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The Lost Lovers von Andreas

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Vorwort

Die FF ist eigentlich eher eine teilautobiographische Erzählung als eine richtige Fanfiction-Story. Dass es sich so einfach und schnell (ein Tag für’s Schreiben, einer zum mehrmaligen Korrekturlesen) in eine S/J Story verwandeln ließ, ist Zufall. Genaugenommen musste ich (fast) nur die Charaktere etwas anpassen.
The Lost Lovers


Teil 1

Geladen kramte Jack in seiner Hosentasche und fischte den Schlüsselbund mit dem Hotelschlüssel daran heraus. Am liebsten hätte er die verdammte Tür, die ihm im Weg stand, einfach eingetreten, aber dann fiel ihm ein, dass das die unten an der Rezeption wohl nicht allzu toll gefunden hätten (und seine Knie auch nicht). Außerdem passte Randalieren eher zu Rock- oder Filmstars, nicht zu Elitesoldaten eines Geheimkommandos. Als er endlich in seinem Apartment stand und die Tür hinter sich zugeknallt hatte, ging er zuallererst, noch bevor er sich aus seinen Straßenklamotten schälte, zielstrebig zu dem Kühlschrank und griff zu einer Flasche Guinness.

„Genau das richtige für so Momente!“, dachte er höhnisch und setzte die Flasche an seine Lippen. Nach ein paar langen Zügen schwappte dort, wo sich zuvor einer halber Liter des edlen Gerstensaftes befunden hatte, das so typisch war für das United Kingdom, nur noch ein knappes Drittel des Starkbieres. Noch bevor er die Kühlschranktür wieder schloss, holte er zudem auch noch einen Sixpack heraus, ging ins Wohnzimmer und stellte ihn auf den Tisch vor der Couch, auf die er sich fallen ließ wie ein nasser Sack. Ein bemitleidenswertes Stöhnen entwich seinem Mund, dann leerte er das Guinness vollends. Dabei hatte der Urlaub so gut angefangen...

Seine Gedanken drifteten zurück zu dem Moment, als ihnen General Hammond nach vielen arbeitsintensiven Monaten, die fast ausschließlich aus Weltuntergangsverhinderungshorrormissionen bestanden hatten, offenbarte, dass sie ab sofort frei hätten. Und zwar zwei ganze Wochen, immer vorausgesetzt, es brach kein intergalaktischer Krieg aus, die Tok’Ra hatten keine geniale Idee, die das Vernichten der Goa’uld so einfach machte wie sich ein Butterbrot zu schmieren, und auch Thor würde nicht mit seinen langen, dürren Finger an den Heraufbeamsteinchen in seinem Schiff herumspielen. Jack freute sich schon darauf, was es diesmal sein würde, das ihren Urlaub jäh beenden würde. Der Zufall würde schon eine Möglichkeit finden, dachte er damals.

Das war jetzt elf Tage her. Passiert war bisher nichts, das Handy blieb stumm. Im Cheyenne Mountain Complex klappte es wohl auch ohne tatkräftige Unterstützung von SG-1; oder es wimmelte dort inzwischen schon längst von sich aufplusternden Schlangenköpfen…
„Auch egal, ich hab Urlaub!“, sagte er sich und öffnete die erste der Bierdosen vor sich. Andererseits, gegen ein paar vorlaute Systemlords hätte er jetzt auch nichts gehabt, als Ablenkung von anderweitigen Problemen taugten die Jungs schließlich schon. Er, Teal’C, seine P90 und Teal’Cs Stabwaffe gegen die Führungselite des Schlangenkopfimperiums, das wäre schon was gewesen; aber nur unter der Voraussetzung, dass es sich damit auch hatte. Keine Handmodule, keine billigen Tricks seitens der Gastgeber, kein Daniel und vor allem keine Carter..., das wäre es.

Bei dem Wort Carter zuckte er innerlich zusammen, gerade so, als hätte er seinen eigenen Finger in eine klaffende Wunde seines Körpers gestoßen. Ja, dachte er, Carter…, und war damit bei der Ursache für sein beginnendes Besäufnis angelangt. Carter, oder wie er sie sonst in Gedanken zumeist nannte, Sam. Sam war schuld, dass es ihm jetzt so dreckig ging.

Am Anfang des Urlaubs war alles noch super gewesen. Er war von Samstag bis Montag auf seine Hütte nach Minnesota gefahren, hatte die drei Tage fast komplett mit Fischen verbracht, nur unterbrochen von schlafen, duschen und essen, wobei er sich zum Essen mangels anglerischem Geschick zumeist Fischstäbchen briet. Dienstags war er abgereist, hatte einen – wie immer kostenlosen - Militärjet zur Pope Air Force Base nahe Fort Bragg genommen und sich dort wie verabredet mit Daniel und Sam getroffen, Teal’C war indessen auf Chulak bei seiner Familie. Von dort ging es in einer geräumigen C-17 Globemaster nach Mildenhall, England, wo ein Humvee – die aktuelle Version eines Jeeps bei den US-Streitkräften - bereitstand, der sie nach London in ihr Hotel brachte. General Hammond hatte bereits für alles gesorgt.

Die Idee, gemeinsam London einen Besuch abzustatten, stammte zwar von Daniel, der einen alten Ägyptologenkollegen aus gemeinsamen Uni-Tagen besuchen wollte, aber es war nicht weiter schwergefallen, den General zu überreden, seine Beziehungen spielen zu lassen. In London angekommen hatten sie noch keinen einzigen Cent ausgegeben – und auch keinen Penny! Der Abend verlief dann relativ ruhig, aufgrund der sich doch negativ bemerkbarmachenden Zeitumstellung waren sie schon um neun Uhr englischer Zeit ins Bett gegangen, bzw. auf ihre Zimmer. Ob die anderen auch so schnell im Land der Träume waren wie er, das wusste Jack natürlich nicht.

Die nächsten Tage wurde es schon turbulenter, und interessanter, zumindest meistens. Die Sightseeingtour durch die Metropole war einfach gigantisch, sogar für ihn, Jack O’Neill, der sich sonst nicht gerade für solche Dinge begeistern konnte. Okay, es gab auch Programmpunkte, auf die er liebend gerne verzichtet hätte. Der Besuch im British Museum beispielsweise war einer dieser obligatorischen Pflichttermine, die mit einem Führer wie Dr. Daniel Jackson, der sich für jedes Staubkorn auf jedem einzelnen der Exponate interessierte, eine ziemlich einschläfernde Wirkung haben konnten. Auch der Bummel durch die Oxford Street mit Sam – weit über zwei Stunden für 300 Meter! – war pro se nicht wirklich prickelnd gewesen, was allerdings andererseits durch ihre bloße Anwesenheit wieder tausendfach wettgemacht wurde. Wieder war ihr Name gefallen, und wieder spülte er den faden Beigeschmack in seinem Mund, den er verursachte, mit einem kräftigen Schluck Bier weg. Tja, dachte er, da war die Welt noch in Ordnung gewesen...

Das war sie auch noch einige Tage lang. Die Vor- und Nachmittage waren bis auf einige kleinere Ausnahmen sehr interessant, und die Abende..., nun ja, bombastisch traf es vielleicht noch am Besten. Er wusste nicht, wann er zuletzt so viel Spaß gehabt, so viel gelacht hatte, kurzum, sich richtig wohlgefühlt hatte, ohne unter dem Stress seines Berufes und der damit einhergehenden Verantwortung begraben zu sein. Er fühlte sich frei, dynamisch, spontan, einfach nur rundum gut. Und den beiden anderen ging es genauso. Sie alle drei waren keine großen Partyhengste, alle eher introvertiert, aber dafür ließen sie es für ihre Verhältnisse richtig krachen. Alle drei, sogar Daniel, der im Dienst, wie Jack jetzt vermutete, sein Temperament anscheinend unter seiner Brille versteckte. Dasselbe galt für Carter, für Sam. Auch sie hatte den Dr. und den Major in ihrem Labor im Stargate Command eingeschlossen und ging jetzt richtig ab! Jack hatte sich richtig gewundert, oder besser, er fühlte sich wie in einem Paralleluniversum, in dem Sam Carter nicht Soldatin und Wissenschaftlerin, sondern eine erstklassige Entertainerin war. Sam, seine Sam, benahm sich wie andere nach einem Eimer Whiskey! Und das ganz freiwillig und (fast) ohne Alkohol! Jack konnte nur noch Bauklötzchen staunen, was er übrigens auch tat. Dasitzen und Bauklötzchen staunen und Bier trinken und geniiiiiiiießen... Ja, er war wirklich glücklich gewesen...

„Und was ist jetzt?“, fragte er laut die Wand, die allerdings keine Antwort gab. „Was nun?“
Er wusste ja nicht einmal richtig, was passiert war. Es war ja nichts passiert. Es war nur einfach alles anders. Noch gestern stand sie neben ihm, lachte ihn wie immer ohne ersichtlichen Grund mit ihrem zuckersüßem Gesicht an, dass Jack alleine von diesem sonnigen Lachen eine Gänsehaut bekommen hatte, war absolut gut gelaunt, parierte Anspielungen von ihm in einer Weise, die ihm einfach die Luft im Halse stecken bleiben ließ, und, und, und...
Und dann Peng. Aus die Maus. Alles anders. Es gab keinen Grund dafür! Er kannte zumindest keinen Grund. „Wieso?“ Es machte keinen Sinn. Heute Morgen war sie auf einmal anders gewesen, distanziert, reserviert, irgendwie unnahbar. Zumindest ihm gegenüber. Ihr Verhältnis zu Daniel hatte sich nicht geändert, Jack war nichts aufgefallen. Nur warum das ganze Theater? Hatte ihr die Musicalvorstellung nicht gefallen? Wohl kaum. Das Kino? Sie wollte gestern Abend doch selbst in diesen komischen Fisch-Film, wenn auch nur, weil sie es nicht gewohnt war, den ganzen lieben langen Tag in normalen Straßenschuhen durch eine Stadt zu schlendern. In Boots auf fremden Planeten war das was anderes...

„Also wieso?“, fragte sich Jack erneut. Das erklärte das noch lange nicht. Das, das war das, was sie jetzt gerade machte. Sam war nämlich nicht mit Jack zurück ins Hotel gefahren, sondern mit Spaniern oder Italienern, das wusste er nicht so genau, ausgegangen. Sie hatte sie beim Abendessen in einer Pizzeria kennen gelernt, hatte gehört, dass sich die drei angeregt über komplizierten physikalischen Scheißdreck unterhalten hatten, und sich in das Gespräch eingeklinkt. Da konnte er auch gar nichts dagegen sagen, schließlich war es ihre Sache, mit wem und über was sie sich unterhielt und außerdem freute er sich ja für sie, wenn sie Spaß hatte. Nur das wie, das war es, das ihn so ärgerte. Sie ließ ihn gewissermaßen (an seinem Tisch) sitzen, während sie nach dem Essen fast wortlos zu den Physikern verschwand und später mit ihnen. Ihm hatte sie ihren Entschluss dann fast beiläufig mitgeteilt, und schon war sie mit den dreien abgerauscht. Dass sie sich ihnen nicht gleich an den Hals warf, war alles. Und was das für Typen waren! Jack wunderte sich, wunderte sich sehr über „seine“ Sam.

Er hatte sie immer für intelligent, vernunftbegabt und charaktervoll gehalten, und dann so was. Natürlich blieb sie das auch weiterhin, nur... Was war mit Sam los? Hatte sie es wirklich nötig, sich mit irgendwelchen südländischen Machos abzugeben, die tatsächlich daran glaubten, dass sie, nur weil sie aus Südeuropa stammten, Gel in den Haaren hatten und in einem italienischen oder spanischem Akzent nuschelten, nur Schnipp zu machen brauchten, und jede Frau der Welt haben konnten? Hatte sie das wirklich nötig? Sam? Wohl kaum. Und so waren Jack die drei wirklich vorgekommen, als drei notgeile Machos. Natürlich wusste Jack, dass er vielleicht auch nur so empfand, weil er eifersüchtig war, weil die drei in Stunden oder gar Minuten etwas geschafft hatten, was ihm in all der langen Zeit zuvor nicht im Ansatz geglückt war. Ja, da bekannte er offen Farbe, er war eifersüchtig. Er wusste, es stand ihm nicht zu, eifersüchtig zu sein, aber er war es trotzdem.
Nicht dass er es unmoralisch von ihr fand, nein. Sie war Single und konnte tun und lassen, was sie wollte. Es war einfach..., er konnte es nicht recht in Worte oder Gedanken fassen. Sie waren kein Paar, waren nicht zusammen, sondern arbeiteten nur gemeinsam, und von daher war die Sachlage klar. Aber trotzdem fühlte er sich irgendwie verraten. Sam wusste doch genauso gut wie er, dass ihre Arbeitsbeziehung eine ganz andere als normale war. Und das lag nicht nur an ihrem extravagantem Job. Die Bande, die sie beide zusammenschweißten und mit Teal’C und Daniel zu SG-1 formten, waren stärker als alle anderen, die Jack je bei irgendeiner Einheit zuvor empfunden hatte. Sie waren eben nicht nur ein Colonel und ein Major derselben Einheit, nicht nur Commander und Second in Command, sondern mehr als das. Ihre Gefühle füreinander waren stärker als die normalempfundene tiefe Kameradschaft, so wie er sie bei Daniel und Teal’C verspürte, und wie er sie bei Kowalski und all den vielen anderen verspürt hatte, die mittlerweile viel zu früh den Paradeplatz für Langzeitstudien an Maulwurfkolonien innehatten, um den sie von ach so vielen Biologen beneidet wurden.

Bei Sam war es mehr, von Anfang an mehr gewesen, und das hatte sich wie mit einem roten Faden bis gestern Abend durch ihr bisher gemeinsames (Berufs)Leben durchgezogen. Was dann passiert war, wusste er nicht und, egal wie er seinen Kopf auch anstrengte, er kam auf keinen grünen Zweig. Er grübelte wirklich lange, nur bisweilen unterbrochen, um seinem Hirn Treibstoff in Form von vergorenem Getreidesaft zuzuführen, bis er einen groben Verdacht hatte. Einen Verdacht, den er am liebsten sofort wieder aus seinen grauen Zellen herausgestrichen, ausradiert hätte, aber dazu hätte er etwas anderes, härteres kippen müssen. Mit Bier ließ sich so eine „Kur“ nicht bewerkstelligen.

Jack kam der Verdacht, dass Sam allmählich begriff, wie aussichtslos es war, sich eine Beziehung zu ihm herbeizusehnen.

„Und woran lag das?“, fragte er halblaut. Im nächsten Moment nahm er eine der leeren Bierdosen und warf sie so fest er konnte gegen die ihm gegenüberliegende Wand, die ihm nie antwortete, wenn er sie um Rat ersuchte.
Es waren die Regeln, die es unmöglich machten. Was denn auch sonst, fragte sich Jack, jetzt nach seinem kleinen Wutausbruch wieder ruhiger. Sie kannten sich jetzt schon so lange, auf jeden Fall lange genug, und auch gut genug. Er wusste, dass er Recht hatte, haben musste. Es gab sie schließlich, diese ganz speziellen Momente, die viel zu zahlreich gewesen waren, um sie unter der Rubrik Zufall abheften zu können und um sie dann für immer im Aktenschrank der Geschichte zweier Personen wegzuschließen, gerade so, als hätten sie nie stattgefunden. Wie oft hatten sich ihre Blicke in dieser ganz besonderen Weise getroffen, während der Missionsbriefings, in den ewig langen Korridoren, bei Pflichtveranstaltungen, die sie beide gelangweilt hatten, wie oft war die Zeit dann stehen geblieben, wenn kastanienbraun auf azurblau traf?

Oder kam das nur ihm so vor? Träumte er den Traum einer Illusion? Zeichnete sein Herz nur ein rosarotes Wunschbild, übertünchte es mit leuchtenden Farben nur das triste, melancholisch stimmende Alltagsgrau der Realität? Waren diese zeitlosen Momente für sie wirklich nur Auswirkungen von Einsteins Relativitätstheorie, durch Masse verursachte Krümmungen der Raumzeit, Zeitdilatation, wie sie es wohl in einer ihrer hochwissenschaftlichen Ausschweifungen sachlich kühl nennen würde? War es das, hatte es sich etwa damit? Schluss, aus, vorbei? Jack glaubte es nicht. Er wusste, dass da etwas war! Wieso schlich sie denn sonst manchmal, nur Zentimeter von ihm entfernt, umher wie eine hungrige Katze auf der Suche nach einer Maus, die sie auf der Stelle mit Haut und Haaren verschlingen wollte? Wieso drehte sie sich denn dauernd um, stets in seine Richtung, selbst dann, wenn er warum auch immer gerade isoliert und weit an vom Schuss in einer Ecke stand? Wieso?!

Das war doch alles kein Zufall, dachte Jack. Nein, er dachte es nicht nur, er war felsenfest davon überzeugt. Mit ihm spielen, das tat sie sicherlich nicht. Der Typ Frau war sie nicht. Sie war ehrlich, offen, fair; kein männermordender Vamp, dessen einziges Ziel, koste es, was es wolle, die Eroberung möglichst vieler Herzen in möglichst kurzer Zeit war, keine schwarze Witwe, die auf dem Schlachtfeld der Liebe nur verbrannte Erde zurückließ. Nein, sie war anders, anders als alle zuvor..., eben Sam.

Jack ließ seinen Kopf in den Nacken fallen, und fuhr sich mit beiden Händen durch sein inzwischen graumeliertes Haar. Also mussten es die Regeln sein, überlegte er, während er die Zimmerdecke mit seinem starrem Blick förmlich durchbohrte. Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Die verdammten Regeln waren schuld, und das Umfeld, das diese Regeln aufstellte und eine Beziehung von vorneherein nicht zuließ. Janet, die man, so wusste Jack, getrost als ihre beste Freundin bezeichnen konnte, Janet hätte geschwiegen, aber sonst? Er schüttelte den Kopf. Der Alkohol zeigte bereits Wirkung und ihm wurde schwindelig.

„Scheiß Alkohol!“

Sie hätten es niemandem erzählen dürfen, setzte er seine Argumentationskette in Gedanken fort, weil es niemand wissen durfte, und dieser Zwang zu Schweigen, die Bedingung, die Beziehung abgeschottet von der Außenwelt führen zu müssen, hätte sie erstickt wie unter einem hermetisch abdichtenden Tuch. Anstatt in Liebe, Lust und Leidenschaft zu lodern, wären die Flammen der Sehnsucht verglommen, gelöscht von der Last der Unmöglichkeit, ihr Geheimnis zu lüften. Die gemeinsame Basis, auf der eine Beziehung fußen musste, hatten sie nie gehabt. Anstatt auf einem soliden Sockel stand ihr Fundament in einem See von Treibsand, der alles verschlang und nichts mehr preisgab. Es konnte gar kein Fundament geben. Der Druck der Umwelt war einfach zu stark.

Damit Sam ihn lieben konnte, wusste er, hätte sie so vieles aufgeben müssen, weit mehr, als ihr wert war. Deshalb beließ sie es dabei, spekulierte Jack, deshalb ging sie keinen Schritt weiter. Sie begnügte sich damit, ihn täglich zu sehen, ihn mit ihrem fantastischen Lächeln anzustrahlen wie ein leuchtender Stern, eben Kontakt zu ihm zu haben, ohne wirklich Kontakt zu haben.

Jack atmete schwer aus. Er konnte an dieser ganzen paradoxen Konstellation nichts ändern, nicht ohne ihr zu schaden. Und das würde er auf keinen Fall. Sie war es, die mehr verlieren konnte, und genau deswegen musste sie auch den ersten Schritt machen. Was sie wohl nicht würde. Stattdessen würde sie alles beim Alten belassen, so wie es jetzt auch war. Lieber eine heimliche Liebe als ein völliger Verlust. Jack verstand diese Logik, hatte diese bitteren Erfahrungen, die zu solch einer Erkenntnis führten, alle an seinem eigenen Leib erlebt, litt noch immer unter den Narben der Wunden, die wie mit Glasscherben in sein Herz hineingetrieben worden waren. Lieber ein Leben in einer selbstkreierten Scheinwelt, als überhaupt kein Leben. Es war ihre Entscheidung. Falls sie diese revidieren sollte, würde er sie sofort mit offenen Armen empfangen und auf Rosen betten. Er würde ihr Leben in ein märchenhaftes Paradies verwandeln, dass Adam und Eva vor Neid die Kinnlade herunterklappen musste. Aber ganz sicher würde er sie nicht zu diesem Schritt drängen. Wenn sie soweit war, dann würde er ihr die nächsten Schritte so einfach wie möglich machen, doch nicht mehr. Er würde und er konnte einfach nichts tun, was ihr in irgendeiner Weise schaden würde. Wenn nicht, dann sah es ganz so aus, als würde er sich in der nächsten Zeit mit dem widersprüchlichen, vollkommen abstrusem Gedanken abfinden müssen, dass „seine“ Sam sich seinetwegen mit jemand anderem trösten würde. In Jacks Eingeweide zog sich alles zusammen. Eine abscheuliche Vorstellung! Aber leider wohl bald Realität...

Jack nickte ernüchtert, gerade so, als hätte er erst jetzt in vollem Ausmaß verstanden, wie aussichtslos die Vorstellung von trauter Zweisamkeit mit Sam eigentlich war. Er konnte ihr einfach nicht schaden. Dazu liebte er sie zu sehr. Sie hatte einen Großteil ihres Lebens noch vor sich, er wohl nicht mehr. Seine Karriere neigte sich dem Ende entgegen, während ihrer zwangsläufig ein kometenhafter Aufstieg bevorstand. Und deswegen würde er sich wohl oder übel mit der derzeitigen Situation abfinden müssen. Resignierend wuchtete er sich aus der Couch hoch und wankte in Richtung Schlafzimmer. Der Alkohol wirkte inzwischen schon so, wie er es wollte. Im Bett angekommen schlief er fast sofort ein. Nur ein Gedanke schob sich noch zwischen ihn und seine Träume – sie handelten von Sam – der Gedanke, dass er, wenn er einmal von all den Risiken für sie absah, dass er wohl auch kaum den Mut gehabt hätte, selbst in die Offensive zu gehen und ihr seine Gefühle zu beichten. In dieser Hinsicht war er nämlich ein ganz jämmerlicher Feigling...

... weiter: Kapitel 2 ...
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