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Kopf oder Zahl von Athor

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Vorwort

1) Auch diese Story ist eine Missing-Scene. Außerdem kann man sie sehr gut als Drama bezeichnen. Doch keine Bange, zum Schluss wendet sich alles irgendwie zum Guten.
2) Ian und Marsha Sheppard sind von mir frei erfunden, etwaige Abweichungen von Johns Lebenslauf sind also ganz klar mir zuzuschreiben. *g*
3) Eine extra Umarmung an meine tolle Betareaderin Antares, die immer wieder ganz klasse ihren Job erledigt.
Kopf oder Zahl


Ungläubig starrte Major John Sheppard auf die Abbildungen der Sternenkonstellationen ihres Sonnensystems, welche über seinem Kopf projiziert wurden.
„Bin ich das gewesen?“, fragte er unsicher, jedoch gebannt von dem Anblick.

„Sieht ganz so aus“, bestätigte der Typ, der John vorher die Frage nach dem Sonnensystem gestellt hatte. Sheppard hatte den Eindruck, dass der Mann aus irgendeinem Grund heraus angefressen wirkte. Momentan war er jedoch viel zu abgelenkt, um sich weiter damit zu beschäftigen, worin die Ursache hierfür wohl bestand.

„Okay, Major. Versuchen Sie ...“, wollte dieser gerade erneut ansetzen, als er ziemlich rüde von General O’Neill unterbrochen wurde.

„Ich finde, das ist genug der Vorstellung. Wir haben jetzt gesehen, dass er es kann“, stellte Jack O’Neill bestimmt fest. „Kommen Sie schon da runter, Major, bevor noch etwas Unvorhergesehenes passiert. Ich für meinen Teil habe heute schon genug unliebsame Überraschungen gehabt“, grummelte Jack missmutig und ein Stück weit genervt.

Hatte er sich nicht klar ausgedrückt?, dachte Jack ärgerlich. Nichts anfassen, hatte er gesagt, aber nein, dieser Junge musste sich hinsetzen und ausgerechnet auf diesen Stuhl. Warum hatte ihn keiner daran gehindert? – Weil sie sehen wollten was passiert!, beantwortete er sich selbst seine Frage.
Wissenschaftler? Ha, wie die Kinder! Wann würden sie endlich kapieren, dass diese Geräte gefährlich waren? Man sollte meinen, der Beinahe-Unfall mit der Drohne von heute Morgen hätte dies bewiesen, regte Jack sich auf. Das waren doch keine Spielzeuge, mit denen man nur so zum Spaß und völlig planlos herum experimentieren konnte! Man sollte meinen, er hätte es mit lauter erwachsenen, gebildeten und verantwortungsbewussten Leuten zu tun, die wussten, was für gefährliche Technologien sie vor sich hatten. Aber das schien nicht der Fall zu sein. Er warf einen raschen Blick auf Daniel. Sie waren doch alle gleich! Seufzend fühlte Jack, dass seine Kopfschmerzen zunahmen.

Sheppard beeilte sich, dem Befehl Folge zu leisten. Er hatte nicht vor, General O’Neill noch mehr zu verärgern, als dies bereits offensichtlich geschehen war. Irritiert sah er sich nochmals zu dem seltsamen Stuhl um, bevor er sich neben den General stellte. Er konnte verstehen, dass das Ding General O’Neill Unbehagen bereitete, auch ihm jagte es unterschwellig Angst ein.

„Daniel, ich brauche dich, um mir die nötigen Unterlagen für das Pentagon zusammen zu stellen.“ Mit einer knappen Handbewegung, die seinen Befehlston noch unterstützen sollte, forderte Jack seinen ehemaligen Teamkameraden auf, ihm zu folgen. Er war froh, wenn er wieder hier raus war! Zu viele unerfreuliche Erinnerungen waren für ihn mit diesem Ort verbunden. Entschieden drehte Jack sich um, ging ein paar Schritte in Richtung des Labors, bevor er sich eines anderen besann und sich nochmals an Sheppard wandte.
„Ah, und ehe ich es vergesse, Major: Sie können schon einmal den Hubschrauber startklar machen, ich komme gleich nach.“ Jack hoffte, er hatte sich dieses Mal unmissverständlich ausgedrückt und es würde keine weiteren Zwischenfälle mehr geben, denn es reichte ihm langsam wirklich.

„Ist gut, Sir.“ Der Major stand noch immer neben dem sonderbaren Stuhl und sah dem hinauseilenden General und dem ihn begleitenden Mann nach. Täuschte er sich, oder hatte dieser O’Neill es plötzlich verdammt eilig hier weg zu kommen? Obwohl John nur ansatzweise begriff, was eben passiert war, hätte er es dem Offizier nicht verdenken können, wenn dem so war. Auch er fühlte sich nicht sonderlich wohl in seiner Haut. Dieser Ort war äußerst merkwürdig. Misstrauisch sah John sich um und bemerkte das erwartungsvolle Lächeln mit dem ihn die Frau anblickte. Auch die beiden Männer bestaunten ihn, als wäre er das achte Weltwunder. Instinktiv war sein Argwohn geweckt und er ermahnte sich zur Vorsicht. Soviel Aufmerksamkeit bedeutete meist nichts Gutes.

„Fein, Major“, eröffnete die Frau ein wenig unbeholfen ihre Rede. „Ich denke, wir kennen uns noch nicht. Mein Name ist Weir. - Doktor Elizabeth Weir. Ich leite diesen Stützpunkt“, stellte sie sich ihm vor. „Doktor Beckett haben Sie ja bereits kennen gelernt und das ist Dr. McKay, der leitende Wissenschaftler dieses Projektes“, machte sie John auch mit den anderen bekannt. Sheppard nickte kurz, sagte sonst aber nichts weiter.
Okay, jetzt hatte der Typ mit der angesäuerten Miene also auch einen Namen. McKay. –Doktor – Leitender Wissenschaftler und wenn man John fragen würde, wegen irgendetwas reichlich angekäst, wie sein verbissener Gesichtsausdruck ziemlich eindeutig vermuten ließ.

„Also gut.“ Elizabeth beschloss, den Stier direkt bei den Hörnern zu packen, da der Major immer noch schwieg. Es machte auf sie nicht den Eindruck, als ob er von sich aus auf sie zukommen würde. Dann musste sie wohl den ersten Schritt machen: „Ich weiß, Sie müssen zu Ihrer Maschine zurück, also halten wir uns nicht lange mit Vorreden auf. Was halten Sie davon, sich uns anzuschließen? Wir könnten jemanden wie Sie in unserem Team gut brauchen.“ Aufmunternd lächelte sie ihn an.

„Das ist sehr freundlich, wirklich“, erwiderte John, überrascht von ihrem Angebot und sah sich verlegen um, „aber ich glaube nicht, dass das hier das Richtige für mich ist. Die Forschung ist nicht ganz mein Metier.“

Mit Sicherheit war dies nicht seine Welt!, dachte John für sich. Mediziner, die irgendwelche fremdartigen Waffen versehentlich abschossen. Stühle, die auf unerklärliche Weise interstellare Karten in die Luft projizierten ....

„Jetzt hör sich den einer an“, schnaufte Dr. McKay genervt. Wie konnte dieser Kerl nur dermaßen cool darüber hinweggehen? Er wusste wohl gar nicht, was Elizabeth ihm gerade offeriert hatte? „Nicht persönlich gemeint, Major, aber ich denke nicht, dass Sie überhaupt in der Lage sind zu ermessen, was wir hier machen“, polterte McKay in seiner typisch überheblichen Art hervor. „Sie sollten ...“

‚Na, der war ja wirklich entzückend!’, stellte John ironisch fest. Nicht persönlich gemeint! – Wenn das nicht persönlich war, dann wollte er diesen McKay nicht erleben, wenn er tatsächlich jemandem zu nahe trat.

„Das reicht, Rodney“, unterbrach Elizabeth den Redefluss des Wissenschaftlers. Es war höchste Zeit einzuschreiten. Wenn McKay in dieser Form weitermachte, dann würde sie verstehen können, wenn Sheppard sich ihnen nicht anschließen wollte. Doch das konnten sie sich nicht leisten, sie brauchten jemanden mit seiner Begabung. Sie musste es einfach schaffen, ihn zu überzeugen. Er konnte eine wichtige Hilfe sein.
„Lassen Sie uns in Ruhe darüber reden, Major.“ Mit einer angedeuteten Handbewegung lud sie ihn ein, ihr zu folgen.

Auf dem Weg zum Aufzug erklärte sie ihm in groben Zügen die Zusammenhänge, wie sie diesen Stützpunkt gefunden hatten, was das Stargate Programm beinhaltete, wer die Antiker waren und dass sie als Nächstes vorhatten, den Sprung in eine andere Galaxis zu wagen, mit der geringen Option, die Erbauer dieser Sternentore tatsächlich und leibhaftig anzutreffen.

John brauchte kein Menschenkenner zu sein, um zu sehen, dass Dr. Weir alleine von der bloßen Vorstellung in helle Aufregung versetzt wurde. Sie schien ihm ganz besessen von dieser Idee zu sein. Allerdings machte sie auch keinen Hehl aus den Gefahren dieser Mission. Offen gab sie zu, dass die Möglichkeit bestand, dass eine Rückkehr zur Erde sich als unmöglich erweisen könnte. Während dies für John ein nicht zu übersehender Minuspunkt war, wurde Dr. Weirs Begeisterung davon keineswegs gebremst. Sie war bereit, dieses Risiko einzugehen und sie wollte ihn ebenfalls davon überzeugen.

„Verstehen Sie mich nicht falsch“, fing Sheppard vorsichtig an. „Ich meine, das klingt alles ziemlich verrückt, wenn Sie mich fragen.“ Und diese Aussage hielt John, gelinde gesagt, für mild untertrieben. Wieder kam ihm sein Erlebnis mit dem Stuhl in den Sinn. Nein, das Ganze war tatsächlich nicht die Art Erzählung, die man täglich zu hören bekam.

Das, was John als Crash-Kurs in der letzten Stunde von Dr. Weir und diesem Dr. Beckett, über das Stargate-Center und deren Einsätze, an Informationen erhalten hatte, klang in den Ohren des Majors einfach ungeheuerlich. Parasitäre Aliens, die Menschen versklavten und als Wirte missbrauchten. Raumschiffschlachten, wie in StarWars, die sich über dem Eis der Antarktis abgespielt haben sollen. Andere noch mächtigere Außerirdische, die die Antiker genannt wurden und die angeblich bereits vor Millionen von Jahren auf der Erde gelebt haben und dabei diesen unterirdischen Posten errichtet haben sollen. Geheimnisvolle Waffen, die mit Hilfe eines mutierten Genes und mittels Gedankenkraft gelenkt wurden. Und die Krönung des Ganzen: ein Apparat mit dem sie in der Lage sein sollten, andere Planeten zu besuchen. John fiel es schwer, überhaupt in Erwägung zu ziehen, dass es ein derartiges Gebilde geben sollte.

Andere Planeten. - Großer Gott! Bis vor ein paar Stunden hatte er das internationale Raumfahrtsprogramm als das größte Abenteuer der Menschheit betrachtet! Nun musste er erkennen, dass die Missionen der NASA zu dem, was er bisher nur vom Hören her kannte, wie ein Kinderspiel wirkten. Es war unvorstellbar! Sie waren tatsächlich im Besitz außerirdischer Technologien. Es gab Leben dort draußen! - Doch allerdings nicht nur freundlich gesonnenes, wie John ebenfalls erzählt bekommen hatte.
Überwältigt schnappte er einen Augenblick nach Luft. James Camerons ALIEN-Filme waren Realität! – Ellen Ripley hieß in Wirklichkeit Dr. Elizabeth Weir!

John wusste nicht, was er sagen sollte. Im Grunde genommen kam ihm dies alles vollkommen surreal vor. Doch der Angriff dieser Drohne und der komische Stuhl, in dem er gesessen hatte, machten keineswegs einen unwirklichen Eindruck. Sie waren real und bezeugten Dr. Weirs Behauptungen.

„Ich glaube nicht, dass man mich Ihrem Projekt zuteilen würde, selbst, wenn ich es wollte“, antwortete John ausweichend. „Meine Vorgesetzten und ich hatten in der Vergangenheit eine kleine Meinungsverschiedenheit. Sie würden mich sicher nicht zu einer so wichtigen militärischen Operation hinzuziehen.“
Dies sollte ihm die penetrante Lady eigentlich vom Hals halten. Klarer konnte er ihr nun wirklich nicht mehr zu verstehen geben, dass ihr mit ihm als ihre Wahl nur Ärger ins Haus stand, überlegte John. Spätestens wenn sie herausfand, dass er wegen Befehlsverweigerung hierher in die Verbannung geschickt worden war, würde sie einsehen müssen, dass keiner ihn auch nur in die Nähe eines Projektes von solch einer Tragweite kommen lassen wollte.

„Wenn das Ihre größten Bedenken sind, Major, dann kann ich Sie beruhigen“, antwortete Elizabeth mild und nahm sich vor, gleich nachdem sie sich von Major Sheppard verabschiedet hatte, einen Blick in seine Dienstakte zu werfen. Die nötige Autorisierung hatte sie und zum Glück konnte man heutzutage ja auf alles online zugreifen. Mal sehen, was die vage Andeutung des Majors zu bedeuten hatte. Eigentlich machte er auf sie einen sehr besonnenen und eher in sich gekehrten Eindruck und ihre jahrelange Erfahrung bei schwierigen, internationalen Verhandlungen hatten Dr. Weir gelehrt, dass sie sich auf ihr Urteilsvermögen und ihre Menschenkenntnis verlassen konnte.

„Das ist in erster Linie eine Wissenschaftsexpedition und keine Militäraktion. Die Verantwortung liegt bei mir und ich wähle meine Leute dafür aus“, versicherte sie ihm daher weiter. „Glauben Sie mir, ich habe die Mittel und die Wege durchzusetzen, was ich möchte.“ Ein selbstsicheres Schmunzeln überzog ihr Gesicht. „Der überwiegende Anteil des Personals wird aus Wissenschaftlern bestehen. Das Militär dient vorwiegend als unsere Eskorte, zu unserem Schutz. Durch Ihre natürliche Begabung, mit dem Antikergen umzugehen, würde Ihr Aufgabenbereich also hauptsächlich im Wissenschaftssektor liegen. Indirekt wären Sie demnach in erster Linie mir unterstellt, Major“, versuchte sie die Bedenken des zweifelnd dreinschauenden Mannes zu zerstreuen.
„Ich brauche Sie“, bekannte Elizabeth frei heraus. „Ihre Fähigkeiten können uns, bei dem, was uns erwartet, von großem Nutzen sein. Kommen Sie mit uns, John.“ Ihre Augen funkelten strahlend anlässlich ihres leidenschaftlichen Plädoyers.

„Ich werde es mir durch den Kopf gehen lassen“, versprach John, um Reserviertheit bemüht und betrat die Aufzugkabine. Sein Gefühl sagte ihm, dass es dringend an der Zeit war, von hier zu verschwinden, bevor er sich von ihr zu einer unüberlegten Aussage hinreißen lassen würde. Sie war wirklich gut im Reden, dass musste er ihr lassen.

„Machen Sie das, Major“, gestand Elizabeth ihm zu. „Aber ich werde nicht so schnell aufgeben, John“, rief sie ihm schmunzelnd nach, als der Aufzug sich in Gang setzte.

Wortlos nickte John ihr zu und signalisierte somit, dass er ihre Bemerkung verstanden und zur Kenntnis genommen hatte. Das Schlimmste daran war: er glaubte ihr aufs Wort.


**********


Sheppard hatte gerade die Bordinstrumente gecheckt und seinen Kontrollgang um den Helikopter beendet, als General O’Neill bei ihm eintraf. Wie angekündigt, hatte er nicht lange auf sich warten lassen. John war froh, endlich von diesem merkwürdigen Ort verschwinden zu können, ehe es sich diese Dr. Weir anders überlegen und ihn nochmals zur Teilnahme an dieser dubiosen Mission überreden wollte.
Abermals gewann der Major den Eindruck, dass auch dem General an einer schnellen Abreise gelegen war. Was Sheppard jedoch nicht genau einzuschätzen vermochte war, ob es nun an diesem Ort lag oder daran, dass O’Neill noch heute nach Washington weiterfliegen wollte und er deshalb einfach nur unter Zeitdruck stand.

Der Hinflug am Morgen war recht angenehm verlaufen, da sich herausgestellt hatte, dass auch General O’Neill Pilot gewesen war. Daraufhin hatten sie sich lange über die Fliegerei unterhalten. Obwohl John seit seiner Strafversetzung misstrauisch gegenüber vorgesetzten Offizieren war und deshalb sehr zurückhaltend und zum Teil eher einsilbig mit seinen Antworten umging, hatte er das Gespräch genossen. Der Major erwartete auch für den Rückflug nichts anderes, da ihn die schroffe und knappe Reaktion des Generals annehmen ließ, dass dieser keinerlei Interesse daran hatte, ob John nun Träger dieses seltenen Antikergens war oder nicht. Gut so, sollten sie ihn doch in Ruhe lassen!

Leider entpuppte sich seine Hoffnung als Fehldiagnose. Denn kaum hatte Sheppard die Maschinen gestartet, fing auch der General mit dem leidigen Thema an. Irgendwie erschien es John, als gebe es für ihn kein Entrinnen. Was wollten die bloß alle von ihm? Bis vor wenigen Stunden hatte er friedlich sein Leben auf McMurdo gefristet und niemanden hatte es interessiert, dass er überhaupt existierte. Jetzt, nur ein paar Stunden später und um dieses suspekte mutierte Gen reicher, brannte jeder darauf, ihn zu dieser vermaledeiten Expedition zu verpflichten. John seufzte und zog entschieden seinen Helm auf. Unmöglich ein weiteres Wort des Generals zu hören, hatte er auf diese Weise wenigstens kurzfristig seine Ruhe.


**********


Jack hatte nach dem Platznehmen in dem Helikopter keine Sekunde verschwendet und war gleich zum Thema gekommen. Er hatte sich auch - für seine Begriffe - geduldig die Argumente Sheppards angehört. Doch allmählich ging sein Temperament mit ihm durch. Wie konnte man nur so stur sein?
„Hören Sie. Es geht dabei nicht um Sie, Sheppard. Es geht um viel Wichtigeres.“ Der Mann war Militär, sein Appell, sich als Teil eines größeren Ganzen zu sehen, fand Jack also äußerst gelungen. Nun sollte dem Major eigentlich seine Rolle klar werden, hoffte Jack. – Doch dem war nicht so.
„Gerade jetzt geht es bei der Entscheidung, ob ich an dieser Mission teilnehme, sehr wohl um mich“, widersprach Sheppard beharrlich.

Der Typ war wirklich ein harter Brocken, seufzte Jack und schaute für einen Augenblick nachdenklich aus dem Seitenfenster. Zeit, die Taktik zu ändern. Wenn er ihn nicht über seinen Teamgeist bekam, musste er ihn halt anders packen.
„Beantworten Sie mir eine Frage“, forderte Jack und drehte sich zurück zu dem Major, nur um festzustellen, dass dieser bereits seinen Helm aufgesetzt und damit ihrer netten, kleinen Unterhaltung ein jähes Ende bereitet hatte. Mann, der Kerl machte es ihm wirklich nicht leicht!

Mit einem suchenden Blick über die Schulter fand Jack wonach er Ausschau gehalten hatte. Ohne zu zögern schnappte er sich das Paar Kopfhörer mit dem integrierten Mikrofon, das ihm eine Kommunikation ermöglichte und zog sie auf. Wenn Sheppard tatsächlich gedacht hatte, er würde nun Ruhe vor ihm haben, dann hatte er keine Ahnung mit wem er es eigentlich zu tun hatte. Er ließ sich doch nicht von diesem ‚grünen Jungen’ austricksen.

Ruhig nahm Jack seinen Faden wieder auf: „Warum sind Sie Pilot geworden?“
„Ich finde, jemand der nicht fliegen möchte hat sie nicht alle!“, antwortete Sheppard und lieferte Jack damit genau die Vorlage, auf die er gesetzt hatte.
„Und ich finde, jemand der nicht durch das Stargate gehen will ist genauso bescheuert!“

Jep, das hatte gesessen, wenn Jack den konfusen Blick des Majors richtig deutete, dann hatte er den Nerv getroffen. Nun war es an der Zeit ein wenig Druck auszuüben, um die momentane Unsicherheit Sheppards zu seinem Vorteil zu nutzen. Manchmal mussten Menschen einfach zu ihrem „Glück“ gezwungen werden. Wobei Jack sich in diesem Fall noch nicht absolut einig war, wer bei diesem Handel tatsächlich als der „Glückliche“ zu beizeichnen war. Doch er hatte Weir seine Zusage gegeben, mit dem Major zu sprechen und sie wollte ihn haben. Dies genügte Jack, es war ihre Entscheidung und er war nur der Vermittler. Später mussten diese beiden miteinander klarkommen.

„Also, wenn Sie mir nicht zusagen, bis wir in McMurdo sind, dann kann ich auf Sie verzichten“, stellte Jack dem jungen Piloten sein Ultimatum und pokerte auf Johns, hoffentlich vorhandene, Abenteuerlust. Auch wenn er hier einen auf relativ gefasst machte, musste doch irgendwo in diesem Typ der Wagemut und die Lust zum Risiko stecken, die eigentlich allen Kampfpiloten zu eigen war. Seine Ausbildung und seine Geschichte sprachen jedenfalls dafür.

Schweigend setzten sie ihren Flug fort und Sheppards Gedanken rasten, kreisten um die Chance, die ihm hier geboten wurde. Doch sie hatte auch einen Pferdefuß, einen gewaltigen in Johns Augen. Zum einen war da die nicht unerhebliche Möglichkeit, dass sie nicht mehr zurückkommen würden und dann zum anderen, und hier lagen seine eigentlichen Bedenken, dass er die Sicherheit, die ihm McMurdo gewährte, aufgeben musste.

Sheppard hatte die Strafversetzung nach seinem ‚Fauxpas’, zu der in der Antarktis befindlichen Wissenschaftsstation nur akzeptiert, damit er seiner Liebe zur Fliegerei weiter nachkommen konnte. Das Fliegen bedeutete ihm alles und dafür hätte er auch noch weit mehr in Kauf genommen, als an diesen unwirtlichen Ort der Welt zu gehen. Es störte ihn nicht besonders, nur Mini-Einsätze zu fliegen, wenn man ihn nur überhaupt fliegen ließ; und seine Vorgesetzten hatten die Gewissheit, dass er hier draußen, fern ab vom Schuss, garantiert nicht in einen Gewissenskonflikt mit der Kommandokette geraten konnte. Eine gute Lösung, wenn man jemanden aus dem Weg haben wollte.

McMurdo hatte sich zudem als weitaus belebter herausgestellt, als John zuvor gedacht hatte. Mit rund 1000 Mann Besetzung im Sommer und einer richtigen Ansiedlung auf dem kargen Vulkangestein ging dort richtig die Post ab. Die bunte Mischung der internationalen Mannschaft tat ihr übriges und so wurde es dort tatsächlich nur in den vier Monaten der Wintersaison ruhiger, wenn Flüge nur sehr selektiv möglich waren. Aber auch diese Zeit hatte Sheppard genossen, denn dann kam er wenigstens mehr zum lesen. Alles in allem ging es ihm in seinem Exil also gar nicht mal so schlecht.

Der Major warf O’Neill einen spekulativen Seitenblick zu. Der General schaute reglos in die weiße Landschaft, die unter ihnen lag, hinaus, seine Gedanken für John nicht lesbar. Doktor Beckett hatte John erzählt, dass der General jahrelang das führende SG-Team geleitet hatte und selbst Träger des Antikergens war. Er war es gewesen, der die Goa’uld in der entscheidenden Schlacht über der Antarktis mit Hilfe des Stuhls und der Drohnen vernichtet hatte. Er wusste allerdings auch, dass ihn dies beinahe das Leben gekostet hatte. All das machte O’Neill zu einem Experten was Torreisen betraf und zudem war er Pilot. Was ihn, in Johns Augen zumindest, vertrauenserweckend machte. Dieser Mann wusste wovon er sprach und auch wenn sie unterschiedlich waren, O’Neill konnte Johns Aussage über das Fliegen nachvollziehen. Zwangsläufig unterstrich dies die spontane Reaktion des Generals.
„Und ich finde, jemand der nicht durch das Stargate gehen will ist genauso bescheuert!“

John war nicht bescheuert! – Er war nur vorsichtig. In seinen Augen war dies ein himmelweiter Unterschied.

Sheppard war sich bewusst darüber, dass er mit der Art der Bestrafung noch Glück gehabt hatte, denn immerhin hatte er damals den direkten Befehl eines Vorgesetzten verweigert. Auch wenn seine militärische Laufbahn damit als beendet anzusehen war und die Aussicht auf eine Beförderung auf McMurdo gleich Null stand. Doch dies war ihm längst egal. Er hatte sich mittlerweile damit abgefunden.

Der Vorgang hatte ihm bewiesen, dass es in der Armee keineswegs gerecht zuging. Alles wurde nach strikten Regeln abgehandelt und wenn man dagegen verstieß, egal aus welchen Gründen, dann wurde man fallen gelassen.
Was hätte er damals denn machen sollen?, fragte John sich auch jetzt noch, während er wütend die Maschine mit etwas mehr Schwung als nötig gewesen wäre, hochzog. Erst zurückfliegen und erneut um Erlaubnis bitten? Bis dahin hätten die Taliban Anhänger längst seine Kameraden aufgegriffen und ausgeliefert gehabt. Durch sein sofortiges Handelns hatten die drei wenigstens den Hauch einer Chance gehabt.

Längst vergangen, wühlten ihn die Ereignisse von damals immer noch auf. Die starren Vorschriften hatten seinen Alleingang natürlich anders bewertet und so war er abgemahnt worden. Aber auch heute konnte John keine Reue für seine Handlungsweise empfinden. Im Gegenteil, er war sich sicher, dass er in einer ähnlichen Situation wieder so entscheiden würde. Der Ärger schien somit vorprogrammiert zu sein.

Wenn er Dr. Weirs Aufforderung Folge leisten würde, dann brachte ihn dies automatisch zu einem Einsatz unter Militärbedingungen zurück. John war nun einmal Offizier der U.S. Air Force und somit würde auch er sich an die Regeln halten müssen. Sheppard konnte sich lebhaft ausmalen, welchen Enthusiasmus seine Zuteilung bei jedem Kommandeur hervorrufen würde und mit welchen Vorbehalten er zu kämpfen haben würde, wenn sie erst einmal seine Dienstakte genau studiert hätten.

Verdammt, warum hatte ausgerechnet er den Auftrag bekommen den General dort hinaus zu fliegen?, haderte John mit seinem Schicksal.

Gleichzeitig musste er sich eingestehen, dass Dr, Weir Eindruck auf ihn gemacht hatte. Ihre Begeisterung imponierte ihm, genauso wie ihre Persönlichkeit. In den paar Minuten ihres gemeinsamen Gespräches hatte John das Gefühl gehabt, eine ehrlich gemeinte Wärme und Herzlichkeit zu spüren. Auch Dr. Beckett hatte zutiefst erschüttert gewirkt, als er sich für den Abschuss der Drohne bei John entschuldigt hatte. Selbst dieser McKay hatte, in seiner offen zur Schau getragenen Konsternation, auf John eher einen amüsanten, denn einen ablehnenden Eindruck gemacht. Sie alle strahlten eine Verbundenheit und eine Kameradschaft miteinander aus, die John schon lange für sich vermisste. Er mochte ihre Menschlichkeit und die Vorstellung, ein Teil davon werden zu können, sprach ihn an.

Menschlichkeit war ein wichtiger Aspekt für John Sheppard. Ebenso die Aussicht, mit seiner Zusage, eventuell die Gelegenheit auf eine vernünftige und erfüllende Aufgabe zurück zu erhalten.
„In Ordnung. Ich gehe mit“, stimmte der Major nach längerem Überlegen zu. Sie hatten McMurdo beinahe erreicht.

„Hey, das nenne ich mal eine gute Entscheidung“, rief O’Neill ein kleines bisschen sarkastisch, da ihn Sheppards Wahl nicht wirklich verwunderte. Ein Blick nach draußen bestätigte ihm nochmals seine Überlegungen: was sollte ein Mensch hier freiwillig schon wollen?

Seine Faszination hielt sich auf alle Fälle in Grenzen. Alleine die Vorstellung, dass er hier, zig Meter unter dem Eis, mehrere Monate, eingeschlossen in einer Stasiskammer der Antiker, zugebracht hatte, sandte ihm Schauer des Unbehagens über seine Haut.

„Dann würde ich vorschlagen, Sie fangen schon einmal an zu packen“, erklärte O’Neill laut und resolut dem noch nicht ganz von seinem Entschluss überzeugt wirkenden Major.
„Sobald ich zurück im Cheyenne Mountain bin, werde ich mich um Ihre Versetzung kümmern. Es wartet eine Menge Arbeit auf Sie, Major. Ich werde Ihnen die wichtigsten Missionsberichte herauslegen lassen und Sie sollten sich, vor ihrem Gang durch das Tor, mit den wissenswertesten Daten und Fakten bekannt machen. Vertrauen Sie auf meinen Rat, Major: Es kann nie schaden, gut vorbereitet zu sein, denn man weiß nie, was einen dort draußen erwartet.“

Die Stimme O’Neills hatte einen düsteren Klang bekommen und John überkam abermals das ungute Gefühl, dass der General sehr genau wusste, wovon er sprach. Doch mehr als nur einen Haken!, grübelte John und beschloss, dem Rat des Mannes zu folgen.


**********


General O’Neill hielt Wort. Fünf Tage nach dessen Rückflug traf Johns Abkommandierung von McMurdo und seine Zuteilung zum Stargate-Center ein. Ein wenig wunderte John sich über die problemlose Abwicklung. Im Stillen hatte er damit gerechnet, dass sich das Ganze zerschlagen und in Luft auflösen würde, dass seiner Versetzung von höchster Stelle widersprochen würde. Doch allmählich begann er zu begreifen, dass sowohl Dr. Weir als auch der General mit ihren Zusagen nicht übertrieben hatten. Beide mussten einflussreicher sein, als John zunächst angenommen hatte.

Seine Ankunft im Stargate Center verlief unspektakulär. Ein junger Leutnant hatte ihn von der Peterson Air Force Base abgeholt und zum Cheyenne Mountain gefahren. Nachdem sie die Sicherheitskontrolle passiert hatten, gab Leutnant Ford ihm die kurze „Fünf-Dollar-Führung“ durch den Mountain und zeigte John anschließend sein Quartier. Der kaum 15 qm große Raum wirkte durch seine Fensterlosigkeit und die kahlen Betonwände unpersönlich und kalt.

„Nicht gerade das Hilton“, murmelte John und schaute sich zögernd um, während er sein Gepäck auf das Bett legte.

„Dafür ist der Zimmerservice besser“, lachte der Leutnant und wies auf einen ziemlich hohen Stapel mit Akten, die auf dem kleinen, im Raum stehenden, Schreibtisch lagen.

John ging hinüber und öffnete neugierig den ersten Aktendeckel. Mission: PX- 538, las er laut vor und seufzte. Nun gut, seine Lektüre sollte damit also in der nächsten Zeit gesichert sein. Hoffentlich war der Inhalt spannender, als der Titel auf dem Deckel vermuten ließ.

„Wenn Sie ansonsten keine Fragen mehr haben, gehe ich jetzt, Major“, sprach Ford ihn unvermittelt an. „Lassen Sie sich mit dem Auspacken ruhig Zeit. General O’Neill möchte Sie erst um 1400 sehen. Ich komme dann wieder und hole Sie rechtzeitig ab und zeige Ihnen den Weg zu seinem Büro.“ Ein freundliches Grinsen ging über sein Gesicht.

„Ist gut. Danke, Leutnant“, bestätigte Sheppard und wandte seine Aufmerksamkeit den Akten zu, die vor ihm lagen.


**********


Wie Major Sheppard auf dem Weg zu General O’Neills Büro feststellen musste, ging es in dem Center zu, wie in einem Bienenstock. Während es auf der Quartierebene relativ ruhig gewesen war und er kaum Leute zu Gesicht bekommen hatte, liefen hier überall geschäftig Menschen umher, wurden Paletten mit Gütern bestückt, verzurrt und auf elektrischen Hubwägen abtransportiert. Verglichen damit war McMurdo tatsächlich ein totes Nest gewesen.

Nach einer knappen Begrüßung erläuterte General O’Neill ihm, was von John bis zu seinem Aufbruch nach Atlantis erwartet wurde. Neben dem Studium der bereits in seinem Quartier befindlichen Missionsberichte wollte O’Neill ihm in den kommenden zwei Wochen auch sämtliche Personalakten, aller mit auf Mission gehender Wissenschaftler und eines jeden rangniedrigeren Soldaten, zukommen lassen. Als rangmäßig zweithöchstem Offizier erwartete der General von ihm, dass Sheppard sich zumindest in groben Zügen mit den Lebensläufen der einzelnen Expeditions-Mitglieder bekannt machte. Am Ende sollte er wenigstens eine ungefähre Vorstellung davon haben, welche Leute diese Mission begleiten würden. Dies schien, nach Sheppards Gefühl, dem General unheimlich wichtig zu sein. Überhaupt gewann er den Eindruck, dass O’Neill sehr viel Wert auf die sorgfältige Planung und Vorbereitung einer Mission legte.

Alleine während seiner Unterweisung wurden sie vier Mal unterbrochen, da ständig irgendeine neue Information an den Kommandierenden der Basis weitergereicht wurde. Trotzdem gelang es General O’Neill irgendwie, in dem Chaos den Überblick zu behalten und immer wieder in ihr Gespräch zurück zu finden.

Colonel Sumner, der die Mission als ranghöchster Offizier begleiten würde und dessen Stellvertreter er zukünftig sein sollte, hatte zusätzlich dafür gesorgt, dass Sheppard Kopien von den Packlisten des militärischen Materials erhielt. Für einen Moment schaute John den General verblüfft an. Was sollte er damit? Schließlich war er kein Versorgungsoffizier? O’Neill erklärte ihm jedoch, dass Sumner ihm ebenfalls die Anforderungslisten in sein Quartier hatte legen lassen. Der Colonel wollte sicherstellen, dass sie, einmal in Atlantis angekommen, keine unerwarteten Überraschungen erleben würden, indem plötzlich Fehlbestände zu Tage treten würden. Zur Sicherheit sollte Sheppard die Listen miteinander vergleichen.

Beiden, sowohl General O’Neill als auch Major Sheppard war klar, dass dies eigentlich keine Aufgabe für den stellvertretenden, militärischen Leiter der Mission war. Sheppard war sich nicht sicher darüber, ob der General die ungewöhnliche Anordnung des Colonels akzeptierte, weil er die Sorge Sumners über Materialdefizite teilte oder ob O’Neill einfach nur nicht gewillt war, Sumner in seinen Führungsstil mit seinem zukünftigen Untergebenen hineinzureden. Für Sheppard stand nur fest, dass er es momentan so hinnehmen musste.

Seine Unterredung mit General O’Neill neigte sich dem Ende zu, denn im Grunde genommen war dies alles, was von ihm momentan erwartet wurde. Seine Hauptaufgaben würden erst in Atlantis auf ihn zukommen. General O’Neill unterrichtete ihn davon, dass Dr. Weir sich bei ihm melden wollte, sobald sie ihm Mountain eintreffen würde. Colonel Sumner ließ ihm ausrichten, dass er zunächst noch entbehrlich für ihn war und John die verbleibende Zeit dazu nutzen sollte, sich in die Materie einzuarbeiten. Versorgt mit diesen Anweisungen, war John aus dem Büro des Generals entlassen.

Na, das fing ja gut an und konnte sicher noch heiter werden!, seufzte John innerlich, da er seine Befürchtungen hinsichtlich seiner Person bestätigt sah. Für einen Augenblick überkamen ihn Zweifel an der Richtigkeit seiner Entscheidung. War er mit zu vielen Erwartungen an die Sache herangegangen? Doch es blieb ihm nicht genügend Zeit diesem trüben Gedanken nachzuhängen.

Ford hatte ihn aus dem Büro des Generals treten sehen und winkte eifrig, um Sheppard auf sich aufmerksam zu machen.

„Wie ich sehe, haben Sie ihr Gespräch überstanden?“, grinste Ford ihn breit an, als er auf ihn zuschritt. „Soll ich Sie zu ihrem Quartier begleiten? Der Mountain kann am Anfang ziemlich verwirrend sein.“

„Babysitting, Leutnant?“, fragte Major Sheppard herausfordernd, doch konnte er sich ein amüsiertes Schmunzeln nicht verkneifen. Der junge Leutnant gefiel ihm und war ihm mit seiner lockeren und unkomplizierten Art sympathisch.

„Wenn Sie es so nennen wollen, Sir“, gab Leutnant Ford lachend und unumwunden zu.

Auf dem Weg zurück ließ Sheppard sich von dem Leutnant den Komplex und dessen Anordnung nochmals näher erklären. Der momentane Anflug von Zwiespalt über seinen Entschluss war wieder verschwunden. Er wollte sich davon nicht zu sehr beeinflussen lassen, denn eigentlich war er von Hause aus ein Optimist. Bald würden sie die Erde und damit auch seine Vergangenheit hinter sich lassen. Im Stillen hoffte John darauf, dass dann auch der Colonel ihm eine faire Chance einräumen würde. Bis dahin würde er schon irgendwie über die Runden kommen.


**********


Die folgenden drei Wochen vergingen wie im Flug. Die Missionsberichte hatten John einen guten Einblick in die Ereignisse rund um das Stargate Programm vermittelt. Obwohl das Gelesene auf ihn noch immer einen unwirklichen Eindruck machte und ihm wie schwer vorstellbares Material aus einem Science Fiction Film erschien, kannte John sich nun mit den groben Zusammenhängen aus. Er wusste, wer die Goa’uld waren und erinnerte sich an die wichtigsten von ihnen. Außerdem kannte er ihre Verbündeten und hatte genug behalten, um zu wissen, dass es neben den Antikern und den Goa’uld noch andere hochentwickelte Rassen gab, mit denen sie teilweise sogar Allianzen pflegten.

Auch die Personalakten hatte er durchgearbeitet. Ohne Probleme konnte er darüber Auskunft geben, wie viele Mitglieder die Mission begleiteten. Wie hoch sich der Anteil an Wissenschaftler belief, welche Fachgebiete sie vertraten und welchen Nationen sie angehörten. Genauso überblickte er den Teil des militärischen Personals. Allmählich fühlte John sich für die Mission gerüstet.

Colonel Sumner hatte er zwar noch nicht getroffen, doch dies kümmerte den Major nicht weiter. Dr. Weir hatte ihm abermals in ihrem letzten Gespräch versichert, dass sie gedachte, ihn mehr auf der wissenschaftlichen Seite einsetzen zu wollen, denn im Militärbereich. So wie John die Sache sah, konnte ihm der Colonel also nicht viel anhaben.

In der letzten Woche vor ihrem Aufbruch, sollte jedes Missionsmitglied für vier Tage die Gelegenheit bekommen, nochmals nach Hause zurückzukehren, um sich von seiner Familie in Ruhe verabschieden zu können.

John hatte dies zunächst abgelehnt und vorgehabt, die Zeit bis zu seinem Weggang im Stargate Center zu verbringen. Doch je dichter der Zeitpunkt rückte, umso unruhiger wurde er. Träume plagten ihn. Vielleicht sollte er die Gelegenheit doch nutzen und probieren, gewisse Dinge in seinem Leben noch zu regeln. Einem inneren Impuls folgend, verließ daher auch Sheppard den Cheyenne Mountain.


**********


John lief durch die unruhigen Straßen New Yorks bis er am Südtor des Allison Parks ankam. Sobald er den Eingang der Parkanlage passiert hatte, kam es ihm vor, als hätte er eine andere Welt betreten. Der Lärm der Großstadt verblasste und die friedliche Stille des Parks begann, sich auf John zu übertragen. Seine Schritte wurden gemächlicher. Unbemerkt hatte er sich auf seinem Weg hierher von dem hektischen Treiben der Stadt anstecken lassen.

John atmete tief durch. Zielsicher schlenderte er durch die Parkanlage. Selbst jetzt nach all den Jahren, die er von New York fort war, fand er seinen Weg mit schlafwandlerischer Sicherheit. Einmal musste er noch in einen Seitenweg einbiegen, dann lag die kleine Graskuppe vor ihm. Genauso, wie er sie in Erinnerung gehabt hatte. Hierher hatte es John bereits zu Zeiten seines Studiums gezogen, wenn er Zeit zum Nachdenken gebraucht hatte. John setzte sich auf die Wiese und sah sich um. Von hier aus hatte man einen wundervollen Blick auf die Skyline New Yorks. Die Grünanlage befand sich oberhalb des Hudson Rivers und über den Fluss hinweg konnte man auf die Häuser der Bronx schauen. Vor ihm hörte er das dumpfe Grollen des Nachmittagsverkehrs der über die Washington Bridge rollte.

Zwei Tage befand John sich nun schon in der Stadt. Zwei Tage und übermorgen würde er New York wieder verlassen. Seine Zeit lief aus und doch war John sich immer noch nicht sicher, ob er sein Vorhaben wirklich in die Tat umsetzen wollte. Mit dem Abstand des Cheyenne Mountains und der Mission vor Augen hatte alles ganz klar und eindeutig ausgesehen, doch hier fiel es ihm um ein Vielfaches schwerer, sich zu dem vorgenommenen Schritt durchzuringen.

Johns Blick ruhte grüblerisch auf den Fassaden der Bronx. Sheppard wusste, dass er von hier aus Woodlawn nicht sehen konnte. Zu weit war der Friedhof vom Hudson River entfernt. Am Vormittag war John mit einem kleinen Blumenstrauß ein letztes Mal am Grab seiner Mutter gewesen. Zwei Jahre war es nun her, seit sie verstorben war. John zog die Beine enger an den Körper heran.

Zwei Jahre, in denen sein Vater und er kein Wort mehr miteinander gewechselt hatten. Selbst der Tod seiner Mutter hatte seinen Vater nicht milder gestimmt. Anstatt in der Trauer näher zusammenzurücken, war mit dem Ableben von Johns Mutter auch das letzte Bindeglied zu seinem Vater zerrissen. Marsha Sheppard hatte immer als Vermittler zwischen den beiden Sturköpfen gedient, doch den letzten Disput hatte auch sie nicht kitten können.


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Ian Sheppard war ein überaus erfolgreicher Anwalt mit einer sehr gut gehenden Kanzlei. Er war ein Mann mit hohen Wertvorstellungen. In der New Yorker Gesellschaft bestens angesehen, galt er als sicherer Anwärter für ein Senatorenamt. Jahrelang hatte er seine Erwartung darauf gesetzt, dass John in seine Fußstapfen treten und die Kanzlei irgendwann einmal übernehmen würde. Johns Liebe zur Fliegerei hatte er gehofft, mit der Finanzierung eines Segelflugscheins, in den Griff zu bekommen. Doch der Junior hatte andere Pläne und als John sich für die US Air Force entschied, bekam das bis dahin gute Verhältnis zu seinem Vater erste Risse.

Die gleichen Attribute, die sein Vater an ihm zu schätzen gewusst hatte, verhalfen John allerdings auch dabei, in der Air Force seinen Weg zu machen. Intelligenz, Ehrgeiz, Mut, Ausdauer und Gewitztheit zeichneten sein Handeln aus und waren auch seinen Vorgesetzten nicht verborgen geblieben und so war es auf der Karriereleiter schnell bergan gegangen. Allmählich schien sein Vater mit Johns Entscheidung versöhnt gewesen, bis eben der fragliche Afghanistan Einsatz dazwischen gekommen war.

Entgegen seines direkten Befehls war John umgekehrt und hatte versucht, drei seiner Kameraden das Leben zu retten. Er war der Einzige der, aufgrund seiner taktischen Lage, dazu überhaupt noch im Stande gewesen war und er konnte sie nicht einfach kampflos dem Feind überlassen. Nicht, wenn er auch nur die geringste Chance für ihre Rettung sah. Was interessierte ihn da das Gebrüll, welches ihn über sein Funkgerät erreichte.

Für den Planungsstab waren sie nur eine Nummer, ein Kampfverband, ein Bataillon auf irgendeiner Landkarte. Doch für ihn hatten diese Zahlen Gesichter. Lewis, Hudson und Sanders waren Mitglieder seiner Staffel. Seine Kameraden, seine Freunde, deren Familien zu Hause auf sie warteten. Wie konnte da jemand von ihm erwarten, dass er nicht probieren würde, ihnen zu helfen?

Leider waren Johns Bemühungen vergebens gewesen. Seine Hilfe kam zu spät. Nach seiner Rückkehr übernahm John die volle Verantwortung für den Vorfall, was seiner weiteren militärischen Karriere ein abruptes Ende bereitete. Doch trotz seines Ungehorsams und dem unglücklichen Ausgang seines fehlgeschlagenen Rettungsversuchs verzichtete die Air Force auf ein Kriegsgerichtsverfahren. Die Konsequenz für Johns Handeln beinhaltete allerdings, neben dem Eintrag in die Personalakte, eine Strafversetzung. Wohin wollte man ihm in den nächsten Tagen erst noch mitteilen. Bis dahin war er von allen militärischen Tätigkeiten suspendiert.

Für Ian Sheppard mit seinen starren Vorstellungen von Recht und Ordnung kam Johns Befehlsverweigerung einem Rechtsbruch gleich. Er konnte einfach nicht nachvollziehen, wieso John den direkten Befehl zum Rückzug missachtet hatte. Im Militär gab es, genauso wie in einem Rechtsstaat, feste Regeln und Autoritäten und an die hatte sich ausnahmslos jeder, also auch sein Sohn, zu halten.

„Was meinst du wohl wo wir hinkämen, wenn jeder gerade machen könnte, was er für richtig hält?“, fragte Ian Sheppard seinen Sohn vorwurfsvoll und kritisierte ihn weiter: „Du bist Offizier. Du bist ein Vorbild. Die Leute richten sich nach dir. Du kannst doch nicht einfach gerade nach deinem Gutdünken handeln. Du trägst eine Verantwortung.“

John konnte nicht sagen, was ihn mehr ärgerte: die Arroganz seines Vaters, mit der er ihm nach seiner Rückkehr einen Vortrag nach dem anderen über die Wichtigkeit von Recht und Ordnung und die penible Einhaltung von Befehlen und Gesetzen hielt, oder dessen mangelnde Bereitschaft, sich überhaupt einmal Johns Schilderung des Einsatzes anzuhören.

„Meinst du, ich weiß das nicht?“, antwortete John scharf. “Doch ich habe auch eine Verantwortung meinen Kameraden gegenüber. Was gebe ich für ein Vorbild ab, wenn ich in Gefahrenmomenten einfach kneife und sie im Stich lasse? Kannst du mir verraten, wie ich das mit meinem Gewissen hätte vereinbaren sollen?“

Wenigstens von seinen Eltern hatte John Rückhalt erwartet. Stattdessen bekam er von seinem Vater bei jeder Gelegenheit nur Vorhaltungen gemacht. John war es satt zu hören, dass er aus reiner Unüberlegtheit seine Beförderung und seine Karriere verspielt hatte. Selbst seiner Mutter war es nicht möglich, seinen Vater zu beruhigen und so versuchte sie bei John, Verständnis für den Standpunkt seines Vaters zu wecken. Doch John war es leid, darauf Rücksicht zu nehmen und so schaukelte sich ihr Streit immer weiter hoch.

„Von wegen im Stich lassen. Du hattest klare Befehle. Es gab für dein Gewissen nichts abzuwägen, denn die Entscheidung war bereits von anderer Seite für dich gefällt worden. Dafür gibt es Rangordnungen und auch du hast dich daran zu halten“, beharrte Ian Sheppard weiterhin unnachgiebig auf seinem Standpunkt.

John konnte die starre Haltung seines Vaters nicht nachvollziehen. Schließlich hatte auch er im Krieg gedient. Gerade dadurch sollte er doch in der Lage sein zu verstehen, dass John seine Kameraden nicht einfach hatte zurücklassen können, wenn er eine Möglichkeit gesehen hatte, sie zu retten. Im Kampfeinsatz war man aufeinander angewiesen und wenn man sich nicht mehr auf seine eigenen Gefährten verlassen konnte, auf wen dann? Konnte sein Vater wirklich seine eigenen Erfahrungen so tief in sich verschlossen und verdrängt haben?

„Hast du so auch schon während deiner Dienstzeit gedacht? Entspricht das deiner Auffassung von Kameradschaft, von Loyalität?“, rief John ungehalten.

Sein Vater zog scharf die Luft ein. Sein Gesicht verfinsterte sich vor Ärger.
„Ich habe es nicht nötig, mich in meinem Haus von dir beleidigen zu lassen“, stieß er grollend hervor, bevor er tief Luft holte. „Und überhaupt, was hat dein eigenmächtiges Handeln deinen Gefährten gebracht? Sind sie deswegen noch am Leben?“, schoss er sodann hitzig zurück.

Geschockt über diese geschmacklose Bemerkung, schaute John seinen Vater an. Das konnte unmöglich sein ernst sein! Doch Ian Sheppard hielt Johns Blick stand. Verbissen kniff John die Lippen zusammen. Es kostete ihn Mühe, nicht die Beherrschung zu verlieren, doch er sah ein, dass er mit Argumenten bei seinem Vater nichts mehr erreichen würde. Sobald er sich einigermaßen unter Kontrolle hatte, antwortete er gepresst: „Ich glaube nicht, dass es dazu noch etwas zu sagen gibt. Du hast deinen Standpunkt deutlich gemacht. Ich denke, es ist besser, wenn ich das Haus verlasse.“ Damit wandte John sich um und schritt aus dem Wohnzimmer. Eine halbe Stunde später waren seine Sachen gepackt.

Auf dem Weg zur Haustür fing seine Mutter ihn ab.
„John, er meint es nicht so. Bleib, Junge.“ Wieder war sie bemüht Verständnis bei ihm zu wecken, doch dieses Mal war sein Vater zu weit gegangen. Zuviel war gesagt worden, von beiden Seiten.
„Doch, Mom, er meint es ganz genau so“, widersprach John bitter. Ich werde bis auf weiteres zu einem alten Studienfreund ziehen. Ich melde mich bei dir, sobald ich weiß, wie es von da aus weitergeht.“

John gab seiner Mutter einen flüchtigen Kuss auf die Wange, dann schnappte er sich sein Gepäck und verließ das Haus. Drei Tage später erhielt er seine offiziellen Versetzungspapiere nach McMurdo und reiste, ohne sein Elternhaus noch einmal betreten zu haben, ab.


**********


John atmete tief durch. Noch heute dachte er mit einem Schaudern an diese Zeit zurück. Vier Monate nach seinem Weggang war seine Mutter an Krebs erkrankt und etwas über ein Jahr später daran gestorben. Bei seinen wenigen Besuchen in dieser Zeit hatte sein Vater jegliche Begegnung mit ihm vermieden und so hatten sie sich erst am Tag der Beerdigung wiedergesehen. Besser, John hatte seinen Vater gesehen. Ian Sheppard hatte seinen Sohn an diesem Tag so gut es eben ging ignoriert und ihn behandelt, als wäre John Luft. Die Botschaft war eindeutig. John hatte seitdem keinerlei Kontakt mehr zu seinem Vater gehabt.

Dennoch, mit der Vorbereitung der Atlantis-Mission war Johns Gewissen ins Wanken geraten. Konnte er einfach weggehen und diese vielleicht letzte Chance auf ein Gespräch mit seinem Vater ungenutzt verstreichen lassen? Immerhin bestand die Möglichkeit, dass er von diesem Einsatz nicht wiederkehren würde und auch wenn es John nur ungern vor sich selbst zugab, er vermisste seinen Vater.

Ihre Gespräche, seinen trockenen Humor und vor allem seine klugen und wohldurchdachten Ratschläge. Gerade jetzt hätte John gerne darauf zurückgegriffen. Wobei dies nur ein zweitrangiger Aspekt war. Jetzt, wo John unmittelbar davor stand die Reise anzutreten, die vielleicht eine Einbahnstraße war, hatte er bemerkt, wie viel ihm sein Vater – trotz dessen kränkenden Worten - noch bedeutete. Er liebte ihn und er brachte es einfach nicht über sich, darüber hinwegzugehen. In dieser Hinsicht ähnelte er eindeutig seiner Mutter, dachte John und lächelte wehmütig. Er wusste, sie hätte sich über sein Einlenken gefreut und wäre sehr stolz auf ihn gewesen. John konnte sie förmlich vor sich sehen.

John seufzte. Er hasste dieses Gefühl der inneren Unsicherheit. Auf der einen Seite wollte er seinen Vater sehen, auf der anderen Seite fürchtete er sich davor. Doch diese Ungewissheit stellte ihn auch nicht zufrieden. Gott, was für eine verdammte Situation.

John griff in die Hosentasche und beförderte eine Münze zutage. Manchmal war es sinnvoll ein Problem auf den kleinsten Nenner zu reduzieren, um einen Anfang zu finden.
Angespannt schnippte er die Münze in die Luft und fing sie anschließend wieder auf. Er platzierte sie auf seinem Handrücken und verdeckte sie noch einen Moment mit seiner Hand. Okay, dachte sich John und atmete durch. Kopf, ich rufe ihn an und treffe mich mit ihm. Zahl, ich stehe auf, gehe ins Hotel, packe meine Sachen und verschwinde so schnell ich kann zurück nach Colorado Springs.

John hob die Finger und starrte auf die Münze, die mit der Kopfseite nach oben lag. „Mist!“, fluchte Sheppard laut, obwohl er sich im Klaren darüber war, dass er auch im Falle der anderen Seite nicht zufrieden gewesen wäre.

Nach einem kurzen Blick auf die Armbanduhr zog John sein Handy aus der Hosentasche. Es war 15.23 Uhr. Er vermutete, dass sein Vater sich um diese Zeit in der Kanzlei aufhielt, außer natürlich, er befand sich wegen einer Verhandlungssache gerade vor Gericht. Aber dies würde er über das Sekretariat in Erfahrung bringen.

Keine Minute später wartete John, mit einem dumpfen Gefühl im Magen, darauf, dass am anderen Ende der Leitung der Hörer abgenommen wurde.

„Anwaltskanzlei, Dr. Sheppard. Millie Black am Apparat. Guten Tag. Was kann ich für Sie tun?“, klang John eine altvertraute Stimme entgegen.

„Hallo Millie. Hier ist John, ... John Sheppard“, zögerte der Major kaum merklich. „Ist mein Vater zu sprechen?“

Selbst über das Telefon bemerkte er ihr überraschtes Stutzen. Doch dies dauerte nur eine Sekunde, dann hatte sie sich gefasst.

„John, schön, von dir zu hören. Geht es dir gut? Bist du in der Stadt?“ Millies hörbare Freude und Warmherzigkeit entspannte ihn ein wenig.

John kannte Millie seit seiner jüngsten Kindheit. Für ihn waren seine Erinnerungen an die Kanzlei seines Vaters untrennbar mit dessen Sekretärin verbunden. Schon als kleiner Junge hatte er auf ihrem Schoß gesessen und später war er auch hin und wieder in ihrer Obhut geblieben, wenn er auf die Rückkehr seines Vaters aus dem Gericht gewartet hatte, während seine Mutter dringende Termine wahrgenommen hatte.

„Ja, ich bin für ein paar Tage in New York“, antwortete John lächelnd.

„Bist du noch in McMurdo stationiert? Erzähle doch, geht es dir gut?“

John lachte über die offensichtliche Aufregung der älteren Frau, die sein Anruf bei ihr ausgelöst hatte.

„Danke, es geht mir gut. –Wirklich“, beruhigte John sie, bevor er wieder ernst wurde. „Aber ich bin versetzt worden. Ich werde für längere Zeit nicht erreichbar sein und genau deshalb muss ich mit meinem Vater sprechen. Es ist wichtig. Ist er da?“

„Ja, er ist vor einer Stunde zurückgekommen. Im Moment ist niemand bei ihm. Er arbeitet, soviel ich weiß, die Akten auf. Ich werde versuchen, dich durchzustellen. Warte einen Augenblick“, forderte sie John auf, bevor sie die Leitung unterbrach.

Die Warterei kostete John Nerven. Zwei, drei Minuten hing er bereits in der Warteschleife und auch die darin tönende Klavierfassung von Beethovens „Für Elise“ konnte Johns aufkeimende Nervosität nicht länger bändigen. Was dauerte das denn so lange?, grübelte John und sein schlechtes Gefühl nahm unweigerlich zu.

„Hallo?“, meldete sich Millies zaghafte Stimme zurück und alleine bei deren Klang sank Sheppards Zuversicht.
„Es tut mir leid, John.“ Für einen Moment zögerte sie und rang spürbar nach Luft. „Er will weder mit dir sprechen, noch will er dich sehen.“ In ihrem bedauernden Unterton schwang deutliches Mitgefühl für ihn mit. John schluckte.

„Hast du ihm gesagt, dass es wahrscheinlich auf lange Zeit gesehen die letzte Gelegenheit für ein gemeinsames Treffen ist?“, drängte John in einem letzten Anflug von irrationaler Hoffnung, dass Millie sich vielleicht nicht verständlich genug gegenüber seinem Vater ausgedrückt hatte. Er fühlte sich zurückgestoßen, verletzt und sein Mund war plötzlich staubtrocken geworden. Seine Stimme klang wider Willen brüchig, machte dadurch noch deutlicher, wie sehr ihn die Zurückweisung seines Vaters traf. Obwohl er innerlich längst die Antwort kannte, brauchte er dennoch die Gewissheit des laut Ausgesprochenen.

„Ja. Du kannst mir glauben, John, ich habe alles versucht. Doch er will nicht. Ich habe ihn noch nie so abweisend erlebt. Er hat sich, seit dem Tod deiner Mutter, sehr verändert.“ Millies Stimme kippte und ein leises Schluchzen drang an Johns Ohr. „Es tut mir so Leid für dich.“

„Es ist gut, danke“, stammelte John unkonzentriert. Jedes Wort kostete ihn Mühe.

„Pass auf dich auf, John“, hörte er Millie noch sagen, bevor er die Verbindung unterbrach.

Still saß John mit dem Handy in der Hand auf dem Rasen. Versteinert stierte er blicklos geradeaus. Betäubt und versunken in einer großen inneren Leere, vergaß er jegliches Zeitgefühl. Erst die hereinbrechende Dunkelheit und die damit zunehmende Kälte, brachten ihn in die Wirklichkeit zurück. Gedrückt machte er sich auf den Weg zurück ins Hotel.


**********


Vier Tage später betrat Major Sheppard den Torraum des Stargate Centers. In dem Raum wuselte es von Menschen und eine aufgestaute Spannung lag in der Atmosphäre. John sah sich um: dies waren die Leute die zukünftig sein Leben bestimmen würden.

Er entdeckte Leutnant Aiden Ford in der Menge, der ihn grinsend anstrahlte und lächelnd erwiderte Sheppard den Gruß.

Wenigstens einer, der sich über seine Anwesenheit freute, dachte John und korrigierte sich sofort. Nein, dies war wirklich ungerecht von ihm.

Unmittelbar nach seiner Rückkehr war Elizabeth in seinem Quartier erschienen und hatte ihn freudig begrüßt. Ihr Scherz, dass sie bereits befürchtet hatte, er habe es sich in den paar Tagen seiner Abwesenheit anders überlegt, war von ihm geflissentlich übergangen worden. Gerade dies jedoch hatte ihre Aufmerksam erregt und seine Niedergeschlagenheit war ihr nicht entgangen.

„Wenn Sie Bedenken haben oder reden wollen, John, meine Türe steht immer für Sie offen.“ Wieder hatte sich John über ihre unverhohlen gezeigte Sympathie und ihre Sensibilität gewundert. Er war soviel Anteilnahme an seinen Belangen nicht mehr gewöhnt, doch es war nett und auf eine gewisse Art und Weise genoss er es sogar.

„Hi, Major. Haben Sie sich noch ein wenig erholt, bevor es jetzt losgeht?“ Dr. Beckett war unbemerkt von John an ihn heran getreten.

„Klar, Doc. Und Sie?“, fragte John freundlich und bemerkte amüsiert das ein wenig besorgt aussehende Äußere des Schotten. Der Mann war angespannt bis unter die Haarkrause und seine Nervosität war ihm ins Gesicht geschrieben.

„Ich bin froh, wenn wir das hinter uns haben“, gab Dr. Beckett unverblümt zu und sah sich suchend um.

„Carson, Major“, begrüßte nun auch Dr. McKay knapp die beiden Männer.

„Carson, Sie sollten dafür sorgen, dass ihre Krankenschwestern nicht ständig die Soldaten ablenken. Wir brauchen die Jungs konzentriert. Wir wollen doch schließlich keine unliebsamen Überraschungen auf der anderen Seite erleben“, nörgelte der Wissenschaftler in einem hektischen, befehlsgewohnten Tonfall herum.

„Natürlich. Ich bin mir sicher, die Jungs haben momentan nichts Besseres als ihre Triebe im Sinn“, antwortete John ironisch und warf McKay einen spöttischen Blick zu.

„Wie?“ Irritiert schaute der Astrophysiker ihn an. „Sicher“, murmelte er dann geistesabwesend. Bevor er jedoch weitere Bemerkungen loswerden konnte, wurde er von Elizabeth gerufen.

„Sie entschuldigen mich, ich muss weiter, wir sehen uns später“, verabschiedete er sich und stürmte davon.

Carson sah ihm kopfschüttelnd nach und verabschiedete sich dann seinerseits.
„Die Anwahlsequenz beginnt. Ich muss rüber zu meinem Stab, Major.“ Dr. Beckett deutete in die Richtung, wo sich das medizinische Personal versammelt hatte.

„Alles klar, wir sehen uns“, nickte John ihm zu.

Das letzte Chevron loggte ein und der Ereignishorizont etablierte sich und schneller als es John Sheppard lieb war, begann der Wechsel in die Pegasus Galaxie.

John setzte seinen Fuß auf die Rampe und schritt auf das blaue, wabernde Etwas zu. Misstrauisch blickte er auf die wasserartig aussehende Fläche. Ein leises Unbehagen zog in ihm auf und zögernd blieb er stehen. Plötzlich kam ihm die Idee, durch dieses merkwürdige Ding zu laufen und dann auf der anderen Seite des Universums herauszukommen, aberwitzig und völlig durchgeknallt vor. Was wenn es schief ging? Wer sagte ihm, dass dieses Teil wirklich sicher war? Leutnants Fords lockerer Sprung und dessen schadenfrohes Grinsen zerstreuten Johns Bedenken jedoch, denn er wollte sich auf gar keinen Fall vor dem Leutnant eine Blöße geben. Mutig nahm er sich zusammen und trat ins Tor.

Das Letzte, was John spürte war, dass er von einem Sog erfasst und nach vorne gezogen wurde, einer neuen Zukunft entgegen. Die Brücke zur Vergangenheit hatte aufgehört zu existieren.

Ende
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