherrschaft der Erde gekämpft. Den Gewinner kennen wir ja bereits.“ Ach wirklich? Es gab einen Gewinner? Ich kenne ihn ehrlich gesagt nicht. „Und na ja, wenn erst einmal das dort gefunden wurde, kann man davon ausgehen, dass es sich noch weiter erstreckt, nicht wahr?“

Er sieht fragend zu mir hinüber und ich räuspere mich. „Ja, ja, das ist wahr. Was wir dort bisher gefunden haben, war nur der Anfang. Wir haben vielleicht gerade mal an der Oberfläche gekratzt. Man kann davon ausgehen, dass es in einem weiteren Umkreis noch weitere Bauten geben wird. Der Teil, in dem wir diesen Fund entdeckt haben, liegt nicht direkt in Yucatán, sondern ungefähr zwanzig Meilen davon entfernt. Es muss schon sehr alt sein, denn als wir es entdeckt hatten, da war es praktisch von der Vegetation überwachsen gewesen. Was ich bisher sagen kann, ist, dass es sogar älter als die Maya selbst sein kann..“

Daniel nickt nur zustimmend, aber bevor ich fortfahren kann, fällt mir jedoch jemand ins Wort. „Und Sie sind…?“ Colonel O’Neill. Habe mich ehrlich gesagt schon gewundert, dass ich erst so spät bemerkt werde.

„Das ist Dr. Elizabeth Sullivan“, stellt mich der General vor. „Sie hat diese Stätte gefunden.“

Der Colonel sieht von mir zum General. „Und was macht sie hier?“

Ich öffne schon meinen Mund, obwohl mein Kopf so leer wie ein Vakuum ist, aber es ist Sam, die diesmal das Wort ergreift. „Sir, Dr. Sullivan ist auf meinen Wunsch hier. Ich habe sie mitgebracht.“

„Carter?“

„Liz ist Expertin auf dem Gebiet der Maya.“ Expertin? Ich? Wow… ich nehme das jetzt mal kommentarlos hin, obwohl mir ein passender Spruch bereits auf meinen Lippen liegt. Aber Sam bemüht sich gerade zu erklären, warum ich eigentlich hier bin und wenn ich ehrlich bin, dann interessiert es mich auch. Expertin…

„Und?“

„Und sie könnte uns sehr behilflich sein, Sir.“

„Inwiefern? Daniel ist doch bereits unser wandelndes Lexikon.“

„Also, Jack, wirklich, ich würde nicht sagen, dass…“, geht Daniel dazwischen und zieht damit nur den Blick des Colonels auf sich. Die Augenbrauen sind bis zum Anschlag hochgezogen. „Ich meine, ich kenne mich nicht halb so gut aus in diesem Bereich, wie sie es tut.“ Wenn er so weitermacht sind seine Augenbrauen bald in seinen Haaren verschwunden.

„Sie können doch im Schlaf alle Kulturen und ihre Zusammenhänge runterleiern.“

„Jack, sie wäre mir wirklich eine Hilfe.“

Ist der eigentlich immer so? So skeptisch und distanziert? Macht ihn in meinen Augen nicht unbedingt sympathischer.

„Sie ist ne Zivilistin. Wir lassen nicht jeden x-beliebigen Zivilist hier herumrennen, nur weil es eine große Entdeckung gab. Zivilisten haben hier nichts verloren.“

„Ah, Jack, ich bin auch Zivilist“, wirft Daniel dazwischen und schiebt seine Brille die Nase hinauf, während er über das Brillengestell hinwegschielt.

„Ihr wisst, was ich meine. Nur weil Doktor Sullivan Expertin ist, qualifiziert sie das noch nicht.“

„Jack“, seufzt Daniel. „Die Sprache der Maya ist äußerst komplex. Doktor Sullivan ist auf dieses Gebiet spezialisiert.“

Ein leichtes Lächeln kriecht über meine Lippen, aber der Colonel scheint offensichtlich wenig beeindruckt zu sein. „Daniel, hier laufen nur die besten Köpfe Amerikas herum. Wir sind umgeben von irgendwelchen Strebern. Und wenn ich mich recht entsinne, können Sie dreiundzwanzig Sprachen. Wie schwer wird es da wohl sein, die Bilder zu übersetzen?“

Daniel schweigt, sieht den Colonel einfach nur herausfordernd an. „Sie haben keine Ahnung, wovon Sie da reden.“ Er zeigt mit dem Finger auf seinem Teamführer. „Wenn Sie denken, dass--“

„Meine Herren“, geht der General schließlich dazwischen und irgendwie bin ich erleichtert. Ich puste leise meine angehaltene Luft aus. Jetzt weiß ich, was Daniel meinte. Der Colonel und Wissenschaftler… na da kommt doch Stimmung auf. „Dr. Sullivians Anwesenheit steht hier nicht zur Debatte.“ Ein bestimmter Blick heftet sich auf dem Colonel, bevor er zu Daniel wandert. „Dr. Jackson, was schlagen Sie vor, was wir tun sollten?“

„Am einfachsten wäre es, wenn wir es uns aus der Nähe ansehen.“

Der General nickt leicht und sieht zu dem Colonel hinüber. Dieser fühlt sich erst gar nicht angesprochen und erst als sich das Schweigen in unvorstellbare Länge zieht, reißt er seine Augen auf und ja, nach seiner Aufmerksamkeit ist gefragt. „General? Also, gibt es denn wirklich einen Anlass für uns dort hinzufahren?“ Er schielt kurz zu mir hinüber. Habe das schon verstanden. Er kann nicht offen sprechen.

Aber anstatt einer verbalen Antwort, klickt Daniel nur noch einmal auf die Fernbedienung und zum Vorschein kommt mein Lieblingsbild. Ihr hättet mal meine Augen sehen sollen, als ich es entdeckt habe! Es sieht aus, wie ein in den Boden gepflasterter Ring. Bei den Maya habe ich so etwas noch nie gesehen. „Ja, ich denke schon“, sagt Daniel schließlich. Er wirft einen Blick von der Wand hinüber zu uns.

„Ich liebe diese Kerle“, murmelt der Colonel nur. Ich frag mich erst gar nicht, was er damit meinen könnte.

„Colonel, es ist Ihre Entscheidung. Wenn Sie einverstanden sind, dann hat SG-1 grünes Licht.“

Er sieht in die Runde, sein Blick schweift von Sam, die nur ihren Kopf leicht zur Seite legt, zu Daniel, der ihn erwartungsvoll ansieht, hinüber zu Teal’c, der irgendwie… so gar keine Regung zeigt. Und dann bleibt sein Augenpaar auf mir liegen. Irgendwie komme ich mir gerade vor wie so eine Laborratte. Ich weiß zwar nicht, was in seinem Kopf vorgeht, aber könnte er bitte aufhören mich so anzustarren? Was? Habe ich einen Pickel im Gesicht? Oder ist mir ein zweiter Kopf gewachsen? Schließlich sieht er zurück zum General. „Dann lasst uns mal Steinchen umdrehen“, seufzt er ziemlich halbherzig. „Das heißt, wenn Doc Fraiser damit einverstanden ist.“ Unmissverständlich bleibt sein Blick bei Sam hängen.

„Ich werde noch einmal mit Janet reden, Sir“, erwidert Sam relativ kühl. Tja, so einfach würde ich es auch nicht vergessen von meinem eigenen Vorgesetzten erschossen zu werden.

Wieso haben diese Militärtypen keinen Respekt vor der Archäologie? Steinchen? Artefakte, Bauwerke, Kunstwerke, aber Steinchen? Das grenzt wirklich nahezu an der Verzweiflung.

„Also gut. SG-1, wegtreten.“ Und ich sollte mir wirklich mal die Militärregeln verinnerlichen. Fast wäre ich aufgesprungen, bevor der General auf den Füßen war. Ich kann mich gerade noch stoppen und sehe, wie die anderen respektvoll warten, bis der Boss aufgestanden ist. Doch bevor er den Raum verlässt, dreht er sich noch zu dem Colonel um. „Und, Jack, Dr. Sullivan wird Sie begleiten.“

Puh… also, das nenn ich doch mal ne Überraschung. Gut, ich weiß, dass ich vermutlich einen Zwergenaufstand veranstaltet hätte, wenn die Antwort anders ausgefallen wäre, aber in dieser Befehlsform ist es mir doch etwas unangenehm. Versteht mich nicht falsch, das ist meine Ausgrabung und keine tausend Pferde oder sonstige zehn Zentner Viecher könnten mich davon abhalten, nicht dahin mitzukommen, aber ich meine doch nur, seht euch mal an, wie der Colonel den Mund verzieht, diese dünne Linie, die lediglich nur durch reine Willenskraft geschlossen bleibt, gibt mir ein total flaues Magengefühl. Sam versucht mich mit einem Lächeln zu beruhigen, aber mal ehrlich, in ein Team hineingestoßen zu werden, in dem der Chef etwas gegen einen hat, ist nun wirklich kein Zuckerschlecken.


+++++


Ich frage mich, wozu man für eine Expedition so viel Gepäck braucht. Nicht, dass ich mich beschweren will, das sieht alles sehr hochmodern aus, aber mal ehrlich, meine bescheidene Ausrüstung (Isomatte, Rucksack gefüllt mit dem Nötigsten, ein paar Wasserflaschen und vielleicht noch ein Zelt, welches man zusammenfalten kann) hat bisher auch immer gereicht. Der Rest wird bekanntlich immer nachgeliefert. Und wenn ich mir das hier so ansehe, dann wird es mir etwas flau im Magen. Die Kisten mit der Aufschrift „FOOD“ sind ziemlich spärlich gesät. Das ist mir ehrlich gesagt ein wenig unheimlich. Ich meine, das reicht vielleicht gerade mal für zwei Wochen und das beschreibt nicht einmal ansatzweise den Zeitraum, den ich gedacht hatte hier zu verbringen. Nicht im Geringsten. Außerdem, wir sind fünf Leute... die Air Force lässt einen doch nicht verhungern, oder? Ich wage erst gar nicht daran zu denken, was sich alles in den anderen Boxen befinden mag. Doch nicht nur archäologische Ausrüstung. Waffen vielleicht? Ich will es lieber gar nicht wissen. Aber die Herrschaften sind sich schon im Klaren darüber, dass wir nicht die ganze Strecke mit dem Jeep fahren können, ja? Ich will es nur mal so angedacht haben. Denn da, wo wir hin wollen, gibt es so was wie Trampelpfade, ganz zu Schweigen von so etwas Luxuriöses wie Straßen noch gar nicht. Nur die volle Vegetation, wie sie kreucht und fleucht. Das ist nämlich noch keine Touristenattraktion. Noch ziemlich weit davon entfernt. Wenn die sich so etwas vorstellen, wie die großen Anlagen in Cancun oder Belize, dann haben sie sich aber gewaltig geirrt. Ich wollte es nur einmal gesagt haben.

Also stehe ich jetzt hier, an den Jeep gelehnt (und Leute, was für ein Jeep das ist! Von der Air Force gestellt! Wow… das ist so… einfach nur wow… davon träumt eine kleine Archäologin wie ich nur von) und wische mir schon zum x-ten Male den Schweiß von der Stirn. Das ist aber auch eine Affenhitze hier. Man sollte glauben, dass ich mich bereits daran gewöhnt habe, aber das ist nichts Alltägliches wie jeden Morgen die Socken zu wechseln. Dass mein Kreislauf noch nicht schlapp gemacht hat, ist alles. Jedenfalls ist es immer wieder ein Schock aufs Neue, wenn man in die tropische Vegetation stolpert. Aber Mensch, ist das ein tolles Gefühl! Da beginnt mein Herzchen richtig zu flattern.

„Meine Güte“, stöhnt Daniel plötzlich auf und lehnt sich neben mir an den Jeep. „Ich hatte ganz vergessen, wie heiß und feucht es hier ist.“ Ich lächle ihn voller Mitgefühl an und sehe dann, wie er sich seine Jacke auszieht. (Habe mich ehrlich schon gewundert, warum er sie überhaupt angezogen hat) Erleichtert seufzt er einmal, als er die Jacke in den Jeep schmeißt und dann nur noch ein schwarzes T-Shirt trägt… ohne Ärmel. Selbst der Colonel und Teal’c haben sich des überflüssigen Stoffes entledigt und so langsam beschleicht mich der Gedanke, dass dieses feuchtfröhliche Klima vielleicht doch gar nicht mal so übel ist. Da kann man richtig neidisch auf Sam werden. Und wenn ich das mal so sagen darf, neben den drei Herrschaften verblasst Tom. Ich weiß, Schande über mein Haupt. Liz, ab in die Ecke… aber hey, ein bisschen Gucken darf doch wohl noch erlaubt sein. Sammy, Sammy, du bist echt ein Glückspilz. Hat man dir das eigentlich jemals gesagt?
„Ah, so, jetzt sind wir startbereit für den Dschungel“, wirft Daniel mit einer Extraladung Enthusiasmus in die Runde, nachdem er die hundertste Hitzewelle an diesem Tag hinter sich gebracht hat.

„Oh ja“, kommt es vom Colonel, der zusammen mit Sam hinten auf der Laderampe herumhantiert. „Ich habe sogar mein Insektenspray eingepackt“, verkündet er und tätschelt einmal sehr liebevoll seinen Rucksack.

Ich sehe nur, wie Sam den Kopf schüttelt und höre Daniel neben seufzen. „Ja, Jack“, sagt er und schließt kurz seine Augen. „Das ist auch das Wichtigste.“

„Aber sicher doch, Daniel. Wenn Sie nach zwei Tagen eine wandelnde Windpocke sind, können wir gerne noch mal drüber reden“, grinst er seinen Teamkameraden an.

„Ja, ja…“, murmelt Daniel nur und verdreht einmal die Augen.

„Okay, Sir“, kommt es jetzt von Sam, als sie die Laderampe herunter springt. „Jetzt dürfte alles an seinem Platz sein.“ Sie wischt sich einmal schnell über ihre schweißnasse Stirn und sie scheinen selbst die kurzen Haare zu stören. Da hat sie es ja noch richtig gut, was soll ich denn mit meiner langen Mähne sagen? Sie klebt wie nasser Luftballon an mir. Nicht gerade sehr angenehm.

„Danke, Major“. Er nickt ihr kurz zu. „Das war’s dann. Auf geht’s.“

Hat er nicht eine Klitzekleinigkeit vergessen? Nur ganz minimal. Kaum von Bedeutung, nein, nein… „Äh, Colonel… Sir?“, Rufe ich ihn. Wie soll ich ihn eigentlich ansprechen? Tja, darüber werde ich mir wohl später Gedanken machen müssen, denn im Moment sieht mich ein ziemlich genervtes und ungeduldiges Augenpaar an. „Brauchen wir nicht noch ein paar Helfer?“ Er zieht nur seine Augenbrauen hoch.

„Nicht bei dieser Expedition.“

Huh? Wie war das? „Ich meine, Ihnen ist schon klar, dass wir den ganzen Weg nicht mit dem Jeep zurücklegen können, ja?“ Ich will ja nur mal drauf hingewiesen haben. Denn dieses ganze Zeug, was sich dort auf dem Wagen befindet, können wir nicht alleine schleppen.

„Ja“, sagt er, als er seine Kappe zurecht rückt und noch schnell seine Sonnenbrille aufsetzt.

Ja? Das ist alles? „Und?“, Bleibe ich hartnäckig.

„Und was, Sullivan?“

„Na ja, sollten wir nicht vielleicht welche dabei haben? Ich meine, ich habe ganz gute Kontakte…“

„Ich sagte doch, nicht auf dieser Expedition“, wiederholt er die Worte extrem ruhig. Das ist meistens nie ein gutes Zeichen, richtig? Richtig. Ein Blick in Sams Richtung gibt mir die Quittung. Jep, kein gutes Zeichen. „Haben Sie ein Problem damit?“

Ob ich ein Problem damit habe? Mal überlegen… Ähm… ja! Erstens wurde es mir untersagt mein Team mitzunehmen, meine Vertrauten, mit denen ich schon seit Jahren zusammenarbeite, zweitens musste ich einen Haufen von Papiere unterschreiben, damit ich überhaupt zurück zu meiner Ausgrabungsstelle darf und drittens ist das immer noch *meine* Ausgrabung. Ich atme einmal tief durch, um meine Ungeduld zu zügeln. Der kann doch nicht einfach machen, was er will, nur weil er bei der Air Force ist. So weit kommt’s noch! Ich habe ein Jahr – ein ganzes verfluchtes Jahr – darum gekämpft die Gelder für diese Expedition zusammenzukratzen und ich lasse mir das jetzt nicht durch irgendein machoartiges Verhaltensmuster eines Colonels versauen! Tut mir Leid, ist aber so! Es ist mir egal, wer er ist. Er kann von mir aus auch der Kaiser von China sein, das hier ist mir zu wichtig, um es mir jetzt zu verbauen. Helfer mögen ihm vielleicht als unnötig erscheinen, aber dennoch sind sie ein wichtiger Teil einer Expedition. Und es ist mir egal, dass er beim Militär ist! Also wirklich! Es ist doch nun wirklich nicht zu viel verlangt, oder? Ich meine, wenn schon keine Zivilisten, dann doch wenigstens ein paar Soldaten oder irgendeinen anderen fahrbaren Untersatz! So etwas müssen die doch haben! Wofür geben die denn bitteschön ihr ganzes Geld aus? Oder, oder ein Hubschrauber oder Flugzeug! Ich meine, wir sind hier bei der Air Force! Gerade die müssen diese Dinge doch haben! Wo bitte schön liegt denn da das Problem? Es tut mir Leid, aber ich sehe es nicht.

„Liz…“, sagt Sam ruhig und legt eine Hand auf meinen Arm.

„Jack…“, kommt es von Daniel.

Ich halte seinem kontrollierten Blick stand. Ich weiß, dass ich nicht so einfach nachgeben werde, da hilft auch nicht Sams stummer Blick, der mich anfleht es einfach darauf beruhen zu lassen. Nur weil der Colonel Stress mit Sam hat, braucht er seine schlechte Laune nicht an mir auszulassen. Aber schließlich ist er es, der einmal schwer schluckt und schließlich zu Sam hinüber schaut.

„Carter“, sagt er mit kontrollierter Stimme, so als ob nichts vorgefallen wäre. „Sie kommen mit mir nach vorne.“

Und das war’s. Damit dreht er sich um und steigt in den Jeep. Sam drückt mir noch einmal den Arm, bevor sie ihm folgt. Daniel seufzt nur leise und begibt sich dann ebenfalls ins Innere des Fahrzeuges.

Ja, das lief doch hervorragend. Die Expedition hat noch nicht mal angefangen und es sieht jetzt schon danach aus, als ob der Colonel und ich auf dieser Reise bestimmt nicht die besten Freunde werden.

Mit einem ebenso schweren Seufzen steige ich hinter Teal’c ein. Na das kann ja dann heiter werden.


+++++


Wir fahren jetzt bereits seit drei Stunden diesen Trampelpfad entlang und haben noch gute vier Stunden vor uns, bevor wir durch den Urwald marschieren dürfen. Ist schon merkwürdig hier hinten eingequetscht zu sitzen, wenn man sonst immer vorne sitzt und alles unter Kontrolle hat. Aber bisher scheinen Sam und der Colonel das ganz gut zu machen. Es ist wohl wahr, was man so hört, egal wie angespannt das Verhältnis zwischen zwei Offizieren auch sein mag, sie haben jedes einzelne Gefühl unter Kontrolle. Ich habe natürlich keine Ahnung, wie hier ansonsten so die Teamdynamik ist, aber bestimmt nicht so reduziert auf ein paar Befehle und ein „Ja, Sir.“

Ob ihr es glaubt oder nicht, aber dieser Jeep hat sogar ein eingebautes Navigationssystem, das die Bilder frisch vom Satelliten empfängt. Da glaub ich doch, mein Schwein pfeift. Aber eines hat mich die jahrelangen Reisen in die Urwälder dieser Erde gelehrt. Die Technik kann noch so fortschrittlich sein, gegen die Natur zieht sie grundsätzlich den Kürzeren. Würde mich auch überraschen, wenn nicht. Immerhin hat sie sich schon seit Millionen von Jahren behauptet.

Mit dem Colonel habe ich kein Wort mehr gewechselt. Ich habe mich nicht auf ein schmollendes und trotziges Etwas reduziert, aber ich glaube, wenn wir jetzt noch eine Auseinandersetzung haben, explodiere ich. Ihm scheint es ganz offensichtlich nicht anders zu gehen, denn selbst ich kann sehen, wie angespannt seine Gesichtszüge sind. Deswegen habe ich mich mehr oder weniger darauf konzentriert mit Daniel meine Arbeit durchzugehen. Dieser Mann ist im wahrsten Sinne des Wortes ein wandelndes Sprachlexikon. Auf den ersten Blick macht er gar nicht den Anschein, aber er kann doch tatsächlich lesen, was dort steht. Ich ziehe hier ehrfürchtig meinen Hut. Respekt. Er und Teal’c scheinen, was das angeht, ein eingespieltes Team zu sein. Wenn er mal was nicht weiß, hat Teal’c die Antwort parat. Dabei weiß ich noch nicht mal, was Teal’c eigentlich ist… Und ich komme mir mal wieder mehr wie nur das fünfte Rad am Wagen vor. Man hat mir noch nicht mal Einzelheiten verraten. Ich weiß lediglich, dass ich nicht über diese Expedition reden darf, so geheim scheint sie zu sein. Frage mich zwar ernsthaft, was an einer Mayastätte dermaßen geheim sein soll, aber bitte, wenn die Herrschaften meinen.

„Ich denke, dass wir nicht nur nicht in der fünften Welt leben, sondern, dass diese Rechnung schon viel früher begonnen hat“, sagt Daniel und sieht mich ernst an.

„Noch früher?“

„Ja, ich meine, hier ist die Rede von Ra und Apophis, aber laut der Geschichte muss es davor noch was gegeben haben. Vor Ra und Apophis waren noch andere hier, aber die Inschriften sind zu undeutlich.“

„Diese Zeichnungen hier unterscheiden sich schon von den anderen Mayazeichnungen“, gebe ich zu. Sie haben im Grunde nicht mal Ähnlichkeit mit den bekannten Entdeckungen. „Aber was ich bisher sagen kann, ist, dass, wenn wir davon ausgehen, dass das hier noch vor der bekannten Mayazeit erstellt wurde, dann ist es doch vollkommen nachvollziehbar. Ich meine, wir sprechen hier bestimmt von einem Zeitraum von guten tausend bis zweitausend Jahren- vor der Epoche der Maya.“

„Richtig, richtig, aber sehen Sie mal hier.“ Er zeigt mir eine Fotografie, die nur so mit diesen merkwürdigen Zeichen übersät ist. „Hier steht: ‚Nach der Katastrophe kamen die Götter der Sonne und Dunkelheit.’ Damit sind Ra und Apophis gemeint. Aber vorher muss noch irgendwas passiert sein.“

„Wissen Sie auch was?“, Frage ich jetzt wirklich neugierig. Mensch, ich wünschte, ich könnte das lesen!

Aber Daniel schüttelt nur mit einem Seufzen den Kopf. „Nein, leider nicht. Hier steht nur alles über den Kampf zwischen Ra und Apophis geschrieben… Sklaverei, Tod und so weiter, das Übliche halt. Ich denke, wenn wir dort sind, werden wir mehr Glück haben.“

Ist auch unsere einzige Chance. Aber es wurmt mich dennoch. Der Gedanke, dass es dort eine kulturelle Überschneidung gab, ist irgendwie störend. Es ist total aufregend, aber es wirft alles über den Haufen, was ich mir all die Jahre aufgebaut habe. Okay, gerade das macht es ja so herausfordernd. Man stellt eine Theorie auf und erkennt dann, dass sie nicht stimmt. Man hat im Grunde nie verloren, denn entweder konnte man das, was man angenommen hatte, beweisen, oder man hat etwas ganz Neues entdeckt. So oder so, man hat immer gewonnen. Aber jetzt nicht zu wissen, was der Auslöser war, nagt schon an mir. Und diese vier Menschen hier scheinen mehr darüber zu wissen, als sonst jemand.

„Daniel, kann ich Sie was fragen?“ Okay, Liz, einfach die Katze aus dem Sack lassen. War noch nie der Mensch gewesen, der immer um den heißen Brei redet. Lieber gleich zur Sache kommen und dann wissen, wo man steht.

„Sicher.“

„Das ist doch nicht wirklich ägyptisch oder irgendeine andere Sprache, die man bisher hier gefunden hat. Woher können Sie es dann lesen?“

Was? Habe ich mit dieser Frage jetzt in ein Wespennest gestochen? Sam wirft einen flüchtigen Blick über die Schulter und der Colonel betrachtet uns durch den Rückspiegel. Oh ja, sie sind alle gespannt auf seine Antwort. Daniel räuspert sich kurz. „Also, so ganz richtig ist das nicht. Im Grunde ist es nichts anderes als die Sprache der Ägypter, nur eben eine sehr, sehr alte Variante… mit Dialekten und kleineren Abwandlungen.“

Ah ja… schon klar. Selbst ich merke, dass noch mehr dahinter steckt. Ich meine, man sollte mal die Blicke sehen, die hier ausgetauscht werden. Sam und der Colonel, Sam mit Daniel, der Colonel mit Daniel und dann noch einmal die ganze Runde mit Teal’c. Wie das sprichwörtliche fünfte Rad am Wagen. Jup, das bin ich. Das fünfte Rad am Wagen.

„Liz“, beginnt Sam zögernd und wirft dem Colonel noch einen schnellen Seitenblick zu, bevor sie mit ihrer Zunge einmal über ihre Lippen fährt. Egal, was sie mir gleich sagen wird, es ist etwas, was offensichtlich nicht so einfach zu erklären ist. Ich bin schon ganz Ohr. „Was du heute unterzeichnet hast, untersagt es dir mit egal wem über das, was wir hier finden werden zu sprechen. Verstehst du? Du darfst mit niemanden – und ich meine niemanden, weder deine Familie, noch Tom, noch deine Kollegen…“

Moment Mal! Ich lache kurz auf. Das ist doch wohl ein Scherz, oder? Nicht wahr? Ein dummer Scherz der Regierung. Nichts weiter. „Sam!“ Ich sehe sie mit weit aufgerissenen Augen an. „Du kennst doch John, David und Marcie. Die würden nie jemanden etwas erzählen. In unserem Team herrscht so etwas wie eine vertraute Schweigepflicht! Nenn es von mir aus einen Ehrenkodex, aber ich dachte, dass ich zumindest ihnen sage könnte... und du, du, hast sie doch selbst kennen gelernt…“

„Ich weiß, Liz. Ich weiߓ, unterbricht mich Sam. „Aber niemand“, sagt sie mit einem Kopfschütteln.

„Niemand?“

„Niemand.“

Es herrscht eine kurzes Schweigen.

„Niemand, wie niemand niemand?“ Ich will nur ganz sicher gehen. Es könnte ja sein, dass meine Ohren ein paar missverständliche Schallwellen aufgenommen haben, die dann falsch in meinem Gehirn übersetzt wurden. Ist bestimmt schon mal vorkommen.

„Liz“, mahnt sie mich leicht ungeduldig.

„Okay, okay, ich habe schon verstanden“, lenke ich ein. Ich kneife kurz meine Augen zusammen. „Wirklich niemand?“

Mit einem Stöhnen verdreht sie die Augen und ich sehe aus meinem Augenwinkel heraus, wie Daniel versucht sich ein Lachen zu verkneifen.

„Liz, das ist wirklich ernst“, ermahnt sie mich leicht ungeduldig.

„Ich weiß, entschuldige. Es ist nur, weißt du, ich arbeite mit diesen Menschen jetzt seit über sechs Jahren zusammen und, und wir sind ein Team. Wir vertrauen uns. Wir haben uns geschworen, dass niemand jemals irgendwelche Alleingänge macht. Wir sind ein Team, Sam. Im Grunde missbrauche ich ihr Vertrauen, verstehst du? Ein Team.“

„Ja“, sagt sie mit einem Nicken. „Ich verstehe was du meinst. Ich verstehe sogar sehr gut, was du meinst. Glaub mir.“ Und als ich mich in diesem Jeep umsehe, merke ich, dass sie mir die Wahrheit sagt. Hier sitzen die Leute, die ihr Team sind, vermutlich ihre kleine Familie, wie mein Team zu meiner Familie geworden ist. Ja, ich glaube ihr. „Ich wünschte wirklich, dass es anders wäre, aber das ist es nicht. Ich weiß genau wie das ist.“ Ja, das habe ich bereits gemerkt. Bis dato konnte ich es nie wirklich nachvollziehen, aber jetzt befinde ich mich im Grunde in genau derselben Position und Mann, ist das beschissen. Alles zu wissen und nichts darf man davon erzählen!

„Okay, ich bin ganz Ohr“, öffne ich mich schließlich. Was soll’s? Zurück kann ich eh nicht mehr. Ob ich jetzt unwissend sterbe oder wenigstens mit etwas Gewissheit. Und wer weiß, vielleicht erfahren es meine Kollegen doch noch irgendwann. Es macht mich nicht stolz, ganz und gar nicht, aber ich befinde mich im Moment mitten in der Einöde und wir sind auf den Weg zu einer Ausgrabungsstelle, die der Regierung so wichtig ist, dass niemand davon wissen darf, also habe ich ja zumindest das gute Recht zu erfahren, was hier los ist.

„1928 wurde in Gizeh ein Apparat entdeckt, den wir Stargate nennen. Dieses Stargate, das aussieht, wie ein großer runder Kreis, ist mit Hilfe von massig Energie dazu in der Lage ein Ereignishorizont zu etablieren…“ Und so weiter und so weiter… Ob ich bereits diesen nichts sagenden Ausdruck auf meinem Gesicht habe? Also, irgendwo zwischen Ereignishorizont, Wurmloch und anderen Planeten, hat mein Film einen Riss bekommen. Versteht mich nicht falsch, Sam hat es so einfach erklärt, dass es selbst ein Grundschüler verstehen kann, aber kapieren tu ich es trotzdem nicht. Meine Lippen sind zusammengepresst und ich nicke ein paar Mal. Ob es auffällt, dass ich im Grunde keine Ahnung von dem habe, was sie mir da gerade erzählt hat? „Und was sagst du?“ Sie beißt sich zögernd auf ihre Unterlippe und sieht mich erwartungsvoll an. Genau wie drei weitere Augenpaare.

„Seid ihr verrückt?“, stelle ich schließlich die Frage, die mir schon die ganze Zeit durch den Kopf schwirrt. Ich sehe so etwas wie Enttäuschung in Sams Blick. Gut, Liz, jetzt atme einmal tief durch und dann gehst du das ganz logisch an. „Okay, nur dass ich das richtig verstanden habe. Bei euch im Berg, unter der Erde, steht ein außerirdisches Gerät, welches einem ermöglicht auf andere Planeten zu reisen? Planeten, die auch außerhalb unseres Sonnensystems liegen. Und auf dieser Reise durch dieses ‚Wurmloch’“ Ich wackle mit meinen beiden Mittel- und Zeigefinger, „wird unser Körper in winzige Teilchen aufgelöst und am Ende, wenn wir auf dem anderen Planeten rauskommen, ist er wieder vollständig zusammengesetzt, ja?“

„Ja, genau“, stimmt mir Sam zu.

„Und das ist auch sicher? Ich meine, die Vorstellung in seine Urbestandteile zerlegt zu werden ist nicht wirklich angenehm. Nicht, dass hinterher irgendwas fehlt. Ein Atom oder so. Das kann doch nicht verschwinden, oder?“

Erst werde ich nur angestarrt, aber dann beginnt Sam zu lachen. „Liz“, schmunzelt sie, „wo soll es denn hin?“

„Na, keine Ahnung! Vielleicht auf einen anderen Planeten? Es gibt doch Millionen dort draußen.“

„Das passiert bestimmt nicht“, versichert sie mir. „Ein Wurmloch kann nur zwischen zwei Toren aufgebaut werden.“

„Gut, ich wollte nur ganz sicher gehen.“ Das ist verrückt. Absolut und vollkommen verrückt. „Und auf diesen Planeten befinden sich böse Außerirdische?“

„Nicht überall. Aber es kommt vor.“

„Keine kleine, grüne Männchen?“ Meine Sorge, dass Sams tägliche Flucht unter die Erde vielleicht doch irgendwelche Auswirkungen haben könnte, macht sich urplötzlich wieder in meinem Bauch breit.

„Grau“, kommt es von Colonel.

„Wie bitte?“

„Sie sind grau, nicht grün.“ Er dreht sich halb zu mir um und mir bleibt sprichwörtlich das Herz im Halse stecken! Herr Gott noch mal, schau auf die Straße! Das Gelände ist alles andere als sicher. Und wenn ich ehrlich bin, dann verspüre ich nicht gerade das besonders große Verlangen auf ein Kreuz am Straßenrand reduziert zu werden, welches so großzügig daraufhin weist, wie viele Menschen hier schon ihr Leben gelassen haben. Oh nein, nein, nein, ich gehöre auf keinen Fall dazu und die anderen werden es auch nicht! Also, Kopf nach vorne, Augen geradeaus! Die Worte liegen bereits auf meinen Lippen, bevor er betont langsam wieder nach vorne schaut. Atmen, Liz, du kannst wieder anfangen zu atmen...dieser verdammte... Mann!

„Oh… natürlich, hatte ich vergessen“, murmle ich noch leicht benommen. Verdammt, sollte er das auch nur noch einmal machen, steige ich aus und gehe zu Fuß. Und es ist mir egal, wie weit es noch ist. Auf meine Füße kann ich mich wenigstens verlassen.

Er und Sam tauschen einen kurzen Blick aus, der aber aussagekräftiger nicht hätte sein können. „Liz, ich weiß, dass ist schwer für dich zu verstehen, aber glaube mir, ich sage dir die Wahrheit.“

Ich schiele von ihr zu Daniel, der nur leicht zustimmend die Schultern zuckt. Oh kommt schon, Leute! Daniel! Dass glauben Sie doch nicht wirklich?!

„Ich habe herausgefunden, welche Adresse nötig war, um es zu einem Planeten zu öffnen und dank Sam ist es seit fast fünf Jahren in Betrieb.“ Ich muss ihn vollkommen apathisch angestarrt haben. Wie bitte?

„Ich hatte schon erwähnt, dass ihr verrückt seid, nicht wahr?“

„Teal’c“, kommt es vom Colonel und es klingt mehr wie eine Aufforderung, als eine Frage. Jedenfalls scheint dieser genau zu wissen, was von ihm verlangt wird und er zieht sein T-Shirt hoch. Und… oh mein Gott… was ist *das*?

Ich habe mich ja schon ehrlich gesagt über sein goldenes Emblem auf der Stirn gewundert, aber wenn man bedenkt, dass ich bereits in einem Dorf war, wo sich die Leute ganze Teller in die Lippe geschoben haben, ist ein goldenes Tattoo eine kleine Nebensache. Manche Menschen lassen sich ganz andere Sachen auf ganz andere Körperteile tätowieren… aber einen aufgeschlitzten Bauch ist da schon was ganz anderes. Aber das ist ja noch nicht alles… nein, aus seinem Bauch kommt ein quietschendes, fiependes Etwas gekrochen… „Gott… ist das ekelig“, würge ich hervor.

„Endlich sind wir mal einer Meinung“, höre ich dem Colonel murmeln. Und dann verschwindet diese merkwürdige Kreatur glücklicherweise wieder in dem Mann.

Glaubt mir, wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, ich wäre ohne Umschweife auf Daniels Schoß geklettert. Das ist ja widerlich! Das, das ist… so ein Viech, welches angeblich der größte Feind der Menschheit ist, sitzt direkt neben mir! Das ist doch ein vernünftiger Grund leicht in Panik zu geraten, ja? Das ist weder unprofessionell noch total hysterisch, nicht wahr? Es ist jetzt vollkommen normal, dass ich gleich DURCHDREHE, ja?

„Du brauchst vor Teal’c keine Angst zu haben“, versucht Sam mich zu beruhigen.

„Ha!“, lache ich auf und beuge mich zu ihr nach vorne. „Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, aber der hat ne Schlange in seinem Bauch.“

„Ich weiß. Aber dennoch ist Teal’c einer von uns.“

Rede ich eigentlich chinesisch oder sind die alle blind? „Sam, du verstehst nicht, der hat ne Schlange in seinem Bauch!“, wiederhole ich meine Worte langsam mit einer schwankenden Hysterie in meiner Stimme.

„Teal’c wird nicht von dem Symbionten beherrscht. Er ist ein Jaffa.“

„Jaffa?“ Oh das erklärt natürlich alles! Na wenn das so ist... warum machst du dir eigentlich Sorgen, Liz? Mensch, er ist ein Jaffa! Entschuldigt, hatte ich ganz vergessen. Leute, bitte nehmt das jetzt nicht persönlich, aber ihr habt einen Knall. Alle durch die Bank.

„Liz?“, holt mich Sam wieder zurück zum Thema… und Mensch, was für’n Thema. Mir ist jetzt noch ganz schummrig. „Alles in Ordnung?“, Fragt sie mich vorsichtig.

Und, meine Lieben, glaubt mir, wenn ich sage, dass ich das erste Mal in meinem Leben sprachlos bin. Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Mir fällt nicht mal ansatzweise ein, wie ich darauf antworten soll. Mein Mund steht offen, aber kein Ton kommt heraus. Im Grunde ist es eine Schande, dass mir kein passender Spruch einfällt, sonst kann die Situation noch so verrückt sein, aber ich kann mich immer drauf verlassen, dass mir etwas Passendes – oder auch mal gelegentlich etwas Unpassendes – einfällt. Aber hier? Alles wie weggeblasen. Nada, nichts, einfach nur leer. Selbst ein Vakuum könnte dieses Vakuum ausfüllen.

Und so bleibt mir nichts anderes übrig, als meinen Mund wieder zu schließen. Nicht, dass mein Herz noch kalt wird und ich an Unterkühlung sterbe.


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Wir brauchen also keine Helfer, ja? Vor knapp zwei Stunden waren wir am Grenzscheit unserer Wege angelangt und erwartet wurden wir von nur einem Offizier, der den Jeep wieder heile zurückfahren würde – ohne die Ausrüstung versteht sich. Und keine weiteren Soldaten, die uns etwas Last abnehmen. Was war noch gleich der Grund? Ach ja, angeblich seien die Soldaten, die befugt wären auf dieser Mission dabei zu sein, im Moment unabkömmlich. Sie haben selbst Mission, die Vorrang haben! Mensch, wenn ich gewusst hätte, dass ich hier Packesel spielen darf... na ja, nur nicht aufregen, bringt eh nichts. Also wurde alles herunter geladen und zum Teil die Boxen geöffnet. Mit meiner anfänglichen Vermutung bezüglich der Waffen habe ich gar nicht mal so falsch gelegen. Die vier haben sich dieser metallischen Geschosse wie selbstverständlich bedient. Selbst Daniel hat sich ausgerüstet, zwar nicht mit so einem MP - Dingsbums… wie auch immer dieses Gerät heißen mag, aber zwei Handfeuerwaffen verschwanden in seiner Halterung.

Obwohl es hier unerträglich heiß ist, dass selbst die kleinste Handbewegung einen das Gefühl gibt den ganzen Tag durchgeschuftet zu haben, läuft es mir eiskalt den Rücken hinunter. Ich hasse Waffen. Ich hasse sie wirklich. Sie sind gefährlich und machen mir Angst. Ich habe mich immer von Waffen fern gehalten. Selbst in der heutigen Zeit hatte ich noch nie das unbeschreibliche Verlangen gespürt mal eine richtige Waffe, mit richtiger, scharfer Munition in der Hand zu halten. Denn eines habe ich gelernt, egal wo es Waffen gibt, werden die auch eingesetzt und dann gibt es Verletzte, wenn nicht sogar noch schlimmer – Tote. Und, und Sam jetzt bis unter beide Arme bewaffnet vor mir stehen zu sehen, das ist etwas… diese Sam kenne ich nicht. Das ist nicht meine Sam. Das ist Major Carter – Sam. Ich frage mich, wozu man sich so bewaffnen muss, wenn man sich lediglich eine Ausgrabungsstelle ansieht. Gut, es ist keine absolut sichere Gegend, hier und da tauchen schon mal ungebetene Gäste auf, aber das hier… ich habe das Gefühl in einem Krieg zu ziehen. Oder glauben die etwa irgendwelche Außerirdischen werden uns einen Besuch abstatten?

Die anderen drei Boxen waren dann wohl doch tatsächlich mit Ausrüstung ausgestattet. Eine für Sam und eine Box für Daniel, was sich in der anderen befindet weiß ich nicht. Vielleicht ja so etwas Nützliches wie auch lebenswichtige wie Nahrung? Bin mal gespannt, was Daniel darin alles versteckt hat… aber noch mehr interessiert es mich, was Sam da mit sich schleppt. Immerhin ist sie nicht die Archäologin unter uns und genau dieser Gedanke lässt mich unweigerlich zu der Schlussfolgerung kommen, dass es dort etwas geben muss, dass nicht nur interessant für uns Vergangenheitserkundler ist.

Zu meiner Schmach muss ich gestehen, dass ich hier die einzige im Team bin, die nicht wirklich durchtrainiert ist. Ich habe keine Probleme damit lange Strecken zurückzulegen, das gehört alles zu meinem Job dazu, aber ich habe noch nie so eine Strecke, in so kurzer Zeit, so voll gepackt zurückgelegt. Ich übertreibe keineswegs, wenn ich sage, dass ich jeden einzelnen Knochen – Mensch, sogar jede Zelle – meines Körpers spüren kann. Selbst an Stellen, wo ich dachte, dass sich dort die Muskeln schon längst verabschiedet hätten. Ich weiß jetzt schon mit hundertprozentiger Sicherheit, dass ich mich morgen keinen Zentimeter bewegen kann und dann auch nur unter schweren Protest meines gesamten Körpers.

Kurz bevor der Colonel endlich das Zeichen gibt Rast zu machen und das Lager für die Nacht aufzuschlagen – in diesem Moment hätte ich ihm am liebsten die Füße geküsst, wenn meine Knie nicht so rebelliert hätten – bin ich gewillt nicht auch noch einen einzigen Schritt zu machen. Wenn es nötig gewesen wäre, ich wäre an Ort und Stelle zusammengeklappt. Ich bin fix und fertig, K.O., fertig mit der Welt und so ist es kein Wunder, dass ich die Box, die ich mit Sam getragen habe, mit einem erleichterten und schweren Seufzen auf den Boden fallen lasse. Über *diesen* Inhalt werde ich noch mal ein Wörtchen mit ihr reden müssen. Was schleppt sie da mit? Zementblöcke? Ich plädiere stark dafür, dass wir uns einen praktischen, fahrbaren Untersatz für die Kisten anschaffen.

Aber das kann definitiv noch warten. Jetzt bin ich erst einmal zufrieden, hier im Zelt zu liegen und mich nicht rühren zu müssen. Sam und ich dürfen dieses schmucke Zelt unser mobiles Schlafzimmer nennen. Nur leider kann ich nicht die Ruhe finden, von der ich vor einer halben Stunde noch gedacht hatte, dass sie mich jede Sekunde überrennen würde. Zu viel schwirrt mir noch durch den Kopf. Während der gesamten Reise hierher, habe ich mir Gedanken über das gemacht, was Sam mir erzählt hat. Es klingt einfach zu unglaublich, als dass es wahr sein könnte! Gib einem Produzent und einem Drehbuchautor diese Story und kein Jahr später ist es der Blockbuster in allen Kinos, aber so was soll wirklich passieren? Oder besser noch, ist schon seit knapp fünf Jahren in Hochbetrieb? Mensch, wenn nicht Sam diejenige gewesen wäre, die es mir erzählt hätte, ich hätte keine Sekunde gezögert und die Jungs mit den weißen, schicken Jacken angerufen. Aber da liegt das Problem. Sam hat es mir erzählt. Und sie ist der bodenständigste Mensch, den ich kenne. Warum sollte sie sich so was ausdenken? Und auch der Colonel… nur weil wir beide bisher nicht besten Freunde waren, traue ich ihm nicht zu, dass er sich so etwas aus dem Hut zaubern würde. Nie und nimmer. Dazu ist er mir viel zu... Militär.

Gott, es wäre ein total ignoranter und primitiver Gedanke überhaupt anzunehmen, dass wir die einzigen Lebewesen im Weltall wären. Nicht einmal der verborteste Wissenschaftler der Welt kann das behaupten. Ich hätte ehrlich gesagt nur nie damit gerechnet dem Ganzen *so* nahe zu kommen. Für meinen Geschmack ein klein wenig zu nah. Ha, und nur wenige Meter von mir entfernt befindet sich der lebende Beweis und laut dem, was ich heute erfahren habe, muss er sich schon seit gut fünf Jahren auf diesem Planeten befinden und Sam arbeitet mit ihm zusammen. Sie sind zusammen in einem Team. Wie verrückt ist das?

Ziemlich verrückt, nicht wahr? Aber niemand hier scheint damit ein Problem zu haben und ich werde ganz bestimmt nicht diejenige sein, die deshalb ausflippt. Denn im Grunde sieht Teal’c aus wie ein ganz normaler Mensch. Solange er nicht wieder sein T-Shirt anhebt, ist er ein ganz normaler Mensch. An ihm ist nichts besonderes… ein ganz normaler Mensch. Vielleicht ein bisschen wortkarg, aber ein Mensch. Wie du und ich… Siehst du, Liz, klappt doch prima.

Und… ouch! Was ist das? Aber ich brauche mich gar nicht umzudrehen, um zu wissen was oder besser *wer* das ist. Sam scheint einen sehr lebhaften Schlaf zu haben. Denn unweigerlich folgt ein Tritt direkt in meine Kniekehlen. Au! Herr Gott noch mal! Das tut weh! Ich bin drauf und dran mich zu ihr umzudrehen und sie zu fragen, was sie sich denn bitte schön dabei denkt, als es plötzlich still neben mir wird. Dann nach einer kurzen Pause folgt ein Rascheln und ich höre, wie sie sich neben mir aufsetzt und das Zelt öffnet. Ich verharre in meiner Position und beobachte aus dem Augenwinkel heraus, wie sie vorsichtig aus dem Zelt krabbelt.

Mensch, das muss ja ein Traum gewesen sein. Bestimmt nicht schön. Wenn man so um sich schlägt. Ich hatte es mich einmal gewagt Sam nach einem Alptraum anzusprechen und seit diesem Tag habe ich mir geschworen es nie wieder zu tun. Es war nicht so, dass Sam unbedingt böse auf mich gewesen war, es war etwas anderes, ich kann es heute noch nicht genau beschreiben. Aber eines ist gewiss, für Sam gibt es nichts schlimmeres, wenn man sie schwach sieht. Sie war schon immer die Starke, egal worum es ging. Sei es einfach nur, dass sie sich verletzt hatte und um nichts in der Welt in Tränen ausbrechen wollte, sondern sich solange auf die Zunge biss, bis der Schmerz einigermaßen erträglich war. Sie war schon immer ein Soldat gewesen, selbst als die Air Force noch Jahre entfernt war.

„Hey, Carter“, höre ich den Colonel leise sagen, als sich Sam neben ihm an das Feuer setzt. Sie hat das Zelt nicht wieder geschlossen, so dass ich durch den Schlitz hinaussehen kann. Sie sitzen nicht gerade Hüfte an Hüfte, aber nahe genug, um sich zu unterhalten, ohne die Stimme besonders laut zu erheben.

„Sir“, antwortet sie.

„Sie sollten schlafen. Morgen wird noch ein anstrengender Tag.“

„Genau wie Sie“, antwortet Sam leise und ich sehe, wie sie auf die glühende Asche hinunterschaut.

„Ja“, seufzt er. „Ist nur ungewohnt auf einer Mission keine Wache zu schieben.“

Und jetzt, wo ich ihn so betrachte und reden höre, dann ist er nicht mehr der Colonel, dem ich noch vor wenigen Stunden gegenüberstand. Gott, er und Sam sind sich in dieser Sache so ähnlich. Man könnte hier sogar den Vergleich mit Jackle und Hyde wagen. Zwei vollkommen unterschiedliche Menschen in einer Person. Tagsüber die Soldaten und wenn niemand hinsieht, sickert die andere Seite durch. Und wenn ich mir das hier so betrachte, dann auch nur in Maßen. Mir persönlich wäre diese ständige Maskerade viel zu anstrengend. Selbst jetzt kann sich Sam nicht entspannen. Ich sehe, wie sie hinunter auf ihre Uhr schaut.

„Dann wäre in zwanzig Minuten meine Schicht, Sir.“

Er lacht leise. „Ja.“ Schließlich schaut er zu ihr auf und ich sehe ein merkwürdiges Glitzern in seinen Augen. Aber ich kann mich auch irren. Das Feuer ist auch nicht mehr das, was es noch vor einer Stunde mal war. „Wissen Sie, ich habe gar nicht das Gefühl auf der Erde zu sein.“

Sam lächelt ebenfalls. „Wir waren aber noch nie in so einem Regenwald, Sir.“

„Nein“, sagt er kopfschüttelnd. „Wir hatten normale… Kansas-Wälder.“

„Wüste.“

„Wasser.“

„Oh ja… und Eis…“, flüstert sie leise, aber diesmal wendet er schnell seinen Blick ab. Woah, was war das? Habe ich hier etwas verpasst?

„Eis…“, murmelt er. Sam, für ihren Teil, findet ebenfalls das Feuer viel interessanter. Ich habe hier definitiv etwas verpasst. Wie kann die Stimmung denn plötzlich nur so umschlagen? Sam, ich glaube, wir müssen uns noch mal ernsthaft unterhalten. Aber diesmal richtig. Wow... die Befangenheit der beiden schwappt förmlich zu mir rüber. Die beiden schaffen es doch tatsächlich sich bestimmt ganze fünf Minuten einfach nur anzuschweigen! Ist das zu fassen? Meiner einer wäre schon längst verrückt geworden. Nicht, dass ich ständig jemand am quasseln haben muss, aber dieses Schweigen ist so bedrückend, dass es schon praktisch wie eine schwere Gewitterwolke über den beiden hängt.
„Also“, sagt er schließlich mit einem Räuspern und etwas heiterer, aufgesetzten Stimme. Man muss ihm zumindest anrechnen, dass er es versucht. Junge, und ich habe Probleme? „Denken Sie, der Doc wird es schaffen?“ Meint er damit etwa mich? Was soll ich schaffen?

Sam, offensichtlich mehr als erleichtert, dass er das Thema gewechselt hat, schaut zu ihm auf. „Es mag für sie im Moment zwar alles etwas überwältigend sein, aber ich denke, Sie können sich auf Liz verlassen.“ Oh, vielen Dank. Ich wusste doch, dass er mich nicht dabeihaben will und jetzt muss Sam dafür gerade stehen? Ich will gar nicht wissen, was sie dem General alles erzählt hat, damit ich hier jetzt liegen kann und das Vergnügen habe sämtliche Muskeln zu spüren. Sam legt ihren Kopf leicht schief und beobachtet ihn durch leicht zusammengekniffene Augen. „Sie vertrauen ihr nicht?“ Was für eine Überraschung! Hätte ich jetzt nicht gedacht.

Und er zuckt nur mit den Schultern. „Ich vertraue *Ihnen*, Carter. Wenn Sie der Meinung sind, dass Dr. Sullivan es schafft, dann reicht mir das.“ Mensch, ich will nur ein klitzekleines Stückchen von diesem Vertrauen abhaben. Kein Wunder, dass Sam ihn anlächelt als habe man ihr gerade das größte Geschenk auf Erden gemacht und vermutlich in ihrer Welt, hat man das auch. Denn, wenn ich genau drüber nachdenke, ist so ein Kompliment von einem höherrangigen Offizier das wohl dickste Lob, welches man bekommen kann. Und sie strahlt wirklich. Sie strahlt. Meine Sam strahlt wieder. Oh, Süße, das solltest du viel öfters tragen. Steht dir um einiges besser.

„Danke, Sir“, sagt sie leise. „Das bedeutet mir viel.“

„Nur die Wahrheit, Carter. Nur die Wahrheit.“

„Ich weiß ja, was Sie von Wissenschaftler halten…“

Bei dieser Bemerkung fliegt sein Kopf nach oben. „Oh, ich liebe Wissenschaftler, Carter.“ Oh ja, ich habe gemerkt, wie sehr er mich *geliebt* hat. Wahnsinnig. Konnte mich kaum vor seinem Charme retten.

„Wirklich?“ Der Sarkasmus in ihrer Stimme ist nicht zu überhören, auch wenn ich mir sicher bin so etwas wie einen Funken von Sicherheit heraus zu hören.

Er räuspert sich kurz. „Na ja, ein paar sind mir ganz… sympathisch.“ Er zuckt kurz mit den Schultern.

„Genau...“, stimmt ihm Sam keinesfalls überzeugt zu. „Wenn ich mich recht erinnere, dann standen Daniel und ich anfangs auch nicht gerade auf Ihrer Liste ganz oben.“

„Hey“, unterbricht er sie, aber verstummt dann wieder, weil er absolut keine Ahnung hat, wie er seinen Satz weiterführen soll.

„Ist es denn nicht so?“, fragt sie weder beleidigt noch verletzt, sondern einfach nur neugierig.

„Nein.“

Sam schweigt.

„Okay... aber Daniel war oder ist... eben Daniel und Sie, na ja... Sie...“ Unbeholfen fuchtelt er mit seiner Hand herum. „Carter, Sie sind Major...“

„... und Wissenschaftlerin“, beendet sie großzügig für ihn den Satz. Und dann, zu meiner und Colonel O'Neills großer Überraschung fängt sie leicht an zu lachen. „Aber Sie hatten allen Grund mich nicht zu mögen. Gott, wenn ich heute daran denke, wie ich mich damals benommen habe. Kein Wunder, dass Sie mich gehasst haben.“

„Ich habe Sie nicht gehasst.“

Sam bedenkt ihn mit einem skeptischen Blick. „Ich bitte Sie, nachdem, was ich zu Ihnen gesagt habe? Das hätte als Beleidigung eines Höherrangigen Offiziers durchgehen können.“

Huh? Wie? Sam hat ihn beleidigt? Oh weiha... was hatte er gemacht, damit Sam dermaßen ihre Fassung verliert?

„Dann können Sie ja von Glück reden, dass es mich eher amüsiert hat.“

„Sir?“ Joah, das interessiert mich jetzt aber auch.

Mit einem rätselhaften Lächeln, lehnt er sich leicht zurück. Für einen ganzen Moment antwortet er ihr nicht, sondern sieht sie einfach nur an. „Wissen Sie, Carter, irgendwann werde ich noch mal auf Ihr Angebot zurückkommen.“ Wowowowow, Moment Mal. Jetzt noch mal ganz langsam. WAS? Das hier geht aber weit darüber hinaus, was man als eine leicht zweideutige Unterhaltung betiteln könnte. Was in Gottes Namen ist hier los? Und, Sam? Was für ein Angebot??? Könnte mich hier bitte mal jemand aufklären? Während ich hier mit dimensionalen Wissenslücken kämpfe, scheine ich förmlich das Klimpern von Sams Wimpern zu hören.

„Sir?“

„Na ja, denken Sie nicht, dass ich Ihr Angebot mit mir Armdrücken zu wollen, vergessen habe.“ Häh? Armdrücken? Wie jetzt?

Doch dann wird sein Blick irgendwie verträumt, so als wenn er sich auf einer ganz anderen Ebene bewegen würde. „Können Sie sich noch an das erste Mal durch das Tor erinnern?“

„Oh ja“, lacht Sam auf. „ Ich hatte Angst, dass Sie mich wieder aus dem Team schmeißen würden.“

„Ehrlich?“

Diesmal ist sie, die mit den Schultern zuckt. „Na ja, wirklich professionell habe ich mich nicht benommen.“

„Ich habe Sie durch das Tor geschubst.“

„Ja, aber nur weil ich zu aufgekratzt war.“

Er schüttelt nur den Kopf. „Das war ganz normal. Bei meinen aller ersten Einsätzen war ich genauso. Es hat mich nur an das erinnert, was ich einmal war.“

„Sir...“

„Nein, ehrlich, Carter. Halb so wild. Alte Sentimentalität und Bewunderung.“

„Bewunderung?“ Verblüfft zieht Sam ihre Augenbrauen hoch.

So, als ob es im leicht peinlich wäre, nickt er leicht mit Kopf. „Ich habe Sie bewundert für Ihren Enthusiasmus.“

Wow, ein paar simple Worte und Sam hat es die Sprache verschlagen. Sie starrt ihn förmlich mit offen stehenden Mund an. Ja, mir geht es ähnlich. Der Colonel ist ungewöhnlich offen und irgendwie ist das... merkwürdig. Sam rutscht schließlich etwas nervös auf ihrem Platz herum. Und dann kommt es. Also, ich bin mir nicht sicher, ob mir meine Ohren einen schlechten Streich gespielt haben, aber wenn mich nicht alles täuscht, dann höre ich noch ein „Tue ich immer noch“, von ihm gemurmelt. Definitiv mehr als zweideutig. Aber ich kann mich natürlich auch nur geirrt haben. Die Geräuschkulisse im Dschungel ist enorm. Mann oh Mann, was man nicht so alles erfährt. Und solche wichtigen Informationen hält mir Sam vor? Mensch, ich scheine hier nicht der einzige Blindfisch zu sein! Aber ich werde mich hüten auch nur irgendwas in diese Richtung zu erwähnen, nicht wenn es unbedingt notwendig ist, oder Sam von selbst mal einen Schlenker in diese Richtung macht. Der Colonel und Sam also... wer hätte das gedacht... Auch wenn es nicht sonderlich verwunderlich ist. Sam hatte schon immer einen gewissen Hang zu der „gefährlichen“ Sorte Mann. Wenn ich da nur an den Lackaffen von Jonas denke. Bei dem Kerl hatten Sam wahrhaftig alle guten Sinne verlassen. Ich hoffe nur, dass der Colonel nicht eine Imitation dieser Variante von Mann ist. „Sehen Sie, Carter, ich kann Sie gar nicht gehasst haben. Außerdem gibt es nicht viele Wissenschaftler, die mir schon den Hintern gerettet haben.“

Okay, dazu zähle ich nun bestimmt nicht, aber so wie Sam leicht nickt, gehört sie wohl zu diesen Personen. „Das ist mein Job.“

„Was? Meinen Hintern zu retten?“

Er lacht sie schief an und ich merke, wie sich meine Mundwinkel langsam nach oben ziehen, aber ein Blick in Sams ernstes und ganz und gar nicht belustigtes Gesicht, lässt jeglichen Witz schwinden.

„Nein, Sir. Aber es ist mein Job dafür zu sorgen, dass alles läuft… das Stargate…“

„Siler ist auch gut in solchen Dingen oder Walter....“

„Ich weiß.“

„Aber?“

Sam schüttelt nur den Kopf. „Nichts, es ist nichts.“ Oh, *das* kenne ich nur allzu gut. Jetzt macht sie wieder einen Rückzieher. In ihrem Kopf überschlagen sich die Gedanken und bevor es zu kompliziert wird, schlägt sie lieber den einfachen Weg ein und tut so, als ob nichts gewesen wäre. Sam ist zwar kein Mensch, der sich vor Konfrontationen scheut, aber auch nur, wenn sie sich da auf sicherem Terrain befindet. Sobald es persönlich wird, sind die Schotten dicht. Das wird ja langsam zur Gewohnheit.

Der Colonel scheint aufgeweckter zu sein, als ich anfangs angenommen habe. Denn alle Zeichen sprechen dafür, dass er ihr nicht glaubt. Um das zu erkennen, muss man zwar kein Genie sein, aber wenn Sam nicht will, dann will sie nicht und verstecken kann sie das ziemlich gut. Habe ihr sogar mal aus dem Eifer eines Gefechts vorgeschlagen sich als Schauspielerin zu versuchen, denn da hätte sie echte Chancen einen Oskar zu gewinnen. „Also, Carter, was ist los?“

Das Feuer birgt noch so viel Licht, dass ich den inneren Kampf von Sam in ihren Augen sehen kann. Würde sie ihn anlügen oder vielleicht mit der Sprache rausrücken? Ich hoffe inständig auf das Letztere. Und schließlich seufzte sie nur. „Es ist, ähm…“, beginnt sie zögernd und spielt nervös mit einem Stock herum, mit dem sie immer wieder in die Asche sticht. „Ich hätte etwas merken müssen. Schon als wir das MALP durch das Tor geschickt haben. Die Daten waren merkwürdig gewesen und…“

„Carter, niemand konnte zu dem Zeitpunkt wissen, was sich dort auf dem Planeten befindet.“

Sie seufzt leise. „Ich hätte auf Teal’c hören sollen. Er hat kein gutes Gefühl bei der Sache gehabt.“

„Ja, Junior scheint ein Gespür dafür zu haben.“ Ich glaub’s echt nicht. Jetzt wird dieser Schlange auch noch einen Namen gegeben… „Ist sonst noch was?“ Ich würde mal sagen, ja. Sam sieht so aus, als ob eine ganze Tonne von Ballast auf ihr kleben würde. Das beste Mittel ist ja, es sich einfach von der Seele zu reden, aber wie ich Sam kenne…

„Ich... wo waren Sie?“

Überrascht sieht der Colonel sie an. Offensichtlich hat ihn diese Frage aus dem Gleichgewicht gebracht.

„Wo ich war? Was meine Sie?“

Mit einem leichten Kopfschütteln wendet Sam ihren Blick ab. Sie starrt in die Glut, ihre Gedanken meilenweit entfernt. „Als ich auf der Krankenstation lag. Wo waren Sie?“

„Ich... ich war... Carter...“

Verletzt richtet Sam ihre Aufmerksamkeit auf ihn. Die Schmerzen sich daran zu erinnern, stehen ihr ins Gesicht geschrieben. Ich würde am liebsten raus rennen und sie in meine Arme schließen. Den Colonel einfach in die ewigen Jagdgründe jagen! Was denkt er sich denn dabei? Meine Sam so zu verletzen?

„Hat es Sie nicht interessiert?“

„Doch.“ Jetzt ist er es, der vehement mit dem Kopf schüttelt. Ihm fällt es offensichtlich noch schwerer als Sam über diese Sache zu sprechen. Na, da haben sich ja zwei Spezialisten gefunden. „So ist das nicht. Ich, ich wusste nicht wie... Sie haben da gelegen und ich...“ Er atmet einmal tief durch, während beide Hände durch seine grauen Haare fahren und auf dem Kopf verharren. „Ich habe mit Janet gesprochen“, beginnt er.

„Janet?“ Echot Sam. „Sie haben mit Janet über mich gesprochen?“ Ich kann ihre Gedanken förmlich hören. 'Wieso reden Sie mit ihr, anstatt mit mir? Habe ich nicht wenigstens das verdient?'

„Ich wollte Sie besuchen. Aber Janet meinte, Sie bräuchten Ruhe und...“

„Nein“, unterbricht Sam ihn. „Ich wollte mit Ihnen reden, aber Sie sind nicht da gewesen. Wieso?“

„Ich wusste nicht...“ Jetzt sieht er sie direkt an. „Ich habe auf Sie geschossen, Carter“, kam es nur in einem Flüstern über seine Lippen.

„Und das ist der Grund?“ Er schweigt. Sein Gesicht ist wie versteinert. „Ich denke, es gibt einen anderen Grund.“

„Wirklich?

„Ja, ich denke, dass es Sie wahnsinnig gemacht hat.“

Und das überrascht jetzt wiederum ihn. Ist ja hier wie in einem Ping-Pong-Spiel. „Wahnsinnig? Ich? Was?“

Ein kurzes, nichts sagendes Schulterzucken, bevor sie dunkel auflacht. Ich weiß jetzt wirklich nicht, was daran komisch sein soll. „Ist das nicht offensichtlich?“

Er erstarrt kurz und rührt sich keinen Zentimeter. Nicht mal seine Augen zeigen irgendeine Regung, kein Blinzeln. Gar nichts. Wenn ich mal raten darf. Sie hat genau ins Schwarze getroffen und dann zieht er leicht seine Augenbrauen hoch. „Und warum sollte ich das Ihrer Meinung nach sein?“, Fragt er mit einem leichten angespannten Zittern in seiner Stimme.

„Wir alle haben Ihren Rat missachtet. Wir haben uns über Ihren Kopf hinweggesetzt. Sie wollten nicht, dass wir mit der Entität kommunizieren.“

„Ganz genau!“, platzt es urknallartig aus ihm heraus. Er wendet seinen Blick von ihr ab und schaut hinaus in die dunkle Nacht, lauscht den nächtlichen Tieren, die um uns herum ihrer Natur nachgehen. So sieht es jedenfalls aus, denn eines weiß ich mit hundertprozentiger Sicherheit. Bei Nacht birgt der Dschungel eine Menge Geräusche, eine Menge Schatten und eine Menge Gefahren. Hier kann man sogar getrost davon ausgehen, dass die kleinen Mitbewohner unter uns gefährlicher sind als die Raubkatzen in den Bäumen über uns. „Verdammt, Carter“, zischt er plötzlich, ohne sie anzusehen. „Sie wollen wissen, warum ich wütend bin? Ich sage Ihnen, warum ich wütend bin! Sie haben mich dazu gezwungen auf Sie zu schießen! Weil keiner auf mich hören wollte, war ich gezwungen auf Sie zu schießen! Das hätte nicht passieren dürfen!“

„Ich weiß, Sir, ich weiß. Aber trotz allem, war es nicht falsch.“

„Gott, Carter, es hat uns beobachtet. Es war nicht organisch, es war… Mensch, keine Ahnung, was es war. Ich weiß nur, dass es gefährlich war. Es hatte sich ein Nest auf den Stützpunkt gebaut!“ Er schüttelt den Kopf. „Aber Sie und Daniel mussten ja unbedingt mit diesem Ding Kontakt aufnehmen… das hätte uns allen das Leben kosten können.“

„Wirklich, Sir?“

„Wirklich? Das hat es doch selbst zugegeben.“

„Nachdem es in mir war.“

„Was wollen Sie damit sagen?“ Ja, was willst du damit sagen? Ich versteh jetzt gar nichts mehr. Nicht, dass ich vorher schon viel davon verstanden hätte, aber jetzt stehe ich vor einen totalen Chaos. Gott, ist das kompliziert! Und ich dachte schon, ich hätte Probleme.

Sam atmet einmal tief durch. Offensichtlich hat sie schon eine Weile darüber nachgedacht und muss jetzt nur noch ihre Gedanken in Worte fassen. „Ich denke, dass es ein Fehler gewesen wäre, wenn wir es nicht versucht hätten. Ich meine, wir hatten keine Ahnung, was es war oder was es wollte oder was es anrichten könnte. Wir mussten Informationen sammeln.“

„Es hat sich in unser System eingenistet“, hält er ihr vor Augen.

„Ja, das hat es. Und dennoch, wenn wir es nicht versucht hätten...“

„Wenn wir es nicht versucht hätten?“ Hat er eigentlich immer die Angewohnheit alle Worte von Sam zu wiederholen? „Sie denken, ich hätte es auf diesen Versuch ankommen lassen sollen? Carter, es hat unser ganzes System lahm gelegt. Ihre Verbrennung an der Hand, war nur ein kleiner Vorgeschmack gewesen.“ Okay, immerhin wäre das dann geklärt. Es war eine etwas andere Art von Kurzschluss gewesen, aber offensichtlich ein Kurzschluss. Mensch, ich glaube, ich muss mich wirklich mal bei ihr entschuldigen. „Nein, ich war nicht zu vorsichtig. Es hat sehr gut zur Geltung gebracht, was es wollte. Es war eine unbekannte Bedrohung.“

„Und nur weil es uns auf den ersten Blick unbekannt war, müssen wir es gleich töten?“

„Ich glaub das einfach nicht“, murmelt der Colonel und fährt sich frustriert mit einer Hand durch sein Haar. Ich kann’s gut nachvollziehen. „Bedrohung, Carter, es war eine gottverdammte Bedrohung. Es tut mir Leid, aber diesmal ist Ihre Entscheidung falsch gewesen.“

„Das denke ich nicht.“ Eines muss man Sam lassen. Es ist verdammt mutig einem Vorgesetzten so die Stirn zu bieten. Ich habe ja schon eine große Klappe, manchmal etwas zu groß, aber selbst mein Mundwerk weiß, wann es geschlossen bleiben soll, wenn ich mit meinem Chef spreche. Verdammt mutig und ich bete für dich, Sam, dass du dir da jetzt keinen Strick gedreht hast. „Es war richtig von mir, mit diesem Ding Kontakt aufzunehmen“, sagt sie langsam.

„Herr Gott noch mal, Carter! Bin ich hier eigentlich der einzige, der es sieht? Diese verdammte Ding hat von Ihnen Besitzt ergriffen, wissend, dass Sie dabei sterben werden!“

„Es hat versucht zu überleben.“

Er lacht nur auf. „Wissen Sie, jetzt hören Sie sich schon an wie Daniel. Denn genau das hat er auch zu mir gesagt, nachdem ich mit diesem Ding in Ihnen gesprochen habe und es mir gesagt hat, dass es Sie nicht verlassen kann ohne Sie zu töten.“

„Er hatte Recht. Wir haben unwissend ihren Planeten angegriffen! Sie haben sich nur gewehrt. Wir haben ihren Lebensraum zerstört. Es wäre unsere Schuld gewesen, wenn sie uns angegriffen hätten. Nur so konnten wir erfahren, was wir angerichtet haben.“ Sie atmet einmal tief durch und als sie erneut zu reden beginnt, ist ihre Stimme ruhiger. „Wenn wir es nicht gewusst hätten, hätte alles ganz anders enden können. Dann wäre nicht nur ich gestorben, sondern wir alle.“ Der Colonel starrt sie an, genau wie ich es aus dem Zelt heraus tue. Au weia... wir standen kurz davor zerstört zu werden?

Ich hänge hier ganz schön in der Luft. Denn ich weiß nicht, auf wessen Seite ich stehen soll. Ich meine, ich weiß nicht wirklich was vorgefallen war, aber Sams Argumente sind schon logisch, auch wenn ich die Details dessen nicht wirklich verstehe. Aber mein Herz sagt mir, dass der Colonel Recht hat. Gott, wenn ich nur dran denke, jemals in diese Situation zu kommen… der reinste Horror! Und ehrlich gesagt, verstehe ich Sam hier nicht so ganz. Ich hätte eine Mordswut auf den Mann, der mich getötet hatte, aber sie verteidigt auch noch ihr Handeln, was dazu geführt hatte. Angriff einer außerirdischen Zivilisation. Leute, ehrlich, das ist mir zu viel Science Fiction. Bleiben wir doch einfach bei der Geschichte mit dem Kurzschluss. Damit kann ich um einiges besser umgehen.

Und im Kopf des Colonels scheint es gerade richtig rundzugehen. Bisher hat er ihr noch nicht geantwortet und langsam wird Sam nervös. „Colonel?“

„Carter?“

„Sir, ich kann mir nicht mal… es tut mir Leid.“ Muss ich diesen Gedankensprung jetzt ernsthaft verstehen? Mensch, Leute, ihr bereitet mir Kopfschmerzen!

„Was?“, fragt er bitter und resigniert.

„Es ist nie meine Absicht gewesen, Sie in diese Situation zu bringen…“, flüstert sie. „Es war bestimmt nicht einfach.“

„Nein, das war es nicht. Ganz und gar nicht. Aber ich habe keine Wahl gehabt.“

„Die hatten Sie nicht, aber es war richtig“, stimmt sie ihm zu. Und plötzlich sind sie sich wieder einig. „Ich kann mir nicht mal annähernd vorstellen… Ich weiß nicht, ob ich an Ihrer Stelle dazu in der Lage gewesen wäre, Sir.“

„Doch, das wären Sie. Sie sind ein guter Offizier und das Wohl des Ganzen steht immer an erster Stelle und das wissen Sie. Pflicht und Ehre, Carter. Darum geht es. Darum darf es nur gehen. Nicht mehr...“ Für einen kurzen Augenblick bricht seine Stimme, „...und nicht weniger.“

„Aber, Sir, Sie sind…“

„Kein Aber, Carter. Sie haben Recht.“ Er seufzt einmal leise, weder wütend oder missmutig, sondern einfach nur erschöpft und dann lächelt er sie schief an. Es ist nur das glimmende Feuer, welches dieses Lächeln so leuchten lässt. Ich schwöre es euch, Leute, nur das Licht… aber meine Güte! Ein ganz anderes Licht… der Colonel erscheint einem aus einem ganz andere Licht. Jetzt sehen seine Züge sogar irgendwo weich, zufrieden und so… menschlich aus. Wow… der absolute Hammer.

Nur sehe ich dort jetzt nicht den Colonel sitzen, sondern Tom. Diese beiden Männer haben rein optisch nicht wirklich etwas gemeinsam. Der Colonel ist attraktiv, gar keine Frage, aber in dieser Sache standen Sam und ich uns nie wirklich im Weg. Der einzige gemeinsame Typ war eben Tom. Und jetzt sitzt er dort, im schimmernden Licht der Flammen und ich vermisse ihn. Ich vermisse ihn so sehr. Vielleicht merkt man es mir nicht an, aber wir haben seit eineinhalb Wochen kein Wort mehr miteinander gesprochen und das frisst mich langsam auf. Eineinhalb Wochen. Sonst haben wir jeden Tag mindestens einmal miteinander telefoniert. Ich vermisse seine Stimme, ich vermisse einfach die Gewissheit, dass ich ihn immer erreichen kann, wenn ich es will, wenn ich ihn brauche. Den Ring habe ich noch immer bei mir. Aufgrund meiner Arbeit habe ich meistens Angst ihm im ganzen Dschungel zu verlieren, also habe ich ihn an einer Kette um meinen Hals hängen. Irgendwo in meiner verdrehten Fantasie, trage ich ihn dort lieber als um meinen Finger. Denn dort ist er näher an meinem Herzen, näher bei mir. Ganz schön sentimental, nicht wahr? Und genau dieses Stück Metall fühlt sich jetzt zehn Zentner schwer an. Ich kann mich noch an seine Worte erinnern, als ich ihm zum ersten Male von diesem Fund erzählt habe. „Schatz“, hatte er gesagt, „wie wäre es, wenn ich bei deiner nächsten Reise mit dabei bin? Ich weiß doch, wie wichtig dir das ist.“ Ich meine, ich war total aus dem Häuschen und komplett aufgekratzt, aber als er meinte, dass er sich extra Urlaub nehmen würde, nur um mit mir zu dieser Ausgrabung zu fahren… Ihr habt ja keine Ahnung, wie sehr ich ihn in diesem Moment geliebt habe. Nicht, weil es egoistisch oder so von mir gewesen wäre, aber einfach nur schon die Vorstellung. Besonders da er eine kleine Aversion gegen Insekten und Krabbeltieren hat. Und jetzt bin ich hier und er ist nicht bei mir. Verdammt, das ist so unfair!

Noch während meine Hand den Ring umklammert schaue ich zurück nach draußen zu Sam und dem Colonel. Wieso schaffe ich es nicht mit Tom zu reden, wenn Sam es sogar schafft dem Mann zu verzeihen, der auf sie geschossen hat? Liegt das wirklich im Bereich des Unmöglichen? Und es ist weder verrückt, noch total selbstsüchtig mir zu wünschen, dass er jetzt, in diesem Moment, einfach nur bei mir ist? Das ist es nicht, oder?

Ich seufze innerlich auf. Gott, ist das erbärmlich! Ich bin extra verreist, um ihn zu vergessen, um alles in meinem Kopf zu ordnen und nun bekomme ich schon Halluzinationen von *ihm*. Teufelskreis, ein absoluter, gottverdammter Teufelskreis!

„Also, ist wieder alles in Ordnung zwischen uns, Sir?“, höre ich Sam leise fragen. Ich brauche sie gar nicht anzusehen, um zu wissen, wie wichtig ihr seine Antwort ist.

Es folgt ein Schweigen und ich habe das Gefühl gleich ebenfalls vor Anspannung zu platzen. Trotz dem erneut aufgebrühten Gefühlschaos in mir, will ich wissen, wie dieses Gespräch jetzt ausgeht. Dafür habe ich zu viel mitgefiebert und gezittert. Ich schwöre dir, Sam, darüber werden wir auch noch mal ein Wörtchen reden.
„Ja, Carter, alles in Ordnung.“

Alles in Ordnung… Ich freue mich für Sam, wirklich, das tue ich. Aber dennoch legt sich ein Schatten über meine Freude. Es macht mich traurig, diese Menschen hier zu sehen, diese Vertrautheit, trotz ihrer Ecken und Kanten und trotz allem scheinen sie einen Weg zu finden die Ausgewogenheit in ihrem Team zu halten. Das ist toll, wirklich! Bewundernswert. In meinem Team ist es nicht anders, aber dennoch ist niemand von ihnen hier. Niemand mit dem ich all das teilen könnte. Der mir im Moment wirklich wichtig wäre hier zu sein.

Mit diesen Gedanken, umfasse ich erneut den Ring um meinen Hals und schließe die Augen. Morgen würde ein anstrengender Tag werden und mit etwas Glück schaffen wir es zu den Ruinen.


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Als ich aus dem Zelt krabble, sind die anderen bereits hell wach. Ich hatte es schon fast vergessen. Air Force! Sieben Uhr… doch heute macht es mir absolut nichts aus. Denn heute beginnt der wirkliche Teil der Arbeit. Ich hab’s im Blut. Heute gelangen wir zu den Ruinen! Und schon alleine dieser Gedanke reicht aus, um mich auf einen Höhenflug zu schicken! Da können sämtliche Knochen noch so widerspenstig aufschreien. Ich sage euch, Adrenalin ist besser als Morphium! Okay, ich gebe zu, mir tut wirklich alles weh und mit alles, meine ich auch alles, aber das ist so was von nebensächlich, besonders als ich den Kaffeeduft rieche.

„Ist das Kaffee?“, rufe ich, während ich auf allen Vieren durch die Öffnung krieche. Nichts geht doch über einen frischen Kaffee am Morgen. Ein ordentlicher Koffeinschub und der Tag kann losgehen.

„Morgen, Liz“, kommt es von Sam, die irgendwas mit den Boxen macht. Sie hat mir den Rücken zugewandt und so hebt sie nur kurz ihre Hand.

„Morgen!“, antworte ich ihr fröhlich. Das ist wirklich ein Wunder. Vielleicht sollte ich mich mal als Testobjekt zur Verfügung stellen, aber sobald ich auf einer Expedition bin – meine Natur als Langschläfer hin oder her – bin ich immer topfit und gut gelaunt! Morgenmuffel ist ein Begriff, den es dann in meiner Welt nicht gibt.

„Na, da hat aber jemand gute Laune.“ Daniel. Mit zwei Tassen in seinen Händen und eine davon ist für mich. Hat mich meine Nase also doch nicht getäuscht. „Hier.“

„Ist ja auch kein Wunder“, erwidere ich, als ich ihm die Tasse abnehme und einmal dran rieche. Ein bisschen lau… aber immerhin hat der Geruch eine gewisse Ähnlichkeit mit Kaffee. „Heute werden wir zur Ausgrabungsstelle kommen“, grinse ich breit und nehme einen Schluck.
Nur leider schmeckt es nicht so. Gott, was ist das denn für ein Gebräu? Das kann man doch nicht Kaffee nennen. Das ist eine Beleidigung für meine Geschmacksnerven! „Was ist das?“, Frage ich mit einer verzerrten Maske meines Gesichts, nachdem ich den Inhalt in meinen Mund erst einmal quer durch die Luft geprustet habe. „Das nennt ihr Kaffee?“

„Es hat Ähnlichkeit damit.“

„Ja, um acht Ecken damit verwandt.“

Daniel lächelt mich mit einem Schulterzucken schief an. „Mit der Zeit gewöhnt man sich sogar daran.“

„Ist wenigstens Koffein drin?“

„Oh ja… reichlich, reichlich Koffein.“

Na immerhin. Grundnahrungsmittel Nummer eins für mich. Koffein in allen Varianten und Formen. Am liebsten natürlich in Kaffee, aber wenn es möglich wäre, ich würde es auch pur zu mir nehmen. Ob man es intravenös verabreichen kann? „Ihr solltet wirklich mal mit ein paar Leuten sprechen… das ist wirklich eine Schande. Da gibt die Regierung Milliarden für weiß Gott was für Dinge aus und dann nennen sie so etwas Kaffee.“

„Immer noch Koffeinsüchtig?“, fragt Sam mit einem Grinsen, die jetzt zu mir rüberkommt.

„Darauf kannst du aber wetten, Süße. Ohne bin ich leer und vollkommen verzweifelt.“ Sie schüttelt nur den Kopf.

„Du bist ein hoffnungsloser Fall, weißt du das?“

„Natürlich. Kann doch nicht mein Markenzeichen verlieren.“ Als mein Blick über das provisorische Lager schweift, sehe ich, dass das Zelt von mir noch das einzige ist, welches noch steht. Das der Männer ist bereits wieder abgebaut und verstaut. Dann kann es ja gleich losgehen.

„Okay“, kommt es vom Colonel, der sich gerade seine Schussweste überzieht. Ich hege ehrlich noch arge Zweifel, ob diese wirklich nötig sind. Ich meine, was kann uns schon großartig passieren? Auch wenn ich jetzt weiß, warum sie sich so zugerüstet haben, ist es mir immer noch schleierhaft, wie sie auf die Idee kommen, dass ausgerechnet dann, wenn wir in den Ruinen sind, auf einmal diese Goa’uld auftauchen sollen. Ich meine, mal ehrlich, wie groß stehen die Chancen, dass genau das passieren wird? „Wir brechen in dreißig Minuten auf. Wir haben noch gute zehn Meilen vor uns und wenn wir es heute noch bis zu den Steinchen schaffen wollen, sollten wir sobald wie möglich los.“

„Ja, Sir.“

„Okay“, kommt es von Daniel, während Teal’c nur zustimmend seinen Kopf nickt.

„Gerne“, antworte ich dann als Letzte im Bunde. Er zieht kurz seine Augenbrauen hoch, als er vermutlich die Aufregung in meiner Stimme hört und sein Blick sagt nur so viel, wie ‚Typischer Wissenschaftler Enthusiasmus’. Soll mir recht sein. Hauptsache es geht bald los. Ich grinse ihn an und er wendet mit einem leisen Seufzen den Blick ab.

„Carter, halbe Stunde.“

Von mir aus kann es auch schon früher losgehen. Ihr glaubt gar nicht, wie schnell ich dieses Gebräu, welches man als Kaffee betitelt, ausgetrunken habe. Ein Schluck und die Tasse ist leer. Da nehme ich sogar das unweigerliche Brennen in meiner Kehle in kauf. Hauptsache wir kommen heute noch an unserem Ziel an.

Und siehe da. Exakt eine halbe Stunde später marschieren wir beladen mit Sack und Pack durch die untere Vegetation des Regenwaldes weiter. Sam und der Colonel gehen voraus, Daniel und ich in der Mitte und Teal’c bildet das Schlusslicht. Diesmal trage ich zusammen mit Daniel eine von seinen Kisten und ich muss gestehen, dass diese auch nicht viel leichter ist, als die von Sam. Meine Arme scheinen jetzt schon aus Blei zu bestehen und ich weiß, dass wir noch einen ganz schönen Marsch vor uns haben. Ich weiß nur eins, wenn diese Expedition vorbei ist, melde ich mich in einem Fitnessstudio an. Ein bisschen Muskelaufbau hat auch noch niemandem geschadet.

Ich kann mir kaum vorstellen, dass Sam und ihr Team so vollgepackt durch die Galaxis reisen. Dieser Gedanke ist unter uns gesagt immer noch ziemlich merkwürdig. Aber irgendwas Wahres muss ja dran sein. Und wer weiß, vielleicht sehe ich es ja bald mal mit meinen eigenen Augen? Man soll immerhin niemals nie sagen, nicht wahr?

Ganz genau. Und wenn ich nur daran denke, was für eine Veränderung diese Erkenntnis hat – auf meine Arbeit und besonders auf diese Ausgrabung. Das ist einfach unglaublich. Mit jeder weiteren Sekunde, die vergeht und in der ich mir über das Ausmaß bewusst werde, desto respektvoller wird jeder meiner Schritte, die mich diesem Wunder näher bringen. Ehrfurcht beschreibt im Moment nicht einmal annähernd meine Gedanken. Unglaublich…

„Liz, erzählen Sie mir mehr über die Maya.“

„Was genau wollen Sie denn wissen?“

„Na ja“, grinst Daniel und fährt sich mit der freien Hand über seine Schweißbedeckte Stirn, „laut den Mythen und dem, was ich bisher so gehört habe, sollen die Maya der Anfang von unserer heutigen Zeitrechnung sein.“

Ich nicke eifrig mit dem Kopf. „ Der Gott Kulkulkan soll ihnen ihr Wissen über das Kalenderwesen und die Astronomie verliehen haben. Sie waren die Vorreiter auf diesem Gebiet. Ihre Berechnungen waren unglaublich exakt zur damaligen Zeit, wenn man bedenkt, dass sie nicht den Luxus von irgendwelchen hochmodernen Teleskopen besaßen. Die so genannten Priester-Astronomen der Maya stellten präzise Berechnungen an. Aber das wirklich verrückte und doch unglaubliche ist, dass ihre primitive Kalenderrechnung erst in unserem Jahrhundert übertroffen werden konnte.“

Ich spüre, wie meine Wangen zu glühen anfangen. Das passiert mir immer, wenn ich ganz aufgeregt und in meinem Element bin. Dann sprudelt es nur so aus mir heraus. Aber es ist einfach berauschend. Nur alleine darüber nachzudenken und die Vorstellung, dass einst solche Menschen hier gelebt haben. Wir treten quasi durch ein Tor in eine andere Welt. Eine ganz andere Zeitrechnung und doch waren es nicht andere Menschen als du und ich. Ihre Methoden waren vielleicht etwas barbarisch, aber ihr Wissen… es war so unbeschreiblich groß, wir könnten noch so viel von ihnen lernen. Und alles was wir machen müssen, ist danach zu suchen, denn eins weiß ich mit absoluter Sicherheit, die Antworten liegen genau vor uns, wir müssen sie nur noch finden.

„Sie waren ein sehr fortschrittliches Volk“, bemerkt Teal’c hinter uns und ich drehe mich grinsend zu ihm um.

„Ja, das waren sie. Besonders was ihre Fähigkeiten anging.“

„Inwiefern?“, fragt Daniel neugierig.

„Besaßen sie Waffen?“ Teal’c zieht fragend eine Augenbraue hoch.

„Oh nein. In Sachen Rüstung waren sie nicht besonders fortschrittlich. Sie wehrten sich mit den üblichen Gebrauchsgegenständen, aber darin bestand nicht ihr Sinn des Lebens. Sie kämpften gegen andere Völker, das ist schon richtig, aber sie vertrauten darauf, dass ihre Götter sie beschützten. Indem sie ihnen Opfer dar boten und ihr Wissen effektiv umzusetzen, glaubten sie die Götter zu besänftigen. Aber um noch mal auf ihre anderen Fähigkeiten zurückzukommen… Sie bauten ineinandergreifende Zahnradgetriebe, um ihre Berechnungen aufgrund von sich überschneidenden Zyklen bis zu zweiundfünfzig Jahre im voraus vornehmen zu können. Keine andere Zivilisation war zu diesem Zeitpunkt so gelehrt, um überhaupt in diesem Rahmen zu leben. Ich meine, in anderen Teilen der Erde, lebte da noch der Homosapiens in seinen Höhlen und hier lebte der Fortschritt. Aber besonders erstaunlich waren ja ihre mathematischen Fähigkeiten. Sie waren die erste Zivilisation, die das Prinzip der Null verstanden hat.“

„Ja, und für manche ist es bis heute ein wesentlicher Bestandteil bei der Kontoführung“, wirft der Colonel in die Runde. Wie wahr, wie wahr. Bei mir öfters als mir manchmal lieb ist.

„Das ist wahr“, unterstützt mich Sam und ignoriert ganz gewissenhaft den Kommentar. „Viele bedeutende Mathematiker stützen sich noch heute auf die alten Rechnungen von damals. Vieles würde heute noch nicht erforscht sein, wenn wir das Prinzip der Null nicht kennen würden. Unser ganzes Zahlensystem basiert darauf. Selbst Archimedes hatte einmal…“

„Ah! Carter!“ Er hebt einen Finger in die Luft und schaut sie mit einem ‚Wenn Sie auch noch ein Wort sagen, dann drehe ich durch’ - Blick an. „Einigen wir uns einfach darauf, dass es sie gibt, okay?“

„Ja, Sir. Entschuldigung, Sir.“ Halb zähneknirschend schielt sie zu mir herüber und lächelt schief. Immer dasselbe. Ich zucke nur mit den Schultern. Glaubt mir, ich kenne das. Wie oft wurde ich schon in meinem Redefluss abgewürgt? Nur denke ich, liegt bei mir das Problem, dass ich dann wirklich ohne Punkt und Komma rede, aber bei Sam… da redet sie nicht nur ohne jegliche Satzzeichen, hinzukommt, dass man zu neunundneunzig Prozent nur Bahnhof versteht.

„Also“, räuspert sich Daniel und zieht somit meine Aufmerksamkeit wieder zurück auf ihn. „Sie sagen, dass die Maya ihr Wissen von den Göttern haben?“

„So heißt es zumindest. Die alten Schriften weisen darauf hin, ja. Es soll sogar geschrieben stehen, dass die Götter den Maya gesagt haben, dass die Erde rund sei. Wenn man es sich genau überlegt, ist es eine wirklich bemerkenswerte Beobachtung für ein so primitives Volk. Offenbar kannten sie auch die Planeten Uranus und Neptun, die von unseren Astronomen erst im neunzehnten Jahrhundert entdeckt wurden. Sie müssen entweder sehr gute Augenärzte gehabt haben oder eine uns noch unbekannte Methode, denn mit bloßen Auge diese Planeten zu entdecken, grenzt schon nahezu an ein Wunder. Die Venus zum Beispiel spielte bei den Maya eine zentrale Rolle.“

„Ja, sicher, wer hat denn nicht die Göttin der Liebe verehrt?“, zwinkert der Colonel.

„Ha! Und genau da liegen Sie falsch! Anfangs ein weit verbreiteter Irrglaube. Nur weil bei den Römern Venus die Inkarnation der Liebe und Fruchtbarkeit war, gilt das nicht für alle antiken Kulturen. Die Venus war für die Maya alles andere als ein Symbol der Liebe. Sie symbolisierte die Reinkarnation ihres Gottes Quetzalcatl. Sie glaubten, dass wenn der Planet am Himmel nicht mehr zu sehen war, er durch eine wirklich böse Unterwelt wandelte – nennt es von mir aus Hölle, kommt laut den Überlieferungen dem ziemlich nahe. Und jedes Mal, wenn Venus erneut aus der Unterwelt aufstieg war das für die Menschen ein beängstigendes Ereignis. Nicht selten auch ein Moment des Krieges.“

„Also, haben sie geglaubt, dass ihr Gott jedes Mal durch die Hölle gegangen ist?“

„Genau. Und diese Weisheiten hätte er ihnen vermacht. Es war immer ein Zeichen einer Wende in ihrem Leben. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Menschen nicht so alt wurden wie heute. Wenn jemand überhaupt das fünfzigste Lebensjahr erreichte, war das schon alt.“

„Hm…“, brummt Daniel nachdenklich neben mir.

„Was?“

„Na ja“, beginnt er mit einem Stirnrunzeln. „Irgendwie passt das nicht wirklich zusammen. Ich meine, in den letzten vier Jahren, immer, wenn da von ‚Göttern’ die Rede war, waren die Goa’uld gemeint.“

Ja, und? Ist es nicht denkbar, dass sie ihr Wissen teilten? Ehrlich gesagt, verstehe ich jetzt nicht das Problem. „Und?“

„Die Goa’uld teilen nicht ihr Wissen“, antwortet Teal’c ernst hinter mir. „Zumindest nicht mit den Menschen.“

„Die Menschen sind für die Goa’uld nur Mittel zum Zweck. Sie sind Sklaven, werden zu Wirten gemacht, aber ein Goa’uld hat niemals einer Zivilisation ihr Wissen vermittelt. Sie sind arrogant, raffgierig und gefährlich, aber bestimmt nicht gutherzig.“

„Vielleicht waren sie ja damals…?“ starte ich den halbherzigen Versuch einer vernünftigen Erklärung.

„Nein“, geht der Colonel grimmig dazwischen. „Mir ist noch kein Goa’uld über den Weg gelaufen, der auch nur ein Funken von Erbarmen oder Anstand in sich trägt. Nicht einer.“ Und dann schielt er zu Teal’c hinüber. „Nichts für ungut, T.“

Doch dieser zieht lediglich eine Augenbraue hoch.

Ich sehe besorgt zu Sam hinüber, aber auch sie scheint nicht besonders überzeugt zu sein. Okay, also Goa’uld sind wirklich böse. Böse Götter. Verstanden. Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich von der Theorie unter manchen meiner Kollegen, dass Außerirdische die Lehrmeister der Maya waren, noch nie sehr viel gehalten. Auch wenn sich meine Ansicht ja jetzt eigentlich ändern müsste… aber die Goa’uld waren es nicht und das sind die einzigen Aliens, die ich vom Hörensagen her kenne.

„Nett“, murmle ich schließlich.

„Warum fragen Sie, Daniel?“, wirft Sam neugierig dazwischen. Und nennt es eine berufliche Intuition, aber er will damit auf irgendetwas hinaus und er weiß, dass die Goa’uld nicht die Götter sein können, von denen in den Sagen die Rede ist. Jetzt bin ich aber wirklich mal gespannt.

„Ich bin mir noch nicht sicher. Aber ich glaube nicht, dass die Goa’uld ständige Besucher der Maya waren.“

„Wirklich nicht?“

„Nein“, antwortet er nachdenklich und lächelt dann Sam an. „Sollten sie je Besuch bekommen haben, dann denke ich, waren es unsere Freunde.“

Das lässt den Kopf des Colonels nach oben schießen. „Machen Sie Witze?“

„Es wäre doch nur logisch. Überlegen Sie doch mal“, ereifert er sich. „Erstens gibt es Funde, die belegen, dass die Maya Statuen besaßen, die ganz unverkennbar sind – eine hoch aufragende Gestalt, die auf etwas sitzt, das wohl ein Kontrollsessel sein muss. Genau wie in einem Raumschiff. Feuer und Rauch strömen von dem Fahrzeug aus.“ Er grinst Jack an. „Und na ja, die sind bekannt als ‚Die Wagen der Götter’.“ Als er mich fragend ansieht, um seine Aussage zu bestätigen, kann ich nur mit dem Kopf nicken. Es stimmt. Es gibt solche Statuen, das ist eine Tatsache, was die Interpretation allerdings angeht… nun sagen wir mal, die ist vollkommen individuell. „Und, und wenn ich Sie daran erinnern darf“, macht er weiter, als er Jack ernst ansieht und mit einem Finger auf ihn zeigt. „Sie haben doch damals selbst gesagt, dass sie uns schon seit einem langen Zeitraum beobachten, aber der Meinung sind, dass wir für das Wissen noch zu unreif sind. Was wäre, wenn sie ihnen damals einen Teil des Wissens gegeben haben, um zu sehen, wie wir Menschen damit umgehen?“

„Aber, Daniel, das war vor tausenden von Jahren“, hält Sam ihm vor Augen. „Wir haben uns seit damals weiterentwickelt.“

Habe ich eigentlich schon mal erwähnt, dass es absolut beschissen ist das fünfte Rad am Wagen zu sein? Das sind doch nur Legenden! Und wenn es nicht die Goa’uld sind, wer dann? Arg! Das ist wirklich zum Mäuse melken!

„Haben wir das wirklich?“, hält er entgegen. Gute Frage, auch wenn ich keine Ahnung habe, von welchem Zeitraum wir hier sprechen.

„Vielleicht steht die Antwort ja irgendwo an einer Wand gekritzelt“, schlägt der Colonel vor und schlägt ganz nebenbei einen Brummer von Mücke auf seinem Arm tot.

Ich reagiere gar nicht drauf. ‚Gekritzelt’! Innerlich stehen gerade sämtliche Härchen senkrecht. Ich weiß, ich weiß, ich reagiere was so etwas anbelangt vielleicht etwas empfindlich, aber solche Äußerungen degradieren doch nur meine Arbeit. Ist es wirklich zu viel verlangt sie als das anzusehen, was sie sind? Wunder? Monumente der Zeit? Aus diesem ‚Gekritzel’ lernen wir. Aber nur nicht aufregen, Liz. Da kann ich mich auch vor ne Parkuhr stellen, die hört genauso viel zu, wie ein gewisser Colonel, der doch im Grunde nur das hört, was er hören will. Und jetzt habe ich mich doch wieder aufgeregt. Ich sollte wirklich mal daran arbeiten… Yoga soll da ja bekanntlich helfen… Ich setzte es einfach mal auf meine ‚Sollte ich noch tun’ – Liste. Und die wird auch irgendwie immer länger und länger und länger…


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„Oh mein Gott…“, flüstert Daniel ehrfürchtig.

„Wow!“, haucht Sam nicht minder beeindruckt, während ich nur wie ein Honigkuchenpferd grinse. ‚Wow’ beschreibt es ziemlich passend.

„Ein Haufen Steine“, kommt es ziemlich gleichgültig vom Colonel. Aber diesmal bin nicht ich diejenige, die an die Decke geht. Diesmal nicht. Diesmal grinse ich nur. Denn nichts auf der Welt – kein abfälliger Kommentar – könnte auch nur ansatzweise an der Schönheit vor uns kratzen. Bereits im Abendlicht der untergehenden Sonne getaucht, eröffnet sich unter uns ein Traum. Vor uns liegt ein Plaza, gezeichnet von der Geschichte, aber noch immer so schön wie eh und je. Nicht einmal die Vegetation, die unter den Steinen hervor kriecht und die Platten teilweise spaltet, kann das Bild trüben. Es sind kleine, dünne Bäume, die mitten aus dem Nichts gewachsen zu sein scheinen und vollkommen fehl am Platz aussehen, aber in meinen Augen macht es das sogar noch vollends perfekt. Die einzelnen verfallenen Bauten wirken in dem orangen Licht schon fast unheimlich, die langen Schatten ziehen sich bedrohlich über die Platten. Und in der Mitte, im Zentrum der Stätte ragt eine Stufenpyramide, überwuchert mit Ranken, hervor. Ich hatte schon das letzte Mal das Gefühl, dass sie so etwas wie ein Herrscher dieser verlassenen Metropole ist. Kleinere Schreine und üppig verzierte Stelen, die die Zeit und den Naturgewalten nicht hatten widerstehen können, liegen in Trümmern herum. Aus vorigen Untersuchungen weiß ich, dass sich unter dem Moos und Ranken aufwendige Glyphen befinden. Ein absoluter Traum. Und so kann mir nichts und niemand dieses Bild nehmen.

„Jack!“, reißt mich Daniel mit einem entrüsteten Aufschrei aus meinen Gedanken. „Wie können Sie nur… das ist… ich meine, es ist unfassbar! Was wir hier sehen, sind die Überreste einer ausgestorbenen Zivilisation.“

„Ja, ehrlich gesagt frage ich mich, warum sie sich entschieden haben, sich ausgerechnet hier anzusiedeln. Mitten im Dschungel, umgeben von irgendwelchen nervigen, stechenden Insekten.“ Bei den Worten ‚nervig’ und ‚stechend’ erledigt er noch zwei weitere dieser Quälgeister. „Außerdem scheint es durchweg zu regnen.“ Um seinen Worten noch mehr Bedeutung zu verleihen, nimmt er seine Kappe ab und wringt sie einmal aus. „Ich hätte nicht besonders große Lust gehabt, hier Steine zu schleppen, um irgendwelche Tempel und Pyramiden zu bauen“, bemerkt er ziemlich nüchtern.

„Die Menschen, die hier gelebt haben mussten…“, sinniere ich versonnen und seufze einmal schwer. Endlich wieder Zuhause. Doch bevor ich noch weiter ins Land der Träume abdriften kann, holt mich eine leicht ungeduldige Stimme in die Realität zurück.

„Und wie kommen wir da runter?“

Ich strahle den Colonel an und strecke meine Hand zur rechten Seite aus. „Dort gibt es einen schmalen Trampelpfad.“

Ohne auf eine Aufforderung zu warten, schnappen Daniel und ich uns die Box und machen uns auf den Weg. Genau wie ich, kann er es kaum erwarten dort unten anzukommen und lasst euch eines sagen: Von hier oben ist es bereits gigantisch, aber von dort unten, wenn man quasi direkt vor der Pyramide und den Tempeln steht, dann ist es schlichtweg atemberaubend. Lediglich umgeben von einer grünen, atmenden Hölle.

Kaum unten angekommen, geht Daniel auch schon auf das nächstliegende Objekt zu, welches in irgendeiner Weise eine Geschichte erzählt. „Das ist einfach nur umwerfend, Liz! Ich habe ja schon viel gesehen… aber das wirkt alles so lebendig.“ Er strahlt mich mit ausgebreiteten Armen an. Ich kann seine Gefühle nur allzu gut verstehen. Glaubt mir, mir geht’s im Moment nicht anders. Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Am liebsten alles auf einmal. Das hier ist mein Schlaraffenland!

„Sir, ich schlage vor, dass wir unser Lager hier direkt auf dem Plaza aufschlagen“, höre ich Sam schließlich sagen, die ein paar Minuten später hinter uns stehen bleibt. „Hier ist es weit weniger gefährlich als am Rande des Dschungels, wo irgendwelche Gefahren im Schatten lauern könnten.“

„Ja, ist wohl am besten.“

Über meine Schulter hinweg, sehe ich, wie die beiden und Teal’c bereits damit beschäftigt sind alles aufzubauen. Daniel hingegen steht auf den untersten Stufen der Pyramiden und schirmt mit seiner Hand seine Augen ab, als er nach oben schaut. „Jack, wir müssen uns das unbedingt ansehen“, ruft er einmal quer über den Plaza.

„Aber nicht mehr heute, Daniel.“

„Wir haben doch noch Zeit!“ Er schaut hinauf in den leicht rötlichen Himmel. „Wir haben noch Tageslicht für mindestens eine Stunde!“

Der Colonel sieht von seiner Arbeit auf und bedenkt ihn mit einem langen Blick. „Daniel, wir sind den ganzen Tag durch den Dschungel marschiert, ich habe jetzt Hunger und werde etwas zu Essen machen. Noch jemand hungrig?“, fragt er in die Runde.

Als Antwort höre ich unweigerlich ein Magenknurren. Nur kommt es nicht von mir, sondern von Sam. Leicht peinlich gerührt fährt sie mit einer Hand zu ihrem Bauch. Auch wenn ich gestehen muss, dass ich ebenfalls bei dem Gedanken an etwas Essbares das Loch in meinem Bauch spüre, so ist mein Adrenalinspiegel noch viel zu hoch, als das ich jetzt rein nervlich dazu in der Lage wäre etwas zu essen.

„Klingt verlockend, Sir.“ Er lächelt Sam an.

„Das war nicht zu überhören. Teal’c, was ist mit dir?“

„Ich denke, dass wir jetzt unsere Kräfte schonen sollten.“

„Vielen Dank.“ Und damit dreht er sich zu Daniel um und hebt mit einem Schulterzucken seine Arme. „Sie wurden überstimmt, Daniel!“

„Jack! Ich bin nicht den ganzen Weg hierher gelaufen, um jetzt zwischen diesen Monumenten zu schlafen, ohne vorher einen Blick drauf geworfen zu haben!“

„Mich kriegen heute keine zehn Pferde mehr diese Treppe hinauf“, jammert der Colonel mehr als alles andere. Irgendwo kann ich es nachvollziehen. Meine Füße schreien gerade zu danach nicht auch noch einen Zentimeter gehen zu müssen, aber… ehrlich, man kann die Geschichte förmlich spüren.

Habt ihr schon mal einen Mann schmollen sehen? Nein? Ich bis heute auch nicht. Aber Daniel… der hat’s wirklich drauf. Ich werde da richtig weich. Selbst Sam beißt sich auf die Lippe. Und sie muss ja wohl daran gewöhnt sein. Ihr Blick Richtung dem Colonel ist so voller Mitgefühl, dass es fast zu viel ist. Und langsam aber sicher beginnt auch diese steinerne Maske zu bröckeln.

„Jack…“, quengelt Daniel. Also wirklich, wie ein kleines Kind! Aber die Taktik scheint zu funktionieren. Hmm, sollte ich mir vielleicht mal merken.

„Fein!“, gibt sich der Colonel schließlich geschlagen nach. „Erkunden Sie die Ruine! Wenn ich heute nicht mehr die Treppen raufsteigen muss und Sie mir trotzdem einen anderen Eingang zeigen, können wir mal einen Blick hineinwerfen.“

Ich glaube, mehr als ‚Fein’ hat Daniel gar nicht mehr gehört, denn keine Sekunde später ist er verschwunden. Während ich noch am überlegen bin, ob ich ihm folgen soll, lässt sich der Colonel mit einem erleichterten Seufzen auf den Boden fallen und beginnt damit seinen Rucksack auszupacken. Er sieht ziemlich zuversichtlich aus.

„Sir, Sie glauben Daniel wird nichts finden?“

Meine Gedanken in Worte gepackt. Er schielt nur zu ihr nach oben. „Ach kommen Sie schon, Carter. Diese Pyramide ist riesig! Und selbst ich weiß, dass solche Stufenpyramiden nur einen Eingang haben und der befindet sich für gewöhnlich da oben.“ Er sieht nach Bestätigung suchend zu mir und im Grunde muss ich da zustimmen.

„Ja, das ist normalerweise der Fall, bei einer geschlossenen Pyramide. Bei einer offenen allerdings, so wie diese hier....“ Und die folgenden Worte gehen nur in einem Gemurmelt unter, nachdem mir gerade ein Blick zugeworfen wurde, der selbst einen Pinguin an Unterkühlung hätte sterben lassen können. Zufrieden nickt er.

„Sehen Sie“, murmelt er.

„Sir, die Goa’uld haben für gewöhnlich auch immer geheime Türen gehabt.“

Stöhnend sieht er sie an. „Carter, auf wessen Seite stehen Sie eigentlich?“ Ein erwartungsvoller Blick wird mit einem Schulterzucken beantwortet. „Außerdem haben die Goa’uld andere Schiffe. Die sind nicht so… stufig.“

Schiffe? Wie in ‚Raumschiffe’? Bevor ich überhaupt daran denken kann, diesen Gedanken in irgendeiner Weise fortzuführen, hören wir ein aufgeregtes Schreien.

„Gefunden!“

„Das darf doch wohl nicht wahr sein!“

„Leute! Das müsst ihr euch ansehen!“

Sam und ich können uns einfach ein Grinsen nicht verkneifen. Wenn das jetzt irgendein überdrehter Cartoon wäre, dann könnte man die müden und erschöpften Knochen des armen Mannes knacken hören, als er sich aufrafft.

„Sieht so aus, als hätten Sie sich geirrt, Sir.“

„Wissen Sie, Carter, ich beginne mich langsam zu fragen, ob er das eigentlich extra macht“, knurrt er wenig begeistert. Und mit einem sehr schwerfälligen Seufzen fügt er dann hinzu: „Na dann mal los. Vielleicht können wir ja heute dann Steinchen anstatt Schäfchen zählen.“

Mit einem amüsierten Kopfschütteln folge ich ihm. Er kann mir sagen was er will – nein, er kann mir vormachen was er will – selbst ihn muss es interessieren, was Daniel da gefunden hat! Er kann es noch so sehr verdrängen, aber ich habe dennoch den bewundernswerten Blick gesehen, den er hatte, als er dort oben am Abhang stand. Er kann vielleicht nicht die lebende Geschichte hier sehen, die Bedeutung, die ihr vergraben liegt – genau vor unseren Augen – aber er sieht zumindest mehr als bloß ein paar ‚Steinchen’, wie er einem immer so schön glauben lässt. Tut mir Leid, Mister, aber ich habe für so etwas einen sechsten Sinn. Und wir sind nicht bloß hier, um irgendwelche Mayaschätze auszugraben, hier geht es um eine Operation der Regierung, wenn ich das mal so formell und Geheimnisumwogen ausdrücken darf. Da ist jedes Steinchen von großer Bedeutung. Und Mission ist Mission. Wenn er auch nur halb so verbissen ist, wie Sam, dann hat diese solange Vorrang, bis sie erfolgreich abgeschlossen ist. Und wenn dazu nun einmal zählt sich Steinchen anzuschauen, dann nimmt das selbst ein Colonel O’Neill hin – begleitet von reichlich Zähneknirschen.

Und so werfe ich noch einen letzten Blick nach oben in den dunkelroten Himmel, bevor ich in das Dunkle des neu entdeckten Eingangs hinab tauche.


+++++


Noch immer ziemlich überrascht darüber, dass Daniel nach nur wenigen Minuten unserer Ankunft bereits einen geheimen Eingang gefunden hat, obwohl ich und mein Team hier bereits schon ein paar Wochen herumgekrochen sind, gelange ich in einen großen Raum. Es ist stockduster. Nur die Lichtkegel der Taschenlampen lassen uns erahnen, was sich hier befindet. Der Raum ist irgendwie…merkwürdig. Um es mal passend zu beschreiben. Er hat nicht im geringsten mit meinen Vorstellungen Ähnlichkeit. Ich persönlich habe ja irgendwo gehofft oder zumindest angenommen, dass wir hier unter der Pyramide etwas finden, was in Verbindung mit den Opferritualen steht. Denn die Pyramide ist nun mal ein Heiligtum, von deren Dach aus die Priester die Götter angebetet haben.

Es ist wirklich verwunderlich, denn hingegen mancher Meinungen und abgesehen von ihren wissenschaftlichen Errungenschaften, waren die Maya ein sehr blutrünstiges Volk. Selbst innerhalb ihrer eigenen Reihen schreckten sie nicht vor kannibalischen Eigenheiten zurück. In keiner Zivilisation wurde so viel enthauptet und Menschen bei lebendigem Leibe gekocht und aufgeschlitzt, wie hier. Und das alles nur, um ihre Götter zu besänftigen.

Deswegen ist es komisch, so überhaupt nichts hier davon zu finden. Keinerlei Zeichnungen und selbst die Wände haben nicht einmal annähernd Ähnlichkeit mit dem zeitgenössischen Stil der Maya. Absolut nicht. In den jeweiligen vier Ecken des Raumes befinden sich weitere Wände, die in einem Bogen zur Decke ragen und uns somit den Eindruck vermitteln, dass wir unter einer Art Kuppel stehen. Dadurch wirkt der Raum geradezu gigantisch. Vollkommen untypisch. Denn die anderen vier Wände sind glatt. Wenn mich nicht sogar alles täuscht, dann scheint eine Art Schicht darüber gelegt zu sein, wie ein Schutzfilm. Merkwürdig, wirklich merkwürdig. Mit meiner Taschenlampe beleuchte ich eine Schräge, vom Boden bis hin nach oben zur Decke.

Aber woha…! Was ist das? Während mein Lichtkegel über die Wand gleitet, sehe ich ein paar Symbole aufleuchten. Nur ganz kurz, aber sie haben aufgeleuchtet. Ich bin mir da ganz sicher!

„Okay, Leute, es wird nichts angefasst. Daniel, Carter? Egal wie faszinierend es auch sein mag, wir fassen heute nichts an. Verstanden?“ Er leuchtet die beiden einmal kurz an, als er langsam diese Geheimkammer betritt und schließlich wandert seine Taschenlampe in meine Richtung. „Das gilt auch für Sie, Dr. Sullivan.“

„Ja, Sir“, murmelt Sam und Daniel seufzt nur sein Einverständnis. Ich nicke lediglich, obwohl es in meinen Fingern kribbelt. Haben die anderen das auch gesehen? Unfassbar! Ich schaue über meine Schulter zu ihnen und gehe schließlich näher auf die Wand zu.

„Unglaublich“, flüstere ich, während sich meine Hand wie von alleine auf Wanderschaft begibt. Leider Richtung Wand. Doch nur wenige Zentimeter davor, stoppe ich sie und meine Fingerspitzen schweben über den Symbolen.

Sie kommen mir irgendwie um acht Ecken bekannt vor. Doch es sind nicht die Symbole, die ich bei den Goa’uld-Zeichen gefunden habe. Sie sind wieder komplett anders. Langsam wird mir schwindelig. So etwas hat es noch nie gegeben. In einer Maya-Pyramide so etwas zu finden. Mein Herz beginnt wie wild zu pochen, als ich zur Absicherung ein Blatt Papier aus meiner Hosentasche ziehe. Meine Taschenlampe schwenkt zwischen den Goa’uld-Symbolen auf dem Blatt und den Schriftzeichen an der Wand hin und her. Nein, eindeutig nicht dieselben. Denn das, was hier an der Wand im Schein meiner Taschenlampe leuchtet hatte da schon mehr Ähnlichkeit mit der Mayaschrift, vielleicht in sehr stark vereinfachter Form... okay, ich bilde es mir eh nur ein, das hat nicht den Hauch einer Ähnlichkeit, als die Symbole, die ich in den letzten Tagen gesehen habe. Nur kann ich sie leider nicht entziffern. Ich bin mir noch nicht mal sicher, ob es wirklich in Bezug mit den Maya steht.

Doch wisst ihr, was mich ehrlich gesagt am meisten verblüfft? Dass mich diese Tatsache überhaupt noch überrascht. Zusammen mit meiner Taschenlampe wandert mein Blick nach oben. Keine Lichtquellen – in jeglicher Art und Form. Ich glaube, wenn ich hier so etwas wie einen Lichtschalter finde, ist selbst *das* normal.

„Daniel?“, rufe ich über meine Schulter hinweg. „Haben Sie ne Ahnung, was das hier ist?“

Seine Schritte sind Antwort genug. Ich sehe seinen tanzenden Lichtkegel gegen meine Schräge leuchten.

„Auf jeden Fall nicht Goa’uld“, sagt er ziemlich nachdenklich… und verwundert? War nicht er es, der die Theorie aufgestellt hat, dass hier noch andere Außerirdische hausen?

„Daniel?“, fragt Sam neugierig und etwas alarmiert zugleich.

Doch bevor er antworten kann, beginnt es wie von Wunderhand in dem Raum zu flackern. Ja, zu flackern, so als ob jemand einen Schalter umgelegt hätte. Das mit den Lichtquellen sollte ich mir vielleicht noch mal durch den Kopf gehen lassen. Reflexartig reiße ich meine Hände nach oben, so als ob man mir einen Revolver auf die Brust gesetzt hätte. Ich habe nichts angefasst!

Die anderen sehen sich ebenfalls erstaunt um. „Daniel, ich habe doch gesagt: Nichts anfassen!“

„Ich habe nichts angefasst!“, wehrt er augenblicklich ab. Und von seiner Position aus – mitten im Raum – würde es schon an ein Wunder grenzen, wenn er da nur in irgendeiner Art und Weise irgendwas berühren konnte. Ich meine, er steht quasi noch auf einem Bein. Wenn diese Situation nicht so verdammt überraschend und verwirrend wäre, hätte ich bei diesem Anblick sicherlich laut losgelacht.

Ich schiele hinüber zu Sam, die inzwischen ihre Taschenlampe ausgeschaltet hat und nur ungefähr einen Meter von Daniel entfernt steht. Aber Sam ist mit ihren Gedanken bereits ganz woanders. Sie tastet mit ihren Blick den Raum ab und sucht vermutlich nach der Ursache.

„Sie sind der einzige, der sich bewegt hat.“ Oh je, und alles nur wegen mir.

„Und wie soll ich Ihrer Meinung nach von hier aus irgendwas berührt haben?“ Daniel sieht ihn mit einem entschlossenen Blick an und darauf kann selbst der Colonel nichts erwidern.

Während sich die beiden noch darüber streiten, ob hier irgendwer irgendwas angefasst hat, nutze ich die Gelegenheit und schaue mich mal ein wenig um. Das sieht alles so… futuristisch und alt zugleich aus. Die Wände sind in der Tat relativ glatt und mit meiner Vermutung der überzogenen Schicht hatte ich auch gar nicht mal so Unrecht, aber irgendwas ist komisch an ihnen. Wenn man genau hinsieht, kann man feine, eingravierte Linien sehen. Also, ich weiß, mit was ich mich in den nächsten Tagen beschäftigen werde. Und wenn ich mir das hier so ansehe, dann steht die Antwort vielleicht doch hier irgendwo an der Wand gekritzelt, wie es der Colonel so galant ausgedrückt hat. Mein Blick wandert nach oben und tatsächlich das Licht wird durch die Kuppel gestrahlt. Getrennt durch die aufragenden Schrägen, leuchtet der Zwischenraum merkwürdig weiß. Diese Perfektion mit der das gebaut wurde ist einfach unglaublich. Meinem Wissen nach waren die Maya nicht unbedingt irgendwelche großen Anhänger von Rundungen.

„Carter, was ist hier los?“

„Ich weiß es nicht. Irgendwie muss ein Mechanismus in Gang gesetzt worden sein.“ Sie schaut nach oben, ihr Blick tastet die Wände ab und landet schließlich auf dem Boden. „Genaueres kann ich erst sagen, wenn ich ein paar Untersuchungen gemacht habe, Sir.“

„Und wie lange? Ein…zwei Tage?“

Ein, zwei Tage?! Ich starre ihn vollkommen entgeistert an. Mein Mund hängt offen und meine Kinnlade klebt mit hundertprozentiger Sicherheit auf dem Boden. Wie hat er sich das denn vorgestellt?! Schon alleine das hier alles ansatzweise zu übersetzen kann Wochen dauern. Das ist vollkommen unmöglich!

„Niemals, Jack!“, geht Daniel dazwischen. Er scheint denselben Gedanken zu haben. „Sie können nicht erwarten, dass wir das in zwei Tagen übersetzt haben. Das ist… das…“

„Und wie lange brauchen Sie, Daniel?“

Er atmete einmal tief aus. Sein Blick wandert durch den Raum. „Nur das hier alleine würde schon bis zu Wochen dauern. Ganz zu schweigen von den Dingen, die sich noch außerhalb und auf der Pyramide befinden.“

„Wochen?“ Er reißt bei diesem Wort die Augen auf.

„Mindestens.“

Sein Blick wandert von Daniel zu mir, hinüber zu Sam und schließlich wieder zurück zu Daniel. „Sie können doch mit einem Team zurückkommen.“ Ja, und was ist mit mir? Schon vergessen, ich habe das hier gefunden! Das ist vermutlich meine einzige Chance etwas herauszufinden. Ich weiß, dass ich bisher nicht unbedingt viel zu so manchen Erkenntnissen beigetragen habe, aber er kann doch nicht einfach…

„Jack“, sagt Daniel mit einem ungeduldigen Blick. Kann er doch nicht, oder?

„Sir“, unterbricht Sam ihn. „Wir werden so schnell wie möglich versuchen Antworten zu finden. Das hier könnte von großer Bedeutung sein. Wenn ich erst einmal Quelle lokalisiert habe und weiß, um was es sich handelt, dann kann ich damit anfangen zu untersuchen, welche Funktion dahinter steckt. Vielleicht hilft uns das dann letztendlich zu verstehen, was es mit den Goa’uld auf sich hat und von wem das hier stammt.“

Sie sieht ihn entschlossen an, so als ob er überhaupt keine andere Wahl hätte, als ihr zuzustimmen. Er atmet einmal tief aus. „Fein. Carter, Sie versuchen so schnell wie möglich herauszufinden, was hier los ist. Dr. Sullivan?“ Ich sehe ihn fragend an. Vielleicht etwas aufgeregt, was meine Aufgabe sein würde. „Wo haben Sie die Goa’uld-Inschriften gefunden?“

Oh… Mein Lächeln verschwindet kurzzeitig. „Ähm, in einen der Tempel hier…“

Er nickt knapp. „Das übernimmst du, Teal’c. Vielleicht gibt es ja wieder so eine Weltuntergangbedrohungsnummer.“ Teal’c, der die ganze Zeit nahe des Eingangs gestanden hat, neigt kurz seinen Kopf im Einverständnis zur Seite. „Gut, und Sie, Daniel, Sie werden das hier übersetzen.“ Er macht eine ausschweifende Handbewegung durch den ganzen Raum.

Es folgt eine kurze Pause und es sieht ganz so aus, als ob er fertig wäre…Er macht sich schon auf dieses Fundstück hier zu verlassen. Doch kurz bevor er den Ausgang erreicht, dreht er sich noch einmal um. „Ach und Dr. Sullivan?“ Ich betrachte etwas zwiespältig seine angespannten Gesichtszüge. „Sie werden Daniel helfen.“ Er wirft noch einen kurzen Blick in die Runde. „Aber das alles erst morgen!“

Daniel, natürlich, schon bereit dafür irgendeinen Protest einzulegen, wird schnell von dem Colonel unterbrochen. „Morgen“, sagt er mit etwas mehr Nachdruck. „Oder muss ich erst einen Befehl draus machen?“

Daniel schließt seinen Mund wieder. „Nein. Fein, dann eben morgen“, antwortet er wenig begeistert.

Und mein Herzchen rutscht gerade bis in meine Zehen. Und dabei spielt die Tatsache, dass wir erst morgen mit unserer Arbeit beginnen können lediglich eine Nebenrolle. Es geht viel mehr darum, wie der Colonel gesagt hat, was meine Aufgabe hier ist. Nicht das ‚Was’ ist von Bedeutung, nein, durch das ‚Wie’ ist mein Ego gerade auf die Größe einer Weintraube geschrumpft.

Mit dem bedrückenden Gefühl, dass ich mir hier ein klein wenig fehl am Platz vorkomme, verlasse ich als letzte diese Geheimkammer und überschreite erneut die Grenze zwischen Licht und Dunkelheit.


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Mir geht einfach nicht aus dem Kopf, wie er es gesagt hat. Es war so ein ‚Ach, das fünfte Rad am Wagen ist ja auch noch da’ – Ton. So, als ob ich lediglich irgendein Hindernis wäre oder ein kleines Kind, auf das man aufpassen müsste. Ich meine, gut, im Endeffekt hätte ich mit Daniel zusammen gearbeitet, daran habe ich nicht eine Sekunde dran gezweifelt, aber er hat jedem eine klare Aufgabe gegeben und ich? Mich hat er fast vergessen. Und dann als ob er nicht wüsste wohin mit mir, hat er mir mal eben kurzerhand irgendwohin verfrachtet, nur damit er endlich für heute Schluss machen konnte.

„Ach und, Dr. Sullivan, Sie helfen Daniel.“ Es war irgendwie ein gewaltiger Tritt in die Magengrube.

Ich gebe zu, dass ich mir keine Illusionen gemacht habe. Besonders nicht über meinen Platz in diesem Team. Ich meine, ich bin kein Genie so wie Sam, ich kann keine außerirdischen Schriftzeichen lesen, wie Daniel und zu allem Überfluss bin ich noch nicht mal außerirdisch, so wie Teal’c. Da ist es besonders schwer sich in diesem Team zu behaupten. Als Normalsterblicher hat man im Grunde doch gar keine Chance und genau das führt mich wieder zu meinen mulmigen Gefühl in meinem Bauch, was schreit: Was tue ich eigentlich hier?

„Sam?“

Ich drehe meinen Kopf in ihre Richtung und sehe, wie sie eingerollt, mir den Rücken zugewandt, auf der Seite liegt. Ihre gleichmäßigen Atemzüge sagen mir, dass sie vermutlich schon im Reich der Träume schlummert.

„Sam? Bist du wach?“

Keine Regung. Deshalb stupse ich sie leicht an. „Hey, Sam, aufwachen.“

„Hmmm…“, kommt ein Brummen und sie rollt sich noch weiter zusammen.

„Aufwachen.“

„Ich versuche gerade wieder einzuschlafen“, murmelt sie schläfrig.

„Sam…“, beginne ich leicht zu quengeln. Mal sehen, ob Daniels Taktik auch hier funktioniert.

„Werden wir angegriffen?“

Wie jetzt? Hä? „Äh… nein…“, antworte ich ihr ziemlich verwirrt.

„Gibt es einen Notfall?“

„Nein.“

„Sonst was Dringendes?“

„Nein.“

„Und warum darf ich dann nicht schlafen?“

„Weil ich dich was fragen muss.“ Ich betrachte noch immer ihre Rückseite und streiche mir erneut eine Haarsträhne aus dem Gesicht, während ich meinen Kopf auf meiner Hand gestützt halte.

„Kann das nicht bis morgen warten?“

„Nein.“

Sie seufzt kurz, strampelt ihren Schlafsack etwas hinunter, aber dreht sich immer noch nicht zu mir um. Als sie nicht widerspricht, deute ich das mal als ein Einverständnis. „Der Colonel will mich nicht.“

„Was?!“ Ups… das kam dann wohl falsch heraus. Ich verziehe leicht mein Gesicht. Das kam definitiv falsch heraus. Ein klein wenig doppeldeutig vielleicht, aber zumindest habe ich jetzt ihre volle Aufmerksamkeit, denn kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, starren mich zwei große, blaue Augen durch die Dunkelheit hindurch an.

Ich schließe kurz mein Augenpaar. „Ähm… das kam jetzt irgendwie falsch...“ Aber ich muss schon sagen, eine ziemlich heftige Reaktion von Sams Seite aus. Okay, Liz, fang noch mal von vorne an. „Ich meinte, der Colonel will mich nicht hier haben. Auf dieser Expedition, in seinem Team…“

„Liz, das stimmt doch gar nicht.“

„Natürlich! Er hat nicht gerade Luftsprünge gemacht, als er erfahren hat, dass ich mitkomme.“

„So ist der Colonel nun einmal. Er kennt dich noch nicht, deswegen weiß er nicht, wie er dich einschätzen soll.“

„Ich weiß nicht…“

Sie seufzt leise und ich höre es wieder rascheln, als sie erneut ihre Position verändert und jetzt ebenfalls ihren Kopf auf ihrer Hand abstützt. Die andere streckt sie aus und berührt leicht meinen Arm. „Gib ihm etwas Zeit. Wenn du ihn erst einmal kennst, dann merkst du, dass er in Wirklichkeit richtig nett sein kann… Meistens jedenfalls“, fügt sie dann nachdenklich hinzu.

Ich lache kurz auf. Mir gegenüber hat er sich bisher noch nicht sehr *nett* verhalten. Er war immer so befehlshaberisch. Irgendwie hatte ich immer das Gefühl für ihn nichts weiter als lediglich ein Dorn im Auge zu sein. Ich senke meinen Blick und beginne mit einer Kordel vom Schlafsack zu spielen. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht… ich weiß nicht…“, stammle ich herum, weil ich plötzlich keine Ahnung habe, wie ich Sam das vermitteln will, was in mir vorgeht.

„Liz, was ist los?“ Aus Sams Stimme ist jegliche Müdigkeit verschwunden. Stattdessen klingt sie jetzt ziemlich besorgt.

„Warum… warum bin ich hier, Sam?“ So, jetzt ist es raus. Und wie erwartet, ist Sam von dieser Frage vollkommen überrascht. Wenn ich ehrlich bin, dann bin ich es selbst. Denn eigentlich hatte ich mir vorgenommen ganz langsam an die Sache heranzugehen, aber das war noch nie wirklich meine Art gewesen.

„Ich verstehe nicht. Was meinst du?“

„Na ja, ihr wusstest doch schon von Anfang an, dass wir hier diese Sachen finden werden.“

„Nein.“

„Komm schon. Erst diese Goa’uld-Glyphen, dann Daniels Theorie mit diesen anderen Außerirdischen… Ich frage mich, was ich hier soll. Bisher konnte ich euch doch keineswegs helfen. Du bist ein Genie, Daniel kann außerirdischen Schriftzeichen übersetzen und Teal’c… nun ja…“ Ich lache kurz auf. „Teal’c, ist ein Außerirdischer!“ Ich schüttle leicht meinen Kopf und rolle mich dann auf meinen Rücken, um an die Zeltdecke zu starren. „Was tue *ich* hier, Sam?“

„Liz, wir sind doch gerade erst angekommen. Und morgen fangen wir mit der Arbeit an. Bisher konntest du noch nicht viel tun.“ Ja, und ich bezweifle, dass es sich in Zukunft ändern wird.

„Sam, bitte, Daniel hat bereits auf den Weg hierhin die meisten Zeichen meiner Aufzeichnungen übersetzt.“

„Das heißt doch noch gar nichts. Ich bin mir sicher, dass du noch beweisen kannst…“

Ich hebe meine Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. Sie versteht es nicht. Sie weiß einfach nicht, worauf ich hinaus will. „Du verstehst nicht.“

„Nein, das tue ich nicht. Liz, weshalb machst du dir Sorgen? Daniel kann dir die Grundlagen zeigen und dann könnt ihr gemeinsam die Schriften übersetzen.“

„Gott, Sam, darum geht es mir doch gar nicht!“ Sie sieht mich verwirrt an. Ich atme einmal tief ein und aus. Okay, bringen wir es jetzt mal ganz präzise auf den Punkt. „Sam, was musstest du dem General alles versprechen, wem musstest du die Füße küssen, damit ich jetzt hier liegen darf?“

„Was?“

„Du hast schon verstanden.“

„Nein, ich glaube, ich verstehe nicht.“

„Doch das tust du.“ Ich drehe meinen Kopf in ihre Richtung und schaue zu ihr auf. „Sam, das ist meine Ausgrabung… zumindest war sie es mal. Doch seitdem du gesehen hast, was sich hier befindet und du es zu deinem Boss geschleppt hast, ist sie zu einer Operation der Regierung geworden. Ich habe jegliche Kontrolle verloren.“ Ich betrachte sie einen Augenblick und ihre Gesichtszüge sind starr, nur ihre Augen glänzen, so als ob sie gerade über die Worte nachdenken würde. „Ganz ehrlich, Sam, wäre ich jetzt auch hier, wenn du nicht meine Freundin wärst?“

Ich halte ihren Blick und dann sehe ich so etwas wie Resignation in ihren Augen. Ja, hatte ich es doch gewusst. Und gleich kommt er wieder dieser ‚Könnten wir jetzt damit aufhören’ –Blick. Der Blick, den sie immer benutzt, um Sachen entweder herunterzuspielen oder gar ganz zu verleugnen. Drei… zwei… eins.. und voilà! Da ist er. Ich kann schon regelrecht meine Uhr danach stellen.

„Liz..“, sagt sie mit einem Seufzen.

„Nein, Sam, ehrlich, sag mir, bin ich jetzt nur hier, weil du meine Freundin bist?“

Sie strampelt sich jetzt vollends aus ihrem Schlafsack und winkelt ihre Beine an, so dass sie in einem Schneidersitz neben mir sitzt. Ich setze mich ebenfalls auf, so dass wir jetzt auf einer Augenhöhe sind. „Ich weiß doch, wie wichtig dir das hier ist. Und ich dachte…“ Ja, du hast gedacht, schmiere ich den hohen Tieren etwas Honig um den Mund und schwups ist alles geregelt. Ohne Rücksicht vielleicht darauf, was ich davon halte.

Ich schüttle nur mit dem Kopf. „Wieso?“

„Wolltest du denn nicht hier hin?“

„Natürlich, wollte ich hier hin. Aber nicht, weil irgendein Major, die zufälliger Weise eine gute Freundin von mir ist, ihrem Boss irgendwas vorgesäuselt hat. Sam…“ Ich atme einmal tief durch und schließe meine Augen, während ich angestrengt meinen Nasenrücken massiere. „Das hier ist nicht nur ne Ausgrabung für mich. Ich habe ein Jahr gebraucht, um noch weitere Sponsoren zu finden, die mir das hier letztendlich ermöglicht haben. Ein Jahr harte Arbeit und wir haben es alleine geschafft. Ich und mein Team. Kurz bevor dieser ganze…“ Ich seufze einmal schwer, „dieser ganze Scheiß mit Tom angefangen hat, habe ich die Zusage bekommen und jetzt… Sam, da frage ich mich, wozu diese ganze Arbeit? Denn jetzt scheint sie vollkommen umsonst gewesen zu sein.“

„Liz, ich weiß, dass du enttäuscht bist…“

„Enttäuscht?“ Ich lache auf und schüttle nur den Kopf. „Bei allem nötigen Respekt, Sam, aber du weißt gar nichts. Du hast dir meine Unterlagen geschnappt, wie die Heuschrecken seit darüber hergefallen und habt mich außen vorgelassen. Ich war gut genug, um euch die Koordinaten zu sagen, aber an der Arbeit kann ich mich nicht wirklich beteiligen, weil es nicht mehr meine Arbeit ist. Verdammt, Sam, was soll der ganze Mist? Ich komme mir vor, wie das fünfte Rad am Wagen – sprichwörtlich. Nicht nur, dass ich euch zum Großteil nicht folgen kann, nein, jetzt nehmt ihr mir auch noch das einzige, was mir wichtig ist.“

„Hey!“, unterbricht sie mich scharf und mit leicht zitternder Stimme. Noch hat sie sich unter Kontrolle. Früher wäre sie schon längst ausgeflippt – zumindest in dem Rahmen, der ihren Stolz zuließ und das belief sich dann meistens nur auf eine Bemerkung - aber die Air Force hat ihr wohl gezeigt, wie man alles hinter einer Maske verstecken kann. „Das ist jetzt nicht fair!“ Sie deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger auf mich. „Was willst du, Liz? Ich konnte den General nicht dazu bringen dein Team ebenfalls an dieser Expedition teilnehmen zu lassen. Er war lediglich damit einverstanden, dass du uns begleiten darfst.“

Oh… wenn das so ist. „Ich *darf* euch begleiten?“ Ich glaube, ich habe noch nie so viel Sarkasmus in so wenige Worte gelegt. Ihr Mund verzieht sich zu einer dünnen Linie, während sie nur verärgert zur Seite schaut. „Sam, ich bin nicht auf deine Almosen angewiesen. Weißt du, es ist wahr, das war einmal meine Ausgrabung, aber seitdem ihr es in die Finger bekommen habt, ist es das nicht mehr. Der Colonel denkt, ich bin nur irgend so ein lästiges Anhängsel und du… du, ach verdammt noch mal, keine Ahnung, was du denkst. Ich weiß nur eins. Ich will nicht in einem Team sein, welches mich nicht hier haben will.“

„Das ist doch gar nicht wahr! Und du weißt, dass du jetzt absoluten Mist redest.“

„Vielleicht… aber ändern tut das absolut nichts.“

„Liz, jetzt hör mir mal gut zu. Das, was wir hier gefunden haben unterliegt höchster Geheimhaltung und da können wir nicht x-beliebige Leute herschicken. Das, was wir hier haben, ist möglicherweise außerirdische Technologie und sehr wichtig für uns, für unsere Arbeit, verdammt, Liz, vermutlich sogar für den Verlauf unserer Zukunft.“

„Falls du Angst haben solltest, dass ich etwas ausplaudern würde, da brauchst du dir keine Sorgen zu machen, ich kann schon meinen Mund halten. Nur wäre es mir ehrlich gesagt lieber gewesen, wenn man mich ganz von diesem kleinen Trip verschont und mir vielleicht nicht dieses größte Geheimnis der Welt anvertraut hätte, als jetzt hier festzusitzen.“ Ich starre sie noch einen Augenblick an. „Weißt du, Sam, ich bin mein ganzes Leben immer den schweren Weg gegangen, ich habe nie etwas einfach so geschenkt bekommen und es ist ein verdammt beschissenes Gefühl zu wissen, dass man aus unersichtlichen Gründen bevorzugt wird und das jetzt ausbaden darf. Der Colonel weiß nicht wohin mit mir und ich weiß es ehrlich gesagt auch nicht.“

Und damit rapple ich mich auf und öffne das Zelt. Eine lauwarme Nachtbriese weht mir über mein Gesicht. Als ich nach oben in den sternenklaren Nachthimmel schaue, kann ich im fahlen Mondlicht vereinzelte Fledermäuse umherflattern sehen. Und unweigerlich erscheinen mir die nächtlichen Geräusche des Dschungels viel lauter und auf irgendeine Weise viel vertrauter.

„Wo willst du hin?“ kommt es von Sam, die jetzt hinter mir hockt.

Ich drehe mich nicht zu ihr um, sondern schnappe mir nur meine Hose und meine Stiefel. „Raus hier.“

„Aber du kannst nicht… Liz, sei doch vernünftig! Es ist mitten in der Nacht!“ Ich höre ihr gar nicht zu. Ich bin gerade dabei meine Schuhe zuzubinden, als Sam nach meinen Handgelenk greift. „Verdammt, Liz, was ist los mit dir?“

„Ich dachte, das hätte ich dir gerade eben erklärt.“

„Liz, bleib hier. Wir sollten nicht nachts im Dschungel draußen herumlaufen. Das ist zu gefährlich.“ Ich befreie mein Gelenk mit einem energischen Ruck aus ihrem Griff und stehe auf.

„Ich weiß, was sich dort draußen befindet, Sam. Ich bin quasi im Dschungel aufgewachsen, schon vergessen?“ Das Feuer, inzwischen nur noch ein Häufchen Asche, ist schon längst erlischt und doch strahlt es noch eine gewisse Wärme aus, als ich an dem Haufen vorbeigehe und in der kühlen Nacht verschwinde.

„Liz!“

Ich antworte ihr nicht, drehe mich nicht einmal mehr um.

„Komm zurück!“

Ich kann nicht. Keine Ahnung, was mich da gerade eben geritten hat, aber es hat ein totales Chaos in mir ausgelöst und mir ist einfach nur nach heulen zumute. Ein Streit mit Sam war bestimmt das Letzte, was ich im Sinn hatte, aber sie hat einfach irgendwelche Entscheidungen über meinen Kopf hinweg getroffen und wenn ich nicht dieses absolute beklemmende Gefühl der Isolation innerhalb dieses Teams spüren würde, dann wäre es vermutlich nie so weit gekommen. Ich gebe zu, Daniel war der einzige, mit dem ich reden konnte, aber der Colonel, er hat von Anfang an seinen Standpunkt klar gemacht und Sam? Sam ist im Dienst und befolgt seine Befehle. Ich habe lediglich keine Ahnung, wo mein Platz hier ist und ja, es ist absolut beschissen in so etwas hineingestoßen zu werden.


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Hingegen jeglicher Vernunft, bin ich nicht zurück zum Zelt gegangen. Denn ich wusste, sobald ich dort aufkreuze, würde Sam mich mit Fragen löchern, auf die ich keine Antworten habe, oder zumindest nicht die Kraft, mir irgendwelche Antworten aus den Fingern zu saugen.

Das, was dort passiert ist, kann man auch als einen klassischen Fehlstart betrachten. Ich weiß schon, warum ich mich immer bemüht habe nicht mit dem Militär zusammenzuarbeiten. Da ist Kollision doch schon vorprogrammiert. Ich hatte nie irgendwelche Probleme gehabt mich in eine Gruppe einzufinden, aber hier… ich weiß echt nicht woran es liegt. Dass dieses ganze Team schon eine Konstruktion für sich ist, dass Sam meine Freundin ist oder liegt es einfach nur an mir? Bin ich hier diejenige, die alles kaputt macht?

Argh! Das schreit geradezu nach Dilemma! Sam macht sich vermutlich wahnsinnige Sorgen. Und genau das lässt mich noch mieser fühlen, als es mir eh schon geht. Es ist ja nicht so, als ob sie nicht schon genug Probleme hat. Und haltet mich nicht für herzlos oder so, ich verstehe durchaus die gute Absicht hinter ihrem Handeln, aber dennoch… sonst hat sie immer mit mir gesprochen und jetzt entscheidet sie so etwas Wichtiges über meinen Kopf hinweg. Mir geht es nicht nur darum, dass ich hier ganz allein bin und Sam ohne mein Wissen einfach zum General gelaufen ist, es geht auch um die Frage, ob ich das überhaupt hinbekomme! Wie soll ich denn damit umgehen? Ich bin keine Soldatin, ich bin nicht darauf trainiert irgendwas geheim zu halten. Ich kann die Dinge nicht so in mich hineinfressen. Und es ist ja nicht so, als ob es sich um ein kleines Geheimnis handeln würde, etwas, was zwar auf dem ersten Blick gigantisch wirkt, aber beim Zweiten, dann schon einiges an Bedeutung verliert. Hier ist es genau anders herum. Anfangs habe ich nicht wirklich verstanden, was dahinter steckt (und ich glaube, ich tue es auch jetzt noch nicht. Wie kann ich es auch?), aber je mehr Zeit ich habe über all die damit verbundenen Konsequenzen und Folgen zu denken, desto größer und größer wird dieses Netz. Da bekommt der Satz ‚Alle Entscheidungen haben Konsequenzen’ doch gleich eine ganz andere Bedeutung, nicht wahr? Ich seufze laut. Es ist verdammt schwer mit so etwas richtig umzugehen. Und ich weiß nicht, ob ich für so viel Verantwortung schon bereit bin. Und soll ich ehrlich sein? Dieser Gedanke macht mir eine Scheißangst.

Und so sitze ich jetzt hier, in dieser geheimnisvollen Kammer und starre auf eine der Wände. Ich habe diese Eingravierungen und Symbole angestarrt und angestarrt und wenn ich jetzt meinen Laptop und alles hier hätte, dann hätte ich sicherlich schon mit der Arbeit beginnen können, aber das hätte bedeutet, ich hätte zurück gemusst und das ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Es ist im Grunde einfach nur umwerfend, was hier gefunden wurde. Ich habe in meinen Leben noch nie etwas so Schönes gesehen. Es ist so perfekt, organisiert und irgendwie vollkommen verwirrend. All das, was mein Leben nicht darstellt – der verwirrende Aspekt mal ausgenommen.

Das Licht ist übrigens auch wieder ausgegangen und ich bin durch den ganzen Raum gelaufen, aber es blieb stockduster. Als ich in die Dunkelheit gestolpert bin, fing es kurz an zu flackern, aber es hat sich nicht stabilisiert, also blieb es dunkel. Ich kann von Glück sprechen, dass ich meine Taschenlampe noch dabei habe. Und so leuchten inzwischen schon zu einer stummen Melodie in meinem Kopf die Symbole auf.

„…Gefallen tun.“ Ich schrecke auf und knipse schnell die Taschenlampe aus, als ich Sams Stimme höre. Verdammt, wie spät ist es? Ich weiß, es ist absolut feige von mir hier einfach im Dunkeln zu sitzen und so zu tun, als ob ich nicht anwesend wäre. Obwohl ich mich in absoluter Sicherheit weiß, weiß ich auch, dass sie, wenn sie erst einmal hier drin sind, sie mich auch dann spätestens finden. Aber das würde von mir rationales Denken abverlangen und im Moment ist das ein absolutes Fremdwort für mich.

„Sie hat es sicherlich nicht so gemeint.“ Daniel. Ihre Stimmen sind noch gedämpft, aber durch diesen genialen Bau, wird alles ziemlich hellhörig.

„Ich weiß nicht. Sie klang ziemlich überzeugt.“

„Und sie ist nicht zurückgekommen?“

„Nein.“ Sie klingt keinesfalls wütend, sondern wie ich vermutet habe, einfach nur besorgt. Großartig Liz, einfach nur großartig. Ich haue leicht mit meinen Hinterkopf gegen die Wand und sende sämtliche Flüche, die ich bereits in meinem Leben gehört habe, gen Himmel.

„Sie machen sich Sorgen?“

„Nein. Doch. Nicht direkt. Ein bisschen.“ Sie seufzt kurz. „Niemand hat vermutlich mehr Zeit im Dschungel verbracht als Liz, aber wir haben uns noch nie so gestritten.“ Ihre Schritte stoppen und sie müssen irgendwo vorm Eingang stehen. „Hat Liz Ihnen erzählt, wie wir uns kennen gelernt haben?“

Ich höre Daniel lachen. „Oh ja. Ich wusste gar nicht, dass Sie sich da schon mit Männer angelegt haben.“

Sam allerdings höre ich nicht lachen. „Es war noch in der Anfangsphase, und wir hatten einen gigantischen Streit, bombastisch. Es ging sogar um einen Jungen. Sie hat mich bis auf die Knochen blamiert. Jedenfalls haben wir uns angeschrieen, dass wir mindestens eine Woche nicht mehr miteinander reden würden.“

„Und?“

„Ich stand eine Stunde später vor ihrer Haustür.“

Oh ja, daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. Das war der Anfang einer wirklich dicken Freundschaft gewesen. Jimmy Turner, wir haben uns wegen Jimmy Turner gestritten! Ich habe Jimmy zugeflüstert, dass Sam ihn toll fand, aber er hat sich nur herzlich darüber amüsiert. Denn wie bereits gesagt, damals war es nicht besonders cool, wenn man mit einem Bücherwurm gesehen wurde… schon gar nicht für den Liebling der Schule. Ich dachte, ich würde ihr damit einen Gefallen tun, aber es endete in einem totalen Fiasko. Jimmy und seine Clique haben es ausgenutzt und sind erst mit Sam warm geworden, haben ihre Schwäche zu ihrem Vorteil ausgenutzt und obwohl Sam sonst immer den Durchblick hatte, hier hatten sämtliche Fähigkeiten versagt. Er hatte nur dieses Spielchen gespielt, um sie dann vor versammelter Mannschaft so richtig in Grund und Boden zu stampfen. Hätte ich gewusst, dass Jimmy so ein Schwein war, hätte ich es ihm nie gesagt und Sam diese Schmach erspart, aber ich wollte ihr wirklich nur einen Gefallen tun. Ich hatte es nur gut gemeint. Oh je… und hier mitten in der Dunkelheit, schwebt es vollkommen deutlich vor meinen Augen. Ich bin ja so ein Idiot! Ich schnauze Sam an und dabei bin ich kein Deut besser. Oh Gott! Ich haue jetzt meinen Kopf gegen eine imaginäre Ziegelmauer genau vor mir! Wenn Doofheit wehtun würde, müsste ich jetzt schon unter einem schlimmen Fall von Gehirnerschütterung leiden. Und das schlimmste von allem. *Sie* stand nach einer Stunde der vollkommenen Schmach und der Gewissheit, dass sie mindestens für den Rest des Schuljahrs das Gespött der Schule war, vor meiner Haustür. Sie stand da, gebeutelt und vollkommen im Boden versunken und hat mir verziehen. Und ich? Ich ziehe es vor mich jetzt einfach zu verstecken. Ich höre schon diese nervige Stimme in mir brüllen: „Feigling!“ Und wenn ich ehrlich bin, viel kann ich dem nicht mehr hinzufügen.

„Sehen Sie, Sam, lassen Sie Liz etwas Zeit. Die letzten Tage hatten es ganz schön in sich. Ich meine, erst die Goa’uld-Glyphen, dann die Geschichte mit dem Stargate und jetzt das hier! Als Catherine mir vor fünf Jahren von dem Stargate erzählt hat, hielt ich es für einen Scherz, bis ich es dann mit eigenen Augen gesehen habe. Liz weiß, dass Sie ihr damit nichts Böses wollen. Glauben Sie mir.“ Er macht eine kurze Pause. „Und Jack wird sich auch wieder einkriegen. Wenn wir Liz erst einmal gefunden haben, dann beruhigt auch er sich wieder.“ Kann mein Herzchen eigentlich noch tiefer als bis zu meinen Zehen sinken? Jetzt habe ich nicht nur Sam Stress gemacht, nein, jetzt hat sie auch noch wegen mir Ärger mit dem Colonel. Ich hätte es doch wirklich besser wissen müssen. Nachdenken, Liz! Nur ein bisschen nachdenken! Ist das denn wirklich zu viel verlangt?

Die beiden setzten sich wieder in Bewegung und ich warte schon ganz gespannt darauf, dass sie jede Sekunde hereinkommen. Aber irgendwas scheint sie aufzuhalten. „Es ist dunkel.“ Eine vollkommen pragmatische und zutreffende Beobachtung.

„Glauben Sie, die standen damals auch schon auf Energiesparen?“

„Überraschen würde es mich nicht.“

Ich sehe die Lichtkegel wandern und höre ihre Schritte. „Okay, was haben Sie gestern gemacht?“

„Ich habe gar nichts gemacht!“

„Irgendwas muss aber passiert sein… Es muss was auf den Boden sein, vielleicht irgendein Mechanismus der durch Druck in Gang gesetzt wird…“, überlegt Sam laut und die wackelnden Lichtkegel verraten mir, dass sie den Raum durchsuchen. Ihr werdet es nicht glauben, aber genau das habe ich auch schon versucht.

„Das könnt ihr euch sparen.“ Ich zucke leicht zusammen. Meine Stimme hört sich erschreckend laut in diesem Gemäuer an. Aber Sam und Daniel scheinen nicht minder überrascht zu sein, denn kaum habe ich die Worte ausgesprochen, werde ich auch schon vom weißen Licht geblendet. Ich sage euch, wenn ich die nächsten Stunden nicht mit einer weißen Mattscheibe vor meinen Augen rumlaufen, dann zumindest mit diesen nervigen, tanzenden Punkte, die man auf Teufel komm raus nicht loswird.

„Herr Gott noch mal…!“

„Meine Güte…!“

Kommt es von den beiden gleichzeitig wie aus einem Munde. Mit meinen Händen versuche ich die Strahlen der Taschenlampen abzuschirmen. „Könntet ihr vielleicht… die Taschenlampen…?“

„Oh ja, natürlich“, entschuldigt sich Daniel augenblicklich und richtet seine Taschenlampe auf dem Boden. „Mensch, Liz, wir haben uns Sorgen gemacht.“ Er kommt zu mir hinüber und ich taste mich die Wand nach oben.

„Sir, Carter hier. Wir haben sie gefunden. Sie ist in der Kammer“, übermittelt Sam dem Colonel im Grunde die gute Nachricht, aber für mich Hiobsbotschaft. Liz, du kannst schon mal anfangen dein Grab zu schaufeln. Ich glaube, wenn der Colonel mit mir fertig ist, werde ich es brauchen.

Als Antwort höre ich nur ein Rauschen und Rauschen und dazwischen irgendwo seine Stimme. „…Carter… bleiben…. Nicht rühren… Komme…“

Ja, selbst ich habe das verstanden und der Ton, der diese Wortfetzen übermittelt hat, war alles andere als freundlich. Ich schwöre euch, ich bewege mich keinen Zentimeter. Nicht einen einzigen. Jetzt dreht sich Sam ebenfalls zu mir um.

„Liz! Meine Güte… jage mir nie wieder so einen Schrecken ein!“ Ob sie jetzt darauf anspielt, dass ich die beiden gerade fast zu Tode erschreckt habe oder auf meine Flucht in der Nacht, kann ich nicht mit absoluter Sicherheit sagen, aber ich tippe mal zu neunundneunzig Prozent auf letzteres.

Ich kann von Glück sprechen, dass es hier so dunkel ist, sonst hätte sie vermutlich noch die überwältigenden Schuldgefühle in meinem Blick gesehen. „Tut mir Leid.“ Ich weiß, die wohl lahmste Entschuldigung, die es gibt, aber wenn es drauf ankommt, fällt einem nie etwas Besseres ein. „Wirklich. Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst.“

„Warum? Liz, ich…“ Ich sehe, wie ihr Umriss den Kopf schüttelt.

„Panik“, antworte ich ihr auf ihre unvollständige Frage wahrheitsgemäß. „Ich glaube, ich habe gestern erst verstanden, um was es hier geht. Ich habe mich… keine Ahnung, mir wurde es zu viel und meine Leute sind nicht hier… ich glaube, da habe ich etwas überreagiert.“

Sie seufzt schwer. „Hauptasche dir geht’s gut.“

Da muss ich einfach lächeln. „Du hast doch nicht ernsthaft geglaubt, dass ich nachts, unbewaffnet, ganz alleine in den Dschungel verschwinde?“ Ich kann nur ein Schulterzucken erahnen. „Nein, über so viel Vernunft verfüge ich dann doch noch. Das wäre doch lebensmüde. Also, ein wenig hänge ich schon noch an meinem Leben.“

Und damit entlocke ich ihr ein leichtes Lachen. „Das hoffe ich doch.“ Sie atmet einmal tief durch. „Liz, das war das Dümmste, was du je gemacht hast. Dir hätte wer weiß was passieren können.“

„Ist es aber nicht.“

„Darum geht es nicht. Es hätte aber etwas passieren können. Liz, der Colonel trägt die Verantwortung für dieses Team. Versuch dir mal vorzustellen, wie es ist, wenn plötzlich jemand aus deinem Team ohne ein Wort verschwinden würde.“

„Ich… ich weiß, es war ein Fehler und es tut mir wirklich, wirklich Leid. Ich wollte ehrlich nicht… Ich meine, das Letzte, was ich will, ist, dass du wegen mir mit dem Colonel Ärger hast und dass er für meine Dummheiten verantwortlich gemacht wird. Aber, Sam… bitte, versteh mich doch. Ich wurde hier hineingestoßen und, und ich hatte einfach keine Ahnung, was ich tun sollte. Ich brauchte einfach etwas Zeit und Abstand, um das alles auf die Reihe zu kriegen.“

„Du hättest wenigstens dein Funkgerät…“ Sie hält mir dieses gute Stück entgegen und ich nehme es vollkommen baff an mich. Na klar, im Eifer des Gefechts denke ich auch ausgerechnet daran. Ich war froh, als ich endlich draußen war. Und wenn es mir überhaupt noch in den Sinn gekommen wäre mir mein Funkgerät zu holen – was natürlich nicht der Fall war – glaube ich kaum, dass ich dann noch einmal kehrt gemacht hätte.

„Sam…“ Ich schnappe vielleicht etwas zu theatralisch nach Luft und bin schon drauf und dran meine Hände in die Hüften zu stemmen. „Komm schon, ich war sauer auf dich. Da ist so'n Funkgerät wohl das Letzte, woran ich denke.“

Ihrem Schweigen entnehme ich mal, dass es bei ihr das genaue Gegenteil der Fall gewesen wäre. Sie hätte brodeln können vor Wut und dennoch wäre sie noch so verantwortlich gewesen und hätte gehorsam ihr Funkgerät eingepackt. Ich weiß schon, Air Force, Militär… Gefahr, jede Sekunde könnte ein Klavier auf deinen Kopf fallen. Da habe ich ja ein Glück, dass ich diesem Verein nicht beigetreten bin.

„Und du warst ja auch nicht ganz unschuldig an der Sache.“ Ich zeige durch die Dunkelheit hindurch mit meinem Finger auf sie.

„Ich…“, beginnt sie in einem Anflug von Empörung, aber verstummt dann, als sie meinen Punkt erkennt. „Ja, du hast Recht. Ich hätte vorher mit dir reden sollen“, gibt sie reumütig zu.

„Ja.“ Ganz recht. Sehe ich genauso. „Du musst schon zugeben, dass das hier alles ganz schön…“ Ich atme einmal tief durch, während ich meine Arme ausbreite und mich halb im Kreis drehe. „Na ja, es ist schon… gewaltig… irgendwie.“

„Ja, das ist es. In der Tat.“ Ich nicke ein paar Mal und im Schein der Taschenlampe schauen wir uns einfach nur an. Gott, ich war so ein Idiot. Sam würde mir nie etwas Böses wollen und ich ihr nicht. „Alles wieder in Ordnung zwischen uns?“, fragt sie diesmal leiser und versöhnend.

Was für eine Frage. „Natürlich. Es kommt nicht wieder vor. Ich schwöre es. Ehrlich.“

„Ich weiß.“ Sie drückt einmal kurz meine Hand, doch dieser Moment der Übereinkunft ist leider nur von kurzer Dauer.

„Dr. Sullivan, was in Gottes Namen fällt Ihnen eigentlich ein einfach so zu verschwinden?!“ Wie die Engländer sagen würden: The Colonel ist not amused. Überhaupt nicht. Ich sehe mich schon mit Schaufel. Er hat die Kammer noch nicht mal betreten und ich wünschte, die Wand hinter mir würde nachgeben. Ich hätte es wissen müssen. Man sollte sich nie mit einem Colonel anlegen. Ich wünschte nur, dass ich die Sache mit dem Colonel genauso einfach wie bei Sam aus der Welt schaffen könnte. Aber irgendwie sprechen alle Anzeichen dagegen.

Wütend stampft er die paar Stufen hinunter und bleibt vor mir stehen. Doch bevor er auch noch ein weiteres Wort sagen kann, ertönt plötzlich ein leises Summen. Es hört sich maschinell an. Wie… und dann geht das Licht wieder an. Was zum Teufel ist hier eigentlich los?

Für den Bruchteil einer Sekunde bin ich erneut wie geblendet. Wow… das ist doch mal was. Der Colonel sieht sich ebenfalls verwundert um, bis sein Blick auf Daniel hängen bleibt. „Daniel, was haben Sie angefasst?“

„Wieso denn immer ich? Ich habe gar nichts angefasst!“

„Doch.“

„Nein.“

„Natürlich!“

„Nein, habe ich nicht!“

„Daniel?!“

„Jack?!“

Die beiden Männer starren sich an und ich spüre nur, wie ich verwundert meine Augenbrauen hochziehe. Jetzt sagt mir nicht, das ist immer so. Sam schüttelt nur mit einem kleinen Lächeln den Kopf. „Immer so?“

„Frag nicht.“ Sie zieht ihr Messgerät heraus und beginnt die Kammer nach irgendwelchen Unregelmäßigkeiten abzusuchen.

„Übrigens ging das Licht erst an, als Sie hier hereingestürmt kamen!“ Nun, das ist wahr und da kann selbst der Colonel nicht widersprechen und wie es aussieht, hat ihm das etwas den Wind aus den Segeln genommen.

Er begutachtete Daniel noch einen Moment, bevor er sich zum Sam umdreht. „Carter?“

Sie sieht von ihren Messungen zu ihm auf. „Ich kann nichts feststellen, Sir. Die Daten sind leicht erhöht, aber nicht gravierend genug, um so einen Energieaufwand zu erklären.“

„Und was jetzt?“

„Na ja“, beginnt Daniel, als er sich wieder zur Wand umdreht. „Zumindest wissen wir, von wem das hier kommt.“ Er hat wohl jetzt zum ersten Mal die Gelegenheit sich die Symbole genauer anzusehen. „Es sind nicht unsere Freunde.“

„Ach wirklich?“ Ja, das wollte ich auch gerade sagen. Wir wissen es?

„Die Antiker.“

„Wow“, kommt es von Sam.

„Klasse.“

Wer?

„Es gibt allerdings ein Problem.“ Was?

„Der Kasten hier bricht jetzt jede Sekunde über uns zusammen?“ Das kann passieren?

Aber Daniel schüttelt nur den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Diese Schrift stimmt nicht mit der überein, die wir bereits kennen.“


+++++


„Mo-Moment Mal, was soll denn das heißen: 'Die Schrift stimmt nicht überein'?“, platzt es keine Sekunde später aus dem Colonel heraus.

Doch Daniel zuckt lediglich mit den Schultern. „Na ja, das, was ich gesagt habe. Diese Schrift stimmt nicht mit der überein, die wir bereits kennen.“

„Und das heißt jetzt...?“ Während O'Neill eine kreisende Handbewegung macht, zieht er fragend seine Augenbrauen hoch.

„Das heißt“, beginnt Daniel nachdenklich und beißt sich kurz auf die Unterlippe. „Also, ich würde sagen, das heißt“, startet er einen neuen Versuch, aber auch diesmal gerät er ins Stocken. Und während neben mir der Colonel immer ungeduldiger wird, sieht sich Daniel mit einem Seufzen in dem Raum um. „Wenn ich ehrlich sein soll, dann heißt das wohl, dass wir noch einiges an Arbeit vor uns haben.“

„Sie haben also keine Ahnung?“

„Nein, habe ich nicht“, stimmt Daniel ihm reumütig zu. „Aber bald. Das hier ist wirklich interessant.“ Aufgeregt wie ein kleiner Junge, zeigt er auf eine Wand. „Seht euch doch nur die Darstellung an. Auf den ersten Blick durcheinander und ohne jegliche Logik, aber beim genaueren Hinsehen, kann man die Struktur...“

„Können Sie es übersetzen?“, geht ihm der Colonel mit wenig Begeisterung dazwischen.

„Es gibt natürlich viele wichtige Faktoren, die hier eine Rolle spielen. Zu aller erst wäre da einmal die Semantik...“

„Daniel!“

„Ja! Ja, natürlich kann ich es übersetzen.“

„Gut.“

„Ja“, murmelt Daniel verbittert wie ein saurer Apfel, gefolgt von ein paar weiteren vermutlichen Verwünschungen, die aber leider in seinem Meer aus Genuschel untergehen. Wobei es vielleicht auch gut so ist, denn ich glaube kaum, dass der Colonel an auch nur einer Silbe Gefallen gefunden hätte. Keine Ahnung woran es liegt, aber kann mir mal jemand erklären, warum ich den Eindruck habe, dass er permanent mit dem falschen Fuß aufsteht? Liegt das jetzt nur an mir oder ist das so ein 'Air-Force-ich-bin-Colonel-und-muss-stinkig-sein' Ding? Mir persönlich stinkt das gewaltig.

Und mit genau solch einer Anmut und Fehlen jeglicher Eleganz, dreht er sich um dreihundertsechzig Grad, wobei er seinen Blick mehr dürftig als würdig durch den Raum gleiten lässt. „Okay, so sieht's aus. Ich werde Hammond sagen, was wir hier gefunden haben und Sie, Daniel und Dr. Sullivan, Sie werden sich dran setzen und das hier übersetzen. Oder zumindest herausfinden, was dieses ganze Theater soll und Sie, Carter“, wirbelt er zu Sam herum, doch lässt noch nicht einmal in seiner kurzen, nervenzerreibenden Pause von seiner Befehlnummer ab, während er sie mit einem bestimmten Blick ansieht, der mir schon mein Herzchen rausgerissen hätte, „finden heraus, was es mit diesem verdammten Licht auf sich hat.“

„Ja, Sir.“

Sollte Sam sich auch nur in irgendeiner Weise von diesem befehelshaberischen Ton angegriffen fühlen, dann zeigt sie es nicht, sondern macht sich ohne Umschweife an die Arbeit. Und da soll man doch meinen, dass ihn Daniels neue Erkenntnis zumindest etwas auftauen lässt. Tja, so kann man sich irren. Ist wohl doch nicht nur männlich.

Aber die Sache wird dadurch nicht unbedingt einfacher für mich. Wie soll ich denn mit dem Colonel auf eine gleiche kommunikative Ebene kommen, wenn wir es nicht mal schaffen drei zivilisierte Worte miteinander zu wechseln, ohne dass ich gleich diesen immensen Drang verspüre ihm an den Hals zu springen? Ob das wohl auf Gegenseitigkeit beruht? Ist mir mein Leben lieb genug, um dieses Experiment zu starten? Aber wie die Dinge stehen, bleibt mir gar nichts anderes übrig. Immerhin stecken wir hier gemeinsam irgendwo im Urwald fest und es gibt Spielregeln, die eingehalten werden müssen. Ob es mir nun passt oder nicht. Und wenn ich ehrlich bin, dann bin ich nicht besonders scharf drauf, den Colonel irgendwie auf meiner gegenüberliegenden Seite zu wissen. Jetzt muss ich nur noch einen Weg finden, wie ich ihm zeigen kann, dass ich alles andere als ein kleines Baby bin, auf welches aufgepasst werden muss.

„Liz, ich brauche mal Ihre Hilfe!“, reißt mich Daniels Stimme plötzlich aus meiner Traumwelt. Huh, wenn ich mich hier so umsehe, dann bin ich offensichtlich die einzige, die noch wie eine Salzsäure angewurzelt in der Gegend steht. Sam und der Colonel sind nicht mehr zu sehen und Daniel ist ebenfalls fleißig am Werkeln. Das wäre eventuell ein Ansatzpunkt, an dem ich arbeiten könnte. Meiner Umgebung ein klein wenig mehr Aufmerksamkeit zollen.

Noch während ich mir diesen Vorsatz auf meine verfrühte Silvesterliste der guten Vorsätze kritzle, eile ich zu Daniel hinüber, der nicht nur an seinem Laptop hantiert, sondern auch an meinem. Konnten die beiden etwa Gedanken lesen?

Erst als ich direkt hinter ihm stehe, sieht er von seiner Arbeit auf. „Ich habe mir gedacht, wir vernetzen einfach unsere beiden Notebooks. So haben Sie einen leichteren Zugriff auf die Dateien von den Antikern und bekommen gleichzeitig mit, wenn ich hier alles einscanne.“ Ich nicke. Ist eine gute Idee. „Habe jetzt soweit alles eingerichtet, aber Sie haben Ihr Notebook zumindest genauso gut gesichert, wie Sam ihres und obwohl ich es vermutlich umgehen könnte, wäre es glaube ich besser, wenn Sie mir den Zugriff gewähren.“

Ich schürze kurz meine Lippen und muss mir ein Grinsen verkneifen. Also im Klartext: Ich soll einfach mein hochgeheimes Passwort eingeben und meinen Zugang frei schalten? Man merkt, dass er vier Jahre intensiv mit Sam zusammengearbeitet hat. Doch ich behalte ein Kommentar für mich und „gewähre ihm Zugriff“ auf mein Heiligtum. Ein paar Klicks hier und ein paar Befehle da und die Sache ist geritzt.

„Gut“, murmelt Daniel noch, als er mir einen begrenzten Zugriff auf seine Daten gewährt und ein paar Dokumente aufruft, die sich bei mir auf dem Bildschirm läppern. „Vielleicht ein paar grundlegende Dinge, die ich bisher über die Antikerschrift herausfinden konnte. Es ist nicht viel, aber etwas. Das Problem an dieser Schrift ist, dass sich die Symbole und Zeichen sehr ähnlich sehen. Manche haben sogar dieselbe Struktur aber unterschiedliche Bedeutung. Aber was wirklich faszinierend ist, ist folgendes: Unsere Grammatik und die Sprachen haben sich aus dem Lateinischen entwickelt und hier finden wir genau diese Basis wieder. Latein scheint auch hier das Grundgerüst zu sein. Außerdem gibt es keine Leerzeichen, keine Groß-und Kleinschreibung und keine Satzzeichen.“

„Ist es da nicht einfacher zu sagen, was es gibt?“

Daniel lacht leicht. „Vermutlich. Aber das ist bisher das, was ich herausfinden konnte. Aber ist das nicht einfach unglaublich? Ich meine, überlegen Sie mal, was das heißen könnte. Heißt das, dass sich unsere Sprache aus der der Antiker entwickelt hat?“

„Ist das denn so abwegig?“

„Nein, nein, überhaupt nicht. Aber es wirft ein anderes Licht auf diese Zeichen hier.“

Okay, hier komme ich jetzt nicht ganz mit. Ich schüttle nur leicht mit dem Kopf. „Na ja“, beginnt er, als er aufsteht und zu einer der Wände rennt und davor stehen bleibt. „Wenn Sie diese hier an der Wand stehenden Symbole genau betrachten, dann unterscheiden sie sich fürs Auge kein bisschen von denen, die Sie bereits dort auf dem Bildschirm sehen. Und dennoch stimmen sie nicht überein. Was im Grunde nur eine Schlussfolgerung zulässt: Es ist ein älterer Dialekt, welcher uns nur zeigt, dass die Rasse der Antiker vermutlich schon viel früher ihre Wurzeln hier ausgebreitet hat.“

„Mir ist es trotzdem noch ein Rätsel, was die Maya mit alle dem zu tun haben. Und nicht nur das, nirgends in dieser Stätte haben wir ein Anzeichen der Antiker gefunden und dann gelangen wir in die Pyramide und siehe da, eine komplett andere Schrift. Ist das nicht merkwürdig?“

„Vielleicht haben die Maya es ja einfach übernommen und ist für uns jetzt nicht mehr sichtbar. Vielleicht war es das früher mal, bevor die Spanier alles zerstört haben.“

„Ja, das ist möglich, aber dennoch...wenn es wirklich einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Rassen geben würde... wow, ich meine, das würde so ziemlich alles über den Haufen werfen.“

„Willkommen in meiner Welt.“

Ha. Ja, und ich brauche nur noch ein paar Minuten, um diesen Gedanken zu verarbeiten. „Wie können Sie bei diesem Gedanken nur so ruhig bleiben? Das schreibt doch die komplette Geschichte um.“

Ein schiefes Grinsen zeichnet sich auf seinem Gesicht ab. „Glauben Sir mir, Liz, wenn Janet, Sam, ich und all die anderen Wissenschaftler im SGC über die ganzen Errungenschaften schreiben könnten, mit denen wir bereits konfrontiert wurden, wir hätten ausgesorgt.“

Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Mensch, was für ein Leben. Umgeben von all diesen Wundern und man darf kein Sterbenswörtchen sagen. Ich glaube, ich wäre ein wandelndes, emotionales Pulverfass! „Und dennoch“, murmle ich diesmal, „warum die Pyramide?“

„Pyramiden besaßen schon immer große Bedeutungen. Aber ich bezweifle, dass diese hier von den Antikern stammt.“

Und wie kommt er jetzt darauf? Wenn ich mich recht entsinne, war es dann nicht er, der behauptet hat, dass die Entstehung der Pyramide nicht das ist, was alle anderen Historiker annehmen? Also, ich bin ganz Ohr. „Warum?“

„Der zeitliche Aspekt ist der ausschlaggebende Punkt. Wenn die Antiker wirklich so alt sind, wie ich annehme und das hier zeigt nur, dass wir vielleicht sogar ein paar Jahre dazuzählen dürfen, dann können sie das hier unmöglich gebaut haben. So alt, wie diese Pyramide auch ist, dafür ist sie zu neu.“

„Na ja“, setze ich schon an, aber Daniel schüttelt nur den Kopf.

„Nein, außerdem würde somit die Tatsache passen, dass die Pyramide von den Maya stammt, oder nicht?“

„Ja, klassischer Stil, Bauart, Symbole, selbst die Anordnung, alles typisch Maya.“

„Das hier, ist etwas vollkommen anderes.“ Er stützt seine Hände in die Hüften. „Nein, es ist unsinnig. Die Antiker waren schon viel zu fortgeschritten, um irgendwelche Pyramiden zu bauen.“

„Wieso? Vor ein paar Millionen von Jahren sah die ganze Sache vielleicht noch etwas anders aus? Was wissen Sie über die Antiker? Was macht sie so besonderes?“

„Ihr Wissen. Sie besaßen ein gigantisches Wissen über alles, das Universum, die Galaxien, Technologien...“

„Gut, ich kann ja verstehen, wenn Steine schleppen nicht gerade zu ihren Lieblingsaufgaben zählten, aber ist es wirklich so unwahrscheinlich? Und nehmen wir nur für einen Augenblick mal an, dass es wirklich einen Zusammenhang gibt, dann ist die ganze Sache vielleicht doch nicht so abwegig.“

„Was meinen Sie?“

Ja, was meine ich eigentlich? Mir schwirrt gerade so viel durch meinen Kopf, dass ich gar keine Ahnung mehr habe, wo eigentlich noch vorne oder wo hinten ist. Ganz zu schweigen von oben oder unten. Und ob ihr es glaubt oder nicht, aber in meinem Kopf baut sich gerade eine äußerst kranke Idee zusammen. „In der Kultur der Maya war die Pyramide mehr als nur ein Bauwerk. Sie waren nicht bloß Anhöhen, auf denen die Opfer dargebracht wurden, sie waren nicht nur das Heiligtum der Götter, die Priester saßen dort nicht nur Nacht für Nacht, um die Laufbahn der Venus zu beobachten, nein, jeder Stein von dieser Pyramide hat eine Bedeutung. Sie können sich noch daran erinnern, wie ich Ihnen davon erzählt habe, dass die Maya Ikonen der Kalenderrechnung waren? Nun, das hier ist ihr Kalender.“

„Die Pyramide? Ich dachte immer, sie hätten so eine Art Zahnradsystem entwickelt.“

„Oh, das haben sie auch. Aber das hier, diese Pyramide ist ebenfalls ein Kalender. Wenn man sich die Mühe macht und mal alles abzählt, stellt man fest, dass diese Pyramide genau dreihundertfünfundsechzig Stufen besitzt – dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr, wobei man allerdings fairer weise sagen sollte, dass fünf von den dreihundertfünfundsechzig Tagen als Unglückstage zählten– und genau zweiundfünfzig Fenster, ausgelegt nach dem Maya-Zyklus, der ein viertel des Zyklus beschreibt nach dem alle zweiundfünfzig Jahre ein Sonnenjahr-Zyklus mit einem Zyklus von heiligen Jahren zusammenfällt, so dass immer derselbe Tag in einem bestimmten Monat gleichzeitig in den beiden Systemen erscheint. Also, lange Rede kurzer Sinn, für die Maya bestand ein Jahrhundert aus zweiundfünfzig Jahren. Hinzukommt, dass keine der vier Seiten der Pyramide exakt zu den Himmelsrichtungen ausgerichtet sind, sondern mit einer Differenz von sieben Grad südwestlich. Wenn an zwei Tagen im Jahr die Nacht – und Tagbleiche auftreten, dann sind an dem nördlichen Treppenaufgang die Schatten der Pyramidenterrassen zu sehen sind. Diese Schatten werden durch die untergehende Sonne erzeugt. Und jetzt kommt das Beste, also das wirklich faszinierende, diese Schatten sind nicht irgendwelche Schatten, sondern sie nehmen die Form von einer Schlange an. Um genau zu sein, eine Schlange mit insgesamt sieben Schatten. Es ist unglaublich das zu sehen“, lächle ich ihn verträumt an.

„Schlange sagten Sie?“

„Ja, sicher. Aber das ist doch allgemein bekannt“, zucke ich mit den Schultern, als wäre es das Natürlichste auf der Welt.

Und dann schüttelt Daniel mit dem Kopf. „Nein, das wäre ein zu großer Zufall“, murmelt er mehr zu sich selbst als direkt an mich gerichtet.

Für einen Moment schaue ich ihn verwirrt an, aber als er nichts weiter erwidert, fahre ich fort. „Verstehen Sie? Die Pyramiden haben nicht nur den Kalender ergänzt, nein, sie haben ihn sogar gänzlich ersetzt. Damit sollte bewirkt werden, dass das normale Volk die Bedeutung der Götter und natürlich der Priester nicht vergisst. Ein immer anwesendes Andenken. Und vielleicht wollten ja diese Antiker, dass ihre Nachfahren genau solche Errungenschaften machen. Ich meine, vielleicht befindet sich ja hier irgendwo eine Anleitung und die Maya haben sich nur danach gerichtet und konnten so all die Wunder vollbringen, von denen wir heute wissen?“

„Liz“, unterbricht mich Daniel in meinem Redeschwall. „Sie basieren Ihre Vermutungen auf der Geschichte der Maya und ja, selbst wenn es irgendwo einen Zusammenhang gegeben haben mag, hier besteht er nicht.“

„Aber wieso nicht?“

„Die Antiker hatten eine ganz andere Kalenderrechnung. Die der Maya ist oder war revolutionär, gar keine Frage. Wenn wir dieses Prinzip nicht entdeckt hätten, dann wäre einiges anders in unserer Geschichte gelaufen. Aber glauben Sie mir, da gibt es keinen Zusammenhang.“

„Wie können Sie sich da so sicher sein?“

„Das kann ich nicht. Doch bisher sehe ich noch nicht, was für einen Grund es haben könnte.“

„Ja, ich weiß, die Idee war beknackt.“

„Liz“, seufzt Daniel.

„Nein, nein“, gehe ich ihm dazwischen. Und er hat ja Recht. Wie konnte ich überhaupt annehmen, dass es einen Zusammenhang geben könnte? Wer hat sich denn die letzten Jahre mit der Geschichte der Antiker befasst, er oder ich? „Total bekloppt und idiotisch. Einfach nur bescheuert.“

„Das ist nicht wahr.“ Während sich schon meine Unterlippe dazu entschließt sich einfach nach vorne zu schieben und mich in ein schmollendes Etwas verwandelt, berührt Daniel versöhnend meinen Arm. „Glauben Sie mir, ich habe mich schon viel zu oft geirrt. Bevor wir zu irgendwelchen Schlussfolgerungen gelangen, sollten wir vielleicht erst einmal mit der Übersetzung anfangen.“ Und dann versucht er mich aufzuheitern, aber ich kann euch jetzt schon sagen, dass er mit Pauken und Trompeten scheitert. „Wir sollten diese Gelegenheit ausnutzen, sonst ist Jack nicht so großzügig.“

Jack... Colonel O'Neill... ja, mein anderes Problem. Wie kann man es diesem Mann nur recht machen? Geht das überhaupt? Wo gerade noch mein Ambitionspegel auf Maximum stand, ist er jetzt bis in den Keller gefallen. Und mit solch hirnrissigen Ideen komme ich bei ihm auch nicht weiter. Wenn ich ihn sogar richtig einschätze, dann brauche ich gar nicht erst dran zu denken sie auch nur zu äußern. Denn wenn Daniel schon nicht überzeugt ist, wie soll es dann ein Colonel der Air Force sein? Ja, Volltreffer, Liz! Irgendwelche Colonels zufrieden zustellen, ist schwieriger und anstrengender als ich angenommen habe. Meine Bewunderung für Daniel steigt immer weiter. Wie schafft er es, dass der Colonel ihm nicht gleich immer an den Hals springt?

„Daniel?“

„Hm?“ Er sieht nicht von seinem Camcorder auf, den er in der Hand hält und nach und nach Aufnahmen von der Kammer macht.

„Warum mag mich der Colonel nicht?“

Kurzeitig blickt er auf, zieht fragend eine Augenbraue hoch und sieht mich einfach nur an. „Er mag Sie nicht?“

Nun, wenn ich gemocht werde, dann sagt mir meine Erfahrung, dass das aber ganz anders aussieht. „Na ja, bisher hatte ich noch nicht wirklich das Gefühl...“

„Liz, Sie sollten sich darum keine Sorgen machen. Wenn Jack Sie nicht mögen würde, dann wären Sie schon gar nicht mehr hier.“

Gar nicht mehr hier? Was soll das denn bitte schön heißen? Doch nicht etwa... Nein, nie und nimmer. Das würde der Colonel doch nicht machen, oder?

Ich sehe, wie es förmlich in Daniels Kopf arbeitet, bevor vollkommen apathisch seine Augen aufreißt. „Was? Liz, um Gottes Willen nein! Nein, keine Angst, er würde Sie nicht deshalb von dieser Mission abziehen.“ Eine ganze Lawine rollt gerade von meinem Herzen. „Jack ist zwar bekannt für seine offenkundige Abneigung gegenüber Wissenschaftlern, aber nein, da können Sie mir vertrauen. Sie kommen am besten mit ihm aus, wenn Sie seine Befehle befolgen und sich auf seine Stimmung einlassen.“

„Kann man das lernen?“ Ich glaube nämlich nicht, dass ich das von heute auf morgen schaffe. Wie denn auch, wenn mein großes Plappermaul immer meint alles in die Hand zu nehmen?

„Nein, nicht wirklich. Aber man gewöhnt sich dran. Man muss nur den Dreh raushaben.“

„Man gewöhnt sich dran?“ Lustig, wirklich. Kann mich kaum noch halten. „Und haben Sie schon den Dreh raus?“ Muss er doch, oder?

„Daran arbeite ich noch.“

Daran arbeitet er noch... Ein großes 'Oi' und 'Doppelseufz'. Wie kann er noch daran arbeiten? Auf allem, wie soll ich das auf die Reihe bekommen, wenn er es nicht mal nach vier Jahren Zusammenarbeit geschafft hat? Ich sehe es schon. Mir stehen schwere, dunkle Zeiten bevor. Ob sich gerade meine komplette Resignation und Verzweiflung in meinem Gesicht widerspiegelt? Ich bin echt am Ende. Man gebe mir jetzt bitte einen Strick.

„Aber Sam kommt gut mit ihm klar und sie ist auch Wissenschaftlerin.“ Ha! Ich hätte fast laut aufgelacht. Glaub mir, Daniel, er kommt nicht so gut mit ihr aus, weil sie Wissenschaftlerin ist! Das können Sie *mir* ruhig glauben. Zwischen den beiden läuft der Hase ganz anders. „Okay, Sie müssen eines verstehen, Liz“, beginnt Daniel, während er das Display des Camcorders zuklappt und auf mich zukommt. „Jack wird nie die Dinge so sehen, wie wir es tun und Sie werden nie seine Sichtweise verstehen. Dazu sind Sie zu sehr Wissenschaftlerin und er ist zu sehr Soldat. Wissenschaft und Militär vertragen sich einfach nicht. Da prallen sprichwörtlich Welten aufeinander. Und doch funktioniert es nur, wenn sie beide vertreten sind. Zumindest in unserem Bereich. Das Militär braucht die Wissenschaft und umgekehrt. Sie werden nie einen Soldaten dazu bringen können, ihn von etwas zu überzeugen, wenn sein militärisches Denken es ihm verbietet. Das können die unwichtigsten Kleinigkeiten sein. Es hilft, wenn Sie es sich folgendermaßen vorstellen. Das Ganze ist eine gigantische Gewitterwolke. Sie sind ein Teil der Ladung und Jack der andere. Irgendwann kommt es zum Knall. Hart und schmerzhaft, aber dann verzieht sich das Gewitter wieder. Bis es zur nächsten Kollision kommt.“

Ich lache kurz auf. *So* kann man es natürlich auch sehen. Gewitterwolke... „Nicht schlecht...“

Er zuckt nur mit den Schultern. „Aber dennoch. Ich würde mit niemanden auf der Welt tauschen wollen. Diese Menschen sind großartig. Ohne sie würden wir hier nicht mehr stehen. Verstehen Sie, was ich damit sagen will, Liz? Trotz ihrer blöden und teilweise unsinnigen Regeln, sind sie die Besten. Und ich meine die Besten.“

„Die Besten der Besten?“, murmle ich.

„Ja, die Besten der Besten. Jack ist fair. Sie hatten nur noch keine Möglichkeit das zu erkennen. Aber er ist verdammt fair.“

„Hoffen wir mal, dass Sie Recht haben, was?“

„Natürlich habe ich Recht. Ich arbeite jetzt schon seit vier Jahren mit diesem Mann zusammen.“

„Und was ist mit Teal'c und Sam? Wo stehen sie?“

„Sam und Teal'c? Nun, Teal'c... Teal'c ist der ruhende Pol, immer da und... na ja Sam... Sam ist unser Puffer.“ Als er das sagt, zeichnet sich ein großes Grinsen auf seinem Gesicht ab. „Sie kann sowohl mich als auch Jack verstehen. Sie ist unser Puffer.“

Puffer-Sam... wenn sie das zu Ohren bekommt. Und mir liegt bereits ein passender Kommentar auf der Zunge, als ich unterbrochen werde.

„Hey, ihr beiden! Das müsst ihr euch ansehen!“, kommt es aufgeregt von unserem Puffer. Gleichzeitig schauen wir zum Ausgang und sehen, wie ihr Kopf um die Ecke lugt. Die Euphorie springt ihr förmlich aus dem Gesicht!

Das muss man uns nicht zweimal sagen! Kaum gesagt, und schon sind wir mit gigantischen Schritten Richtung Ausgang.


+++++


Ein merkwürdiges Schwindelgefühl durchfährt mich und lässt mich wenige Sekunden in meiner Bewegung inne halten. Woah, hatte vollkommen vergessen wie drückend warm es draußen ist. Und während sich meine Körperfunktionen wieder langsam zurückmelden, sehe ich nur, wie Sam uns bereits Meilen voraus ist.

„Hier entlang.“

Sprach's und verschwindet um die Ecke. Nachdem wir einen kleinen Moment mit den Unebenheiten des Boden zu kämpfen hatten, gelangen wir endlich zu ihr. Sam kniet auf den Boden vor der Pyramide. „Was haben Sie da?“, fragt Daniel, der ebenfalls in die Knie geht.

„So was schon mal gesehen?“, stellt Sam stattdessen die Gegenfrage.

Ein Moment des andächtigen Schweigens, während ich noch versuche einen besseren Platz zu finden. Ist das zu glauben, da ist dieser Dschungel Hektar über Hektar groß und jetzt kommt er mir zu klein vor. Verrückte Welt ist das. „Also, in dieser Ausführung noch nicht.“

Ich klettere eine Stufe hinauf, da es dort unten zu eng wird und schiele über die beiden hinweg auf das Etwas, was der neue Mittelpunkt unsere Aufmerksamkeit ist. Zeitlupenähnlich schwinden die Sekunden, während immer mehr Blut durch meine Ohren rauscht, das Hämmern in meiner Brust mich an einem Presslufthammer erinnert und ich schon arge Zweifel hege, ob mein Herz das überhaupt überleben kann, wird die Sicht immer mehr frei. Und dann... rutscht alles irgendwie in eine ziemlich tiefe Enttäuschung. Vielleicht liegt es schlicht und einfach daran, dass ich die letzten Tage dermaßen mit gigantischen Außergewöhnlichkeiten verwöhnt wurde, dass das hier jetzt dagegen ein klein wenig mickrig erscheint. Versteht mich nicht falsch, das hier ist ein Fund und vor zwei Wochen hätte ich mich noch ein Loch in den Bauch gefreut, aber ich kann das nagende Gefühl der Enttäuschung nicht so wirklich abschütteln. Vor mir befindet sich lediglich eine Platte im Boden. Okay, sie unterscheidet sich von dem Rest. Zunächst einmal, sie hat eine symmetrische, achteckige Form, was nicht gerade wirklich gewöhnlich ist. In ihr ist etwas eingeritzt. Feine Linien, deren Gesamtbild mich irgendwie an ein Spinnennetz erinnert. Und auch das nur um acht Ecken. Und in der Mitte befindet sich ein merkwürdiges Zeichen. Ein Dreieck mit einem Kreis darüber. Ich habe absolut keine Ahnung, was uns das sagen soll.

„Der Ausgangspunkt“, sagt Daniel und schaut erstaunt zu Sam auf.

„Genau.“ Abrupt springt er plötzlich auf und sieht sich den Boden in der Umgebung an. „Da ist nichts, Daniel. Ich habe schon nachgesehen.“ Oooookay, fein, was? Oder fragen wir mal so: Was genau hatte er den gehofft zu finden?

„Was gibt's denn so dringendes, Carter? Ich hoffe, es ist dringend, denn deswegen habe ich gerade Hammond abgewürgt... und das nicht sehr elegant... wenn Sie verstehen.“

Sam kommt um ein Schmunzeln nicht herum, auch wenn sie sich alles Mühe gibt möglichst teilnahmslos zu wirken und fast hätte sie es da auch geschafft, wenn da nicht ihre Mundwinkel blitzartig für eine Sekunde nach oben geschossen wären. „Sehen Sie selbst, Sir.“

Und für ihn geht sie einen Schritt zur Seite. Colonel müsste man sein. O'Neill schaut geschlagene zwanzig Sekunden auf den Boden. Leider kann ich seinen Blick nicht ausmachen, denn obwohl er seine Kappe falsch herum trägt, ist sein Gesicht zu sehr nach unten gebeugt, als dass ich etwas erkennen könnte. Ich sehe vielleicht seine Augen nicht, aber dafür kann ich mehr als deutlich erkennen, wie er leicht seine Lippen schürzt und schließlich wandert sein Augenpaar nach oben. Erst zu Sam, dann zu Daniel und zu mir, und von dort wieder zurück zu Sam, wo sein Blick schließlich hängen bleibt. „Also, Carter, ich will ja gar nicht behaupten, dass ich von diesen ganzen Dingen eine Ahnung habe, aber das hier...“ Er zeigt hinunter auf den Boden, „das hier, ist ein Stein.“

„Nein, ist es nicht“, geht Daniel dazwischen.

„Ist es nicht?“

„Nein. Warten Sie es nur ab. Auf den ersten Blick ist es ein Stein...“, erklärt Daniel, während er auf einmal etwas eindrückt.

„Woah! Was tun Sie da, Daniel?“ Augenblick reißt der Colonel seine Waffe hoch und zielt geradewegs auf den Boden.

„Keine Sorge, Jack.“

„Ja, ich mache mir keine Sorgen, wenn da nicht gleich ne Waffe rauskommt.“ Ich ziehe nur skeptisch meine Augenbrauen hoch. Genau, eine Waffe, kommt aus dem Boden gefahren. Wohl zu viel Star Wars gesehen, was? Und gleich kommen noch irgendwelche Gleiter aus der Pyramide geschossen. Natürlich. Also wirklich, ich bitte euch, eine Waffe... O'Neill nickt Daniel knapp zu, dass er weitermachen soll.

Und dann drückt Daniel auf den Kreis über dem Dreieck. Ich fress einen Besen, aber der lässt sich doch wahrhaftig eindrücken! Ich glaub, ich bin im falschen Film! Doch damit noch nicht genug, diese verdammte Platte fährt auseinander. Ich werd nicht mehr! Aber das hier ist Indiana Jones live! Jetzt fehlt nur noch, dass Harrison Ford um die Ecke kommt. Gemeinsam lehnen wir uns alle ein Stückchen nach vorne und ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht kurz vor einen Herzkasper stehe. Ich bekomme schon fast Stielaugen, bevor ich etwas erkennen kann, ohne von der ersten Reihe der Stufen zu fallen. Von wegen Waffen, das hier ist noch viel besser! Wow, absolut fantastisch. Meiner Meinung nach, exakt kopiert aus Raumschiff Enterprise. Betont langsam fährt aus der Tiefe des Bodens eine Art Sockel. Aber kein normaler Sockel, wo man Büsten und alles draufstellen kann, das hier scheint irgendeine Schalttafel zu sein. Bläulich leuchtende, dreieckige Knöpfe mit merkwürdigen Beschriftungen befinden sich auf der Oberfläche. Wenn ich nicht wüsste, dass es echt ist, dann hätte ich es für eine vergessene Requisite aus einem Kinofilm gehalten.

„Das sieht aus...“, beginnt Sam. „Nun, jetzt wissen wir zumindest, woher die Goa'uld ihre Schalttafelsysteme haben.“

„Hmm“, brummt der Colonel zustimmend, aber nicht wirklich begeistert.

„Na ja, wenn das hier wirklich ein Vorgänger der Geräte ist, die die Goa'uld benutzen, dann dürfte sich die Bedienung nicht großartig unterscheiden.“

Ist klar. Wollte ich auch gerade sagen. So, als ob sie genau weiß, was sie drücken muss, fährt Sams Hand über die äußeren Tafeln, wo nichts passiert. Leicht irritiert versucht sie es erneut, aber nichts rührt sich. Ich weiß zwar nicht, was sie erwarten, was passieren sollte, aber jedenfalls tut sich nichts. Verwundert dreht sie sich zu Daniel um, aber von seinem ratlosen Blick kann man vermuten, dass er auch keine Ahnung hat, was das zu bedeuten hat. Er legt eine Hand auf eine der Flächen und schon genau wie bei Sam passiert so absolut gar nichts.

„Vielleicht ist es ja kaputt?“, schlägt er mit einem Schulterzucken vor. Sam ist bereits dabei nach so etwas wie einer Klappe oder dergleichen zu suchen, damit sie irgendwelche Käbelchen kurzschließen kann.

Während die beiden noch über das Wieso, Warum und Weshalb fachsimpeln, beugt sich der Colonel über die Schalttafel und berührt mit seinen Fingerspitzen die Oberfläche. Auch hier passiert zunächst nichts, doch kaum das seine gesamte Hand auf einer Tafel liegt, beginnt das Ding plötzlich weißbläulich zu leuchten. Okay, das ist...interessant. Und... ach du meine Güte! Ich springe förmlich auf, als plötzlich ein gebündelter Lichtstrahl aus der Mitte der Tafel herausschießt. Was zum Teufel soll das denn jetzt schon wieder sein?! Während ich noch daran arbeite meinen Blutdruck wieder auf einen normalen Wert zu bekommen, sind die anderen noch nicht einmal zusammengezuckt! Nein, die Herrschaften studieren stattdessen das nun ausgebreitete Hologrammfeld vor ihnen. Sie sind vielleicht etwas überrascht, aber noch lange nicht so schockiert wie ich. Ich bin echt im falschen Film... ein Hologramm... Und was kommt als nächstes? Irgendwelche Laserwaffen? Captain Kirk lässt grüßen!

„Sir!“, springt Sam überrascht auf und der Colonel zieht seine Hand weg woraufhin der gesamte Podest erlischt und auch das Hologramm verschwindet, so als hätte man den Fernseher ausgeschaltet. Verdattert starren wir zunächst auf das Gebilde vor uns schließlich zum Colonel. Wie...was.... was ist hier eigentlich los? „Sir“, beginnt Sam mit weit aufgerissenen Augen. „Wie haben Sie das gemacht?“

„Ich...“ Aber er kann nur mit den Kopf schütteln.

„Machen Sie es noch mal.“ Der Colonel schaut sie leicht verwirrt an.

„Carter, ich habe nichts gemacht. Ich weiß noch nicht mal, was ich getan habe oder ob ich es überhaupt getan habe. Und sollte ich es doch getan haben, dann kann ich das nicht so einfach an und ausstellen, denn ich habe keine Ahnung.“

„Versuchen Sie es wenigstens“, bleibt sie hartnäckig.

„Jack“, mischt sich auch Daniel ein. „Bei keinen von uns hat es reagiert.“ Halt, das stimmt nicht. Ich habe es nicht probiert, doch ich denke, das tut ihr nichts zur Sache. „Aber bei Ihnen.“ Schon fast verschwörerisch starrt er Jack an, so als ob er ihn nur durch seinen puren Willen dazu bringen könnte wieder die Hand auf die Schalttafel zu legen. Mit einem Seufzen beugt sich der Colonel schließlich der stichelnden Neugier und mit einem Blick Richtung Sam würde ich sagen auch ihren großen, blauen Kulleraugen.

„Fein, fein“, murmelt er, während seine Hand wieder auf das besagte Stück wandert. Und siehe da, es erwacht zum Leben, genau wie das Hologramm.

Wenn man mal von der Tatsache absieht, dass es sich hier um ein reales Hologramm handelt, also nicht irgendein am Computer hergestellte Manipulation, sondern ein wirkliches, echtes, Hologramm, sieht es aus, als wäre es aus dem Fernseher gesprungen. Ich mache keine Scherze. Der ganze Schnickschnack. Transparenter Hintergrund, merkwürdige Schriftzeichen und alles in 3D. Wie gebannt starren meine Augen auf dieses Wunderwerk. Ob man es anfassen kann? Wenn ja, wie fühlt es sich an? Ist es fest? Meine Neugier überrennt mich fast, während ich mir alle Mühe gebe, das Hologramm nicht anzufassen. Es muss elektrisierend sein. Kann man es sich so vorstellen, dass Strom durch den Körper fließt? Wäre es gefährlich, wenn ich jetzt einfach aufstehe und es berühre? Noch während ich mir Fragen über Fragen stelle, meldet sich ganz leise im hintersten Teil meines Kopfes eine Stimme - meine Vernunft - die mir sagt, dass ich schön meine Finger da behalten soll, wo sie hingehören, nämlich in meinen Schoß. Schon vergessen, was mit Sam passiert ist, als sie etwas Unbekanntes angefasst hat? Sie musste erschossen werden. Ja, das wäre ein legitimer Grund diesmal Vernunft über Intuition walten zu lassen. Und so tue ich genau das. Ich behalte meine Hände bei mir.

„Das ist eine Karte.“ Sam deutet mit ihrer Finger, der nur Zentimeter vor der Abbildung schwebt, auf einen groben Umriss. „Seht euch nur die Größe an. Das ist riesig.“

„Aber von was?“, fragt Daniel mit einem Kopfschütteln. In Gedanken verloren, kaut er auf seiner Unterlippe herum.

Ich lege leicht meinen Kopf schief, während meine Blicke über die Karte huschen. Sie ist in der Tat groß, aber viel mehr verwirrt mich der leuchtende Punkt weiter rechts auf der Karte. „Es sieht aus wie ein System“, murmle ich. Kaum sind die Worte ausgesprochen, kleben auch schon die Blicke der drei auf mir. Meine Antwort ist nur ein Schulterzucken. „Ich würde sagen, wir sind der Punkt hier. Und der Rest...“ Ich verstumme kurzzeitig, während sich in meinem Kopf alles überschlägt. „Na ja, vielleicht hat es gar nichts zu bedeuten, aber die einzelnen Stätten der Maya waren durch Straßen verbunden. Hier.“ Ich zeige auf den Boden und meine Hand macht eine ausschweifende Geste, die einen steinernen Pfad verfolgt. „Dieser Weg hier führt aus dieser Stätte hinaus in eine nächste. Was ist, wenn es genau das ist? Ein Komplex.“

„Das könnte durchaus möglich sein“, pflichtet mir Daniel nickend bei. „Aber wir befinden uns hier“ Er deutet auf den Punkt, der oberhalb anderer Ebenen liegt. „Das hier ist die Oberfläche, aber darunter befinden sich noch weitere Ebenen. Wie kommen wir dort hin?“

„Wir sollten vielleicht erst einmal die obere Ebene untersuchen“, mischt sich der Colonel ein.

Doch es überrascht mich nicht sonderlich zu sehen, wie Daniel bereits dazu ansetzt den Kopf zu schütteln. „Das hier ist die obere Ebene, Jack. Wenn wir hier sind, dann ist das die Pyramide und... Oh mein Gott...“

„Was?“

„Die Pyramide!“ Mit einem aufgeregten Strahlen schaut er zwischen uns hin und her, bis schließlich sein Blick auf mir hängen bleibt. „Innerhalb der Pyramide muss es einen Eingang geben!“ Einen Eingang? Aber Moment Mal. Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn!

„Aber, Daniel, das ist unlogisch. Die Pyramide stammt von den Maya, aber das hier“ Ich zeige auf den Sockel, „das ist von den Antikern und Sie haben selbst noch vor fünf Minuten gesagt, dass es zwischen diesen beiden Kulturen keinen Zusammenhang gibt.“

„Ich weiß, ich weiß... Keine Ahnung, warum, aber man kann deutlich sehen, wie von hieraus ein Gang wegführt.“ Er grinst mich an. „Vielleicht gab es ja doch einen Zusammenhang, nur haben wir falsch gedacht. Wir sind davon ausgegangen, dass das Volk der Antiker viel älter ist, daran kann man auch nicht rütteln, aber vielleicht war es nur ein falscher Ansatz? Wir müssten das hier genauer untersuchen. Wenn es wirklich eine kulturelle Überschneidung gegeben hat...“

„Daniel“, geht der Colonel mit gehobener Hand dazwischen. „Also, in der Pyramide befindet sich ein Eingang?“

„Sieht ganz danach aus.“

„Dann sollten wir ihn finden.“

„Sicher, aber wir dürfen trotzdem nicht außer Acht lassen, wie wichtig es sein könnte, wenn wir...“

„Unsere Befehle lauten herauszufinden, was sich hier befindet. Und wir haben soeben erfahren, dass die Pyramide einen Eingang besitzt und den werden wir jetzt suchen.“

„Aber...“, startet Daniel einen erneuten Versuch.

„Nein.“

„Jack!“ Ich kann's verstehen. Mehr als das! Was soll das denn jetzt? Weiß er denn nicht, was für eine Bedeutung das hat? Wie kann er so stur sein?

„Daniel!“, sagt der Colonel in einem Tonfall, der keinerlei Widerworte duldet. Dass diese Militärtypen auch immer ihre Autorität dermaßen heraushängen lassen müssen! Unbegreiflich. „Wieso können Sie nicht einmal einen Befehl befolgen? Unser Befehl lautet herauszufinden, was das hier ist, ob es mögliche Gefahren gibt oder noch besser, irgendeine Technologie gegen die Goa’uld. Und ich finde es auch wahnsinnig spannend zu erfahren, ob die Antiker irgendwas mit den Maya am Hut hatten, aber das ist mir im Moment herzlich egal.“

Wäre Daniel ein Krebs, hätte er jetzt unter aller Garantie Schaum vor dem Mund. „Das ist Ihnen egal?“, echot er.

„Ja. Befehl ist...“

„...herauszufinden, was das hier ist. Schon verstanden“, beendet Daniel ziemlich beleidigt den Satz. Ich glaube, langsam beginne ich zu verstehen, was Daniel damit meinte, dass sich Wissenschaft und Militär nicht anfreunden können. Das hier ist das beste Beispiel. „Also, worauf warten wir dann noch?“ fragt er an uns alle gerichtet, aber sein Blick liegt herausfordernd auf dem Colonel. Wenn Männer sich streiten... Fehlt jetzt nur noch, dass sie sich gleich anspringen.

Ich habe die Geduld des Colonels eindeutig unterschätzt. Ehrlich gesagt, habe ich jetzt erwartet, dass ein Donnerwetter über uns hereinbrechen wird, aber nichts dergleichen passiert. Stattdessen atmete er nur einmal durch. „Ich werde Hammond Bescheid geben und ihm sagen, was wir hier haben.“ Und damit dreht er sich um und verschwindet Richtung Plaza.

Sam starrt ihn noch eine Weile hinterher, während ich Daniel neben mir Seufzen höre. Ja genau, die Stimmung des Colonels ist auf dem Gefrierpunkt gelandet. Keiner der beiden sagt ein Wort. Entweder weil es nichts zu sagen gibt, oder - und das nehme ich mal an - weil sie hier unterschiedlicher Meinung sind und sie keinen unnötigen Streit heraufbeschwören wollen. Man kann es Sam ansehen, dass sie auf der Seite des Colonels steht und wenn ich ehrlich bin, dann will ich jetzt nicht auch noch Sams Wut auf mich ziehen, nur weil ich denke, dass Daniels Anliegen mehr als wichtig ist. Also, entschließe ich mich das zu machen, was man sonst immer in solchen Situationen macht, um die angespannte Atmosphäre aufzulockern. Ich lenke ganz einfach davon ab.

„Also, hat jemand von euch zufällig ein Schild mit der Aufschrift 'Hier entlang' in der Pyramide gesehen?“


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Die anfängliche, unterschwellige Euphorie über den Fund und der daraus gewonnen Erkenntnis ist nicht von langer Dauer. Denn schon bald wurden wir von der ernüchternden, harten Realität auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Wir stehen exakt vor zwei Problemen. Irgendwo hier drin muss sich eine unsichtbare Tür befinden. Wenn man genau drüber nachdenkt, ist das erst Problem Nummer zwei, denn bevor wir nicht herausgefunden haben, inwiefern sich dieser Dialekt hier von der anderen Sprache der Antiker unterscheidet, bleibt die Tür unsichtbar. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir hier irgendwo die Antwort finden, aber bevor wir nicht Problem Nummer eins gelöst haben, brauchen wir erst gar nicht an zwei zu denken.

Auf den Rückweg in unsere kleine Gruft - wie ich großzügig unsere kleine Kammer getauft habe - haben Daniel und ich kein Wort miteinander gewechselt. Ich denke, das Letzte, was er jetzt braucht ist irgendwelches Mitgefühl. Stattdessen haben wir uns gleich an die Arbeit gemacht. Er eigentlich mehr als ich. Ich bin noch immer dabei mich in diese Sprache einzuarbeiten und auch wenn Daniel mir versichert hat, dass niemand von mir erwartet, dass ich innerhalb weniger Tagen eine außerirdische Sprache lerne, geht mir das alles zu langsam. Ich komme mir so nutzlos vor. Hier herumzusitzen und nicht wirklich etwas tun zu können, ist ganz schön zermürbend.

Zu meiner großen Überraschung ist Daniel nicht sofort über die Wände hergefallen, sondern hat erst den Boden abgesucht. Tut mir Leid, aber warum hat er das getan? Ich habe es nicht verstanden und habe ihn genau das dreimal gefragt, aber er hatte darauf bestanden erst hier zu suchen und ist Zentimeter für Zentimeter auf allen Vieren herumgekrochen. Wie ich ihm bereits gesagt hatte, wird er dort nichts finden und schließlich musste selbst er das einsehen. Was hatte er den erwartet zu finden? Einen versteckten Mechanismus, der so mir nichts dir nichts die Tür öffnet? Wenn die Antiker wirklich so fortschrittlich waren, wie er behauptet, dann glaube ich kaum, dass sie solch einen Mechanismus einfach so in den Boden eingebaut hätten. Da könnte ja jeder Idiot einen falschen Schritt machen und hätte Zugang zu einem Komplex, der offensichtlich versteckt bleiben soll. Clever wäre es eine Art Code zwischen den Schriften zu packen in Verbindung mit dem Boden.

Zum Glück ist Daniel inzwischen zu derselben Überzeugung gekommen. Denn jetzt steht er eifrig schreibend vor einer Schräge. „Das scheint 'ne Sackgasse zu sein“, meint er schließlich und dreht sich zu mir um. „Bisher noch kein Wort darüber, ob es überhaupt so einen Eingang gibt.“

„Aber laut der Karte soll er hier sein.“

„Ich weiß, ich weiß. Okay, gehen wir mal davon aus, dass das mit der Karte stimmt. Dann müsste sich hinter dieser Wand der Durchgang befinden.“ Er breitet seine Arme aus, die annähernd die Wand einrahmen. „Oder?“

„Jep. Danach sieht es wohl aus.“

„Gut... Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, wo sich die Türklinke befindet.“

Langsam drücke ich mich nach oben und stelle mich schließlich mit verschränkten Armen neben ihm. „Schon mal mit 'Sesam öffne dich' versucht?“ Er sieht mich mit einem 'Sie haben einen Knall'-Blick an und doch, trotz jeglicher Logik, wandern unsere beiden Blicke Richtung Wand. Die Sekunden verstreichen, während wie gebannt auf das Gemäuer starren. Nichts. Rein gar nichts. Nicht mal ein Bröckeln. Alles vollkommen still. Schließlich zucke ich nur mit den Schultern. „Na ja, einen Versuch war es wert.“

Daraufhin lächelte er schief. „Ja, man soll schließlich nichts unversucht lassen, nicht wahr?“

„Mein Reden“, grinse ich ihn an. „Also, was haben wir bisher erfahren?“

„Im Grunde nicht sehr viel. Wenigstens nichts im Bezug auf einen möglichen Durchgang. Diese beiden Schrägen dort drüben“, beginnt er und deutet auf den Ausgang der Pyramide, „erzählen im Groben von der Geschichte der Antiker. Sie waren vor Millionen von Jahren hier. Ein sehr mächtiges Volk. Ich bin mir nicht ganz sicher wodurch, aber es brach eine Art Pest in der Galaxis aus. Viele starben. Einige von ihnen haben gelernt aufzusteigen.“

„Und die anderen, die nicht als Scheintot durch die Geschichte geistern wollten, haben ihre sieben Sachen gepackt und sind verschwunden?“

„Ganz genau. Wenn das hier alles stimmt, dann haben sie in diesem Sonnensystem mehrere Außenposten zurückgelassen mit der Absicht eines Tages wieder zurück zu kehren.“

„Also, wollen Sie damit sagen, dass das hier ein Außenposten ist?“

„Möglich, aber dafür kommt es mir zu groß vor.“ Groß beschreibt meiner Meinung nach noch nicht einmal annähernd das Ausmaß. „Wenn sich die Goa'uld wirklich alles bei den Antikern abgeguckt haben, dann befindet sich der Schlüssel irgendwo dort zwischen den Symbolen. Doch ich glaube, das wäre zu einfach.“

„Entweder das, oder äußert raffiniert.“

„Inwiefern?“

„Na ja, überlegen Sie doch mal. Sie haben selbst gesagt, die Antiker waren eine fortschrittliche Rasse und Sie sind bisher davon ausgegangen, dass sich unser Schlüssel auf den Boden befindet und dann auf den Boden und an der Wand. Was ist, wenn der Trick der einfachste der Welt ist? Wir verstecken es da, wo es jeder vermutet, aber niemand nachsehen würde, weil es zu einfach ist? Im Grunde viel zu offensichtlich ist?“

„Und wäre das nicht etwas zu verrückt?“

Ich zucke nur mit den Schultern. „Keine Ahnung. Sagen Sie es mir. Sie haben die Antiker studiert.“

Er lächelt mir nur zu. „Nicht schlecht, Dr. Sullivan.“

Meine Mundwinkel wandern wie von Zauberhand nach oben. Ja, das ist immer der schöne Teil meiner Arbeit. Keine Ahnung warum, aber ich habe das Gefühl mit Daniel nicht erst seit einem Tag in dieser Gruft zu hocken, sondern schon seit Wochen. Wirklich merkwürdig. Ich hätte nicht gedacht, dass trotz der gewissen Unstimmigkeiten zwischen mir und dem Colonel, ich mich in Daniels Gegenwart so wohl fühle. Vielleicht liegt es einfach nur daran, dass wir aus demselben Holz geschnitzt sind.

Mit einem neuen Schub von Zuversicht, lasse ich meinen Blick langsam durch den Raum wandern. Das ist schon alles komisch. Ich frage mich noch immer, wie die Antiker verschwinden konnten. „Wie sind die Antiker eigentlich von hier verschwunden? Das Stargate wurde doch in Ägypten gefunden. Ich meine, ich gehe jetzt mal davon aus, dass sie es benutzt haben.“

„Und?“ Fragend richtet er seine Brille.

„Ist das nicht ein ziemlich weiter Fußmarsch?“

Er kneift kurz seine Augen zusammen, während er beginnt auf und ab zu laufen. „Es geht nicht um das Stargate...“ Sagt er mehr zu sich selbst als zu mir. „Die Antiker waren die Erbauer der Straßen“, beginnt er zu erklären. Damit kann ich jetzt besonders viel anfangen. 'Erbauer der Straßen'. Was soll das heißen? Irgendwas muss mich verraten haben, denn Daniel beginnt unverzüglich mit seiner Erklärung fortzufahren. „Sie waren die Erfinder des Stargates. Wir haben es ihnen zu verdanken, sie haben es erschaffen und das Tor, welches in Ägypten gefunden wurde, ist nicht das ursprüngliche Tor.“

Wie jetzt? Was soll das heißen? Bitte einmal im Klartext. „Wie jetzt?“

„Vor vier Jahren haben wir durch Zufall ein zweites Tor in der Antarktis gefunden. Das ist das Tor, welches die Antiker auf der Erde zurückgelassen haben. Das aus Ägypten, das stammt von Ra. Er hatte es hierher gebracht, um die Menschen zu versklaven.“

Aha. Interessant. „Die Antarktis hat es auch in sich.“

„Ja, die hat es in sich“, sagt er in einem merkwürdigen Tonfall. So, als ob noch mehr dahinter steckt als lediglich der Gedanke sich in einen gefrorenen Lutscher zu verwandeln. „Um auf Ihre Frage zurückzukommen. Die Antiker besaßen mit Sicherheit Schiffe. Mich würde es nicht wundern, wenn sie die als Transportmittel benutzt haben. Ra kam erst viele, viele Jahre später. Das ursprüngliche Stargate geriet in Vergessenheit. Die Menschen waren beeinflussbar und leichtgläubig. Als sie sich in den Dynastien der Götter befanden, der Huldigungen - besonders in Ägypten - haben die Goa'uld diese Schwäche ausgenutzt. Sie haben mit ihrer gestohlenen Technologie die Menschen eingeschüchtert. Sie hatten und haben noch immer Macht. Alle Anzeichen von Gottes ähnlichen Anwandlungen haben sie verinnerlicht. Ihre Lebenszeit beträgt ungefähr das fünf bis sechsfache eines normalen Menschen. Sie mussten Götter sein.“

„Und da die Antiker so gut wie ausgestorben und ausgewandert waren, brauchten sich die Goa'uld keine Sorgen zu machen.“

„So sieht es aus. Im Grunde gibt es nur ein Abkommen, welches die Goa'uld weitgehend in Schach hält. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es damals schon von Geltung war.“

„Was für ein Abkommen?“

„Die vier Rassen. Es wurde eine Allianz der vier größten Rassen im Universum geschlossen. Die Nox, Asgard, Furlinger und Antiker.“ Dreiviertel dieser Namen sagen mir nichts. „Gewisse Planeten in dem System fallen unter die Kategorie der ‚geschützten Planeten‘. Die Goa'uld dürfen diese Planeten nicht angreifen, sollten sie es tun, stehen diesen Planeten die Unterstützung der Allianz zu. Es gibt kleinere Ausnahmen, wo sie nicht eingreifen dürfen. Naturkatastrophen, Asteroiden rasen auf den Planeten zu und so weiter. Durch ein Eingreifen würden sie das Abkommen verletzen und der Planet wäre nicht mehr länger geschützt.“

„Na ja, das hört sich im Grunde doch ganz, gut an, nicht wahr?“

„Bisher konnten wir es zu unserem Vorteil ausnutzen.“

Erstaunt nehmen meine Augen gerade überdeminsionale Formen an. „Wir - die Erde - gehören zu den geschützten Planeten?“

„Ja. Durch die Allianz...“, beginnt Daniel, verstummt dann aber, so als ob er den Gedankenblitz des Jahrhunderts hat. „Einen Moment...“

Sicher. Ich habe Zeit. Ich komme noch nicht einmal dazu ihm eine Antwort zu geben, denn wie ein D-Zug rauscht er an mir vorbei in die Richtung einer Schräge, dann zur nächste, bis er alle vier einmal durch hat. „Daniel? Was ist mit der Allianz?“

„Wie konnte ich nur so blind sein?“, ruft er plötzlich. „Ich habe es vollkommen falsch verstanden. Oh mein Gott...“

Und ich stehe gerade ziemlich auf dem Schlauch. „Was?“ Aber er hört mir gar nicht zu. Vollkommen abgetaucht in seiner Welt. Mein Blick schweift hastig über die Wände, die Daniel so fasziniert anstarrt, um mir auch den Schlüssel zu seiner Welt zu kaufen, aber mir will partout nicht das ins Gesicht springen, was bei Daniel einen solchen Adrenalinschub ausgelöst hat.

„Die vier Rassen...“

Das hat er bereits erwähnt. Und weiter? „Daniel?“

„Liz, das ist einfach unglaublich!“ Er kommt auf mich zu gerannt. Dieser Mann ist ja vollkommen euphorisch. Der hyperventiliert mir hier gleich! Nur wenige Zentimeter bleibt er vor mir stehen und wenn mich nicht alles täuscht, legt sich dieser gewisse Schleier über seine Augen, den ein Mensch nur dann hat, wenn er in absoluter Extase ist. Und diesen Ausdruck habe ich bisher nur einmal wirklich in meinen Leben gesehen und das war nämlich als Tom und ich... Mein Anstand hüstelt lautstark und die Röte steigt mir förmlich ins Gesicht. Sagen wir es mal so, in dieser Nacht war ich unter Garantie die glücklichste Frau auf Erden.

Dreimal.

„Es ist so offensichtlich. Ich meine sehen Sie sich die Schrägen doch nur mal genau an. Ich hatte immer angenommen, dass sie lediglich die Geschichte der Antiker erzählen und auf eine gewisse Art und Weise tun sie das auch, aber das ist nur oberflächlich. Mich hat schon die ganze Zeit eines gewundert, und zwar...“ Und so weiter und so weiter... Ich bekomme davon nicht mehr wirklich viel mit. Denn meine Gedanken gelten im Moment nur mein Problem dieses gottverdammte Bild aus meinem Kopf zu bekommen. Ich weiß ja nicht, ob es nur mir so geht, aber mir wird plötzlich verdammt heiß. Und dass da Daniel jetzt nur wenige Zentimeter von mir entfernt steht -trotz der Hitze, geht ein gewisser, angenehmer und männlicher Duft von ihm aus - hilft mir auch nicht besonders. Gott, aber wie Daniel da steht, aufgeregt, strahlend, verschwitzt, bekleidet in diesem wirklich, wirklich sexy, ärmellosen Shirt, kann ich den Gedanken, dass dieser Mann einfach nur unglaublich heiß ist, nicht aus meinem Kopf verbannen. Ihr kennt nicht zufällig die Werbung von Coca Cola mit diesen leicht bekleideten Männern, die im Schweiße ihres Angesichts eine Dose leeren? Doch? Dann wisst ihr ja jetzt in welchen Hemisphären ich schwebe. Wenn doch nur meine motorischen Funktionen wieder die Güte hätten auch das zu tun, was mein Gehirn ihnen sagt. Aber ich bin wie fest angewachsen. Und dann dreht er seinen Kopf in meine Richtung, so dass ich ihm genau in die Augen sehen kann. Lieber Gott, steh mir bei.
„...Liz, alles in Ordnung?“

„Hä?“, kommt es wenig geistreich von mir.

„Alles in Ordnung? Sie haben mir gar nicht zugehört.“

Was er nicht sagt! Kein Wunder! Sollen wir die Gedanken vielleicht mal tauschen? Mal schauen, wie lange du dabei einen klaren Gedanken fassen kannst! Mein Körper ist noch immer am Zittern und erst jetzt schaffe ich es einen Schritt zurückzugehen. Nur leider hat es nicht den erhofften Effekt. Während mein Rücken gegen die Wand prallt, kommt Daniel auch noch einen Schritt auf mich zu.

„Sie sind ja ganz blass. Haben Sie Fieber?“

„Ah...“ Jetzt noch ein paar Vokale und Konsonanten hinzufügen und es ist schon fast ein grammatikalisch zugelassenes Wort. „Ähm... nein...“ Sehr gut, Liz, wir steigern uns. Die Hoffnung ist noch nicht verloren.

„Liz, ist auch wirklich alles in Ordnung?“

„Ja... sicher...“, kommt es stockend und in kurzen Atemzügen über meine Lippen. Oh bitte, Liz, jetzt reiß dich zusammen. Wieso fällt es dir denn ausgerechnet jetzt so verdammt schwer die Kontrolle zu wahren? Sind hier gerade irgendwelchen kosmischen Kräfte am Werk?

„Wollen Sie sich vielleicht setzen?“

Setzen. Setzen ist gut. Und dann umfasst Daniel meinen Arm und Schultern und zieht mich auf den Boden. Direkt neben mir bleibt er knien. Wieder dieser Duft... Nicht gut. Setzen ist nicht gut. „Mir ist nur etwas schwindelig geworden... die Hitze. Geht schon wieder.“

„Warten Sie.“

Ich mach schon Anstalten wieder aufzustehen, denn eines weiß ich genau, bevor ich meine Hormone nicht wieder unter Kontrolle habe, kommt mir dieser Mann nicht mehr in meine Nähe. Allmächtiger, ich habe das Gefühl kurz vor der Explosion eines Hormonstaus zu stehen und ich will dann für nichts garantieren. Denk an was anderes, denk an was anderes... etwas anderes... Briefmarkensammlungen, zukünftige Schwiegermütter, Teal'cs Symbiont erfüllt auch noch seinen Zweck.

Daniel kommt mit einer Wasserflasche zurück und ich reiße sie ihm praktisch aus der Hand und anstatt sie zu trinken, gieße ich den gesamten Inhalt über meinen Kopf. Jegliche Abkühlung ist mir jetzt mehr als recht. Er räuspert sich kurz, bedenkt mich mit einem Blick, den ich nicht wirklich definieren kann und will auf mich zugehen, aber wo er einen Schritt nach vorne macht, gehe ich einen zurück. Obwohl ich jetzt klatschnass bin, ist mir noch immer heiß. Man gebe mir einen Kübel mit Eiswürfeln. Jesus Christus! Liz, komm wieder runter. Um den armen Mann nicht vollkommen vor den Kopf zu stoßen, lächle ich ihn leicht verlegen und mehr als nur ein bisschen beschämt an. Es ist ja nicht so als hätten wir irgendwas angestellt, aber da kennt ihre meine Fantasien nicht und ich denke nicht, dass es angebracht wäre, die hier jetzt auszubreiten. Ganz und gar nicht. Meilenweit unter der Gürtellinie. Mir ist immer noch schleierhaft, wie ich so auf Daniel reagiere, wenn ich doch eigentlich an Tom gedacht habe. Zwei Millionen Jahre Evolution später und ich reduziere mich auf die niedersten Instinkte. Da kann man mal sehen, was nahezu vier Monate Abstinenz anrichten können.

„Also, was haben Sie gesagt? Die vier Rassen...“, lenke ich das Thema wieder auf den Ursprungspunkt zurück. Nur schön weit weg von jeglichen Peinlichkeiten.

„Ja, ähm“, räuspert er sich, als er sich abwendet. Und mich beschleicht das beklemmende Gefühl, dass meine Nachricht mehr als nur angekommen ist. Ich hege nämlich den ernsten Verdacht, dass meine Äußerung viel zu offensichtlich war. Würde zumindest zu Daniels plötzliches verkrampftes Verhalten passen... Oh Gott, kann man noch weiter sinken? Während ich noch damit beschäftigt bin nicht in meinem Scham zu ertrinken, berechne ich bereits, wie lange es wohl dauert, bis sich der Boden unter mich auftut, um mich zu verschlingen. Eine Sekunde? Da wäre ja die Ewigkeit kürzer!

„Also, was ich sagen wollte, ist folgendes: Die Allianz besteht aus vier Rassen. Alle werden hier erwähnt, aber was mich die ganze Zeit gestört hat, war, dass hier beschrieben steht, dass es noch nicht das Ende ist. Dass die Mächtigkeit erst dann erfüllt ist, wenn auch die letzte Rasse ihren Platz in der Allianz gefunden hat. Es ist so offensichtlich“, steigert er sich jetzt richtig in seine Theorie herein. Ob es jetzt seine innere Natur ist, die ihn da überwältigt hat, oder einfach nur, weil er sich ablenken muss, vermag ich in meinem momentanen leicht unzurechnungsfähigen Zustand nicht beurteilen. „Obwohl die Antiker das Torsystem erfunden haben, waren sie nicht die stärkste Rasse. Und genau das steht hier und ich denke, das ist unsere Antwort.“

„Echt?“ Meine Einsilbigkeit ist überwältigend. Ich habe nicht den blassesten Schimmer worauf er überhaupt hinaus will. Keine Ahnung.

„Aber natürlich. Es ist etwas, was die vier Rassen gemeinsam haben.“ Sein Blick schweift prüfend durch den Raum. Jeden Brocken wird begutachtet, jeder noch so winzige Krümmel, das einzige Objekt, welches er vehement meidet, das bin ich.

„Hier muss es irgendwas geben. Dort wird beschrieben, wie Antiker die Erde verlassen mussten. Daneben erfahren wir die Fortschrittlichkeit der Asgard und dass sie bereits die nächste Rasse ins Auge gefasst haben. Die Nox haben einst mit den Antikern die Grundsteine gelegt und die Furlinger... nun, das ist wirklich bemerkenswert, überall tauchen sie auf, aber es gibt so gut wie keine Informationen über sie. Sie haben sich der Allianz angeschlossen, nachdem die Asgard ihnen geholfen haben gegen einen Feind zu kämpfen.“

„Und wo besteht da jetzt der Zusammenhang?“ Hey, ich habe es doch tatsächlich geschafft einen kommunikativen Satz ohne zu stolpern hinzubekommen! Jetzt dürfen sie mich nur nicht verlassen. Es ist schwer sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, wenn die Gedanken nur darum schwirren, wie man die Kontrolle wahren kann.

„Ich glaube, es ist genau das, was Sie gesagt haben.“

Jetzt echt? Was habe ich gesagt? Ich gehe gerade die Liste meiner geistreichen Kommentare der letzten zehn Minuten durch und mehr als sinnloses Herumgedruckse kann ich da leider nicht entdecken. Was weiß er, was ich nicht weiß? „Ich?“

„Ja, es ist so einfach, dass niemand danach suchen würde.“

Ahhh... verstehe... wie jetzt? Man muss mir förmlich ansehen, wie die Zahnräder in meinem Hirn anfangen zu rattern. „Sie meinen so 'ne Art Rätsel?“

„So ungefähr.“ Und jetzt ist es das erste Mal, dass er sich mir wieder nähert. Schnell fährt meine Zunge über meine ausgetrockneten Lippen. Okay, ich gebe zu, das gerade eben war peinlich, aber nichts, womit man nicht umgehen könnte, oder? Kinderspiel. Das wird ein Spaziergang. Wir sind doch schließlich zwei erwachsene Menschen.

Nach dieser bahnbrechenden Erkenntnis, schaue ich mich erneut um. Mir will partout nichts einfallen. „Okay, also, was haben die vier Rassen gemeinsam?“

„Nachfolger der Zeit
Behüter der Vollkommenheit
Gebaut, gewandert sind wir einst über die Straßen
Doch nur aus dem Ursprung
kann die Wahrheit verstanden werden“


Daniel zeigt auf die besagte Stelle der Wand. „'Nachfolger der Zeit' Ich habe die ganze Zeit nicht verstanden, was es zu bedeuten hatte. Besonders nicht in diesem Kontext. Die Antiker waren die Erbauer, wen sprechen Sie hier an? Ihre Nachfahren? Wenn ja, wer sind sie?“

„Die kleinen Baby-Antiker? Ich meine, sie haben doch... oder nicht?“ Kann mir mal jemand verraten, wie mich irgend so ein kryptischer Spruch an der Wand wieder auf das Thema Sex bringen kann?

Aber Daniel überhört glücklicherweise die Zweideutigkeit meiner Frage. „Ich glaube eher, dass sie uns damit meinen. Wir Menschen, die Erde, wir sind die fünfte Rasse und ich denke, das will uns damit sagen, wenn wir den Ursprung finden, wir die Wahrheit finden werden.“

Ohne jegliche Zweifel, das hört sich alles immer mehr nach Indiana Jones an. Aber fein, dann wollen wir mal sehen. „Ursprung? Hm, nur, damit ich das alles richtig verstehe. Die Antiker waren hier, haben hier gelebt und haben das gebaut? Sie haben das Stargate gebaut.“

„Ja.“

„Also, befindet sich der Ursprung hier irgendwo? Richtig?“

„Liz, das ist es!“

„Es ist was?“

„Na das hier! Das Stargate... die Straßen, der Ursprung... Terra...“ Angefangene Sätze, ich liebe sie. Vergöttere sie schon regelercht! Keinen Schimmer, was ich jetzt schon wieder gesagt habe. Mit bis zum Anschlag hochgezogenen Augenbraue, schaue ich Daniel dabei zu wie er zu nächsten Schräge läuft. Seine Finger gleiten über die Symbole. „Alle vier Schrägen haben eines gemeinsam. Sie beziehen sich alle in irgendeine Art und Weise auf die Erde“, höre ich ihn mit sich selbst reden. Behutsam berührt er ein Symbol... und mein lieber Herr Gesangsverein, es leuchtet auf! Daniel huscht zur nächsten Seite, wo er das Spiel wiederholt. Und zur nächsten und schließlich zur letzten. Meine Beine wollen sich gerade in Bewegung setzen, als ich plötzlich ein Vibrieren unter meine Füße spüre. Mein Blick klebt wie gebannt auf dem Boden und schießt schließlich nach oben zu Daniel. Was ist hier los?

„Daniel?“, frage ich ihn vollkommen hilflos. In seinen Augen kann ich das vollkommene Staunen erblicken, doch sein Blick ist nicht auf mich, sondern den Boden gerichtet.

„Nicht bewegen.“

Oh mein Gott.

Um mich herum beginnt der Boden zu glühen. Helle, weißbläuliche Linien beginnen sich abzuzeichnen. Nach und nach verbinden sie sich, wie Wasser, wessen Rinnsalen sich mit der Zeit zu einem Strom vereinigen, bis ich inmitten eines großen Dreiecks stehe, wessen Spitze auf eine Wand zeigt. Wie gebannt, folgt mein Blick den Linien und als ich schließlich an die Wand schaue, kann ich meinen Augen einfach nicht trauen. Das ist unmöglich.

Genau vor mir zeichnet sich ein großer, runder Kreis an der Wand ab. Noch während sein Glühen schon fast hypnotisch auf mich wirkt, meine ich von irgendwoher ein Summen zu vernehmen. Ich schlucke schwer, als ich etwas zu sehen beginne, was rein physikalisch so nicht möglich ist. Die Fläche des Kreises beginnt zu glitzern, so als bestünde sie aus Wasser, bis sie sich in einem spektakuläres Lichterspiel vollkommen aufgelöst hat. Ich werd nicht mehr! Diese gottverdammte Wand ist einfach verschwunden!

Ich sage euch, *das* ist elektrisierend. Wie um alles in der Welt ist das nur möglich? Und während mein Gehirn noch daran arbeitet dieses Geheimnis zu lüften, merke ich nur, wie mein paralysierter Körper von seinem Platz gerissen wird... direkt in Daniels starke Arme. Ob es noch immer die Verwunderung oder der plötzliche Schock ist, Tatsache ist, ich werde regelrecht gegen seine Brust gequetscht. „Wir haben's gefunden!“, höre ich irgendwoher eine Stimme rufen. Ich hatte, glaube ich, schon erwähnt, dass mir ziemlich heiß ist, nicht wahr?

Und dann, so schnell ich in seinen Armen lag, so schnell bin ich auch wieder daraus verschwunden. Daniel streckt seine Arme von sich, während seine Hände um meine Schultern liegen. Ich bin einfach nicht in der Lage etwas zu sagen, aber eines weiß ich mit Sicherheit, wenn ich mich nicht bald irgendwie abreagiere, dann platzte ich!

„Ähm, ja...“, beginnt Daniel verlegen, während er langsam seine Hände senkt. Ich glaube, ich bin hier nicht ganz alleine mit dem Problem. „Also, ich, ja, ich werde dann jetzt mal Jack..ja....“, murmelt er irgendwas und geht mit dem Funkgerät Richtung Ausgang. Und trotz des Gefühls gleich zu verbrennen, kann ich einfach nicht verhindern, dass sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen schleicht. Dieser Tag lässt einfach keine Überraschungen aus.

Und ich liebe Überraschungen!


+++++


Bevor wir noch weiter in die Spirale der abgrundtiefen Peinlichkeiten hineingezogen werden können, werden wir durch die anderen drei gerettet. Ihr könnt mir glauben, wenn ich euch sage, dass ich noch nie so froh gewesen bin den Colonel zu sehen.

„Jack!“ Daniel scheint genauso erleichtert zu sein. Denn kaum fällt der Schatten des Colonels durch den Eingang, ist Daniel ihm schon auf dem halben Weg entgegen gerannt. „Wir haben’s gefunden.“

„Das haben Sie bereits gesagt.“

„Ja, ähm…“ Er hustet einmal. „Also, wir haben nur einen flüchtigen Blick reingeworfen und wollten lieber auf euch warten“, beginnt er zu erklären, als sie gemeinsam zum Durchgang gehen und kurz davor stehen bleiben. „Von hier aus folgt ein weiterer Gang. Aber wohin er führt und wie oft oder ob überhaupt er abzweigt, das wissen wir noch nicht.“

Der Colonel nickt leicht, als er einen flüchtigen Blick durch den Durchgang wirft. Die Wände unterscheiden sich vollkommen von denen, die sich hier im Vorraum befinden. Wenn man es sogar genau nimmt, dann müssten es eigentlich zwei Wände sein. Ihr fragt euch jetzt, was ich damit meine? Nun, ganz einfach. Die untere Wand ist merkwürdig leuchtend, während die darüber liegende Wand einen gewissen Abstand zur ersten hat. Sie ist *durchlöchert*, wenn man das so beschreiben kann. Im Grunde sieht es sogar so aus, als ob sie mit leuchteten Symbolen übersät ist. Mysteriös. Zugleich aber auch einfach nur atemberaubend.

„Gut“, murmelt der Colonel. Und dann wirft er einen Blick zu Daniel. „Gute Arbeit.“

Wenn Daniels Gesicht nicht bereits leicht gerötet wäre, dann wäre er jetzt unter aller Garantie rot angelaufen. „Na ja, im Grunde, wissen Sie… im Grunde war es Liz, die…“ Er wirft mir einen flüchtigen Blick zu, während ich leicht beschämt meine Augen senke. „Wir haben es zusammen gelöst.“ Und das lässt mich lächeln.

Die dunklen Augen des Colonels huschen in meine Richtung. „Dann gilt das wohl auch für Sie. Gute Arbeit, Sullivan.“

„Danke, Sir“, antworte ich leicht überrascht. Vielleicht hatte Daniel ja Recht. Der Colonel lässt sich nicht durch seine persönlichen Gefühle beeinflussen. Und auch wenn ich mich noch immer in seinem Kompliment bade, ist mir der leicht angespannte Unterton in seiner Stimme nicht entgangen. Wenn es doch so gewesen wäre, dann hätte ihn seine steinerne Maske, die sein Gesicht ist, über kurz oder lang verraten. Irgendwie habe ich erwartet, dass er sich wenigstens ein bisschen freut. Gut, ich bin nicht davon ausgegangen, dass er Purzelbäume schlägt, aber ein klein wenig Freude? Vielleicht ein Lächeln? Dabei würde er sich doch nun wirklich keinen Zacken aus der Krone brechen. Deswegen schiele ich etwas unsicher zu Sam hinüber, deren Blick zwar nicht so ganz mürrisch, aber auch nicht gerade euphorisch ist. Also, gerade von ihr hätte ich doch nun wirklich erwartet, dass sie sich freuen würde. Aber auch hier. Die Freude hält sich in Grenzen. Hallo? Leute? Was ist los mit euch?! Das ist der Durchgang, nach dem wir die ganzen Stunden über gesucht haben! Sollten wir uns nicht darüber freuen?

„Wir sollten versuchen so schnell wie möglich herauszufinden, was sich darin befindet, Sir“, schlägt Sam ziemlich angespannt vor.

„Okay, was ist hier los?“, geht Daniel dazwischen, da ihm das Offensichtliche wohl auch nicht entgangen ist.

„Teal’c hat eine interessante Entdeckung gemacht“, informiert uns der Colonel grimmig. Oh, oh. Das ist schlecht. Bestimmt nicht gut.

„Was?“ Daniels Blick fliegt alarmiert zwischen den dreien hin und her. „Was hat Teal’c gefunden?“

„In der Kammer, die Dr. Sullivan gefunden hat, befand sich ein geheimer Durchgang. Als ich diesen durchquert habe, bin ich auf etwas gestoßen“, kommt es ganz neutral von Teal'c. Nicht mal eine Anwandlung von irgendwelchen Gefühlen. Die Augen von Daniel und mir durchlöchern ihn gerade zu. Ja, was? Was hast du gefunden? Schreien unsere Blicke.

„Schlangenköpfe“, füllt der Colonel die Lücke. „In dieser Kammer befanden sich verweste Schlangenköpfe.“ Urg, das ist ja ekelig.

„Soll das heißen, diese... diese Dinger waren hier?“ Hier auf meiner behüteten Erde, die doch unter dem Schutz der ach so großen Allianz steht?

„Das muss vor langer Zeit gewesen sein. Die Kammer war verschlossen. Im Grunde ein überdeminsional großer Sarkophag.“

„Ja“, übernimmt der Colonel jetzt wieder das Reden. „Um genau zu sein, stammen sie von unserem Kumpel Ra.“

„Was ist das für eine Kammer?“ Neugierig richtet Daniel seine Brille.

„Gemütlich war sie jedenfalls nicht. Außerdem haben wir das hier gefunden.“ Er hält uns, eigentlich mehr Daniel, ein merkwürdiges Gerät unter die Nase. Fragend schaut er zu Teal'c hinüber.

„Ich habe so etwas noch nie gesehen“, kommt die Antwort auf die stumme Frage.

Wenn Teal’c noch nicht mal weiß, was das ist, woher sollen wir das dann wissen? Er ist doch hier der Außerirdische! Und dieses Gerät… dieses Ding sieht auf jeden Fall außerirdisch aus. Es ist eine Mischung aus einem Oval und einem Dreieck. Oben spitz, unten rund. Es ist golden und in der Mitte befindet sich ein runder, roter Kristall und … der leuchtet.

Daniel schielt zu Sam hinüber. „Haben Sie ne Ahnung, was das ist?“

„Na ja, es ist offensichtlich aktiviert und Goa’uld und wenn ich jetzt raten müsste, dann würde ich sagen, dass es sich hierbei um einen Sender handelt.“

„Mist.“

Sender? Wie in Sender *Sender*?, kreischt meine innere Stimme, aber mein Mund bleibt geschlossen. Nun, er ist leicht geöffnet, aber es kommt kein Ton heraus.

„Aber, aber von wem?“

Der Blick des Colones verfinstert sich noch weiter, als er einmal abfällig schnaubt. „Wer würde denn so etwas wohl hier lassen?“

Die Art und Weise, wie Daniel seine Augen schließt sagt mir genug. Okay, das war’s. Mein Adrenalin bringt mich gleich um! „Apophis oder Ra“, knurrt Daniel durch zusammen gebissene Zähne. Mir kommt es wie eine Ewigkeit vor, bevor er endlich wieder aufschaut. Sein Blick jetzt fast genauso finster, wie der des Colonels. Gut, ich kann es ja verkraften, wenn O’Neill so ein Gesicht zieht, aber nicht auch noch Sie, Daniel! Da sinkt das Herz glatt bis in die Zehen.

„Wir sollten hoffen, dass es von Ra ist. Denn wenn es Apophis ist, dann wird es nicht lange dauern, bis er hier ist.“

„Und warum und wie?“, frage ich schließlich. Mag sein, dass die Fragen dumm sind, aber ich muss sie einfach stellen.

„Warum?“, echot Sam. „Wahrscheinlich wegen dem, was sich hier befindet. Woher er allerdings wissen könnte, dass sich hier Überreste der Antikerkultur befinden, das weiß ich nicht. Wie?“ Sie zuckt kurz mit den Schultern. „Vielleicht hat er es zurückgelassen, keine Ahnung. Aber das ist auch nicht wichtig. Wenn das wirklich ein Sender ist und er im Zusammenhang mit dem hier steht, es wirklich Goa’uld ist und wirklich zu Apophis gehört, dann haben wir ein Problem.“

Meine Augen nehmen die Form von Untertassen an. Problem? Ich will kein Problem haben! „Aber wir wissen doch nicht wirklich, ob es ein Sender ist, oder?“, versuche ich noch den letzten Funken Hoffnung herauszuholen.

„Wir wissen aber auch nicht, dass es *kein* Sender ist“, beantwortet der Colonel meine Frage. „Und solange wir das nicht tun, sollten wir von dem Schlimmsten ausgehen.“ Pessimist. Ich bin bisher mit der Optimismusschiene immer ganz gut gefahren. Aber das ist wohl die Natur eines Soldaten. Immer gleich das Schlimmste vom Schlimmsten vermuten. Kein Wunder, dass die Chemie zwischen uns beiden nicht stimmen kann. „Fein, Carter, falls das Ding Apophis gehört und er auf die glorreiche Idee kommen sollte hier in irgendeiner Art und Weise aufzutauchen, will ich wissen, was sich hier befindet. Hier muss es etwas geben, was ihn interessiert und ich will wissen, was es ist. Wollen doch mal sehen, ob wir nicht schneller sind.“

„Ja, Sir.“

„Aber wonach sollen wir denn suchen?“

„Das wissen wir, wenn wir es gefunden haben.“

Ich seufze einmal innerlich auf. Super.

„Okay, Daniel und Carter, ihr beide übernehmt die eine Hälfte, Sullivan und ich die andere.“ Ich setzte schon zu einem Widerspruch an, aber werde erbarmungslos unterbrochen, da er unbekümmert weiter seine Befehle verteilt. „Teal’c, ich will, dass jemand hier bleibt und die ganze Sache im Auge behält. Sollte irgendwas Ungewöhnliches passieren, dann sag uns Bescheid.“

„Wie du wünschst“, antwortet Teal’c ruhig mit einem leichten Kopfbeugen. Ich ziehe nur eine Augenbraue hoch, als ich ihn anstarre. Wie kann er nur so gelassen bleiben?

Wie sagt man so schön? Schließt sich eine Tür, wird irgendwo eine neue geöffnet? Ha, hier heißt es wohl: Wie stürze ich von dem einen Dilemma ins nächste? Ich und der Colonel? Dass ich nicht lache. Gott, wie hat er sich das denn vorgestellt? Wieso denn ausgerechnet ich? Kann ich nicht mit Sam gehen? Will er jetzt ein persönliches Auge auf mich werfen, falls ich wieder auf die Idee kommen sollte abzuhauen? Keine Angst, den Fehler habe ich nur einmal gemacht.

Der Colonel schaut hinunter auf seine Uhr. „Es ist jetzt 1530. In vier Stunden treffen wir uns wieder hier.“

„Ist das nicht etwas wenig?“, fragt Daniel vorsichtig und ich muss ihm zustimmen. Wenn wir nach der Karte gehen, dann ist das hier ein ziemlich gewaltiger Komplex. Das können wir nicht in vier Stunden schaffen. Es sei denn, er will im Zeitraffer da durch laufen. Und was ich bisher über den Colonel weiß, würde ich es ihm sogar zutrauen. Das ist nicht gut.

„Ja, wir werden heute vermutlich nicht alles schaffen. Und wenn ich ehrlich bin, dann wäre mir noch ganz lieb, wenn Carter herausfinden könnte, was für ein Gerät das ist. Es geht darum, uns erst einmal einen Überblick zu verschaffen.“ Er wirft uns allen nach der Reihe einen bestimmten Blick zu, doch als er leicht nickt, sieht er Sam an und haltet mich für verrückt, aber ich könnte schwören, dass da gerade etwas gesagt wurde. Eine stumme Übereinstimmung? Vielleicht eine Bestätigung für seine Entscheidung? Keine Ahnung, aber da war etwas, da bin ich mir ganz sicher. „Okay, dann lasst uns losgehen.“

Gemeinsam setzen wir einen Schritt in das Unbekannte und dann noch einen. Der Colonel und ich wir gehen vorne weg, während Sam und Daniel uns direkt auf den Fersen sind. Es dauert nicht lange, bis wir vor einer verschlossenen Tür stehen. Nur diesmal wissen wir, dass es eine Tür ist. Unmissverständlich. Diesmal brauchen wir auch nicht nach der Türklinke suchen, denn rechts neben der Tür befindet sich eine Schalttafel.

Ich habe das Gefühl, dass mein Herz gerade eine Etage hoch gerutscht ist. Ich bin wirklich nervös und bis zum Äußersten angespannt. Einmal vor Aufregung, was uns alles Neues erwarten wird und wegen dem bedrohlichen Schatten, der jetzt über uns schwebt. Immer schön ruhig bleiben, Liz. Das wird schon. Du bist hier umgeben von den Besten der Besten. Das muss ja schließlich für irgendwas gut sein. Was soll da schon großartig schief laufen? Gar nichts. Absolut gar nichts. Als ob ich mir gerade selber diesen eingeredeten Schwachsinn bestätigen wolle, nicke ich knapp mit dem Kopf.

„Carter“, flüstert der Colonel und mehr braucht er nicht zu sagen, denn kaum sind die Silben über seinen Lippen ist Sam schon an seiner Seite. Sie steht jetzt direkt hinter ihm, ihre Waffe feuerbereit im Anschlag. Ich husche schnell zu Daniel auf die andere Seite hinüber, der direkt an der Schaltfläche steht. Auch er hat seine 9mm gezogen. Ich komme mir gerade plötzlich ziemlich nackt vor. Die drei sehen sich einen Moment an, hier ein stummer Befehl, dort ein unsichtbares Nicken. Die drei *sind* ein eingespieltes Team. Das gibt mir zumindest etwas Sicherheit.

Mit Bedacht betätigt Daniel die Schaltfläche und wir warten gebannt darauf, dass sie sich die Tür öffnet. Sie tut es, aber ich sterbe hier gerade tausend Tode! Das geht mir viel zu langsam. Nervös wische ich den kalten Schweiß auf meinen Handflächen an meiner Hose ab. Mörderisch diese Spannung. Ich wage es erst gar nicht zu atmen, denn ich befürchte, dass ich dadurch etwas falsch machen könnte. Ich weiß natürlich, dass das vollkommen banal und absurd ist, aber ich habe das Gefühl, dass meine Muskeln aus Stahl bestehen, so angespannt sind sie.

Kaum haben sie die Möglichkeit hinter die Tür zu blicken, ist der Colonel schon durch den Eingang. Ich sehe, wie er sich nach allen Seiten umdreht. Sam ist gleich hinter ihm. Und schließlich folgt Daniel. Auch er sieht sich gekonnt um, die Waffe liegt sicher in seiner Hand. Das ist mir ehrlich gesagt etwas unheimlich. Es erweckt den Anschein, als wäre es für ihn vollkommen normal eine Waffe zu tragen. Nein, dafür haben wir jetzt keine Zeit, also atme ich noch einmal tief ein und folge dann Daniel ebenfalls in den Raum und…. Wir stehen in einer Sackgasse. Das fängt doch schon hervorragend an.

„Daniel?“, fragt der Colonel.

Doch gerade als er antworten will, schließt sich hinter uns die Tür wieder. Wir sind eingesperrt! Eingesperrt in einer alten, verrotteten Pyramide. „Was hat das zu bedeuten?“, Flüstere ich zu niemand bestimmten. Aber ich brauche gar keine Antwort, denn keine Sekunde später höre ich nur ein lautes Zischen und habe das Gefühl, dass wir uns trotz der Tatsache, dass wir hier wie angewurzelt stehen, bewegen.

„Wir bewegen uns.“ Sam wirft einen Blick durch den Raum. „Vielleicht ist das hier so eine Art Fahrstuhl.“

Fahrstuhl in einer Pyramide? „Ich hoffe nur, der Fahrstuhl weiß auch, wohin er uns bringt“, kommentiert der Colonel großzügig Sams Theorie.

Hier gibt es auch nirgends einen Notschalter. Kein Telefon, womit man den Sicherheitsdienst hätte anrufen können. Einfach nur ein paar Wände. Kennt ihr den Film 'Fahrstuhl des Grauens'? Genauso komme ich mir gerade vor. Bevor ich allerdings diese Gehirngespinste weiter verfolgen kann, bleibt er plötzlich stehen und neben mir verschwindet – Simsalabim - die Wand. Großzügig gehe ich einen Schritt zurück und lasse dem Colonel getrost den Vortritt. Mit der Waffe im Anschlag, wirbelt er gekonnt um die Ecke, genau wie Sam, die ihm geschmeidig folgt. Ich halte mich dicht hinter Daniel. Mein Blick wandert noch einmal durch diesen kleinen Raum, bevor ich meinen Kopf wieder nach vorne drehe und...

Ach du grüne Neune!

Meine Kinnlade klebt mit unter aller Garantie auf dem Boden und meine Augen müssen mir aus dem Gesicht springen. Ich befinde mich im Schlaraffenland der Wissenschaft. Wenn das der Himmel ist, dann will ich auf der Stelle tot umfallen. Vor uns befindet sich eine – ich schätze mal – achteckige Plattform. Natürlich leuchtend mit denselben Symbolen. Schon alleine dieser Anblick kann einen vollkommen in seinen Bann ziehen. Unbeschreiblich. Doch auf dieser Plattform befindet sich die Ursache, warum selbst der Colonel für einen Moment Probleme hat seinen Mund wieder zu schließen. Keine abfällige Bemerkung, einfach nur erstauntes Schweigen. Direkt vor uns befindet sich eine gigantische Säule, ein überdeminsionaler Zylinder, mit keiner glatten, sondern Lamellenartigen Oberfläche. Leuchtend, knisternd und einfach nur magisch. Ich gehe mal davon aus, dass wir Sams kleinen Maschinenraum gefunden haben. Aber wenn das schon alles gewesen ist, dann muss ich euch enttäuschen. So faszinierend der Zylinder auch ist, aber der wahre Grund, warum sich mein Mund gerade in die Saharawüste verwandelt hat, ist schlicht und einfach, dass sich dieser Komplex auf mehreren Ebenen ausbreitet. Die Pyramide ist groß, ja, das ist kein Geheimnis, aber *so* groß? Wie in Gottes Namen passt das alles hier rein? Das ist unmöglich! Irgendwo in meinem Hinterkopf wird gerade eine verrückte Stimme laut, die mir sagt, dass die Pyramide nicht mehr viel hiermit zu tun hat. Die Pyramide ist nur die Spitze des Eisberges.

„Oh mein Gott.“ Daniel schüttelt nur fasziniert den Kopf.

„Das ist…“, beginnt Sam, stockt dann aber. Ihr sind die Worte ausgegangen. Das ist schon eine Überraschung an sich, aber vermutlich fällt ihr kein Wort mit mehr als drei Silben ein.

„… cool“, beendet der Colonel für sie den Satz.

„Cool… ja“, bestätigt sie mit einem abwesenden Kopfnicken.

„Absolut…“, murmle ich.

Und dann höre ich ein leises Rascheln neben mir, als Daniel seine Waffe wieder in seine Halterung steckt, aber sein Blick ist starr auf die oberen Etagen gerichtet. „Müssen wir da oben rauf?“, fragt er leicht befangen. Der Colonel und Sam drehen gleichzeitig ihre Köpfe in seine Richtung und sehen ihn einfach nur an. Ein kurzes Schulterzucken. „Ich bin nicht ganz schwindelfrei“, sagt er schließlich.

Dito.

„Erst mal müssten wir überhaupt einen Weg darauf finden“, bemerkt Sam.

„Dann tun wir das doch“, antwortet der Colonel mit mehr gespielter Begeisterung als mir lieb ist. Als der Colonel das sagt, steht Daniel bereits an Sams Seite und die beiden nicken im Einklang, obwohl Daniel etwas bleich um die Nase aussieht. „Wir halten Kontakt, alle halbe Stunde.“ Noch mehr Nicken.

„Ja, Sir.“

Die beiden wollen sich schon umdrehen und in die andere Richtung verschwinden, aber es ist der Colonel, der sie noch einmal aufhält. „Carter…“, beginnt er. Sein Blick schweift zwischen ihr und Daniel hin und her. „Seid vorsichtig“, sagt er nach einem kurzen Zögern. Huh, professionell, aber nicht gefühlskalt. Na, immerhin.

„Sie auch, Sir“, antwortet ihm Sam nicht minder besorgt. Und dann sind die beiden verschwunden. Mein Blick klebt noch für ein paar Sekunden sehnsüchtig auf ihren Rücken, bevor ich neben mir ein ungeduldiges Räuspern höre. Nehmt mich mit! Einer der Besten der Besten, rede ich mir noch halbherzig ein.

Ich kann einfach nicht glauben, dass ich die nächsten vier Stunden alleine mit dem Colonel auskommen muss. Oh Junge… ich und der Colonel… Das kann ja nur schief gehen.


+++++


„Das darf doch wohl nicht wahr sein… Sullivan!“

Herr Gott noch mal, meine Eltern haben mir nicht umsonst einen Vornamen gegeben! Das durfte ich mir jetzt bestimmt schon zum fünften, sechsten Mal anhören? Habe schon aufgehört mitzuzählen, aber langsam wird es wirklich nervig!

Von meiner knienden Position auf dem Boden aus, drehe ich mich langsam zu ihm um und schaue zu ihm auf. Immer schön tief ein und aus atmen. Ruhig bleiben. Ruhig und entspannt. Ja, das bin ich. Ruhig und entspannt. Deshalb beiße ich mir auch auf die Zunge und sehe ihn lediglich fragend an, denn meinen Worten traue ich im Moment kein Stück über den Weg.

„Ich dachte, ich hätte bereits zum wiederholten Male gesagt, dass das hier keine ausführliche Besichtigungstour wird. Sie können nicht jedes gottverdammte Ding unter die Lupe nehmen!“

Beiß dir auf die Zunge. Beiß dir auf die Zunge. Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig… beiß dir auf die Zunge, Liz!

Betont langsam wende ich meinen Blick von ihm ab und schaue auf das Objekt hinunter, vor dem ich gerade knie. Und ich kann es einfach nicht verhindern, dass meine Augen schon fast automatisch in Richtung meiner Uhr um mein Handgelenk wandern. Noch drei Stunden… drei Stunden und ich habe das Gefühl bereits durchzudrehen. Sam und Daniel müssen Heilige sein, wenn sie das jeden Tag aushalten!

Und um nicht noch mehr Salz in die Wunde zu streuen, lasse ich schließlich von dem Objekt ab. Es war so wieso nichts, was uns hätte weiterhelfen können, aber das muss ich dem Colonel ja nicht unbedingt unter die Nase reiben. Will ihm nicht noch zusätzlich sein Ego stärken. Mir ist es schon groß genug. Platzt schon praktisch aus allen Nähten.

Schon automatisch wische ich mit meiner Hand über die Hose und lächle ihn schließlich an. „Sollen wir dann?“, frage ich extrem freundlich und bin überrascht, wie ruhig meine Stimme doch klingt.

„Gerne.“

Und so verlassen wir den Raum. Meiner Einschätzung nach ist es eh nur eine Art Lagerraum gewesen. Verschiedene Containerartige Behälter standen im Raum verteilt. Doch woher soll man das wissen, wenn man nicht mal einen genaueren Blick drauf wirft? Ich frage mich, ob der Colonel diesen wirklich ultimativen Röntgenblick hat, oder woher wollte er gewusst haben, dass sie eben nur das sind, was sie auch waren? Nämlich inhaltslose Container.

Es zeichnet sich hier ein gewisses Muster ab. Zwischen den einzelnen Räumen gelangen wir immer wieder auf einen Korridor, der leider nach allen Seiten offen ist und nur durch ein, meiner Meinung nach, dürftiges Geländer gesichert ist. Zum Glück befinden wir uns noch auf der unteren Etage. Der Colonel geht schweigend voran, was mich persönlich ziemlich nervös macht. Seine Einsilbigkeit, wenn er sich nicht gerade über mich aufregt, hilft mir nicht gerade dabei, mich in seiner Gegenwart wohl zu fühlen. Gott, ist er eigentlich immer so launisch? Das ist ja regelrecht zum Zähne ziehen!

„Sir, hier ist… Carter. Können Sie … hören?“, erklingt Sams Stimme durch Rauschen hindurch. Ich glaube, wir sind beide erleichtert, dass nicht einer von uns das Übel auf sich nehmen musste, dieses Schweigen zu brechen.

„Ja, ich höre. Fahren Sie fort, Carter.“ Er bleibt direkt vor dem nächsten Durchgang stehen.

„… haben… gefunden… sieht aus wie… Daniel sagt… vielleicht… Sie sollten lieber… ansehen…“

„Carter? Wiederholen Sie das. Ich habe es nicht ganz verstanden.“

Noch mehr Rauschen, darunter ganz leise irgendwo Sams Stimme, aber bei besten Willen, ich kann ihre Worte nicht ausmachen und kurzerhand sind alle meine Vodooähnlichen Gedanken bezüglich des Colonels verschwunden. Es zerrt ganz schön an meinen Nerven, dass wir erstens nur die Hälfte der Nachricht mitbekommen haben und zweitens erstreckt sich dieses Rauschen meines Geschmacks nach viel zu lange. Ein besorgter Blick in Richtung O’Neill zeigt mir nur, wie er kurz seine Augen schließt. Sein Atem ist flach und angespannt.

„Carter? Carter, wiederholen Sie das!“ Aber nur Rauschen. „Verdammt!“, zischt er und lässt frustriert das Funkgerät los. Was hat das zu bedeuten? Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal denken würde, aber ich habe absolut keine Ahnung, was ich jetzt tun soll. Ich habe mit solchen Dingen absolut keine Erfahrung. Aber der Colonel… ich meine, er muss doch… oder nicht? Er hat doch Erfahrung mit solchen Situationen. Das ist sein Job, oder? Colonel, was sollen wir jetzt tun?

Meine stumme Frage liegt in meinen Augen und wenn er zu mir gesehen hätte, dann hätte er sie vermutlich auch gesehen. Aber er hat sich von mir abgewendet, während eine Hand schnell durch seine kurzen, grauen Haare fährt. Selbst durch das schwarze Shirt kann ich sehen, wie angespannt seine Muskeln sind und nicht mehr, wie bei mir noch vor einer Stunde vor Aufregung, sondern einfach nur vor Sorge.

Und dann dreht er sich abrupt zu mir um. „Wir gehen sie suchen.“

„Wir wissen doch gar nicht wo sie sind“, sage ich, obwohl ich mehr als mit diesem Vorschlag einverstanden bin. Vermutlich ist gar nichts passiert, aber Sam klang ziemlich aufgeregt. Und ich habe absolut keine Ahnung, ob ‚aufgeregt’ im Sinne von ‚Oh mein Gott, ich bin so aufgeregt, weil ich gerade die größte wissenschaftliche Entdeckung der Welt gemacht habe’ oder im Sinne von ‚Wir stecken in gewaltigen Schwierigkeiten’ gemeint war. Ich bete inständig, dass hier ersteres der Fall ist.

„Dr. Sullivan“, beginnt der Colonel mit extrem ruhiger und leiser Stimme, „wir gehen sie suchen. Und es ist mir egal, ob wir deshalb durch diesen ganzen Komplex laufen müssen.“

„Ich wollte doch auch gar nicht sagen…“, ist meine unmittelbar abstreitende Antwort, aber ich verstumme dann, da sich gerade unzählige Härchen in meinem Nacken aufgerichtet haben. Dieser Mann weiß, wie man einen einschüchtert. „Wir sollten zumindest Teal’c Bescheid geben“, starte ich einen relativ schwachen Versuch doch noch meinen Standpunkt zum Ausdruck zu bringen.

Er wirft mir nur einen ‚Was Sie nicht sagen’ – Blick zu und hat schon längst das Funkgerät wieder in seiner Hand. Diesmal nehme ich es ihm wirklich nicht übel. Natürlich hat er daran gedacht. Wie konnte er auch nicht? Mensch, immerhin weiß er, was man in solchen Situationen tut! Er ist immerhin für solche Situationen ausgebildet… hoffe ich zumindest.

„Teal’c, kannst du mich hören?“

Er wartet einen Augenblick, aber auch hier, nur Rauschen. Okay, langsam werde ich nervös. Aber obwohl der Colonel angespannt wirkt, ist er extrem ruhig und kontrolliert. Und irgendwo gibt mir das etwas Zuversicht und Kraft. Ich bin vielleicht kein Soldat, aber ein Weichei bin ich auch nicht.

„Wir gehen zurück. Dort war der Empfang besser.“

Ja, hört sich ganz nach einem Plan an. Das ist gut. Ein Plan ist immer gut. Kaum waren die Worte über seine Lippen gehuscht, machen wir auch schon kehrt. Ohne auf weitere Anomalien zu achten, marschieren wir schnurstracks durch den Lagerraum, aus welchen wir vor einer Minute erst gekommen sind. Ich folge dem Colonel, nicht nur, weil er einen ziemlich schnellen Gang drauf hat, sondern auch, weil ich null Orientierungssinn habe. Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass man einen Raum nicht nur durch lediglich einen Eingang betreten kann? Ja, hier gibt es viele Abzweigungen in sämtliche Himmelsrichtungen. Wenn ich hier alleine drin wäre, ich wäre ein hoffnungsloser Fall. Garantiert hätte ich mich schon längst verlaufen. Denn eines könnt ihr mir getrost glauben, ich würde mich nicht mal auf meinen Orientierungssinn verlassen, wenn mein Leben davon abhängen würde.

Aber der Colonel scheint zu wissen, wo es lang geht, bis wir vor eine Abzweigung kommen. Ich kann mich nicht erinnern, die vorher schon mal gesehen zu haben. Etwas zögernd bleibt er stehen, sieht von rechts nach links und hinunter auf den Kompass in seiner Uhr. Ein flüchtiger Blick auf sein Handgelenk sagt mir, dass uns das auch nicht helfen wird, denn die Nadel dreht sich lediglich im Kreis.

„Großartig“, murmelt O’Neill und lässt seinen Arm an seine Seite fallen. „Wir sollten uns weiterhin rechts halten“, sagt er schließlich bestimmt. Ich kann dem nichts entgegensetzen. Ich persönlich komme mir jetzt schon ziemlich verloren vor. Deshalb zucke ich nur zustimmend mit den Schultern.

„Okay.“

„Teal’c? Kannst du mich hören?“, startet er einen neuen Versuch, aber wieder nur dieselbe Antwort. Selbst als er versucht Sam und Daniel noch einmal zu erreichen, erfüllt nur Rauschen die Stille. Mir gefällt das absolut nicht.

Schließlich gelangen wir zu einer großen Tür. Okay, in diesem Teil waren wir ganz bestimmt noch nicht, denn das hier ist keine einfache Tür, sondern eine Doppeltür. Daran hätte selbst ich mich erinnert. Verdammt, aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass wir uns nur weiter ins Innere begeben als zum Ausgang. Und dennoch nickt mir der Colonel einmal zu, während ich auf die Schaltfläche drücke und er durch auffahrenden Schlitz der beiden Türen verschwindet.

Stumm zähle ich bis zehn und warte gebannt auf seine Worte. „Okay, alles klar.“ Mehr brauche ich nicht zu hören und husche ebenfalls durch den Eingang.

Wow… langsam gehen mir hier echt die Worte der Faszination aus. Ich staune gerade Bauklötze. Ich glaube kaum, dass es irgendwo noch eine Steigerung für all das hier gibt. Aber das ist einfach nur… Wow! Denn wir befinden uns in einer großen Halle. Und mit groß, meine ich auch groß. Verdammt groß. Langsam gehen wir weiter in den Raum hinein, unsere Schritte zerstören ungewöhnlich laut die Stille. Zielstrebig, aber doch bedacht, führt uns der Colonel auf eine gigantische Treppe zu, die auf eine höhere Ebene führt. Je weiter sie nach oben führt, desto schmaler werden ihre Stufen und als mein Blick das Ungetüm hinauffolgt, befindet sich über uns eine Art Brüstung und dahinter liegen noch weitere Räume. Einige liegen sehr offen, sodass man selbst von hier unten einen Blick hineinwerfen kann. Das ist unglaublich. Das würde mir nie jemand glauben! Gott, ich denke nur gerade an all die Artikel, die ich… nie schreiben werde können.

Kopfschüttelnd setze ich einen Fuß auf die unterste Stufe. Selbst hier sind in den vorderen Kanten die Symbole eingraviert. Der Colonel testet selbst vorsichtig die unterste Stufe neben mir. Obwohl es alles ziemlich stabil und alles andere als einsturzgefährdet aussieht, sollte man immer auf Nummer sich gehen.

„Was sich da oben wohl befindet?“, rede ich mehr mit mir selbst, aber der Colonel sieht mich schief von der Seite an.

„Sieht aus, wie ein Kontrollstützpunkt.“

Ich nicke langsam. „Glauben Sie, Sam und Daniel waren hier?“, frage ich schließlich nach einem kurzen Schweigen.

„Keine Ahnung“, antwortet er noch immer grübelnd, während sein Blick den oberen Teil der Halle abtastet. „Aber wenn sie hier waren, dann sind sie bestimmt dort hinaufgegangen.“ Er nickt Richtung Brüstung.

Gar keine Frage. Sam und Daniel wären vermutlich total aus dem Häuschen gewesen. Ich bin total aus dem Häuschen, obwohl sich meine momentane Euphorie in Grenzen hält. Ich würde mich um einiges wohler fühlen, wenn ich wüsste, dass der Funkkontakt zu den anderen nicht abgebrochen wäre. Ich seufze innerlich auf. Es nützt nichts sich über das ‚Was wäre wenn’ Gedanken zu machen. Wir haben keinen Kontakt und sind auf uns alleine gestellt. Das ist eine Tatsache. Auch wenn mir diese Vorstellung ganz und gar nicht passt.

„Ja…“, nicke ich abwesend. „Sollen wir dann?“

Sein Blick schweift ein letztes Mal über die gesamte obere Etage, bevor er schließlich knapp nickt, die Position seiner Waffe leicht verändert und mir andeutet die Treppe hinaufzugehen. „Dann mal los, Sullivan.“ Das muss ich mir nicht zweimal sagen lassen. Und trotz allem, bin ich wirklich gespannt. Ich spüre schon, wie mein Bauch zu kribbeln beginnt. Das ist so atemberaubend spannend. Ich komme mir fast vor, wie in einem Krimi, nur ist das hier noch tausendmal besser.

Der Colonel ist direkt an meiner Seite und als wir es geschafft haben die Treppe unbeschadet zu bezwingen, winkt er mir zu, dass ich erst einmal dort stehen bleiben soll, während er einen Blick in die angrenzenden Räume wirft. Ich verstehe seine Vorsicht voll und ganz, ehrlich! Es ist nur vernünftig, aber hier einfach nur nutzlos, wie eine Parkuhr herumzustehen, ist die reinste Folter! Ich trete ungeduldig von dem einen Bein auf das andere, während ich O’Neill dabei beobachte, wie er in einem der Räume verschwindet.

Dummdidum… ein flüchtiger Blick auf die Uhr – noch zwei Stunden, vierzig Minuten und, ähm, dreizehn Sekunden. Ich sehe mich um und gehe langsam zur Brüstung. Das ist sicherlich erlaubt, denn ich muss lediglich einen Schritt nach vorne machen. Vorsichtig lehne ich mich ein Stückchen darüber, um nach unten zu sehen. Also, von hier oben sieht das alles irgendwie viel höher aus. Kommt meiner Höhenangst nicht gerade zugute. Deshalb stütze ich mich bewusst wieder einen Schritt nach hinten, während meine Arme ausgestreckt das Geländer umfassen. Vor meinem inneren Auge schwirren gerade Bilder herum, wie es hier ausgesehen haben musste, als diesem Ort noch Leben eingehaucht war. Bestand dieser Ort noch aus was anderem als diesen Steinen? Wie viele Menschen lebten hier? Wie sahen sie aus? Antiker, wenn ich dieses Wort höre, dann muss ich unweigerlich an die Griechen denken, mit ihren weißen Gewändern, Götterähnlich. Hatten sie Ähnlichkeit mit ihnen? Manchmal wünschte ich mir wirklich, dass es die Möglichkeit geben würde, vielleicht für nur fünf Minuten in der Zeit zurückzureisen und sich alles anzusehen. Was würde ich dafür geben? Maya, Mittelalter, das alte Ägypten, die Antike… Es ist eine Schande, dass unser Leben nur so begrenzt ist.

Ich seufze einmal laut und schiele über meine Schulter zu dem Raum, in dem der Colonel verschwunden ist. Was macht er denn solange darin?

„Colonel?“, rufe ich. „Alles in Ordnung?“

Als Antwort bekomme ich nur einen gedämpften Laut. Vorsichtig gehe ich zu dem Durchgang. Bisher ist noch kein Schuss gefallen, also kann ich davon ausgehen, dass wir keiner besonderen Gefahr ausgesetzt sind, oder?

„Colonel?“, rufe ich noch einmal. Und dann sehe ich ihn. Er befindet sich im hinteren Teil des Raumes und steht vor einer Wand. Im Grunde keine richtige Wand, sondern eher ein wirklich riesiger Bildschirm. Oder wie man das auch immer bezeichnen kann.

„Hey“, sage ich leise, als ich mich neben im stelle. „Was ist das?“

Er zuckt nur mit den Schultern. „Das müssen Sie schon Carter fragen.“

„Ja, aber die ist jetzt nicht hier.“

„Nein.“ Er dreht sich zu mir um. „Und ich glaube auch nicht, dass die beiden bereits hier gewesen sind.“

Verwirrt ziehe ich meine Augenbrauen hoch. „Wie kommen Sie darauf?“

Er macht eine ausschweifende Geste durch den ganzen Raum. „Sehen Sie sich doch mal hier um. Ich glaube kaum, dass Carter das einfach wieder so hätte stehen gelassen.“

„Na ja, bei dem Tempo, welches Sie vorlegen, würde es mich nicht wundern“, murmle ich gerade mal so laut, dass ich es hören kann.

„Wie bitte?“

Mein Kopf schießt abrupt nach oben. „Nichts.“

Ein sturer Blick klebt auf meinem Gesicht. Ich schlucke. Wie die Maus, die gleich von der Katze verspeist wird. Ich lächle ihn an und hoffe inständig, dass er mir jetzt nicht den Kopf abreist.

Mit einem kurzen Räuspern und einen Blick auf den *Bildschirm* versuche ich von dieser äußerst unangenehmen aufbauenden Spannung abzulenken. „Für mich sieht das aus, wie eine Karte.“

Und Gott sei Dank geht er darauf ein und lässt ein weiteres Mal von mir ab. Du spielst hier ganz schon mit dem Feuer, Liz. Hat dir das eigentlich schon mal jemand gesagt? Nein? Tja, ist aber so. Neben mir höre ich nur ein zustimmendes Brummen.

„Aber von was? Bestimmt nicht von hier“, spreche ich meine Gedanken offen aus.

Es sind verschiedene Punkte zu erkennen, die in einem System eingearbeitet sind. Einer dieser Punkte leuchtet rot auf. Ich könnte jetzt irgendwelche wilden Vermutungen aufstellen, aber ohne Sam… sie ist vermutlich die einzige, die weiß, was das ist. „Wenn ich raten müsste, dann würde ich sagen, dass wir hier sind.“ Ich tippe auf den roten Punkt. „Und mit ‚wir’ meine ich diesen ganzen Stützpunkt oder was auch immer das ist. Vielleicht gibt es ja noch andere?“

„Möglich.“ Und ich dachte schon Teal’c sei einsilbig. Aber der Colonel könnte ihm glatt Konkurrenz machen. „Hier gibt’s nichts. Wir müssen Daniel und Carter finden.“

Gesagt, getan. Kaum hat er die Worte ausgesprochen, macht er sich auch schon auf den Weg zurück zur Treppe. Ich öffne meinen Mund, aber schließe ihn dann wieder. Vergiss es, Liz. Colonels lassen sich nichts sagen. Besonders nicht von so einem Wissenschaftler wie mir. Mit einem schweren Seufzen folge ich ihm schließlich hinaus und lasse meinen Blick noch einmal durch die Halle gleiten. Doch auch wenn ich höre, wie der Colonel die Stufen bereits wieder hinunter geht, bleiben meine Augen auf etwas hängen, was sich am anderen Ende der Brüstung befindet. Was ist das?

Ich schiele zum Colonel hinunter, aber er scheint es nicht gesehen zu haben. „Colonel“, rufe ich abgelenkt, während sich meine Füße schon in die besagte Richtung begeben.

„Sullivan, kommen Sie.“

Aber ich schüttle nur den Kopf. „Da ist etwas.“

„Sullivan!“

Diesmal können mich seine ungeduldigen Rufe nicht aufhalten. Da ist etwas. Er kann doch nicht einfach alles so übersehen. Und außerdem, was kann ein flüchtiger Blick schon alles anrichten?

„Verdammt noch mal, Sullivan!“

„Sekunde!“

Ich könnte schwören ein Knurren hinter mir zu hören. Aber ich setze unbeirrt meinen Weg fort, sprinte sogar regelrecht zum Ende der Brüstung. Oh ja, da ist etwas. Habe ich mich doch nicht versehen. Im Grunde ist es nur eine weitere Tür, aber diese hier ist anders. Sie sieht vollkommen anders aus. Sie scheint aus einem ganz anderen Material gemacht zu sein. Leicht schimmernd und zur Abwechslung irgendwie milchig. Man kann deutlich erkennen, wie vereinzelte Lichtstrahlen auf der Oberfläche reflektiert werden. Wie die untergehende Sonne auf dem Meer. Wenn mich nicht sogar alles täuscht, hätte ich schwören können, dass es genau das ist. Irgendeine Flüssigkeit. Es sieht so lebendig aus. Was sich genau dahinter befindet, kann ich nicht mit Gewissheit sagen, dazu ist es zu verzerrt, aber ich muss es einfach wissen. Der Drang, meine Neugier, ist schon fast überwältigend. Vorsichtig strecke ich meine Hand danach aus, um es zu berühren. Hinter mir sind die stampfenden Schritte des Colonels zu hören, aber ich ignoriere sie einfach.

Ich kann schon förmlich spüren, wie die Luft um meine Hand sich immer mehr mit Energie auflädt. Was ist das? Ein Schutzschild? Einfach unglaublich. Ein gottverdammtes Schutzschild! Wenn ich es nicht mit eigenen Augen sehen würde, ich würde es nicht glauben.

„Sullivan, ich dachte, ich hätte mich klar und deutlich ausgedrückt!“

Ein schweres Seufzen. Jetzt ist der Bann gebrochen. Was ist eigentlich sein Problem? Doch bevor ich überhaupt in Erwägung ziehen kann, ihm genau diese Frage zu stellen, spüre ich auch schon, wie eine Hand meinen Arm umfasst und mich zu ihm umdreht. „Was?“, schnauze ich etwas zu grob.

Überrascht über meinen Ausbruch, reißt er nur seine Augen auf. Glaubt mir, ich bin nicht minder überrascht, aber mal ehrlich. Was ist das Problem? Wir starren uns einen Moment einfach nur an. Er ist wütend, ich bin wütend. Ich habe doch gleich gesagt, dass das nicht gut gehen kann.
„Was ist eigentlich an den Worten: ‚Es wird nichts angefasst’ so schwer zu verstehen?“

Das gilt für unseren gesamten Aufenthalt?! Das kann er doch wohl unmöglich ernst meinen! Ich meine, hallo? Also, wirklich… wie soll man den vernünftig arbeiten, wenn es einem verboten ist etwas anzufassen?!

Ich kann nur mit dem Kopf schütteln. „Aber…“

„Nach was sieht das für Sie aus?“ Er zeigt mit seiner Waffe auf die wabernde Oberfläche.

„Ein Schutzschild?“

„Ganz genau. Und normalerweise haben diese Schilde die dumme Angewohnheit auch das zu *beschützen*, was sich dahinter befindet.“

Ich beginne schon damit meine Augen zu verdrehen, aber um es mir noch einmal extra deutlich zu demonstrieren, hält er den Lauf seiner Waffe in das schimmernde Etwas und ich müsste lügen, wenn ich nicht leicht zusammengezuckt bin. Au weia… das war ein ganz schön heftiger Schlag. Ich schlucke einmal, aber diese Blöße kann ich mir jetzt unmöglich geben. Deshalb ist mein Blick noch genauso bestimmend, wie zuvor. Okay, vermutlich hatte er Recht gehabt. Wenn ich es angefasst hätte, dann hätte ich jetzt einen ganz schönen Schlag abbekommen, aber diese Kleinigkeit kann mich nicht bremsen.

Mit einem letzten Blick in seine Richtung, tasten meine Augen die Wand ab, bis ich gefunden habe, was ich suche. Zwar etwas versteckt, aber definitiv da. Mit bedachter Vorsicht berühre ich das Symbol und die schimmernde Oberfläche verschwindet. Na, was ist jetzt? Hm? Hinter mir höre ich ihn einmal tief ein und ausatmen, als ich einen Schritt nach vorne gehe und den dahinter liegenden Raum betrete. Zu meiner Enttäuschung muss ich feststellen, dass das noch nicht mal die Bezeichnung ‚Raum’ verdient, eher ein Kämmerchen. Aber irgendwas muss es hier ja geben, sonst hätte sich vor dem Durchgang immerhin kein Schutzschild befunden.

„Das ist doch absolute Zeitverschwendung“, höre ich den Colonel jetzt neben mir. Er sieht sich in dem vielleicht gerade mal drei Quadratmeter großen Kämmerchen um. Der Lauf seiner Pistole fährt ratternd über die Wand, so als ob er sich auch vergewissern wolle, ob nicht noch weitere Überraschungen auf uns warten.

Wo wir schon von Überraschungen sprechen. Ihr werdet mir einfach nicht glauben, was als nächstes passiert. Unbewusst tastet der Colonel die Wand ab, als plötzlich ein kleiner Teil der besagten Wand auseinander fährt.

„Okay…“, murmelt er langsam.

Okay…

Das wird von Minute zu Minute verrückter. Ein Ereignis jagt das nächste. Ich kann nur erneut mit dem Kopf schütteln. Das alles ist einfach zu überwältigend. Ich glaube, ich werde Jahre brauchen, um all das zu verarbeiten. Vielleicht kann sich ja dann mein Seelenklempner endlich das Marmorbad leisten, auf welches er schon seit einer geraumen Zeit ein Auge geworfen hat?

Und wie soll es auch anders sein, die Wand ist nicht umsonst verschwunden. Ein Umriss ist zu sehen, aber ich erkenne nur Striche und Symbole. Das ergibt keinen Sinn. Jedenfalls keinen geordneten. Was soll das denn schon wieder bedeuten?

„Ne Ahnung, was das sein könnte, Sullivan?“

„Keinen Schimmer… Sir.“

Dieses Wort benutze ich in letzter Zeit ziemlich oft und das stört mich. Gewaltig. Bevor gleich irgendwelche Stimmen laut werden, will ich noch einmal ganz klipp und klar darauf hinweisen, dass sich meine Hände immer schön an meinen Körper befunden haben! Diesmal ist es der Colonel, der erneut mit dem Lauf seiner Pistole eine Fläche auf dem Umriss berührt. Ich habe nichts angefasst! Es ist absolut nicht meine Schuld! Na okay, teilweise vielleicht… immerhin war ich diejenige, die wissen wollte, was sich hier befindet, aber ich habe nichts angefasst!

Keine Sekunde später hören wir ein leises Zischen und eine Wand neben uns öffnet sich. Was…? Wo? Wie? Hilfe.

„Uhm…“ Ich drehe mich schnell um, um zu sehen, wo unser voriger Ausgang geblieben ist, aber der ist nicht mehr da. Verschwunden. Der einzige Durchgang ist jetzt genau vor uns. Oh Gott, oh Gott, oh Gott… das ist nicht gut. Verdammt, Liz, jetzt hast du aber dicke Probleme.

„Sie bleiben hier“, befiehlt er mir mit flacher Stimme. Er ist schon mehr als wütend. Wut beschreibt nicht mal annähernd das, was sich gerade in seinen Augen abspielt. Ich nehme jede Wette an, dass, wenn es ihm erlaubt wäre, er dann liebend gerne Kleinholz aus mir machen würde. Tief durchatmen. Gott, ich latsche auch wirklich von Schlamassel zu Schlamassel. Oh Mann, ich glaube wirklich, dass wird eine extrem lange Standpauke werden, die ich mir da anhören kann. Mir wird schon bei dem Gedanken daran ganz schlecht.

„Sullivan?“, höre ich ihn meinen Namen rufen.

Die Dringlichkeit in seiner Stimme, lässt mich aufhorchen. Schnell trete ich aus dem Kämmerchen heraus und muss feststellen, dass wir uns auf eine Art Vorlauf befinden. Ich sehe nur eines und das ist der Abgrund nach beiden Seiten. Nur nicht hinuntersehen. Bloß nicht hinuntersehen. Starr ist mein Blick geradeaus auf den Colonel gerichtet, der jetzt in der Mitte steht. Hier gibt es absolut gar nichts. Was für einen Zweck hat das hier? Mir ist dieser Ort einfach nur unheimlich. Und dann, als ich endlich an seiner Seite bin – mein Herzchen ist immer noch außer Rand und Band – kniet er sich auf den Boden und fährt mit seinen Fingern über den Boden. Ich sehe mich noch einmal um. Genau gegenüber von mir befindet sich ein kleiner Übergang zu einer Wand. Aber ich verstehe ehrlich gesagt nicht, was für ein Zweck das haben soll. Denn dort ist nichts. Rein gar nichts. Dieser Raum besteht nur aus einzigen, glatten Wänden.

„Super…“, murmelt der Colonel ein paar Schritte neben mir. Das erlangt meine Aufmerksamkeit. Das und dieser frustrierte unterschwellige Ton in seiner Stimme. Ich drehe mich zu ihm um und will die Lücke zwischen uns schließen, aber er hebt seine Hand. „Nein! Stopp!“

Zu spät. Die Schritte sind getan und doch bleibe ich wie vor die Wand gelaufen stehen. Was? Was ist los? Und dann fällt mein Blick auf das, auf was er starrt. Die Wand mit der Überbrückung. Genau dort, in Kopfhöhe, ist etwas aus der Wand *gewachsen*. Ich habe keine Ahnung was es ist, doch in meinen Augen sieht es nicht besonders gefährlich aus, vielmehr ein wenig grotesk. Es ist rund, leicht verschnörkelt und es sieht irgendwie aus wie ein Auge.

„Kommen Sie diesem Ding nicht zu nahe“, mahnt mich der Colonel dunkel.

„Warum nicht? Es sieht nicht gerade gefährlich aus.“

Er atmet einmal tief aus. „Vertrauen Sie mir. Sie wollen diesem Ding nicht zu nahe kommen.“

„Okay…“, antworte ich langsam. Ich weiß nicht, ob es Angst ist, die ich da aus seiner Stimme heraushöre, aber das sagt mir alles, was ich wissen muss. „Was ist es?“ Es ist vielleicht gefährlich und ich werde diesem Ding nicht zu nahe kommen, aber meine Neugier ist dennoch geweckt. Er scheint es offensichtlich schon zu kennen.

„Wir sollten von hier verschwinden“, antwortet er mir stattdessen und ich kann nichts weiter tun als schwer zu schlucken. Ganz schlecht.

Fein, verschwinden wir. Wir sind uns einig, hier gibt es nichts. Bin vollkommen dafür. Wenn ich ehrlich bin, dann hat es mich ziemlich nervös gemacht, wie der Colonel auf das Gerät schaut. Irgendwelche schlechten Erfahrungen? Liegt nahe, aber ich wage es nicht ihn zu fragen.

Mit einem stummen Nicken, drehe ich mich um und er steht auf. Ich weiß wirklich nicht, was der Tag heute gegen uns hat, aber ich schwöre es, wir sind keine zwei Schritte gegangen, als wir beide ein plötzliches Zittern spüren. Ich hege schon die Befürchtung, dass es etwas mit dem Ding an der Wand zutun hat, aber der Colonel fasst nur nach meinem Arm. Das Zittern - oder sollte ich vielleicht doch lieber Erschütterung sagen? – Kommt von unten. Unten aus der Erde. Oh nein, bitte nicht.

Nur langsam ebbt es ab. Zum Glück, war es nicht besonders stark, aber wir sind beide leicht in die Knie gegangen. „Was war das? Ein Erdbeben?“

Ich schüttle nur den Kopf. „Unwahrscheinlich. Das hier ist vulkanisches Gebiet. Es ist gut möglich, dass sich unter der Erde ein Vulkan befindet.“

„Wie bitte? Und das sagen Sie mir erst jetzt?“

„Ich, ähm…“ Ich sehe ihn etwas sprachlos an. „Ich dachte, das wüssten Sie. Das ist doch keine Neuigkeit.“

„Nun, für mich schon.“ Er lässt meinen Arm wieder los. „Kommen noch mehr von diesen Beben?“

„Keine Ahnung. Ich bin genauso überrascht wie Sie. Es wurde keine Warnung rausgegeben.“

„Dann hoffen wir mal, dass es bei diesem einen Beben bleibt.“

Ich hätte wirklich auf Holz klopfen sollen. Ich bin zwar kein Freund von Aberglauben, aber langsam beginne ich zu denken, dass vielleicht doch etwas Wahres dran sein könnte. Ich hätte es ahnen müssen. Irgendwie hätte ich es ahnen müssen und uns beide hier herausprügeln sollen. Aber hinterher ist man immer schlauer, nicht wahr? Es verging keine Minute, da begann die Erde erneut zu beben, aber diesmal nicht so leicht, wie beim ersten Mal. Nein, diesmal war es wirklich stark. Verdammt stark sogar.

Reflexartig lasse ich mich auf meine Knie fallen, genau wie der Colonel. „Immer schön unten bleiben“, ruft er mir zu und ich nicke nur.

Ich habe keine Ahnung, wie es passiert ist, aber im Endeffekt ist es auch egal. Das einzige, was ich nur noch weiß, ist, dass ich mich irrsinniger Weise versucht habe irgendwo festhalten, als das Beben immer stärker wurde. Aber da war nichts. Nur Luft. Meine Finger hielten nichts weiter als leere Luft umschlossen. Für einen kurzen Augenblick schloss ich meine Augen. Das ist doch einfach nicht wahr! Das kann nicht wahr sein.

Aber es gibt absolut nichts, was wir hätten tun können. Durch die starken Erschütterungen im Boden, schafften wir es nicht uns überhaupt irgendwie fortzubewegen. Es geht einfach nicht. Wir sitzen hier praktisch fest und können nichts weiter tun, als zu hoffen, dass wir das Beben unbeschadet überstehen. Vielleicht nur noch ein paar Minuten, dann dürfte es vorbei sein. Ein paar Minuten… komm schon, hör endlich auf!

Mein Blick wandert panisch zum Colonel rüber, der einfach nur auf den Boden starrt, als ob er ihn so bezwingen könnte. Er sieht zu mir auf und schüttelt leicht mit dem Kopf. Ich tue es ihm gleich. Wir wissen beide, was das bedeutet. Wir wissen es nur allzu gut. Oh Gott…

Und dann hören wir es. Ein Knacken, ein Hallen, und noch ein Knacksen, so laut und nahe… Oh mein Gott…

„Oh Mist…“, flucht der Colonel.

Aber dann ist es bereits zu spät. Der Boden beginnt zu bröckeln. Ich weiß genau, dass er nachgeben wird. Er wird dem Beben nicht standhalten. Ich weiß es einfach. Es ist so klar in meinen Kopf. Wie eine unwiderrufbare Tatsache.

Langsam schließe ich meine Augen und dann…Risse, Sprünge… das ist es.

Oh nein…


weiter: Kapitel 3
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