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Der Jungbrunnen von Hyndara71

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Einen Tag später:

John vergrub sein Gesicht in den Händen, als Horacio Caine erneut das Vernehmungszimmer betrat. Der Tisch, an dem er saß, spiegelte wie schwarzes Wasser das durch Lamellen an den Fenstern gefilterte Sonnenlicht.
Er war jetzt seit einem Tag auf dem Revier, deutlich mehr Zeit, als er hier hatte verbringen wollen. Vierundzwanzig Stunden, in denen weiß Gott was mit Vashtu hatte geschehen können. Doch noch schlimmer als die Ungewißheit, was die Antikerin betraf, war die Ungewißheit, was aus Jordan geworden war. Alles, was er wußte war, daß das Kleine plötzlich spurlos verschwunden war und die Polizei daraufhin wirklich diesen ganzen Gebäudekomplex umdrehte - zumindest ein Trost! John hoffte, daß das Kind auf ihn gehört und die Nemesis kontaktiert hatte. Wahrscheinlich hatte Makepiece die Lage falsch eingeschätzt und Jordan auf das Schiff gebeamt. Er hoffte es, denn die andere Möglichkeit, daß Jordan nämlich von selbst gegangen war aus welchem Grund auch immer, war so ziemlich das schlimmste, was er sich vorstellen konnte.
Caine trat an das Fenster und sah zwischen den Lamellen hinaus. Viel würde er zwar nicht sehen können, da es sich um eine Art Milchglas handelte, aber offensichtlich war das für ihn eine natürliche Handlung.
„Du hast Julie erschossen. Warum? Ich dachte, du seist so besorgt um sie. Immerhin bist du doch hergekommen und wolltest sie als vermißt melden. Ist sie etwa dahinter gekommen, daß es da noch einige mehr gab? Blond, groß, schlank. So wie Julie ausgesehen hat ..." Caines Stimme verklang.
John lehnte sich seufzend zurück. „Ich kenne keine Julie und mein Name ist nicht Mike. Ich bin John Sheppard, Air Force Colonel, und bin hergekommen, um meine Lebensgefährtin Lt. Colonel Vashtu Uruhk als vermißt zu melden. Wenn Sie meine Fingerabdrücke endlich vergleichen, wird sich das sicher aufklären."
Das war etwas, was er gestern durch Zufall gehört hatte: AFIS war ausgefallen, die weltumspannende Datenbank für Fingerabdrücke. Da er zur Armee gehörte, waren seine Abdrücke dort ebenso gespeichert wie die des straffällig geworden Mike Sheridan, mit dem Caine ihn verwechselte. Die einzige andere Möglichkeit war, daß man seine DNS mit der des Gesuchten verglich, auch da würde sich sicherlich der Unterschied deutlich zeigen. Allerdings dauerte das Analyseverfahren länger, zumal man ihm hier eine frische Speichelprobe abgenommen hatte.
„Vashtu Uruhk ... ist das die, deren verunreinigtes Blut wir am Strand gefunden haben beim Fundort von Julie? Hast du dir sie jetzt gegriffen? Paßt aber nicht so ganz, oder? Schwarzhaarig, klein, eher knabenhaft. Du magst es doch, ein bißchen mehr in der Hand zu haben, Mike."
John wollte zu einer neuen Entgegnung ansetzen, als sich unvermittelt die Tür öffnete und ein Mann mit kurzem, grauen Haar den Raum betrat. Gekleidet in die Uniform der Air Force, mit einem gewissen Schalk im Blick, auch wenn der jetzt ziemlich zurückgewichen war zu Gunsten befehlsgewohnter Strenge, die Mütze vorschriftsmäßig unter dem Arm geklemmt. Drei Sterne prankten auf den Schulterstücken.
John riß ungläubig die Augen auf. Er bewegte sich dermaßen reflexartig, als er aufsprang und Haltung annahm, daß der Stuhl umkippte. „Sir!" würgte er irgendwie heraus und grüßte, während sein Herz schneller schlug.
Die Kavallerie war da!
„Wer sind Sie und wie kommen Sie dazu, in meinen Vornehmungsraum einzudringen?" Caine war ebenfalls herumgefahren und musterte den Neuankömmling von Kopf bis Fuß.
„Rühren, Sheppard."
John wurde der Gruß abgenommen, worauf er sich seufzend über den Tisch beugte und einfach nur den Kopf hängenließ, auch um das breite Grinsen zu verbergen, das plötzlich sein Gesicht zierte. Er blinzelte sich selbst in der wie ein Spiegel wirkenden Oberfläche des Tisches zu.
„General Jack O'Neill, der direkte Vorgesetzte des Colonels", stellte sein Retter sich vor und trat näher. „Und ich möchte schwer hoffen, daß Sie eine Erklärung haben für diese Hexenjagd und der Tatsache, daß Sie das Kind des Colonels verloren haben, Lieutenant."
„Mikes Komplize. War ja klar, daß du das nicht allein ausgeheckt haben konntest." Caine trat einen Schritt vor. „Sie hätten das Weite suchen sollen, solange noch Zeit war ... General."
„O'Neill, soviel Zeit muß sein. Mit zwei L bitte." Der General zog einen Umschlag aus seiner Brusttasche und legte ihn auf den Tisch. „Und ich denke, wenn Sie mein Auftauchen nicht überzeugt, wird es sicherlich dieses Schreiben tun. Sie bekleckern sich gerade nicht mit Ruhm, Lieutenant Caine. Wir übernehmen ab jetzt. Sheppard ..." Er nickte John nur stumm zu und zwinkerte kurz.
Jordan hatte also wirklich die Nemesis kontaktiert und war von Makepiece in Sicherheit gebracht worden, ehe der dann endlich die richtigen Hebel zog.
Vashtu war wichtig für die Erde, das wußte auch John, während er jetzt so schnell wie möglich hinter O'Neill Deckung suchte. Ihre ganze kleine Familie war für die Erde wichtig, aber Vashtu im besonderen, weil sie die einzige Antikerin war, die nicht ihren Körper aufgegeben hatte. Jordan trug viel vom Erbe ihrer Mutter in sich, doch das Kind war keine Antikerin mehr, dadurch daß er, als stärkster Genträger der Erde, der Vater war. Tauchte irgendeine Bedrohung auf, waren sie drei die Geheimwaffe, auf die die Erde vertrauen mußte, der Grund, aus dem Vashtu damals hatte gehen müssen nach ihrem Auftauchen aus den Eingeweiden von Atlantis.
Ein weiterer Uniformierter stand im Türrahmen, nickte John grüßend zu. Er mußte einen Moment lang nachdenken, ehe ihm einfiel, wer da seinen Rücken deckte: Major Jeffrey Storm, seineszeichens schon seit Landrys Tagen für die Sicherheit des Stargate-Programms auf der Erde zuständig. Einer der härtesten und verbissensten Ermittler, die das SGC überhaupt besaß. Setzte man Storm an einen Fall, würde er solange nachforschen, bis er ein Ergebnis vorzuweisen hatte.
John erleichterte immer mehr. Endlich würde etwas geschehen. Endlich konnte die Suche nach Vashtu beginnen. Es blieb nur zu hoffen, daß es nicht schon zu spät war.
Caine hatte währenddessen nach dem Umschlag gegriffen, starrte das Siegel darauf mit leerem Gesicht an. John konnte sich denken, was darauf zu sehen war. O'Neill machte keine halben Sachen, wenn er hinzugezogen wurde. Als Leiter der Homeworld Security blieb ihm auch nichts anderes übrig. Er mußte seine Schäfchen zusammenhalten und dafür sorgen, daß die Erde nicht bedroht wurde. Mit zwei weit entfernten Außenbasen kein leichtes Unterfangen, nahm man dann auch noch solche Schwachpunkte wie die Transferstation oder möglicherweise sogar die Werft hinzu, nahezu unmöglich. Dennoch tat O'Neill, was er konnte.
„Sie wollen mir jetzt wirklich erzählen, daß das hier", Caine wedelte mit dem Umschlag, „tatsächlich vom Präsidenten kommt, ja?"
„Sie können glauben, was Sie wollen. Colonel Sheppard wird mich jetzt begleiten. Und Sie sollten uns besser nicht in die Quere kommen, weder Sie noch Ihre Leute, Caine. Wir schießen scharf." O'Neill nickte Storm zu und zu dritt verließen sie den Verhörraum, dann das Polizeirevier.
„Sie machen ja Sachen, Sheppard", bemerkte der General, nachdem sie draußen standen, und aktivierte einen kleinen Kommunikator. „Kann man Sie jetzt nicht einmal mehr zum Urlaub machen auf die Erde lassen?"
Im nächsten Moment wurden sie alle drei von weißem Licht eingehüllt und waren verschwunden.

Horacio starrte dem Trio mit ausdruckslosem Gesicht nach, doch in ihm gärte es. Den einzigen Ausfall, den er sich erlaubte, war das hilflose Ballen beider Hände.
Sheridan hatte also Komplizen ... hätte er sich ja eigentlich denken können. Allein war dieser Kerl doch zu blöd, um auch nur einen Blumentopf vom Fensterbrett zu stoßen. Nur allein seine ständigen Ausflüchte, daß das ganze nur eine Verwechslung sei.
Horacio war stolz darauf, daß er sich jedes Gesicht merkte, das ihm je begegnet war. Und jemand wie Mike Sheridan brannte sich geradezu in seine Hirnwindungen hinein, vor allem, nachdem der sich so strikt geweigert hatte, Miami Dade zu verlassen.
Erics Kopf tauchte im leeren Türrahmen auf, dann erschien der Tatortermittler ganz, einen Ordner unter dem Arm. „Die DNA-Analyse ist da."
Horacio zögerte einen Moment, dann zog er aus seiner Brusttasche die Sonnenbrille und setzte sie mit viel Bedacht auf. „Und was erzählt sie uns, was wir nicht schon wußten?" fragte er, scheinbar gelangweilt.
„Daß dieser Typ die Wahrheit gesagt hat. Seine DNA ist im Speicher. Im Speicher für militärische Geheimnisträger. Er ist dort sogar im höchsten Amt und Ehren. Und er heißt tatsächlich John Sheppard. Ob er ein Frauenmörder ist, steht allerdings nicht drin."
„Dann werden wir das wohl herausfinden müssen." Horacio schob den Brief mit der Unterschrift des Präsidenten zur Seite und blätterte statt dessen durch den Ordner, den Eric ihm zugeschoben hatte. „Ein bißchen auffällig: Die Lebensgefährtin klein, schwarzhaarig und knabenhaft. Die Toten recht groß, drall und blond."
Eric kreuzte die Arme vor der Brust. „Horacio, ich glaube, dieses Mal verrennst du dich. Dein Blick ist nicht klar, weil du dich immer noch über Sheridan ärgerst. Laß diesen Sheppard in Ruhe. Sich mit dem anzulegen bedeutet richtig mächtigen Ärger."
„Wenn er tatsächlich der Mörder ist, dann wird auch der Präsident ihn nicht mehr retten können. Wir machen weiter. Wie weit ist Calleigh?"
Eric sah ihn skeptisch an, zuckte dann aber schließlich resignierend mit den Schultern. „Die Auswertung der verunreinigten Blutspur liegt anbei. Calleigh versucht herauszufinden, wie es zu dieser Kuriosität gekommen sein mag."
Caine blätterte weiter bis zur vorletzten Seite, auf der ein vereinfachtes Schema des Blutfleckes zu sehen war. Überrascht riß er die Augen auf und war augenblicklich froh, seine Sonnenbrille zu tragen.
Das Bild zeigte eine Tripel-Helix, einen Dreifachstrang ... nur gab es auf der Erde nichts, das eine solche Genstruktur aufwies ...

Als John endlich den Besprechungsraum der Nemesis betrat, war es Abend geworden in Miami. Eigentlich hatte er nicht schlafen wollen und sich gesträubt. Seiner Meinung nach hatten sie bereits genug Zeit verloren, während er von der Polizei als Tatverdächtiger festgehalten wurde. Aber O'Neill und auch der Schiffsarzt hatten ein Machtwort gesprochen. Immerhin hatte er seit zwei Nächten kein Auge mehr zugetan. Er mußte sich ausruhen, ehe er mit den anderen zusammen auf die Jagd gehen konnte.
Jordan hatte ihn erwartet, als er auf die Brücke der Nemesis gebeamt worden war. Das Kind hatte sich an ihn geklammert wie ein Ertrinkender, sich dann im Ruheraum auf der Pritsche so eng wie möglich an ihn gekuschelt. Diese ganze Sache mußte dem Kleinen einen so gehörigen Schrecken eingejagt haben, daß es für die nächste Zeit hoffentlich keinen Unsinn mehr anstellen würde.
Makepiece hatte schließlich mit seiner Frau gesprochen und so war Jordan zunächst einmal nach Wisconsin geschickt worden, wo die Familie des Schiffskommandanten sich um das Kleine kümmern würde. Für wie lange, das allerdings stand in den Sternen. John jedenfalls war es nicht entgangen, daß Jordans Verbindung zu Vashtu um einiges enger war als die seine. Möglich, daß sie doch noch auf das Kind zugreifen mußten, fiel ihnen nichts anderes ein. Aber er würde sich solange wie möglich dagegen stemmen. Er wußte, Vashtu würde es nicht gefallen, wenn man ihr Kind für solche Zwecke gebrauchte.
O'Neill und Makepiece saßen bereits zusammen am Tisch und unterhielten sich, als John nun also so ausgeruht es mit Schlafmitteln möglich war die Kabine betrat und sich ebenfalls niederließ. Kurz nach ihm kam auch Storm herein, der einen ziemlichen Aktenstapel mit sich schleppte. Schließlich aktivierte sich auch noch einer der Bildschirme an der Schmalseite der Kabine und er konnte auf das bekannte Gesicht von Colonel Ellis blicken.
John hatte schon einige Vermißtenfälle, natürlich vor allem in der Pegasus-Galaxie, bearbeitet, wenn auch leider nicht immer gelöst. Aber ein solches Aufgebot ...
„Wie weit sind wir?" eröffnete O'Neill endlich die Runde.
Storm schob jedem der Anwesenden eine der Akten zu. „Möglicherweise ein kleines bißchen weiter als die Polizei, wenn auch nicht sehr viel", gestand der Militärpolizist zu wissen. „Wir haben Einblick in die Akten über den Beach Killer genommen. Ich schätze, wenn überhaupt, wird die Polizei nicht recht glücklich werden mit der Aussicht, daß Colonel Uruhk dem möglicherweise in die Hände gefallen ist. Sie entspricht nicht dem bisherigen Schema."
Beach Killer?
Johns Augen weiteten sich kurz, als er sich endlich erinnerte, warum sämtliche Warnsignale in seinem Inneren plötzlich aufgeleuchtet hatten. „Sie meinen, Vashtu ist einem Serienmörder zum Opfer gefallen?" fragte er atemlos.
Storm zog eine Grimasse, nickte aber. „Ich schätze schon, wenn auch nicht absichtlich." Er blickte hoch, während John das Blut aus dem Gesicht wich. „Am Fundort aller bisherigen Leichen wurden Blut- wie auch Schleifspuren gefunden. Und das Blut stammt ganz eindeutig von Colonel Uruhk. Wie ich das sehe, ist sie auf irgendetwas aufmerksam geworden. Vielleicht Licht, immerhin sagten Sie ja, daß es schon dunkel gewesen sei, als sie zum Joggen gegangen ist. Jedenfalls hat der Kerl sie überrumpelt. Ich schätze, er hat sie niedergeschlagen, denn im Moment kann ich mir die Blutspuren nicht anders erklären. Colonel Uruhk war noch nie jemand, der schnell aufgegeben hat und sich ohne weiteres gefangennehmen ließ. Das weiß ich noch aus der Zeit, als der Trust hinter ihr her war."
„Das ist schon richtig. Aber sie hat einen Teil ihrer Superkräfte verloren, das sollten wir nicht vergessen", warnte John. „Sie ist längst nicht mehr so stark wie früher. Das war der Preis, den sie für Jordan zahlen mußte."
„Ihre Heilkräfte sind aber noch auf dem gleichen Stand wie ehedem, zumindest, solange sie genug Nahrung erhält. Und sie hatte ja wohl gut gegessen in der letzten Zeit."
„Einigen wir uns darauf, daß der Killer den Colonel wahrscheinlich irgendwie außer Gefecht gesetzt und mitgenommen hat", mischte O'Neill sich in den beginnenden Streit. „Die Frage ist wohin? Da Vashtu ihren Chip noch nicht hat austauschen lassen können wir sie nicht orten. Wir brauchen also irgendeinen anderen Anhaltspunkt."
Storm lehnte sich zurück, den Mund unwillig zusammengekniffen. „Ich weiß es nicht", gab er schließlich zu. „Die Reifenspuren, die wir - und sehr wahrscheinlich auch die Polizei - gefunden haben, weisen auf ein geländegängiges Fahrzeug hin, aber einen Wagen dieser Sorte besitzt hier wenigstens jeder dritte. Das einzige, was vielleicht hilft, ist ein winziges Fragment, das wir an der Stelle gefunden haben, an der der Wagen auf die asphaltierte Straße zurückkehrte: winzige Pflanzenspuren, wie sie in Miami nicht vorkommen."
John blätterte durch die Akte, bis er die Stelle gefunden hatte, von der Storm sprach.
Hatte die Polizei das übersehen oder ihnen vielleicht sogar einen falschen Hinweis hinterlassen? Nach seinen Erfahrungen mit Spurensichereren waren die mehr als gründlich.
„Analyse?" fragte Makepiece einsilbig.
„Bisher arbeitet man noch daran im Labor. Nichts außergewöhnliches für die Gegend im allgemeinen. Nur kommt das Zeug eben nicht am Strand vor."
„Was hat Vashtu überhaupt dazu getrieben, mitten in der Nacht joggen zu gehen?" wandte O'Neill sich plötzlich an John.
Der zuckte zusammen, kniff dann die Lippen aufeinander. „Sie hatte sich aufgeregt und wollte sich ein bißchen abreagieren", antwortete er ausweichend.
„Jordan sagte, sie hätte geweint, als sie zurückgekommen sei zum Ferienhaus", wandte Makepiece ein.
John zögerte, nickte dann aber. Es hatte keinen Sinn, das ganze abzuleugnen. „Vashtu hatte einen Streit", antwortete er. „Streit mit meinem Bruder."
Storm richtete sich unvermittelt kerzengerade auf. „Ihrem Bruder?"
O'Neill grinste, wurde dann aber wieder ernst. „Trauen Sie ihm soetwas zu? Immerhin ist die Firma ihrer Familie dafür bekannt, daß sie nicht gerade Samthandschuhe anzieht ..."
„Das würde Dave nicht tun, nein", antwortete John sofort nachdrücklich. „Er ist ein knallharter Geschäftsmann und hat wohl auch Gefallen daran gefunden, Unfrieden zwischen Vashtu und mir zu säen. Aber er würde sie nicht entführen lassen. Warum denn überhaupt? Er will, daß sie für ihn arbeitet und eine der Firmen leitet, die er aufgekauft hat. Er würde sich ins eigene Fleisch schneiden, würde er soetwas wagen."
„Er könnte allerdings auch dahinter gekommen sein, daß Colonel Uruhk nicht unbedingt das ist, was unsereins als handelsüblichen Menschen betrachtet", warf Storm ein.
John schüttelte wieder den Kopf. „Er hat immer noch ein Gewissen. Außerdem habe ich mit ihm gesprochen, in der gleichen Nacht noch ..." Wieder zögerte er, als ihm aufging, WAS Vashtu getan hatte, nachdem Dave sie provozierte. Aber er konnte sich nicht vorstellen, daß sein Bruder soetwas tun würde. Dave sehnte sich ebenso wie er nach einer intakten Familie. Wenn er jetzt einen Keil zwischen ihn und Vashtu treiben wollte, war das seine Art, mit der Eifersucht auf den eigenständigen Bruder umzugehen.
„Sie waren noch nicht ganz fertig?" bemerkte O'Neill lauernd.
John malte mit einem Finger ein Muster auf die Seite der Akte, die er gerade aufgeschlagen hatte. „Dave hatte Vashtu solange provoziert, bis sie ... er meinte, ihre Augen hätten sich plötzlich verändert."
O'Neill seufzte. „Der altbekannte Augentrick ... irgendwann mußte er ja mal nach hinten losgehen", bemerkte er kopfschüttelnd.
„Und das ist für Sie kein Grund, Ihren Bruder in die engere Wahl zu nehmen?" staunte Storm.
„Dave ist kein Killer!" John blitzte den MP wütend an. „Man kann meinem Bruder eine Menge nachsagen, aber an irgendeinem Punkt setzt sein Gewissen ein. Und, wie gesagt, hat er Pläne mit Vashtu. Er ist nicht so starrköpfig, daß er sie entführt oder entführen läßt."
„Also schön, setzen wir Dave Sheppard erst einmal nach unten auf unsere Liste", seufzte O'Neill. „Aber streichen können wir ihn vorerst nicht, tut mir leid."
John verzog den Mund, nickte aber und konzentrierte sich auf die Akte, besser auf die Seite, die er aufgeschlagen hatte.
„Jordan meinte, Vashtu habe Schmerzen gehabt", murmelte er nach einer kleinen Weile, während seine Augen ziellos den Absätzen folgten, ohne daß sein Hirn auch nur eine der Informationen speichern konnte.
„Und Sie? Haben Sie das auch gespürt?" erkundigte O'Neill sich.
„Ich habe geschlafen." John blickte auf und fühlte wieder diesen tiefen Schmerz in sich, wie in der Nacht als Jordan ihm geweckt hatte. „Ich weiß, daß sie noch lebt. Aber das ist auch alles." Er zögerte und runzelte die Stirn. „Allerdings weiß ich, daß Vashtu mich auch blocken kann. Sie hat das schon öfter getan, vornehmlich, wenn sie in Schwierigkeiten steckte ..."
„Die Sache mit dem Devi?" O'Neills Stimme klang mitleidig.
John nickte.
Das würde er nicht vergessen, niemals! Er hatte zusammen mit seinem und Vashtus Team verzweifelt gesucht, sicher, daß ihr etwas zugestoßen war. Damals hatte er auch nicht mehr gefühlt als jetzt. Er hatte gewußt, daß sie am Leben war, aber das war auch alles. Selbst Jordan, ging ihm auf, hatte nicht mehr wahrnehmen können. Erst als sie die Antikerin gefunden hatten, noch in den Armen des Devi, der wer-wußte-schon-was mit ihr getan hatte, war ihm klar geworden, wie knapp das ganze wirklich gewesen war. „Hank", so hatte Vashtu den Devi später getauft, hatte sie gerettet mit einer besonderen Kraft, die der Hybridrasse eigen war. Seitdem waren auch die beiden auf irgendeine eigenartige Art und Weise verbunden miteinander und ihnen war sogar gelungen, was niemand für möglich gehalten hatte: Einen Waffenstillstand zwischen Menschen und Devi auf der Vineta-Seite des Medusenhauptes auszuhandeln.
„Nur haben wir definitiv kein Sicherheitsleck in der Milchstraße", warf Storm ein. „Kein Devi mehr hier."
John zwang sich, sich zu konzentrieren. Stirnrunzelnd blätterte er durch die Akte, bis er fand, was er suchte: Die vorläufige Analyse des organischen Materials, das Storms Leute gefunden hatten.
„Kieselalgen?" Er stutzte und blickte auf.
„John?" Makepiece beugte sich vor. „Stimmt etwas nicht?"
„Ihr habt Kieselalgen gefunden?" wiederholte John, ohne auf die Frage des Schiffskommandanten einzugehen.
Storm nickte. „Ich sagte doch, wir hätten Spuren gefunden, die nicht zum Strand passen."
„Stimmt etwas damit nicht?" fragte O'Neill.
John strengte sich an.
Da war etwas. Vashtu hatte es ihm einmal erzählt. Es hing mit den Kieselalgen zusammen, und mit ihrer Arbeit.
Nein, ging ihm auf, die Antikerin hatte nicht direkt von Kieselalgen gesprochen, aber von einem Ort, an dem sie vorkommen konnten.
„Die Everglades!" Mit großen Augen starrte er Storm an.
„Hä?" machte der verständnislos.
O'Neill beugte sich vor. „Was ist damit?" fragte er.
Endlich begann das ganze zumindest ansatzweise einen Sinn zu ergeben.
John klopfte mit einem Finger auf die Algenanalyse. „Dave hat eine Firma gekauft, deren Leitung er Vashtu zugedacht hat. Die bisherigen Eigentümer betreiben neben einem Labor in Miami eine Klinik ... und zwar draußen in den Everglades! Und in den Everglades gibt es Kieselalgen, zumindest im Süßwassergebiet der Sümpfe."
Storm starrte ihn immer noch verblüfft an, wußte offensichtlich kein Wort darauf zu wechseln.
„Das dürfte ja relativ einfach werden", bemerkte O'Neill. „Dennoch bleibt die Frage, warum sollten offenbar angesehene Genetiker plötzlich zu Serienkillern werden? Das ergibt doch keinen Sinn!"
„Über Jack the Ripper kursiert auch immer noch das Gerücht, es sei ein Mitglied der königlichen Familie gewesen", entgegnete John trocken, klopfte wieder mit dem Finger auf die Analyse. „Kieselalgen, das hat Vashtu mir einmal erklärt, haben ganz spezifische Eigenschaften, je nachdem, wo sie vorkommen. Daher kann man sie sehr gut identifizieren. Wir müssen also nur noch herausfinden, welches Gewässer innerhalb der Everglades diese speziellen Algen enthält, das ganze mit möglichen Kliniken abgleichen und wir haben die Verdächtigen."
Plötzlich fühlte er eine gewisse Hochstimmung in sich. Vielleicht hatte er ja wirklich den Fall gelöst. Er hoffte es zumindest.
Makepieces Funkgerät meldete sich, woraufhin der sich abwandte, um das Gespräch in Ruhe zu führen.
„Hört sich bis hierher stimmig an", bemerkte Ellis am Bildschirm.
O'Neill hatte die Lippen geschürzt und dachte offensichtlich nach.
„Wenn Colonel Uruhk tatsächlich in dieser Klinik ist, wo auch immer die sein mag, wie holen wir sie da heraus, ohne Aufsehen zu erregen?" bemerkte Storm. „Privatkliniken haben meist das eine oder andere Problem: Sie sind zu gut ausgestattet, sicherheitstechnisch gesehen."
„Wir sollten erst einmal nachprüfen, ob das wirklich eine Möglichkeit ist, der wir nachgehen sollten", mahnte O'Neill an. „Wie lange dauerte es bis jetzt immer mit dem Auffinden der Leichen?"
„Etwa eine Woche, zwischen fünf und sieben Tagen", antwortete Storm sofort. „Nur die letzte, eine gewisse Julie Bryant, war wohl erst seit drei Tagen verschwunden, zumindest wurde eine vorläufige Anzeige drei Tage vor dem Auffinden ihrer Leiche gestellt."
„Wir haben ein Problem mit den Asgard-Transportern", meldete Makepiece in diesem Moment und wandte sich an Ellis: „Colonel, Sie sollten Ihre auch kontrollieren. Wie es aussieht, sind das die ersten Ausläufer eines großen Sonnensturmes. Und das bedeutet, wollen Sie wieder auf die Erde zurück, müssen Sie das mit 302ern tun, Sir. Die Transporter sind bis auf weiteres außer Betrieb gesetzt."
John betete im Stillen, daß sie noch rechtzeitig kommen würden, um Vashtu zu retten. Er war sich sicher, sie würden sie dort finden, in dieser namenlosen Privatklinik, die von Genelab betrieben wurde ...
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