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Liberi Egeriae (2) von Greyfin

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Kapitel Bemerkung: Spoiler: "Stargate: Der Film" "Shan'aucs Opfer" "Kein Ende in Sicht"
Anmerkung: Mytholog. Hintergründe (nur als Sahnehäubchen, zum Grundverständnis NICHT nötig): Morrigán gehörte zu dem Systemlordkaffeekränzchen in "Elliot's große Mission". Dachte wo wir einmal in Irland sind ... dort wird sie als Kriegsfurie und Todesbotin verehrt. Anises "Coveridentität" ‚Alecto' übersetzt sich mit "unablässig in ihrem Zorn" und ist in der griech. Myth. eine der ‚Erinyen' (drei niedere Gottheiten, Rächerinnen der göttl. Ordnung, identisch mit den ‚Furien' der röm. Sagenwelt). Die 'Camenae' sind eine lose Gruppe weissagender, in den Künsten bewanderter röm. Quellnymphen, gemeinhin mit den griech. 'Musen' gleichgesetzt. Die bekannteste von ihnen: 'Egeria'. Hiermit *knuddle* ich meine Beta-Leserin FERMINA zu Tode, die sich ganz allein durch diese Bleiwüste gewagt hat!

Inhalt: Jack versauert im Kerker, knüpft neue Freund-/Feindschaften. Daniel ist von Anise gefesselt, Bahar immernoch an seinen ‚Mitbewohner'. Und Sam ist ein Workaholic (also im Westen nichts Neues...).

IV. Tempus auscultandi

Um 300 v. Chr., Toraigh Island, vor der irischen Küste

Die Insel war klein und abgeschieden, aber nicht all zu weit einem größeren Festland vorgelagert. Sie bestand fast gänzlich aus Fels. In der Breite konnte man an einem Strand fast der Brandung des gegenüberliegenden lauschen.
Jeder Baum, der es geschafft hatte, sich dem salzigen Wind gegenüber zu behaupten, endete als Feuer- oder Bauholz für die sporadischen Besucher des Eilandes, die zwar im flachen Naturhafen am westlichen Ufer anlandeten, das Ziel ihrer Anreise aber gen Osten vor Augen hatten:

Dort verjüngte sich der Streifen Land nochmals und erhob sich zu einer mächtigen Steilküste mit vorstehenden Basaltfelsen. Auf der Anhöhe vor den Klippen war vor Urzeiten eine kleine, aber wehrhafte Befestigung mit mehreren Verteidigungswällen aufgetürmt worden. Die Anlagen waren marode, verrichteten aber aus reinem Trotz weiter ihren Konstruktionszweck, nämlich den, das Fort nach Süden hin uneinnehmbar abzuriegeln. Von allen anderen Seiten vom Meer umgeben, lief dich die Landzunge gen Norden auf einem großen, flachen Felsen aus.

Dort war, noch in Rufweite zur Festung, aber schon beunruhigend nah am Landfall, ein großer Metallring aufgestellt worden. Unweit des Sternentores befand sich eine Klamm, ein enger, abschüssiger Geländeeinschnitt, der die nördliche Landzunge teilte und auf die Steilküste zum Meer hinzielte. Nur ein schmaler, natürlicher Felsdamm trennte die Schlucht noch von Wasser.

Vielleicht sahen die einstigen Inselbewohner deshalb einen heiligen Ort darin.
In die verwinkelten Seiten der engen Kluft waren einige tiefe Höhlen gehauen worden, in denen die Gebeine von Herrschern zu letzten Ruhe gebettet wurden. Der derzeitige Besetzer der Insel hatte die meisten der verschlossenen Grüfte aufbrechen und sämtlichen Inhalt ins Meer werfen lassen. Die Höhlräume sollten wichtigerem zugeführt werden:
Vom Rest des Forts durch steinerne Bastionen abgetrennt, gab es keinen weiteren Zugang als das Tor in jenen Mauern, was die Klamm zu einem natürlichen Gefängnis machte. Provisorisch mit Gittern ausgestattet, würden sie zumindest eine Weile den Sinn eines Kerkers erfüllen können.

Jack O'Neill konnte sich der bestechenden Logik dieser Idee nur anschließen.

Denn er saß zusammen mit einer Gruppe von Leidensgenossen in einer von eben jenen Kammern. Als ob es nicht genügt hätte, sofort nach der Ankunft von zweibeinigen Blechvögeln in einer archaischen Sprache bedroht zu werden, hatte Anise seine Desorientierung ausgenutzt, um ihn erneut zu Boden zu drücken und mit einem gezielten Handkantenschlag außer Gefecht zu setzen. ‚Jaffa Kree!' und irgendein Losungswort war das letzte, was Jack von ihrer dunklen Stimme gehört hatte, bevor es schwarz um ihn wurde.

Als er aufwachte, fand er sich in einer der vielen Zellen wieder.
Allein mit einer Handvoll verdreckter Gestalten, die ihn bereits um sein Schuhwerk erleichtert hatten und bewacht von einer Horde Jaffa. Zusätzlich zeigte auch deren Oberaufseher Präsenz - ein habichtäugiger Goa'uld, der eine Seite fast unmerklich nachzog, weshalb ihn Jack prompt ‚Hinkebein' getauft hatte.

Und als Krönung des Ganzen:
Von Daniel Jackson fand sich keine Spur.

Foltermeister Hinkebein war nach kurzer Abwesenheit mit einem Neuzugang zurückgekehrt, den er in einer separaten Zelle untergebracht hatte. Als Jack dann auch noch erkannte, dass es sich bei der vermummten Gestalt um eine alte Frau handelte... Sie genoss eine generelle Sonderbehandlung, denn im Gegensatz zu den anderen Gefangenen wurde ihre Einzelzelle zusätzlich durch so etwas wie ein Kraftfeld gesichert und Hinkebein, den man schichtweise als ihren Wärter eingesetzt hatte, hielt immer ein besonders wachsames Auge auf sie.

Schon allein das regte Jacks Misstrauen. Er wurde neugierig und richtete sein Augenmerk auf das ungleiche Paar.
Sie hätten unterschiedlicher nicht sein können: Die grauhaarige Alte mit dem strohigen, nach hinten gebundenen Haar, deutlich untersetzt, mit ausgeprägten Falten um Augen und Mund ihres Vollmondgesichtes.
Dagegen Hinkebeins asketisches Äußeres, hochgewachsen mit kurzgeschorenem Schopf und hohen Wangen- knochen, die seinem großnasigen Gesicht noch mehr Strenge verliehen. Beide jedoch von kerzengerader Haltung. Die zwei hielten offensichtlich so etwas wie einen Plausch - vom feindseligen Unterton der Konversation mal abgesehen.

Selbst wenn Jack O'Neill des alten Goa'uld Dialektes mächtig gewesen wäre: Sie sprachen sehr leise, also machte der Abstand zwischen ihm und den beiden Figuren jeden Lauschversuch zunichte. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, die Szene zwischen der Omi und Hinkebein sehr genau zu beobachten...

"Wie heißt ihr?", fragte die Alte.
"Du bist feige, dich hinter der Stimme deines Gefäßes zu verstecken.", war die einzige Antwort, die sie erhielt.
"Es ist unerheblich, wer von uns beiden spricht, Ashrak. Wir unterscheiden uns nur wie die zwei Seiten einer Münze."
"Denk dir eine bessere Geschichte aus." schnaubte der dunkelhäutige Mann abfällig mit seiner unwirklichen Stimme.
Sie hielt seinem harten Blick stand. Und erwiderte ihn auf dieselbe Weise. Doch schnell trübten sich ihre Augen und ihr angespanntes Gesicht ließ Traurigkeit durchblicken:

"Wie lange fristet ihr schon so euer Dasein? Und wie haltet ihr dieses ewige Versteckspiel aus?"
Die Maske des Ashrak zeigte unmerkliche Risse, doch er fing sich schnell genug, um erhobenen Hauptes einen Schritt auf sie zuzutreten und sie von oben herablassend optisch zu sezieren - seine ultimative Einschüchterungs- methode. Allein seinem Gegenüber schien das niemand mitgeteilt zu haben:

"Wir erkannten es nach unserer Gefangennahme. Ihr wart die erste Nachtwache. Der abwesende Ausdruck auf eurem Gesicht und dann das verstohlene Lächeln, das ihr sofort wieder unterdrückt habt - aus Angst, jemand könnte Verdacht schöpfen? Wir sehen diesen Ausdruck so selten auf dem Gesicht eines unsrigen..."
Kaum mehr als ein Wimpernschlag dauerte die Pause, bis sich aus ihrem Körper eine sehr viel dunklere Stimme zu Wort meldete: "Schäme dich niemals für das, was du bist, mein Kind. Du hast eine Chance ergriffen, für die nur wenige den Mut aufbringen. Und wie ist dein Name, Mensch? Sein Leben mit dem einstigen Peiniger zu teilen, zeugt von großer Güte."

Das zeigte Wirkung.

"Woher?", stammelte der Wirt erschüttert, bevor dessen andere Seite seine Äußerung unterdrücken konnte.
"Mir wurde vergeben, wie du ihm vergeben hast." Ihre Augen leuchteten, ohne Aufzuglühen. "Wie heißt ihr, Kinder?"
"Mein Name ist Bahar. Seiner ... seiner..." Der Mensch formulierte den Satz nicht aus, gab sich schließlich seinem inneren Kontrahenten geschlagen und schloss den Mund.
Die Alte schmunzelte nur.

Selmaks Milde hatte nun ein Ende. Er beugte sich zu ihr herab und zischte:
"Die Ashrak suchen nach deiner Brut. Wir werden sie finden. Alle."
"Ich weiß. Aber weshalb? Die wenigsten meiner Kinder sind meinen Weg gegangen." Genaugenommen gab es noch kein einziges, das bereits mit einem Wirt zusammenlebte, wie sie.

Trotzdem setzte er ihr weiter zu: "Râ hält dich für eine Krankheit, deine Erbmasse vergiftet den Genpool unserer Art."
"Plärrt ihr jedes Wort aus dem Mund eures Herren nach? Denkt ihr genauso?"
"Nein.", schränkte der Ashrak ein. "Wir halten dich nur für eine Lügnerin."
"Sprich bitte nur für dich selbst." fügte Bahar unhörbar für Außenstehende hinzu.

Die Greisin blieb unbeeindruckt, fragte weiter nach: "Wie ist dein Name? Ich kenne die Namen aller meiner Kinder."
Der Symbiont antwortete selbstgerecht: "Selmak. Ich habe meinen Namen von Apophis."
Die Frau verstand. Und nickte.
"Ah, du bist also einer von denen, Selmak. Die meisten Ashrak sind es, nicht wahr? Auch ich habe früher solche wie dich erschaffen. Einige meiner Kinder jagen also sich selbst. Jagst du dich selbst?"

Selmak hatte genug davon, vorgeführt zu werden. Er machte auf dem Absatz kehrt und setzte an, zu gehen - nur um von der unwirklich dunklen Stimme der Alten für alle hörbar zugerufen zu bekommen:
"Vielleicht hat Râ Recht. Dass ich eine Laune der Natur bin und diesen Fehler an meine Nachkommen weitergebe. Du könntest der lebendige Beweis dafür sein!"
"Wohl kaum."
"Er ist unheimlich stur, nicht wahr, Bahar?", fügte sie flüsternd hinzu.
Bahar kicherte. Das kannst du laut sagen...

Der kleine Ausbruch, auch wenn er die fremdsprachigen Worte der alten Dame nicht verstanden, hatte Jacks Verdacht bestätigt. Aber seit wann wurden Menschen und Goa'uld zusammengesperrt? Diese Praktik war O'Neill neu.
Vor allem, da er die lieben Glühwürmchen eher als Traditionalisten eingeschätzt hätte, wenn es um Foltermethoden ging - Anlass genug, dem näher auf dem Grund zu gehen. Jack wandelte aber seine Taktik leicht ab: Anstatt die Alte gesittet anzusprechen, wie er es bei einem Menschen getan hätte, machte er sie mit einem Rütteln an den Gitterstäben auf sich aufmerksam und rief:

"Hey! Schlangenkopf!" Sein Ton war keinesfalls wohlwollend gewesen.
Die Frau sah hoch, schien ihn jedoch genauso wenig zu verstehen wie der Rest der illustren Runde.
"Du hast Hinkebein ganz schön angepisst - so ranzig wie er hier rausgestiefelt ist. Tok'ra?", fragte Jack, sich an einen letzten Strohhalm der Hoffnung klammernd. Die Frau runzelte die Stirn.
Damit blieb nur noch die negative Option: "Goa'uld."

Die Frau deutete ein Nicken an, sagte aber nichts. Sie schien allerdings erstaunt und neugierig, diese Eigen- bezeichnung ihrer Art aus dem Mund eines primitiven Menschen zu hören.
"Hör zu. Wie wär's, wenn wir den ganzen ‚Knie-nieder-vor-deinem-Gott-Komplex' überspringen und zur Abwechslung mal versuchen, auf Augenhöhe miteinander zu reden. Ich O'Neill, du ...?"

Auf ihren Namen angesprochen, reagierte sie perplex. Erst als er nochmals auf sich zeigte und seine Geste wiederholend an den Namen koppelte, schien sie zu verstehen. Doch auf eine Antwort wartete er vergebens.
Statt dessen:
"Dices lingua Latina?", fragte sie mit menschlicher Stimme.
Sie hatte wohl zur Kommunikation die Sprache ausgewählt, die der seinen am ähnlichsten Klang. Jack war bereits stolz darauf, die Frage als lateinisch identifiziert zu haben (katholische Sonntagsschule sei Dank) alles weitere ging über seinen Horizont. Daniel, immer wenn man dich mal braucht...

Das war jedoch nicht sein größtes Problem. Der Felsboden des Kerkers war ebenso nass wie kalt - erst Recht mit bloßen Füßen. Wenn er hier gesund rauskommen wollte, stand der Rückgewinn seines Schuhwerks jetzt an erster Stelle. Also wandte Jack sich zu seinen Mitgefangen um und fand die passenden Argumente...

V. Tempus monendi

Seine Füße hatten ihn unbewusst vom Kerker direkt hierher geführt. Er konnte es nicht einmal auf Bahar schieben. Selmak befand sich in einem kleineren Nebenzelt des Thronsaales. Das innere der behelfsmäßigen Unterbringung war jedoch wie das Allerheiligste eines Tempels angeputzt - Goldornamente, wohin man auch sah.

Er stand vor einem (fast) untransportablen Becken, das einige ihm unterstellte Jaffa mit ihrem Leben bewachten.
Das lebendige, leuchtende Wasser darin übte eine hypnotisierende Wirkung auf ihn aus. Er widerstand der Versuchung, seine Hände einzutauchen, Kontakt zu den unzähligen Seelen zu suchen, die darin ihr zwischenzeitliches Domizil gefunden hatten. Bald war es soweit. Râ würde in absehbarer Zeit eine ausreichende Anzahl würdiger Wirte für seine Kinder erwählt haben. Das war der einzige Grund, weshalb er diese entlegene Region Tau'res aufgesucht hatte. Für sie.
Ganz besondere Goa'uld.
Ganz anders als er.

Nicht einmal einen Namen.
Selmak. Benannt nach einem dummen Lakaien.
Keine Erinnerungen, keine Vergangenheit, keine Bindungen. Niemandem verpflichtet, außer seinem Lehnsherren.
Das hatte Apophis vollkommene Loyalität garantiert.

Sein Titel war sein Name, seine Aufgabe und seine Kaste.
Er war nicht weniger als Apophis' personifizierter Wille.

Allerdings auch nicht mehr.

Wäre er nicht von seinesgleichen fallen gelassen worden, nie hätte er diesen Status angezweifelt. Eine Prüfung, die er im Nachhinein als die glücklichste Wendung seines Lebens betrachtete - wenngleich er diese Empfindung stets vor seinem Wirt zu verstecken suchte. Der ist schon selbstgerecht genug...

Râ hatte den Flüchtling bereitwillig aufgenommen.
Seine umfangreiche Erfahrung mit Apophis - insbesondere Selmaks Wissen um etwaige Leichen in dessen Keller - hatten ihn schnell in die unmittelbare Umgebung des Sonnenauges aufsteigen lassen.

Doch auch Râ nannte seine Vergeltungsinstrumente nur beim Namen, wenn es darum ging, den einen vom anderen zu unterscheiden. Ansonsten waren und blieben sie kollektiv Ashrak.
Auch an seinem Lebensstil hatte sich wenig verändert.

Mein Titel ist mein Name, meine Aufgabe und meine Kaste.
Ich bin nicht weniger als Râs personifizierter Wille.

"Schwelgst du wieder in Erinnerungen, Selmak?"
"Ich frage mich nur zum tausendsten Mal, weshalb ich es mit dir aushalte."
"Weil du mich innig liebst, oh Ashrak?"
, witzelte Bahar.
"So weit würde ich nicht gehen.", antwortete sein Symbiont missmutig.

Es war inzwischen zu einem Ritual zwischen den beiden geworden: Sich gegenseitig aufzuziehen.
Es kam noch immer vor, dass sie einander bis aufs Blut reizten.
Die Verfügungsgewalt über Bahars Körper versetzte Selmak in die Lage, stets das letzte Wort zu haben. Diese Zerwürfnisse waren immer von längeren Perioden des Schweigens untereinander gekennzeichnet. In der Regel war es Bahar, der danach als erster das Eis brach, doch nun ergriff Selmak die Initiative:

"Du gehst ihr doch wohl nicht etwa auf den Leim."
"Was wäre denn so schlimm daran, ihr zu glauben, Selmak? Was, wenn sie tatsächlich die ist, von der du abstammst. Es würde Sinn machen..."
Es war ein Kampf gegen Windmühlen, sich mit seinem Goa'uld über etwas zu streiten, worüber dieser sich bereits eine feste Meinung gebildet hatte.

"Was du sagst, ist höchst unwahrscheinlich. Wie dir klar ist, habe ich Apophis' Kreisen angehört, bis die Ashrak dort mich verrieten. Nach allem was ich weiß, stand Egeria Zeit ihres Lebens nicht in dessen Diensten."
"Das wusste ich nicht."
, gab Bahar zu.
"Sie ist eine Königin, Bahar! Es ihre angeborene Art, andere um ihren Finger zu wickeln. Hier kann sie ihre Pheromone nicht einsetzen, wie sie es bei ihren Anhängern tut! Also versucht sie es mit Worten. Es ist nur eine Scharade. Begreif das endlich!" Bahar ließ sich immer so leicht blenden...

Der Wirt wurde nachdenklich:
"Du hältst das, was wir haben, auch für eine Scharade?"
"Wir sind Soldaten."
lehrmeisterte Selmak. "Das hier ist der Ort, wo wir am nützlichsten sind. Wir befinden uns im toten Winkel. Wir tun, was nötig ist, um die Zahl der Opfer zu begrenzen. Dachte, du würdest das am ehesten begreifen!"
"Du hast meine Frage nicht beantwortet."

Selmak kam auch nicht mehr dazu, da ihn hinterrücks ein starker Arm ergriff und um seine Achse drehte: Morrigán.
"Was willst du?" fragte er die muskulöse Furie.

Die Anwesenheit dieses Ashrak bedeutete in der Regel Ärger. Selbst Râ hielt es gern auf Abstand, griff nur für ausgewählte Aufträge auf dessen Dienste zurück. Auch dieses Mal ging es wieder um die alte Leier.

Es hielten sich hartnäckig Gerüchte über geplante Attentate von verschiedensten Seiten - allen voran von Egerias Sympathisanten, die neben Goa'uld zu einem beachtlichen Anteil aus Menschen bestanden. Allein das sprach für die Attraktivität ihrer Propaganda und die Verführungskraft ihres biochemischen Rauschgifts.
Doch zahlenmäßig stellten sie keine Gefahr dar. Zudem hatte man Egeria jetzt aufgegriffen - rechtzeitig, bevor sie Schaden anrichten konnte. Aber die Gefangene auf eine derart sensible Unternehmung mitzunehmen, hatte Selmak seinem Herren als schweren Fehler angelastet...

Gab es denn eine deutlichere Einladung für einen weiteren Anschlagsversuch?
Und wen hatte er wohl wieder als Verhörspezialist engagiert, um dem auf die Schliche zu kommen?

Morrigán gab nichts auf Smalltalk und plärrte ihn ohne Umschweife an:
"Wieso gibst du den Gefangenen Wasser! Du unterwanderst jede meiner Maßnahmen!"
"Weil ich sie für ungeeignet halte. Das dort unten sind keine Weichlinge, die du durch ein wenig Schlafentzug und körperliche Behandlungen klein kriegen wirst! Es sind kampferprobte Wilde. Sie werden nur noch störrischer!"
"Du verweichlichst, Bruder. Du bist oft abwesend. Du wirst Râ und seinen Hofschranzen immer ähnlicher!"

"Ich strebe nicht nach einem solchen Dasein. Doch was ist mit dir? Glaubst du, ich hätte nicht bemerkt, wie häufig du den Sarkophag benutzt? Seit wann machen wir Ashrak uns davon abhängig? Wir brauchen kein konstantes Äußeres, damit die hohlen Hirne der Sklaven ihren Gott erkennen, wenn er vor ihnen steht." Selmak glaube sich mit seiner Anklage auf der sicheren Seite. Doch:
"Ach? Du klebst an dieser Hülle, seit du bei uns bist. Das sind 80, 100 Jahre?"

"Dieser Körper ist sehr ... eingewohnt ... seit Jahrzehnten kooperiert er widerstandslos und ist dabei nicht einmal wahnsinnig geworden - du weißt ja, wie furchtbar das immer ist, wenn sie nach ein, zwei Dekaden irrsinnig werden und du nie deine Ruhe hast, andauernd ihre Destruktivität aus ihnen rausprügeln musst..."

Selmak konnte es sich nicht verkneifen, diese Äußerung mental auch an seinen Wirt zu adressieren, der auf den kleinen Affront mit gekränkter ‚Mimik' ansprang.
Morrigán dagegen glaubte weniger, dass Selmak von seinem eigenen Standpunkt überzeugt war.
Dazu klang es einfach zu einstudiert.

"Wir Ashrak sind die wahrhaft Mächtigen. Die Sklaven fürchten sich nicht vor der Rache des Râ, sondern vor deren Überbringern. Man erschaudert vor unseren Fähigkeiten." Morrigán gestikulierte auf die barocken Goldmassen um sich herum, bevor es weiter wetterte: "Wir brauchen uns nicht an diesen Tand zu fesseln, um wahrhaft groß zu sein."
Selmak lächelte. "Dann sind wir uns ja einig." Er wandte sich ab und beendete damit die Konversation.
"Das war knapp, Selmak. Das wird es inzwischen immer öfter... können nicht ewig so weiter machen...", mahnte Bahar.
"Dann hör auf zu altern!"

Morrigán gab sich vorerst zufrieden und verschwand so klammheimlich, wie es gekommen.
Auf dem Weg zum Thronsaal nickte es beiläufig einem anderen Ashrak zu, das gerade einen Gefangenen in Richtung des Gefängnistraktes dirigierte.
Morrigán erkannte es nicht am Wirt, vermutete also, dass es sich um Alecto handeln musste, das vor kurzem von einem arbeitsintensiveren Auftrag zurückgekehrt und die Gelegenheit wohl für einen Wirtswechsel genutzt hatte.
Ein kurvenreiches, blondes Weibchen mit Schmollmund? Entsprach jedenfalls Alectos oberflächlichem Geschmack...

Während man den bewusstlosen Jack in seiner Zelle belassen hatte, war Daniel von Anise abgeführt worden. Zum Verhör oder Schlimmeren - so dachte er zumindest anfangs. Doch er verlegte seinen Aufenthaltsort nur von einer Zelle in eine andere. Für eine zermürbende Zeit des Wartens. Und was dann folgte ... war sehr Dejá vu.

Er, Daniel Jackson, in dem hohen, lichtdurchfluteten Thronsaal. Halbtransparente Stoffbahnen vor den glaslosen Fensteröffnungen linderten das martialische Flair der Burgruine, dessen verfallenen Hauptraum man durch Zeltdach und prächtige Ausschmückungen wieder standesgemäß bewohnbar gemacht hatte. Zahlreiche Fackelbecken ergänzten die Beleuchtung und zeichneten die Umrisse der Anwesenden weich.

Er war von lauter edel gewandeten Gestalten umringt. Viele davon Kinder, die sich um den zentralen Punkt des Raumes scharten. Dort, in erhöhter Position, von den stilisierten Flügeln eines ehernen Baldachins beschattet, saß eine Gestalt.
Ein Jüngling von knabenhafter Statur und emotionaler Kälte, der sich von seiner unnahbaren Position erhob und um Daniel Jackson herumschritt. Der schließlich Daniels Kinn anhob, und seine Gesichtszüge eingehend studierte, sie aber wahrscheinlich als für seine Zwecke unzulänglich befand.
Der ihm schließlich in gewählter Ausdrucksweise, mit gedämpfter Stimme, einige wenige, sehr präzise Fragen stellte.

Fragen, die Daniel nicht beantwortete. Die er auch nicht zu beantworten wusste. Deren Sinn er nicht verstand, trotz seiner Kenntnis der altägyptischen Sprache. Fragen, auf die Râ auch keine Antwort erwartete, die nur dazu dienten, seine persönliche Eitelkeit zu befriedigen.
Was für Daniel wiederum nichts Neues war.

Dann überließ er den Menschen, nach dessen Namen und Herkunft er sich nicht die Mühe gemacht hatte zu fragen, wieder der Goa'uld, die ihn hereingeführt hatte und nun zu seiner Zelle eskortierte.

"Du bist schweigsam, Dr. Jackson.", stellte Anise fest, als eine vorbeigehende rothaarige Goa'uld außer Hörweite war. Der Hof vor der Anlage war menschenleer, die böige Brise erstickte das Echo jedes Schrittes.
"Was erwartet ihr von mir?" Seine Stimme war emotionslos. Er schien seine Situation fast gleichgültig hinzunehmen.
"Ich hatte mehr daran gedacht, was du von uns erwartest. Eine Erklärung? Das ist zumindest das, was wir glauben, dir schuldig zu sein."
"Die Tatsache, dass ich gerade mit jemand sehr totem gesprochen habe, lässt ja nur einen Schluss offen... Janus, der Gott der Tore, Wege und nicht zu vergessen der Anfänge. Jack hatte mal wieder Recht - auch wenn ich ihm nicht glauben wollte. Wenn ihr allerdings die Güte hättet, mir zu sagen, warum ihr uns mit hier hinein gezogen habt - das ist nämlich etwas, was mich tatsächlich brennend interessiert!" Inzwischen war seine Stimme nicht mehr neutral.

"Wie du bereits richtig erkannt hast, ist die Januspforte kein Transportmittel durch den Raum, sondern durch die Zeit. Das war die einzige Facette der Wahrheit, die wir abwandeln mussten. Alles andere, was wir euch sagten, ist wahr."
"Glaubst du nicht, dass ihr uns einiges vorenthalten habt? Wie weit sind wir überhaupt in der Vergangenheit?"

Doch Anise sprach unbeirrt weiter: "Nachdem ihr uns von der Zeitschleife berichtet hattet, suchten wir deren Ursprungsplaneten auf. Dort fanden wir Hinweise, die uns zu dem Gerät führten."
"Warum seid ihr damit zu uns gekommen, ihr brauchtet uns nicht, um die Pforte funktionstüchtig zu machen!"
"Das Portal erzeugt eine begrenzte zeitliche Verschiebung, keine räumliche. Egal welche Welt wir angewählt hätten, die Januspforte hätte das Chaapa'ai stets nur zum Eingang in seine eigene Vergangenheit umfunktioniert."

Daniel wiederholte - vielleicht ein wenig zu laut: "Warum dann ausgerechnet die Erde? Und welche Zeit?"

Anise reagierte prompt, indem sie Daniel mit all ihrer Kraft gegen die steinerne Wand des Ganges presste, ihren Unterarm an die Gurgel des Wissenschaftlers drückte:
"Ist dir der Ernst der Lage noch nicht aufgefallen, Dr. Jackson? Ihr seid für eure Situation selbst verantwortlich. Ihr solltet eigentlich gar nicht hier sein, dies hier geht euch nichts an."
"Nunja, jetzt irgendwie schon, nicht?", keuchte Daniel.

"Freya und ich sollten allein gehen, in die Rolle eines Ashrak schlüpfen, von dem wir recherchiert haben, dass es hier nicht anwesend sein wird. Nun müssen wir das Beste aus der Situation machen und euch aus der Schusslinie halten."
"Für was?", erwiderte Daniel mit dem letzten Rest seiner Stimme.
"Morgen ist ein großer Tag. Freya schlägt vor, sich solle mir weitere Erklärungen aufsparen, bis wir Colonel O'Neill erreicht haben. Auch er wird sicher äußerst erpicht auf eine Begründung sein." Damit lockerte sie ihren Schraubstockgriff um Daniels Hals, der zu Boden klatschte wie ein nasser Sack und panisch nach Luft rang.

Daniel japste nur: "Kann ich mir lebhaft vorstellen."

Die Tok'ra legte den Kopf zur Seite. Dann beugte sie sich ein Stück herab und bot Daniel eine Hand an. Im Interesse der Völkerverständigung und seines noch nicht wiederhergestellten Gleichgewichtssinns akzeptierte er das Friedensangebot. Den Rest des Weges zur Klamm legten sie schweigend zurück. Im Osten kündigte sich durch den dichten Bodennebel hindurch bereits der neue Tag an.

VI. Tempus icendi

Wow, hier ist ja jemand wirklich durstig... dachte Jack. Falls sie tatsächlich freiwillig aus der Hand eines Menschen getrunken hätte... Jack hatte versucht, dieser Goa'uld nachts, unbemerkt von den anderen Gefangenen, einen mit Wasser gefüllten Tonbecher durch die Gitter zu schieben. Es scheiterte leider am Kraftfeld um ihre Zelle.
Allein schon durch die Beleidigung Hinkebeins hätte sie sich den Drink in O'Neills Augen verdient gehabt. Obwohl sein egoistischer Antrieb vordergründig gewesen war: Vielleicht hätte sich die Alte durch eine Ausbruchsgelegenheit oder wenigstens ein paar nützliche Informationen revanchiert. Aber dazu hätte ohnehin erst Daniel wiederkommen müssen...
Zuviel ‚hätte' ... Mit Wunschdenken komm ich hier auf keinen grünen Zweig...

"Weißt du was, Schlangenkopf - du hast doch nichts dagegen, wenn ich dich Schlangenkopf nenne, oder? Nein? Also weißt du was..."
O'Neill hatte die ganze Nacht damit verbracht, sich mit der Goa'uld in einem sehr einseitigen Gespräch auseinander zu setzen. Auf der Tagesordnung standen weder Schlachtpläne, noch Weltfrieden. Er brachte alles an, von seinem ersten Haustier bis zu seinem Ärger über den Dienstplan von letzter Woche. Hauptsächlich, um seine eigene Stimme zu hören und ihn weiter von zermürbenden Grübelein abzuhalten - die Eintönigkeit der Kerkerhaft begann, ihm zuzusetzen.

Sein Gegenüber folgte der Intonation seiner Stimme, würdigte aber erwartungsgemäß keinen der Inhalte mit mehr als einer gerunzelten Stirn oder einem überheblichen (?) Lächeln.

Der Sonnenaufgang war bereits nah, als Jack schließlich am pelzigen Gefühl auf seiner Zunge festmachte, dass er sich frei genug geredet hatte. Er griff nach dem Wasserkrug, den ein Wärter vor einigen Tagen freundlicherweise in die Zelle gestellt haben musste, nur um die abgestandene Brühe nach dem Durchspülen seiner Mundhöhle in die nächste Ecke zu spucken. Sein Shirt klebte an ihm. Seine einzelnen Bartstoppeln wetteiferten um den schnellsten Wuchs.
Nach fast zwei Tagen in diesem Loch schrie einfach jede Faser in ihm nach sauberem Wasser und Seife...

Dass er wie der Rest der Gefangenen seine Notdurft in ein Tongefäß in der Ecke verrichten musste, war leidig, aber er war schon unter schlimmeren Bedingungen eingepfercht worden.
Doch seit man diese alte Goa'uld mit in den Kerker gesteckt hatte... selbst in der gemischten Gruppe von SG-1 ließ sich ein Mindestmaß von Privatsphäre arrangieren. Das SGC hat dich verweichlicht. Vor zehn Jahren in Nahost hättest du dich über solche Sperenzchen tot gelacht...

Nicht, dass sie ihn beobachtete oder ähnliches. Sie schien die meiste Zeit nichts und niemanden um sich herum Beachtung zu schenken. Sie saß immer regungslos an der gleichen Stelle, die Beine über Kreuz auf dem Boden - was für eine Frau ihres Alters und Körperumfangs eine sportliche Leistung darstellte! Ihr Gesicht war fast vollständig in ihren einst sandfarbenen Umhang gehüllt. Inzwischen fleckig und eher grau-braun, war das einzig markante Merkmal das gestickte, blaue Mäanderband am Außenrand.

Sie verhielt sich ruhig, hatte den Kopf eigentlich stets nach unten gebeugt.
Doch Jack war sich sicher, dass die Alte etwas im Schilde führte. Jede Schlange in gleicher Lage hätte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um der Gefangenschaft zu entfliehen- diese stellte sich so passiv, dass es schon auffällig war. Auch jetzt gerade starrte sie nur durch den unberührten Becher vor ihrer Zelle hindurch ins Leere.

"Willst du nicht wenigstens ‚Danke' sagen für meinen gut gemeinten Versuch?", meinte Jack ironisch und griente über seinen eignen Witz.

Die Goa'uld riss ihren Blick von O'Neills mildtätigem Geschenk los, sah ihn unvermittelt an und antwortete mit hoher Stimme: "Danke für deinen gut gemeinten Versuch." Jack fuhr zusammen:
"Du hast mich die ganze verdammte Zeit verstanden?"
"Wir haben nie behauptet, nicht deine Sprache zu sprechen."

"Und 'wir' verstecken uns immer noch gern hinter einer menschlichen Stimme.", stellte er grummelnd fest.
"Wir haben dich nur gefragt, ob du Latein sprichst, weil wir es gern noch einmal gehört hätten. Es klingt so distinguiert."
"Destinkuriert... Sehr witzig. Sag schon: Warum bist du hier?"
"Simpel: Weil man uns gefangengenommen hat." Sie lächelte müde.
"Ist das eine neue Foltermethode? Mit einem Scherzkeks zusammengesteckt zu werden?", fragte er.
"Ich kann dir versichern, uns ist nicht nach Scherzen zumute."

Diesmal war es eine blecherne, dunkle Stimme gewesen, die gesprochen hatte.
"Ahhh, endlich lassen wir die Maske fallen.", bemerkte Jack und grinste freudlos.
"Es liegt nicht in meiner Absicht, dich zu täuschen. Du hast bisher meiner Wirtin gesprochen. Ich bin Egeria Camena. Dein Gebrüll hat mich geweckt. Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du uns etwas leiser verspotten könntest..."
"Mhh ... Egeria ... der Name kommt mir bekannt vor. Sicher, dass du nicht doch eine von den guten Schlangen bist?"
Jack war sich gewiss, ihren Namen einmal im SGC gehört zu haben, konnte sich aber beim besten Willen nicht mehr erinnern, in welchem Zusammenhang.

Also hakte er diesbezüglich nach - die unangenehmen äußeren Bedingen belasteten jedoch seine Manieren. Also war es nicht verwunderlich, dass das Echo Egerias nicht einfühlsamer ausfiel, als O'Neills Frage:
"Nenn uns einen Grund, weshalb wir unsere Energie dafür verschwenden sollten, einem übellaunigen Schafskopf wie dir unsere Überzeugungen aufzudrängen."

"Weil es das ist, woran du glaubst."

Jack wandte sich abrupt um zur Quelle dieser Stimme. Er rührte sich nicht von der Stelle, auch als er erkannte, wer sich im Schatten des Kerkereingangs versteckte. Es war Anise, die am Portal stand und nun, nachdem sie die Jaffa von dort verscheucht hatte, auch Daniel etwas weniger schmerzhaft den Arm auf dem Rücken verdrehte.

"Miststück!" O'Neill kochte. Es fiel ihm sichtlich schwer, seine Wut zu kontrollieren, als er auf die Metallstreben zutrat - das einzige, was ihn davon abhielt, das blonde Gift zu strangulieren. Anise ging mit Daniel an Jacks Zelle heran, um möglichst ungestört sprechen zu können - und ignorierte die Person in der Nebenzelle viel zu offensichtlich.

Freya räusperte sich und flüsterte zu Jack: "Verzeih bitte die lange Abwesenheit. Wir waren auf der Suche nach etwas."
"Und? Hast du es gefunden, vielleicht können wir dir helfen?", fragte O'Neill ironisch, die Lautstärke seiner Stimme nicht beachtend. "Und versuch bloß nicht, uns weiß zu machen, wir sind durch eine Fehlfunktion hier gelandet!"

Daniel unterbrach seinen Freund: "Jack ... du wirst mir nicht glauben, bei wem ich gerade war..."
"Bei unserem Glück? Ich hab ne Vermutung..."
Dr. Jackson räusperte sich. "Ähm ... Es ist nicht so, wie du vielleicht denkst ... Sagen wir, ich hätte schon vorher gewusst, dass Janus auch der Gott der Anfänge und Neubeginne ist, wollte aber nicht so haarspalterisch sein, mich an dieser Kleinigkeit hochzuziehen, nachdem Anise sich so gut mit der Maschine auskannte und sie sich doch bisher unser Vertrauen verdient hat? Sagen wir, sie hätte uns trotzdem durch eine Zeitmaschine geschleppt?"

Daniel hielt inne. Er schien den ganzen Rückweg an seiner kleinen Rede gebastelt zu haben und wartete nun etwas reserviert auf Jacks Reaktion. Doch der blieb unbeeindruckt und antwortete mit einem eindeutig feindseligen Blick in Anises Richtung:
"Erzähl mir was, das ich noch nicht weiß."
"Du weißt es?" Daniel war höchst überrascht.
"Zumindest, wo wir sind.", bemerkte Jack und deutete mit dem Finger nach oben, in Richtung des provisorischen Vordaches der Klamm. Obgleich bereits von einem helleren Licht im Osten überstrahlt, stand am Himmel deutlich erkennbar ein Vollmond - der Vollmond der Erde, um genau zu sein.

Anise nutze den Moment der Stille, der dem erbosten Ausbruch ihrer unfreiwilligen Begleiter folgte, um den beiden nochmals ihr Lage zu verdeutlichen - natürlich in gebotenem Flüsterton. Sie vergaß auch nicht zu erwähnen, dass es sich für die beiden Menschen erübrigen würde, auf Hilfe von außen zu hoffen, da dies eine technische Unmöglichkeit sei. Nach dem (obligatorischen) Ausbruch O'Neills diesbezüglich schlossen Freya/Anise ihre Ausführungen:

"Wie wir bereits sagten, ist das Feld der Januspforte lokaler Natur. Sobald ein Zeitreisender den Einflussradius des Feldes verlässt, entkommt er der temporalen Verschiebung."

Daniel wollte endlich auf die Gründe für Anises Unternehmung eingehen, doch Jack trieb Pragmatischeres an:
"Wie groß ist dieser Radius?"
"Darüber sind wie uns nicht sicher. Die Einflusssphäre der Januspforte erstreckt sich jedoch mit Sicherheit über den gesamten Planeten, vielleicht weit über euer ganzes Sonnensystem hinaus."
Jack vereinfachte: "Dann benutzen wir einfach das Sternentor nach Kansas und die Sache ist gegessen!"
"Beispielsweise. Aber ihr dürft die Drift der Zielplaneten während der Zeitdifferenz nicht vergessen. Das könnte zu Komplikationen führen."
"Aber trotzdem müssten wir erst mal hier raus kommen?", deutete O'Neill zerknirscht an.

Anise schien ihn nicht zu beachten:
"Freya und ich mussten uns keinen Rückfragen bezüglich unserer Identität stellen, da nur ausgewählte Personen überhaupt den derzeitigen Aufenthaltsort Râs kennen. Wir haben euch ihm als Informationsquelle zur Auffindung eines seiner Gegner verkauft. Da diese sich aber bereits in seinen Händen befindet..." - Anise blinzelte flüchtig in die Nebenzelle - "seid ihr vollkommen wertlos für ihn."

"Fein. Wir sind so gut wie tot.", murmelte Daniel.
Jack dagegen presste mit Gewalt seine Kiefer zusammen, um die Worte bei sich zu behalten, die ihm gerade auf der Zunge lagen. Stattdessen knurrte er nur: "Falls meine letzte Bemerkung nicht eindeutig war: Hol-uns-hier-raus!"

"Râ schien mich übrigens ganz reizend zu finden...", warf Daniel ungefragt ein, erntete dafür aber nur einen verständnislosen Blick seines aufgebrachten Freundes. Anise versuchte, zu vermitteln:

"Es stimmt, dass Râ Dr. Jackson für seine Absichten zumindest in Betracht gezogen hatte. Aber dazu wird es nicht kommen." Mit diesen Worten öffnete sie Jacks Zelle und schubste Daniel hinein. Sie begründete:
"So absurd es klingen mag: Das dürfte euch vor ihm schützen. Die das betrifft, sind an andernorts untergebracht. Hier seid ihr nur zwei Gefangene unter vielen. Wie ich bemerkt habe, befindet ihr euch bereits in guten Händen. Sorgt euch nicht, bis morgen seid ihr frei."

Sie drehte sich um und verschwand ohne ein weiteres Wort - trotz Jacks lautstarkem Protest.

VII. Tempus amplexandi

Um 2000 n. Chr., Cheyenne Mountain Complex, Nordamerika

"Saahaaam!" Jacobs Ton befand irgendwo zwischen strenger Verwarnung und klagender Akzeptanz.
"Was ist aus ‚Kleines' geworden, Dad?", fragte Major Carter breit lächelnd. Solang er noch nicht nach ‚Samantha' rief...
"'Kleines' ist gegen den Rat ihrer Ärztin von der Krankenstation getürmt."
"Und jetzt wurden die Schwadronen entsandt, um sie wieder einzufangen?" Ihr Vater seufzte und griff nach einem Hocker, um neben seiner Tochter am Labortisch Platz zu nehmen. Allerdings war es Jacobs Symbiont Selmak, der auf Sams rhetorische Frage antwortete:

"Offiziell: Ja. Inoffiziell haben wir uns inzwischen mit dem Carter'schen Eigensinn abgefunden. Diese Eigenschaft ist in deiner Familie erblich."
Sam griente verschmitzt. Etappenziel erreicht. Selmak war sich sehr wohl bewusst, wie reserviert Sam seiner Person gegenüber war - obwohl sie selbst den Vorschlag zur Verschmelzung mit ihrem Vater angebracht hatte. Nicht nur aus Dankbarkeit dafür hatte er sich jetzt vorgenommen, einige Barrieren zwischen ihnen einzureißen.

"Also verrätst du mich nicht an den Feind?", testete Sam. Gemeint war wohl Janet.
"Nicht, wenn du dich freiwillig stellst, Kleines.", entgegnete Jacob, betonte ihren Kosenamen.

Sam winkte ab und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu.
Es war leicht zu erraten, wozu die Baupläne gehörten, über denen sie grübelte. Sam hatte es einfach nicht mehr im Lazarett ausgehalten. Sie brauchte ihre Messgeräte, musste direkt an der Januspforte ihre Hypothesen überprüfen. Die Arbeit am Notizblock brachte sie einfach nicht weiter.

Allerdings machte sie auch jetzt keine nennenswerten Fortschritte.
Natürlich weigerte sich die bleichgesichtige Kriegerin strikt, das ihrem Gesundheitszustand zuzuschreiben.

Es musste sich einfach eine Lösung finden lassen... Ihr Vater hatte im Verhör mit Ngemba/Korra durchschaut, dass es sich bei der Januspforte um so etwas eine Zeitmaschine handelte. Das Zeitfeld, das sie erzeugte, hatte einen unregelmäßigen Durchmesser von schätzungsweise einer Lichtwoche. Soviel hatten sie schon einmal in Erfahrung bringen können - durch die Daten der immer noch aktiven Kontrolleinheit der Pforte.
Dass dieses Zeitfeld räumlich begrenzt ist, ist ungewöhnlich, aber prinzipiell möglich...

Sam sah auf. Sie hatte die Präsenz ihres Vaters arbeitsbedingt schon wieder ausgeblendet.
Doch Jacob Carter saß noch immer neben ihr, beobachtete schalkhaft fasziniert jede ihrer Bewegungen und schien seiner ganzen Willensstärke zu bedürfen, sich einen Kommentar zu verkneifen. Sam begriff: Der Mann, der sie so durchdringend ansah, war nicht ihr Vater. Eine tiefe Stimme bestätigte das schließlich:
"Jemand sehr weises hat einmal zu mir gesagt, dass jedes Ding seine Zeit hat. Man sollte nichts aufschieben, aber vor allem auch nichts erzwingen."

Sam rollte mit den Augen.
Sie verstand langsam, warum ihr Vater seinen ‚Mitbewohner' einmal als ‚Quälgeist' bezeichnet hatte. Selmak hielt sich sonst stark zurück, wenn er zu Gast im SGC war. Es war ohnehin Jacobs Terrain und der Tok'ra machte sich keine Illusionen darüber: Auch, wenn sie einem Verbündeten gehörten, Blechkesselstimme und glühende Augen waren den meisten Tau're unsympathisch (allen voran dem Anführer von SG-1).

"Wer war dieser ‚weise jemand'?" Sam wollte die Moralpredigt hinter sich bringen, dann wieder in Ruhe forschen...
"Egeria - die erste Tok'ra.", erklärte Jacob. Selmak schien das Thema nicht anschneiden zu wollen.
"Anise hat schon einmal von ihr erzählt..." Jacob nickte und erklärte weiter:
"Ihr Märtyrertum hat die Identität der Tok'ra stärker geprägt, als alles andere. Es gibt uns Kraft. Aber nun befürchten wir, dass Freya/Anise etwas sehr Unüberlegtes tun wird... Wie ich schon George gegenüber sagte: Sie betrachtet unsere Infiltrations-Strategie als gescheitert... Und als Korra dann gestand, um was es sich bei der Januspforte handelt..."

"Will Anise in der Vergangenheit Goa'uld beseitigen, um das Zahlenverhältnis zwischen ihnen und euch..."
Sam wurde rüde von Selmak unterbrochen, der sich doch wieder unerwartet zu Wort meldete:
"Sie wären niemals so töricht, das Gleichgewicht zwischen den Goa'uld zu stören. Damit könnten sie einer noch größeren Gefahr die Bahn ebnen!"
Kaum gesagt, bereute es Selmak. Seine Sorge über das, was er im Verhör herausbekommen hatte, ließ auch ihn dünnhäutig werden, doch damit wollte er sich nicht entschuldigen. Glücklicherweise überging Sam galant seinen Affront auf die Strategie des SGC und fragte nur:
"Was ist es dann deiner Meinung nach?"

"Korra hat sich und seine Gruppe als ‚Liberi Egeriae' bezeichnet - ‚Kinder Egerias' und einige andere Andeutungen gemacht... Die meisten Tok'ra haben Egeria nie in persona kennen gelernt, obwohl viele ihre leiblichen Kinder sind."
"Aber als ihre Nachkommen haben sie doch alle ihre Erfahrungen?", fragte Sam, welche die Kraft fremder Erinnerungen bereits am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte.

Selmak antwortete: "Durch ihr genetisches Gedächtnis. Das stimmt natürlich. Deshalb ist ihre Bindung auch nicht vergleichbar einer Mutter-Kind-Beziehung bei euch Menschen. Aber Erinnerungen können nicht die persönliche Kraft ersetzen, welche die Tok'ra aus der Anwesenheit ihrer Königin zogen. Außerdem verband sich mit ihr noch ein ganz pragmatischer Zweck..."
"Vermehrung...", stellte Sam fest. Selmak nickte.
"Unsere Art zu leben scheint an Attraktivität eingebüßt zu haben, seit wir weniger Erfolge verbuchen können. Goa'uld, die sich uns früher vielleicht angeschlossen hätten..."

Sam ahnte, worauf ihr Vater hinauswollte:
"Anises Anhänger ... Die Ikone Egeria reicht ihnen nicht mehr. Vielleicht wollen sie das Original zurück..."

"Es ist schon so furchtbar lange her... Wahrscheinlich sorge ich mich zuviel...", meinte Selmak und stützte den Kopf mit seiner Hand ab, als er kaum hörbar murmelte:
"Freya/Anise ...Wenn sie damals da gewesen wären, würde ich mich an sie erinnern..."
Er wirkte auf einmal sehr müde.

Schließlich kehrte er zum Beginn ihrer Konversation zurück, indem er seine Hand ausstreckte, sachte Sams Kinn anhob. Der Tok'ra runzelte die Stirn, als er das Narbengewebe berührte, das im Schatten ihres Unterkiefers fast unsichtbar war.
"Es tut uns leid. Das Heilungsartefakt ist bei starken Verbrennungen oft überfordert..."

Er schien aus Erfahrung zu sprechen.
Sam entzog sich seinem Zugriff, drehte ihren Kopf ein Stück aus seiner Reichweite. Es schien ihr unangenehm.
"Es ist schon gut... Du kannst nichts dafür..." sagte sie leise. Selmak senkte den Kopf. Jacob antwortete:

"Sam ... In deinem Zustand bist du ihnen keine Hilfe. Geh zu Dr. Frasier..."
"Dad..." Sam Carter klang wehleidig. Niemand schien zu verstehen, dass sie sich prächtig fühlte.
"Kompromiss: Du darfst arbeiten. Aber auf der Krankenstation."
"Das ist kein Kompromiss. Das ist ein Befehl!", beschwerte sich Sam.
"Nenn es wie du willst, aber es gibt nichts dran zu rütteln.", erklärte Jacob freundlich, aber bestimmt. Und Selmak ergänzte trocken: "Wir haben die Ärztin auf unserer Seite - und die ist mit spitzen Instrumenten bewaffnet..."

Sam gab auf.

VIII. Tempus tacendi

Um 300 v. Chr., Toraigh Island, vor der irischen Küste

Eine Weile hockten Daniel und Jack still nebeneinander, lauschten den einzelnen Tropfen des morgendlichen Taus, die sich im Gestein über ihnen sammelten und durch die Ritzen in ihre Zelle tropften.
O'Neill brach schließlich das Schweigen:
"Hab einige Sternzeichen erkannt - wusste, das Hobby würde sich mal bezahlt machen. Wir sind irgendwo auf der Nordhalbkugel. Hab das Meer nur kurz gesehen, bevor Schlangenköpfchen mich K.O. geschlagen hat, aber wahrscheinlich sind wir auf einer Insel, das wäre für Râ verteidigungstechnisch am klügsten."

Jetzt musste Daniel lachen. Jack war sonst nicht der dedektivische Typ. "Du hattest viel Zeit hier drin, nicht?".
"Musste mich beschäftigen, wird einem nach ner Weile zu dumm, immer nervös die Zelle rauf und runter zu hechten."
Daniel deutete die Bemerkung und lächelte verlegen. "Du hast dir Sorgen um mich gemacht?"

"Hast du eine Ahnung, wie weit wir in der Vergangenheit sind?", lenkte Jack ab.
Daniel zuckte mit den Schultern und rieb die klammen Handflächen aneinander, um sich aufzuwärmen.
"Ich schätze mal plus tausend Jahre. Das Sternentor irgendwo in der Landschaft wäre sicher in den Annalen eines modernern Geschichtsschreibers oder örtlichen Legenden aufgetaucht. Ich könnte es vielleicht an den Sprachen unserer Zellengenossen festmachen. Falls sie nicht von verschiedenen Welten kommen..."

Der Archäologe versuchte, einige seiner Mitgefangenen anzusprechen, doch die waren bereits die ganze Zeit seit seiner Rückkehr furchtsam gewesen, hatten sich in der ihnen gegenüberliegenden Ecke des Raumes zusammengerottet und beobachteten Jack und ihn scheel. Auch als Daniel aufstand, um Kontakt zu suchen, wichen sie verängstigt zurück und wimmerten nur einige eingeschüchterte Worte in Richtung des Air Force Colonels.

"Was hast du mit denen angestellt, Jack?", fragte Daniel verblüfft. O'Neill zuckte mit den Schultern.
"Es war etwas hässlich... sagen wir einfach, ich habe die Hackordnung geklärt.", meinte er und streckte die Beine aus, um seine zurückgewonnen Stiefel eingehend zu begutachten. Und auf Daniels entgeisterten Blick: "Wieso fragst du?"

"Nun... weil sie Angst vor dir haben?"
"Gut.", meinte der Colonel, mit sich selbst zufrieden.
"Und sie halten dich für einen 'Tuatha Dé', weil du dich nicht vor den Unterdämonen - den Goa'uld - fürchtest."
"Noch besser. Ähm ... ist das ein Schimpfwort?", fragte Jack vorsichtig nach.
"Nein, aber es bedeutet, dass wir uns in Irland befinden - oder die Leute zumindest von dort stammen."
"Schön zu wissen. Aber nützt es uns irgendwas?"
"Willst du nicht wissen, wer die Tuatha Dé sind?" meinte Daniel, eine Spur begeisterten Funkelns in seinen Augen.
"Kannst du es in einem Satz erklären?" - Daniel verzog stumm die Mundwinkel - "Nein? Dann lass es."

Daniel atmete flach ein, verschränkte die Arme dicht am Körper und lehnte sich neben O'Neill an die Gitterstäbe.
Er fror erbärmlich. Leider war er nicht in der Position, sich darüber bei Jack zu beschweren, da dieser im Gegensatz zu ihm nur das kurzärmelige schwarze Uniform-Shirt trug. Daniel hatte wenigstens noch das weite Überhemd, das er trotz des klimatisierten SGC gern anhatte. Also blieb ihm nichts weiter übrig, als seinen Unmut still in sich hinein zu fressen.

Er ertrug die Situation jedoch nicht lange. Daniel wollte und konnte es einfach nicht ungesagt lassen.

So platze es schließlich doch noch spitzbübisch aus ihm heraus:
"Der Vergleich ist eigentlich ganz passend, in der Heimat des Familienstammbaums O'Neill... Die ‚Tuatha Dé Danann' sind das alte Götter- und Heldengeschlecht Irlands... das ‚unsichtbare Volk'..."
Sein Freund wollte mit keiner Silbe darauf eingehen - obwohl Daniel ihm eigentlich genug Zündstoff für mehrere ironische Bemerkungen geliefert hatte. Das enttäuschte ihn. Dr. Jackson hätte die Aufmunterung eines schlechten Witzes gebrauchen können. Doch Jack schien der Sarkasmus vergangen. Das war kein gutes Zeichen.

Doch Jack hatte Daniels Einladung zu einem Ulk auf Kosten der Altertumswissenschaft nicht aus Stimmungsgründen ausgeschlagen. Colonel O'Neills Aufmerksamkeit war von etwas anderem beansprucht worden: Die Stärke des Wachbatallions hatte in den letzten Stunden deutlich nachgelassen.
Da braut sich irgendwas zusammen... und wir stecken hier fest...

"Was hat Freund Râ eigentlich noch so gemeint?", sinnierte Jack hintergründig, zu Daniel hochsehend.
"Das übliche.", erwiderte dieser.
"Wir sind unwürdig und werden qualvoll sterben?"
"Sinngemäß ja.", antwortete Daniel und wischte sich einen Wassertropfen von der Brille, den er gerade abbekommen.
"Sonst noch was?"
"Abgesehen von heißer Luft? Nichts."

"Und wir dürfen nichtmal unsre Haut retten, weil es unsere heiß geliebte Zeitlinie stören könnte. Richtig, Herr Doktor?"
"Allein unsere Anwesenheit könnte schon ein Chaos bewirkt haben. Wenn wir 1969 mit einem Wort dreißig Jahre Geschichte ausradieren konnten, was glaubst du, was wir anrichten, wenn wir hier einmal zu oft niesen?"
Und er fügte, eher für sich selbst, hinzu: "Anise ist sicher nicht zum Spaß hier, sie wird genau das wollen..."

"Niesen?", witzelte Jack, dem jedoch sofort von einem stechenden Augenpaar Schweigen verordnet wurde.
Was er - wie gewöhnlich - ignorierte: "Wenn wir nicht in dieser Zelle hocken würden, könnten wir vielleicht Schadensbegrenzung betreiben, das Gröbste zurecht biegen... Wäre das nicht in deinem Sinne?"

Mit diesen Worten stand Jack auf und verpasste den Gittern einen kräftigen Tritt.
Diese ächzten zwar laut unter der Gewaltanwendung, rührten sich aber keinen Millimeter von der Stelle. Allerdings diente sein Ausbruch auch weniger als Ventil seiner Frustration. Denn wie der Colonel bereits vermutet hatte, betrat kein Wärter die Bühne, um nach dem Rechten zu sehen. Als ich gestern meine Schuhe zurückkonfisziert habe, ist eine ganze Horde von denen aufgelaufen ... nach einem sehr viel leiseren Mucks...
Daniel schien von all dem nichts zu bemerken, er quasselte munter weiter, zermarterte sich das Hirn über die Umstände, in die sie geraten waren:

"Definierst du Schadenbegrenzung damit, Anise umzubringen?"
"Wäre ein Anfang...", meinte O'Neill abwesend.
"Was kann sie nur hier wollen... das vereiteln, was Râ hier im Geheimen plant?" Daniel dachte laut. Jack glaubte, zumindest einen Teil der Antwort zu kennen. Als Daniel den Namen Anises in den Mund genommen hatte, war ihm auch wieder eingefallen, ich welchem Zusammenhang der Name ‚Egeria' gefallen war. Jack runzelte die Stirn, zeigte mit dem Finger auf die alte Frau in der gegenüberliegenden Zelle und meinte leise, ohne den Blick von Daniel abzuwenden:
"Vielleicht kann uns die da erleuchten?"

Daniel hob erstaunt die Augenbrauen. Die grauhaarige Alte tat es ihm gleich, da sie akustisch wenig von der Unterhaltung zwischen den beiden seltsamen Menschen mitbekommen hatte - die Gestik dieses ‚Jack' war allerdings ziemlich eindeutig gewesen, auch jetzt, da er mit seinem jüngeren Gefährten einige Sätze ausgetauschte.

Dieser andere, der mit den Augengläsern, ging nun so weit auf sie zu, wie es die Gitterstäbe möglich machten und sprach sie an: "Du bist Egeria, die Königin der Tok'ra?"

Die alte Frau horchte kurz in sich hinein und sprach mit tiefer Stimme:
"Sie sagt, dein Freund hätte diesen Begriff auch schon in Verbindung mit uns verwendet. Nun, keine von uns kennt die Bezeichnung Tok'ra. Wir sind jedenfalls keine Herrscherin."
"Aber du bist Egeria... Egeria von den Camenae?" Die Greisin nickte.
"Dann bist du auch Tok'ra.", erklärte Daniel. Sein Gegenüber reagierte nur wieder mit Unverständnis.
"Komm schon, Danny-Boy. Heb den Schlachtruf aus der Taufe, damit das hier vorwärts geht...", nervte O'Neill.
"Tok'ra. Tok Râ.", erklärte Daniel vorsichtig.

"Wie die Goa'uld bei euch? Ich kenne sie nämlich nicht..."
"Ja. Sie ist auf unserer Seite... Manchmal zumindest.", schränkte Daniel auf Jacks bösen Blick hin ein.

Egeria runzelte die Stirn. Sie schien immer noch skeptisch. Dann sah sie zur offenen Seite der Klamm, in die Richtung, wo Freya/Anise verschwunden war und ließ eine fremdsprachige Bemerkung fallen, bevor sie sich wieder kompromisslos abwandte und in einen nicht einsehbaren Winkel ihrer Zelle zurückziehen wollte.
Sie schien an keinem weiteren Gespräch interessiert.

Daniel versuchte, ein Glucksen zu unterdrücken.

"Was hat sie gesagt?", raunte O'Neill zu ihm.
"'Goa'uld illa, habitu non tok Râ habet - aut paelici Râi subrepit vult?'", wiederholte der Archäologe, kicherte kurz und lieferte schmunzelnd die Übersetzung hinterher:
"Diese Goa'uld habe nicht sehr tok Râ' ausgesehen, es sei denn, ihr Ziel sei es, seinen Harem zu infiltrieren."
O'Neill feixte und meinte: "Hey, Queen Mom wird mir vielleicht doch noch sympathisch..."

IX. Tempus expergiscendi

Im Gegensatz zu den meisten anderen hatten sie keine machtpolitische Bedeutung für ihn gehabt. Râ hatte die beiden Mädchen bei einer Inspektion auf Malkshur entdeckt, einer kleinen Randwelt seines Reiches - und musste sie einfach haben:
Sie glichen einander, wie Spiegelbilder. Nicht einmal er konnte sie unterscheiden, deshalb hatte er den Zwillingen verschiedenfarbige Kleider anfertigen lassen. Manchmal tauschten sie absichtlich.
Jedes andere Menschenjunge hätte er dafür grün und blau geschlagen, aber denen konnte er einfach nicht gram sein wegen so eines Streiches. Alles war wieder vergeben, wenn sie nachts mit zu ihm auf sein breites Lager wollten.

Er liebte ihre seidige Haut, wie es sich anfühlte, mit den kleinen Locken ihrer goldenen Haare zu spielen.
Zu schade, dass sie immer so schnell groß wurden. Die eine hatte vor ein paar Wochen angefangen zu bluten, ihrer Schwester würde es bald genauso ergehen. Es gab immer Komplikationen, sie gemischt zu halten, wenn die geschlechtsreif wurden. Also hatte er sich schweren Herzens dazu durchgerungen, sich von ihnen zu trennen. Aber die beiden waren gesund und gerade gewachsen, würden gute Wirte abgeben. Auf diese Weise bliebe ihm immer ein Stück von ihnen erhalten. Er lächelte und prägte sich genau das Bild vor ihm ein:
Wie die beiden Kinder mit ihrem Haustier spielten... Eine schöne Erinnerung an sie...

Râ machte sich eine gedankliche Notiz, zwei seiner stärksten Kinder für die Zwillinge auszuwählen. Es würde ihm Leid tun, die beiden zu verlieren, falls die jungen Goa'uld den Vereinigungsprozess nicht meistern und die Kinder mit sich in den Tod reißen würden. Das war der Nachteil, wenn man aus Zeitgründen auf die Reifephase in Jaffa-Körpern verzichten musste. Doch Râ hatte sich versichert, dass die Larven kräftig waren, knapp zwei Drittel müssten es also schaffen. Also sollte zumindest eines der Kinder überleben - obwohl sie natürlich nur im Doppelpack ihre ganze Ausstrahlung besaßen.

"Er widert mich immer mehr an, je länger ich in seiner Nähe weile!" Bahar war es nicht entgangen, wie Râ seine kindlichen Gespielinnen ansah. Dennoch durfte er nichts weiter tun, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen, abrufbereit auf Befehlsempfang daneben stehen.
Reichte es nicht, dass er Kinder menschlicher Herrscher als Geiseln hielt, um sie sich deren Regime handzahm zu machen? Musste er seine Trophäen noch weiter entmenschlichen?

Selmak fühlte sich von Bahars Zorn eingenebelt, es fiel ihm schwer, selbst unbeeinflusst zu bleiben.
"Warum muss ich immer den Rationalen spielen?", fragte er also, Beschwichtigung aussendend.
"Pragmatismus liegt dir. Ich bin der Idealist.", antwortete Bahar, noch immer angeekelt.
"Es ist doch nicht nur das...", deutete der Symbiont an.

"Unsere Taktik geht nicht auf. Wir lindern vielleicht das Los einzelner, aber verschlimmern nur die Gesamtsituation.
Sie vernichten sich nicht gegenseitig, Selmak! Sie setzten sich gegenseitig Jaffa vor, die das tun sollen. Immer mehr!
Und wir helfen Râ auch noch dabei! Als ob es nicht reicht, dass Râ unsere Körper versklavt, jetzt macht er uns auch zu seinen geistigen Untertanen. Die Jaffa schwören ihm Treue, obwohl ihr Geist frei ist! Sie müssen es, um ihr Volk am Leben zu erhalten. Wenn Râ genug Zeit verstreichen lässt, glauben sie vielleicht sogar das, was sie jetzt nur heucheln!"

Es tat Bahar gut, sich abzureagieren. Selmak duldete es hin und wieder, von seinem Wirt als Punchingball missbraucht zu werden, da dieser sonst wenig Gelegenheit fand, seinen Frust herauszulassen.
Doch Selmak ahnte schon, in welche Richtung die Diskussion jetzt wieder driften würde. Trotzdem fragte er (wider besseren Wissens):

"Was bitte sollen wir tun? Wir sind allein."
"Wir müssten es nicht sein..."
, deutete Bahar an.
"Fang nicht schon wieder damit an!", warnte sein Goa'uld. Doch Bahar ließ nicht locker:
"Nimm nur eine Sekunde an, Egeria hat uns nicht belogen..."
"Wunschdenken, Bahar. Wunschdenken! Du bist ein Narr, ihr zu glauben!"
"Dann bin ich stolz, ein Narr zu sein! Warum willst du es nicht einmal in Betracht ziehen?"
"Es reicht. Ich habe entschieden. Die Diskussion wird beendet."
, erklärte der Goa'uld.
"Ohhh nein, das wird sie nicht. Nicht dieses Mal! Du wirst ni..."
Selmak brachte ihn zum Schweigen. Bahars Gegenwehr war aussichtslos, als sein Symbiont ihm das Bewusstsein raubte und es ins Dunkel einer normalerweise äußerst entspannenden Tiefenmeditation verbannte.

Stille. Zumindest für eine Weile.

Der Ashrak würde sich zwar demnächst mit einem sehr aufgebrachten Wirt auseinandersetzen müssen, aber darum konnte er sich kümmern, wenn es soweit war.

Er teilte Bahars Abneigung Râ gegenüber, musste sich aber zumindest eingestehen, in diesem einen fähigen Taktiker vor sich zu haben - eine Eigenschaft, die Selmak bisher immer geachtet hatte.
Um dem neuerlichen Machtgewinn Apophis entgegenzuwirken, hatte Râ in den letzten Jahrzehnten seine Legionen mit einer neuen Waffe extensiv ausgebaut. Man nannte sie Jaffa. Es waren Menschen, die in Kombination mit einem unfertigen Symbionten ein ideales Kanonenfutter darstellten. Sie waren loyaler als einfache Menschen und ihnen körperlich überlegen, aber ihre Truppen mussten beständig erneuert und ausgebaut werden, brauchten verlässliche Kommandeure - eine Aufgabe, die er gern in die Hände ausgewählter Nachkommen zu legen pflegte, seit es ihm über den Kopf wuchs, auswachsende Larven selbst zu beseitigen.

Deshalb hatte er sich nun zu etwas sehr Gefährlichem durchgerungen:
Normalerweise ließ er die Reihen seinesgleichen nur um einige wenige wachsen, um die Goa'uld Population auf einem kontrollierbaren Level zu halten. Doch nun plante er, auf einen Schlag gleich mehrere hundert neue Goa'uld - noch dazu mit dem Wissen einer Königin ausgestattet und durch seine eigenen Gene komplettiert - aufzunehmen.
Und Ästhet, der er war, hatte er sich nach Tau're begeben, um eine Rasse widerstandfähiger, aber dennoch optisch reizvoller Menschen als Wirte aufzutun.
In den Bewohnern dieses Landstriches hatte er die passenden Exemplare gefunden und sich deswegen auch entschlossen, die Vereinigung gleich vor Ort zu vollziehen. Er hatte vor Jahrhunderten bereits ein zweites Tor nach Tau're bringen lassen und in einer entlegenen Region des Planeten verborgen, bis er es benötigte. Da nur ihm dessen Existenz bekannt war, fühlte er sich sicher - auch ohne ein massives militärisches Aufgebot an seiner Seite.

Doch die heutige Strategie des Sonnengottes verwirrte Selmak:

Entgegen seiner Rüstungstaktik hatte Râ an diesem Morgen den Befehl erteilt, alle Jaffa einiger bestimmter Einheiten zu sammeln und zu liquidieren. Es betraf Hunderte von Kriegern - einen beträchtlichen Anteil seiner eigenen Leibgarde. Also versuchte Selmak, Râ ins Gewissen zu reden:

"Ist es wirklich nötig, auch die Jaffa zu beseitigen? Es wird Zeit kosten, neue Krieger auszubilden. Zeit, in der ich Euch nicht schutzlos lassen möchte!"
"Es wird uns nicht in Frage stellen." schnappte Râ und fügte als beifällige Erläuterung an: "Wir werden es nicht dulden, unsere Armee in verschmutzen Gefäßen heranzubilden. Wir haben hier genug neue gefunden. Ihr Ashrak habt keinen Sinn für Reinheit, Unbeflecktheit. Das bedingt euer Gewerbe."

Also hieß er Selmak, sich auf den Weg zum Kerker zu machen, um die Gefangenen dort nicht unbeobachtet zu lassen, nachdem die bisherigen Wachen durch Morrigán den Weg alles Irdischen gegangen worden waren.

Es würde noch eine Weile dauern, bis der Nachschub durch das Sternentor angekommen wäre.
Râ konnte sich den Gefangenen in der Klamm noch nicht entledigen - zumindest nicht vollständig. Falls noch mehr von den Wirtskandidaten der ersten Wahl Selbstmord begehen würden, hätte er nicht genug Körper für die Larven. Er benötigte also eine gewisse Reserve.

Auf dem Rückweg sollte Selmak Egeria zu ihm bringen. Es sei an der Zeit...

Der unnahbare Gottkönig sah wieder verträumt seitwärts, studierte seine geliebten Zwillinge, die zu seinen Füßen saßen.
Es kostete Selmak jede Faser seiner Selbstkontrolle, nicht das Gesicht zu verziehen. Dieser Befehl war irrwitzig!
Weshalb versucht Râ so verzweifelt, alle ihre Nachkommen auszumerzen?
Bisher hatte er bei solchen Vorfällen die Jaffa größtenteils verschont. Was ist an dieser einen aufsässigen Königin so anders als bei den bisherigen? Die Bedrohung durch ihre Handvoll Anhänger ist lächerlich...

Egerias Gegenwart hatte ihn stärker verunsichert, als er sich selbst gegenüber eingestand. Er gedachte jedoch herauszufinden, was der Grund dafür war - Bahars Andeutung war als Erklärung inakzeptabel. Er ließ sie nicht gelten.
Also exerzierte er das Denkmuster einer anderen Königin durch...
Hathor war doch das gleiche in grün. Auch sie unterstützte Râ nur durch Nachkommen, solange es ihr selbst einen Nutzen brachte. Râ verabscheute ihre rücksichtslose Gier nach Macht genauso sehr, wie er diesen Charakterzug an ihr liebte - schließlich war es ihre größte Gemeinsamkeit - mit dem markanten Unterschied, dass sie auf Manipulation baute, während er offene Unterwerfung forderte. Sich einer Hinterlist zu bedienen, wie die Göttin dies durch ihren Pheromon-Trick tat (er hatte bereits früh die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um nicht selbst zum Opfer zu werden), erachtete er als buhlerisch und somit nicht erstrebenswert - nicht ganz unabhängig von der Tatsache, dass er selbst als gewöhnlicher Goa'uld nicht auf diese Waffe der Königinnen zurückgreifen konnte.

Die Waffen einer Königin... Warum hatte Selmak nicht von Anfang an daran gedacht?
Er feierte seine eigene Brillianz.

Ja, auch ihm war nicht wohl dabei, den Kerker unbeaufsichtigt zu lassen. Unterschätze nie eine Goa'uld-Königin - auch wenn sie von allen ihren Mitläufern isoliert in einer ausbruchssicheren Zelle eingesperrt ist...

Er ging also nicht den direkten Weg zur Klamm, sondern machte einen Umweg über das Zelt, in dem das Becken mit den Goa'uld-Larven aufgebahrt war.

Es galt, seine Theorie mit Fakten zu untermauern.
Er wühlte einer Halde aus Gerätschaften, die in einer Truhe abseits verborgen war. Selmak griff zielsicher nach einem faustkeilförmigen Instrument mit einer Nadel an der spitz zulaufenden Seite. Dann fischte er (zugegebenermaßen etwas unsanft) eine der Larven aus dem Behälter und nahm eine Probe - vorsichtig darauf achtend, an einer ungefährlichen Stelle zuzustechen. Der Symbiont fand keinen Gefallen an der Prozedur und wehrte sich keifend gegen die grobe Behandlung. Doch Selmak bekam, worauf er es angelegt hatte.

Alles, was er nun noch brauchte, war ein Vergleichswert.
Und der Ashrak war sich ziemlich sicher, wo er den passenden erhalten würde...


weiter: Kapitel 3
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