Eine zweite Chance by Sally Reeve, Destiny
Summary: In Jacks Leben gibt es eine Frau, aber es ist nicht Sam…
Categories: Stargate SG-1 Characters: Daniel Jackson (SG-1), Jack O’Neill (SG-1), Multi-Chara, Own Character, Samantha Carter (SG-1), Teal’c (SG-1)
Genre: Action, Angst, Romance, UST
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 4 Completed: Ja Word count: 85393 Read: 22812 Published: 31.03.12 Updated: 31.03.12
Story Notes:


FanFiction by: Sally Reeve
Originaltitel: A Second Chance
Übersetzt von: Destiny

Anmerkung der Übersetzerin: Okay, Leute, dieses kleine Meisterwerk ist wirklich unglaublich und ja, auch ziemlich lang. Aber ich flehe euch an, nehmt euch die Zeit. Und besonders an alle Shipper dort draußen: Bitte, klickt nicht nach dem Prolog weg! Ansonsten verpasst ihr eine wirklich spannende, mitreißende und vollkommen einzigartige Geschichte! Außerdem habe ich mich dafür entschieden, dass sich Sam/Daniel, Daniel/Jack und Sam/Janet duzen. In dieser Geschichte erscheint es mir einfach als passender.
Und für alle die es nicht wissen. EPA ist die deutsche Variante von MRE (Einmannpackung; Essensration)

1. Prolog by Sally Reeve

2. Kapitel 1 by Sally Reeve

3. Kapitel 2 by Sally Reeve

4. Epilog by Sally Reeve

Prolog by Sally Reeve
Eine zweite Chance


Prolog

Schwer atmend lag Jack O’Neill mit geschlossenen Augen auf seinem Rücken. „Oh mein Gott“, flüsterte er. „Oh Gott.“

Sie stützte sich mit einem Lächeln auf einem Ellbogen ab. „Habe ich dir nicht gesagt, dass es Spaß machen wird?“, murmelte sie. Sie fuhr mit einem Finger über seine schweißüberzogene Brust und lächelnd spürte sie, wie er unter ihrer Berührung zu zittern begann.

Jack öffnete seine Augen und streichelte mit seiner Hand über ihr Gesicht. „Du bist unglaublich“, keuchte er.

„Ich wette, das erzählst du jedem Mädchen“, zog sie ihn auf.

Er grinste sie an, seine dunklen Augen begannen zu leuchten und dieser Anblick ließ ihr Herz wie wild pochen. „Du bist die Erste“, sagte er ernst. „Die Erste seit einer langen, langen Zeit.“

Sie lächelte ihn erneut an, während ihre Finger ihren Weg seine Brust herunter über seinen Bauch fortsetzten. Mit einem leisen Stöhnen schloss Jack seine Augen und ihre Finger glitten weiter nach unten…

Und dann klingelte ihr Handy. Es war ein gedämpftes Klingeln, vergraben unter einem Haufen von Kleidung ganz in der Nähe. „Was denn jetzt?“, seufzte sie. Sie beugte sich über Jack und durchwühlte ihre Kleidung, bis sie ihr Handy gefunden hatte. Aber das Gefühl seines noch immer heißen und schweißgebadeten Körper unter ihr, war genug um ihren Verstand mit Leidenschaft zu vernebeln. Sie musste wirklich damit kämpfen ihre Stimme ruhig zu halten, während sie zu sprechen begann: „Hi, Natasha Greene.“

„Entschuldigung, dass ich Sie in Ihrem Urlaub störe, Professor“, sagte die vertraute Stimme ihres Assistenten Bill Tuck. „Aber Dr. Jameson will, dass ich Ihnen seine neusten Berichte so schnell wie möglich schicke und ich brauche eine Emailadresse.“

Sie schaute hinunter auf Jack. „Ich habe hier keine Emailadresse“, sagte sie und er stimmte ihr mit einem amüsierten Nicken zu.

„Dann vielleicht ein Fax?“

„Bill“, sagte sie langsam. „Ich bin in einer Hütte an einem See… Ich habe ein Telefon… Das ist aber auch schon alles.“

Am anderen Ende der Leitung herrschte ein langes Schweigen. Und dann: „Was soll ich Dr. Jameson dann sagen?“

Ihr lagen die Worte 'Sag ihm, dass er endlich anfangen soll zu leben’ schon auf der Zunge, aber sie widerstand dem Drang sie auszusprechen. „Sag ihm, dass ich ihn morgen anrufen und dann mit ihm sprechen werde“, sagte sie. „Und Bill? Es ist schon spät. Geh nach Hause.”

„Ich bin schon fast weg“, versicherte er ihr, aber sie hegte arge Zweifel.
Dieser Mann arbeitete einfach viel zu viel. „Bis nächste Woche.“

„Gute Nacht, Bill“, beendete sie das Gespräch, schaltete ihr Handy aus und warf es zurück auf den Boden.

„Probleme?“, fragte Jack.

Aber sie schüttelte nur ihren Kopf und betrachtete ihn vorsichtig. „Nur ein überängstlicher Lehrbeauftragter“, sagte sie.

„Ah“, nickte er verstehende. „Ich hasse solche.“

Tasha lächelte und beugte sich zu ihm hinunter, um ihn zu küssen. „Ich habe es bereits vergessen“, versicherte sie ihm und es war noch nicht einmal gelogen. „Dieser Ort hier ist zu magisch, um sich um die Realität dort draußen zu sorgen.“

Mit einem Lächeln zog er sie zurück in eine warme Umarmung. „Nicht immer“, sagte er ihr, „aber diesmal ist es das… Dank dir.“

Sie lächelte gegen seine Brust, während ihre Finger wieder seine warme Haut entlangfuhren. „Ich bin froh, dass ich deine Einladung angenommen habe“, murmelte sie. „Es hat wirklich Spaß gemacht.“

„Ja“, stimmte er ihr zu. „Das hat es… Es ist schon lange her, seit ich hier oben das letzte Mal Gesellschaft hatte.“

Ein leichter melancholischer Unterton in seiner Stimme ließ sie aufhorchen und sie stützte sich erneut auf ihren Ellbogen, um ihn anzusehen. Sie konnte Trauer und Bedauern in seinem Blick sehen. „Bist du mit deiner Frau und deinem Sohn immer hierher gekommen?“, fragte sie in einem Flüstern.

Jack nickte. „Ja“, seufzte er und wandte seinen Blick von ihr ab. „Vor langer Zeit.“

„Nicht allzu lang“, sagte sie und strich sanft über seine Wange. Und dann wechselte sie das Thema. „Was ist mit deinen Freunden? Warst du nie mit ihnen hier oben?“

„Nicht wirklich“, antwortete er nachdenklich. „Sie haben eine etwas andere Vorstellung von… Spaß“, erklärte er mit einem traurigen Lächeln. „Also ist es für gewöhnlich nur meine Wenigkeit.“ Nach einer kleinen Pause fügte er hinzu: „Obwohl, letztes Jahr habe ich es geschafft Teal’c hier rauf zu schleppen.“

Tasha lächelte. „Ich wusste gar nicht, dass Jaffa auch Angeln.“

„Tun sie nicht“, versicherte er ihr jetzt mit einem warmen Lächeln, als er sich daran zurückerinnerte. „Sie beschweren sich nur über die Insekten.“

Sie lachte und legte sich zurück in seine Umarmung, ihr Kopf ruhte bequem an seiner Schulter. „Also“, sagte sie, „wann lerne ich Teal’c endlich mal kennen? Und Major Carter natürlich auch.“ Sie spürte, wie er sich unter ihr leicht anspannte, so als ob ihr Wunsch ihm unbehaglich wäre. „Ich will mich nicht aufdrängen“, fügte sie schnell hinzu. „Es ist nur so, du redest so oft über sie. Aber wenn du nicht willst, dass ich sie kennenlerne…?“

„Nein“, sagte er langsam, als er sie fester an sich drückte. „Das ist es nicht. Es ist nur… es ist schwer den richtigen Zeitpunkt zu finden. Du hast viel zu tun und sie haben viel zu tun…“

„Richtig“, antwortete sie nicht wirklich überzeugt. Aber in der kurzen Zeit, in der sie Jack O’Neill kannte, hatte sie gelernt ihn nicht unter Druck zu setzen, es sei denn, sie wollte, dass er sich ganz vor ihr verschloss. „Na ja, es wäre schon schön, sie irgendwann mal zu treffen“, sagte sie versöhnend. „Wenn du bereit dafür bist.“

„Das wirst du“, versicherte er ihr wieder mit diesem merkwürdigen, sehnsüchtigen Unterton in seiner Stimme. „Das wirst du.“


weiter: Kapitel 1
Kapitel 1 by Sally Reeve
Kapitel 1

Es war am Ende einer Serie von langen, schwierigen Missionen eine lange, schwierige Mission gewesen und Sam fühlte sich sowohl körperlich als auch seelisch vollkommen erschöpft. Aber nichtsdestotrotz, dass sie gut und gerne eine Woche durchschlafen könnte, fand sie sich pflichtbewusst in der Kantine wider, um eines der Rituale von SG-1 durchzuführen. Das war so üblich im Militär, jede einzelne Einheit entwickelte ihre eigenen kleinen Rituale, die eingehalten werden mussten. Nicht, dass sie abergläubisch oder so wäre, aber wenn man jeden Tag sein Leben aufs Spiel setzte, dann tat man sein Bestes, um die Götter des Glücks nicht zu verärgern, wo auch immer sie sich befinden mögen.

Und so war eine Regel von SG-1, dass, wenn sie gesund und unbeschadet nach Hause kamen, sie sich mit ihrem Essen trafen und auf ihre sichere Rückkehr anstießen. Manchmal war es nicht mehr als nur ein Kaffee und ein Donut in ihrem Labor, manchmal ein Bier in der Stadt, gelegentlich auch mal ein richtiges Essen in einem Restaurant. Heute, da sie planmäßig zurückgekehrt waren, war es ein Abendessen auf dem Stützpunkt. Es war wirklich nicht wichtig, was sie aßen oder wo sie sich befanden, es war lediglich eines dieser 'Man sollte auf ein Stück Holz klopfen’ – Rituale und das musste strengstens eingehalten werden.

Da die Jungs zuerst unter der Dusche waren, war Sam die Letzte aus ihrem Team, die sich zu ihnen gesellte. Aber jemand – sie vermutete O’Neill – hatte ihr bereits ihre Lasagne geholt. „Hey“, begrüßte sie sie mit einem Lächeln und setzte sich auf den noch freien Stuhl neben Daniel und gegenüber von Colonel O’Neill. „Danke“, fügte sie mit einem Nicken zu ihrem Teller hinzu. „Ich bin am Verhungern.“

O’Neill schaute auf und beglückte sie mit eines seiner wenigen nichtsarkastischen Lächeln. „Entweder das oder etwas, was ich nicht richtig identifizieren konnte.“

Sie nickte. Ein leichter warmer Schauer erfasste sie, als sich ihre Blicke für den Bruchteil einer Sekunden trafen – einer dieser Bruchteile von Intimität, mit der ihre professionelle Beziehung gekennzeichnet war und ihr die gewisse Würze verlieh. „Sie kennen mich doch“, sagte sie ihm, als er seinen Blick senkte und sie ihre Gabel in die Hand nahm. „Ich würde für italienisches Essen töten.“

„Huh“, schnaubte O’Neill und stocherte in seinem Essen herum, „ich bin mir nicht sicher, ob man das wirklich Italienisch bezeichnen kann.“

„Zweifelsfrei ist es das nicht“, beobachtete Teal’c. „Es sieht ganz so aus, als ob das Essen hier in Colorado hergestellt wird.“

Jack lächelte und schaute amüsiert zu Sam hinüber. „Vielen Dank. Teal’c.“

„Okay, okay“, brachte sich Daniel ein und hob sein Glas mit Cola hoch.
„Auf eine sichere Rückkehr“, sagte er und verkündete ihren Trinkspruch.

„Auf eine sichere Rückkehr“, stimmten sie alle ein und stießen mit ihren Gläsern und Tassen an, bevor sie sich wieder ihrem Essen zuwandten.
Nach einem langen, angenehmen Schweigen, welches nur durch das Klirren des Geschirrs gekennzeichnet war, begann Daniel wieder zu reden. „Also“, sagte er langsam, „hat jemand schon irgendwelche Pläne für das Wochenende?“

Dieser leichte, unschuldige Klang in seiner Stimme ließ Sam von ihrem Teller aufblicken. „Warum?“, fragte sie lächelnd, als er seine Augenbrauen hochzog.

Daniel erwiderte das Lächeln. „Na ja“, begann er, „für den Fall, dass ihr es vergessen habt, aber am Sonntag ist mein Geburtstag und…“

„Wir haben’s nicht vergessen!“, unterbrach ihn Jack zu schnell, als das es glaubwürdig gewesen wäre. Sam sah ihn verwirrt an und er zuckte nur abwehrend mit den Schultern. „Ich wollte nur sagen…“, murmelte er, bevor er ganz seinen Mund schloss.

„Also, feierst du?“, fragte sie Daniel.

Er sah sie etwas verlegen an. „Ahm, eigentlich, ja… Ich dachte mir, dass ich vielleicht ein paar Leute für den Abend einlade… ich weiß, es ist sehr kurzfristig, aber ich hatte mir ehrlich gesagt noch keine wirklichen Gedanken darum gemacht, bis… bis ich grade duschen war… und wenn ihr Zeit habt…?“

„Das hört sich wunderbar an“, grinste Sam und berührte leicht seinen Arm. Als ob sie nicht kommen würden! „Am Abend, ja?“

„Denke ich mal“, nickte er. „Sieben Uhr?“

Noch immer lächelnd wandte sie sich an Teal’c. „Hast du Zeit?“

„Habe ich“, antwortete er. „Es wäre mir eine Ehre zu kommen, Daniel Jackson.“

Daniel wimmerte leicht, als er einen weiteren Schluck von seiner Cola nahm. „Bitte, fühle dich nicht geehrt“, sagte er ihm.

Teal’c antwortete ihm nicht, aber Sam musste lächeln, als sie ihn ansah und er nur stumm den Kopf neigte. So war es immer, dachte sie glücklich. Jedes Mal nach der Anspannung während einer Mission musste sie immer über diese kleinen Zusammentreffen lächeln. Für alle war es eine Erleichterung. Sie wandte sich an O’Neill und war überrascht zu sehen, wie er abwesend die Reste seines Essens auf den Teller hin und her schob. Seine Augenbrauen waren zusammengezogen, so wie sie es immer waren, wenn er nachdachte. „Also, was ist mit Ihnen, Colonel?“, fragte sie neugierig und versuchte seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. „Haben Sie bereits irgendwelche Pläne?“

„Ah… nein… nicht wirklich“, sagte er und klang so ausweichend wie ein Tok’ra es nur sein konnte.

„Nicht wirklich?“, hakte Daniel amüsiert nach. „Was soll das bedeuten?“
O’Neill begann auf seinem Stuhl herumzurutschen und es war offensichtlich, dass er sich nicht wohl in seiner Haut fühlte. Er schielte kurz hinüber zu Sam, aber aus irgendeinem Grund konnte er ihren Blick nicht treffen. Seine Gabel tippte nervös gegen den Tellerrand und Sam konnte ihm schon förmlich ansehen, wie er versuchte die richtigen Worte zu finden. „Ich, ähm…“, murmelte er und sah hinüber zu Daniel und dann wieder zurück auf seinen Teller. „Ich habe mich nur gefragt, ob es okay wäre, wenn ich noch jemanden mitbringe?“

Es herrschte ein langes Schweigen. Sam spürte, wie ihr Lächeln auf ihren Lippen erfror. Sie war sich nicht sicher, ob sie ihn richtig verstanden hatte, aber ein eisiger Schauer fuhr ihr über den Rücken. Jemanden mitbringen? Wen mitbringen?

„Eine Frau?“, unterbrach Daniel das erstaunte Schweigen mit einer amüsierten Ungläubigkeit.

O’Neills Stirnrunzeln vertiefte sich. „Nein, einen Hund“, schnappte er zurück. „Natürlich eine Frau!“

Das letzte Stück von Sams Lasagne blieb ihr im Halse stecken und sie konnte diesen Klumpen einfach nicht herunterschlucken. Ihr Mund war wie ausgetrocknet, ihr Herz pochte wie wild und in ihrem Kopf begann sich alles zu drehen. Eine Frau. Eine Verabredung. Oh Gott, nein. Das konnte er doch nicht wirklich… konnte er doch nicht, oder…?

Daniel war erneut ihre Stimme. „Ich habe gar nicht gewusst, dass du jemanden siehst.“ Er schien etwas beleidig zu sein oder es war einfach nur die Überraschung.

Aber Sam wagte es nicht zu ihm aufzusehen. Sie wagte nicht irgendwas anderes zu machen, als auf ihren Teller zu starren und so zu tun, als ob sie essen würde. Nur Gott alleine konnte wissen, was sich auf ihrem Gesicht abspielen würde und sie wollte nicht, dass es irgendjemand herausfand. Jack traf sich mit jemand anderen? Oh Gott…

„Ja, na ja…“, murmelte O’Neill auf Daniels Frage hin, „das liegt wahrscheinlich daran, weil ich dir nichts davon erzählt habe.“

„Nein“, stimmte Daniel ihm zu. Er schob seinen Teller weg und stützte seine Ellbogen auf dem Tisch ab. Er war so neugierig wie eine Tratschtante. „Und wie lange läuft das schon? Jemand, den ich kenne?“

Sam hob ihren Kopf grade mal so weit an, dass sie Jacks ernsten Blick sehen konnte, aber bevor er ihren erhaschen konnte, schaute sie schnell wieder hinunter auf ihren Teller. „Ein paar Monate“, antwortete er leise. „Wir fangen langsam an, weißt du?“

Monate? Sam fühlte sich so, als ob jedes einzelne Gefühl in ihrem Herzen herausgerissen und darauf herumgetrampelt wurde. Seit Monaten traf er sich mit jemandem und sie wusste es nicht – hielt er es nicht für angebracht es ihr zu sagen? Und all die Zeit dachte sie… sie hatte immer gedacht, dass er so für sie fühlen würde, wie sie es für ihn tat. Aber das tat er wohl nicht…Wie konnte er auch, wenn er sich mit jemand anderen traf? Wut begann tief unter ihrem Schmerz zu pochen. Hätte nicht wenigstens sie die Wahrheit verdient? Hätte sie es nicht verdient, dass er es ihr privat sagte und nicht vor dem gesamten, verdammten Team? Kümmerte er sich so wenig um die Gefühle, die sich zwischen ihnen entwickelt hatten? Kümmerte er sich so wenig um sie?

„Ah ja“, fuhr der Colonel leise fort. „Es ist jemanden den du kennst.“

Das wurde ja immer schlimmer und schlimmer. Es war jemand vom Stützpunkt? Jemand, mit dem sie sogar schon zusammengearbeitet hatte? Sam schnappte sich ihr Glas Wasser und nahm einen großen Schluck, stolz darauf, dass ihre Hand nicht zu zittern begann und ihre Gesichtszüge ausdruckslos blieben. Verdammt, sie schaffte es sogar zu lächeln. Aber in ihrem Inneren… Plötzlich wollte sie nur noch hier raus. Einfach nur verschwinden und ihrer Wut freien Lauf lassen. Wie konnte er ihr das nur antun? Wie konnte er nur so gefühllos sein?

„Wer?“, fragte Daniel, der sich dem Tumult, in dem sich Sam befand, nicht bewusst war.

Der Colonel zuckte mit den Schultern. „Erinnerst du dich noch an die Mission vor ein paar Monaten nach P8G-827?“

Sam runzelte die Stirn, als sie sich versuchte daran zu erinnern, aber in ihrem Kopf herrschte so ein Chaos, das sie keinen klaren Gedanken fassen konnte. Doch bevor es ihr noch möglich war weiter darüber nachzudenken, sagte Daniel: „Die, wo du dich die ganze Zeit beschwert hast, dass du Babysitter für ein paar Wissenschaftler spielen musstest, während Sam und Teal’c ihren Spaß auf J5R-689 hatten?“

Okay, das erklärte alles, sie war nicht dabei gewesen. Also, was hatte sie da nur verpasst?

„Ja“, antwortete Jack mit einem verlegenen Lächeln. „Die meine ich.“
Aber Daniel war noch vollkommen perplex. „Also, wer…?“, fragte er.

„Tasha“, antwortete Jack.

Tasha. Verdammt! Sie hasste diesen Namen bereits!

Für einen Augenblick war Daniel noch verwirrt, doch dann riss er überrascht seine Augen auf. „Doch nicht etwa Natasha Greene?“

„Doch.“

„*Doktor* Natasha Greene – Professorin der Anthropologie an der Universität von Colorado?“

O’Neill zuckte erneut mit seinen Schultern. „Denke ich mal.“

Daniel lachte. „Oh, der war gut, Jack“, sagte Daniel. „Fast hattest du mich.“

Für einen kurzen Augenblick flammte neue Hoffnung ins Sams Brust auf, aber ein Blick auf O’Neills dunkles und verletztes Gesicht, erstickte sie. Er meinte es ernst. Absolut. „Ich mache keine Witze“, sagte Jack plötzlich und stieß seinen Stuhl zurück, so als ob er aufstehen wollte, aber er tat es nicht. „Ich weiß wirklich nicht, warum du denkst, dass das so lustig ist.“

Das scharfe Kratzen seines Stuhles über den Boden ließ Sam aufblicken und für nur einen Moment trafen sich ihre Blicke. Aber sie schaute augenblicklich weg. Verlegen und ängstlich darüber, dass sie vielleicht Mitleid oder eine Entschuldigung in seinem Gesicht sehen würde. Das Einzige, was sie noch tun konnte, war den Funken Stolz zu bewahren, den sie noch hatte und so gut es ging ihre Gefühle seines Verrats zu verstecken und ihm nicht wissen lassen, wie sehr es schmerzte. Es war ein körperlicher Schmerz genau in ihr drinnen, aber genau hier und jetzt, in diesem Moment, schwor sie sich, dass er es *nie* erfahren würde… Er würde nie erfahren, wie sehr er sie verletzt hatte und wie sie führ ihn empfand. Niemals.

„’Tschuldigung“, sagte Daniel sofort, als er erkannte, dass Jack die Wahrheit sagte. „Es ist nur… sie scheint irgendwie nicht dein Typ zu sein. Ich meine… sie ist Wissenschaftlerin.“

„Ich mag Wissenschaftler“, murmelte er und er hätte vielleicht in ihre Richtung geschaut, aber Sam konzentrierte sich angestrengt auf den Pfefferstreuer in der Mitte des Tisches und so konnte sie es nicht mit Gewissheit sagen. Nach einem langen Schweigen begann der Colonel wieder zu sprechen. „Also, macht es dir nichts aus, wenn ich sie mitbringe?“

„Nein!“, sagte Daniel augenblicklich mit reichlich Enthusiasmus. „Bitte, bring sie mit! Sie ist eine faszinierende Frau – nun, das weißt du natürlich – aber ich habe einige ihrer letzten Veröffentlichungen gelesen und ich würde mich liebend gerne noch einmal mit ihr unterhalten.“

„Gut“, murmelte O’Neill und stand auf. Er schien genauso schnell verschwinden zu wollen wie Sam, was sie irgendwie ziemlich merkwürdig fand. „Nun denn, dann sehen wir uns Sonntagabend.“

„Ja, großartig“, antwortete Daniel. „So gegen sieben.“

Jack nickte nur und Sam spürte, wie sich seine Aufmerksamkeit auf sie richtete. „Ahm, schönes Wochenende, Carter“, sagte er.

Mit unglaublicher Willenskraft schob Sam den Schmerz und die Wut beiseite und sah zu ihm auf. Aber sie hatte keine Ahnung, was sie dort erblickte, so sehr war sie damit beschäftigt ihre eigenen geplagten Gefühle unter Kontrolle zu behalten. „Danke, Sir“, antwortete sie. „Ihnen auch.“

Er zögerte einen Moment und beobachtete sie etwas unsicher, bevor er nickte, davon ging und sie wie einen zersplitterten Scherbenhaufen zurückließ.

„Puh“, murmelte Daniel neben ihr. „Das war mal wieder der klassische Jack O’Neill. 'Oh, übrigens, seit ein paar Monaten treffe ich mich mit jemanden’ und dann ist es auch noch die weltweite Expertin in… Sam?“

Sie schüttelte sich selbst und wandte sich mit einem schwachen Lächeln an Daniel. „Hm?“

Er runzelte die Stirn und sah sie argwöhnisch an. „Alles in Ordnung?“

„Ja“, seufzte sie und stand ebenfalls auf. „Müde. Ich denke, ich werde jetzt gehen. Es war eine harte Woche und ich will einfach nur nach Hause.“

Daniel nickte langsam. „Genau“, sagte er. „Dann, gute Nacht. Sehen wir uns Sonntag?”

Sie zwang sich dazu ihr Gesicht nicht zu einer Grimasse zu verziehen und nickte. „Ja“, sagte sie. „Freu mich schon drauf.” Ja, genau, und wie sie sich freute! Gott, es musste doch eine Möglichkeit geben, wie sie da wieder raus kam! Mit einem weiteren gezwungenen Lächeln verschwand sie und fragte sich, wie es nur möglich war, dass in innerhalb von nur zehn Minuten ihre gesamte Welt über und unter ihr zusammengebrochen war.


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Jack zog langsam die Tür seines Büros zu und schloss sie ab. Er konnte es kaum erwarten nach Hause zu fahren. Es war eine sehr lange, lange Woche gewesen und manchmal dachte er wirklich, dass er zu alt für den ganzen Mist sei, den sie jeden Tag durchmachen mussten. Sein Rücken schmerzte und an seine Knie wollte er erst gar nicht denken… Verdammt, er konnte sich nicht mehr dran erinnern, wann sie mal nicht geschmerzt haben. Mit einem Gähnen zog er sich seine Jacke an und machte sich auf den Weg zum Fahrstuhl.

Er hatte es ihnen also gesagt. Drei Monate nach vollkommener Unruhe und dem ständigen Hinauszögern hatte er in den sauren Apfel gebissen und ihnen von Tasha erzählt. Nicht, dass es einen wirklichen Grund gab, warum er es ihnen nicht erzählen sollte, bis auf vielleicht seine eigene Privatsphäre… Es war schon eine Ewigkeit her, seit er sich das letzte Mal verabredet hatte und da wollte er sich am allerwenigsten mit den neugierigen Fragen seines Teams auseinandersetzen. Aber jetzt wussten sie es, jeder von ihnen… Carter mit eingeschlossen.

Mit einem Seufzen ging er um die Ecke und schaute hinunter auf seine polierten Schuhe, als sie den grauen Korridor entlang gingen. Er wusste ehrlich gesagt nicht, welche Reaktion er von Carter erwartet hatte – Erleichterung, Gleichgültigkeit oder Enttäuschung. Und sogar jetzt war er sich nicht sicher, wie sie die Neuigkeiten aufgenommen hatte. Sie war sehr still, hatte kaum etwas gesagt, aber wirklich bedrückt hatte sie auch nicht ausgesehen. Was gut war, erinnerte er sich selbst. Das Letzte, was er wollte, war sie zu verletzen. Wenn er auch nur einen Moment darüber nachdenken würde, dass sie möglicherweise dasselbe für ihn gefühlt hatte, wie er für sie… Er schüttelte seufzend den Kopf. Er wollte nicht schon wieder diesen stummen, alten Streit mit sich selbst führen. Jegliche Hoffnungen in diese Richtung waren Geschichte. Jeden Tag seit diesem ganzen Zar’tac Fiasko hatte sie es ihm vor Augen gehalten – nichts würde den Raum verlassen, niemand würde je etwas davon erfahren. Eingesperrt in diesem gottverdammten Raum!

Als er den Fahrstuhl erreichte, hob er seinen nachdenklichen Blick von seinen Füßen und er blieb auf… Carter hängen. Natürlich!

Sie stand in Zivil gekleidet, mit ihrer Lederjacke über ihre Schulter geworfen vor dem Fahrstuhl, während eine Hand durch ihre leicht abstehenden Haare fuhr. Augenblicklich blieb er stehen, aber genau in diesem Moment schaute sie über ihre Schulter und ihre Blicke trafen sich… Verdammt.

Er zwang sich zu einem Lächeln und ließ die Entfernung zwischen ihnen schwinden. „Hey“, nickte er, ohne sie wirklich anzusehen. „Geht’s nach Hause?“

„Ja, Sir.“ Ihre Stimme war dünn und trocken, sodass er aufhorchend zu ihrem Gesicht sah. Sie sah blass aus.

„Alles in Ordnung?“, fragte er.

Ein kurzes dunkles Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab, bevor sie ziemlich kalt antwortete: „Sicher. Warum sollte etwas nicht in Ordnung sein?“

„Keine Ahnung“, murmelte er vorsichtig und war etwas überrascht über die Kälte in ihrer Stimme.

Nach einem kurzen Augenblick fügte sie hinzu: „Es war eine anstrengende Mission… ich bin nur müde.“
 
„Ja“, stimmte er ihr zu, während sie von der Seite beobachtete.

Ein angespanntes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Sie schaute nicht zu ihm, sprach kein Wort, genauso wenig wie er. Aber er beobachtete sie und bemerkte ihren angespannten Kiefer, die tiefe Falte zwischen ihren Augen, als sie auf die Fahrstuhltüren starrte, so als ob ihr Blick sie dazu bringen könnte, sich zu öffnen. Nervös scharrte er mit seinen Stiefeln über den Boden und fragte sich, ob er irgendwas über Tasha sagen sollte. Aber dann auch wieder, hatte er keine Ahnung, was er sagen sollte… es war ja nicht grade so, als ob er ihr eine Erklärung schuldig war – Carter hatte ihren Standpunkt mehr als deutlich gemacht. Was auch immer sie vielleicht für ihn gefühlt haben mochte, ihre Professionalität würde ihr nie erlauben diese Grenze, die über eine Freundschaft hinausging, zu überschreiten. Und so hart es für ihn zuerst auch war dies zu akzeptieren, hatte er es getan und er respektierte ihre Entscheidung. Gott, er wusste, dass er es nicht wert war, dass sie ihre Karriere aufs Spiel setzte. Er hatte gedacht, dass sie vielleicht erleichtert oder glücklich darüber wäre, dass er jetzt jemand anderes sehen würde, sodass diese wachsende Verlegenheit zwischen ihnen endlich verschwand – keine weiteren vorsichtigen Ablehnungen ihrerseits, wenn er mal vorschlug, dass sie nach der Arbeit mal was zusammen trinken könnten, keine weiteren Einladungen zu seiner Hütte. Das war das, was sie wollte.

Und jetzt, wo er sie sah, begann er sich zu wundern. Sie schien… wütend zu sein. Das war die einzige Beschreibung, die ihm einfiel. Die Frage war jedoch, ob es etwas damit zutun hatte, dass er sich mit Tasha traf oder nicht. Aber er hatte sich bezüglich Carter schon so oft zu Narren gemacht, als dass er jetzt irgendwelche waghalsigen Vermutungen aufstellen würde. Und er würde sie sicherlich nicht danach fragen, nur damit sie ihm dieses höfliche, aber entschuldigende Lächeln geben und sie ihm sagen würde, dass sie nur so wütend war, weil gerade ihr Naquadah-Reaktor explodiert war. Nein, es gab wahrscheinlich einen anderen Grund, etwas vollkommen anderes, was überhaupt nicht mit ihm zutun hatte oder…

Die Türen des Fahrstuhls öffneten sich.

Carter warf ihm von der Seite einen kurzen Blick zu und betrat noch immer schweigend den Fahrstuhl. Sie waren alleine. Zusammen. Jack konnte förmlich die Spannung spüren, die sich aufbaute, als die Türen sich langsam schlossen. Bis Sam in dem letzten Augenblick auf den Knopf drückte und sie sich wieder öffneten. „’Tschuldigung“, murmelte sie. „Ich habe etwas in meinem Labor vergessen“ Und damit war sie verschwunden. Sie eilte ohne ihm noch eines Blickes zu würdigen den Korridor hinunter.

Die Türen schlossen sich, bevor sie um die Ecke verschwunden war und ihm die Sicht versperrte, als sich der Fahrstuhl langsam in Bewegung setzte. Seufzend lehnte Jack seinen Kopf gegen das kalte Metall. Er tat das Richtige, erinnerte er sich. Das ist doch das, was sie wollte. Was für sie beide am besten war.

Das war es.


+++++++++

Sam stand vor dem großen Wandspiegel in ihrem Schlafzimmer und starrte sich selbst an. Um sie herum lagen Kleidungsstücke auf dem Bett verteilt und auf dem Boden lagen die Sachen, die sie dort hingeworfen hatten, weil sie ihr nicht gefielen. In keinen dieser Teile fühlte sie sich auch nur annähernd attraktiv – sie hasste sie alle.
„Nun, irgendwas musst du aber anziehen“, sagte sie bitter zu sich selbst. „Wenn ich gehe“, antwortete sie und starrte auf ihr Spiegelbild.

Sogar ihre Haare störten sie. Sie ließen sie mehr wie ein Junge aussehen als alles andere. Wenn sie sie nur etwas länger wachsen lassen könnte, dachte sie und zupfte an einer Strähne, die in eine komplett falsche Richtung abstand. „Blöden Vorschriften“, murrte sie. Doch diese Worte führte sie nur auf einen noch dunkleren Pfad.

Vorschriften.

Wenn sie nicht an diese dämliche Vorschriften gebunden wäre, wer weiß, was dann vor ein paar Monaten passiert wäre, als sie und Jack dazu gezwungen waren sich ihren Gefühlen gegenüberzustellen, die sie so verzweifelt versucht hatten, zu verstecken. Wenn doch nur… Sie schloss ihre Augen bei dem Anblick ihres Spiegelbildes. Sie hatte dieses bleiche Gesicht mit den zwei großen Augen so satt. Sie war es so leid sich so beschissen zu fühlen… Gott, es gab nichts auf der Welt, was ein Mädchen so mies fühlen ließ, als wenn es abserviert wurde.

„Du wurdest nicht abserviert“, knurrte sie zu sich selbst und ließ sich ungeachtet auf das Chaos auf ihrem Bett fallen. Es war wahr, technisch gesehen, aber es fühlte sich verdammt noch mal so an. In der einen Minute teilte sie noch ein warmes, anziehendes Lächeln mit ihm und in der nächsten erzählte er ihnen, dass er mit Tasha zusammen war.

Mistkerl.

Ihre Wut war über das Wochenende nicht weniger geworden, eigentlich hatte sie sich nur noch mehr verfestigt. Sie hatte jedoch nicht einmal geweint und darauf war sie verdammt stolz. Sie würde sich nicht wie irgendein pubertierender Teenager ihre Augen ausheulen. Auf gar keinen Fall. Etwas Stolz besaß sie noch. Nur ganz langsam gefror ihr innerer Schmerz zu Wut. Die Gefühle, die in ihrem Herzen gefangen waren, würden ein anderes Ventil finden müssen. Wenn sie nicht weinen würde, wenn sie sich nicht dem Gefühl des Verlusts hingeben würde, dann würden sie einen anderen Weg finden.

Sie hatte ihn geliebt. Bis zu diesem Moment. Noch bis vor zwei Tagen hatte sie ihn geliebt – eine stille Liebe vielleicht, eine unausgesprochene Zuneigung, aber sie war so tief, dass sie ihr nie richtig auf den Grund gehen konnte. Aber jetzt…?

Wenn sie daran dachte, wie er es ihr gesagt hatte, so unbekümmert und gefühllos, dachte sie sogar, dass sie ihn vielleicht hasste. Und die Stärke ihrer Wut spiegelte nur die Tiefe ihrer Liebe wieder, die er verraten hatte. Sie hasste ihn. Mit jeder Faser ihres Körpers. Es interessierte sie nicht, ob er glücklich war. Sie war viel zu wütend, um vernünftig zu denken. Scheiß auf sein Glück! Er kümmerte sich wahrscheinlich einen Dreck um ihres.

Und jetzt musste sie ihm – und *ihr* - gegenübertreten. Sie musste sich mit ihnen unterhalten und lächeln. Sie musste höflich sein, wenn sie eigentlich nur schreien wollte: „Warum willst du mich nicht mehr? Warum hast du mir nichts von ihr erzählt?“

„Mistkerl“, sagte sie laut, ihre Augen öffnend und starrte hinauf an die Decke. „Elender, arroganter Mistkerl!“

Wenn es nur eine Möglichkeit gegeben hätte Daniels Party zu meiden, dann hätte sie sie augenblicklich am Schopfe ergriffen. Aber es gab keine Möglichkeit, ohne Daniel damit zu verletzen. Sie hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, dass sie vom Rande des Freeways aus anrufen und ihnen sagen würde, dass ihr Auto liegen geblieben sei, aber sie wusste auch, dass jemand zu ihr gekommen wäre… Mit aller Wahrscheinlichkeit O’Neill… Nein, sie konnte dem nicht aus dem Weg gehen. Sie musste dort hingehen. Sie musste lächeln und das Richtige tun, genau so, wie sie es ihr ganzes, gottverdammtes Leben getan hatte. Sie musste so tun, als ob ihr Herz nicht schmerzen würde, dass sie nicht verletzt war, wo sie doch am liebsten einfach nur weinen oder ihn einfach nur aus reiner Wut eine reinhauen würde. Und dann musste sie zurück zur Arbeit und ihn jeden Tag sehen, mit dem Wissen, dass diese spezielle Verbindung, die sie in ihr Herz geschlossen hatte, verschwunden war und dass er diese zarten Gefühle in ihr nicht wollte.

„Du kannst das tun“, sagte sie sich ernst und setzte sich auf. Sie sah sich im Spiegel an. „Du bist stark. Du hast schon Schlimmeres überlebt.“

Sie schaute sich um und zwang sich dazu für etwas zu entscheiden. Die gefährliche Seite in ihrem Kopf wies auf das kurze, enge schwarze Kleid hin, welches sie bisher nur einmal getragen hatte. Das würde mit Sicherheit seine ganze Aufmerksamkeit auf sie richten! Entweder das, dachte sie mit einem grimmigen Lächeln, oder sie sah so aus, als ob sie vollkommen verzweifelt auf der Suche nach einem Flirt war. Und dafür hatte sie nun wirklich nicht die Kraft. Nach einem Moment griff sie sich eine schwarze Jeans, ein rotes T-Shirt und ihre Lederjacke. Es war ja nur Daniel, und wenn sie sich schon vollkommen unattraktiv fühlte, dann konnte sie sich auch dementsprechend kleiden. Es war ja nicht so, als ob es jemand bemerken würde.

Seufzend zog sie sich ihre Schuhe an, versuchte noch ihr letztes Glück mit ihren Haaren und legte dezent einen Lippenstift auf, der sie nicht wie eine rote Verkehrsampel aussehen ließ. Dann nahm sie das kleine Geschenk, welches sie für Daniel gekauft hatte und ging zu Tür.

Das würde ein verdammt langer Abend werden.


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Jack war nervös. Das war lächerlich. Er war nie wirklich eine Mimose gewesen, wenn es um Partys ging, aber heute Abend war er nervös. Aus Tashas Schlafzimmer hörte er den Föhn und er schaute hinunter auf seine Uhr. Es war bereits zehn vor sieben und sie war immer noch dabei sich ihre Haare zu föhnen! Sie würden sich verspäten. Er hasste es, wenn er sich verspätete.

Er stand auf und lief in ihrem überfüllten Wohnzimmer auf und ab, um seine Nerven zu beruhigen. Es war einfach lächerlich nervös zu sein. Er würde bei Daniel mit seinem Team und noch ein paar anderen Leuten, die Daniel eingeladen hatte, zu Abend essen. Er würde mit seinem Team und seiner Freundin zusammen zu Abend essen. Er zuckte augenblicklich zusammen, als er an das Wort dachte. Freundin? Wohl kaum! Nun, wie immer man es auch im einundzwanzigsten Jahrhundert nennen mochte, wenn er schon fast fünfundvierzig war. Tasha war es. Und sie würde heute Abend dort sein, mit dem Rest seines Teams… Mit Carter.

Er hielt in seiner Bewegung inne und starrte aus ihrem Fenster. Seine eigene Reflexion im Glas war nur geisterhaft gegen die Lichter der Stadt. Carter. Er war klug genug, um zu wissen, warum ihn der Gedanke an Carter und Tasha in einem Raum nicht grade Freude bereitete. Seine Gefühle für beide Frauen waren mehr als nur ein bisschen verschwommen. Er mochte Tasha sehr. Sie war klug, lustig und geduldig. Ganz zu schweigen davon, dass sie wunderschön war. Und sie war sehr offen und einfach zu verstehen. Sie sagte genau das, was sie fühlte, wenn sie es fühlte. Es war eine sehr erfrischende Abwechslung.

Carter hingegen… Er konnte nie mit Sicherheit sagen, was sie grade dachte. Nein, das stimmte nicht. Wenn sie zusammenarbeiteten, wusste er genau, was in ihrem Kopf vorging. Ihre militärischen Gedankenstränge waren schon fast identisch. Aber auf einer persönlichen Ebene würde sie ihn mit einem halb amüsierten und halb herablassen Blick ansehen und er hatte nicht den Hauch einer Ahnung, was das zu bedeuten hatte. Manchmal dachte er, dass es Mitleid wäre, andere Male dachte er, dass es Zuneigung, vielleicht sogar Liebe wäre. Aber sie versteckte sich so sehr hinter ihrer militärischen Maske, dass er dachte, sie überhaupt nicht zu kennen. Nicht, dass es irgendwas an seinen Gefühlen ihr gegenüber ändern würde. Sie bedeutete ihm noch immer sehr viel – viel mehr als es ihm erlaubt war in ihrer professionellen Beziehung und der Tatsache, dass er mit einer anderen Frau zusammen war.

Dieser Gedanke machte ihn unruhig und er wandte sich von seiner blassen Reflexion ab und drehte sich zurück in den Raum. Er wusste, dass es nie eine romantische Zukunft für ihn und Carter geben wird und je eher er darüber hinwegkommen würde, desto besser. Und wenn Tasha ihm mit ihrer Wärme, ihrer Offenheit und kompletten Zuneigung dabei helfen konnte, dann wäre er ein Idiot, wenn er sie wegen einem hoffnungslosen Traum abweisen würde… oder?

„Jack?“ Ihre Stimme hinter ihm ließ ihn irgendwo schuldig zusammenzucken, aber er brachte seine Gefühle wieder unter Kontrolle, bevor er sich zu ihr umdrehte.

„Du siehst großartig aus“, sagte er und nahm ihren Anblick – die dunklen, eleganten Locken und dieses Kleid – in sich auf. Sie war immer so verdammt elegant, dass er sich neben ihr total schäbig vorkam. Er schaute an sich herunter. „Bist du enttäuscht?“

Tasha lächelte. „Daniel ist dein Freund“, erinnerte sie ihm, als sie näher auf ihn zuging und seine Hand nahm. „Aber ich denke, dass du toll aussiehst.“ Dann schaute sie auf ihre Uhr und zuckte leicht zusammen. „Entschuldigung.“

Jack zuckte mit den Schultern und griff nach seiner Jacke. „Macht nichts“, versicherte er ihr. „Daniel war in seinem ganzen Leben noch nicht einmal pünktlich. Er wird es nicht einmal bemerken.“

„Das wird bestimmt lustig“, sagte Tasha, als sie seine Hand nahm und sie zur Tür gingen. „Ich kann es kaum erwarten endlich alle mal kennenzulernen.“

Jack lächelte nur und wünschte sich, dass seine eigenen Gefühle bezüglich dieses Themas nicht so verdammt verwirrend waren – und dass dieser Schwarm von Schmetterlingen in seinem Bauch endlich Ruhe geben würde.


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Sam bemerkte, als sie das Wohnzimmer betrat, dass Daniel es geschafft hatte, eine Menge Leute zusammenzutrommeln, deren Gesichter ihr nicht alle vertraut waren. Sie entdeckte Janet jedoch sofort und ging zu ihr an die kleine Bar, wo sie sich grade ein Drink einschenkte.

„Hey“, sagte Sam und blieb neben ihr stehen. „Ich war mir nicht sicher, ob du es schaffen würdest.“

Janet drehte sich lächelnd zu ihr um. „War ich mir auch nicht“, stimmte sie ihr zu, „aber die Götter – und SG-8 – hatten Erbarmen mit mir und so konnte ich schon früher gehen.“

„Ich bin froh“, antwortete Sam wahrheitsgemäß und sah sich flüchtig nach Jack um.

„Er ist noch nicht hier“, sagte Janet, als sie einmal unschuldig an ihrem Drink nippte.

Mit einem Stirnrunzeln mixte sich Sam ein Gin-Tonic – sie brauchte jetzt wirklich einen. „Wer?“

„Du weißt schon wer“, sagte Janet.

Sam schielte sie aus ihrem Augenwinkel heraus an. „Du hast von seiner Verabredung gehört?“, fragte sie und versuchte ihr Bestes nicht allzu bitter zu klingen.

Janet nickte. „Daniel denkt, dass es ziemlich lustig ist“, sagte sie. „Er kann sich einfach nicht vorstellen, wie jemand, der so klug wie Professor Greene ist, sich in den Colonel verlieben könnte.“

„Huh“, antwortete Sam und griff nach ihrem Glas. Super!

„Ich sagte ihm, dass er absolut keine Ahnung von Frauen hat“, antwortete Janet grinsend. „Er stimmte mir zu.“

Das ließ Sam lächeln und sie nahm einen Schluck von ihrem Drink. „Woah“, seufzte sie – das war stark! „Genau, was ich im Moment brauche.“

Janet sah sie besorgt von der Seite an und legte eine Hand auf ihren Arm. „Komm schon, lass uns reden.“ Sie führte Sam in eine stillere Ecke, setzte sich und gab Sam zu verstehen, dass sie es ihr gleichtun sollte. Irgendwie war sie erleichtert Janet an ihrer Seite zu haben und plötzlich wusste sie, dass sie in der Stimmung war zu reden. „Also“, begann Janet vorsichtig, „wie lange geht das schon mit dem Doktor?“

Sam zuckte seufzend ihre Schultern und sank tiefer in den Armsessel. „Anscheinend schon ein paar Monate.“

„Wow“, hauchte Janet. „Und du hattest keine Ahnung?“

„Nein.“ Sie schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck von ihrem Drink. Sie spürte, wie der Alkohol die Anspannung in ihren Muskeln etwas lockerte. „Ich kann einfach nicht glauben, dass er nichts gesagt hat.“

„Vielleicht wollte er dich nicht verletzen?“, schlug Janet vor, auch wenn es nicht sehr überzeugend klang.

„Huh“, knurrte Sam. „Wenn er sich darum Sorgen machen würde, dann würde er sich nicht mit Tasha treffen, oder?“

„Tasha?“, wiederholte Janet den Namen. „Das ist ihr Name?“

„Ja. Klingt eher wie ein Name, den man seinem Hund geben würde.“

Janet zuckte leicht. „Vorsichtig, Sam“, warnte sie ihre Freundin. „Es ist nicht ihre Schuld.“

„Ich weiß“, seufzte Sam und senkte ihren Blick. „Es ist nur… ich weiß ja, dass da nichts… dass wir nichts miteinander hatten, aber… aber da war etwas… weißt du? Ich dachte, wir hätten so etwas wie eine Vereinbarung.“

„Das dachte ich auch“, nickte Janet. „Ich weiß, dass du ihm etwas bedeutetest, das war offensichtlich.“

„Nicht mehr“, antwortete sie grimmig, als sie einen weiteren großen Schluck von ihrem Gin-Tonic nahm.

Janet antwortete darauf nicht, sondern sagte einfach nur: „Also bist du wütend auf ihn.“

„Er kam mitten in der Kantine damit heraus“, antwortete Sam und erlaubte einen Funken ihrer Wut zur Oberfläche durchzusickern. „Genau vor Daniel und Teal’c! Ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte… Ich war so…“

„Verletzt?“

„Ja.“

„Mistkerl.“

„Das hast du gesagt.“

Janet beugte sich nach vorne und nahm Sams Hand in die ihre. „Es tut mir wirklich leid“, sagte sie. „Du hast mehr als das verdient, Sam.“

Sam verdrehte ihre Augen und holte einmal tief Luft. „Ich werd’s schon überleben“, versicherte sie ihrer Freundin. „Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich abserviert wurde.“

„Jack O’Neill ist ein Idiot“, stellte Janet klar. „Er weiß nicht, was ihm entgeht.“

Trotz ihrer Wut verspürte Sam den Drang ihn zu verteidigen. „Komm schon“, sagte sie reuevoll. „Ihm entgeht gar nichts. Es gab doch nie wirklich eine Chance für uns, das weißt du doch.“

Aber Janet schüttelte ihren Kopf. „Sag niemals nie“, sagte sie ihr ernst.

„Jetzt schon“, verdeutlichte Sam ihr mit einem traurigen Lächeln. Sie wollte gerade einen weiteren Schluck nehmen, als sie merkte, dass ihr Glas bereits leer war. „Ich brauche Nachschub“, entschied sie sich.
 
Janet lächelte und leerte ebenfalls ihr Glas. „Hört sich großartig an.“

Als sie sich auf den Weg zurück zur Bar machten, kam Daniel mit einem breiten Grinsen auf sie zu. „Sam“, sagte er bereits leicht angetrunken. Er nahm sie in seine Arme. „Ich bin froh, dass du gekommen bist.“

„Kann ich mir doch nicht entgehen lassen“, versicherte sie ihm, erwiderte seine Umarmung und gab ihn einen Kuss auf die Wange. „Happy Birthday.“

„Danke“, antwortete er fröhlich und beugte sich zu Janet hinunter, damit er sie auch umarmen konnte.

„Ich dachte, dass wir uns bereits begrüßt hätten“, lachte sie, aber ihre Stimme ging in seiner begeisterten Umarmung unter.

„Ich weiß!“, lächelte er. Dann ließ er sie los und schaute über ihre Schulter. „Oh, da ist ja Jack“, rief er und lief zu seinem Freund.

Sams Herz machte einen schmerzhaften Aussetzer und ihr Magen zog sich zusammen. Das war es also. Sie spürte eine beruhigende Berührung von Janet, aber sie brachte einfach kein Lächeln zustande, als sie sich langsam umdrehte, um Daniel mit ihrem Blick zu folgen. Jack stand genau in der Tür, sah sich wie immer um und an seiner Seite stand eine Frau, die wohl Tasha sein musste. Sie war schlank und elegant, ihr dunkles Haar fiel in Locken über ihre Schultern und ihr leicht ovales Gesicht wurde durch zwei große Augen, die genauso dunkel, wie Jack seine waren, erhellt. „Oh Gott“, stöhnte Sam halb zu sich und halb zu Janet. „Sie ist wunderschön.“

„Sieht älter aus als du“, antwortete Janet nach einer Weile, da sie Sams Worte offensichtlich nicht verneinen konnte, und versuchte ihr wenigstens etwas Trost zu schenken. Sam lächelte leicht, sah aber alles andere als ermutigt aus. Sie schaute hinunter auf ihrer Jeans und dem T-Shirt und fühlte sich mehr als denn je, wie der pubertierende Teenager in ihr.

„Ich hätte ein Kleid anziehen sollen“, murmelte sie.

„Du siehst toll aus“, versicherte ihr Janet.
Mit Begeisterung stürmte Daniel zu Jack und begrüßte ihn mit einer Umarmung, die Jack geschickt erwiderte. Sam konnte nicht hören, was sie sagten, aber Daniel redete unaufhörlich auf Tasha ein, welche als Antwort lächelnd nickte. Nach einem Moment drehte sich Daniel um und führte die beiden zurück zu Sam und Janet, die noch immer an der Bar standen. Impulsiv versuchte Sam zu flüchten, aber sofort lag Janets Hand wieder auf ihren Arm. „Steh das jetzt durch“, zischte sie ihr zu. „Du weißt, dass du das irgendwann so oder so tun musst.“

Sam nickte aufgrund der Logik, aber ihr Magen zog sich so eng zusammen, dass es schon wehtat. Hastig schenkte sie sich einen weiteren Drink ein und ließ den Gin gleich vollkommen weg. Jetzt war wirklich nur noch Platz für Tonic.

„Sam, Janet“, sagte Daniel, jetzt nüchterner als noch vor wenigen Minuten und zu Sams grenzenloser Bestürzung, sah sie, wie er sie kurz besorgt ansah. Gott, wusste es bereits jeder? „Seht mal, wen ich gefunden habe.“

Sam schaffte es schwach zu lächeln, als sich Jack und Tasha zu ihnen gesellten. „Hey“, begrüßte Jack sie mit einem Fehlen seiner sonst so fröhlichen Ausgelassenheit. Sie bemerkte, dass er etwas nervös aussah. „Wie geht’s?“

„Gut“, log Sam und hörte Janet neben sich etwas Ähnliches murmeln.

Jack nickte, so als ob er es fast nicht gehört hatte, und wandte sich dann an Tasha. „Ahm, Tasha, das ist Carter und Dr. Fraiser.“ Er schielte flüchtig zu ihnen hinüber. „Das ist Natasha Greene.“

Janet leistete ganze Arbeit. Mit einem breiten Lächeln streckte sie ihre Hand aus. „Es ist schön Sie kennenzulernen, Natasha. Und nennen Sie mich ruhig Janet.“

Tasha schüttelte ihre Hand. „Es freut mich auch Sie zu treffen“, antwortete sie mit einem breiten Lächeln, wobei ihre weißen Zähne zum Vorschein kamen, bevor sie sich an Sam wandte. „Sie natürlich auch, Major Carter“, sagte sie und streckte ihr eine Hand hin. „Jack hat schon so viel von Ihnen erzählt.“

Sam nahm die Hand und spürte, wie etwas in ihr zu zittern begann, als sie zu verstehen begann, dass das die Frau war… das war die Frau, die all das haben könnte, was ihr nie erlaubt sein wird… sie konnte alles mit ihm… Okay, hör sofort damit auf. „Freut mich auch“, antwortete sie mit ruhiger und hoffentlich nicht allzu kühler Stimme. „Und es ist Sam, nicht Carter.“

Tasha lächelte. „Also, dann sind Sie also diejenige, die Jack den ganzen Tag auf Trapp hält?“

Sie lachte etwas und schielte schnell zu O’Neill hinüber. Sein Blick ruhte bereits auf ihr und für einen Bruchteil einer Sekunden trafen sich ihre Blicke, aber der Moment war so verwirrend, dass sie nicht wusste, was er dachte. „Ich gebe mein bestes“, antwortete sie etwas albern.

„Tasha“, unterbrach Daniel sie plötzlich. „Würde es Ihnen etwas ausmachen…? Ich würde gerne… ich habe Ihren Beitrag in der letzten Ausgabe der 'Athena Review’ gelesen und ich habe mir einige Gedanken gemacht…“

Sam drehte sich erleichtert darüber, dass Daniel eingesprungen war, zurück zu den Drinks um. „Kann ich jemanden irgendwas bringen?“, fragte sie über ihre Schulter. Sie war einfach nur froh etwas machen zu können, anstatt mit ihnen zu reden.

„Ich nehme ein Bier“, sagte Jack und stellte sich neben sie. „Tasha? Weißwein?“

„Ja, großartig, danke.“

Wein… Okay… Sam griff, ohne nachzudenken nach einem Glas und einer Flasche. Sie konnte kaum glauben, dass sie hier stand und Jacks Verabredung etwas zu trinken einschenkte. Mehr als eine Verabredung – seine Freundin, seine Partnerin, Lebensgefährtin… was auch immer… Sie begann damit das Glas zu füllen und schenkte dem, was sie wirklicht tat, herzlich wenig Aufmerksamkeit, als sie bereits ihre Flucht plante. Teal’c musste hier noch irgendwo sein, überlegte sie. Sie würde einfach verschwinden, um ihn zu suchen. Vielleicht ging sie dann einfach nur für eine Weile hinaus auf den Balkon…

„Ahm, Carter?“ Jacks leise Stimme war direkt an ihrem Ohr. „Weiß, nicht rot.“

„Huh?“, murmelte sie. Sie war angespannt bis zum äußersten, sodass seine sanfte Stimme sie zusammenzucken ließ.

„Ich denke, dass sie Weißwein wollte.“

„Oh“, sagte Sam nickend. „Richtig… ich habe nicht nachgedacht.“ Sie streckte ihre Hand nach der Flasche Weißwein aus, aber dabei schaffte sie es das halb volle Rotweinglas umzuwerfen, sodass der gesamte Inhalt über den Tisch und Teppich floss. „Verdammt!“

 

„Woah!“, schrie O’Neill auf und schnappte sich eine Handvoll Servierten und warf sie auf die Pfütze, bevor noch mehr auf den Boden tropfen konnte.

„Ich hab’s schon“, murmelte Sam wütend über sich selbst und vollkommen verlegen. Ihre überstrapazierten Gefühle ließen sie fast in Tränen ausbrechen. Aber Jack ließ nicht von den aufgesogenen Servierten ab, als Sam nach ihnen griff und irgendwie verwickelten sich ihre Finger ineinander. Dieser flüchtige Kontakt fuhr wie ein verbotener Rausch durch sie hindurch, es erweckte in ihrem Bauch eine unglaubliche Leidenschaft und ließ ihren Griff um seine Hand wahnsinnigerweise festigen. Ihre Finger zuckten mit einem sanften Druck um seine herum, bevor sie es schaffte ihre Hand schließlich wegzuziehen. Sie spürte, wie sie vor Verlangen und Verwirrtheit rot anlief. Gott, was zum Teufel tat sie nur da? Tasha stand keinen Meter von ihr entfernt!

Neben sich hörte sie, wie Jack sich räusperte. „Sie sollten etwas Weißwein darauf schütten“, sagte er schroff und nickte auf den großen Rotweinfleck auf dem Teppich. „Dadurch zieht es nicht weiter ein.“

„Ja“, murmelte sie und schaute dann mit einem leisen Wimmern zu Daniel auf. „Es tut mir so leid, Daniel. Ich bin so ein Trottel.“

Er zuckte nur mit den Schultern. „So was passiert. Soll ich eine weitere Flasche aufmachen?“

„Ich denke, dass wir noch genug haben“, sagte Janet und wischte weiterhin den Tisch ab, während Sam etwas Weißwein auf den Boden tröpfeln ließ. „Sam“, sagte sie nach einem Moment und berührte ihre Schulter. „Warum gehen wir nicht in die Küche und sehen nach einem Lappen oder etwas Ähnlichem?“

Dankbar schaute sie auf und sie und Janet tauschten einen vielsagenden Blick aus. Flucht. Danke Gott. Und damit stand sie auf, nahm die nassen Servierten an sich und flüchtete, gefolgt von einem Haufen aufgewühlten und verwirrten Gefühlen, in die Küche.
Sie hatte ihn berührt. Sie hatte die Wärme seine Finger gegen die ihren gespürt und sie wollte ihn so sehr, dass es schon schmerzte. Aber er wollte sie nicht, er wollte Tasha. Und dafür hasste sie ihn. So sehr, dass es schmerzte.

Sie hasste ihn.

Sie liebte ihn.

Oh Gott.


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Jack hörte der Unterhaltung zwischen Daniel und Tasha nur mit einem halben Ohr zu. Obwohl er ihr Thema nicht uninteressant fand, hatte er wirklich keinen Nerv für ihre Unterhaltung. Seine Gedanken waren zu sehr abgelenkt. Und so stand er bei ihnen, während er an seinem Bier nippte und sein Blick immer öfters zur Küche abschweifte.

Er konnte Carter sehen, wie sie leise mit Janet redete. Sie goss sich einen weiteren Drink ein und kippte ihn ziemlich schnell runter. Das überraschte ihn. Er hatte Carter nie als jemanden gesehen, der viel trank. Sie schien immer viel zu kontrolliert zu sein, um sich so gehen zu lassen, im Gegensatz zu ihm natürlich. Nur noch ein weiterer Unterschied zwischen ihnen.

Er seufzte, als er sie beobachtete, wie sie gegen die Kante der Spüle lehnte, während sie mit Janet redete, die mit etwas im Spülbecken beschäftigt war. Es kam nicht oft vor, dass er sie ohne ihre Uniform sah und er musste zugeben… Wow… Schwarze Jeans, die genau die richtigen Stellen betonten, ein T-Shirt, das ebenfalls dieselbe Aufgabe erfüllte, ihr Haar war leicht durcheinander, sodass es ihre Gesichtszüge lebendig machten. Er war noch nie jemand gewesen, der die typisch schönen Frauen bevorzugte. Die, die man sich nicht traute zu berühren, da man ja ihre Frisur ruinieren oder ihr Kleid verrutschen könnte. Aber Carter…

„Also“, sagte Tasha neben ihm und legte ihren Arm durch seinen. „Jetzt muss ich nur noch Teal’c kennenlernen… Ist er hier?“

„Ahm“, murmelte Jack räuspernd, als er schnell in ihre Richtung sah. „Ich habe ihn noch nicht gesehen…“

„Er ist in meinem Arbeitszimmer“, erklärte Daniel. „Dr. Bell hat vorhin mit ihm gesprochen und sie haben sich dann in diesen ganzen kulturellen Relativismus vertieft… Teal’c gibt ihm einen kleinen geschichtlichen Hintergrund über die Jaffa-Kultur. Ich denke, dass sich Steve Notizen macht oder so.“

Tasha schaute grinsend zu Jack auf. „Weißt du“, sagte sie, „ich muss zugeben, dass sich das ziemlich interessant anhört. Ich weiß, dass es eine schreckliche Spaßbremse ist, aber…?“

Jack lächelte aufgrund ihres verlegenen Eifers… das war eines der Dinge, die er an ihr mochte. „Hey“, sagte er und ging einen Schritt zurück. „Wenn du Teal’c zuhören willst, wie er über tote Jaffa berichtet, dann werde ich dich nicht aufhalten. Ich bin glücklich mit meinem…“ Er schaute hinunter auf sein Bier. „…meinem Bud hier.“

„Bist du dir sicher?“, fragte sie. „Du wirst auch nicht schmollen?“

Er zog eine Augenbraue hoch. „Ich schmolle nicht.“

„Huh!“, lachte sie und über ihre Schulter hinweg konnte Jack Daniel sehen, wie er vergeblich versuchte ein Grinsen zu verstecken. Aber Tasha beruhigte ihn, als sie leicht seinen Arm drückte. „Bist du dir auch sicher?“

„Sicher“, antwortete er und er meinte es auch so.

Sie lächelte und stellte sich leicht auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen. Er fühlte sich mit Daniel neben ihm etwas unsicher, aber trotzdem erwiderte er den Kuss. Als sie sich trennten, schaute er instinktiv hinüber zur Küche. Gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Carter abrupt ihren Blick von ihm abwandte und er wusste, dass sie es gesehen hatte. Und das störte ihn. Mehr als er angenommen hatte.
„Wenn ich zu lange weg bin, dann komm und hol mich“, rief sie, als Daniel sie bereits aus dem Zimmer führte. „Und das ist mein Ernst!“

Jack lächelte nur und hob als Antwort sein Bier. Aber als er sich umdrehte, verschwand sein Lächeln jedoch und er wandte seine Aufmerksamkeit zurück zur Küche. Carter war verschwunden, nirgends zu sehen, aber Janet war noch immer fleißig am Arbeiten. Es sah so aus, als ob sie mit ein paar Pizzakartons herumhantieren würde. Jack grinste plötzlich. So geht’s auch, Daniel. Nichts geht doch über etwas Raffinesse!

Er bahnte sich sein Weg durch die Menge und ging in die Küche. „Brauchen Sie Hilfe?“, fragte er Janet, als sie Schubladen und Schränke nach etwas durchsuchte.

Sie drehte sich zu ihm, und bevor sich ihre Gesichtszüge entspannten, konnte er noch ein leichtes Stirnrunzeln sehen. „Wissen Sie zufällig, wo er so etwas wie Servierplatten aufbewahrt?“

Jack zuckte mit den Schultern. „Ich weiß, wo sich das Bier befindet“, bot er ihr an. Und dann. „Was ist mit diesen Platten hier denn nicht in Ordnung?“

„Nichts“, murmelte Janet, „ich dachte einfach nur, dass sie zu klein wären.“

„Ich denke, wir werden das schon hinbekommen“, entschied er, als er sich eine Platte nahm, und begann die Pizza aus den Karton zu nehmen.

„Und ich dachte“, sagte er grinsend, „dass Daniel wirklich etwas kochen würde.“

Janet erwiderte leicht das Lächeln, als sie ihm einen weiteren Karton reichte. „Das Leben ist zu kurz, Colonel“, sagte sie. „Ich persönlich habe seit zehn Jahren nicht mehr gekocht.“ Ihre Stimme war fröhlich, aber in ihr schwang eine merkwürdige Anspannung mit, eine Härte, die er nur selten an ihr gesehen hatte.

„Alles in Ordnung, Doc?“, fragte er mit einem Seitenblick, als er weiterhin Pizzastücke auf die Platten verteilte. „Sie wirken etwas angespannt.“

„Ich?“, fragte sie, als sie zu ihm herumwirbelte und ihm einen wütenden Blick zuwarf. Ihr Kiefer war angespannt. „Mir geht’s gut, Sir“, antwortete sie vorsichtig und schluckte ihre Gefühle hinunter, bevor sie sich wieder an ihre Arbeit machte. Ihre Gesichtszüge wurden ausdruckslos.

Jack fuhr sich mit seiner Zunge über seine Lippen und sah sich in der Küche um. Sie waren allein. „Ah… was?“, fragte er, da er wusste, dass sie ihm etwas verheimlichte.

Ihr Blick verdunkelte sich erneut und sie nahm eine Platte in die Hand, um sie hinaus zu Daniels Gästen zu bringen. „Das geht mich nichts an, Sir“, sagte sie mit einem flüchtigen, prüfenden Blick.

„Wahrscheinlich nicht“, stimmte Jack ihr zu, als er nach seinem Bier griff und einen nervösen Schluck nahm. „Warum sagen Sie es mir nicht trotzdem?“

Janet antwortete ihm nicht sofort, sondern beobachtete ihn vorsichtig. „Gehen Sie und fragen Sie Sam.“

Er starrte sie überrascht an. „Carter?“

„Reden Sie mit ihr, Colonel“, sagte Janet. „Und versuchen Sie es nicht noch schlimmer für sie zu machen, als es eh schon ist.“

Damit ging sie an ihn vorbei hinaus ins Wohnzimmer und ließ einen ziemlich verwirrten Colonel alleine zurück.


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Die Abendluft war kühl, schon fast kalt. Aber der Alkohol, der Sams Kehle hinunterrann, machte sie immun gegen die Kälte und ließ ihren Blick über die glitzernden Lichter der Stadt wandern. Ihr grelles Licht verblasste das der Sterne, unter ihr leuchteten die Lichter in allen Farben, gelegentlich begleitet von den Sirenen der Polizei. Eine ganze Stadt voll mit Menschen und sie stand hier ganz allein.

Es war schon lange her – Jahre – seit sie sich das letzte Mal so einsam gefühlt hatte. Da war ein einzigartiger Beigeschmack, wenn man zurückgewiesen wurde, der sich ins Gesamtbild fügte. Sam verspürte keine Gewissensbisse alleine zu sein, das hatte sie noch nie. Aber das hier war eine andere Einsamkeit, besonders diese bittere Einsamkeit, die sie schon den gesamten Abend begleitete. Von dem Gefühl, das man einem so viel bedeutet, dass man für denjenigen sterben würde, bis hin… zu viel weniger als das, begleitet von diesem einzigartigen Gefühl der Ausgeschlossenheit. Wo sie anfangs noch Teil von etwas war, wenn auch unausgesprochen und kaum anerkannt, war sie jetzt vollkommen allein. Ihre Gefühle für Jack waren noch immer stark, obwohl sie jetzt zwischen Liebe und Verlust hin und her schwankten… Aber was auch immer sie waren, gab es eine schreckliche Tatsache, die so klar wie der Nachthimmel war – sie waren unerwidert und ungewollt.

Die Erkenntnis war so schlimm, dass sie hätte weinen können. Schon fast wünschte sie sich, dass sie diese Art von Frau war, die genau das tun würde… Aber das war sie nicht. Stattdessen nahm sie einen weiteren Schluck von ihrem viel zu starken Gin-Tonic und seufzte ihre Frustration hinaus in die kalte, stille Nacht.

„Es ist eine wunderschöne Nacht“, sagte eine Stimme hinter ihr, die sie erstarren ließ… es war Jack.

Sam drehte sich nicht zu ihm um, bewegte sich keinen Zentimeter. „Ja, Sir.“

Er schwieg für einen Moment: „Was machen Sie hier draußen so alleine?“

Sam spürte, wie sich ihre Kehle zuschnürte, als sie Sorge aus seiner ruhige Stimme heraushörte. Verdammt! Warum musste er so mit ihr reden? Warum musste er sich so sanft anhören? Das ließ sie immer so… Sie schloss ihre Augen, um ihre Kontrolle zurückzugewinnen. „Ich wollte nur für einen Augenblick allein sein“, sagte sie und hoffte, dass er den Hinweis verstand.

Natürlich tat er das nicht. Oder noch wahrscheinlicher, er ignorierte es einfach. Jack kam ein Schritt näher auf sie zu. „Sie sehen traurig aus.“
Er stellte sich neben sie. „Was ist los?“

„Nichts“, antwortete sie. Die aufgebrauchte Lüge kam schon automatisch über ihre Lippen, als sich jeder Muskel in ihrem Körper langsam und schmerzhaft anfing anzuspannen, bis sie Angst hatte, dass sie auseinanderfallen würde. „Mir geht’s gut.“

Jack nickte. Sie konnte diese Bewegung aus ihrem Augenwinkel heraus sehen, aber sie sah ihn nicht an. „Ich, ahm“, begann er leise, „ich hoffe…“ Er räusperte sich und drehte sich so, dass er sie ansehen konnte und sein Arm gegen die Brüstung lehnte. „Sehen Sie Carter… vielleicht liege ich ja auch komplett daneben, aber… Das hat nichts mit mir und Tasha zutun, oder?“

Nicht ein Muskel rührte sich. Noch nicht mal ein Blinzeln. „Nein, Sir.“

„Nein, Sir“, wiederholte er leise ihre Worte. „Nun… da bin ich froh. Was ist es dann? Seit Freitag benehmen Sie sich etwas merkwürdig. Habe ich irgendwas gemacht? Sie scheinen ziemlich wütend zu sein.“

Bisher war ihre einzige Bewegung die gewesen, dass sie ihr Glas zu ihren Lippen führte und einen großen Schluck von ihrem Gin-Tonic nahm. Langsam spürte sie die Nachwirkungen ihres dritten – oder ihres bereits vierten? – sehr starken Getränkes. Aber sie war weder beschwitzt noch angeheitert und so spürte sie, wie ein paar ihrer Dämme der Beherrschung in ihr zusammenbrachen – oder sie vielleicht auch nur von ihrer Wut zerstört wurden. Aber sie hatte noch nicht die Kontrolle verloren. Eigentlich hatte sie noch nie das Gefühl gehabt so Herr der Lage zu sein, wie in diesem Moment, als sie sagte: „Ich hätte einfach nur gewünscht, dass Sie es mir gesagt hätten. Das ist alles.“

„Ihnen was gesagt?“, fragte er neugierig.

„Dass Sie sich mit… jemanden… treffen“, erklärte sie ihm. Sie brachte es noch nicht einmal fertig den Namen dieser Frau auszusprechen. Wie lächerlich war das denn?

„Oh.“

Immerhin drehte sie schließlich ihren Kopf in seine Richtung. Jack starrte mit einem Stirnrunzeln hinunter auf sein Bier. „Das ist alles?“, fragte sie bitter. „Oh?“

Es war noch immer eine tiefe Falte auf seiner Stirn zu sehen, als er zu ihr aufschaute. „Ich…“, begann er etwas unbehaglich. „Ich… weiß nicht… ich meine, es hat sich alles so langsam entwickelt, dass ich nicht dachte…“

„Genau“, unterbrach Sam ihn und ruckartig war ihr Blick wieder auf die Stadt vor ihr gerichtet.

„Niemand vor euch wusste davon“, fügte er ziemlich geschlagen hinzu. „Ihr seid die Ersten, denen ich es gesagt habe.“

Sam schüttelte nur den Kopf. Sie war vollkommen sprachlos, dass er so wenig ihre Gefühle verstand. „Ich meinte“, sagte sie mit einer vorsichtig kontrollierten Stimme. Sie wollte nicht, dass er den Verrat heraushörte. „Ich meinte, dass ich mir gewünscht hätte, dass Sie es *mir* gesagt hätten – nur mir.“ Ihr Blick flog zurück zu seinem Gesicht und sie sah, wie er vor der Wut in ihren Augen zusammenzuckte. Und in diesem Moment war es ihr vollkommen egal. „Habe ich denn nicht wenigstens das verdient?“

Er war offensichtlich geschockt. „Ich dachte, Sie wären erfreut darüber“, stammelte er.

Erfreut? Durch ihren Alkoholdunst starrte sie in sein verwirrtes Gesicht. Erfreut? Erfreut darüber, dass er jemanden anderen sah? Erfreut darüber, dass er glücklich war…? Nagende Schamgefühle machten sich in ihrem Brauch breit. Er hatte recht. Wenn sie noch irgendwelche Gefühle für ihn hatte, dann sollte sie sich wenigstens für ihn freuen, dass er jemanden gefunden hatte, der ihn glücklich machte. Es war ja nicht so, als ob *sie* jemals diese Person sein könnte. Nicht in dieser Realität. Scham verwandelte sich schnell in Reue.

„Es tut mir leid“, sagte sie plötzlich und schaute wieder zurück hinunter auf die Stadt. „Ich freue mich für Sie“, sagte sie die Worte, die er verdient hatte, zu hören, nur wünschte sie auch, dass sie so meinte. „Ich denke, ich war einfach nur überrascht.“

„Ja… ich auch“, murmelte er. Dann näherte er sich ihr einen Schritt. „Sehen Sie, Carter“, flüsterte er. „Ich hoffe, ich habe nicht… ich meine… Gott, ich bin so schlecht in solchen Dingen.”

Sie schielte zu ihm hinüber und musste schon fast aufgrund seiner Ehrlichkeit lächeln. Aber die vertraute Woge der Zuneigung für ihn war zu schmerzhaft und anstatt eines Lächelns, fühlte sie einen Klumpen ihren Hals und musste wegschauen. „Sie schulden mir keine Erklärungen“, sagte sie müde.

„Ich weiß“, stimmte er ihr zu. „Aber… ich hoffe, ich habe Sie nicht verärgert habe oder etwas dergleichen. Ich hoffe, ich habe Sie nicht verletzt… das wäre das Letzte, was ich wollte.“

Diesmal lächelte Sam; auch wenn es sich bitter anfühlte. „Ja. Sicher.“

„Ich meine es“, sagte er und berührte leicht ihren Arm, damit sie ihn wieder ansah. Sie widerstand jedoch dem Drang.

„Das ist nicht wichtig“, antwortete sie und entzog sich dem sanften Druck auf ihrem Arm.

„Das ist es, wenn ich Sie verletzt habe, Sam.“ Indem er ihren Namen benutzte, verstärkte er nur den Schmerz in ihr. „Ich dachte nicht, dass Sie fühlen würden…“

Schnell entfernte sie sich von ihm. Sie wollte nicht, dass er diesen Satz zu Ende führte. „Wir sollten wieder reingehen“, unterbrach sie ihn. „Daniel wird sich schon fragen, wo wir bleiben.“

Aber er blockierte ihr den Weg. „Nein, wird er nicht. Er ist grade mitten in so einem… Anthropologending vertieft.“

Sam blinzelte und sie traf nur flüchtig seinen Blick. Dunkel, tief und ernst beobachtete er sie mit aufrichtigen, geschützten Gefühlen. Es war nicht das erste Mal, dass er sie so angesehen hatte, aber bei jeder anderen Gelegenheit schaffte sie es in diesem Moment nicht die Kontrolle zu verlieren. Diesmal jedoch, wo der Alkohol ihr Urteilsvermögen beeinträchtigte, war sie sich ihrer Selbstbeherrschung nicht mehr so sicher. „Bitte“, flüsterte sie, „lassen Sie es uns einfach vergessen.“

„Was?“

„Alles“, antwortete sie zusammenhangslos.

„Sam…?“

„Bitte“, murmelte sie und versuchte sich an ihm vorbeizudrücken.

Aber so einfach würde er sie nicht gehen lassen und deshalb umfasste er mit einem festen Griff ihren Arm. „Nein“, sagte er und hielt sie dort an ihrem Platz fest. „Wir können das nicht so einfach vergessen, Carter. Wir müssen das klären. Wir müssen…“

„Nein, müssen wir nicht!“, schnappte sie und drehte sich zu ihm um.
„Wir müssen überhaupt nichts tun… wir haben vorher auch nie etwas getan, also, warum sollen wir jetzt damit anfangen?“

„Carter“, sagte er vorsichtig, seine Hand umfasste noch immer ihren Arm. „Wir müssen immer noch weiter zusammenarbeiten. Das wird nicht passieren, wenn Sie deswegen weiterhin wütend auf mich sind.“

Ihre Wut, die sie so erfolgreich unterdrückt hatte, lungerte jetzt gefährlich nahe an der Oberfläche. „Oh, also ist es jetzt ein Problem des Teams?“

„Es betrifft immer das Team“, stellte er klar, sein eiskalter Blick hielt sie an ihrem Platz fest. „Darum geht’s doch im Grunde, oder nicht?“

Schweigend hielt sie seinem Blick stand, während sich seine Finger um ihren Arm festigten. „Fein“, sagte sie schließlich, „Dann wollen Sie also, dass ich für das Wohl des Teams alles vortäusche? Das kann ich, Sir, gar kein Problem.“ Sie zwang sich zu einem breiten Lächeln, von dem sie wusste, dass es erbärmlich aussehen musste. „Mir geht’s gut, Sir. Ich war noch nie so glücklich.“

„Ich will nicht, dass Sie auch nur irgendwas vortäuschen“, widersprach er ihr.

„Was dann?“

Er schwieg. Sein Blick weiterhin auf sie gerichtet. „Ich verstehe nicht, warum Sie so wütend sind… Können wir nicht einfach gute Freunde sein?“, fragte er vorsichtig. „So wie zuvor?“

Freunde? „Einfach gute Freunde?“, echote sie bitter. „Das denke ich nicht, Sir.“

„Warum nicht?“

Sie schaute weg von ihm und entzog ihren Arm seinen inzwischen losen Griff, um sich selbst zu umarmen. „Weil wir nie Freunde waren, Sir.“

„Sicher waren wir das“, antwortete er nervös. „Ich meine, ich dachte, wir hätten…“

„Dann haben Sie sich was vorgemacht.“

„Das glaube ich nicht.“

Sie zuckte nur mit den Schultern. „Wir waren nie Freunde“, wiederholte sie ihre Worte und verspürte das kindische Verlangen ihn zu verletzten, so wie er es mit ihr gemacht hatte. „Und wir können es auch jetzt nicht sein.“

Seine Antwort war unerschrocken, wenn auch besorgt. „Warum nicht?“

„Weil ich nicht Ihre Freundin sein will“, flüsterte sie. „Ich bin es nie gewesen.“

Jack antwortete ihr nicht, aber sie konnte den Schock in seinen Augen sehen, bevor er seinen Blick abwandte. „Verstehe.“

Sie bezweifelte, dass er es verstand, aber sie würde es ihm nicht erklären. Ihre Gefühle für ihn waren zu kompliziert und zu tief, als dass sie je auf etwas so einfaches wie eine Freundschaft reduziert werden könnten. Er fühlte offensichtlich anders und das Letzte, was Sam wollte, war diesen Unterschied zu diskutieren. Er hatte das hinter sich gelassen, aber sie wusste, dass sie noch sehr lange brauchen würde, bis ihr eigenes Herz selbst dazu bereit war, diesen Schritt zu gehen. „Es tut mir leid“, murmelt sie, doch sie war sich nicht wirklich sicher für was.

„Mir auch“, murmelte er, sein Blick noch immer gesenkt und auf irgendeine Stelle auf dem Boden fokussiert. Er rührte sich nicht, als sie an ihm vorbeiging, er sah nicht auf, er sagte kein Wort. Sie schaute nur einmal über ihre Schulter zu ihm zurück, bevor sie den Balkon verließ, und sah, wie er am Rande der Brüstung stand und hinunter auf die Stadt schaute. Sie konnte nur sein Profil sehen, ausdruckslos und angespannt. Sam erschauderte. Wenn es möglich gewesen wäre, dann fühlte sie sich jetzt noch schlechter als zuvor. Irgendetwas war grade zerbrochen, bemerkte sie, etwas, was sie für so lange miteinander verbunden hatte – Vertrauen, ein gemeinsames Einverständnis. Eine Freundschaft. Und das Loch, welches diese Zerstörung in ihrer Seele zurückließ, war so tief, dass sie Angst hatte, dass es sie verschlingen würde.


+++++++++

Die Rückfahrt zu ihrer Wohnung verlief meist im Schweigen. Tasha schielte ein paar Mal hinüber zu Jack, aber sein Blick war starr auf die Straße gerichtet und sie konnte anhand der Anspannung seiner Kiefermuskeln sagen, dass er jetzt nicht in der Stimmung war zu reden. Sie unterdrückte ein irritiertes Seufzen und dachte an den Abend zurück. Alles im allen hatte es Spaß gemacht. Sie musste zugeben, dass sie Daniels Gesellschaft sehr genossen hatte. Dieser Mann war brillant, wenn auch ein wenig exzentrisch. Und er Jaffa, Teal’c, hatte ihr wirklich die Augen geöffnet. Sie würde für die Möglichkeit töten einmal seinen Heimatplaneten zu besuchen. Wie hatte er gesagt hieß er? Chulak?

„Jack?“, fragte sie flüsternd und ignorierte die offensichtliche
Verärgerung, die sich auf seinem Gesicht abzeichnete, als sie ihm bei seinen Grübeleien unterbrach. „Besucht Teal’c eigentlich noch Chulak?“

„Nicht oft“, antwortete er. „Er ist nicht grade sehr beliebt dort.“

Verdammt. Das war es dann also. Sie fielen zurück ins Schweigen, aber ihre kurze Unterhaltung schien Jack daran zu erinnern, dass sie reden wollte, also, begann er nach einem Augenblick zu sprechen, mit offensichtlich viel Mühe, wie sie vermutete. „Du magst ihn, nicht wahr?“

„Teal’c?“, lächelte sie. „Ja. Die Gesellschaft der Jaffa ist faszinierend. Hast du jemals mit ihm darüber gesprochen?“

„Nicht viel.“

Große Überraschung. „Es würde dir nicht schaden“, flüsterte sie. „Es steckt mehr in ihm, als nur über Waffen und Strategien zu lehren.“

„Das weiß ich.“

Tasha seufzte und überlegte, ob es ein Thema gab, welches ihn vielleicht etwas aufheitern konnte. Sie wusste nicht warum, aber irgendwann im Laufe des Abends war er in ein tiefes Schweigen gefallen und nichts, was sie tat oder gesagt hatte, kam auch nur annähernd daran diese Schale zu durchbrechen. „Major Carter scheint… nett zu sein“, versuchte sie es erneut.

Jack antwortete ihr nicht.

Ihr Verstand wanderte zu einer Vermutung, die sich während des Abends in ihren Kopf eingenistet hatte. „Ist da irgendwas zwischen ihr und Daniel?“, fragte sie neugierig. „Als wir gingen, war sie geradezu überall über ihn.“

„Sie sind Freunde“, antwortete er steif. „Das ist alles.“

„Wirklich?“, presste Tasha weiter, da sie sich sicher war, dass sie da auf etwas gestoßen war. „Sie saß außerordenlich nahe, wenn nicht sogar auf seinem Schoß…“

„Sie war betrunken“, schnappte er und wechselte auf die Nebenspur, um den Wagen vor ihnen zu überholen.

„Ach wirklich“, stimmte Tasha ihm mit einem Lachen zu. „Ich dachte, dass sich nur Kadetten auf den Partys von anderen so betrinken!“

Sie sah, wie etwas über sein Gesicht huschte und das Auto wieder ausschwenkte. „Sie hatte einen schlechten Tag.“

„Genau“, antwortete Tasha und schielte auf den Tacho. Er fuhr schnell. Sehr schnell. „Ahm, sind wir in Eile?“

Jack runzelte irritiert seine Stirn. „Was?“

„Du fährst fast hundertfünfzig.“

Er nahm augenblicklich seinen Fuß vom Gaspedal und das Auto fuhr langsamer. „’Tschuldigung“, murmelte er und er klang noch immer angespannter, als dass es ihm leidtun würde. Tasha biss sich auf ihre Zunge. Sie hatte bereits diese Seite von Jack O’Neill erleben dürfen und wusste, dass man ihm an besten in Ruhe ließ. Ein Teil von ihr dachte, dass seine Grübeleien dunkel und geheimnisvoll waren, aber meistens seufzte sie. Schließlich fuhr er von dem Freeway und in ihre ruhige Nachbarschaft, bis er vor ihrem Gebäude stehen blieb.
Sie schaute zu ihm hinüber. „Kommst du noch mit rein?“

Zuletzt drehte er doch noch seinen Kopf in ihre Richtung und der entschuldigende Blick ließ seine dunklen Züge etwas erweichen. „Nein, tut mir leid. Wir haben morgen eine Mission und davor um 0700 eine Besprechung. Ich werde auf dem Stützpunkt schlafen.“

Tasha nickte. „Okay“, sagte sie und beugte sich zu ihm herüber, um ihm einen Gutenachtkuss zu geben. „Sei vorsichtig, ja?“

„Immer“, versicherte er ihr und erwiderte leicht den Kuss. Aber bevor sie gehen konnte, ergriff er ihre Hand. „Entschuldigung“, murmelte er. „Ich bin den Abend wohl etwas… abgelenkt gewesen.“

„Ja“, stimmte ihm Tasha zu. „Willst du vielleicht über irgendwas reden?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein.“

„Okay.“ Mit einem Schulterzucken drückte sie leicht seine Hand, bevor sie aus dem Auto stieg. „Gute Nacht, Jack. Und eine schöne Reise.“

„Darauf kannst du wetten“, antwortete er mit einem dünnen Lächeln. Und dann verschwand er in die Nacht. Tasha schüttelte seufzend den Kopf. Sie war sich nicht wirklich sicher, ob sie sich von dieser dunklen und sprunghaften Seite an ihm angezogen fühlte oder, ob es einfach nur ermüdend war.


++++++++

Langsam fuhr Jack zum Stützpunkt zurück, seine Anspannung legte sich jetzt, wo Tasha nicht länger neben ihm saß und sein Verlangen nach Einsamkeit wurde ihm somit erfüllt… Es gab ihm die Möglichkeit sich noch einmal Detail für Detail seine Unterhaltung mit Carter durch den Kopf gehen zu lassen. Er wünschte wirklich, dass er verstehen würde, was dort passiert war.

Sie war so wütend, weil er ihr nicht von Tasha erzählt hatte. Das hatte ihn vollkommen überrascht, aber als er versucht hatte, sie zu beruhigen, ihr zu versichern, dass sie weiterhin seine Freundschaft haben würde, da hatte sie es ihm zurück in sein Gesicht geworfen. Nie würde er ihre eisige Stimme vergessen, mit der sie diese Worte ausgesprochen hatte: „Ich will nicht Ihre Freundin sein. Ich bin es nie gewesen.“

Und seit er sich sicher war, dass sie nicht mehr als Freundschaft von ihm wollte, was blieb da noch übrig?

Nichts.

Allmählich verwandelte sich die Anspannung, die er schon den ganzen Abend mit sich herumtrug in ein Gefühl des Verlustes. Es war wahrscheinlich ein ihm nur allzu vertrautes Gefühl. Verlust…ein schmerzhafter Verlust… Trauer…Trennung. Er hatte seine Möglichkeit gehabt, mehr als nur das, wenn er ehrlich war, aber das Schicksal schien es nicht gut mit ihm zu meinen, denn es hatte ihm das Wertvollste in seinem Leben genommen.

'Weil ich nicht Ihre Freundin sein will. Ich bin es nie gewesen.’

Es hatte ihm seinen Glauben genommen. Wenn er sich in einer Sache in all den Jahren, in den sie zusammen gedient hatten, sicher war, dass Carter immer da sein würde, genau an seiner Seite. Sie würde mit ihm im Kampf kämpfen – als seine Kriegskameradin und seine Freundin. Vor allem aber, war sie das Letztere immer gewesen. Abgesehen von der Chemie zwischen ihnen, ihrer gegenseitigen Zuneigung und den tiefen Gefühlen, war sie immer sein Fels in dem Chaos gewesen, welches sie umspült hatte. Carter, ihr hatte er mehr als jedem anderen vertraut… Seine Carter… Seine Freundin… Jedenfalls hatte er das immer gedacht.

Natürlich hatte er schon immer vermutet, dass sie nie seine Gefühle erwidern würde, nie richtig… Ohne Zweifel, es gab da diese gewisse Anziehung; ein kleiner freudiger Nebeneffekt von ihrer koketten Beziehung, aber sie wollte nie darüber hinausgehen. Nicht, dass sie es wirklich hätten tun können, aber Carter war noch nicht einmal bereit dazu gewesen diese Grenzen weiter auszureizen, als nur einen kurzen Drink nach der Arbeit. Aber trotz alledem hatte er immer geglaubt, dass sie Freunde waren. Er wusste, dass sie seine Gefühle ihr gegenüber nicht wirklich akzeptiert hatte, aber er hätte nie gedacht, dass sie ihn nicht akzeptieren würde!

Es war schon spät, als Jack eincheckte und seinen Ausweis herauszog. Er parkte auf seinem Lieblingsplatz, gleich neben dem Fahrstuhl, aber er stieg nicht sofort aus. Mit geschlossenen Augen lehnte er sich zurück und fragte sich zum tausendsten Male, warum Carter so wütend war. Es machte keinen Sinn, dass sie eifersüchtig war. Immerhin war sie diejenige gewesen, die darauf bestand hatte, dass dieses ganze Chaos schön in dem Raum weggeschlossen blieb. ‚Niemand muss je etwas davon erfahren’, sagte sie – es waren fast ihre ersten Worte gewesen, die ihren Mund nach der gezwungen Darlegung ihrer Gefühle, verlassen hatten. Also, warum sollte sie eifersüchtig sein?

Eine hässliche Vermutung nistete sich dunkel in seinen Kopf ein, als er hinaus auf den dunklen Parkplatz starrte. Was, wenn seine Gefühle für sie, ihr ein Machtgefühl über ihn gaben? Einiges muss sich für sie geändert haben, als sie erfahren hatte, dass ihr CO lieber für sie gestorben wäre und nicht nur, weil es sein Pflichtgefühl von ihm verlangte, sondern weil er wirklich lieber gestorben wäre, als sie zu verlieren. Was, wenn sie dieses Machtgefühl genossen hatte, was mit diesem Wissen kam? Was, wenn ihr jetzt wirklich klar geworden war, dass sie diese Macht über ihn verloren hatte? Vielleicht hatte sie ja deswegen sein Freundschaftsangebot abgelehnt.

Er schüttelte nur den Kopf. Er konnte sich nicht wirklich vorstellen, dass Carter zu so etwas in der Lage wäre, aber sein Glaube an sie begann stark zu schwanken.

'Ich will nicht Ihre Freundin sein. Ich bin es nie gewesen.’

Sie wollte seine Freundschaft nicht und sie wollte mit Sicherheit nicht mehr als Freundschaft, also, was zum Teufel wollte sie dann von ihm? Nichts, wie es aussah.

Langsam verwandelte sich sein Schmerz in Wut. Jack drückte die Tür seines Trucks auf und stapfte zum Fahrstuhl, der ihn hinunter ins SGC bringen würde. Sie wollte also nicht seine Freundin sein? Na schön. Dann würden sie eben keine Freunde sein. Er würde ihr CO sein und nicht mehr. Er konnte das. Verdammt noch mal, er konnte das sogar sehr, sehr gut.

Sie hatte ja keine Ahnung, was sie da erwarten würde.


++++++++

Sam wachte mit pochenden Kopfschmerzen und einen unglaublichen Durst auf. Sie stolperte durch den dunklen Flur von ihrem Schlafzimmer zum Badezimmer, um sich ein Glas Wasser einzuschütten… Schon wieder… Gott, sie fühlte sich ausgelaugt, vollkommen ausgetrocknet. In ihrem Bauch befand sich bereits nichts mehr von dem Alkohol, welches es nicht in ihren Blutkreislauf geschafft hatte… und Gott, hatte sie Kopfschmerzen.

Sie wagte es nicht das Licht einzuschalten, als sie das Wasser trank, und füllte das Glas ein zweites Mal auf, bevor sie zurück zu ihrem Bett schlurfte. Aber als sie sich müde wieder zurück unter ihre Decke legte, dachte sie noch vage daran, dass heute früh irgendwo sein sollte, und zwang sich ein Auge zu öffnen, um auf ihren Wecker zu schielen. Es sagte ihr, dass es 06:42 Uhr war.

Sie schloss ihre Augen und versuchte sich daran zu erinnern, wann und wo sie eigentlich sein sollte… Aber ihr Kopf pochte so hart und ihr Bauch schlug noch immer Purzelbäume, dass… Verdammt! Ihre Augen flogen auf, als der Rest von ihrer Professionalität sich durch ihren Kater kämpfte. Missionsbesprechung um 07:30 Uhr. Sie hatte nur noch 45 Minuten. Oh Gott!

Schnell schlug sie ihre Decke zurück und kämpfte sich erneut aus ihrem Bett. Sie ignorierte ihre Kopfschmerzen und die Tatsache, dass ihr Mund wie Baumwolle schmeckte. Fünfundvierzig Minuten um zu duschen, sich anzuziehen und zum Stützpunkt zu kommen. Zumindest war der Verkehr um diese Zeit nicht so stark, aber… VERDAMMT! Kein Auto… Janet hatte sie nach Hause gefahren und sie hatte ihr Auto noch bei Daniel stehen. Verdammt, verdammt, verdammt.

Taxi.

Immer noch gegen die Kopfschmerzen und der Übelkeit ankämpfend, griff sie nach dem Telefon und begann zu wählen. Die trübe Stimme, die ihr antwortete, klang nicht sehr begeistert, aber immerhin versprach er ihr, dass jemand in zwanzig Minuten vor ihrer Haustür stehen würde. Mit übermenschlicher Anstrengung stellte sich Sam unter die Dusche und fiel schon fast in ihre Uniform. Sie putze noch immer ihr Stiefel, als sie ein lautes Klopfen an ihrer Tür hörte. Sie zuckte bei den Gedanken an ihre Nachbarn leicht zusammen, aber sie hätte den Taxifahrer um den Hals fallen können, dass er so schnell hier war.

„Cheyenne Mountain Complex“, sagte sie ihm, als sie sich auf den Rücksitz fallen ließ. Durch ihr noch ganz nasses Haar wurde ihr Kragen der Jacke ganz feucht, aber immerhin würde sie nicht zu spät kommen. Spät, aber nicht zu spät.

Mit einem Seufzen lehnte sie ihren Kopf nach hinten und hatte das erste Mal, seit sie aus dem Bett gekrochen war, Zeit etwas nachzudenken. Sie fühlte sich elend und tief betrübt, aber sie wusste nicht warum, bis sie sich an die Unterhaltung mit dem Colonel erinnerte. Er hatte ihr die alte 'Lassen Sie uns nur Freunde sein’-Masche gegeben und sie hatte ihm gesagt, dass sie seine Freundschaft nicht wollte… Großartig. Das bewirkte bestimmt wahre Wunder in ihrer Arbeitsbeziehung, mal ganz abgesehen von ihrer Selbstachtung.

Sie stöhnte leise auf. Warum zum Teufel hatte sie das nur gesagt? Warum zum Teufel *hatten* sie überhaupt diese Unterhaltung geführt? Sie hätte es einfach dabei belassen sollen. Gott, sie würde nie wieder etwas trinken… Nie wieder.


+++++++

General Hammond saß am Kopf des Tisches und beobachtete schweigend sein bestes Team. Daniel saß am anderen Ende des Tisches, mit dem Kopf in seinen Händen vergraben und ein großes Glas Wasser stand neben ihm. Teal’c saß so teilnahmslos wie immer neben ihm, auch wenn Hammond schwören konnte, dass er so etwas wie Belustigung in seinen Augen sehen konnte, als er gelegentlich zu dem leidenden Doktor Jackson hinüberschielte.

Gegenüber von ihnen beiden saß O’Neill, sein Gesicht zu einer wütenden Grimasse verzogen, während er nervös mit dem Kugelschreiber auf die Tischfläche tippte. Das war das einzige Geräusch im Raum. Er schien angespannt zu sein, wenn nicht sogar wütend. Hammond runzelte die Stirn und schaute hinunter auf seine Uhr. Es war 0745… Carter war spät dran.

„Wir werden ohne Major Carter anfangen“, entschied Hammond schließlich und erhielt von O’Neill ein zustimmendes Nicken. „In ihrer Abwesenheit, Colonel“, fuhr er fort, „könnten Sie uns vielleicht einen kurzen Überblick über die bevorstehende Mission geben?“

O’Neill räusperte sich und begann seine Papiere vor sich zu durchwühlen. „Ja, Sir“, sagte er mit einem Stirnrunzeln. „Ahm…“

„Das ist nicht nötig, Sir“, sagte Carters Stimme von der Tür aus, als sie zu ihnen eilte. „Entschuldigungen Sie die Verspätung, Sirs.“

„Gibt es einen Grund, Carter?“, fragte O’Neill, als er zu ihr aufsah.

Ihr Gesicht war sehr blass und sie hatte tiefe Augenringe. Im Grunde dachte der General, dass sie alles andere als gut aussah. O’Neill jedoch schien immun gegenüber jeglichem Mitgefühl zu sein und beobachtete sie nur, während er auf eine Antwort wartete. Sie verzog leicht das Gesicht, aber zuckte nicht zusammen. „Nein, Sir“, antwortete sie. „Ich habe nur verschlafen.“

Er nickte langsam. „Verschlafen?“, hakte er nach. „Oder haben Sie einfach nur einen Kater, Major?“

Ihre Lippen verzogen sich zu einer dünnen Linie. „Beides, Sir.“

O’Neill schaute zurück zu Hammond und steckte seine Unterlagen zurück in die Akte. „Sir, ich empfehle, dass wir die Mission um vierundzwanzig Stunden verschieben, da die Hälfte meines Teams…“ Sein Blick wanderte von Carter zu Daniel und wieder zurück zu ihr, „nicht einsatzbereit ist.“

Hammonds Blick folgte seinem und er konnte nicht anders als dem zustimmen. Die normalerweise verrückten Ideen, die Dr. Jacksons Charakter zeichneten, ließen seinen Zustand erklären. Major Carter hingegen hätte es besser wissen müssen. Er runzelte die Stirn. „Einverstanden, Colonel“, sagte er und richtete dann seinen Blick auf Carter, die noch immer wie angewurzelt hinter ihrem Stuhl stand; die Scham war offenkundig auf ihrem Gesicht abzulesen. Sie sah wirklich schlimm aus. „Major“, sagte er. „Sie sind sich doch der Vorschriften bezüglich des Konsumierens von Alkohol in einer vierundzwanzig-Stunden-Schicht bewusst, oder?“

Ihr blasses Gesicht errötete leicht. „Ja, Sir, das bin ich.“

Er nickte. „Dann sollte das nicht noch einmal vorkommen.“

„Nein, Sir.“

„Also schön“, sagte er etwas irritiert, aber noch lange nicht so wütend wie O’Neill, wessen dunkler Blicke starr auf die Tischplatte gerichtet war. „Besprechung morgen um 0730 und diesmal erwarte ich, dass Sie bis dahin wieder einsatzbereit sind.“

„Ja, Sir“, antwortete Carter steif.

„General?“ Jackson sprang von seinem Stuhl auf. „Ich bin hier derjenige, der Schuld hat… Gestern war mein Geburtstag und…“

„Carter kennt die Vorschriften“, unterbrach O’Neill ihn. „Nicht wahr, Major?“

Sie erschauderte leicht. „Ja, Sir.“

„Ja, Sir“, echote er und stand auf. „Gehen Sie nach Hause, Carter“, sagte er, ohne sie anzusehen, doch jedes einzelne Wort triefte nur so vor Wut. „Und ich erwarte, dass Sie den heutigen Tag als einen Urlaubstag ansehen und nicht als Krankenurlaub… Verstanden?“

Hammond war mehr als nur ein wenig schockiert von Jacks Härte, doch er hatte das Recht als ihr CO dazu und Hammond würde nicht dazwischen gehen, trotz des Anblickes von Carter, wie sie ihre Lippen immer weiter zusammenpresste… Sie sah mehr verletzt als wütend aus und er konnte ein leichtes Schwanken aus ihrer Stimme heraushören, als sie ihm leise antwortete.

„Ja, Sir. Es tut mir leid, Sir.“

O’Neill würdigte ihr nicht eines Blickes. „Wegtreten“, sagte er und sie drehte sich sichtlich erschüttert um. Aber dann fügte Jack noch schroff hinzu: „Sehen Sie zu, dass Sie jemand nach Hause fährt… Sie haben vermutlich immer noch Restalkohol in Ihrem Blut.“

„Ja, Sir“, kam die unterworfene Antwort, als Carter den Raum verließ und sich erneutes Schweigen ausbreitete.

Aber nicht für lange. Doktor Jacksons angeborener Sinn für Gerechtigkeit wurde geweckt. „Was zum Teufel war das denn?“, fragte er Jack, während er einmal kurz etwas unsicher zur Hammond schielte.
Der General schwieg und erlaubte O’Neill das auf seine Weise mit seinem Team auszumachen.

„Das“, antwortete O’Neill, als er schließlich aufsah, „war Disziplin… Hast du ein Problem damit?“

Jackson Mund schloss und öffnete sich, bevor er darauf antworten konnte. „Nun, ja schon… Das war auch Sam.“

„Und?“

Er zuckte aufgrund von O’Neill Unnachgiebigkeit hilflos mit den Schultern. „Und… war das nicht ein bisschen hart?“

Der Gesichtsausdruck des Colonels war hart wie Stein. „Du denkst also, ich hätte sie so für einsatzbereit erklären sollen? Mit diesem Kater, den sie hat, würde sie uns hier die Tische vollkotzen!“, schnappte er. „Wie zum Teufel soll sie dann bitte schön in diesem Zustand Off-World gegebenenfalls in einer Krisensituation arbeiten können?“

Daniel verzog nachdenklich seine Lippen. „Guter Punkt, aber…“

„Verdammt richtig“, unterbrach O’Neill ihm zustimmend. „Und da gibt es keine Abers, Daniel. Keine Ausnahmen.“ Und damit wollte er verschwinden, aber Hammond hielt ihn auf.

„Colonel“, sagte er und stand auf. „Ich würde noch gerne etwas mit Ihnen besprechen. In meinem Büro.“

O’Neill erstarrte. Er ging offensichtlich davon aus, dass er die schroffe Behandlung Carter gegenüber infrage stellen würde. Da lag er falsch. „Ja, Sir“, kam die knappe Antwort, als O’Neill sich umdrehte und ihm in sein Büro folgte.

Als Hammond an der Tür stand, um sie zu schließen, sah er, wie Daniel Jackson aufstand und nachdenklich aus dem jetzt leeren Besprechungsraum ging. Genauso nachdenklich setzte sich Hammond hinter seinen Schreibtisch und gab O’Neill mit einer winkenden Handbewegung zu verstehen, dass er sich ebenfalls setzen sollte.

„Sir, ich weiß, was Sie sagen wollen…“, begann O’Neill augenblicklich.

„Das bezweifle ich“, unterbrach ihn Hammond und brachte somit den Colonel zum Schweigen. Und dann schob er ein Blatt Papier über seinen Schreibtisch. „Das habe ich heute erhalten.“

O’Neill nahm es an sich und überflog es flüchtig, seine Augenbrauen zogen sich überrascht hoch. „Major Coburns Rücktritt?“

„So sieht es jedenfalls aus“, sagte Hammond, als er sich seufzend in seinem Stuhl zurücklehnte.

„Warum?“, fragte er und sah neugierig zu Hammond auf. „Er ist jetzt… was? Vierzig?“

„Zweiundvierzig“, nickte Hammond. „Anscheinend hat seine Frau ein Jobangebot aus Europa und er will, dass sie es annimmt.“

Jack atmete lange aus. „Das nenn ich Hingabe“, murmelte er. „Er gibt alles auf, damit seine Frau…was? Was macht sie eigentlich?“

„Anscheinend ist die Umweltwissenschaftlerin“, erzählte Hammond ihm. „Fragen Sie mich nicht, was das bedeutet, weil ich mir da nicht sicher bin – es hat irgendwas mit Klimawechsel zu tun.“ Er seufzte wieder und fuhr sich mit einer Hand über seinen Kopf. „Coburn sagt, dass wäre ihre einzige Chance in ihrem Leben und er will nicht, dass sie sie verpasst. Sie haben zwei kleine Kinder und er will nicht, dass die Familie getrennt wird.“

O’Neill nickte und man konnte mehr als nur Respekt in seinem Blick sehen. „Coburn ist ein guter Mann“, sagte er und schaute erneut auf das Schreiben auf Hammonds Schreibtisch. „Wir werden ihn hier vermissen.“

„Das werden wir“, stimmte ihm der General zu. „Aber Sie sehen sicher auch, dass wir dadurch ein Problem haben.“

Wieder nickte O’Neill. „Wir brauchen einen neuen Teamleader für SG-2“, sagte er und runzelte die Stirn, als er die einzelnen Möglichkeiten durchging. „Vorhiss ist qualifiziert, Ferretti ist bereits seit Jahren hinter einem eigenen Kommando her, Kennedy… nun, okay, vielleicht nicht Kennedy. Wie wäre es mit…?“

„Major Carter?“, schlug Hammond vor.

O’Neill starrte ihn schockiert an und hob dann leicht eine Augenbraue. „Carter? Wie… Sam Carter?“

„Glauben Sie, dass sie bereit für ein eigenes Kommando ist?“, fragte Hammond geradewegs heraus und legte Carters dicke Akte vor sich auf den Schreibtisch. „Natürlich abgesehen von ihrem heutigen Fehlverhalten.“

Jack schaute weg, seine Augenbrauen hatten sich nachdenklich oder beunruhigt zusammengezogen. Hammond war sich nicht ganz sich, was von beiden, und wenn er ehrlich war, dann wollte er es auch gar nicht wissen. An alles, was er im Moment interessiert war, waren Fakten.

„Ich, ähm“, begann Jack leise, während eine Hand nervös gegen sein Bein zu schlagen begann. „Ich…“ Er unterbrach sich selbst und schwieg für einen langen Augenblick, bevor er schließlich aufblickte. „Das tue ich“, sagte er ernst. „Sie ist bereit. Sie würde ein guter Teamleader sein, Sir.“

Hammond nickte. „Ich verstehe, dass Sie sie nicht aus Ihrem Team verlieren wollen, Colonel“, sagte er vorsichtig. Oh ja, er war sich mehr als bewusst, dass der Respekt der beiden über eine professionelle Beziehung hinausging.

Aber O’Neills Gesichtsausdruck verriet nichts. „Sie ist ein wichtiges Mitglied meines Teams, Sir“, stimmte er ihm zu und gab ihm eine vorsichtige Antwort auf eine Frage, die eindeutig mehr beinhaltete. „Wir werden sie vermissen, aber sie verdient es, Sir. Sie hat es sich verdient.“

„Ja, das hat sie“, nickte Hammond, „aber ich habe mich noch nicht entschieden. Ich wollte nur Ihre Meinung als ihr Vorgesetzter dazu hören, bevor ich sie für diese Position in Betracht ziehe. Es gibt noch ein paar andere durchaus qualifizierte Kandidaten und Major Carter ist beides, jung und im Vergleich noch etwas unerfahren… Aber ich erkenne ihre einzigartigen Fähigkeiten und begrüße Ihre Aufrichtigkeit, Jack. Einige Vorgesetzte wären nicht so großzügig, wenn sie dabei einen sehr guten 2IC verlieren würden.“

O’Neill lächelte ihn leicht an. „Also, nehme ich mal an, dass es jetzt zu spät ist, Ihnen zu sagen, dass sie vollkommen inkompetent und ungehorsam ist und sich nicht oft genug badet?“

Hammond ignorierte ihn, obwohl er die Melancholie hinter seinen Sarkasmus spüren konnte und es war weiser ihm nicht darauf zu antworten. „Bitte erwähnen Sie es Major Carter gegenüber noch nicht“, sagte er stattdessen. „Wenn Sie wieder zurück von G8K-139 sind, habe ich mich entschieden.“

„Ja, Sir“, antwortete Jack und stand langsam auf. Er war ernst und dachte einen Moment nach. Er machte keine Anstalten sofort zu gehen. „Sir?“, fragte er dann und sah hinunter in Hammonds Gesicht.

„Colonel?“

„Wenn Sie Carter nehmen sollten“, sagte er, „dann würde ich es ihr gerne sagen.“

Hammond lächelte. „Natürlich“, stimmte er ihm zu. „Das ist Ihr gutes Recht.“

„Danke, Sir“, antwortete O’Neill mit einem Lächeln, welches offensichtlich erzwungen war. „Wenn sonst nichts mehr…?“

„Das ist alles, Colonel. Sie können wegtreten.“

„Danke, Sir.“

„Und Colonel?“

„Sir?“

„Was auch immer Sie heute in der Besprechung gestört hat, schaffen Sie es aus der Welt.“

Ein befangenes Zucken erfasste sein Gesicht und er senkte seinen Blick. „Ja, Sir.“ Und mit einem letzten, angespannten Lächeln verschwand er und ließ Hammond mit Carters beeindruckender Akte und einer schwierigen Entscheidung allein zurück.


++++++

Es war nicht genau ein zwei Tage Kater gewesen, aber als Sam durch den schlammigen Boden von G8K-139 latschte, spürte sie noch immer die letzten Nachwirkungen. Nicht, dass sie nicht einsatzbereit war, aber sie hatte immer noch leichte Kopfschmerzen, ihr Mund war immer noch ziemlich ausgetrocknet und ihr Magen rebellierte gegen jegliches Essen. Sie schaute auf und sah, wie der Colonel vor ihr geradewegs auf ihr steiniges Ziel zuging. Seine stumme Missbilligung hatte sich seit seinem eiskalten Rüffel vom Vortag nicht ein bisschen verändert.

Sie zuckte bei der Erinnerung leicht zusammen, noch nicht einmal wegen O’Neills Schroffheit, sondern viel mehr wegen ihrer eigenen Verlegenheit. Und dann auch noch vor General Hammond! Sie wunderte sich über ihre eigene Kapazität von spontanen idiotischen Verhalten! Was zum Teufel hatte sie nur geritten, dass sie sich eine Nacht vor einer Mission halb bewusstlos getrunken hatte? Na ja, sie kannte die Antwort darauf, aber etwas Selbstmitleid war ja wohl kaum eine Entschuldigung dafür gleich die ganze Bar zu plündern. Gerade in ihrem Alter war es mehr als nur ein bisschen dämlich sich so zu betrinken… es war einfach nur peinlich. Sie stöhnte leise auf, als sie sich daran erinnerte, wie der Colonel sie nach ihrer kleinen, äußerst unangenehmen Unterhaltung auf dem Balkon den Abend über beobachtet hatte. Er hatte den ganzen Abend nicht mehr ein Wort mit ihr gewechselt, aber es schien so, als ob sein Blick immer auf sie gerichtet war und je betrunkener sie wurde, desto größer wurde sein Hochmut. Gott, was musste er nur von ihr denken?

„Alles okay?“, fragte eine Stimme neben ihr, die Daniel gehörte und sie lächelte ihn reuevoll an.

„Ich komme mir vor wie ein Idiot“, gab sie zu und schielte kurz zum Colonel. „Ich war so dumm!“

Daniel zuckte mit den Schultern. „Sogar dir darf es mal erlaubt sein etwas Dummes zu machen“, versicherte er ihr.

Aber Sam verdrehte nur ihre Augen. „Sag das mal dem Colonel“, sagte sie bitter.

„Humph“, war seine einzige Antwort und für eine Weile liefen sie schweigend nebeneinander her. Die Umgebung war flach und ohne besondere Merkmale. Ein starker, kalter Wind fegte über das offene Stück Land, sodass schnell vorbeiziehende Wolken die Sonne hin und wieder verdecken. Es war schon fast wie Frühling, dachte Sam abwesend. Das war eines der merkwürdigsten Dinge an Torreisen, man konnte mitten im Sommer durch das Tor gehen, aber den Tag auf dem Planeten im tiefsten Winder verbringen, und wenn man dann wieder zurückkam, verbrachte man noch einen schönen Sommerabend… Verrückt.

„Ich weiß nicht“, sagte Daniel nach einer Weile etwas leiser, „aber sollte man nicht meinen, dass Jack etwas… keine Ahnung… fröhlicher sein sollte?“

Sam runzelte die Stirn und hatte schon eine ungefähre Ahnung, auf was diese Unterhaltung hinauslief. „Warum?“, fragte sie widerwillig.

„Na ja“, überlegte Daniel, „erst mal, er kann nachts nach Hause zu Natasha Greene gehen… Man sollte doch annehmen, dass ihn das… fröhlicher oder etwas entspannter machen würde.“

Da Sam nun wirklich keine Lust hatte den Gedanken fortzusetzen, was Jack möglicherweise mit Natasha Greene zu Hause alles tun könnte, sagte sie einfach: „Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.“

„Ich meine, wenn“, machte Daniel weiter, da er ihren Mangel an Interesse offensichtlich nicht bemerkte, „ich meine, er scheint angespannter zu sein als je zuvor. Die Art und Weise, wie er dich gestern wegen einem kleinen Kater behandelt hat, war einfach…“
 

„Gerechtfertigt“, beendete sie den Satz für ihn und sah in zwei überraschte Augen. „Es war kein *kleiner* Kater, Daniel. Er hatte recht. Ich war nicht einsatzbereit.“ Sie schüttelte ihren Kopf, als es in ihrem Kopf leicht zu pochen begann. „Ich war ein Idiot. Wenn ich an der Stelle des Colonels gewesen wäre, hätte ich genauso gehandelt.“

„Ja, aber komm schon“, widersprach Daniel mit etwas lauterer Stimme. „Ihr beide seid Freunde! Und es ist ja nicht grade so, als ob du eine Gewohnheit aus solchen Dingen machen würdest. Eigentlich kann ich mich an kein einziges Mal erinnern, wo du mal etwas über die Stränge geschlagen hast.“

Sam musste mit der Stirn runzeln, als sie über ihr eigenes Bild nachdachte. Das war, musste sie zugeben, wahr. Jedenfalls sah es danach aus. Aber Daniel hatte ja keine Ahnung, wie sehr ihre Gedanken aus dem Rahmen gefallen waren, wie sehr sie sich auf seiner Party daneben benommen hatte. Er hatte ja keine Ahnung. Aber O’Neill. Er wusste alles und seine kalte Verachtung in seinem Blick jedes Mal, wenn er sie ansah, sagte ihr alles, was sie wissen musste. „Der Colonel und ich sind keine Freunde, Daniel“, stellte sie ruhig und leise klar. Ruhiger als sie sich in Wirklichkeit fühlte. „Wir können keine Freunde sein, nicht in unserer derzeitigen Position. Wir sind Kollegen. Er ist mein CO und hat somit die Pflicht mich zu…“

„Das ist totaler… Schwachsinn!“, lachte Daniel auf.

„Shhh!“, zischte Sam, da sie nicht wollte, dass O’Neill das Gespräch mitbekam. „Daniel… du verstehst das nicht.“

Er schüttelte jetzt mit dem Kopf und schlurfte mühsam voran, um den Großteil des Schlammes zu meiden. „Ich weiß vielleicht nicht, was es bedeutet im Militär zu sein“, sagte er mit einem Seufzen, „aber ich erkenne eine Freundschaft, wenn ich eine sehe.“

Sam schwieg. Daniel hatte natürlich recht. Irgendwie waren sie Freunde gewesen. Nicht die Art von Freunden, die sich trafen und über Gott und die Welt bei einem kühlen Bier redeten. Ihre Freundschaft war eine einzigartige, reservierte Freundschaft gewesen, genauso wie jeder andere Teil ihrer Beziehung war auch sie gebunden an die Vorschriften. Sie waren die Freunde gewesen, die ohne zu überlegen ihr eigenes Leben für den anderen riskiert hätten, aber wer nicht mal zusammen eine Pizza essen gehen konnte, ohne dass es gleich falsch ausgelegt werden könnte, wie konnte man da schon von richtiger Freundschaft sprechen? Es war eine merkwürdige Freundschaft gewesen. Und jetzt befürchtete sie, dass sie selbst das verloren hatte. Ihre egoistische Eifersucht auf Tasha hatte sie dazu getrieben zu viel zu sagen, etwas auszusprechen, was nie ausgesprochen werden sollte. ‚Ich will nicht Ihre Freundin sein. Ich bin es nie gewesen.’

O’Neill hatte geschockt ausgesehen und es hatte sie kein bisschen überrascht. Schließlich wusste er doch, was es war, was sie wollte – sie wollte bei ihm sein. Und er wusste, wie falsch es war, so falsch, dass er jetzt mit jemand anderem zusammen war. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Ich will nicht deine Freundin sein. Ich will deine Geliebte sein. Bitte! Dumme, dumme Frau… Sie schüttelte erneut gedemütigt ihren Kopf. Sie würde in ihrem ganzen Leben nie wieder auch nur einen Tropfen Alkohol anrühren. Nie wieder würde sie die Kontrolle verlieren. Nie wieder.

„Carter?“ Die kalte Stimme des Colonels ließ sie schuldbewusst aufsehen, ihre Wangen waren noch immer vor verlegenen Erinnerungen gerötet. Aber es verschwand augenblicklich, als sie den distanzierten Blick in seinen Augen sah, als er kurz zu ihr hinüber sah und dann wieder zurück auf ein Objekt in der Ferne. „Noch da, Carter?“

„Ja, Sir“, antwortete sie.

Er nickte knapp. „Wie weit, sagten Sie, war es noch bis zur Endmoräne?“

„Ah, ungefähr elf Meilen vom Stargate, Sir“, antwortete sie und zog die Übertragungen des MALPs aus ihrer Tasche. „10,8“, bestätigte sie ihre Angaben. Und dann sah sie die plötzlich helle und leere Umgebung um sich herum. „Obwohl, ich denke, dass das eine Untertreibung ist.“
O’Neill setzte seine Sonnenbrille auf und richtete seinen Blick auf sie, versteckt hinter den dunklen Gläsern. „Denken Sie?“, antwortete er schroff.

Sam wandte ihren Blick von ihm ab und fühlte sich ungewöhnlich unwohl in seiner Nähe. Normalerweise ließ sie sich diesen Mist nicht gefallen, aber heute nagte ihr unangebrachtes Verhalten von Daniels Party sehr stark an ihrem Selbstbewusstsein.

„Das tut mir Leid, Sir“, murmelte sie und schaute hinunter auf ihre Daten, um den Fehler zu finden. „Es sieht so aus… ja, es sieht so aus, als hätten wir uns gleich zu Beginn beim Urstromtal verrechnet, wobei die Daten…“

„Wir, Major?“, unterbrach O’Neill sie. „*Wir* haben uns vielleicht verrechnet?“

Sam sah zu ihm auf. „Na ja, ich…“, stotterte sie.

„Ja“, schnappte er. „Sie. Also, wie lautet Ihre neue Schätzung?“
Sam schaute hinunter auf ihre Daten und Ihr Schuldgefühl schien langsam von steigender Wut abgelöst zu werden. Musste er wirklich so ein Mistkerl sein? „Ich würde sagen zwanzig, Sir“, sagte sie ihm mit erhoben Kopf und ihrem Kinn streitlustig nach vorne gestreckt.

„Zwanzig“, wiederholte er und sein Mund verzog sich zu einer Linie.

„Nun, es wird dann länger als unsere gegebenen zwölf Stunden dauern.“

„Ja, Sir“, stimmte sie ihm zu.

Teal’c, der ihre Unterhaltung schweigend verfolgt hatte, erhob seine Stimme. „O’Neill“, sagte er, „ich werde zum Stargate zurückkehren und die Neuigkeiten General Hammond mitteilen.“

Der Colonel drehte sich nickend zu Teal’c um. „Na ja, wir werden es ihm sagen“, stimmte er Teal’c zu, „aber der Weg hin und zurück könnte jeweils ein paar Stunden dauern. Du wärst vor Einbruch der Dunkelheit nicht wieder zurück.“

„Ich bin nicht müde“, versicherte ihm Teal’c.

„Ich schätze dein Angebot wirklich“, antwortete O’Neill und schlug ihm ein paar Mal leicht auf den Rücken. „Aber wirklich, warum solltest du gehen? Es ist doch nicht deine Schuld, dass wir unseren Zeitplan nicht einhalten können, nicht wahr, Major?“

Sams Muskeln spannten sich langsam vor Wut an; es schmerzte. „Nein, Sir, das ist es nicht.“

Der Colonel nickte. „Carter, Sie gehen zurück zum Tor. Sagen Sie Hammond, dass wir achtundvierzig Stunden brauchen und dann kommen Sie zurück. Wir werden noch ein paar Stunden gehen, bevor wir ein Camp aufschlagen.“

Verzweifelt presste sie ihre Zähne zusammen, um nicht noch eine unangebrachte Bemerkung fallen zu lassen und starrte ihn stattdessen ungläubig an. Seine Augen waren noch immer hinter seiner Sonnebrille versteckt, als er sie ausdruckslos betrachtete. Er befahl ihr auf einem Sechstunden Marsch zu gehen, von dem sie nicht vor Einbruch der Dunkelheit zurückgekehrt sein würde. Das war dann also ihre Strafe? Das war ihr Strafe, weil sie einmal die Kontrolle über ihre Gefühle verloren hatte. Verdammter Mistkerl!

„Das ist doch wohl nicht dein ernst!“, schrie Daniel, während Sams Gedanken noch Achterbahn fuhren. „Das kannst du nicht von ihr verlangen.“

„Halt dich daraus, Daniel“, erwiderte O’Neill schroff und wandte sich ab.

„Ah nein, das mache ich nicht“, widersprach Daniel. „Nur weil Sam an dem Abend etwas betrunken war, gibt es dir noch lange nicht das Recht…“

Sam konnte sehen, wie sich O’Neill vor Wut anspannte, und entschied sich lieber einzuspringen. „Ist schon okay, Daniel“, sagte sie ihm und legte eine Hand auf seinen Arm. „So weit ist es nun auch nicht. Ich schaffe das schon.“

„Nein“, wehrte sich Daniel. „Das ist nicht richtig. Jack, du führst dich auf wie ein Arschloch! Nur weil…“

„Daniel, halt die Klappe“, schnappte Jack und drehte sich zu ihm um.

„Das hat nichts mit dem Abend zutun. Carter hat Mist gebaut. Und es ist ihre Aufgabe diesen Fehler wieder zu beheben. Ende der Geschichte.“ Er starrte mit einem kalten Blick zurück zu ihr. „Noch immer hier?“

Sie konnte nicht verhindern, dass die Wut durch die Oberfläche brach und sie hoffte, dass er es sah. „Schon auf dem Weg“, war ihre eiskalte Antwort. Zu Daniel murmelte sie leise: „Leg mir 'ne Kleinigkeit vom Essen zurück.“

„Ja“, antwortete Daniel und warf Jack einen verächtlichen Blick zu. „Wir werden nicht mehr weit gehen“, versprach er ihr. „Selbst wenn ich mir meine Gelenke ausreißen muss, um ihn aufzuhalten.“

Sie lächelte leicht bei den Gedanken daran, drückte leicht seinen Arm und machte sich auf den Rückweg. Sie nahm ihre Bestrafung auf wie ein guter Soldat. Es war wie damals im Trainingslager, als sie noch Rekrutin war. Es gab jedoch auch einen kleinen Lichtblick, dachte sie, als sie zurück zum Tor ging. Sie fing an zu denken, dass Tasha Greene wohl doch nicht so gut für ihn war.

 

 

+++++++++

Jack spürte, wie sich Daniels missbilligende Blicke in seinen Rücken bohrten und neben ihn schien Teal’cs Schweigen genauso kalt zu sein. Nicht, dass es einfach war, das bei Teal’c zu sagen, aber irgendwie wusste Jack es… Entweder das, oder sein Gewissen begann ihm ein paar stechende Hiebe zu versetzen.

Stechende Hiebe? Besser wäre wohl das Hämmern eines Presslufthammers. Was zum Teufel hatte er sich nur dabei gedacht Carter ganz alleine zurückzuschicken und sich aufzuführen wie irgend so ein bekloppter Drillsergeant? Gott, hatte er nicht mehr Selbstachtung? Anscheinend nicht. Anscheinend war seine Wut so stark und seine Worte so schroff wie noch nie zuvor. Es war nicht besonders schwer ihn an Tagen wie diesen zu hassen.

„Okay, das war’s. Wir halten an“, Daniels Entrüstung hatte jetzt ihren Weg zur Oberfläche gefunden. Jack war überrascht, dass es so lange gedauert hatte.

Langsam drehte sich Jack zu ihm um und betrachtete seinen Freund vorsichtig und sah die Wut und die eiserne Entschlossenheit in seinen Augen. Wolken bedeckten wieder den Himmel und die Sonne begann bereits unterzugehen. Aber nichtsdestotrotz behielt Jack seine Sonnebrille auf, um sich vor der Wut seiner Freunde zu verstecken. „Scheint so gut wie jeder Platz zu sein“, stimmte er schließlich zu.

Daniel hörte ihm kaum zu, als er seine Sachen abstellte und damit begann das Camp aufzubauen. Teal’c ging zu ihm, um ihm dabei zu helfen und warf O’Neill nur einen kurzen Blick zu. Jack blieb hart, sein Stolz ließ Selbstvorwürfe nicht zu. Er ließ seinen Rucksack auf den Boden fallen und zog das kleine Zelt heraus, was sie sich für die Nacht teilen würden, während über ihm der Himmel zu grollen begann.

Als er aufschaute, sah er dunkle Gewitterwolken am Horizont – es sah so aus, als ob sie genau über dem Tor schwebten. Mist… Mist, Mist, Mist, Mist.

„Sieht wohl so aus, als wenn Sam nass werden würde“, bemerkte Daniel natürlich rein zufällig.

Jack fühlte sich schrecklich, er antwortete ihm nicht. Abrupt stand er auf und entfernte sich ein paar Meter vom Camp, bevor er sein Funkgerät herausholte. „Carter. Melden.“

Es folgte ein statisches Rauschen. „Carter hier, Sir.“

„Wie sieht’s aus, Major?“

„Noch ungefähr vierzig Minuten bis zum Tor, Sir“, kam die kalte Antwort. „Sonst gibt’s nichts.“

Jack zuckt leicht bei ihrer Stimme zusammen. „Regnet es bei Ihnen, Carter?“

Ein weiteres Rauschen zusammen mit einem weiteren Donnerschlag. „… Sturm…“, war alles, was er hörte.

„Wiederholen Sie das noch mal, Carter.“

„Gewitter, Sir“, sagte sie und er konnte schwören, dass er hören konnte, wie die Regentropfen auf ihr Gepäck prasselten, während sie sprach.

Jack schwieg und wünschte sich, dass er den Mumm hätte, sich zu entschuldigen. Aber Vorgesetzte entschuldigten sich nicht bei ihren untergebenden Offizieren. So etwas machten nur Freunde. Sie hatte ihm mehr als deutlich gesagt, dass sie nicht seine Freundin war. Es nie gewesen war, es nie gewesen sein wollte. Er räusperte sich und drückte den Knopf auf seinem Funkgerät. „Carter, wenn Sie am Tor angekommen, dann können Sie auch gleich nach Hause gehen.“

Es herrschte ein langes Schweigen. Als sie schließlich antwortete, zitterte ihre Stimme vor unterdrückten Gefühlen. Er tippte auf Wut. „Sir, ziehen Sie mich von dieser Mission ab?“

Was? Nein! „Negativ, Carter“, versicherte er ihr. „Ich dachte nur, dass Sie ins Trockene wollen.“

Eine weitere Pause, bevor er wieder das Rauschen hörte. „Ich würde lieber die Mission beenden, Sir.“

Natürlich würde sie das. Was hatte er sich nur gedacht? „Verstanden, Major“, antwortete er. Schuld machte sich in seinem Bauch breit, als er daran dachte, dass sie noch einen guten Dreieinhalbstundenmarsch vor sich hatte. „Berichten Sie alle dreißig Minuten.“

„Ja, Sir. Carter, Ende.”

Jack starrte noch lange hinaus auf den dunklen Horizont. Das war wohl mit Abstand die unprofessionellste Entscheidung, die er in seiner gesamten Karriere getroffen hatte. Er hatte sie zurückgeschickt – allein – nicht, weil es dringend notwendig war, noch nicht mal aus irgendwelchem machohaften Verhalten, um seine Autorität zu beweisen und um einem Teammitglied eine Lektion zu erteilen. Nein, er hatte sie zurückgeschickt, weil ihre letzte Abweisung ihn so tief getroffen hatte, dass er nicht damit umgehen konnte und sie dafür bestrafte. Er hatte nicht bemerkt, wie lebenswichtig ihre Freundschaft für ihn geworden war, bis ihre Worte auf Daniels Balkon ihn zerstört hatten. Und jetzt ließ er sie auf die schlimmste Art und Weise dafür büßen, auf die unprofessionellste Art und Weise überhaupt… Was für ein Mensch war er nur, dass er sie so behandelte? Dass er überhaupt jemanden so behandelte? Er schüttelte seinen Kopf. Und genau *deswegen*, erkannte er, gab es diese blöden Vorschriften. Um zu verhindern, dass Gefühle das Denken übernahmen… Gott, wenn ihr wegen seiner kindischen Dummheit etwas passieren würde, könnte er es sich sein Leben lang nicht verzeihen. Und er würde es noch nicht einmal versuchen wollen.


+++++++

Als Carter das Flackern des Feuers in der Dunkelheit erblickte, war sie bereit sofort auf der Stelle umzufallen. Sie hatte für den Rückweg zum Camp mehr als fünf Stunden gebraucht, da der Regen den Boden unter ihr, in einen einzige Schlammlandschaft verwandelt hatte und sie nur sehr langsam vorankam und teilweise gezwungen war fast auf allen Vieren zu krabbeln. Aber sie hatte es überstanden; ihr Stolz und ihre Entschlossenheit hatten sie einen Schritt vor dem anderen setzen lassen, bis sie das Feuer sah und von da an wusste, dass es nicht mehr weit war.

Sie konnte Bewegungen nahe dem Feuer ausmachen. Eine Person lief unruhig auf und ab, während sie dahinter zwei sitzende Schemen erkannte. Die hin und her laufende Person hielt plötzlich an und in diesem Moment erwachte ihr Funkgerät zum Leben. „Carter, wo sind Sie?“

Sie konnte Sorge hinter seiner schroffen Stimme heraushören und für einen Augenblick ließ das ihre Wut ein wenig schwinden. Aber nur für einen Augenblick. „Noch ungefähr zweihundert Meter, Sir“, antwortete sie müde. Ihre selbstgerechte Wut ließen ihre schmerzenden Füße und Beine wahre Wunder vollbringen.

Die Person am Feuer begann sich wieder zu bewegen. „Verstanden, Carter“, sagte er über Funk. „Daniel hat Ihnen ein große Schüssel… irgendetwas aufbewahrt. Hoffentlich sind Sie hungrig.“

Oh, jetzt werden wir also lustig? Träum weiter! „Danke, Sir. Carter, Ende.” Sie ließ den Knopf los und schaltete das verdammte Ding ganz aus. Ihre Aufmerksamkeit richtete sie auf ihre Füße und sie versuchte sie nicht noch mehr in das Pflanzenleben auf dem Boden zu verfangen, welche anscheinend nur existierten, damit sie in ihnen hängen blieb und in den Schlamm fallen ließ. .

Und so kam die Überraschung so leise und unverhofft, dass sie erschrocken zusammenfuhr, als plötzlich ein großer Jaffa vor ihr stand. „Herr Gott noch mal!“

„Major Carter“, sagte Teal’c. „Soll ich dir mit deinem Gepäck helfen?“

Sie grinste und warf einen Blick über seine Schulter zu dem Camp, welches jetzt keine hundert Meter mehr entfernt war. „Das schaffe ich jetzt auch noch“, versicherte sie ihm und konnte den Stolz nicht unterdrücken, der in ihr schwellte, bei dem Gedanken daran, dass sie diese Reise ganz alleine zu Ende geführt hatte.

Teal’c schien es zu verstehen, denn er ging nicht weiter auf das Thema ein, sondern fiel nur in ihren Schritt. „Du siehst müde aus“, beobachtete er. „Und… schmutzig.“

Mit einer Grimasse schaute sie an sich herunter. Schmutzig war wahrscheinlich eine Untertreibung. „Da habe ich ja Glück, dass ich mir noch etwas zum Wechseln eingepackt habe. Das ist der reinste Sumpf dort draußen. Hoffentlich ist es vor unserem Rückweg so weit ausgetrocknet.“

„In der Tat.“

Daniel stand auf, als sie den Lichtkegel vom Feuer betrat, und begrüßte sie mit einem warmen Lächeln. „Hey, Sam“, sagte er und half ihr ihr Gepäck abzusetzen. „Gott, du siehst ja müde aus.“

Sie lächelte nur und seufzte vor Erleichterung, als der schwere Rucksack auf den Boden fiel. „Oh, das fühlt sich gut an“, murmelte sie und kreiste ihre Schultern.

Der Colonel hatte inzwischen sein Hin und Her Gelaufe aufgegeben und saß auf der anderen Seite des Feuers; schweigend beobachtete er sie.

Sie schielte einmal zu ihm hinüber und nickte nur knapp, bevor sie sich wieder an Daniel wandte. „Also, was hast du gekocht?“

„Frag mich nicht“, antwortete er und hielt ihr die dampfende Schüssel hin. „Es ist Hühnchen… glaube ich zumindest.“

„Glaubst du?“, fragte sie, als sie sich müde auf den Boden fallen ließ. Ihr war es in diesem Moment ziemlich egal, dass ihre Kleidung überzogen mit Dreck war. Sie nahm ihre Gabel und roch einmal an dem Essen.

Daniel zuckte mit den Schultern. „Es sollte eigentlich Hühnchen sein, aber es schmeckt wie Macaroni mit Käse.“

Sam lächelte, als sie einen Bissen nahm. Es war warm und verdaulich, das war alles, was zählte. Sie war ausgehungert und aß ohne Unterbrechung, bis die Schüssel leer war, wo sie sich dann nach mehr umsah.

„Hier“, sagte eine Stimme gegenüber von ihr. „Kopf hoch.“

Gerade noch rechtzeitig hob Sam ihre Hand, um den Schokoriegel zu fangen, den O’Neill in ihre Richtung warf. Snickers. Ihr Lieblingsriegel. Sie runzelte die Stirn. Seine freundliche Geste passte nicht besonders gut zu ihrer Wut. „Danke“, sagte sie nach einem Moment.

Der Colonel nickte nur. „Also“, sagte er mit einer Stimme, die nicht mal annähernd an seinen sonst so freundlichen Ton herankam. „Was hat Hammond gesagt?“

Sam lächelte leicht. „Dass wir die achtundvierzig Stunden haben, Sir.“

„Das ist alles?“

Sie zuckte mit den Schultern und entfernte langsam das Papier von ihrem Schokoriegel. „Er sagte auch noch und ich zitiere, Sir: ‚Was zum Teufel hat sich Colonel O’Neill nur dabei gedacht, Sie den ganzen Weg alleine zurückzuschicken, Major?’“

O’Neills Gesichtszüge erstarrten. „Verstehe.“

Sam zuckte erneut mit den Schultern. „Es tut mir leid, Sir, aber darauf konnte ich ihm leider nicht antworten.“

Neben ihr hörte sie, wie Daniel leicht schnaubte und lächelnd sah sie zu ihm hinüber. „Ich freue mich schon auf die Besprechung“, murmelte er.

Sam kicherte leicht. Sie war zu müde und die Zwiespältigkeit ihrer Gefühle war zu überwältigend, als dass sie ihren Anstand bewahren konnte und sie nahm einen weiteren Bissen von ihrem Snickers. Aber ihr Lachen starb, als sie hörte, wie O’Neill aufstand.

 

„Ich sehe mich noch mal um“, murmelte er, bevor er aus dem Lichtkreis des Feuers austrat und in die Dunkelheit verschwand. Sam sah ihm hinterher, als sie ein Gefühl der Traurigkeit erfasste. Würde das jetzt immer so laufen? Jegliche Wärme verschwunden, ihre Freundschaft wie kalte Asche im Wind davon getragen? Der Riegel blieb ihr im Halse stecken, als sie versuchte ihn herunterzuschlucken. Sie schloss ihre Augen verdeckte sie mit einer Hand.

Daniels warme Hand legte sich auf ihre Schulter. „Hey“, sagte er sanft. „Warum legst du dich nicht einfach hin?“

Sie nickte und zog ihre Hand von ihrem Gesicht weg. „Ich muss mich umziehen“, sagte sie, ihr Blick wanderte an ihren verschmutzen Sachen hinunter. „Was dagegen, wenn ich kurz das Zelt besetze?“

„Mach nur“, versicherte er ihr, sein Blick wanderte hinaus in die Dunkelheit. Sam folgte seinem Blick, aber sie konnte nichts hinter dem Licht des Feuers erkennen. Mit einem schweren Seufzen zog sie ihre Tasche in das Zelt und begann sich umzuziehen. Als sie sich so gut es ging gesäubert hatte, schnürte sie den Rucksack wieder zu und stellte ihn vor das Zelt.

„Ich bin fertig“, sagte sie leise.

Daniel drehte sich mit einem abwesenden Nicken zu ihr um. „Nacht, Sam“, sagte er, als sie in ihren Schlafsack kroch und sich zusammenrollte.

„Nacht“, murmelte sie zurück. Sie schloss ihre Augen und hoffte, dass der Schlaf sie irgendwo hinbefördern würde, wo es ruhig und traumlos war. Irgendwohin, wo es keine Wut oder Schuld oder Verluste gab…


+++++++

Sam war sich nicht sicher, wie lange sie geschlafen hatte, als sie etwas weckte. Sie öffnete in der Dunkelheit ihre Augen, ihre Ohren lauschten sofort nach der Ursache, warum sie aufgewacht sein könnte. Im Zelt konnte sie Teal’cs langsamen und regelmäßigen Atemzüge hören und sie wusste, dass er entweder schlief oder meditierte. Aber Teal’c hatte sie nicht geweckt. Ihre Muskeln waren angespannt mit einer Unruhe, die sie immer erfasste, wenn ihr Körper abrupt aus dem Schlaf gerissen wurde, bereit für eine eventuelle Flucht oder einem Kampf. Und als sie lauschte, dann hörte sie es wieder. Leise Schritte ertönten neben dem Zelt.

Sam öffnete ihre Augen und durch den offenen Verschluss konnte sie die kleinen Flammen des sterbenden Feuers in der Dunkelheit sehen. Daniel saß nahe daran. Sie sah nur sein Profil, als er plötzlich aufgrund der Schritte aufschaute. „Ich habe schon gedacht, du würdest gar nicht mehr zurückkommen“, flüsterte er.

Es gab keine Antwort, aber Sam beobachtete den Colonel, wie er langsam den Lichtkreis betrat und sich auf der anderen Seite des Feuers auf den Boden setzte. Sein Gesicht lag halb im Schatten, halb im Licht. Er sagte nichts, sondern starrte nur ins Feuer.
 

„Wo warst du?“, fragte Daniel mit einer ernsten Geduld, die sie nicht oft von ihm zu hören bekam. Aber sie lächelte aufgrund seiner naiven Frage. Jack würde ihm nie…

„Ich bin nur so herumgelaufen.“

Oh.

Daniel holte einmal tief Luft und atmete langsam wieder auf. „Also, willst du mir sagen, was lost ist?“

Jack schwieg, aber sie konnten den Schmerz in seinem Gesicht sehen, als er versuchte die richtigen Worte zu finden. Nach einer Weile sagte er nur: „Carter hasst mich.“

Sam hielt die Luft an. Seine Worte schockten und überraschten sie, als sie dalag und ihn beobachtete. Carter hasst mich?

„Huh“, schnaubte Daniel und griff nach seiner immer vorhandenen Tasse Kaffee. „Na ja, nach heute tut sie das vielleicht… für 'ne Weile.“

Jack schüttelte den Kopf, sein Blick war auf die tanzenden Flammen gerichtet. „Nein. Nicht nur heute.“

„Das ist lächerlich“, antwortete Daniel, als er einen Schluck von seiner Tasse nahm. „Warum denkst du das? Sam…“ Er runzelte die Stirn und starrte hinunter in seine Tasse. „Sam sorgt sich… um uns alle.“

Jack antwortete nicht, seine dunklen Augen waren versteckt unter seiner Kappe. Tief in Gedanken verloren, nahm er einen kleinen Ast und begann damit in dem verbrannten Holz herumzustochern, sodass einzelne Funken hoch in den Nachthimmel hinauf schossen. „Hat Teal’c dir jemals erzählt, was während des Zar’tac Dings passiert ist?“, fragte er dann und überraschte Sam das zweite Mal an einem Abend.

Daniel reagierte ähnlich, seine Tasse, die er zum Mund führen wollte, hielt auf halbem Wege inne. „Ah“, machte er verwirrt, bevor er leise hinzufügte: „Eigentlich schon… ja.“

Jack nickte, so als ob er überhaupt nicht überrascht war. „Er hat dir erzählt, was ich gesagt habe?“

„Ja.“

„Was Carter gesagt hat?“

Sams Herz pochte wie wild, ihre Muskeln verkrampften sich fast bei dem Versuch bewegungslos liegen zu bleiben. Der Zar’tac-Test? Er sprach von dem Zar’tac Test? In all den Monaten hatte er es ihr gegenüber nicht einmal erwähnt. Nicht einmal. Nie.

„Ah, was *Sam* gesagt hat?“, wiederholte Daniel die Frage und seine Kaffeetasse vollendete seine Reise zu seinen Lippen. „Nein… nicht wirklich.“

Jack nickte wieder und dann sprach er die Worte, als ob sie alt und vertraut für ihn klingen würden. „’In diesem Moment habe ich verstanden, warum er mich nicht verlassen konnte… es war erschreckend.’“

Daniel runzelte die Stirn und schluckte den Kaffee herunter. „Ziemlich heftig.“

„Das war’s“, stimmte ihm Jack zu. „Und dann, als es vorbei war, weißt du, was sie da gesagt hat?“

„Nein.“

„’Sir, niemand wird je davon erfahren.’“ Jack schaute schließlich auf und schaute hinüber zu Daniel. „Sie konnte gar nicht schnell genug aus diesem Raum verschwinden.“

Er hatte recht, sie konnte nicht. Es war eine Qual gewesen so nahe an etwas zu kommen, was sie so lange versteckt hatte. Ihre Sehnsucht war in diesem Augenblick so aufrichtig, die geteilte Zuneigung so leidenschaftlich gewesen, dass es zu schmerzhaft war. Und dann hatte Jack Martouf erwähnt und alles war in ein gewaltiges Chaos ausgebrochen…

„Vielleicht war es ihr peinlich?“, schlug Daniel leise vor.

Jacks Gesichtszüge zuckten leicht. „Das habe ich mir auch eingeredet“, antwortete er. „Ich dachte, es wäre trotzdem so weit alles in Ordnung zwischen uns. Ich habe versucht mir einzureden…“ Seine Stimme zitterte ein wenig und er räusperte sich. „Ich habe versucht mir einzureden, dass wir noch Freunde waren. Dass wir trotz allem noch immer Freunde waren.“

Ihr Herz zog sich bei seinen Worten zusammen, so schmerzhaft, als sie seine Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit in seiner Stimme hörte…Freunde…? Ein Funke des Verstehens flammte in ihren Hinterkopf auf. Freunde…?

„Ich lag falsch“, fuhr Jack fort, bevor Daniel irgendwelche Fragen stellen konnte. „Oh, ich habe es versucht“, fügte er verbittert hinzu. Der Ast, den er hielt, stach jetzt auf die Asche ein. „Ich dachte, wenn wir nur reden könnten…“ Er schüttelte den Kopf. „Ein paar Mal habe ich einen Drink nach der Arbeit, ein oder zweimal ein Essen vorgeschlagen…“ Er seufzte schwer und fuhr sich mit einer Hand durch seine Haare. „Zweimal habe ich sie gefragt, ob sie mit mir zu meiner Hütte fahren möchte. Und jedes Mal, jedes einzelne Mal, hatte sie 'Nein’ gesagt.“

In Sams Kopf drehte sich jetzt alles. Nein? Na ja, ja, sie hatte Nein gesagt, aber nicht, weil sie es nicht wollte. Nicht, weil er ihr nichts bedeutete. Gott, hatte er das etwa gedacht?

„Du lagst falsch?“, hakte Daniel nach. „Darüber, dass ihr keine Freunde sein könntet?“

Jack nickte schweigend, die Hand, die den Ast hielt, kam neben ihm zu liegen. „Habe es erst an dem Abend bei dir gemerkt“, flüsterte er. „Sie sagte mir, dass wir nie Freunde waren. Dass sie nie gewollt hatte, dass wir Freunde sind.“

Daniel runzelte die Stirn und Sam wartete gebannt auf den Punkt, wo er ihm darlegte, wie nahe sie sich standen und wie sie unmöglich gemeint haben konnte… „Heute hat sie das auch gesagt“, sagte er leise. „Dass ihr aufgrund eures Ranges keine Freunde sein könntet… ich dachte, dass wäre bloß Schwachsinn, aber…“

„Sie hat recht“, unterbrach Jack ihn. „Wir sind Kollegen, keine Freunde. So muss es sein, aber…“ Er hielt inne und seufzte. „Aber es tut weh, Daniel. Es von ihr zu hören. Auch wenn ich jetzt mit Tasha zusammen bin, tut es immer noch so verdammt weh es zu hören.“

Daniels Augen waren auf Jack gerichtet, Mitgefühl erweichte seine Gesichtszüge. „Also deshalb hast du dich heute wie ein komplettes Arschloch aufgeführt? Weil sie dich verletzt hat?“

„Verdammt unprofessionell, hm?“, knurrte Jack und warf den Ast, mit der er herumgespielt hatte, ins Feuer. „Gott“, seufzte er und richtete sich etwas auf. „Ich kann es kaum erwarten nach Hause zu kommen.“

Sam war so damit beschäftigt zu verstehen, dass er sie vollkommen missverstanden hatte, dass sie nicht den Wandel der Unterhaltung mitbekam. Sie konnte einfach nicht glauben, dass er das, was sie als einen Ausdruck ihres Verlangens für *mehr als Freundschaft* als totale Abweiseisung auffassen konnte. Dass ihr vorsichtiges Beachten der Vorschriften als ein Mangel an Interesse ausgelegt werden konnte. Wie konnte er es nur so falsch verstanden haben? War sie wirklich so eine Eiskönigin, dass sie ihn dadurch vollkommen von sich gestoßen hatte? Ihn in die Arme von Tasha Greene getrieben hatte?

„Also“, sagte Daniel, als er näher ans Feuer rutschte, „läuft es dann ganz gut zwischen dir und Tasha?“

Sam erstarrte bei dieser Frage und zum ersten Mal seit dem Beginn dieser Unterhaltung, schloss sie ihre Augen. Sie wollte nicht sehen, wie Jack lächelte, wenn er an Tasha dachte. Sie wollte nicht wissen, dass sie jetzt den Platz in seinem Herzen besaß, der einst ihr gehört hatte.
„Ziemlich gut“, hörte sie Jack sagen und sie konnte schon fast das selbstsichere Lächeln auf seinen Lippen sehen. „Es ist schön… gewollt zu werden, weißt du? Das ändert was.”

„Ja“, stimmte ihm Daniel fast sehnsüchtig zu. „Es ist schön gebraucht zu werden.“

„Ja… Gebraucht… Gewollt.“ Er lachte leicht auf. „Es ist schon lange her… ich bin ein wenig aus der Übung.“

„Tasha scheint das nichts auszumachen.“

„Sie ist eine sehr tolerante Frau“, stimmte Jack ihm zu. „Und geduldig… Erinnert mich irgendwie an Sara.“

Sara… Sam wurde schlecht, als die grausame Erkenntnis über sie zusammenbrach, dass sie wahrscheinlich jetzt vollkommen das Boot verpasst hatte. Und nur wegen ihren eigenen, verklemmten Fehler. Tasha erinnert ihn an Sara. Seine Ehefrau… Die Frau, mit der er zehn Jahre seines Lebens geteilt hatte. Die Folgen waren offensichtlich und erschreckend. Sie konnte ihn für immer und ganz verlieren. Und nur weil sie so auf die Vorschriften bestanden hatte, hatte sie nicht gesehen, dass er mehr brauchte, als nur mal einen kurzen Blick oder ein kleines Lächeln, wenn sie dachte, dass sie niemand beobachtete. Sie hatte seine Zuneigung als selbstverständlich angesehen und nichts gemacht um sie zu pflegen oder ihm einen Hinweis auf ihre eigenen Gefühle zu geben… Er trug sein Herz auf seiner Zunge und sie hatte es genossen sich in der Wärme zu aalen, aber war zu erschrocken gewesen auch nur etwas davon zu erwidern. War es da noch eine Überraschung, dass er Trost in den Armen einer anderen Frau suchte, die keine Vorschriften beachten musste?

Die Tränen brannten in ihrem Hals und sie musste sich auf die andere Seite drehen, als einzelne Tränen aus ihren geschlossenen Augen liefen und sie sich selbst verriet. Aber ihre Bewegung musste die beiden abgelenkt haben ihre Unterhaltung fortzusetzen, denn schließlich sagte Jack: „Geh schlafen, Daniel. Meine Schicht.“

Raschelnd stand Daniel auf. „Nacht, Jack“, flüsterte er.

„Ja, Nacht, Daniel… Und danke.“

„Immer wieder“, kam die Antwort. Seine Stimme war jetzt näher, als er in ihr Zelt kroch. Sam rollte sich rüber, so, dass sie mit dem Rücken zu ihm lag, und versuchte ihre Gefühle, ihre Tränen herunterzuschlucken, die so schmerzhaft in ihrem Herzen aufloderten.

Sie hatte Jack weggetrieben. Und er dachte, dass sie ihn hassen würde, seine Freundschaft nicht haben wollte… Oh Gott… Sie konnte es nicht ertragen, dass er so von ihr dachte, dass er nicht wusste, wie viel er ihr bedeutete und wie viel seine stumme, unausgesprochene Zuneigung ihr bedeutet hatte.

Aber was konnte sie jetzt noch machen? Er war mit Tasha zusammen. Tasha machte ihn glücklich… Es war zu spät. Jetzt war einfach alles zu spät. . .

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+++++++

Am nächsten Abend erreichte ein sehr müdes und angespanntes SG-1 das Stargate. Der Regen hatte nicht aufgehört und das letzte Stück, war so mit Schlamm übersät gewesen, dass man unter den Schmutz nicht mehr die Uniform der Vier erkennen konnte, als sie dem Tor beim Anwählen zusahen.

Teal’c stand hinter dem Rest von seinem Team und beobachtete, wie sich das stumme Drama vor ihm ausbreitete. Major Carter stand vor ihm und neben O’Neill. Die beiden waren umgeben von einem so angespannten Schweigen, dass es die Luft um sie herum schwer erschienen ließ. Er wusste, dass es unausgesprochene Worte zwischen ihnen gab, die gesagt werden mussten, damit diese Spannung verschwand. Zu allererst sollte sich O’Neill für sein gestriges Verhalten bei ihr entschuldigen. Das hatte er nicht getan und Teal’c war deshalb etwas enttäuscht von seinem Freund.

Er kannte nicht die Einzelheiten ihres Konfliktes und es lag nicht in seiner Natur diese zu hinterfragen. Jedoch machte es ihn traurig, die beiden dort stehen zu sehen. Wo sie einst fast eine Einheit gebildet hatten, waren sie jetzt entzweit. Er seufzte leicht und hörte dann, wie Major Carter zu sprechen begann. Ihre Stimme war angespannt und sie sprach durch zusammengepressten Zähnen.

„Eine ziemlich erfolgreiche Mission, Sir“, sagte sie und warf ihm einen flüchtigen Blick zu, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Tor vor ihr richtete. „Der Abbau des Naquadahs in den Spalten wird einfach werden.“

„Ja“, stimmte ihr O’Neill leise zu und schaute hinunter auf seine Schuhe. „Gute Arbeit, Carter.“

Major Carter zuckte mit den Schultern. „Ich habe nicht wirklich etwas gemacht, Sir. Es war einfach nur dummes Glück.“

„Ich bezweifle, dass *dumm* irgendwas damit zutun hatte“, murmelte O’Neill, noch immer mit einem starren Blick auf seine Schuhe. Carter sah mit einem Funken von Hoffnung zu ihm auf, aber als er nicht aufschaute und ihr nicht antwortete, verschwand der Funke und machte der Enttäuschung Platz. Schweigend richtete sie ihr Blick wieder auf das Stargate.

Teal’c schüttelte seinen Kopf. Diese ungewöhnliche und unnatürliche Spannung zwischen ihnen begann ihm ziemlich zu stören. Er war sogar fast dazu geneigt gewesen, seinen eigenen unausgesprochenen Kodex zu brechen und dazwischen zu gehen, als das Stargate zum Leben erwachte. O’Neill eilte schnell darauf zu, langsam gefolgt von Carter.
Neben sich hörte Teal’c ein schweres Seufzen und sah, dass Daniel Jackson ebenfalls seinen Blick auf die beiden gerichtet hatte. „Da gibt es nichts, was wir machen können“, flüsterte der Archäologe, so als ob er Teal’cs Gedanken gelesen hätte.

„Da stimme ich dir zu“, antwortete Teal’c. „Aber es ist für Colonel O’Neill ziemlich untypisch, dass er zulässt, dass seine Entscheidungen von persönlichen… Gefühlen beeinflusst werden. Es ist störend.“

„Er ist keine Maschine“, sagte Jackson, als O’Neill durch den schimmernden Ereignishorizont trat und verschwand. „So gern er es auch möchte.“

Teal’c nickte schweigend, als er zum Tor ging. Daniel Jackson hatte recht, keiner von ihnen waren irgendwelche Maschinen, ohne jegliche Gefühle. Dennoch… etwas sagte ihm, dass es noch nicht vorbei war.


****************

Aufregung beschrieb nicht einmal annähernd, was Sam fühlte, als sie sich auf die Kante eines Stuhles in der Kantine setzte und einen Schluck von ihrem kalten Wasser nahm. Ihr Magen war viel zu angespannt, als dass sie hätte Kaffee trinken können und sogar das Wasser ließ in ihr ein Übelkeitsgefühl aufsteigen. Auf der anderen Seite des Raumes konnte sie Daniel und den Colonel leise miteinander reden sehen und Teal’c, wie er grade sein Essen bezahlte. Das traditionelle Treffen nach einer Mission. Sie konnte sich dem nicht stellen. Sie hatte den Tag bereits in einer Qual von Trauer verbracht, mit der leichten Hoffnung ein paar Dinge zwischen ihr und dem Colonel klären zu können. Aber ihre schwachen Annäherungsversuche trafen nur auf steinige, hohe Mauern. Er hatte sie kaum angesehen, aber sie wusste nicht, ob es daran lag, dass er noch wütend oder ob es die Schuld seines unprofessionellem Verhaltens war.

Was sie jedoch wusste, war, dass sie eine Entscheidung getroffen hatte. Er musste es erfahren. Sie konnte es einfach nicht aushalten, dass er dachte, dass er ihr nichts bedeuten würde. Und auch wenn er mit Tasha zusammen war, war sie fest entschlossen ihm die Wahrheit wissen zu lassen – egal wie schmerzvoll und peinlich es für sie sein würde ihm diese Worte zu sagen. Aber Sam Carter war noch nie ein Feigling gewesen. Und sie hatte sich nie vor ihrer Pflicht gedrückt, egal ob sie persönlicher oder beruflicher Natur war.

Sie schloss für einen kurzen Moment ihre Augen und wusste, dass sie gar keine andere Wahl hatte, als zu ihnen zu gehen. Wenn sie es nicht tun würde, dann würde Daniel mit voller Sorge nach ihr suchen und ihr Fragen stellen. Und sie wollte dieses Durcheinander so gut wie es ging für sich behalten. Sie richtete sich auf, nahm ihr Glas und machte sich mit schweren Schritten auf dem Weg zum Tisch. Daniel saß mit dem Rücken zu ihr und der Colonel gegenüber von ihm. Er schaute kurz auf und sie nickte leicht, als sie an ihren Platz ankam. Sie lächelte nervös, aber er nickte nur knapp und senkte seinen Blick zurück auf sein Essen vor ihm.

Sam schluckte schwer und zwang sich dazu ihre Stimme einigermaßen fröhlich klingen zu lassen. „Hi, Daniel. Sir.“

„Hey, Sam“, lächelte Daniel ihr zu und schob sein Tablett zur Seite, um für sie Platz zu machen. Aber dann bemerkte er, dass sie gar keines trug und er sah sie mit einem Stirnrunzeln an. „Isst du gar nichts?“
„Nein. Ich… später. Ich werde mir später etwas holen.“

Daniel nickte nur und zuckte mit den Schultern. „Also“, sagte er. „Ich dachte schon, dass General Hammonds Gesicht vor Grinsen entzwei fallen würde, als du ihm von dem Naquadah auf G8K-139 erzählt hattest.“

Sam lächelte ihn leicht an. „Er schien erfreut zu sein. Für uns bedeutet das eine große Veränderung. Ich bin überrascht, dass dieser Planet nicht bereits von irgendwelchen Goa’uld geplündert wurde.“

„Vielleicht ist er durch ihr Netz gerutscht?“, schlug Daniel vor. „Nicht einmal die können überall sein.“

„Wenn sie zurückkommen würden“, sagte Teal’c, als er zu ihnen kam, „dann könnte G8K-139 ein Streitpunkt werden. Sie würden uns deswegen angreifen.“

„Dann lass sie doch kommen!“, murmelte O’Neill, als er ein paar Pommes aufspießte. „Wir werden warten.“

Teal’c antwortete ihm nicht darauf, sondern setzte sich auf seinen Platz. Als er dann alles arrangiert hatte, fügte er hinzu: „Es wäre ratsam, wenn wir das Wissen über den Reichtum von G8K-139 so gering wie möglich halten würden. Um zu verhindern, dass die Goa’uld diesen Planeten entdecken, sollten nur die Personen etwas davon wissen, die es auch müssen.“

Sam nickte und für einen Moment hatte sie ihre persönlichen Probleme vergessen. „Teal’c hat recht, Sir“, sagte sie und schielte hinüber zu O’Neill. „Wir sollten das für uns behalten.“

Der Colonel sah mit einem knappen Nicken zu ihr auf. „Ich werde es Hammond gegenüber mal erwähnen“, stimmte er ihr zu und legte seine Gabel auf den Teller, als er nach seiner Cola griff. „Also“, sagte er und hob sein Glas halbherzig hoch. „Auf eine sichere Rückkehr.“

„Auf eine sichere Rückkehr“, antworteten die anderen im Chor und stießen mit ihren Gläsern an, bevor sie einen Schluck tranken.

Und dann nach einem Moment des Schweigens stand O’Neill auf. „Ich hasse es zwar diese kleine Party hier zu unterbrechen“, sagte er, „aber ich werde jetzt gehen. Man sieht sich.“

Sams Herz begann zu pochen, als sie ihm dabei zusah, wie er sein Tablett vom Tisch nahm.

„Gute Nacht, Jack“, rief Daniel ihm ziemlich überrascht hinterher.
In seinen Gedanken vertieft, antwortete er Daniel nicht, sondern stellt sein Tablett auf einen Geschirrwagen ab und ging zur Tür.

Sams Blick klebte förmlich an seinem Rücken, als sie selbst mit leicht zittrigen Knien aufstand. „Ähm“, murmelte sie, „ich habe auch noch ein paar Dinge zu erledigen. Also, werde ich mal…“

Daniel sagte nichts, aber sie konnte schwören, dass er mit Teal’c einen bedeutungsvollen Blick ausgetauscht hatte. Mit einem leichten Grinsen klopfte sie Daniel ein paar Mal auf die Schulter, bevor sie eilig die Kantine verließ. Sie hoffte, dass der Colonel in seinem Büro sein würde und so zwang sie ihre Füße sich in genau diese Richtung zu bewegen. Auf ihren Weg versuchte sie nicht an das zu denken, was sie ihm gleich sagen würde. Und schon gar nicht an seine mögliche Reaktion auf ihre Worte.


****************

Jack ließ sich in seinen Sessel hinter dem Schreibtisch fallen und starrte gedankenverloren auf die geschlossene Tür. Die letzten zwei Tage waren unerträglich gewesen. Er hielt die Spannung, die zwischen ihm und Carter gewachsen war, nicht mehr aus und er hasste, was es aus ihm gemacht hatte. Es hatte ihn zu einem unbedeutenden, rüpelhaften und unprofessionellen Tyrannen gemacht. Er wusste, dass er sich damit auseinandersetzen musste und irgendwie einen Weg finden werden müssen damit umzugehen oder sein Team würde daran zerbrechen.
„Gott“, stöhnte er, als er seinen Kopf nach hinten lehnte und seine Hände auf seine Augen drückte. „Ich hätte das kommen sehen müssen.“ Gleich von dem ersten Moment an, an dem sein Magen anfing, Purzelbäume zu schlagen, wenn Carter ihn anlächelte. Dieser Tag war unvermeidlich gewesen. „Hätte sie an Ort und Stelle versetzen sollen“, murmelte er nicht zum ersten Male zu sich selbst. Es war eine Anmaßung gewesen, zu denken, dass er immun gegen die starken Gefühle in seinem Herzen war, die mit jedem weiteren Tag wuchsen. Deshalb gab es die Regeln, doch es machte nicht den geringsten Unterschied, ob er seinen Gefühlen folgen würde oder nicht. Es waren die *Gefühle*, die das Problem waren. Aber seine Arroganz war schon so oft sein Niedergang gewesen. Er dachte, er könnte damit umgehen, er dachte er stand über den Regeln. Aber diesmal nicht.

Er schüttelte angewidert vor sich selbst den Kopf. Und dann verspürte er das dringende Verlangen nach Trost. Er griff nach dem Telefon und begann zu wählen. Nach ein paar Mal Klingeln antwortete sie und ihre Stimme ließ ihn erleichtert lächeln.
„Tasha Greene.“

„Hey“, sagte er, „ich bin’s.“

„Jack!“ Sie schien erfreut zu sein ihn zu hören und das ließ sein kaltes Herz ein wenig aufwärmen. „Wo bist du?“

„Im Moment noch auf dem Stützpunkt, aber ich bin hier jetzt fertig. Hast du heute Abend schon was vor?“

Er hörte ein leises Rauschen in der Leitung und erkannte dann, dass sie wohl Auto fuhr. Er konnte nur den Schluss ihres Satzes verstehen. „…auf dem Weg?“

„Du benutzt doch nicht etwa dieses verdammte Ding, während du fährst?“, fragte er mit einer Mischung aus Sorge und Humor.

„Hör auf zu meckern!“, protestierte sie lachend. „Also, willst du nun was vom Chinesen oder nicht?“

Jack lächelte. „Chinesisch hört sich gut an“, antwortete er. „Holst du was?“

„Das habe ich grade eben gesagt. Im Moment stecke ich hier noch im Verkehr fest. Es wird ungefähr von hier noch 'ne Stunde dauern. Ist das okay?“

„Großartig“, nickte er. „Ich werde sofort los. Bis gleich.”

„Verspäte dich nicht“, warnte sie ihn. „Ich habe nämlich keine Lust draußen in der Kälte vor deinem Haus auf dich zu warten.“

„Ich werde da sein“, versicherte er und fragte sich, ob er ihr vielleicht einen Schlüssel geben sollte… es wäre logisch, wenn er darüber nachdachte, wie viel Zeit sie miteinander verbrachten. Aber etwas in ihm sträubte sich gegen diesen Gedanken. Er mochte seine Privatsphäre. In den letzten fünf Jahren hatte er sich daran gewöhnt. Es war noch zu früh das aufzugeben.

„Jack?“ Tashas Stimme war jetzt ruhiger und ernster. „Ich habe dich vermisst.“

„Ja“, antwortete er mit ebenso weicher Stimme. „Ich dich auch.“

Ein scharfes Klopfen unterbrach den intimen Austausch und er runzelte seine Stirn. Er war jetzt wirklich nicht in der Stimmung sich zu verspäten. „Ich muss los“, erklärte er. „Aber ich sehe dich um 2000. Okay?”

„Sicher“, stimmte ihm Tasha ironisch zu, „wenn das acht Uhr bedeutet.“

„Acht Uhr“, bestätigte Jack mit einem Lächeln. „Fahr vorsichtig und schallte dein verdammtes Handy aus, bevor du noch jemanden oder dich selbst umbringst!“

Seine Antwort war nur ein Freizeichen, als sie genau das tat, um was er sie gebeten hatte… oder besser, es ihr befohlen hatte. Er verzog leicht sein Gesicht. Verdammt, er würde wahrscheinlich nie den Rest zu Ohren bekommen. Tasha war nicht sehr begeistert davon, wenn er ihr Befehle gab oder zumindest das, was sie für Befehle hielt. Jack lächelte leicht. Sie hatte ja keine Ahnung, wie sich ein richtiger Befehl anhörte. Und sie würde wahrscheinlich vor Wut explodieren, wenn er es ihr Mal zeigen würde!

Es klopfte erneut, diesmal etwas zögernder und mit einem schweren Seufzen straffte er seine Schultern und rief: „Herein!“ Das sollte jetzt besser schnell gehen!

Zu seiner Überraschung öffnete Carter die Tür und kam herein. „Sir?“, fragte sie etwas unsicher. „Haben Sie einen Augenblick Zeit?“

Sie hatte ihre Augen weit aufgerissen und er konnte in ihren Blick etwas Ängstliches sehen. Er spürte, wie sein Herz etwas weicher wurde. Mit einem Stirnrunzeln verfluchte er sich selbst für seine Schwäche und murmelte: „Ich habe *einen* Augenblick.“ Die Worte klangen schroffer, als beabsichtigt gewesen war.

Carter verzog leicht ihr Gesicht, aber ihre Lippen verzogen sich vor Entschlossenheit zu einer dünnen Linie, als sie nickte. „Danke, Sir, das wird nicht lange dauern.“ Sie drehte sich um, um die Tür hinter sich zu schließen. Für einen langen Moment hatte sie ihm den Rücken zugedreht, während eine Hand auf der Türklinke ruhte. Und dann, als sie sich umdrehte, war Major Carter verschwunden. An ihrer Stelle stand eine sehr unsichere und unglückliche Frau. Sein Herz begann vor Sorge zu pochen und er musste dem plötzlichen Verlangen widerstehen, zu ihr zu gehen. Er war heilfroh, dass sein Schreibtisch zwischen ihnen stand.

„Alles in Ordnung?“, fragte er leise, jetzt leicht angesteckt von ihrer Angst. Unbewusst lehnte er sich auf seinem Schreibtisch nach vorne und sah zu ihr auf. „Was ist los?“

Carter nickte, ihre Hände hatte sie auf ihrem Rücken gefaltet, als sie sich vor ihm stellte – und plötzlich war der Major wieder zurück. Ihr Blick war auf etwas hinter ihm an der Wand gerichtet, ihre Schulter angespannt. Nur ihre Augen verrieten sie – groß, dunkel und nervös. „Sir, ich will mich entschuldigen“, begann sie. „Dafür, dass ich in diesem Zustand zum Dienst angetreten bin… Es war unprofessionell und ich…“

„Schon vergessen, Carter“, versicherte er ihr und er war irgendwo erleichtert, dass es nichts Ernsteres war. Sein eigenes unprofessionelles Verhalten vom Vortag nagte noch an seinem Gewissen und er wusste, dass er ihr noch eine Entschuldigung schuldete. Aber die Worte blieben in seinem Halse stecken, ihre Zurückweisung war noch zu frisch, er hatte sie noch nicht verarbeitet.

Carter nickte als Antwort. „Danke, Sir.“

„Also, wenn das dann alles ist…?“, begann Jack, als er aufstand, und versuchte die nagende Stimme seines Gewissens zu ignorieren.

„Nein“, sagte Carter mit einer trockenen Stimme. „Da ist noch etwas, Sir.“

Als er die Furcht in ihrer Stimme hörte, setzte er sich langsam wieder hin. „Oh.“ Sein Magen zog sich zusammen, als er drauf wartete, dass sie weiter sprechen würde. Oder er fürchtete sich nur vor dem, was er vielleicht zu hören bekommen würde, auch wenn er keine Ahnung hatte, was das sein mochte.

Carter schluckte und ihre Zunge fuhr über ihre Lippen. Er sah, wie sie sich noch weiter anspannte. „Sir“, begann sie und schüttelte dann mit einem Stirnrunzeln den Kopf. „Sir, ich…“ Sie atmete einmal tief ein und fuhr sich mit ihrer Hand durch ihre kurzen Haare, als sie einen erneuten Versuch startete. „Sir, was ich an dem Abend bei Daniel gesagt habe, darüber, dass ich nicht will, dass wir Freunde sind?“

Jack erstarrte. Das hatte er nicht erwartet. „Was ist damit?“

„Das habe ich nicht so gemeint“, flüsterte sie. Und es zeichneten sich erneute Falten auf ihrer Stirn ab. „Na ja, ich habe es schon so gemeint, aber nicht so…“ Die Hand, mit der sie durch ihre Haare gefahren war, begann zu zittern, als sie mit erstickter Stimme weiter sprach. „Sir, was ich meinte, war, dass ich nicht ihre Freundin sein kann, weil ich…“ Ihr Blick glitt hinunter auf den Boden, wo sie ihre Stiefel begutachtete. „Weil ich mehr als Freundschaft fühlte… Mehr als ich sollte.“

Mehr? Jack konnte nicht antworten. Er wagte es noch nicht einmal das zu verstehen… Mehr, wie in…? Oh Gott, meinte sie etwa…?

„Ich weiß“, fuhr Carter schnell fort, als sie keine Antwort von ihm bekam, „dass es nicht angebracht von mir ist, das zu sagen, Sir. Aber ich will nicht, dass Sie denken, dass Sie mir nichts… bedeuten. Oder, dass ich nie gefühlt habe… Es tut mir Leid“, seufzte sie mit einem starren Blick auf den Boden gerichtet. „Das ist so schwierig.“

Jacks Mund war wie ausgetrocknet, in seinem Kopf drehte sich alles und das Atmen viel ihm sichtlich schwer. Er hatte sich noch immer nicht gerührt, sein Blick ruhte weiterhin auf ihr, aber er war vollkommen verwirrt. „Carter…“, begann er, doch verstummte dann hilflos. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“

Sie nickte mit einem gesenkten Blick. „Das ist okay“, versicherte sie ihm leise. „Sie müssen gar nichts sagen. Ich wollte nur, dass Sie es wissen, das ist alles.“ Und dann schaute sie auf, diesmal versteckte sie ihre Gefühle nicht, als sich ihre Blicke trafen. „Die Gefühle, die Sie hatten, Sir, waren so wichtig für mich. Zu wissen, dass Sie so fühlten… bedeutete mir sehr viel. Und ich will nur, dass Sie wissen, dass ich auch so fühle.“ Sie errötete leicht und stammelte dann: „Genauso fühlte… ich meinte *fühlte*.“

„Aber…“, rang er nach Worten, „aber ich… Sie…“

„Ist schon in Ordnung“, versicherte sie ihm müde und wandte ihren Blick wieder von ihm ab. „Ich erwarte nicht, dass dies irgendwas verändert… Ich wollte es Sie nur wissen lassen, dass ist alles. Ich will nicht, dass Sie denken, dass ich Sie hasse…“

Hassen? Er schloss geschockt seine Augen, als er verstand. „Sie waren wach“, flüsterte er. „Sie haben mich und Daniel reden gehört.“

Erneut errötete sie. „Ich wollte nicht lauschen, Sir“, flüsterte sie. „Aber… ja… ich war wach.“ Wenn es möglich gewesen wäre, dann war sie von noch mehr Schmerz geplagt, als sie zu ihm aufsah. Ihr Blick war ungewöhnlich offen und ehrlich. „Colonel… wie konnten Sie nur denken, dass ich Sie mir nichts bedeuten…?“

Er zuckte leicht zusammen und fühlte sich plötzlich ziemlich unwohl. „Sie haben sich nicht so verhalten“, murmelte er und fühlte sich mehr als nur dumm aufgrund ihrer Offenheit. Dumm und ziemlich verwirrt. Sie sagte ihm grade all das, was er schon immer hören wollte und trotzdem machte es keinen Unterschied. Die Vorschriften standen noch immer eisern zwischen ihnen – genau wie Tasha.

„Weil ich nicht mit Ihnen zu Ihrer Hütte fahren wollte?“, wollte sie wissen und er konnte einen bitteren Unterton aus ihrer Stimme heraushören. „Wie hätte ich denn mit Ihnen mitgehen können, Colonel? Sie wissen doch, wie es ausgesehen hätte… besonders nach dem Zar’tac-Test.“

Er nickte. „Ja.“

„Hören Sie“, sagte sie jetzt ernster mit einem Kopfschütteln, als sich die vertraute Carter erneut behauptete. „Jetzt ist es eh vollkommen irrelevant. Sie sind jetzt mit jemanden zusammen und ich… ich bin glücklich, dass Sie glücklich sind…“ Sie schnaubte etwas herablassend. „Es ist ja nicht so, als ob *das* irgendwo hingeführt hätte.“

Er wusste, dass sie die Wahrheit sagte, aber trotzdem konnte er ein Seufzen nicht unterdrücken. „Nein, ich denke, das hätte es nicht.“

Sam nickte und ging ein paar Schritte zurück zur Tür, damit sie flüchten konnte. „Ich… ahm“, begann sie. „Ich hoffe, dass das nicht irgendwie unsere berufliche Beziehung beinträchtigen wird, Sir“, sagte sie. „Ich versichere Ihnen, dass sich von meiner Seite aus nichts ändern wird.“

Jack stand auf und ging langsam um seinen Schreibtisch herum auf sie zu. „Ich bin mir sicher, das wird es nicht, Carter“, antwortete er vorsichtig, als er sie beobachtete. Verzweifelt versuchte er das Flattern in seinem Herzen zu unterdrücken, als sein Blick über ihr sanftes und vertrautes Gesicht glitt. Sie mochte ihn? All die Zeit über, mochte sie ihn? Tief in seinem Inneren spürte er, wie etwas auseinanderbrach, eine Barriere, die alles zurückgehalten hatte, was sie für so lange unterdrückt und verleugnet hatten. Sie hatte seine Gefühle geteilt und vielleicht tut sie das immer noch… Oh Gott… Plötzlich wurde er von dem überwältigenden Verlangen erfasst, sie in seine Arme zu schließen und sie einfach nur jetzt und hier zu halten, bis wieder alles in Ordnung zwischen ihnen war. Aber das war genauso unmöglich, wie es das schon immer gewesen war, also konnte er nur sagen: „Ich denke, ich schulde Ihnen eine Entschuldigung, Carter. Für gestern… ich habe mich ziemlich daneben benommen.“

„Ist schon okay“, versicherte sie ihm und schenkte ihm das erste richtige Lächeln seit Tagen. „Ich verstehe das schon.“

Er antwortete ihr nicht, da er viel zur sehr von dem Ausdruck in ihren Augen gefangen war. Ihr Blick war ungewöhnlich offen, so als ob sie wollte, dass er die Wahrheit hinter ihren Worten erkennen konnte. Und als er dort stand, in ihrem Blick versank, hörte die Welt auf sich zu drehen und alles, was er hören konnte, was sein eigener Herzschlag. Er schaute direkt in ihre Seele und alles war dort, alles, was sie fühlte, lag in diesem einen, langen Blick. Er war vollkommen außer Atem, als er ihre Zärtlichkeit sah, ihr Mitgefühl und noch viel schlimmer, ihren Schmerz. Einen Schmerz, den er hervorgerufen hatte, weil er mit Tasha zusammen war. „Gott, Sam“, flüsterte er. „Ich wollte Sie nie verletzten… das schwöre ich.”

Sie nickte mit Tränen in ihren Augen. „Ich wollte Sie auch nie verletzen.“
Langsam streckte er seine Hand aus, so als ob sein Arm durch Wasser gleiten würde, und ging einen Schritt auf sie zu und seine Hand legte sich um ihre. „Ist wieder alles in Ordnung zwischen uns?“, fragte er und er merkte, dass diese Frage sehr wichtig für ihn war.

Ihr Lächeln war etwas zögernd, aber bestimmt. „Soweit es mich betrifft, Sir, ja, alles ist wieder in Ordnung.“ Leicht drückten ihre Finger die seinen, bevor sie sie aus seinem Griff zog. „Ich sollte jetzt wohl besser gehen.“

„Ja“, stimmte er ihr zu, als er sich daran erinnerte, dass er schon längst auf den Heimweg sein sollte, um sich mit Tasha zu treffen.

„Es sei denn…?“, fügte sie etwas schüchtern hinzu. „Es sei denn, Sie wollen vielleicht noch etwas trinken gehen oder etwas anderes… als Freunde?“

Mist. Er wusste, was sie versuchte. Sie ging einen Schritt auf ihn zu und machte ihm jetzt dieselben Angebote, die er ihr einst gemacht hatte. Die, die sie immer abgelehnt hatte. „Ich..“, begann er und überlegte fieberhaft, wie er ihr doch noch zusagen könnte.

Sam war schneller. „Ist schon okay“, sagte sie abrupt mit einem flachen Lächeln. „Sie haben wahrscheinlich schon andere Pläne.“

„Na ja, eigentlich…“

„Genau“, nickte sie und drehte sich um. „Nacht, Sir“, sagte sie, ohne sich noch einmal umzudrehen. „Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.“

Und damit flüchtete sie, ließ ihn allein zurück. Aber nur für einen Moment. Er wollte das nicht vermasseln, das war zu wichtig. Er würde Tasha anrufen und ihr was erzählen, irgendwas, aber er musste das hier tun. Er musste einfach sichergehen, dass wieder alles in Ordnung zwischen ihnen war. Er riss genau in dem Moment die Tür auf, in der Carter um die Ecke verschwand. Ihr Name lag bereits auf seinen Lippen und er hatte schon seinen Mund geöffnet, als er eine andere Stimme hinter ihm hörte.

„Colonel O’Neill!“ Hammond.

Jack schloss wieder seinen Mund.

„Ich bin froh, dass ich Sie noch antreffe.“

Er versuchte zu lächeln, als er sich zu Hammond umdrehte. „Sir?“

Der General durchschaute ihn sofort. „Ich sehe, dass Sie in Eile sind“, sagte er lächelnd mit einem Funkeln in seinen Augen. „Das wird nicht lange dauern.“

„Oh?“

Hammond nickte in Richtung Jacks Büro. „Lassen Sie uns reingehen“, schlug er vor. „Es geht um Major Carter. Ich habe mich bezüglich SG-2 entschieden.“

Jacks Herzschlag stoppte. Verdammt. Das war ein perfektes Ende an einem perfekten Tag.

++++++++

Der Dampf aus Daniels Kaffeetasse wirbelte herauf und beschlug für einen Moment seine Brillengläser, als er einen Schluck nahm. Er hasste diese frühmorgendlichen Besprechungen. Bis heute hatte er noch nicht wirklich verstanden, warum sie immer um halb acht beginnen mussten. Er fragte sich, ob es so ein militärisches Tapferkeitsding war, um die aufsässigen Offiziere davon abzuhalten zu viel Zeit in ihrem Bett zu verbringen.

Vermutlich. Er würde dafür aber seine Hand nicht ins Feuer legen.
Nach einem weiteren Schluck gab er es auf sich auf das Geschriebene vor ihm zu konzentrieren – es war nebenbei bemerkt eine Veröffentlichung von Natasha Greene – und entschied sich dafür, dass sein Gehirn einfach nicht dafür geschaffen wurde, vor zehn Uhr richtig zu funktionieren. Noch während er ein Gähnen unterdrückte, schweifte sein Blick auf die andere Seite des Tisches, wo Sam neben Teal’c saß. Sie war stiller als sonst, ziemlich gedankenverloren, als sie irgendwas auf das Blatt vor ihr kritzelte. Ihr Kinn hatte sie auf eine Hand gestützt. Daniel schielte hinüber zu Teal’c, der kaum merklich mit den Schultern zuckte. Etwas war passiert. Die Anspannung und die anhaltende Wut der letzten Tage schien verschwunden zu sein. Aber an dessen Platz war eine Art von Versonnenheit getreten, die ziemlich ungewöhnlich für sie war.

Daniel schaute auf seine Uhr. Die Besprechung würde erst in ein paar Minuten anfangen. Sie hatten also immer noch etwas Zeit. „Also“, sagte er leichthin, „hast du gestern noch mit Jack geredet?“

Der Kugelschreiber in Sams Hand stoppte in seiner Bewegung. „Was?“, fragte sie.

„Hat er sich dafür entschuldigt, dass er sich wie ein Arschloch aufgeführt hat?“, klärte er sie auf.

Sam lächelte leicht und sie sah zu ihm auf. „Ja, eigentlich“, antwortete sie, „hat er das sogar gemacht.“

„Gut“, nickte Daniel. „Also…?“

„Also…? Was?“

„Ist wieder alles in Ordnung?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Sicher. Alles ist wieder in Ordnung, Daniel.“

Er war nicht vollkommen überzeugt davon. Da war etwas in ihrem blassen Gesicht und dem bläulichen Schimmer hinter ihren Augen, das ihm sagte, dass ihre letzte Nacht eine schlaflose Nacht gewesen war, aber ihr blieb seine skeptische Antwort erspart, als sich die Tür öffnete.
„Morgen, ihr Nachteulen“, durchbrach Jacks Stimme die Stille. Aber sein sonstiger Humor schien diesmal nicht durchzukommen. Seine Stimme klang eher besorgt als fröhlich.

Daniel sah, wie Sam etwas nervös zu Jack hinüber schielte und dann wieder hinunter auf ihr Gekritzel schaute aber er konnte nichts ausmachen, ihre Gesichtszüge waren zu neutral.

Jack setzte sich neben Daniel, sortierte noch ein paar Papiere, bevor er zu dem leeren Stuhl schaute, auf dem normalerweise immer Hammond saß. „Wo ist Hammond?“, fragte er irritiert.

„Genau hier, Colonel“, kam auch schon die Antwort aus der Richtung von General Hammonds Büro.

Jack lächelte gespannt. „Und auch noch pünktlich, Sir.“

Hammond ignorierte seinen Kommentar und nahm seinen Platz am Kopf des Tisches ein. „Bevor wir die Besprechung beginnen“, sagte er, „gibt es noch etwas anderes, was angekündigt werden muss.“ Er lächelte leicht und wandte sich an Jack. „Colonel?“

Jacks Antwortlächeln war nicht ganz so erfreut, sondern hatte eher Ähnlichkeit mit einer Grimasse. „Ja, Sir“, begann er und räusperte sich, als er erneut seine Papiere ordnete. „Nun, es sieht so aus, als ob sich Major Coburn von der USAF getrennt hat und sich jetzt den schöneren Dingen des Lebens widmet.“

„Coburn?“, wiederholte Daniel. „SG-2?“

Jack nickte knapp. „Jep.“ Und dann begann er etwas nervös auf seinem Stuhl herumzurutschen. „Also, es ist mir… eine Ehre… verkünden zu dürfen, dass in Anerkennung ihrer zweifelsfreien Fähigkeiten… das Kommando von SG-2 an… unsere einzigartige Major Carter übergeben wird.“

Ein erstauntes Schweigen füllte den Raum. Sam hatte ihre Augen weit aufgerissen, aber mehr aus Schock, als dass sie glücklich darüber war und sie sah mit einem Blick zu Jack auf, der schon fast an Bestürzung grenzte. Er zuckte nur hilflos mit seinen Schultern. „Glückwunsch, Major. Ihr erstes, eigenes Kommando.”

„Ich…“, stotterte sie und gab Daniel somit genug Zeit sich ein paar passende Worte zu überlegen.

„Ja“, sagte er in das unglückliche Schweigen. „Glückwunsch. Das ist…“ Er schaute zu Jack hinüber. „…ein Schock… irgendwie.“

Hammond rührte sich, er hatte offensichtlich eine etwas freudigere Reaktion seines besten Teams erwartet. „Ich weiß, dass Sie alle traurig sein werden, Major Carter aus SG-1 zu verlieren“, sagte er ernst, „aber es ist meine Pflicht mein Personal zu unterstützen und nach einer Unterredung mit Colonel O’Neill, hielten wir es für angebracht, dass Major Carter ihr eigenes Team bekommen sollte.“

„Sir“, sagte Sam und schaute hinüber zum General. „Ich…Danke, Sir… Aber… sind Sie sich auch sicher…? Ich meine…“ Ihr Blick wanderte zurück zu Jack. „Warum jetzt?“

Daniel hatte keine Zweifel daran, dass hinter dieser Frage noch irgendwas anderes steckte; jedenfalls sagte ihm dass die Reaktion von Jack, als er fast zusammenzuckte. „Kein Grund“, sagte er schnell. „Coburn ist fort – seine Frau hat ein Jobangebot aus Europa bekommen. Es ist einfach… der richtige Zeitpunkt.“ Hammond runzelte leicht die Stirn, er war genauso verwirrt wie Daniel über Jacks ziemlich unschlüssige Antwort. Sam nickte nur, aber sah nicht grade glücklich aus.

„Major Carter“, sagte Teal’c, „bist du nicht erfreut über diese Neuigkeiten? Ein eigenes Kommando ist das Ziel eines jeden Kriegers.“

Daraufhin lächelte sie etwas unsicher. „Ich freue mich“, versicherte sie ihm und dem Rest des Raumes. „Ich bin nur… geschockt. Ich habe das ehrlich gesagt nicht erwartet.“

Neben sich hörte Daniel Jack leise seufzen. „Wer hat das schon?“

Nach einem weiteren unangenehmen Schweigen begann Hammond wieder zu sprechen. „Coburn wird uns gegen Ende der Woche verlassen, Major“, sagte er. „Danach haben Sie sofort das Kommando.“ Er lächelte sie leicht an. „Ich habe jegliches Vertrauen in Ihre Fähigkeiten, Major. Und in Colonel O’Neills hohe Meinung von Ihnen. Sie werden Ihre Arbeit gut machen.“

Sam nickte nur. „Ja, Sir. Danke, Sir.”

„Und jetzt“, fuhr Hammond fort, „lassen Sie uns mit der Besprechung beginnen. Sie können natürlich gerne bleiben, Major, auch wenn diese Mission erst stattfinden wird, wenn Sie bereits SG-2 anführen.“

Für einen Moment sah Daniel einen Schimmer von totaler Verwüstung in ihrem Gesicht. Und bis zu einem gewissen Grade teilte er es mit ihr. Sam verließ sie. Nach all ihrer gemeinsamen Zeit verließ Sam sie einfach. Er konnte sich SG-1 ohne Sam gar nicht mehr vorstellen. Er wollte es noch nicht einmal versuchen. Vielleicht war es egoistisch, aber er wollte nicht, dass sie ging; Karriere hin oder her. Und so wie es aussah, ging es ihr nicht anders.


+++++++++

General Hammonds Stimme, genau wie die von Teal’c, Daniel und O’Neill, hörte sie nur noch aus der Ferne.

Sam hörte gar nicht mehr zu. Nur ein einziger Gedanke kreiste in ihrem Kopf herum: Sie war nicht mehr im Team. Weg. Rausgeschmissen. Sie schloss ihre Augen, als sich ein großer Klumpen in ihrem Hals bildete. Sie hatte keine Ahnung warum. Ihr dummes, dummes Geständnis vom Vortag musste der Grund dafür sein. Der Colonel muss das alles zu Hammond geschleppt haben und er hatte dann nur das gemacht, was er eigentlich schon vor Jahren hätte tun sollen – sie zu trennen. Anscheinend fühlte sich Jack jetzt in ihrer Gegenwart zu unwohl. Vielleicht ja wegen Tasha oder vielleicht, weil sie es ihm zu offensichtlich gezeigt hatte, dass sie noch immer Gefühle für ihn hegte. Egal was es war, er hatte sie gleich bei der ersten Gelegenheit, die er bekommen konnte, aus dem Team geworfen. Rausgeschmissen.

„Major?“, fragte Hammond dann und unterbrach somit ihren hinunterziehenden Strudel von Gedanken. „Könnten Sie das vielleicht noch mit Lieutenant Hébert klären?"

Sie nickte schweigend und schrieb sich den Namen auf ihren Block vor ihr auf, auch wenn sie überhaupt keine Ahnung hatte, was sie mit ihm besprechen sollte. Und es war ihr auch vollkommen egal. Die ungeheuerlichen Neuigkeiten ließ die gesamte Welt total banal aussehen. Sie konnte kaum glauben, dass sie nie wieder mit ihrem Team durch das Tor gehen würde, Daniel und Teal’c würden nicht mehr an ihrer Seite sein und O’Neill würde sie nicht mehr anführen. Das fühlte sich so falsch an. Obwohl ganz hinten in ihrem Hinterkopf, ließ der Gedanke an ein eigenes Kommando einen Funken Stolz in ihr aufkeimen, es war jedoch nichts im Vergleich zum Verlust von SG-1. Sie waren wie eine Familie für sie.

Jedenfalls hatte sie das gedacht. Aber nachdem er sie aus seinem Herzen verbannt hatte, konnte O’Neill sie wohl gar nicht schnell genug aus seinen Leben bekommen. Sie schloss ihre Augen, gedemütigt, dass Tränen hinter ihren Lidern brannten. Sie würde nicht anfangen zu weinen. Seit dieser ganze Schlammassel angefangen hatte, hatte sie nicht einmal geweint und sie würde es jetzt nicht tun. Nicht vor ihren Freunden und dem General.

Endlich schien diese endlose Besprechung auch ein Ende zu finden. Niemand sagte viel, als Hammond aufstand, sie mit einem kurzen Nicken entließ, bevor er zu seinem Büro ging. Sam folgte ihm, soweit sie konnte. Sie konnte einfach nicht mit ihrem Team – ihrem Ex-Team – reden. Sie war noch viel zu verwirrt dazu, um sich jetzt solch einer Aufgabe zu stellen. Sie brauchte etwas Abstand und Zeit, um damit umzugehen, bevor sie…

„Carter! Warten Sie!“ Sie schloss ihre Augen und verlangsamte ihren Schritt. O’Neill. Natürlich.

Langsam drehte sie sich zu ihm um, als er sie einholte. „Colonel?“

„Alles okay?“, fragte er in einem Flüstern und mit dieser verdammt sanften Stimme, die ihr Herz immer weich werden ließ.

Ihr Hals war wie zugeschnürt, ihre Gefühle lagen zu nahe an der Oberfläche, sodass sie das Gefühl hatte, die Kontrolle über sie zu verlieren. Okay? War sie okay? Verdammt noch mal, nein! Sie blinzelte schnell ihre Tränen weg und versuchte zu schlucken, aber sie konnte es nicht. Da sie nicht in der Lage war auch nur einen Ton herauszubringen, nickte sie nur und schaute weg, während ihre Finger immer fester ihre Unterlagen umklammerten. Wenn er sie doch einfach nur in Ruhe lassen würde, damit sie…

„Ich schätze mal nicht“, sagte er etwas ängstlich. Und dann lag seine Hand auf ihrer Schulter und drückte sie in Richtung einer der anliegenden Räume. Sie ließ sich schweigen in einen Raum führen, als er die Tür öffnete, das Licht einschaltete und sie von neugierigen Blicken fernhielt. Als er die Tür hinter sich schloss, wandte Sam ihm ihren Rücken zu und wischte sie heimlich über ihre Augen. Gott, das war lächerlich!

„Ein ziemlicher Schock, hm?“, sagte der Colonel hinter ihr.
Sie nickte und kämpfte immer noch damit ihre Stimme unter Kontrolle zu bekommen. „Ich…“, begann sie zitternd. „Ich schätze, dass es so einfacher sein wird.“

„Einfacher?“, wiederholte er. „Was meinen Sie?“

„Sie wissen, doch was ich meine“, flüsterte sie zurück. Er sollte verdammt sein, wenn sie es ihm nach dem gestrigen Abend auch noch buchstabieren musste. „Jetzt werden Sie sich nicht mehr so unwohl fühlen.“

Seine Hand lag wieder auf ihrer Schulter und wirbelte sie zu ihm herum. „Hey“, sagte er ernst, „wenn Sie denken, dass dies irgendwas mit meinen persönlichen Gefühlen zutun hat, dann haben Sie unrecht.“

„Oh bitte“, antworte sie, als sie sich aus seinem Griff befreite und sich wieder umdrehte. „Ich habe Ihnen gesagt, wie ich fühle und am nächsten Tag – genau dem nächsten Tag – schmeißen Sie mich aus SG-1? Kommen Sie!“

„So war das nicht“, antwortete er wütend und aus ihrem Blickwinkel heraus konnte sie sehen, wie er seine Hände in die Taschen stopfte und wütend mit einem Fuß gegen die Wand trat. „Das war nicht meine Idee.“

„Huh“, schnaubte sie, erleichtert darüber, dass ihre Gefühle kurzweilig von ihrer Wut kontrolliert wurden. Damit konnte sie wenigstens umgehen. „Dann war es ein verdammt gutes Timing.“

Das lange Schweigen zwischen ihnen wurde nur durch das regelmäßige Treten von O’Neills Stiefeln gegen die Wand unterbrochen. „Ist es wirklich das, was Sie von mir denken?“, fragte er schließlich mehr traurig als wütend. „Dass ich Sie aus meinem Team haben will, nur wegen dem… was Sie zu mir gesagt haben?“

Sie antwortete ihm nicht sofort und fühlte sich jetzt nicht mehr so sicher in ihrer ersten Vermutung. „Laut den Vorschriften würde es…“

„Scheiß auf die Vorschriften, Carter!“, schnappte er und drehte sie erneut zu sich um. „Ist es das, was Sie von mir denken? Als ein Mensch? Dass ich sie rausschmeiße, weil ich… wir…“ Er beendete den Satz nicht, sondern schloss seine Augen und schüttelte den Kopf. „Scheiße“, zischte er und fuhr sich mit einer Hand durch seine Haare. „Denken Sie wirklich, dass ich Sie verlieren will?“ Er wandte sich von ihr ab und rieb sich mit seinen Händen über das Gesicht. „Das ist das Letzte, was ich will, Carter. Ich kann mir SG-1 ohne Sie nicht vorstellen.“

Er atmete schwer ein und aus, sie konnte es an dem Heben und Senken seiner Brust sehen. „Sie hätten Hammond sagen können, dass ich noch nicht so weit bin“, antwortete sie leise. „Somit wären wir jetzt noch ein Team.“

Sein Blick war auf den Boden gerichtet, als er mit dem Kopf schüttelte. „Ist es das, was Sie wollen?“, fragte er. „Dass ich lüge?“ Er schaute auf, aber sie konnte seinen Blick nicht treffen. Natürlich war es nicht das, was sie wollte, natürlich wollte sie nicht, dass er sie anders behandelte. Und sie beide wussten es. „Ich würde nie etwas tun, was Ihrer Karriere im Weg stehen würde, Carter“, sagte er mit gesenktem Blick. „Das ist gut für Sie und das wissen Sie.“

Sie beobachtete ihn, sah, wie seine Schultern zusammensackten, und erkannte, dass ihre Trennung ihm mehr schmerzen würde, als sie gedacht hatte. Mit einem Anflug von Angst streckte sie ihre Hand nach ihm aus. Jack drehte sich zu ihr um, sah, wie ihre Hand seinen Arm umfasste, sein kontrolliertes Gesicht zeigte nichts, als er sie anstarrte. Aber da war ein Schmerz in seinen Augen, der ihn verletzt aussehen ließ und unter ihrer Hand fühlte sie, wie sich seine Muskeln bewegten, als seine Hand ihre umschloss. Aber er sagte nichts, als sich ihre Finger verschränkten, genauso wenig wie sie. Er war unglücklich und voller Schmerz. Sie spürte es, als ob es ihr eigener wäre. Und vielleicht war es das sogar. Treibend in seinen dunklen Augen, spürte sie, wie sie sich in ihm verlor. „Ich will nicht gehen“, flüsterte sie. „Ich will SG-1 nicht verlassen.“

„Ich weiß“, flüsterte er zurück. Er brach nicht den Blickkontakt, als er sanft ihre Hand drückte. Mit pochenden Herzen ging sie einen zögernden Schritt auf ihn zu. Sie standen schweigend da, auf Messerschneide und waren vollkommen im Blick des anderen verloren, bis er sie mit einem Seufzen unsanft in eine Arme zog und sie gegen seine Brust fiel. Eine Hand strich über ihren Hinterkopf, während seine Finger sich in ihren Haaren verfingen. „Ich werde Sie vermissen“, hauchte er in ihr Ohr. „So sehr.“

Seine leidenschaftlichen Worte schmerzten in ihrem Herzen und sie drückte ihn fest an sich, als sie langsam ihren Kopf gegen seine Schultern legte. Sie war sich mehr als im Klaren darüber, wie unangebracht das war, aber sie konnte sich nicht von ihm losreißen. Sie wollte das, sie wollte diesen Trost, auch wenn er noch so kurz war. „Halten Sie mich“, flüsterte sie. „Bitte, halten Sie mich einfach nur fest.“


+++++++++++

Als Tasha Jacks Truck in ihrer Einfahrt hörte, zog sie ein Streichholz heraus und zündete eine Kerze an. Der letzte Schliff für ein, wie sie hoffte, romantisches Abendessen. Jack war spät, natürlich. Aber das war nichts Ungewöhnliches. Sie hoffte nur, dass er nicht wieder in einer seiner dunklen, schweigenden Stimmungen sein würde. In den letzten Monaten schien es so, als ob er öfters dort unten drinstecken würde, als oben gewesen zu sein. Viel öfters war er in sich gekehrt gewesen. In der einen Minute hatte sie seine ganze Aufmerksamkeit und in der nächsten… war es so, als ob irgendwo ein Licht ausgeschaltet worden wäre.

Sie unterdrückte ein Seufzen und stand auf. Dann löschte sie das Streichholz, bevor sie mit ihren Händen noch einmal über ihr Kleid fuhr. Sie mochte es sich schick anzuziehen – in ihrem Alter zeigte es nur, ob man der Natur ihren natürlichen Weg gehen ließ. Die Klingel schrillte laut auf und erforderte ihre sofortige Aufmerksamkeit. Jack O’Neill klingelte so, als ob er irgendwelche Befehle herumposaunen würde.

Sobald sie die Tür geöffnet hatte, begannen ihre Hoffnungen zu schwinden. Er sah zerknittert und abgelenkt aus – und er trug noch immer seine Arbeitskleidung. „Hey“, sagte er und beugte sich zu ihr hinunter, um sie flüchtig zu küssen. „Entschuldige, dass ich zu spät bin.“

Tasha lächelte nur und ging einen Schritt zurück. „Ist schon okay“, versicherte sie ihm, als sie ihn vorbei ließ, bevor sie die Tür schloss. „Probleme…?“

Jack runzelte die Stirn und fuhr sich mit einer Hand durch seine Haare. „Wahrscheinlich nicht“, murmelte er und sein Blick schweifte über den gedeckten Tisch. „Eines unserer Teams ist überfällig, das ist alles.“ Er drehte sich mit einem müden, kleinen Lächeln zu ihr um. „Das sieht schön aus. Du hättest dir nicht so viel Arbeit machen müssen.“

Tasha lächelte wieder, jetzt etwas zurückhaltender. „Ich wollte es aber“, versicherte sie ihm. „Es ist doch ein besonderer Anlass.“

Jack ließ sich mit einem Stöhnen auf ihre Couch fallen. „Besonders?“, seufzte er. „Ich werde nur älter, das ist alles.“

Tasha war nicht in der Lage ihre Worte zurückzuhalten, als sie das hörte. „Na schön!“, starrte sie ihn an. „Wenn du deinen Geburtstag überhaupt nicht feiern willst, warum bist dann eigentlich hergekommen? Gott, Jack, nach allem was ich gemacht habe… du…“

Geplagt mit Schuldgefühlen, war er innerhalb von wenigen Sekunden auf seinen Beinen. „Es tut mir leid“, beruhigte er sie und zog sie in eine Umarmung. „Es tut mir leid. Ich hab’s nicht so gemeint. Es war… es war einfach nur ein schrecklicher Tag und ich bin ziemlich erschöpft. Es sieht großartig aus, wirklich. Und ich schätze das sehr.“

Ihre Wut war so schnell wieder verschwunden, wie sie in ihr ausgebrochen war. „Ich weiß“, seufzte sie und löste sich leicht aus seinem Griff, sodass sie ihn ansehen konnte. „Es ist nur, dass du in letzter Zeit so ausgelaugt bist. Ich wünschte einfach nur, dass du mir sagen würdest, was los ist.“

„Nichts“, versicherte er ihr. Er wandte seinen Blick von ihr ab und ließ seine Arme an seine Seiten fallen. „Die Dinge waren einfach nur schwierig – ohne Carter – weißt du?“

Mit einem Nicken nahm Tasha seine Hand und führte ihn zum Tisch. Er hatte vor Kurzem erwähnt, dass Carter vor ein paar Wochen sein Team verlassen hatte und dass er Schwierigkeiten damit habe einen Ersatz für sie zu finden. „Erzähl es mir“, sagte sie ihm und drückte ihn hinunter auf einen Stuhl. „Sag mir, was los ist.“ Sie setzte sich gegenüber von ihm hin und gab ihm einen Löffel. Mit einem leichten Lächeln begann er zu essen. Immerhin war er hungrig.

„Da gibt es nicht wirklich was zu erzählen“, versicherte er ihr. „Es dauert eben nur seine Zeit, um den richtigen Mann zu finden. Es ist nichts, was ich nicht bereits schon tausendmal vorher getan habe.“

Er hatte vermutlich recht, aber seine Worte erklärten nicht die Spannung, die sich in Form einer Falte auf seiner Stirn abzeichnete. „Du vermisst sie“, flüsterte sie und wartete auf eine Reaktion. Und sie bekam eine.

Die Finger verkrampften sich um den Löffel, seine dunklen Augen wurden mit Schmerz gefüllt. Tasha spürte den Anflug von Zweifel in ihrem Herzen. „Ja“, antwortete Jack nach einem Moment. „Das tun wir alle. Aber ihr geht es gut mit SG-2.“ Seine Gesichtszüge entspannten sich leicht, als sie seinen abwesenden Blick sah. „Sie macht sich gut. Ich bin sehr stolz auf sie.“

„Das ist schön“, antwortete sie, als sie sich selbst ihren Teller füllte. „Also“, sagte sie und entschied sich das Thema zu wechseln – Samantha Carter war plötzlich ein Thema, bei dem sie sich ziemlich unwohl fühlte. „Ich habe heute mit General Hammond gesprochen.“

Jack schaute zu ihr auf, seine Gabel stoppte auf halbem Wege. „Weswegen?“

Sie lächelte leicht. „P3X-832.“

„Warum?“

Ihr Lächeln wurde aufgrund seiner Neugier nur noch größer. „Weil ich dort hingehen möchte. Dr. Jackson hat mir eine Kopie der ersten Ergebnisse geschickt und es gibt eindeutige Beweise, die auf eine vorbabylonische Kultur hinweisen. Hauptsächlich Ruinen, aber mehr als wir je auf der Erde gesehen haben. Er fragte mich, ob ich daran interessiert bin und ich… bin’s!“

„Nett von Daniel, dass er es mir gegenüber auch erwähnt hat“, murmelte er und rutschte auf seinen Stuhl herum, als er sein Handy aus seiner Tasche zog. Er starrte einen Moment darauf, so, als ob er es zwingen wollte, dass es zu klingeln begann, bevor er es vorsichtig neben seinen Teller auf den Tisch legte. „Was hat Hammond gesagt?“

Vor lauter Aufregung verzog sich ihr Lächeln zu einem Grinsen. „Er sagte ja! Er sagte, er müsste noch etwas ausarbeiten… Missionsparameter oder so was… aber er sagte, dass wir wahrscheinlich irgendwann in den nächsten Wochen gehen könnten.“

Nickend schaufelte sich Jack eine weitere Gabel in den Mund. „Ich habe gehört, dort soll es um diese Jahreszeit richtig schön sein“, murmelte er mit vollem Mund, bis er den ziemlich enttäuschten Blick auf ihrem Gesicht sah. Er setzte sich auf und schluckte. „Entschuldige“, murmelte er. „Ich schätze, ich habe vergessen, dass ich nicht in der Kantine bin.“

Tashas Blick fuhr über seinen zerknittern BDU. „Ich sehe schon, warum du diesen Fehler gemacht hast“, sagte sie und schwächte ihre scharfe Antwort mit einem Lächeln ab.

„Oh“, murmelte Jack und fuhr sich mit einer Hand über sein T-Shirt.

„Ich hatte noch im Kontrollraum gewartet… muss wohl die Zeit vergessen haben.“ Er sah zu ihr auf. „Entschuldige. Und du machst dir hier so eine große Mühe“, sagte er und streckte seine Hand nach ihrem Gesicht aus. „Übrigens, du siehst umwerfend aus. Hätte ich dir vermutlich schon früher sagen sollen, hm?“

„Vermutlich“, stimmte sie ihm zu, aber seine warmen Worte ließen sie über sein müdes und ungepflegtes Aussehen hinwegsehen.

„Es ist einfach nur so, dass ich…“

Bleep-bleep. Bleep-bleep.

Augenblicklich wandte Jack seinen Blick von ihr ab und schnappte sich mitten im Satz das Handy. „O’Neill“, sagte er hastig. Er hielt das Ding so fest, dass sich seine Fingerspitzen weiß färbten. Es herrschte ein angespanntes Schweigen, als er erleichtert lächelte – das erste richtige Lächeln, dass sie seit Tagen gesehen hatte und sie atmete erleichtert aus. „Lebensmittelvergiftung?“, sagte er schließlich mit immer noch demselben Lächeln. „Ja, ich wette, das hat sie! Nein… nicht… Nein… Ja, danke, Daniel… ich weiß, dass sie das kann… Ja, ich weiß… Jedenfalls, danke… Ja, wir sehen uns. Bye.“

Die Erleichterung und dieses Grinsen waren noch immer auf seinem Gesicht, als er gedankenverloren sein Handy zurück in die Tasche steckte. Er sah…glücklich aus.
„War das Dr. Jackson?“, fragte Tasha.

„Hä?“ Er schüttelte seinen Kopf, als sie ihn aus seinen Gedanken holte. „Ah, Daniel… Ja, das war er. Er lässt dich übrigens grüßen.“

Sie lächelte leicht. „Etwas Wichtiges?“, fragte sie. „Du siehst erleichtert aus.“

Jack räusperte sich und richtete seine Aufmerksamkeit mit mehr Elan auf ihr Abendessen. „Weißt du“, sagte er, „das ist wirklich köstlich, Tash. Was ist es?“

„Hühnchen Marsarla“, antwortete sie, „und wechsle nicht das Thema.“

Er schaute nicht auf. „Das ist wirklich gut“, versicherte er ihr, als er sich noch etwas in den Mund schob. „Und ich habe nicht das Thema gewechselt. Es war nur was von der Arbeit. Das Team, welches überfällig war, ist nur wieder nach Hause gekommen, das ist alles.“ Mit einem Grinsen sah er zu ihr auf. „Aber ich hasse es wirklich an meinen Geburtstag über die Arbeit zu reden.“

Als Tasha seinen plötzlichen Stimmungswechsel bemerkte, zog sie eine Augenbraue hoch. „Ich dachte, du hättest keine Lust zu feiern?“

Er zuckte mit den Schultern und stand auf. Er ging um den Tisch herum, um sich neben sie zu knien. „Jetzt aber“, versicherte er ihr und küsste sie sanft und zögernd auf ihre Lippen. „Ich bin jetzt mehr als entspannt…“

„Jetzt, wo das vermisste Team zurück ist?“, flüsterte sie gegen seine Wange. Ihre einzige Antwort war nur ein merkwürdiges Murmeln, als sich Jacks Arme um ihre Hüfte schlangen und er heiße und fordernde Küsse auf ihrem Hals und Nacken verteilte.

Tasha lächelte. Jegliche Gedanken segnete das Zeitliche, als sie sich dem Moment hingab. Mit Jack zusammen zu sein war eine ständige Überraschung, eine endlose Gefühlsachterbahn. Und sie hatte die letzten Wochen genug Tiefen erlebt, so entschied sie, dass es jetzt an der Zeit war, ein paar Hochs zu genießen. Und von den plötzlichen äußerst leidenschaftlichen und dringenden Küssen wusste sie, dass dies ein enormes Hoch sein würde.

Irgendwo in ihrem Hinterkopf fragte sie sich, was seine Stimmung so plötzlich geändert hatte. Aber auch wenn sie ihre Vermutungen hatte, würde sie diese jetzt nicht vertiefen. Er war hier, das war alles, was zählte.

Das musste sich doch auszahlen.


++++++++++

Die Krankenstation lag im Dunkeln, das einzige Licht kam von der Schwesterstation. Leise schlich sich Jack hinein und lächelte die Frau an, als sie ihn neugierig ansah. Es war schon spät. Weit über die Besuchszeit hinaus.

„Colonel?“, fragte sie ihn und stand langsam auf. „Kann ich Ihnen vielleicht helfen?“

Er erstarrte. Die lahme Entschuldigung, die er Tasha aufgetischt hatte, als er von ihr verschwand, schoss durch seinen Kopf. „Ich habe gehört SG-2 ist diesen Abend wieder zurückgekommen“, flüsterte er und schielte zu den zwei belegten Betten. „Geht’s ihnen gut?“

Wenn die Schwester eine merkwürdige Frage um drei Uhr morgens auf der Krankenstation des SGC erwartet hatte, so zog sie jedoch keine Augenbraue hoch. „Ja, Sir“, antwortete sie und nahm ein paar Unterlagen in ihre Hand. „Sie litten alle an einer Magen-Darm-Infektion. Phillips und Ferretti wurden bereits entlassen und sie befinden sich in ihren Quartieren. Carter und Gibson bleiben noch über Nacht zur Beobachtung hier.“

Jack nickte und schaute wieder die Krankenstation hinunter. „Was dagegen, wenn ich mal kurz nachsehe?“, fragte er. „Ich werde auch ganz, ganz mucksmäuschenstill sein. Ich schwör’s bei Gott.“

Sie zögerte einen Moment, bevor sie offensichtlich zu der Erkenntnis kam, dass es nur noch mehr Schwierigkeiten bringen würde, wenn sie jetzt mit dem Colonel stritt. „Ein paar Minuten, Sir“, sagte sie ihm ernst. „Aber Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen. Morgen werden sie beide entlassen.“

„Danke“, lächelte er und ging den kleinen Gang hinunter. Seine Augen suchten hungrig nach Carter, bis er ihre friedlichen Gesichtszüge erblickte, wie sie schlafend im Bett lag. Die letzte Anspannung brach in ihm entzwei. So war es immer. Jedes Mal, wenn sie durch das Tor ging, hatte er das Gefühl die ganze Zeit über die Luft anzuhalten, und erst wenn sie wieder zurückkam, erlaubte er sich wieder auszuatmen. Es war schon fast eine unbewusste Anspannung. Es war nicht so, dass er sich ständig mit diesem Gedanken beschäftigte, aber irgendwo tief in ihm drin, war er immer und immer wieder nur am Warten.

Er verlangsamte seinen Schritt, als er ihr Bett erreichte. In dem hellen Licht sah ihr Gesicht blass aus und die dünne Nadel in ihrem Handrücken blitzte auf. Aber sie war okay. Lebensmittelvergiftung, hatte Daniel gesagt. Gerade das! Er lächelte, als er daran dachte, wie SG-2 dafür aufgezogen werden würde. Hauptsächlich von ihm natürlich, da hatte er gar keine Zweifel. Ein Stuhl stand neben dem Bett, also setzte er sich langsam hin und stützte seine Ellbogen auf den Knien ab, damit er sein Kinn in seine Hand legen konnte. Er war erschöpft. Es war eine total verrückte Idee gewesen, um diese Zeit noch den ganzen Weg zurückzufahren und Tasha war alles andere als begeistert gewesen, als er verschwand. Er verübelte es ihr noch nicht einmal und verspürte Schuld in sich aufsteigen, als er an ihr enttäuschtes Gesicht dachte.
„Ich dachte, du würdest die Nacht hier bleiben“, murmelte sie, als er aus dem Bett kletterte. „Es ist fast zwei Uhr in der Früh!“

Er murmelte etwas davon, dass seine nächste Mission schon ziemlich früh anfangen würde und was auch die Wahrheit war, aber er scheiterte daran sie zu überzeugen, dass es besser für ihn wäre, jetzt schon zurück zum Stützpunkt zu fahren, als nachher früher aufzustehen. Tasha war nicht erfreut, als er ging, aber er konnte einfach nicht anders. Er musste Carter sehen.

Er seufzte, als er sich mit einer Hand über sein Gesicht fuhr und er sich fragte, was er sich da nur antat. Tasha war großartig – klug, lustig, wunderschön. All die gewöhnlichen Dinge. Und trotzdem saß er hier – er war mitten in der Nacht aus ihrem warmen Bett geklettert – und ließ eine Frau für die Frau zurück, die er nie haben wird können. Er schüttelte seinen Kopf. Wann hatte sich sein Leben in so ein Desaster verwandelt?

Er war vollkommen euphorisch gewesen, als er hörte, dass Carters Team heile zurückgekommen waren – und er schämte sich, wie er Tasha unwissend in seine kleine, private Feier hineingezogen hatte – aber als er in ihren Armen lag, war sein einziger Gedanke, dass er vor Beginn seiner nächsten Mission Carter nicht mehr sehen würde. Und er hatte sie so sehr vermisst. Er musste sie einfach sehen. Er musste es einfach.

Und so saß er jetzt hier mitten in der Nacht. Er fühlte sich zu alt, um sich jetzt noch mit diesem Mist herumzuplagen. Mit einem Seufzen senkte er seinen Kopf und vergrub ihn in seinen Händen. Er fragte sich, ob Major Coburn es nicht vielleicht doch alles richtig gemacht hatte… Das Leben war zu kurz.

„Colonel?“, flüsterte eine schläfrige Stimme.

Sein Kopf schoss nach oben. „Carter? Sie sollten eigentlich schlafen.“ Er schielte kurz zur Schwester hinüber und senkte dann seine Stimme. „Versuchen Sie mich hier in Schwierigkeiten zu bringen?“

„Wie spät ist es?“, fragte sie und hob ihre Hand, aber es war keine Uhr an ihrem Handgelenk.

Jack zuckte leicht zusammen. „Sehr spät“, sagte er ihr. „Schlafen Sie weiter.“

„Was machen Sie hier?“ Ihre Augen leuchteten hell in der Dunkelheit und er konnte die Neugier in ihnen sehen.

„Nichts.“

Sie schenkte ihm dieses kleine, ungewöhnliche Lächeln. „Oh.“

Jack rutschte etwas näher und hielt seine Stimme leise. „Ich wollte nur sichergehen, dass es Ihnen gut geht. Wir gehen in ein paar Stunden nach P3… keine Ahnung wohin.“

Ihr Lächeln wurde größer und sogar in der Dunkelheit konnte er sehen, dass es sich in ihren Augen widerspiegelte. „Mir geht’s gut, Sir. Jetzt jedenfalls.“

„So schlimm?“, fragte er und sah, wie sie ihre Augen verdrehte.

„Ich kann’s nur empfehlen, wenn Sie ein paar Kilos verlieren wollen, Sir“, antwortete sie trocken. „Ich glaube nicht, dass auch noch ein Milligramm von irgendwas in mir war, als ich es zurück zum Tor geschafft hatte.“

Er kicherte. „Erinnert mich an ’631“, sagte er grinsend. „Erinnern Sie sich? Ich habe Daniel noch nie so grün gesehen.“

Carter schüttelte lächelnd den Kopf, als sie sich daran erinnerte. Und dann wurde ihr Gesicht wieder erst. Sie seufzte leise. „Also habt ihr Jungs morgen eine Mission?“

„Ja“, nickte er. „Ganz oben auf dem Tagesplan.“

„Wann kommt ihr wieder zurück?“, fragte sie.

„In zweiundsiebzig Stunden. Jedenfalls ist es so geplant.“

Sie schloss ihre Augen und seufzte erneut. „Wir haben übermorgen die nächste Mission“, sagte sie. „Also, sieht es wohl aus, als ob es sich wieder überschneidet.“

„Ja“, murmelte er und beobachtete ihr ernstes Gesicht. „Die Planung ist wirklich ätzend.“

Sie nickte. „Beim nächsten Mal sind wir alle da“, sagte sie, als sie sich auf die Seite rollte und ihn ansah. „Vielleicht können wir dann ja was machen? Uns über den neusten Stand der Dinge austauschen?“

„Hört sich gut an“, antwortete er. Dann schaute er hinunter auf seine gefalteten Hände, als er murmelte: „Ich habe Sie vermisst.“

„Ich Sie auch.“

Als er zu ihr aufsah, traf er ihren Blick und die Gefühle in seiner Brust begannen überwältigend zu schlagen. Was machte er sich hier eigentlich vor? Er hatte das Gefühl mit dem Feuer zu spielen. Er versuchte zu viele Dinge auf einmal in der Luft zu halten – seine Gefühle für Carter, seine Gefühle für Tasha, seine Karriere, Carters Karriere, seine Beziehung zu seinem Team, das Schicksal des ganzen verdammten Planeten… Früher oder später würde etwas zusammenbrechen… vielleicht sogar das ganze verdammte Ding dort in der Luft. Vielleicht auch nur er selbst.

„Ich sollte jetzt gehen“, flüsterte er und brach ihren Blickkontakt, als er aufstand. „Sie müssen schlafen, genau wie ich.“
Carter protestierte nicht und rollte zurück auf ihren Rücken. „Viel Glück“, flüsterte sie.

„Danke“, nickte er. Und dann lächelte er leicht. „Ich werde mich auch ganz bestimmt nur an unser EPA halten.“

Sie lächelte müde und er sah mehr Zuneigung darin, als er es gewohnt war. „Tun Sie das. Und Sir?“

Er blieb am Fußende ihres Bettes stehen. „Carter?“

„Herzlichen Glückwunsch und einen schönen Geburtstag.“

Er betrachtete sie einen langen Moment. Er nahm ihr Gesicht in sich auf, wie sich ihre Lippen zu einem Lächeln verzogen. „Jetzt ist er es“, murmelte er und sprach die Wahrheit aus, die er Tasha nie erzählen konnte. Und dann mit einem knappen Nicken drehte er sich um.

Du spielst mit dem Feuer, Jack. Du spielst mit dem gottverdammten Feuer…

++++++++

So früh, vor dem morgendlichen Ansturm, war es sehr ruhig in der Kantine, als Sam vor dem Tresen stand und das Frühstück begutachtete. Ihr Magen war zu solch früher Stunde noch nicht wirklich in der Stimmung für etwas Essbares, aber jeder gute Soldat kannte die Wichtigkeit eines anständigen Frühstücks. Sam nahm sich das kleinste Gebäck, eine Tasse Kaffee und ging auf den nächsten Tisch zu. Sie ließ eine dünne Akte auf den Tisch fallen, als sie sich setzte und auf ihre Uhr schaute. Noch knapp eine Stunde, bevor die Besprechung beginnen würde – gerade noch genug Zeit, um Daniels Bericht zu lesen.

Sie lächelte, als sie die Blätter aus der Akte nahm und einen Schluck von ihrem Kaffee trank. Im Gegensatz zu O’Neills oder ihren Berichten waren Daniels Berichte immer sehr ausgefallen und ausführlich. Er hielt sich nie an die Vorgaben des Militärs. Er verfasste sie immer mit einer Eleganz und einem humoristischen Unterton, dass es jedes Mal ein Vergnügen war, sie zu lesen. Und es war ein Vergnügen, welches sie in den letzten fünf Wochen, in denen sie das Kommando von SG-2 übernommen hatte, wirkliche vermisst hatte. Nicht, dass sie die Herausforderung nicht genoss – das tat sie durch und durch – aber sich hinzusetzen und Daniels aufregende Theorien über die Einwohner von P3X-832 zu lesen, erweckte in ihr ein warmes Gefühl der Nostalgie. Sie war wirklich glücklich darüber, dass sie bei ihrer nächsten Mission mit ihm zusammen sein würde.

„Was dagegen, wenn ich mich setze?“

Sam schaute mit einem Lächeln auf. „Colonel O’Neill. Schon wach, Sir? Es ist noch früh.”

„Huh.“ Er verzog leicht das Gesicht, als er sich gegenüber von ihr hinsetzte. Er war noch nie ein Frühaufsteher gewesen. „Wessen Idee war es eigentlich die Besprechungen so früh anfangen zu lassen?“

„Das müsste dann wohl General Hammond sein“, sagte sie und konnte die Belustigung in seinem Blick sehen.

Er nickte nur und nahm einen großen Löffel von Fruit Loops zu sich. Noch während er kaute, griff er in seine Tasche und holte seinen eigenen Bericht heraus, welchen er zusammengerollt hatte, sodass es auch passte. Er rollte Daniels Bericht auseinander – jetzt mit ein paar Eselohren – und begann ebenfalls zu lesen. Sam lächelte in sich hinein, als sie ihr Gebäck in die Hand nahm. Bevor sie das Kommando von SG-2 übernommen hatte, hatte sie immer nur über die Angewohnheit des Colonels die Berichte erst kurz vor der Besprechung – manchmal sogar noch während der Besprechung - zu lesen, geseufzt und hatte es auf seine etwas exzentrische Natur geschoben. Aber jetzt, mit ihrem eigenen Stapel an Berichten, strategischen Einschätzungen und persönlicher Kritikeinschätzungen, verstand sie ihn schon besser. Es war keine Nachlässigkeit, es war lediglich eine Frage der richtigen Planung.

Gegenüber von ihr seufzte Jack. „Daniel lässt diese Dinge immer wie ein Roman wirken“, beschwerte er sich und überflog den Bericht auf der Suche nach den wirklich wichtigen Ausschlagsworten. Daniel hatte noch *nie* irgendwelche Ausschlagsworte benutzt. Er schaute zu ihr auf.
„Haben Sie das gelesen?”

Sam durchstöberte ihre eigene Kopie, als sie einen weiteren Bissen von ihrem Gebäck nahm. „Bin grad dabei, Sir.“

Er grinste plötzlich. „Carter! Ich dachte, Sie hätten das bereits seit einer Woche durch!”

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich war beschäftigt.“

„Ja“, sagte er mit sanfter und warmer Stimme, in der eine gewisse Belustigung mitschwang. „Haben Sie sich von der Lebensmittelvergiftung richtig erholt?“

Mit einem Augenverdrehen nickte sie. „Ja. Obwohl wir unsere letzte Mission verpasst haben. Hat Ihnen das der General erzählt? Gibson und ich waren eine Woche krankgeschrieben.“

Ein weiterer Löffel voll mit Fruit Loops fand ihren Weg zu O’Neills Mund, als er nickte. „Er hatte es mal erwähnt. Hört sich ziemlich übel an. Auch ganz sicher, dass alles wieder in Ordnung ist?“

„Mir geht’s gut“, versicherte sie ihm, gerührt von seiner Sorge.

„Sie sehen etwas blass aus“, flüsterte er und senkte seinen Blick hinunter auf seine Schüssel. „Und ein bisschen dünner…?“

Sam beobachtete ihn dabei, wie er mit den Froot Loops in seiner Schüssel spielte. Er hörte sich so an, als ob er verlegen oder es irgendwie falsch wäre. Sam seufzte, als sie über die Komplexität ihrer Situation nachdachte, aber alles, was sie sagte, war: „Ich habe ein paar Kilos verloren, Sir. Aber mir geht es jetzt wieder gut.“ Sie verstummte kurz. „Und ich freue mich schon auf unsere gemeinsame Mission nach… P3X-832“, las sie von Daniels Bericht ab.

„Ich mich auch“, stimmte O’Neill ihr zu und sah sie mit einem plötzlichen Grinsen an. „Eigentlich war ich ja…“

„Gott! Und ich dachte schon das Personal im Altersheim wäre langsam!“ O’Neill erstarrte sofort und Sam hob langsam ihren Blick, als sie Tasha Greene sah, wie sie damit beschäftigt war, ihr Tablett auf ihren Tisch zu entleeren. Was zum Teufel suchte *sie* denn hier? „Ich meine, wie schwer kann es denn bitte schön sein einen Café Latte zu machen?“

Sam riss amüsiert ihre Augen auf. Café Latte? In der Kantine? Zu ihrer Überraschung schielte O’Neill mit einem Funkeln in seinen Augen zu ihr hinüber, das ihr sagte, dass er nicht anders dachte. Laut sagte er dann: „Wenn ich du wäre, würde ich beim regulären Kaffee bleiben.“

Tasha setzte sich mit einem Schulterzucken neben ihn. „Ich glaube nicht an irgendwelche Kompromisse“, verkündete sie. Und dann sah sie mit einem Lächeln zu Sam hinüber. „Major Carter, schön Sie wieder zu sehen.“

„Freut mich auch“, antwortete Sam und fragte sich, ob die eklatante Lüge ihre Nase wachsen ließ. Immer noch ziemlich geschockt darüber, was O’Neills… Freundin… auf dem Stützpunkt verloren hatte, schaute sie zu ihm, aber er starrte hinunter in seine Schüssel und antwortete nicht.

„Wissen Sie, die Quartiere hier sind ziemlich bequem“, sagte Tasha dann, als sie ihren Kaffee nahm und ihr Gesicht bei dem Geschmack verzog. „Auch wenn die Betten ziemlich eng sind.“

Lächerlicherweise spürte Sam, wie sie leicht rot wurde. „Ahm, ja, ich schätze… dass sie nicht für zwei gemacht sind“, murmelte sie und nahm sich ihren eigenen Kaffee, um ihr Gesicht dahinter zu verstecken. Sie war nun *wirklich* nicht an Tasha Greenes Schlafverteilung interessiert. Die Betten waren zu eng…? Oh verdammt noch mal…

„Tasha hat im Gästequartier übernachtet“, sagte O’Neill dann.

Sams anfängliche Röte verwandelte sich in ein dunkelrot. „Natürlich… Entschuldigung, Sir. Ich wollte nicht andeuten…“

Doktor Greene begann zu lachen. „Jack hat mich rausgeschmissen“, sagte sie und war sich Sams Verlegenheit offenbar nicht bewusst. Ihre lebendige Stimme hallte laut durch die leere Kantine. „Irgendwas über Vorschriften…?“

„Ja“, murmelte Sam und zwang sich höflicherweise dazu ihren Blick zu heben. „Es ist nicht erlaubt sich ein Einzelzimmer zu teilen.“

Tasha schüttelte den Kopf und sah hinüber zum Colonel. „Wie kannst du dir nur all diese Regeln und Vorschriften merken, Jack?“, fragte sie. „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass mir andere Leute sagen, wo – und mit wem – ich schlafen darf!“

O’Neill runzelte die Stirn. „Die Vorschriften gibt es schon aus einem guten Grund“, sagte er und schielte mit einem kaum bemerkbaren Blick hinüber zu Sam. „Und es ist mein Job mich daran zu erinnern.“

Kichernd schnappte sie sich eines von Jacks Toast. „Na ja“, sagte sie mit einem Lächeln, als sie sein überraschtes Gesicht sah, indem sie ihm sein Frühstück stibitzte. „Ich hoffe nur, ich breche nicht zu viele Regeln auf P3X-832.“

Sams Herz zog sich schmerzhaft zusammen. „Sie kommen mit nach P3X-832?“

Tasha schaute zu ihr hinüber. „Ja. Hat Jack Ihnen das nicht gesagt?“

„Nein“, antwortete sie mit einem gezwungenen Lächeln. „Der Colonel und ich, wir haben uns seit…“

„…sechs…“, warf er ein.

„…Tagen nicht mehr gesehen“, beendete Sam den Satz.

Tashas Lächeln wurde einen Hauch kühler und Sam dachte so etwas wie Misstrauen in ihrem Blick zu sehen, als sie zwischen Sam und O’Neill hin und her schaute. „Na ja, eigentlich hat Dr. Jackson mich eingeladen“, sagte sie. „Wenn Sie bereits seinen Bericht gelesen hätten, dann würden Sie auch verstehen, was ich seiner Meinung nach auf dieser Mission beisteuern könnte.“

Sam starrte sie geschockt an. 'Wenn Sie bereits den Bericht gelesen hätten…?’ Woher zum Teufel nahm sie sich die Frechheit so mit ihr zu sprechen? Als ob sie eine ihrer Studenten wäre? O’Neill hatte sich grade aufgesetzt, als Tasha geredet hatte, aber er sah mit einem Stirnrunzeln hinunter in seine Schüsseln. Und seinetwegen – und nur seinetwegen – ließ sie es noch einmal durchgehen. „Sie haben Recht“, sagte und zwang sich dazu einigermaßen freundlich zu klingen. „Und wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, dann werde ich jetzt Daniels Bericht zu Ende lesen.“ Noch währen sie aufstand, schnappte sie sich ihren Kaffee. „Ich sehe Sie dann beide in der Besprechung.“ Und dann nickte sie O’Neill zu. „Sir.“

Er nickte. „Carter.“ Aber sein Gesicht war wütend und fast zum ersten Mal, seit sie den Namen Natasha Greene gehört hatte, war sie nicht eifersüchtig auf diese Frau. Sie erlaubte sich selbst ein kleines, ungeniertes Lächeln, als sie die Kantine verließ. Eins zu null für Carter!

Doch dann blieb sie stehen und verfluchte sich selbst. „Das ist nicht irgend so ein verdammter Wettstreit, Sam“, murmelte sie, als sie sich wieder in Bewegung setzte. „Du wirst nicht einmal daran denken dieses dämliche Spiel mitzuspielen.“


+++++++++

rAlso“, sagte General Hammond, „noch einmal für alle: Colonel O’Neill hat das Kommando über die gesamte Mission, aber es liegt in Major Carters Verantwortung das Ziel dieser Mission zu erreichen.“

Jack nickte und schaute hinüber zu Carter, die zusammen mit dem Rest von SG-2 gegenüber von ihm saß. Sie traf seinen Blick mit einem kleinen Lächeln und er spürte, wie sich sein Magen leicht zusammenzog, als sich seine Lippen ebenfalls in ein Lächeln verzogen. Er konnte einfach nicht anders. Sie war so begeistert, so voller Leben… Sein Herz zog sich leicht zusammen, als er sie dabei beobachtete, wie sie ernst Hammonds Worten folgte. Gott, er hatte sie die letzten Wochen über vermisst – sogar mehr, als er sich vorgestellt hatte. Es war so, als ob irgendwo ein Licht ausgeschaltet worden war. Alles war irgendwie trist und langweiliger ohne sie… Es war natürlich auch nicht dasselbe für Carter. Sicher, sie vermisste ihre Freunde, aber sie hatte eine neue Herausforderung, die sie ablenkte. Er konnte sich noch gut an sein erstes eigenes Kommando erinnern, als er alles erdenklich Mögliche gemacht hatte, um eine Beförderung anzustreben, um seine Treue zu beweisen und um sich selbst zu beweisen. Und dann hatte er auf sein eigenes Team hingearbeitet… Für ein paar Monate war er wie im Rausch gewesen. Bis ihn die Realität brutal wieder zurückgeholt hatte. Er hatte eine Woche damit verbracht Briefe an Ehefrauen und Mütter zu schreiben und am Ende hatte er verstanden, dass die Verantwortung, die mit einem eigenen Kommando kam, sehr, sehr schwer war zu ertragen.

Aber als er hier jetzt Carter beobachtete, noch immer in der ersten Phase der Aufregung, erinnerte er sich an die junge Begeisterung, die auch ihn einst mal erfasst hatte. Erst da erkannte er, wie sehr er sich über die Jahre verändert hatte. Nicht zum ersten Mal seit kurzen wanderten seine Gedanken zu Major Coburn. Zuerst war er erstaunt gewesen, dass ein Mann, der so engagiert, wie Coburn es war, so einfach das SGC verlassen und sich der riesigen Verantwortung entziehen konnte, die sie alle trugen. Aber je mehr er darüber nachdachte, desto mehr verstand er, dass im Anbetracht des Ganzen Coburn nur ein einziger Mann war. Sicher, er war ein guter Soldat und sicherlich wurde er auch vermisst, aber er war nicht unentbehrlich. Und der Krieg wurde fortgesetzt. Aber für seine Frau und seine Familie…? Niemand konnte ihnen Coburn jemals ersetzen. Dort war er wahrlich unentbehrlich.

„…stimmen Sie dem zu, Colonel O’Neill?“

„Hä?“ O’Neill schaute verlegen darüber auf, dass er in seinen Gedanken so abgedriftet war. „Entschuldigung, Sir. Was?“

Hammond sah ihn leicht verwirrt an. „Ich habe gerade über die Befehlsreihenfolge während Ihrer gemeinsamen Mission besprochen, Colonel“, sagte er. „Ich habe entschieden, dass aufgrund Ihrer persönlichen Beziehung mit Dr. Greene, es angebrachter wäre, wenn sie Major Carter Bericht erstatten würde.“

Jack nickte. „Ja, Sir“, sagte er und schielte aus seinem Augenwinkel heraus kurz zu Tasha. Sie schien dies alles mit einem schiefen Schmunzeln und einer übertriebenen Belustigung in ihrem Blick zu beobachten, die Jack nicht besonders mochte. Sie verstand das Militär einfach nicht, nicht ein Stück! „Das hört sich gut an“, sagte er mit Nachdruck. Und er meinte es auch so. Das Letzte, was er machen wollte, war Tasha irgendwelche Befehle zu geben. Sie war genauso stur wie eigenwillig und ohne jegliche militärische Disziplin. Sie erhaschte seinen Blick und lächelte. Langsam schüttelte sie mit ihrem Kopf, als ob sie fragen wollte, was das alles sollte.

„Und ich bin mir sicher, dass Major Carter ein Auge auf unseren Gast werfen wird“, sagte Hammond mit einem Lächeln in Richtung Tasha.

„Danke, General“, antwortete Tasha, „aber ich werde nicht allzu sehr zur Last fallen. Ich bin vielleicht nicht im Militär, aber ich war bereits schon auf einigen Expeditionen… ich werden sie schon nicht aufhalten.“

Jack zuckte leicht bei ihren Versprechungen zusammen, da er wusste, wie sie für die abgebrühten Ohren von Carters Team klingen mussten. Als er aufschaute, sah er, wie Ferretti Gibson grinste, aber sie wussten, dass er und Tasha eine Beziehung hatten, also hielten sie vorsichtshalber ihren Mund. Carter schien den dunklen Humor ihrer Teamkameraden nicht zu teilen, aber ihre Lippe hatte sich zu einer dünnen Linie verzogen und verriet Jack ihr Unbehagen bezüglich dieser Mission, aber sonst zeigte sie keinerlei Einwände. Und das würde sie auch nicht, egal als, wie unangenehm sie es auch empfinden mochte. Carter war nichts, wenn nicht professionell. Das war eine der vielen Dinge, die er so an ihr vergötterte.

„Na gut“, sagte Hammond schließlich und nahm die ganze Meute vor sich mit einem Blick in sich auf. „Sie haben zweiundsiebzig Stunden für die Mission. Colonel O’Neill, Major Carter, seien Sie mit Ihrem Teams um 1200 bereit.“

„Ja, Sir“, sagte sie beide im Einklang.

Hammond nickte. „Wegtreten.“

+++++++

Während sie im Torraum wartete und ihren Rucksack aufsetzte, kochte Sam innerlich vor Wut. Es war schon schlimm genug, dass O’Neill seine Freundin auf diese Mission mitnahm, aber sie konnte einfach nicht glauben, dass Hammond ihr die Verantwortung für diese Frau übertragen hatte. Sie hatte eigentlich gehofft ihr so viel wie möglich aus dem Weg zu gehen. Damit sie ihren Kopf klar bekommen und vergessen würde, dass Tasha die Frau war, die O’Neill über ihr gewählt hatte. Aber nein, ihre eigenen tugendhaften Pläne wurden mit einem Schlag zerstört. Doktor Greene würde die gesamten nächsten drei Tage ihre eigene persönliche Verantwortung sein. Argh!

„Das FRED ist startbereit“, berichtete Gibson und holte sie somit aus ihren frustrierten Gedanken. „Wir sind bereit, Ma’am.“

Sam nickte. „Danke, Lieutenant. Wenn General Hammond sein Okay gibt, dann gehen Sie und Ferretti zuerst durch. Das FRED könnte möglicherweise Hilfe bei den Stufen auf der anderen Seite gebrauchen.“

„Ja, Ma’am“, antwortete Gibson und drehte sich zu Ferretti um, der noch etwas am FRED nachbesserte. Sam lächelte. Es war noch immer alles ziemlich neu, aber sie musste zugeben, dass sie es genoss, die Befehle zu geben. O’Neill hatte recht, das war gut für sie. Sehr gut sogar.

Just in diesem Moment begann sich das Tor zu drehen und sandte den bereits gewohnten Adrenalinkick durch ihren Körper.
„Chevron eins aktiviert.“

Das Tor drehte sich weiter, als ein weiterer Chevron aktiviert wurde. Hinter sich hörte Sam, wie sich die Türen öffneten und sie lächelte, als sie sich umdrehte und SG-1 sah. Es war schon merkwürdig an sie zu denken, als ob sie etwas anderes wären. Aber dort waren sie, ihr altes Team – und noch immer ein Dreimannteam. „Hey, Sam“, rief Daniel, als er auf sie zuging. Er war aufgeregt. Sein Blick wanderte zwischen ihr und dem sich drehenden Tor hin und her. „Alles bereit?“

„Sicher“, nickte sie. „Ich habe nur noch auf euch Jungs gewartet.“

„Chevron drei aktiviert.“

„Carter?“, sagte O’Neill schließlich, als er neben Daniel stehen blieb. „Ist Tash… Dr. Greene nicht hier?“

In seiner Stimme klang ein ungewöhnlicher Unterton mit – vielleicht war es Sorge oder vielleicht war sogar es Ärger – sie wusste es nicht. Sam sah sich schnell um. „Nein, Sir. Sie ist noch nicht hier gewesen.”

„Chevron vier aktiviert“, kam Simmons Stimme durch den Lautsprecher. „Chevron fünf aktiviert.“

Der Colonel sah mit einem Stirnrunzeln hinunter auf seine Uhr. „Spät“, murmelte er, als er die Klappe über dem Ziffernblatt wieder schloss.

„Ah“, warf Daniel dazwischen, „ich habe gesehen, wie sie vor einer Stunde oder so zurück zu ihrem Quartier gegangen ist. Sie sagte etwas davon, dass sie noch ein paar Unterlagen bräuchte…“

Der Blick, den O’Neill Daniel zuwarf war eisig. „Unterlagen?“, wiederholte er das Wort.

„Chevron sechs aktiviert. Chevron sieben aktiviert.“

Wenn O’Neill zu diesem Thema noch etwas hinzufügen wollte, wurde er unterbrochen, als sich die Türen des Torraumes erneut öffneten und die fehlende Frau hereingeeilt kam.

„Entschuldigt die Verspätung!“, entschuldigte sie sich augenblicklich. „Mir ist nur aufgefallen, dass ich noch…“ Ihr Blick blieb auf dem leicht verärgerten Gesicht des Colonels hängen und sie stoppte mitten im Satz. „Was?“, fragte sie sofort.

„Nichts“, murmelte er und wandte sich von ihr ab.

„Du wirst jetzt nicht schmollen, oder?“, fragte sie mit einem spitzbübischen Grinsen. „Ich bin doch nur ein paar Minuten zu spät.“

Schmollen? Sam schaute hinüber zu O’Neill und sah, wie er versuchte seinen Zorn wieder unter Kontrolle zu bringen. „Halten Sie sich einfach nur bereit, Dr. Greene“, antwortete er stattdessen.

Tasha sah ihn aufgrund seines brüsken Tones überrascht an, aber immerhin wusste sie, dass sie in solch einem Moment lieber ihren Mund halten sollte.

„Chevron Sieben eingelockt.“

Das Wurmloch etablierte sich mit einem Kwoosh über der Rampe, bevor der Ereignishorizont ruhig zu schimmern begann. „Wow“, hauchte Tasha und stoppte neben Sam. „Das ist ja noch unglaublicher als beim letzten Mal.“

Sam nickte. „Das ist es immer, jedes Mal.“

Von dem Kontrollraum aus erklang Hammonds Stimme. „SG-1 und SG-2, Sie haben grünes Licht.“

Sam wandte sich zum General um und winkte ihm kurz zu, bevor sie sich zurück zu O’Neill umdrehte. „Sir?“, fragte sie und wartete auf seine Erlaubnis zu gehen.

Der Colonel nickte. „Gehört alles Ihnen, Carter“, sagte er mit einem kleinen Lächeln in seinen Augen.

Sie nickte und wandte sich an Ferretti und Gibson. „Okay, Jungs“, rief sie. „Auf geht’s!“

Als sich das FRED in Bewegung setzte, Gibson und Ferritti jeweils auf beiden Seiten, verspürte Sam einen unglaublichen Stolz auf ihr Team. Ihr Team. Gott, hörte sich das gut an.

„Oh, das wird so ein Spaß werden!“, rief Tasha dann und ging mit begeisterten Schritten die Rampe hinauf, als SG-2 durch das Tor verschwand.

„Whoa!“, rief Sam und schnappte sich ihren Arm. „Tut mir leid, Dr. Greene, aber Sie werden wohl noch warten müssen, bis Ferretti und Gibson das FRED zur Seite gebracht haben oder Sie werden genau drauf landen.“ Ein Funken von Ärger schoss durch Tashas dunkle Augen, aber Sam war es egal. Das Letzte, was sie wollte, war eine Anthropologin, die auf dem FRED kleben würde. „Wir werden in ein paar Minuten gehen können.“

So, als ob es auf ihre Gedanken antworten würde, erwachte ihr Funkgerät zu Leben. „Major Carter, hier ist Lieutenant Gibson. Der Weg ist jetzt frei, Ma’am. Ende.”

„Verstanden, Lieutenant“, antwortete sie. „Wir sind auf dem Weg. Carter, Ende.”

Sie schaute auf zu O’Neill. „Der Weg ist frei, Sir.“

Er nickte. „Dann mal los. Daniel, Teal’c, mit mir. Dr. Greene…” Er schaute kurz zu ihr hinüber, „Sie bleiben bei Major Carter.“

Und dann ohne einen weiteren Blick ging er die Rampe hinauf und verschwand durch das Tor.

„Huh“, murmelte Tasha, als sie in Carters Schritt fiel. „Ich schätze mal, das war dann *Colonel* O’Neill.“

„Jep“, antwortete Sam mit einem starren Blick auf das schimmernde Stargate vor ihr, „das war er.“

Tasha schwieg, aber gerade, als sie durch das Tor ging, dachte Sam sie ein „Ich bevorzuge aber Jack“, murmeln gehört zu haben. Und dann war sie verschwunden. Sam folgte ihr augenblicklich in die chaotische Reise durch den Subraum.


+++++++

Der Adrenalinstoß war berauschend. So, als wenn man im Winter mit verbundenen Augen nackt Achterbahn fahren würde. Nicht, dass Tasha je so etwas getan hätte, aber nur so konnte sie das Gefühl von Torreisen beschreiben.

Sie schnappte keuchend nach Luft, als sie auf der anderen Seite herausgestolpert kam und dankbar war, dass Jack sie stützte. „Okay?“, murmelte er, auch wenn er sie nicht ansah. Seine Augen tasteten die Umgebung ab, all seine Sinne waren geschärft.

„Gut, mir geht’s gut“, versicherte Tasha ihm und richtete sich auf. Sie versuchte ihren Mageninhalt nicht über die gesamten Treppen zu verteilen.

Jack nickte einmal. „Carter?“, rief er, als er die Stufen herunter ging und sich vom Tor entfernte. „Wohin müssen wir?“

Carter, bemerkte Tasha leicht verärgert, schien diese Reise, ohne jeglichen Beschwerden überstanden zu haben. Sie kam hinter Tasha durch das Tor, so als wenn sie grade aus einem Fahrstuhl gehen würde. Ihr schien noch nicht einmal schlecht zu sein, als eine kühle Brise durch ihre kurzen, blonden Haare fuhr.

„Eigentlich, Sir“, sagte sie und kam die Treppen herunter, ohne Tasha anzusehen, „schlage ich vor, dass wir ein Basislager am Tor aufschlagen. Die atmosphärischen Messungen vom MALP zeigen, dass das Wetter, so nahe am Berg unberechenbar sein wird. Ich würde gerne, bevor wir in die Berge gehen, noch ein paar zusätzliche Messungen aufstellen.“

Jack nickte, als er ihr zuhörte und sein Blick zum trüben Horizont abschweifte. „Und welche Berge würden das dann sein, Carter?“, fragte er nach einem Moment.

Carter antwortete nicht sofort, sondern lächelte leicht. „Die, über denen die Wolken hängen, Sir.“

„Ah“, nickte Jack. „Wolken. Das sind dann also Wolken.“

Mit einem breiteren Lächeln fuhr Carter fort. „Sir, ich habe die meteorologischen Gefahren während der Besprechung erwähnt und General Hammond…“

„Hat sicherlich ohne jeglichen Zweifel Ihren Empfehlungen zugestimmt“, beendete er ihren Satz und sah sie schließlich an. „Genau wie ich“, fügte er etwas leise hinzu. „Stellen Sie das Camp auf, Major. Ich werde mit SG-1 die Umgebung sichern.”

„Ja, Sir“, kam die höfliche und zurückhaltende Antwort, als sich Carter von ihm abwandte. Aber bevor sie auch nur einen Schritt tun konnte, hielt Jack sie noch einmal auf.

„Carter?“, rief er. Sie drehte sich zu ihm um. „Es ist schön…“ Er stoppte mitten im Satz und mit einem kalten Stich von Eifersucht in ihrem Herzen, sah Tasha, wie Jack kaum wahrnehmbar zu ihr hinüberschielte.

„Es wird schon bald dunkel sein“, sagte er und schaute hinauf zum Himmel. „Ich schlage vor, dass wir so schnell wie möglich alles aufbauen, damit wir dieses 'Gatelag’ überwinden können.“ Er hatte einen Punkt, aber Tasha wusste, dass er etwas anderes sagen wollte, etwas, was ihre Anwesenheit daran gehindert hatte, ausgesprochen zu werden.

„Ja, Sir“, antwortete Carter erneut, aber diesmal mit einem kleinen Lächeln auf ihren Lippen, welches Tasha sagte, dass sie beide etwas teilten… etwas Persönliches. Carter sagte nichts mehr, aber Tasha beobachtete den Major, wie sie davon ging, um ihr Team zu suchen. Sie mochte diese Frau nicht. Sie war viel zu selbstbeherrscht und zurückhaltend. Oberflächlich war sie die perfekte, kleine Soldatin, mit all ihren 'Ja, Sir’ und 'Nein, Sir’, aber Tasha spürte etwas äußerst Ungestümes unter der Oberfläche. Und sie hütete sich davor… wenn Carter die Kontrolle auch nur jemals verlieren sollte…

„Tasha?“, rief Jack und sie drehte sich hastig zu ihm und wandte ihren Blick von Carters verschwindendem Umriss ab.

„Ja?“, fragte sie, als sie die letzten Stufen hinunterging.

„Hör zu, ich werde jetzt mit meinem Team die Umgebung sichern. Du bleibst bei Carter… und du machst, was sie sagt. Okay?“

Mit einem Augenrollen, begann sie zu protestieren. „Ich bin kein kleines Kind mehr, Jack. Ich werde schon nicht hinfallen und mir mein Knie aufschlagen.“

Seine Augen verengten sich. „Du befindest dich auf einem außerirdischen Planeten, Natasha“, erinnerte er sie. „Es ist gefährlich. Bleib einfach nur bei SG-2 und wenn Carter dir sagt, dass du springen sollst, dann fragst du 'Wie hoch’ und nicht 'Warum’. Verstanden?“

Als Tasha seinen sturen Blick sah, entschied sie, dass es zwecklos war, das jetzt noch weiter zu diskutieren. Sie hatte ihre eigenen Gedanken bezüglich ihrer Kompetenz im Feld, aber sie wusste, dass es nur Zeitverschwendung sein würde, jetzt mit Jack darüber zu streiten. Also lächelte sie leicht und salutierte vor ihm. „Ja, Sir.“

Zu ihrer Überraschung vertiefte sich sein Stirnrunzeln. „Nenn mich nicht so“, knurrte er. „Das ist nicht angebracht.“

Tasha seufzte. „Richtig“, schnappte sie. „Fein. Gott vergebe mir, ich habe etwas Unpassendes gesagt!“ Und damit drehte sie sich um und ging zu Carter und ihrem Team hinüber, die, wie sie annahm ihre Ausrüstung aus dem FRED holten. Halb erwartete oder hoffte sie vielleicht, dass Jack ihr folgen würde, um sich bei ihr zu entschuldigen, aber das tat er nicht. Nach einem Moment hörte sie, wie er nach Daniel und Teal’c rief. Verärgert über ihre eigene Schwäche, schaute sie über ihre Schulter, nur um zu sehen, wie Jack sein Team in die genau entgegengesetzte Richtung führte. Er hatte seine Kappe in sein Gesicht gezogen und führte sie mit schnellen und energischen Schritten an. Sie musste zugeben, dass er ziemlich beeindruckend in seiner Kampfuniform aussah, aber davon abgesehen war sie außer sich. Wie konnte er es nur wagen sie wie ein unerfahrenes Kind zu behandeln?! Nur weil sie nicht im Militär war, bedeutete das noch lange nicht, dass sie nicht auf sich selbst während einer Mission aufpassen konnte.

Verdammt, sie war selbst schon auf der Erde an schlimmeren Orten als auf diesen Planeten hier gewesen, auch mit Carters 'meteorologischen Gefahren’. Und sie würde ihnen allen genau das beweisen – besonders Jack und dem verklemmten Major.


+++++++++

Es war schon fast dunkel, als Jack zurück zum Camp kam. Die Umgebung war so gut, wie es bei einer kurzen Überprüfung möglich war, abgesichert. Aber er war zufrieden. Er verspürte von dem umgebenden Waldgebiet keine Gefahr aus.

„Also“, sagte Daniel neben ihm, „gehen wir dann morgen zu den Ruinen?“

Jack schielte ihn von der Seite an. „Da musst du schon Carter fragen“, antwortete und musste bei diesem Gedanken lächeln. „Die Erfüllung dieser Mission ist allein ihre Verantwortung.“

„Oh“, nickte Daniel, „richtig.“ Er schwieg für einen Moment, bevor er mit etwas leiserer Stimme wieder zu sprechen begann. „Es ist immer noch komisch, nicht? Ich meine, sie nicht in unserem Team zu haben.“

„Ja“, antwortete er knapp.

„Das bringt es irgendwie nach Hause“, fuhr Daniel fort. „Ich meine, mit ihr wieder zusammen auf einen Planeten zu reisen. Ich schätze, ich vermisse sie einfach.“

Diesmal nickte Jack nur. Er wollte nichts sagen, was vielleicht verraten könnte, wie sehr er sie vermisste. Es war nicht nur so, dass er sich immer wieder dabei erwischte, wie er sich zu ihr umdrehte, um sie etwas zu fragen oder, weil er einfach nur ihr Gesicht vermisst hatte, es ging tiefer als das. Er fühlte ihre Abwesenheit auf eine Art und Weise, auf die er überhaupt nicht vorbereitet gewesen war. Es war wie eine Leere und ein Schmerz, die nie richtig verheilt waren. Der Schmerz war körperlich, wie eine Faust in seiner Brust, die alles zusammendrückte. Und es wurde nur noch schlimmer, weil er wusste, dass es falsch war, dass sowohl Ehre als auch andere Umstände sie auseinanderhielt. Ehre in Gestalt von Tasha.

Er nahm seine Verpflichtung gegenüber Tasha nicht auf die leichte Schulter. Sie hatte ihm freiwillig all ihre Aufmerksamkeit geschenkt und er tat sein Bestes, um diese irgendwie zu erwidern. Aber vor Carters Versetzung war es etwas ganz anderes gewesen. Da hatte er sie jeden Tag gesehen, er hatte mit ihr Tage auf anderen Planeten verbracht. Da war es noch einfach gewesen Tasha in dieses Leben einzufügen und seine Gefühle für Carter zu unterdrücken. Aber jetzt lagen die Dinge anders. Jetzt sah er Carter kaum noch und er war vollkommen unvorbereitet darauf gewesen, wie sehr ihre Abwesenheit ihn beeinträchtigen würde. Er erwischte sich dabei, wie er immer öfters an sie dachte, sich ausrechnete, wann er sie das nächste Mal wieder sehen würde. Er zählte schon die Tage bis…

„Ah, Jack?“

Daniels Stimme ertönte hinter ihm, und als Jack aufsah, bemerkte er, dass er fast am Camp vorbeigelaufen wäre. Etwas verärgert drehte er sich und ging zurück zu Daniel, wo er mit Teal’c wartete. „Entschuldigt“, murmelte er verlegen. Er blickte hinüber zu SG-2, wo sie den Rest des Camps aufbauten und sah das weiße Licht der Halogenlampen, die um das Camp herum aufgestellt waren und die hereinbrechende Dunkelheit vertrieben. Und auf der anderen Seite knisterte ein freundliches Feuer, um die Kälte der Nacht fernzuhalten.

„Ich hoffe“, sagte Teal’c hinter ihnen, „dass nicht Major Carter an der Reihe ist das Essen zu machen.“

Jack lächelte. „Ja“, stimmte er zu. „Ich kann nicht unbedingt sagen, dass ich Carters Kochkünste vermisst habe.“

„Es ist doch nur EPA“, stellt Daniel klar, als sie zum Camp gingen. „Nicht einmal Sam kann das ungenießbar machen.“

„Machst du Witze?“, antwortete Jack und fand es irgendwie erleichternd so frei über sie zu reden. „Hast du schon ’529 vergessen?“

Daniel überlegte einen Moment und verzog dann sein Gesicht. „Oh“, sagte er ernst. „Ja… Das… grüne… Zeug.”

„Gott, das war grauenhaft!“

Lachend zog Daniel einen Schokoriegel aus seiner Tasche. „Hier“, sagte er und gab ihn Jack. „Notfallration, nur für alle Fälle.“

„Ah“, grinste Jack, „also deswegen stopfst du dir die Taschen immer mit diesen Dingern voll!“

Daniel zuckte mit den Schultern. „Sag es nur nicht Sam“, warnte er ihn.

Aus Jacks Grinsen wurde ein Lächeln und dann ein Seufzen. „Nein“, flüsterte er, als er den Schokoriegel in seine Tasche steckte. „Natürlich nicht.“

„Sie sollen mir was nicht sagen?“, kam eine vertraute Stimme von ihrer rechten. Es war Carter und in Jacks Bauch breitete sich ein kleines, vollkommen unangebrachtes Kribbeln aus, als er sich umdrehte. Sie kam aus dem Wald auf sie zu. Ihr Gesicht lag im Schatten, obwohl er ihr Lächeln sehen konnte. Gott, wie er dieses Lächeln liebte.

„Carter“, grinste er. „Warum verstecken Sie sich denn dort in den Wäldern?“

Sie zog ihre Augenbrauen hoch. „Wollen Sie eine ausführliche Erklärung, Sir?“

Aufgrund ihres amüsierten Blickes entschied er sich lieber nicht näher auf dieses Thema einzugehen. „Ich werde meine Fantasie spielen lassen.“ Dies führte nur dazu, dass sie ihre Augenbrauen noch weiter hochzog. „Also“, sagte er und wechselte schnell das Thema. „alles okay im Basiscamp?“

Carter fiel in seinen Schritt und nickte. „Ja, Sir.“ Aber dann runzelte sie die Stirn. „Obwohl ich jedoch ein paar ziemlich wilde atmosphärische Druckmessungen erhalte. Es könnte eine stürmische Nacht werden.“

Er nickte, als er über die Verästlung ihrer Worte nachdachte. „Nichts, mit dem wir nicht fertig werden, oder?“

„Nein“, sagte sie mit einem Kopfschütteln. „Hier unten denke ich, brauchen wir uns keine großen Sorgen zu machen. Oben in den Bergen allerdings…“

„Wird das ein Problem werden?“, fragte Jack, als er hinüber zu Daniel schaute und an Tashas Ungeduld dachte. „Ich kenne da nämlich ein paar Archäologen unter uns, die es kaum erwarten können zu ihren Steinen zu kommen.“

Carter nickte, aber in der Dunkelheit konnte er ihren Blick nicht sehen. „Ich sehe keine Probleme, Sir“, flüsterte sie. „Die atmosphärischen Druckmessungen sind ungewöhnlich. Zumindest würden sie das auf der Erde sein. Hier allerdings… könnte sie auch ganz normal sein.“

„Wenn Sie ungewöhnlich sagen“, fragte er und verlangsamte seinen Schritt, als sie sich dem Rande des Camps näherten, „was genau meinen Sie damit. Inwiefern ist es ungewöhnlich?“

Sie zuckte mit den Schultern und gemeinsam hielten sie grade außerhalb des Lichtkreises der Halogenlampen an. „Große Ausschlagsspitzen und Druckabfälle – wie, als wenn ein gewaltiger Sturm aufzieht und dann auf einmal verschwindet. Es ist schwer etwas darüber hinaus zusagen, außer, dass das Wetter unberechenbar ist. Wir sollten uns auf alles gefasst machen, wenn wir in die Berge gehen.“

„Nun, das ist immer ein guter Ratschlag“, antwortete er leise, bevor sie wieder in ein Schweigen verfielen. Daniel und Teal’c waren bereits an ihnen vorbeigegangen und luden grade ihre Sachen bei ihren Zelten ab. Carter beobachtete sie und im hellen Licht der Lampen, konnte Jack kurz den schmerzenden Ausdruck auf ihrem Gesicht sehen, bevor sie sich wieder zu ihm umdrehte.

Jetzt lag ihr Gesicht wieder im Schatten und er konnte ihren Blick nicht wirklich deuten. „Ich war mir nicht sicher, wo Sie schlafen würden, Sir. Dr. Greene scheint zu denken, dass sie und Sie sich ein Zelt teilen würden und so habe ich…“

„Quartieren Sie sie bei sich ein Carter“, unterbrach er sie hastig. „Ich werde mir ein Zelt mit Daniel teilen.“

Sam nickte. „Das habe ich ihr auch vorgeschlagen, Sir. Aber Dr. Greene kann ziemlich starrsinnig sein.“

Er seufzte. „Ich werde mit ihr reden.“

„Danke, Sir“, antwortete Carter und lächelte ihn leicht reuevoll an. „Unsere Vorschriften müssen für sie ziemlich dumm sein. Wahrscheinlich sind sie einfach nur schwer zu verstehen, wenn man nicht im Militär ist.“

„Ja“, antwortete er leise. Er traf ihren Blick und hielt ihn. „Manchmal sind sie sogar schwer zu verstehen, wenn man im Militär ist.“

Aber Carter schüttelte ihren Kopf. „Nicht schwer zu verstehen“, flüsterte sie, „nur schwer zu befolgen.“

Jacks Herz machte als Antwort einen Sprung und ohne nachzudenken, berührte er mit seiner Hand ihren Arm. „Carter…“, sagte er, aber alle Worte, die er ihr sagen wollte, waren verboten und etwas anderes fiel ihm nicht ein.

Sie hielt noch kurz ihren Blick, bevor sie aus seiner leichten Berührung schritt. „Es tut mir leid“, murmelte sie.

„Nein, nicht“, flüsterte er. Sein Blick war auf ihr Gesicht gerichtet. Alles, was er sehen konnte, war ihr Profil, blass und ernst im Licht und… Gott, er wollte sie einfach nur halten. Das Verlangen in ihm war so groß, dass er kaum noch dem Drang widerstehen konnte. Sie litt und es war seine Schuld. Jack war noch nie sehr eitel gewesen, aber dumm war er auch nicht. Er war ihren Gefühlen gegenüber vorher vielleicht blind gewesen, aber sie hatte ihm an dem Abend in seinem Büro die Augen geöffnet und er würde sie jetzt nicht wieder schließen. Es musste für sie schmerzhaft sein, ihn hier mit Tasha zusammen zusehen. Er konnte sich nur vorstellen, wie sie sich fühlen musste. Wenn die Situation anders herum wäre, wenn sie mit einem anderen Mann hier wäre… Er erzitterte bei dem Gedanken daran, wie er sich dabei fühlen würde.

Sie sah ihn nicht an, sondern schaute hinüber in das kleine Camp. Als er sie beobachtete, atmete sie einmal tief ein und die Falte auf ihrer Stirn verschwand. „Sind Sie sich sicher, dass es Ihnen leidtut?“, fragte sie und schaute immer noch nicht in seine Richtung. „Sie wissen doch gar nicht, für was ich mich entschuldigt habe.“

Es schwang jetzt eine gewisse Leichtigkeit in ihrer Stimme mit, die er nicht ganz zuordnen konnte, aber er spielte mit, in der Hoffnung ihr damit irgendwie zu helfen. „Tue ich nicht?“, fragte er genauso aufgeheitert.

„Sagen wir einfach“, sagte sie mit einem kleinen Lächeln, „dass Sie heute vielleicht noch Daniels Schokoriegel gebrauchen könnten.“

Er antwortete ihr mit einem ironischen Lächeln. „Sie kochen?“

„Ich dachte mir, dass ich wieder dieses grüne Zeug mache“, sagte sie, als sie begann auf das Feuer zuzugehen. „Auf ’529 ist es ja eingeschlagen wie 'ne Bombe.“

Jack konnte nicht anderes als zu lachen, als er ihr hinterher schaute. Carter war noch nie jemand gewesen, die näher auf Probleme einging oder sich in Selbstmitleid badete. Sie war eine der stärksten und mutigsten Personen, die er kannte. Und dafür liebte er sie. „Vergessen Sie nicht diese grauen Klumpen!“, rief er ihr hinterher, aber er bekam nur einen geringschätzigen Wink von ihr als Antwort. Aber es war genug. Von Carter war es genug.

++++++++++

Letzten Endes hatte sie dann doch die Aufgabe für die Zubereitung des Abendessens auf Gibson übertragen. Einer der Vorteile, wenn man das Kommando hatte – und eine Entscheidung, für die die anderen ohne jegliche Zweifel dankbar sein würden. Also, anstatt dass sie sich um das Essen kümmerte, saß Sam im Schneidersitz vor ihrem Zelt und studierte die letzten Messungen vom Luftdruckmesser. Es war genauso beunruhigen, wie auch schon die anderen Messergebnisse. Sie zeigten einen enormen Druckabfall an. Es war bereit zu dunkel, um die Berge zu sehen, aber am Himmel konnte man keine Sterne sehen und sie wusste, dass sich die Wolken über ihr aufbauten. Aus der Ferne konnte sie ein leises Donnergrollen hören und die Blätter mit den Ergebnissen in ihrer Hand begannen zu flattern, als Wind über das Lager hinwegfegte. Es fühlte sich so an, als ob ein Sturm heraufziehen würde, aber dieses Gefühl hatte sie schon seit ihrer Ankunft und bisher war noch nichts passiert. Da war noch immer eine gewisse Ladung in der Luft, ein Gefühl, dass noch etwas auf sie zukommen würde und das ließ ihr einen Schauer über den Rücken laufen.

Ein Rucksack wurde plötzlich vor ihre Füße geworfen und Sam schaute auf, nur um eine äußert verärgerte Tasha Greene vor sich stehen zu sehen. „Das ist lächerlich“, brach es aus der Frau heraus.

Sam zog kaum merklich eine Augenbraue hoch. „Wie bitte?“

„Das hier“, beschwerte sich Tasha und deutete auf ihr Zelt. „Die Zelte für die Jungen und Mädchen. Das ist lächerlich.“

„Das ist das Militär.“ Sam zuckte mit den Schultern. „Und es ist nur für ein paar Nächte. Ich schnarche nicht“, fügte sie mit einem dünnen Lächeln hinzu.

Tasha schien sich aufgrund ihrer Worte etwas zu entspannen und setzte sich mit einem Seufzen neben Sam auf den Boden. „Entschuldigen Sie“, seufzte sie“, „ich wollte nicht grob sein. Ich bin nur etwas frustriert…“

„Genau“, nickte Sam und schaute erneut hinunter auf ihre Auswertungen. Das letzte, was sie jetzt wollte, war zu wissen, wie frustriert Tasha doch war!

Tasha hatte jedoch eine andere Idee. „Wie lang kennen Sie Jack jetzt schon?“, fragte sie plötzlich.

„Etwas über vier Jahre“, antwortete Sam, ohne ihren Blick zu heben.

„Also, sagen Sie mal“, seufzte Tasha, „ist er immer so… launisch?“

Sam konnte nicht anders als zu lächeln. „Denke ich mal. Daniel beschreibt ihn als sehr sprunghaft. Ich denke, das fasst ihn ziemlich gut zusammen.“

„Sprunghaft?“, wiederholte Tasha das Wort und ließ es über ihre Zunge rollen. „Das ist dann die höfliche Beschreibung für total unberechenbar.“

Mit einem Kopfschütteln sah Sam auf. „Er ist nicht wirklich unberechenbar“, antwortete sie. „Wenn man ihn erst einmal kennt.“

Tashas Augen verengten sich leicht. „Man lernt ihn nur sehr schwer kennen“, sagte sie vorsichtig. „Aber Sie scheinen es irgendwie geschafft zu haben.“

Es lag ein Anflug von Kälte in der Stimme der Frau und mehr als nur eine Spur von Misstrauen. Sam schämte sich; dieses Misstrauen war noch nicht einmal unberechtigt. „Na ja, wir haben einiges gemeinsam durchgemacht“, antwortete sie und schaute wieder hinunter auf ihre Berichte. „Wir haben ziemlich oft die schlimmsten und besten Seiten des jeweils anderen gesehen.“

Tasha nickte. „Ich verstehe, warum das zwei Menschen verbindet“, antwortete sie leise. „Und ich weiß, dass er Sie vermisst.“

Sam war dankbar, dass es Nacht war, so blieb Tasha wenigstens ihre geröteten Wangen verborgen. „Das ist immer so“, murmelte sie, „wenn ein Team, welches sich ziemlich nahe steht, aufgelöst wird.“

Es herrschte ein langes Schweigen, bevor Tasha mit leiser Stimme wieder zu sprechen begann. „Wie nahe standet ihr euch?“

„Was?“, antwortete Sam, aber sie wusste genau was Tasha meinte und das Einzige, was sie wollte, war etwas Zeit zu gewinnen. Verdammt, sie wollte wirklich *nicht* in diese Richtung gehen!

„Ich meine“, fuhr Tasha immer noch flüsternd fort. „Es ist offensichtlich, dass es da eine Verbindung zwischen Ihnen und Jack gibt. Ich habe mich nur gefragt, ob ihr beide euch je… näher gekommen seid.“

„Nein“, antwortete Sam und stand auf, als sie die Ergebnisse zusammenfaltete. „Meine Beziehung mit dem Colonel war nur beruflicher Natur, Dr. Greene. Und offen gesagt, wenn Sie irgendwelche Fragen bezüglich des Privatlebens des Colonels haben, dann schlage ich vor, dass Sie ihn fragen. Es wäre äußerst unangebracht von mir so über einen anderen Offizier zu reden.“

Tasha sah sogar so was wie reuevoll aus, als sie zu Sam aufschaute. „Entschuldigung, Major“, sagte sie und fuhr sich mit einer Hand durch ihr lockiges Haar. „Ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen.“

„Haben Sie nicht“, versicherte Sam ihr. „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich muss General Hammond noch einen Zwischenbericht schicken.“

„Natürlich“, nickte Tasha.

„Ich habe meine Sachen bereits im Zelt untergebracht“, fügte Sam noch hinzu, bevor sie sich umdrehte. „Also, fühlen Sie sich ganz wie zu Hause.“

Als Tasha ebenfalls aufstand, lächelte sie. „Danke. Aber es ist ja nicht so, als ob wir hier lange bleiben werden. Ich glaube nicht, dass ich meine Sachen auspacken werde.“

Sam schaute erneut hinaus in die Dunkelheit, wo die Berge lagen. „Das ist nicht unbedingt der Fall“, sagte sie. „Ich bin mir im Moment noch nicht sicher, wie sicher es ist zu den Ruinen zu gehen.“

„Was wollen Sie damit sagen?“, fragte Tasha plötzlich scharf und ihre Augen funkelten in der sternenlosen Nacht. „Gleich beim ersten Tageslicht, werden wir morgen früh aufbrechen. Oder etwa nicht?“

Sam schüttelte ihren Kopf. „Das bezweifle ich, Doktor“, antwortete sie und weigerte sich durch Tashas schroffen Ton eingeschüchtert zu fühlen. „Ich werde vorher noch ein paar präzise Messungen vornehmen, bevor ich überzeugt bin, dass…“

„Major Carter“, unterbrach Tasha sie. „Ich habe nur fünf Tage hier, das ist alles. Nach diesen fünf Tagen muss ich wieder zurück zur Universität. Ich kann mir den Luxus darauf zu warten, dass Sie jeden Stein aus dem Weg geräumt haben, damit wir uns unsere Zehen nicht stoßen, einfach nicht erlauben.“

„Bei allem Respekt“, schoss Sam verärgert zurück, „wir sind auf einem fremden Planeten und wir wissen nicht, was hier alles passieren kann. Es schadet nicht, wenn man vorsichtig ist.“

Tashas Augen funkelten. „Sagen Sie mir grade, dass wir morgen nicht in die Berge gehen?“

„Was ich Ihnen damit sagen will“, sagte Sam langsam und kühl, „ist, dass niemand auch nur einen Fuß auf den Berg setzt, bis ich mit den Wetterbedingungen am Berg zufrieden bin und sie für mein Team keine ernste Bedrohung darstellen.“

Tasha schwieg, aber ihre Wut war Beweis genug auf ihrem Gesicht. „Ich verstehe“, war alles, was sie sagte, als sie herumwirbelte, sich ihren Rucksack schnappte, im Zelt verschwand und Sam alleine ließ.

Mit einem Seufzen ging sie zum Stargate. Sie musste wirklich einen Zwischenbericht senden und es war so gut wie jede Entschuldigung, um für eine Weile aus dem Camp zu verschwinden. Der Gedanke an einem Abend gemeinsam mit Tasha, die all über O’Neill sein würde, am Lagerfeuer zu verbringen, war nicht grade etwas, was sie als ein gemütliches Beisammensein bezeichnete. Die beiden zusammen zu sehen war schon schwer genug und es wurde nur noch schlimmer, da sie jetzt wusste, dass der Colonel immer noch Gefühle für sie hatte. Aber was auch immer er fühlen mochte, es war offensichtlich nicht so stark, wie das, was er für Tasha empfand. Und dieser Gedanke lag ihr schwer im Magen und ließ ihr Herz bluten. „Je eher diese Mission vorbei ist“, murmelte sie zu sich selbst, als sie anwählte, „desto besser.“


++++++++

Licht strömte durch den dünnen Stoff des Zeltes, aber Jack konnte so ziemlich überall schlafen und es war nicht das Licht, welches ihn weckte. Stattdessen kam es eher daher, dass ihn jemand an seinem Zeh zog.
„Jack!“, rief ihm eine flüsternde Stimme. „Jack… wach auf.“

Blinzelnd öffnete er seine Augen und stützte sich auf seine Ellbogen. Tasha hockte am Eingang des Zeltes und grinste ihn an. Hinter ihr sah er einen strahlendblauen Himmel. „Wie spät ist es?“, murmelte er

„Früh“, antwortete Tasha. „Komm schon. Keine weiteren Zeitverschwendungen mehr.“

Er schaute neben sich und sah, dass Daniel leise schnarchend unter seinem Schlafsack vergraben lag. Jack setzte sich auf und krabbelte weiter zum Ausgang hin. „Ich dachte, du hasst es vor zehn Uhr aufzustehen“, sagte er gähnend und rieb mit seinen Händen über sein Gesicht.

„Nicht, wenn ich auf einer Expedition bin“, versicherte sie ihm und bot ihm eine Tasse Kaffee an. „Es ist ein wunderschöner Tag dort draußen und nicht einmal Major Carter kann sich über das Wetter beschweren.“

Dankend nahm er einen Schluck und nickte. „Wo ist sie?“, fragte er.

Tashas Lächeln erfror leicht. „Sie schläft noch“, antwortete sie. „Aus irgendeinem Grund war sie noch ziemlich lange wach. Und hat mich um eine ziemlich unchristliche Zeit geweckt, als sie zurückkam.“

„Sie hatte die Spätschicht“, antwortete Jack und war alles andere als mit dem anschuldigenden Ton in Tashas Stimme zufrieden.

„Wie auch immer“, antwortete sie ziemlich desinteressiert. „Aber da sie noch schläft, würdest du bitte den Befehl geben, dass wir unsere Ausrüstungen zusammenpacken sollen, weil ich wirklich nicht auch nur noch eine Sekunden verschwenden will! Die Luft ist so klar und der Himmel so wolkenfrei, dass ich die Ruinen schon praktisch von hier *sehen* kann. Und, Jack, sie sind fantastisch! Es ist sogar noch besser, als die Bilder vom MALP.“

Er lächelte, als er die Begeisterung in ihren Augen sah. „Du bist wie ein kleines Kind an Weihnachten“, sagte er, als er aus seinem Schlafsack kletterte. Die kühle Morgenluft ließ ihn erzittern und er schnappte sich seine Stiefel, die vor dem Zelt standen. „Wer ist schon alles auf?“

„Ferretti und Gibson“, antwortete sie. „Ich habe sie bereits gefragt, ob sie nicht schon mal anfangen, könnten das Camp abzubauen, aber sie sagte nur, dass sie dafür einen ‚Befehl’ bräuchten“, seufzte Tasha. „Du hast ja keine Ahnung, wie frustrierend das ist… Normalerweise bin ich immer diejenige, die Befehle auf Expeditionen gibt!“

Jack nickte, als er aufstand, und zog leicht seine Zehen zusammen, als er in die kalten Stiefel schlüpfte. „Okay“, murmelte er und schielte hinüber zu Gibson und Ferretti, die am Feuer saßen. „Ich werd’ ihnen dann mal Beine machen.“

Tasha stand auf und küsste ihn auf die Wange. „Danke“, flüsterte sie, als ihre Hand über seinen Arm fuhr. „Ich weiß, dass ich ziemlich nerve, aber ich bin so aufgeregt!“

„Wirklich?“, antwortete er mit gespielter Überraschung. „Ist mir gar nicht aufgefallen.“

Tasha grinste. „Komm schon“, antwortete sie und zog ihm zum Feuer. „Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“

++++++++++

Durch reges Treiben vor ihrem Zelt wachte Sam auf und sie schaute müde auf ihre Uhr. Es war fast sieben und sie war überrascht, dass sie so lange geschlafen hatte. Tasha war schon weg, genau wie ihre Ausrüstung. Sam schüttelte ihren Kopf. Wenn diese Frau dachte, dass sie auf eigene Faust in die Berge gehen würde, dann hatte sie sich aber gewaltig geschnitten. Als sie sich aufsetzte, fuhr sich durch ihre Haare – sogar ohne einen Spiegel, wusste sie, dass es nach allen Seiten abstehen mussten. Und dann krabbelte sie aus ihrem Schlafsack. Sie zog den Verschluss des Zeltes auf, aber musste erst einmal überrascht blinzeln, als sie den blauen Himmel sah. So viel dann also zu dem aufziehenden Sturm, von dem sie so überzeugt war. Aber die Luft war kühl und schnell griff sie nach ihrer Jacke, bevor sie sich ihre Stiefel anzog. Der Sturm von letzte Nacht hatte wohl sämtliche Wolken vertrieben, aber trotz des sonnigen Wetters wollte sie noch ein paar Messungen anstellen, bevor die Mission fortgesetzt wurde. Die starken Schwankungen in ihren Ergebnissen hatten sie ziemlich beunruhigt. Sie stand mit umschlungenen Armen auf, um hinaus und die Kälte zu gehen und… Was zum Teufel?! Als sie sich umsah, bemerkte sie, dass ihr Zelt das Einzige war, was noch stand. Alle anderen waren schwer damit beschäftigt ihre Ausrüstungen zusammenzupacken mit den ernsten Absichten schon bald aufzubrechen.

In diesem Moment lief Gibson an ihr vorbei. „Morgen, Major“, rief er. „Wir dachten schon, dass Sie den ganzen Tag schlafen würden.“

Sie griff nach seinem Arm, um ihn aufzuhalten. „Was ist hier los?“, fragte sie.

Er zog eine Augenbraue hoch. „Ma’am?“

„Warum bauen wir das Camp ab?“

„Na ja… schauen wir uns nicht heute Dr. Jacksons Steine an?“

Sam runzelte die Stirn. „Ich habe mich diesbezüglich noch nicht entschieden, Lieutenant. Ich habe nicht den Befehl zum Aufbruch gegeben.“

Gibson sah plötzlich so aus, als ob er sich ziemlich unbehaglich fühlen würde. „Ah, nein, Ma’am“, sagte er und schaute hinüber zu der Stelle, wo O’Neill zusammen mit Daniel und Tasha stand. „Colonel O’Neill hat den Befehl gegeben, Ma’am.“

Sam zwang ziemlich teilnahmslos auszusehen. „Verstehe.“ Und dann nickte sie Gibson zu.

„Machen Sie weiter“, sagte sie und ließ ihn los. Für einen Moment starrte sie O’Neill einfach nur an. Er wusste doch, dass die Erfüllung dieser Mission ihre Verantwortung war, also, was dachte er sich nur dabei, Entscheidungen über ihren Kopf hinweg zu treffen?! Sie dachte, dass er mehr Respekt ihr gegenüber hatte. Aber als sie sah, wie er über etwas lachte, was Tasha gesagt hatte und sie ihm einen liebevollen Schubs gab, welches ihn nur noch mehr zum Lachen brachte, da hatte sie ihre Antwort. Tasha. Natürlich. Zweifelsohne hatte Tasha die ganze Sache ohne ihres Wissen zu O’Neill geschleppt, als Sam ihr letzte Nacht verärgert zu verstehen gab, dass die den Aufbruch möglicherweise ablehnen würde. Und er konnte ihr ja wohl kaum etwas abschlagen! Sie wusste nicht, auf wen sie wütender war, Tasha, weil sie hinter ihrem Rücken gehandelt hatte oder auf den Colonel, weil er so verdammt unprofessionell war.

Mit knirschenden Zähnen versuchte sie die wütenden Worte, die darum bettelten, ausgesprochen zu werden, hinunterzuschlucken und ging dann zu ihnen hinüber. Oh Mann, es gab keine Möglichkeit, wie sie ihm das durchgehen lassen würde!

„Hey, Carter“, rief O’Neill, als er sah, wie sie sich ihnen näherte. „Haben Sie es genossen mal auszuschlafen?“

Sam machte nicht einmal den Versuch ihm freundlich zu antworten, stattdessen knurrte sie ihn an. „Sir, kann ich mal mit ihnen reden? Bitte?“

Der Colonel zog überrascht seine Augenbraue hoch. „Gibt es ein Problem, Major?“

„Ja, Sir“, sagte sie ihm ehrlich.

Seine Überraschung wandelte sich langsam in Sorge. „Okay, raus damit.“

„Unter vier Augen, Sir“, bestand sie darauf und schaute wütend zu Tasha hinüber.

Die Frau hatte immerhin den Anstand verlegen auszusehen und wandte ihren Blick von Sam ab. „Ah, ich werde dann mal zu Ende packen gehen“, entschied sie und drückte noch leicht Jacks Arm, bevor sie ging.

„Sicher“, antwortete er, obwohl er seinen Blick nicht von Sam abwandte. Er sah wirklich entspannt aus, was wirklich erstaunlich war. Wie konnte er sich nicht denken, dass sie verärgert sein würde, wenn er ihre Entscheidungen missachtete?

Daniel räusperte sich. „Ich denke, ich werde mal zum MALP gehen und noch einen Bericht senden“, murmelte er, obwohl Sam wusste, dass seine Neugier geweckt war.

Sie sah zu ihm. „Ich komme nachher zu dir“, sagte sie und er nickte. Er wusste, dass sie ihm nachher die Einzelheiten erzählen würde.
Als Daniel verschwunden war, ging er einen Schritt näher auf sie zu.

„Was ist los?“, flüsterte er. „Alles okay?“

Sam verschränkte ihre Arme vor der Brust und ignorierte seine Sorge. „Warum heben Sie meine Befehle auf, Sir?“

Er riss seine Augen auf. „Was?“

„Sir, General Hammond hat mir die Verantwortung für den Verlauf der Mission übertragen. Wo und wann wir zu den Ruinen aufbrechen, war meine Entscheidung. Und bisher habe ich diese Entscheidung noch nicht getroffen. Warum haben Sie mich überstimmt?“

O’Neill zuckte leicht zusammen und legte eine Hand auf ihre Schulter, als er sie etwas zur Seite schob, sodass die anderen ihre Unterhaltung nicht belauschen konnten. „Verdammt, Carter, ich habe nicht nachgedacht“, murmelte er. „Tasha war so in Eile aufzubrechen und Sie haben noch geschlafen… Ich hab nur…“ Er unterbrach sich selbst und nahm seine Hand von ihrer Schulter. „Es tut mir leid, Sie haben recht. Es war Ihre Entscheidung. Sie hätten den Befehl geben müssen.”

Sam nickte. „Und ich hätte ihn nicht gegeben“, sagte sie, „bis ich noch ein paar weitere Messergebnisse gehabt hätte. Eine Sache, die, wie ich vielleicht hinzufügen darf, Dr. Greene letzte Nacht ziemlich deutlich gemacht habe.“

Der Colonel runzelte die Stirn und schaute weg von ihr. „Haben Sie das?“

„Ja, Sir“, antwortete sie und sie spürte, wie ihre Wut etwas nachließ, als sie seine offensichtliche Reue sah. „Ich weiß, dass es ein wunderschöner Morgen ist, aber ich bin immer noch über die Druckschwankungen von gestern besorgt.“

Er schaute wieder zurück zu ihr. „Ich habe nicht gewusst, dass Sie mit Tasha darüber gesprochen haben“, sagte er leise. „Wenn ich es gewusst hätte, dann hätte ich nie den Befehl zum Aufbruch gegeben. Es tut mir leid, Carter. Ich hätte Sie deshalb fragen sollen… ich…“ Er seufzte: „Ich habe nicht nachgedacht.“

Sam schwieg, ihre Wut war jetzt fast vollkommen abgeflacht. „Schon in Ordnung“, flüsterte sie. „Das Wetter scheint ziemlich gut zu sein. Und ich weiß, dass Dr. Greene einen Zeitplan hat, den sie einhalten muss.“

„Ihr Zeitplan ist nicht das Thema“, versicherte O’Neill ihr. „Die Sicherheit des Teams steht an erster Stelle. Sind Sie wirklich besorgt?“

Sam zuckte mit den Schultern und schaute hinauf in den blauen Himmel. „Ich weiß es nicht. Das könnte das Fenster im Wetter sein, welches wir bräuchten. Vielleicht sollten wir das Beste draus machen?“

„Na ja, es sieht ziemlich ruhig aus“, stimmte der Colonel ihr zu, „aber oben in den Bergen hat das nichts zu bedeuten.“

„Nein“, nickte Sam. „Was ich eigentlich vorschlagen wollte, ist, dass SG-2 Dr. Greene und Daniel natürlich zu den Ruinen führt, während Sie und Teal’c hier unten bleiben. Wenn wirklich noch ein Sturm heraufziehen sollte und wir in Schwierigkeiten geraten, dann könnten Sie eine Such- und Rettungsteam holen.“

O’Neill runzelte die Stirn, während er mit seinem Stiefel über den Boden scharrte. „Ich wäre aber glücklicher, wenn ich mit Ihnen mitkommen könnte“, murmelte er. „Vielleicht könnten wir ja Ferretti und Gibson im Basislager zurücklassen?“

„Sie sind mein Team, Sir“, sagte sie ihm ernst und hielt so lange sein Blick, bis er schließlich nickte und wegsah. Aber sie hatte eine ziemlich genaue Vorstellung, warum er dabei sein wollte und egal, wie sehr es an ihrem Herzen nagte, zwang sie sich professionell zu bleiben. „Ich weiß, dass Sie sich Sorgen um Dr. Greene machen, Colonel, aber ich verspreche Ihnen, ich werde schon auf sie aufpassen.“

Er schenkte ihr ein merkwürdig angespanntes Lächeln. „Natürlich werden Sie das“, flüsterte er, „aber wer wird auf Sie aufpassen, Carter?“ Sie fielen in ein Schweigen und sein Blick traf erneut den ihren. Sie war sich nicht sicher, was sie in den Tiefen seiner Augen sehen konnte. Aber bevor er auch nur irgendwas verriet, schaute er hinunter auf seine Stiefel.

Sam durchbrach schließlich die mehrdeutige Stille. „Ich kann auf mich selbst aufpassen, Sir“, versicherte sie ihm. „Tue ich das nicht immer?“

Er nickte. „Ja, das tun Sie.” Und dann sah er mit einem Seufzen hinauf zu den Bergen. „Na ja, ich schätze, wenn man einen Stein gesehen hat, dann kennt man alle.“

„Ich schicke Ihnen ‘ne Postkarte, Sir“, bot Sam ihm an, als sie gemeinsam zum Camp zurückgingen.

„Die werden dort gemacht?“, fragte er. „Wie sieht’s mit nem T-Shirt aus?“

Sam lächelte. „Ich werde nach einem suchen. L ?“

„XL“, korrigierte er sie und sah sie belustigt lächeln und fügte dann hinzu: „Ich habe trainiert.“

Es war schon erstaunlich, dachte Sam. In der Gegenwart des Colonels konnte ihre Stimmung von total wütend auf komplettes Vergnügen umschlagen. Da gab es etwas an ihm, was Wut nicht wirklich eine Chance gab – eine Ehrlichkeit vielleicht, die verführerisch war. Wenn er mal unrecht hatte, dann sagte er es auch ohne Umschweife, die andere nicht an den Tag legen würden, nur um ihren Stolz zu bewahren. Sie liebte das an ihm. „Na ja“, sagte sie, als sie vor ihrem Zelt stehen blieb, „dann sollten wir das hier für Sie und Teal’c stehen lassen, Sir.“

Er nickte. „Sie haben achtundvierzig Stunden, Carter“, sagte er ihr mit einem weiteren Blick zu den Bergen. „Bleiben Sie in Funkkontakt.“

„Natürlich“, antwortete Sam und schaute über ihre Schulter zum Feuer, wo Daniel stand. Er beobachtete sie neugierig. Sie richtete ihren Blick zurück auf O’Neill. „Sie sollten Daniel aus seinem Elend befreien, Sir“, sagte sie ihm mit einem Lächeln.

Der Colonel schüttelte grinsend mit dem Kopf. „Eines Tages“, sagte er, „da werde ich etwas machen, worüber er wirklich seinen Klatsch verbreiten kann!“

Sie erwiderte das Lächeln. „Ich hoffe, ich werde da sein, um mir das nicht entgehen zu lassen.“

Er antwortete ihr nicht, aber sein langsames Lächeln ließ Sams Magen Purzelbäume schlagen, bis sie hinter ihm Tashas Stimme hörte. „Also, was ist jetzt? Gehen wir oder was?“

O’Neills Gesichtszüge spannten sich an und sein Lächeln verschwand. Für einen Moment sagte er nichts und dann beugte er sich noch einmal zu Sam hin. „Seien Sie vorsichtig dort oben.“

„Ja, Sir“, nickte sie. Er erwiderte die Geste knapp und sah sie mit einem letzten ernsten Blick an, bevor er sich zu Tasha umdrehte.

„Halt deine Ausrüstung bereit“, sagte er ihr, als er sich von Sam entfernte. „Die Steinchen gehören ganz euch.“


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Die Aussicht war fantastisch. Tasha stand auf einem kleinen felsigen Vorsprung und schaute hinunter auf den Plaza, wo das Stargate stand. Trotz der kristallklaren Luft konnte sie das Stargate aus ihrer Entfernung kaum ausmachen. Sie atmete einmal tief ein und genoss das Gefühl, welches die kalte Luft in ihren Lungen auslöste. Es war perfekt. Na ja, fast perfekt. Wenn Jack bei ihr wäre, anstatt dort unten am Tor herumzusitzen, dann wäre es perfekt gewesen. Aber die kleine Miss 'Ich mache mir um alles Sorgen’-Major Carter hatte darauf bestanden, dass er mit Teal’c für den Fall, dass es Schwierigkeiten gab, zurückbleiben sollte.

Sie seufzte und schaute über ihre Schulter, als sie sah, wie der Rest des Teams den steilen Abhang hoch geklettert kam. Sie war ihnen vorgelaufen und hatte die Beharrlichkeit des Majors, dass sie alle zusammenbleiben sollte, ignoriert. Dafür hatte sie keine Geduld. Die Ruinen waren nah, sie waren schon fast da. Sie konnte bereits die Geschichte in den Steinen riechen und niemand würde sie zurückhalten. Eine plötzliche Brise erfasste sie und ließ ein paar Strähnen aus ihrem Zopf flattern. Tasha schob sie hinter ihre Ohren, als sie den Vorsprung hinunterkletterte, um dort auf den Major und ihr Team zu warten. Die Ruinen, dachte sie, befanden sich wahrscheinlich hinter dem nächsten Hügel, wo sie genau richtig am Auslauf des Berges lagen. Und durch den Wind konnte sie das unmissverständliche Geräusch von fließendem Wasser hören – hier irgendwo in der Nähe musste sich ein Fluss befinden. Eine der Dinge, die das MALP nicht angezeigt hatte.

Natürlich war es Carter, die als Erste auf sie zukam und ihre Gesichtszüge waren hart und missbilligend. „Dr. Greene“, rief sie und Tasha musste feststellen, dass sie durch das Klettern nicht einmal aus der Puste war. „Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt. Niemand entfernt sich von der Gruppe!“

Tasha lächelte. „Entspannen Sie sich“, sagte sie ihr. „Ist doch nichts passiert.“

Carter schüttelte den Kopf. „Das ist nicht der Punkt“, antwortete sie und verlagerte das Gewicht ihres Rucksacks auf ihrem Rücken. „Etwas hätte aber passieren können.“

„Ich kann auf mich selbst aufpassen“, versicherte Tasha ihr und war mehr als nur ein wenig über die junge Frau verärgert. „Sie waren wahrscheinlich noch in der High School, als ich schon auf meiner ersten Expedition war, Major. Ich weiß, was ich tue.“

Carter blieb davon unbeeindruckt. „Solange Sie hier sind“, sagte sie ernst, „sind Sie meine Angelegenheit. General Hammond hat das mehr als deutlich gemacht. Genau wie Colonel O’Neill.“

Jack? Ein Lächeln zeichnete sich auf Tashas Lippen auf. „Jack hat das gesagt?“, fragte sie. „Dass Sie für mich verantwortlich sind?“

„Ja“, kam die knappe Antwort, als Carter sich die Aussicht betrachtete, die Tasha vor wenigen Sekunden noch so bewundert hatte.

Tashas Grinsen wurde größer und sie konnte nicht anders, als einen kindischen Triumph in ihrem Inneren spüren, als sie Carters ausdrucksloses Gesicht betrachtete. Man musste kein Genie sein, um zu erkennen, dass diese Frau Gefühle für Jack hatte. Und das hier, vermutete Tasha, brachte sie fast um. „Das ist süß“, sagte sie, während sie Carter noch weiterhin eingehender betrachtete.

Aber der Major war so teilnahmslos wie der Berg. „Kann sein.“

„Er ist sehr beschützend“, fuhr Tasha fort. „Ich habe das vorher schon bemerkt. Er beschwert sich immer, dass ich während des Autofahrens telefoniere. Er ist sehr besorgt.“

Carter wandte ihren Blick nicht ab, und da ihre Augen hinter einer dunklen Sonnenbrille versteckt waren, wusste Tasha nicht, was sie grade dachte. Sie antwortete nicht sofort, aber als sie es tat, war ihre Stimme nachdenklicher, als Tasha es erwartet hatte. „Er hat in seinen Leben bereits viele Menschen verloren“, flüsterte sie. „Das würde jeden beschützend gegenüber den Menschen machen… denen einen etwas bedeuten.“

Tasha nickte jetzt neugierig. „Ich weiß von seiner Frau“, sagte sie ebenso leise. „Aber gab es danach noch eine Person, die wichtig für ihn war? Nach Sara, meine ich.“

„Ich, ähm“, antwortete Carter mit einem Stirnrunzeln. „Ich weiß nicht wirklich… Eine vielleicht… eine Frau namens Laira. Ich glaube, sie waren für ein paar Monate zusammen.“

Laira? Jack hatte diesen Namen nie erwähnt. „Arbeitet sie im SGC?“, fragte sie Carter neugierig und ein wenig verärgert darüber, dass der Major mehr über das Privatleben von Jack wusste, als sie es tat.

„Nein“, war die knappe Antwort. „Sie lebte auf einen anderen Planeten. Der Colonel saß dort für drei Monate fest. Er dachte, dass er nie wieder nach Hause zurückkehren würde.“

Tasha zog ihre Augenbrauen hoch. Er hatte ihr nie davon erzählt! Sie begann sich langsam zu fragen, wie viel sie noch nicht wusste. „Wie war sie?“, fragte sie brüsk.

„Laira?“, fragte Carter und drehte sich zu ihr um. Tasha nickte und Carter zuckte nur leicht mit den Schultern. „Stark“, sagte sie nach einem Moment. „Ziemlich feminin, auf eine pflegende Art und Weise. Ich kannte sie nicht wirklich, aber so schien sie gewesen zu sein.“

„War er glücklich mit ihr?“, drängelte Tasha weiter. „Warum hat er sie verlassen?“

Carters Stirnrunzeln vertiefte sich. „Da müssen Sie schon Colonel O’Neill fragen“, antwortete sie und der kurze Moment der Offenheit war verschwunden. „Er hat nie mit mir darüber gesprochen.“ Das kam Tasha irgendwie komisch vor. Wenn sie an die offensichtliche Nähe ihrer Beziehung dachte, aber gerade, als sie ihren Mund öffnete, um etwas zu erwidern, traf der Rest der Gruppe ein.

„Berge“, seufzte Daniel, als er stehen blieb und tief einatmete. „Wir müssten eigentlich bald da sein.“

„Hinter der nächsten Steigung“, sagte Tasha und ging ein paar Schritte auf ihn zu. Sie war froh, dass wenigstens einer in dieser Gruppe ihre Begeisterung für diese Entdeckung teilte. „Stimmen Sie dem zu, Major?“, fragte sie und drehte sich zurück zu Carter um.

Aber Carters Aufmerksamkeit war auf den Himmel gerichtet, wo ein paar Quellwolken über sie hinweg zogen und sie hörte ihnen nicht zu. Und dann begann ihr Funkgerät zu knistern. „Carter, hören Sie mich?“ Es war Jack.

„Carter, hier“, kam augenblicklich die Antwort des Majors.

Ein weiteres Rauschen. „Und schon irgendwelche Postkarten gefunden?“

Carter lächelte. „Noch nicht, Sir. Wir glauben, dass wir noch ein paar Stunden brauchen werden, bevor wir auf der anderen Seite sind, Sir.“

„Verstanden. Wie ist das Wetter?”

Carter schaute hinauf zum Himmel. „Im Moment okay. Und bei Ihnen, alles in Ordnung, Sir?“

„Schick“, war die Antwort. „Ich arbeite an meiner Bräune.“

Ein plötzliches Grinsen breitete sich auf Carters Lippen aus und erhellte ihr ganzes Gesicht. „Da bin ich ja froh, dass Sie etwas Wichtiges machen, Sir.“

Es herrschte ein kurzes Schweigen, bevor er sich mit ernsterer Stimme wieder meldete. „Melden Sie sich, wenn Sie die Seite erreicht haben oder von jetzt an alle zwei Stunden, Carter.“

„Verstanden, Sir“, antwortete sie jetzt genauso ernst, wie er. „Carter, Ende.“

„Wisst ihr“, grummelte Ferretti hinter Daniel, „wenn ich eines Tages mal Colonel bin, dann fange ich auch damit an. Den ganzen Tag einfach nur auf meinen Hintern herumsitzen, mich bräunen und den anderen beim Arbeiten zusehen.“

„Der Tag, an dem Sie Colonel werden“, sagte Carter ihm, als sie sich zum Weitergehen bereit machte, „wird so kalt sein, dass Sie nie braun werden.“

Gibson schnaubte und Ferretti brummte noch etwas, aber sie folgten ihr ohne Widerworte, als sie vorne wegging und Tasha und Daniel das Schlusslicht bildeten. „Wissen Sie“, flüsterte sie, als sie nebeneinander hergingen, „ich verstehe nicht, wie Sie es aushalten mit dem Militär zu arbeiten.“

Daniel schielte sie von der Seite aus an. „Na ja, es dauert eine Weile, bis man sich dran gewöhnt“, gab er zu. „Und Jack und ich habe immer noch unsere grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten bezüglich gewisser Dinge… aber“, Er zuckte mit den Schultern, „ich respektiere sie. Für was sie stehen und wie sie ihre Arbeit machen. Es ist einfach von den Elfenbeinturm der Akademie die Welt in Schwarz und weiß zu sehen.“

Tasha schüttelte den Kopf. „Also ziehen sie diese mutige Realität vor?“, fragte sie. „Wo jeder Teil deines Lebens an dämlichen Vorschriften gebunden ist? Und wo Wissenschaft und kulturelle Wichtigkeiten nur an zweiter Stelle stehen?“

Daniel lachte leicht. „Lassen Sie mich nicht damit anfangen“, warnte er sie. „Aber alles im allen… ja… ich mag es hier. Ich mag diese Leute – sogar mit ihren Vorschriften. Sie haben einen harten Job und sie machen ihn gut. Das sollten Sie nie vergessen.“

In seiner Stimme schwang eine Warnung mit, die Tasha sagte, dass sie dieses Thema nicht wieder ansprechen sollte. Aber er hatte ihre Vorstellungen nicht geändert. Sie war noch nie jemand gewesen, die so einfach Regeln befolgte, nur weil es Regeln waren. Und sie würde jetzt bestimmt nicht damit anfangen.

+++++++++

Teal’c saß ruhig und ungezwungen auf dem Boden. Neben ihm lag O’Neill mit geschlossenen Augen auf seinen Rücken in der Sonne. Auch wenn Teal’c wusste, dass dieser Mann nicht schlief. Er konnte eine leichte Anspannung in seinem Gesicht sehen, als er sich ausruhte, die in ihm eine Unruhe verrieten, die O’Neill ohne Zweifel wünschte besser verbergen zu können.

Teal’c jedoch verstand sein Unbehagen und teilte es. Beide Männer taten lieber etwas, als nur zu warten. Das war sowohl die Natur des Kriegers in ihnen als auch das, was sie ausmachten. Teal’cs Training mag ihm vielleicht die äußere Erscheinung vermittelt haben, dass er teilnahmslos wirkte, aber das hatte nicht seinen Drang nach Aktion betrübt. Und als ein weiteres Mal sein Blick zu den Bergen abschweifte, kam er nicht darum sich zu wünschen, lieber dort oben bei Daniel Jackson und Major Carter zu sein, als hier unten zu warten.
„Weißt du, dadurch laufen sie auch nicht schneller“, sagte O’Neill schließlich mit immer noch geschlossen Augen.

„Was läst sie nicht schneller laufen?“, fragte Teal’c mit einem Blick auf seinem Freund.

„Wenn du die ganze Zeit auf den Berg starrst.“

Teal’c lächelte fast – vielleicht war sein Training doch nicht so erfolgreich gewesen, wie er angenommen hatte. Oder O’Neill war vielleicht ein ganz besonders kluger Beobachter. Er vermutete eher das Letztere. „Du hast recht“, antwortete er und trotzdem wanderte sein Blick wieder zurück zu den Bergen.

O’Neill gähnte. „Möchtest du Karten spielen oder so?“, fragte er, als er seine Augen öffnete. „Da Carter ja jetzt nicht hier ist, können wir ja die mit den nackten Frauen auf dem Deckblatt benutzen…“

Teal’c zog eine Augenbraue hoch. „Wenn ich mich richtig erinnere, dann war es Daniel Jackson, der sich vehement gegen diese Karten ausgesprochen hat.“

„Ja“, nickte O’Neill und setzte sich auf. „Aber er ist ja auch nicht hier. Also, willst du spielen? Kannst ja versuchen etwas von dem Geld zurück zu gewinnen, welches du mir noch schuldest.“

„Ich werde spielen“, entschied sich Teal’c, „jedoch bist du es, der mit Geld schuldet, O’Neill.“

Der Colonel sah ihn überrascht an. „Echt? Ganz sicher?“

„Fünf Dollar und neununddreißig Cent und ein Happy Meal.“

„Ein Happy Meal?“

„Auf P5X-925 hattest du kein Geld mehr.“

O’Neill nickte langsam. „Richt, genau. Kommt alles wieder.“ Dann griff er mit einem Grinsen in seine Tasche und zog die Karten heraus. „Also, was soll’s sein? Poker? Black Jack?”

„Poker“, entschied Teal’c.

O’Neill nickte, als er die Karten mischte und dann wieder zu grinsen begann. „Wirst die Karten lieben.“

„Daniel Jackson glaubt, dass sie ausbeuterisch wären“, erinnerte ihn Teal’c.

„Ja, na ja, das ist Daniel“, antwortete er, als er mit dem Austeilen begann. „Er ist ein Streber.“

„Ich glaube, dass Dr. Greene und Major Carter ihm zustimmen würden.“
O’Neill sah mit einem Hauch von Schuld zu ihm auf. „Und wann bist du zum Moralapostel geworden, Teal’c?“

„Moralapostel?“

O’Neill schüttelte den Kopf. „Vergiss’s, spiel einfach. Komm schon, ich will mein Geld wieder zurückgewinnen.“

Teal’c unterdrückte ein Lächeln, als er O’Neills Unbehagen sah und seine Karten an sich nahm. 'Tu, was du tun musst, um deinen Gegenspieler aus dem Gleichgewicht zu bringen’. Das war eine seiner ersten Lektion in der Kunst der Kriegsführung gewesen, und als er hinüber zu O’Neill schaute und seinen leicht schuldigen Ausdruck sah, da wusste er, dass er sich um seinen Gewinn keine Sorgen machen musste. „Ich steige mit einem Dollar ein“, sagte er. O’Neills Stirnrunzeln vertiefte sich.


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Fantastisch beschrieb noch nicht einmal annähernd die Aussicht, die sich Sam bot, als sie am Rande einer großen Schlucht stand, die den Berg in zwei Teile teilte. Gegenüber von ihnen floss Wasser in den Fluss unter ihnen. In dem aufwirbelnden Sprühregen funkelte die Sonne in Regenbogenfarben. Der Sprühregen vom Wasserfall war wie Nebel in der Luft und Sam spürte einzelne Tropfen kalt auf ihrer Haut, als sie das Schauspiel vor sich bestaunte. In der Mitte der Schlucht befand sich eine kleine Insel aus Stein, die mitten in der Fontäne stand. Die hellen Steine gruben sich in das ein, was Sam höchstwahrscheinlich als Wohnstätten und Türme erkennen konnte. Inmitten der Regenbogenspiegelungen erinnerte es sie an eine Landschaft entsprungen aus einem Märchenbuch.

 

„Oh mein…“, hauchte Tasha neben ihr und brach in Begeisterung aus. „Das ist unglaublich!“

„So was habe ich noch nie gesehen“, flüsterte Daniel ebenso ehrfürchtig.

„Wow“, stimmte ihnen Sam zu.

Etwas unterhalb des Gefälles, auf welchem sie standen, sahen sich Ferretti und Gibson um. „Hey, Major!“, rief Gibson und sie riss ihren Blick etwas widerwillig von der Aussicht. „Sehen Sie mal, 'ne Brücke.“

Augenblicklich sprang Tasha auf. „Wo?“, fragte sie und kletterte den Abhang zu ihnen hinunter.

Sam rührte sich jedoch nicht sofort und versuchte durch die Regenschwaden hindurchzusehen, bis sie einen schmalen Übergang gleich in der Nähe von Gibson ausmachen konnte. „Dort“, sagte sie und hob ihre Hand. „Siehst du?“

Daniel zwinkerte ein paar Mal, bevor er nickte. „Sieht ziemlich schmal aus.“

„Ja“, stimmte sie ihm zu. „Ziemlich erstaunlich, dass etwas so Instabiles so langen stehen kann. Was glaubst du, wie alt dieser Ort hier ist?“

Daniel zuckte mit den Schultern, als er ebenfalls zu Tasha und den anderen ging. Sam folgte ihm. „Wahrscheinlich drei oder viertausend Jahre“, sagte er ihr. „Mindestens. Aber wir haben keine Ahnung, seit wann es hier keine Zivilisation mehr gibt. Also könnten Teile auch neuer sein. Kommt drauf an, wie lange sie gebaut haben.“

Als sie bei den anderen ankamen, war Tasha bereits voll in ihrem Element. „Hören Sie“, sagte sie zu Ferretti, „ich weiß, dass sie alt ist, aber es ist der einzige Weg in die Stadt und wenn Sie nicht bereit sind, das Risiko einzugehen, ich bin’s.“

Ferretti sah alles andere als geduldig aus. „Sehen Sie, Doktor“, erwiderte er ungestüm. „Wir haben keine Ahnung, wie stabil dieses Ding ist. Es könnte in dem Moment zusammenbrechen, in dem sie auch nur ein Fuß darauf setzen.“

Sam seufzte, als sie Tashas Sturheit sah und griff schnell ein. „Ferretti hat recht. Bevor wir da rüber gehen, sollten wir uns vergewissern, dass es sicher ist.“

„Oh, ich wusste, dass Sie das sagen würden!“, schnappte Tasha und wirbelte zu Sam herum. „Unsere kleine Miss 'Ich mache mir um alles Sorgen’! Was ist eigentlich los mit euch Leuten? Könnt ihr nicht die Bedeutung von dessen verstehen, was wir hier gefunden haben?“

Miss 'Ich mache mir um alles Sorgen?! Es kostete ihre gesamte professionelle Kraft darauf nicht zu antworten, aber stattdessen sprach Sam mit ruhiger und leiser Stimme. „Natürlich verstehe ich das, Dr. Greene. Aber wir haben keine Ahnung, wie sicher diese Brücke ist und bis wir das nicht wissen, wird niemand – und ich meine niemand – auch nur einen Fuß darauf setzen. Verstanden?“

Tasha schüttelte ihren Kopf. „Nein, ich verstehe nicht.” Sie drehte sich zu Daniel um. „Diese Brücke steht da bereits seit Tausenden von Jahren. Sie wissen genauso gut wie ich, dass sie stabiler sein muss, weil sie sonst nicht mehr dort hängen würde.“

Daniel zuckte mit den Schultern und war offensichtlich nicht sehr erfreut darüber, dass er in diesen Streit mit hineingezogen wurde. „Da haben Sie vermutlich Recht, Tasha“, sagte er zu Sams Verärgerung. „Aber Sam hat auch einen Punkt. Wir müssen uns erst sicher sein, bevor wir darüber gehen. Das ist nur vernünftig. Es gibt kein Grund unnötige Risiken einzugehen.“

„Huh“, murmelte Tasha und starrte Sam an. „Ich hatte ja keine Ahnung, dass das Militär so feige ist.“ Und damit ging sie zu dem Platz zurück, wo sie ihre Ausrüstung abgelegt hatten.

Sam schaute unglücklich zu Daniel hinüber, der nur seine Augenbrauen hochzog. „Jack hat gesagt, dass sie sehr 'offen’ mit ihren Gefühlen ist“, erinnert er sie.

Gibson rührte sich verärgert. „Wenn dieses Miststück mich noch einmal einen Feigling nennt, dann…“

„Hey!“, unterbrach Sam ihn scharf. „Passen Sie auf, was Sie sagen, Lieutenant.“ Sie nickte zurück zu ihrem provisorischen Camp. „Dreißig Minuten Pause, um etwas zu essen und dann werden wir uns die Brücke ansehen. Und behalten Sie Ihre Meinungen für sich. Verstanden?“

Die gebrummten Antworten von Gibson und Ferretti waren alles, was sie von ihnen erwarten konnte, als sie zu Tasha gingen. „Weißt du“, sagte sie Daniel, als sie sich auf den Weg in dieselbe Richtung machten, „vielleicht lasse ich sie einfach diese Brücke überqueren und schaue dann, was passiert.“

Daniel lachte dunkel auf. „Ich denke nicht, dass Hammond sehr erfreut darüber sein wird, wenn sie unten im Fluss landen würde.“ Und etwas leiser fügte er hinzu: „Genauso wenig wie Jack.“

Sam seufzte. „Nein“, murmelte sie, „das wäre er nicht.“


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Jack begutachtete seine Karten – ein Straight Flush. Nicht schlecht. Aber Teal’c beherrschte die Kunst des Pokergesichts wirklich perfekt, sodass er nicht sagen konnte, was er für Karten hatte. Ihre Blicke trafen sich einem Moment, ruhig und angespannt. Und da Jack noch nie auf Nummer sicher gegangen war, sagte er: „Ich will sehen und erhöhe um drei.“ Was soll’s. Es ist ja nur Geld.

Aber zu seiner Überraschung sah er plötzlich, wie sich etwas in Teal’cs teilnahmslosen Gesicht veränderte und sich eine kleine Falte auf seiner Stirn abzeichnete. Für einen kurzen Augenblick verspürte Jack so etwas wie einen Triumph, dass er gewonnen haben könnte, bis er erkannte, dass es nichts mit dem Spiel zutun hatte. Die Augen des Mannes waren auf etwas hinter ihm gerichtet und so etwas wie Furcht lief ihm den Rücken hinunter, als er den besorgten Ausdruck seines Freundes sah. „Was?“

Teal’c stand auf und schirmte seine Augen ab, als er zu den Bergen schaute – oder um es genauer zu sagen, in den Himmel über den Bergen. „Sieh“, sagte er und zeigte mit seiner anderen Hand in die Richtung.

O’Neill krabbelte schnell auf seine Füße und das Spiel war vergessen. „Was zum Teufel…?“, hauchte er, als er sich umdrehte und sah, wie hinter den Bergen ein ganzer Haufen mit tintenschwarzen Wolken aufzog. Die rollenden Wolken waren schon fast dunkelschwarz und breiteten sich hinter dem Berg aus. Jack konnte einen Blitz inmitten des Haufens ausmachen und aus der Ferne hörte er den Donner grollen. „Scheiße“, fluchte er.

„Major Carters Team wird dem schutzlos ausgeliefert sein“, sagte Teal’c und fasste Jacks eigene Angst in Worte.

Er nickte. „Carter wird wissen, was zutun ist“, beharrte er und legte wie immer sein Vertrauen in ihre Hände. Aber trotzdem griff er augenblicklich nach seinem Funkgerät. „Carter, kommen.“ Keine Antwort und er spürte, wie sich Angst in ihm ausbreitete. Er versuchte es erneut. „Carter, melden Sie sich.“

Wieder bekam er keine sofortige Antwort, als er plötzlich ein Rauschen hörte und mitten darin Carters Stimme schwach ausmachen konnte. „….sind jetzt auf der Seite… gibt es ein Problem?“

Jack runzelte erleichtert darüber ihre Stimme zu hören, aber auch besorgt um ihre gefährliche Situation seine Stirn. „Carter, da kommt ein gewaltiger Haufen mit Gewitterwolken auf Sie zu. Können Sie es sehen? Ende.“

Nach einem weiteren statischen Rauschen erklang wieder Carters schwache Stimme. „…kann es nicht sehen, Sir… versuche einen günstigen Aussichtspunkt…Welche Richtung? Ende.“

„Süd – süd- west vom Tor. Carter“, antwortete O’Neill hastig. „Aber Sie brauchen es sich nicht anzusehen. Vertrauen Sie mir einfach. Es ist da. Holen Sie Ihr Team von dem Berg. Ende.”

Lange antwortete sie nicht, bevor das Funkgerät erneut zu knistern begann. Carters Stimme ging unter dem ganzen Rauschen fast vollkommen unter. „Wiederholen Sie das… habe Schwierigkeiten… zu erhalten… Wahrscheinlich elektro… Behinderungen… Werde versuchen zu…“ Jetzt war ihre Stimme ganz unter dem Rauschen verschwunden.

Über ihnen begannen die Wolken sich mit einer beängstigenden Geschwindigkeit zu bewegen, begleitet von Blitz und Donner und Jacks anfängliches Unbehagen verwandelte sich in Panik. „Carter“, schrie er in das Funkgerät. „Ich wiederhole: Holen Sie Ihr Team von diesem Berg. Haben Sie das verstanden?“

Diesmal bekam er überhaupt keine Antwort. Nicht einmal ein Rauschen, nur Stille. Er hatte sie verloren. „Gottverdammt noch mal!“, fluchte er, als er erneut zu der Sturmfront aufsah. Die Wolken kamen aus dem Nichts, ihr dunkles, brodelndes Gesicht wirkte merkwürdig unpassend im strahlenden Schein der Sonne, die noch nicht von den Wolken bedeckt war. Ein kühler Wind fegte durch sein Haar und neben sich sah er, wie Teal’c leicht erschauderte.

„Komm schon, Carter“, murmelte er. „Sie können diese Mistkerle von diesem Berg hinunterprügeln.“

Teal’c antwortete ihm nicht, sondern wandte seinen Blick zurück zu dem Berg. Und wartete.


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Sam runzelte die Stirn, als sie fast ihren Hals verrenkte und in den blauen Himmel über ihr schaute. Süd – süd- west vom Tor? Das war so ziemlich hinter den Bergen, also war ihre Sicht versperrt. Sie hatte die Dringlichkeit aus der Stimme des Colonels gehört und sie vertraute ihm blind. Sie griff wieder nach ihrem Funkgerät.

„Colonel, melden Sie sich“, sagte sie und ließ den Knopf los. Sie wartete, aber sie bekam keine Antwort. „Verdammt“, fluchte sie leise.

Neben ihr kaute Daniel mit zusammengezogenen Augenbrauen auf seinem Essen herum. „Ich schätze wir sollten einen Unterschlupf suchen“, sagte er, als er ebenfalls hinauf in den Himmel schaute.

„Ja“, stimmte ihm Sam zu. „Ich wünschte jedoch, dass ich seine letzte Nachricht noch verstanden hätte. Ich weiß nicht, was seine Befehle waren.“

Daniel zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich, dass wir uns einen Unterschlupf suchen sollten.“

Er hatte wahrscheinlich recht, aber wenn das Gewitter wirklich so schlimm ist, wer er sagte, dann sollten sie vermutlich lieber von diesem Berg verschwinden. Hier oben in der kargen, felsigen Gegend gab es keinen Unterschlupf und sie wusste, wie schnell die Temperatur in den Bergen fallen konnte. Sie sah sich um und sah, wie Gibson und Ferretti leise miteinander redeten und nebenbei Tasha, die abseits von allen saß, wütende Blicke zuwarfen. Tasha war umgeben von ihrer Wut und aß ziemlich langsam. Sam seufzte bei dem Gedanken daran dieser Frau zu befehlen den Berg wieder runter zu gehen – nicht, dass sie irgendwelche Skrupel davor hätte, aber das Letzte, was sie wollte, war ein weiterer Streit mit ihr. Sie mochte sie vielleicht nicht, aber sie war dem Colonel immer noch wichtig und Sam wollte keinen Keil zwischen sich und Jack treiben.

Sie brauchte eine bessere Vorstellung von der Ernsthaftigkeit des Gewitters. Wenn es gefährlich war, dann würde sie den Berg verlassen, wenn es nur so aussah, als ob sie nass werden würden, dann mussten sie da durch. Sie stand auf. „Ich werde mal versuchen einen Blick auf die Sturmfront zu werfen“, sagte sie Daniel.

Mit vollem Mund nickte er. Aber Sams Worte erweckten Tashas Aufmerksamkeit, welche ebenfalls aufstand. „Major Carter“, sagte sie und ging auf Sam zu. „Ich muss mal, ähm…“ Sie runzelte ihre Stirn. „Ich muss mal eben die Damentoilette benutzen.“

Sam unterdrückte das Grinsen, welches ihr auf den Lippen lag. Damentoilette? „Oh“, antwortete sie und war sich nicht wirklich sicher, was diese Frau jetzt deswegen von ihr erwartete.

„Ich werde dort hingehen“, sagte sie und deutete auf die Schlucht. „Könnten Sie vielleicht sichergehen, dass Ihre Männer hier bleiben?“

„Natürlich“, antwortete Sam mit einem ernsten Nicken. Und dann rief sie mit lauter Stimme. „Ferretti, Gibson! Augen nach vorn! Dr. Greene muss mal pinkeln.”

Tasha sah sie mit aufgerissenen Augen und gerötete Wangen an. Sam fühlte sich nur geringfügig schuldig. „Danke“, sagte Tasha steif, als sie sich von dem Camp entfernte.

Sam beobachtete sie noch mit einem Kopfschütteln und vernahm ein Kichern von Gibson und Ferretti, als Tasha an ihnen vorbeiging. „Packt eure Sachen, Jungs“, sagte sie ihnen und unterbrach ihr Gelächter. „Ein Gewitter kommt auf uns zu. Entweder bleiben wir hier und müssen uns irgendwie schützen oder wir müssen schnell aufbrechen.“

„Ja, Ma’am“, antworteten sie im Einklang. Tasha sagte nichts, als sie bei der Schlucht verschwand.

„Wird nicht lange dauern“, versicherte sie Daniel, als sie in die andere Richtung ging. Sie konnte einen kleinen Felsvorsprung ganz in der Nähe ausmachen und hoffte, dass sie von dort aus den Sturm sehen konnte, damit sie über den weiteren Verlauf der Mission eine Entscheidung treffen konnte.

Noch während sie ihren Weg fortsetzte, wurde der Wind immer stärker und ließen einzelne Haarsträhnen in ihr Gesicht flattern. Aufgrund der Kälte war sie gezwungen den Reisverschluss ihrer Jacke noch weiter hochzuziehen. Gar kein Zweifel, das war die Vorhut des Gewitters. Das verhieß nie etwas Gutes, wenn sie auf dem Berg bleiben wollten. Der felsige Aufschluss war eng und Sam krabbelte darüber. Der Wind war an dieser Stelle stärker und sie musste ihre Hände nahe der Felsen halten, da sie sich nicht vorstellen wollte, was passieren könnte, wenn sie das Gleichgewicht verlor. Vorsichtig kroch sie weiter bis zum Ende und drehte sich dann um, um nach oben zu sehen. Ihr Herz sank ihr bis in die Zehen.

„Scheiße!“, zischte sie, als sie die pechschwarzen Wolken hinter dem Berg sah. Seine Oberfläche wurde noch immer in Sonnenschein getaucht und es war verdammt hell gegen das aufziehende, dunkle Gewitter. Aber das war kein gewöhnliches Gewitter. Das wusste Sam sofort. Sie hatte noch nie so wütende und gefährliche Wolken gesehen – sie sahen aus, wie ein Hammer, der wie ein Amboss gegen den Berg schlagen würde. Nur Gott alleine wusste, wie schlimm das Gewitter sein würde, aber von dem kalten, heftigen Wind, der über ihr fegte, wusste Sam, dass es schlimm werden würde. Wenn sie nicht bald von diesem Berg verschwanden, hatten sie keine Chance.

Trotz des Windes rannte Sam fast den Weg wieder zurück und sprintete die letzten Schritte zum Camp. Sie hatten absolut keine Zeit zu verlieren, wenn sie vor dem Gewitter von ihr verschwunden sein wollten. „Daniel!“, schrie sie, als sie ins Camp rannte. „Gibson, Ferretti, wir brechen auf! Sofort!”

„Was ist los?“, fragte Daniel dringend, als er sich seinen Rucksack auf den Rücken schwang und hinauf in Himmel sah. Er war noch immer blau, obwohl man einen minimalen Teil der Wolken am Rande des Berges erkennen konnte. „Schlimm?“

„So etwas habe ich noch nie gesehen“, sagte sie ihm, als sie sich ihren eigenen Rucksack schnappte. „Wir müssen sofort von hier verschwinden.“ Sie schaute sich um. Sie sah Gibson und Ferretti, wie sie ihre Ausrüstung sicherten und…

„Wo ist Tasha?“, schrie sie.

Daniel runzelte mit der Stirn. „Ah… sie ist nicht zurückgekommen.“

„Was?“ Sam schaute hinunter auf ihre Uhr. „Das war vor ner halben Stunde!“

Daniel zuckte leicht zusammen. „Vielleicht hätte ich hier folgen sollen…?“

„Es ist nicht deine Schuld“, murmelte Sam, als sie nach ihrem Funkgerät griff. „Dr. Greene, kommen.“

Sie hörte nichts als Stille. „Verdammt!“, fluchte sie und schaute wieder hoch in den Himmel. Die Wolken kamen jetzt immer näher, die Spitze des Berges war mitten im schwarzen Nebel verschwunden. Das Gewitter kam schneller als erwartet, gerade als das Grollen des Donners die Luft erfasste und sie spürte, wie große Regentropfen auf ihr Gesicht prasselten. Sie spielte schon halb mit dem Gedanken Ferretti, Gibson und Daniel zu befehlen den Berg zu verlassen, während sie nach Tasha suchen und sie an ihren Haaren zurückschleifen würde, aber sie wusste, dass sie alle eine bessere Chance hatten, wenn sie zusammenblieben. „Teilt euch auf“, befahl sie, „aber bleibt in gegenseitiger Sichtweite. Wenn ihr die Sicht verlieren solltet, dann bleibt stehen. Sie kann nicht weit sein.“

Damit machten sie sich im Angesicht mit einem starken Gewitter und einem heftigen Regen auf die Suche nach Tasha. Sam knirschte mit ihren Zähnen, als sie das Gefühl der Panik unterdrückte. Es war nur ein Gewitter, erinnerte sie sich selbst. Wie schlimm konnte es schon werden…?
Und dann durchbrach ein erschreckender Schrei die Luft, der ungehindert an den Felswänden abprallte und Sam wie eine Salzsäule erstarren ließ. Tasha.


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„Carter, melden Sie sich“, versuchte Jack erneut Sam zu erreichen, als er dem Wind den Rücken zugedreht hatte und das Funkgerät so gut es ging, schützte. Er spitze seine Ohren, um durch den Wind und den eisigen Regen etwas zu hören, aber er bekam keine Antwort. Nichts. Es war bereits eine Stunde vergangen und er hatte noch immer nichts von ihnen gehört.

Sämtliche Spitzen der Berge waren jetzt verschwunden in schwarzen Wolken und die Sonne wurde schon vor einer Weile von ihnen verschluckt. Er und Teal’c hatten sich eine Weile in ihrem Zelt zurückgezogen, aber der Wind war zu stark, dass Jack wusste, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, wann es weggeflogen wäre. Also waren sie wieder hinausgekrochen und hatten es abgebaut. Und jetzt versuchten sie bei den Bäumen Schutz zu finden, sie nahmen jeden Unterschlupf, der sich ihnen gegen den Regen und dem eisigen Wind Schutz bot. Nur Gott alleine wusste, wie schlimm es oben in den Bergen sein musste. Jack fühlte sich elend. Er hoffte, dass es Tasha gut ging. Trotz ihrer mehrfachen Versicherungen, dass sie bereits einige Erfahrungen auf Expeditionen gesammelt hatte, wusste er, dass sie nicht so stark war, wie Carter, Daniel oder die anderen aus dem Team. Sie hatte immer noch Carter, die auf sie aufpassen würde, versicherte er sich selbst. Es gab niemand, der besser dafür infrage kommen würde, als Carter. Natürlich, dachte Jack bitter, wenn Tasha Carter an diesem Morgen nicht einfach übergangen hätte, dann wären sie erst gar nicht in die Berge gegangen.

„Verdammt“, murmelte er, als er sich an ihre Unterhaltung vom Morgen zurückerinnerte und ihre Wut, weil er sie einfach übergangen hatte. Gott, dafür wird er bestimmt einen Monat vor ihr zu Kreuze kriechen müssen!

Eine weitere Windböe erfasste ihn und er musste seine Kappe festhalten, damit sie nicht wegflog. Er zitterte und schaute hinunter auf seinen Arm und sah, wie der Stoff seiner Jacke schon vollkommen durchnässt war. Als er ein weiteres Mal aufschaute, erkannte er, wie der gesamte Berg hinter einer Mauer aus eisigen Regen und Graupeln versteckt war. Seine Hände gefroren und seine Kleidung war diesen Klimabedingungen ganz und gar nicht angepasst. Die plötzliche Angst um seine Freunde, die ihn erfasste, konnte er nicht mehr zurückhalten. Er schaute hinüber zu Teal’c, der seinen dunklen Blick traf.
„Das ist schlecht“, sagte er und musste schon fast schreien, damit er überhaupt sich selbst verstehen konnte.

Teal’c nickte. „Vielleicht sollten wir durch das Tor gehen?“, schlug er vor. „Und dann kehren wir mit weiteren Männern zurück, damit wir Major Carters Team finden können?“

Aber Jack schüttelte seinen Kopf. „Da drin werden wir sie nie finden. Wir werden nur weitere Männer verlieren.“

„Dann warten wir“, entschied Teal’c.

„Ja“, seufzte Jack und richtete seinen Blick zurück auf die Berge, obwohl er nicht mehr als Regen und Graupeln sehen konnte, die schon fast senkrecht standen. „Jetzt warten wir.“

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Sams Herz pochte so wild, dass sie kaum atmen konnte, als sie auf die Schreie von Tasha durch den Regen lief. Tausend furchtbare und schreckliche Bilder schossen durch ihren Kopf, als sie rannte. Jedes Bild war schlimmer als das andere. Besonders der Gedanke daran O’Neill zu sagen, dass sie Tasha verloren hatte – dass er Tasha in ihre sichere Obhut gegeben hatte und sie hatte ihm im Stich gelassen. Sie würde lieber selbst sterben, als dass es so weit kommen würde.

„Tasha!“, schrie sie, als der Regen immer stärker wurde und sie dadurch an Tempo einbüßen musste. „Tasha!“ Hinter dem ohrenbetäubenden Pfeifen des Windes konnte sie das Schmettern des Wasserfalls hören und da wusste sie, dass es nicht mehr weit war bis zur Schlucht. Aber es war schwer durch das ganze Wasser um sie herum etwas auszumachen, also ging sie noch langsamer, in der Angst, dass sie in ihrer Eile blind über etwas stolpern würde. „Tasha!“

Links neben ihr hörte sie Gibson laut fluchen und dann seinen Schrei. „Major! Hier drüben! Ich habe sie gefunden! Sie ist auf dieser gottverdammten Brücke!”

Sam blieb wie angewurzelt stehen. Die Brücke? Sie war auf der Brücke…? „Meine Güte!“, schrie sie. „Daniel, mit mir!“ Er befand sich nur wenige Schritte rechts neben ihr, aber sie konnte ihm kaum noch sehen und sie wollte nicht auch noch ihm in den Nebel verlieren. Zusammen stolperten sie durch den Regen, Gibson und Ferretti waren keinen Meter hinter ihnen.

Als Sam über die Schlucht schaute, konnte sie kaum den Umriss der Person erkennen, die sich mitten auf der Brücke festgekrallt hatte. Der eiskalte Regen peitschte in ihr Gesicht, während sie angestrengt versuchte etwas deutlich zu erkennen, aber sie ignorierte ihn so weit es ihr möglich war. „Tasha!“, schrie sie. „Kommen Sie sofort zurück!“

Es dauerte eine ganze Weile, bis sie durch das Tosen des Wasserfalls und dem schreienden Wind eine zitternde Frauenstimme hörte. „Ich kann mich nicht bewegen! Die Brücke… sie bricht zusammen!“

Sams Hoffnungen schwanden weiter, ihre Muskeln versteiften sich vor Angst. „Das müssen Sie aber!“, schrie sie zurück. „Es gibt keinen anderen Weg… Bewegen Sie sich langsam.“

„ICH KANN NICHT!“, schrie Tasha und Sam konnte die nackte Angst in ihrer Stimme hören. Sie war zu verängstigt, um sich zu bewegen. Sie hatte es schon zuvor gesehen, die Angst war auf den Gesichtern der Menschen eingefroren, wenn sie nur durch ihr eigenes Handeln gerettet werden konnten.

Hinter ihr hörte sie Gibson knurren: „Bescheuertes Miststück. Hätte wissen müssen, dass sie so etwas versuchen würde.“

Sam antwortete ihm nicht, aber sie wusste, dass er recht hatte. Sie hätte es wissen müssen. Sie hätte sie nie alleine weggehen lassen dürfen. Es war ihre Schuld, sie hatte ihre Aufsichtspflicht verletzt und wenn Tasha jetzt dort draußen sterben würde, dann wäre es ihre Schuld. Und das konnte sie nicht zulassen – schon alleine um des Colonels Willens konnte sie das nicht zulassen. Er hatte bereits zu viele Menschen in seinem Leben verloren und sie sollte verdammt sein, wenn sie die Schuld daran tragen würde, nur weil er eine weitere Person verlieren würde. Er hatte Besseres verdient und sie würde ihn nicht im Stich lassen.

Sie griff sich über die Schulter und löste ihren Rucksack, sodass er zu Boden fallen konnte. „Ich werde sie holen gehen“, sagte sie.

„Was!“, schrie Daniel und umfasste ihren Arm. „Bist du verrückt geworden? Wenn die Brücke bereits am Zusammenbrechen ist…?“

„Ich kann sie nicht dort lassen“, sagte Sam ihm und zog energisch ihren Arm aus seinem Griff. „Niemand wird zurückgelassen, schon vergessen?“ Dann zuckte sie mit ihren Schultern. „Und ich bin hier die Leichteste, also ist es nur logisch, wenn ich gehe.“

„Sam…“, protestierte er, als er seine Brille von der Nase nahm, um den Regen davon abzuwischen. „Es muss doch noch einen anderen Weg geben.“

„Nein“, sagte sie ihm mit einem bestimmten Kopfschütteln. „Dafür haben wir keine Zeit. Wir müssen so schnell wie möglich von diesem Berg verschwinden.“ Sie drehte sich zu Gibson um. „Lieutenant, wenn irgendwas passiert, dann bringen Sie so schnell wie möglich alle hier raus. Verstanden?“

Sein Gesicht war düster und sehr beunruhigt, aber er nickte. „Ja, Ma’am.“

„Gott, Sam…“, murmelte Daniel.

Sie lächelte ihm zu. „Alles wird gut“, versicherte sie ihm, auch wenn ihre Angst ihr etwas vollkommen anderes sagte. Aber sie hatten keine Zeit, um sich irgendwelche Sorgen zu machen, wenn überhaupt die Zeit über etwas nachzudenken, als sie vorsichtig einen Fuß auf die schmale Holzbrücke setzte und spürte, wie sie stark zu schwanken begann. In der Ferne schrie Tasha auf, während sie sich noch weiter hinhockte. Sam hielt ihren Blick starr auf ihr Ziel gerichtet, als sie langsam über die Brücke kroch. Um ihr herum fegte der Wind, peitschte das Wasser, zerrte an ihrer Kleidung und sie hatte Angst, dass sie jeden Moment ihr Gleichgewicht verlieren könnte.

„Bewegen Sie sich nicht!“, schrie sie Tasha zu. „Ich komme Sie holen.“


+++++++++

Daniel schlug das Herz bis zum Halse, als Sam vorsichtig über die Holzbrücke kroch. Mehrere Male war sie gezwungen aufgrund des Schwankes der Brücke durch den Wind und des Regens, anzuhalten, aber ihr Griff festigte sich nur noch weiter um die feuchten, rutschigen Bretter. Trotz allem bewegte sie sich weiter, Zentimeter um Zentimeter, bis sie schließlich bei Tasha angekommen war.

„Ihr Fuß steckt fest!“, schrie Sam ihnen zu. „Einige der Bretter sind morsch und durchgebrochen!“

Er wagte es kaum zu atmen, als er Sam dabei beobachtete, wie sie versuchte Tashas Fuß zu befreien. Sie war zu weit weg und der Schneesturm machte es ihm unmöglich genau zu sehen, was Sam unternahm, aber schließlich hörte er ihre Stimme erneut. „Ich habe Sie! Wir kommen jetzt zurück!“

„Danke Gott“, murmelte Daniel eifrig und neben sich hörte er Ferretti ein: „Kommen Sie, Major“, flüstern.

Es dauerte eine Ewigkeit, bis er zwei Schatten ausmachen konnte, die sich ihren Weg über die stark schwankende Brücke bahnten. Dann sah er Tashas blasses Gesicht und Sam nur wenige Schritte hinter ihr.

Daniel erlaubte sich wieder zu atmen und dann… Screeeeeeech!

Ein scharfes, erschreckendes, zerreißendes Geräusch durchbrach die Luft und die die Brücke begann heftig zu wackeln, sodass Sam und Tasha beide auf ihre Knie fielen. Tasha begann wieder zu schreien, bis Sam sie selbst anschrie: „Bewegen Sie sich! Um Gottes Willen, Tasha, bewegen Sie ihren verdammten Hintern!“

Hastig begann Tasha loszukrabbeln und durch den Sturm konnte Daniel ihr verängstigtes Schluchzen hören, als die Brücke nicht aufhörte zu wackeln. Aber Sam bewegte sich nicht. Sie hockte einfach nur da, als sie Tasha dabei beobachtete, wie sie in Sicherheit kroch. Jedes Mal, wenn die Brücke erneut wackelte, klammerte sie ihre Finger noch fester um die Platten, aber sie machte keine Anstalten sich zu bewegen. Sie wartete, besorgt, dass durch ihre eigenen Bewegungen sie vielleicht beide in den Abgrund stürzen würden. Es machte Sinn, obwohl sich Daniels Magen vor Angst so sehr zusammenzog, dass es schmerzte.

Aber schließlich erreichte Tasha das Ende der Brücke und Gibson schnappte sie sich und zog nicht allzu sanft hinter sich, wo sie wie ein verängstigtes Häufchen Elend auf den Boden fiel.

„Wir haben sie!“, schrie er Sam zu. „Kommen Sie Major! Los!“

Daniel wandte seinen Blick nicht von der Brücke ab, auch nicht, als er sich neben Tasha kniete und ihr einen beruhigende Hand auf die Schulter legte. „Komm schon, Sam“, flüsterte er, als sie weiter über die bebende Brücke kroch. Aber sie war keine drei Schritte gegangen, als ein erneutes zerreißendes Geräusch die Luft durchschnitt und die Brücke etwas zusammensackte und auf eine Seite überkippte. Das Hauptgeländer war zerbrochen.

„Sam!“, schrie Daniel in Panik, er sprang auf und lief bis zum Rande der Schlucht. Sie wurde komplett herumgerissen und nur ihr eiserner Griff um das Seil hielt sie davon ab in den Abgrund zu stürzen. Aber die Brücke konnte nicht mehr benutzt werde, sie hing in der Luft. „Sam, halt durch!“, schrie er ihr vor Angst zerrissen zu.

Sie kämpfte damit nicht ihren Halt zu verlieren, aber sie war noch gut fünfzig Meter außer Reichweite und es gab keine Möglichkeit, wie sie ihr helfen könnten. Es gab keine Möglichkeit mehr, wie sie sich bewegen konnte. Sie hing einfach nur da, der Schnee wirbelte um sie herum, dass sie fast darin verschwand. Sie schwang ihren Arm um eine der Holzplatten, um sich noch weiter zu sichern, bevor sie sich zu ihnen umdrehte. Ihr Gesicht war düster, weiß und vor Angst gezeichnet. Aber so hart wie Stein. „Gibson“, rief sie. „Sie haben einen Befehl!“

Daniel brauchte einen Moment, um das eben Gesagte zu verstehen, aber als er es tat, fühlte er sich elend. „Nein“, flüsterte er. „Nein.“

„Wir lassen Sie nicht zurück, Major!“, schrie Gibson kriegerisch und unnachgiebig zurück. „Auf keinen Fall!“

Der Schnee war jetzt so stark, dass Daniel sie praktisch nicht mehr sehen konnte, aber er hörte ihre Stimme. „Bringen Sie sie von diesem Berg, Lieutenant. Das ist ein Befehl! Na los!“

„Ich kann Sie fast berühren!“, widersprach ihr Gibson. „Wir haben hier Seile. Ich kann…“

„Nein!“, unterbrach Sam ihn bestimmt und eine weitere Böe fegte über den Abgrund. Daniel konnte er sie wieder sehen, sie hing wie eine Marionette mitten im Sturm „Dafür ist keine Zeit! Gehen Sie… Bevor ich…!“ Ihre Worte gingen verloren, als die Brücke erneut knarrte und noch etwas zerriss. Für einen Bruchteil einer Sekunde konnte Daniel Sams Gesicht sehen, blass und verängstigt und dann war sie verschwunden. Die Brücke brach zusammen, krachte in einem ohrenbetäubenden Schellen in die Schlucht und nahm Sam mit sich mit.

„NEEEIIIIN!“, Schrie er, unfreiwillig streckte er seine Hand aus, so, als ob er sie noch auffangen könnte, als er neben der Schlucht auf sie Knie fiel und hinunter in die Tiefe starrte. Aber bis auf Schnee und Nebel konnte er nichts sehen. Und in diesem Moment spürte er, wie sein Herz entzwei brach. Sie war verschwunden. Sam war verschwunden.


++++++++

Jack weigerte sich zu gehen. Irgendwo in seinem Hinterkopf hatte sich der Gedanke verfestigt, dass wenn er ging, wenn er seinen Blick auch nur einmal abwandte, er dann nie sehen würde, wie seine Freunde aus dem Schneesturm auf sie zukamen. Er forderte seinen Glauben heraus, dass sie auftauchen würden. Einige Male war er sich sicher gewesen Bewegungen gesehen zu haben – sein Herz hatte einen Aussetzer gemacht und sein Magen schlug vor Erleichterung Purzelbäume – aber jedes Mal war es nur Einbildung gewesen; ein Wunsch, der so stark war und ihm das Schneetreiben um ihn herum vergessen ließ.

Ihm war kalt. Aber es war ihm egal. Wenn ihm schon kalt war, dann musste es für sie eisig sein. Aber immerhin teilte er es mit ihnen, immerhin war er irgendwie bei ihnen. Wartend.

Und dann… war da grade etwas? Kam da jemand durch den Sturm? Oder spielte ihn seine Einbildung nur wieder einen Streich? Er rührte sich nicht. Er würde sich nicht bewegen, bis er sie sah… Er widerstand…

„O’Neill“, sagte Teal’c neben ihm. „Ich glaube Bewegungen ausmachen zu können.“

Jacks Herz pochte in seiner Brust. Er verengte seine Augen, um etwas durch den Schnee hindurch erkennen zu können und für einen Augenblick konnte er nichts sehen, bis er schließlich dunkle Schatten ausmachen konnte, die mitten aus dem Nirgendwo kamen. „Ja!“, zischte er, sein bewegungsloser Körper war so vollgepumpt mit Adrenalin, dass er augenblicklich zu rennen begann. „Carter!“, schrie er. „Daniel! Hier drüben!”

Der Schnee peitschte zwischen ihnen, aber dann hörte er eine Stimme, die ihn antwortete. „Jack!“ Es war Daniel, er klang bitter und erschöpft. Aber es war Daniel. Danke Gott. Er kam aus dem Sturm heraus, überschüttet mit Schnee, seine Haare und seine Uniform war überzogen mit Eis, seine Lippen blau und sein Gesicht milchweiß.

„Daniel!“, hauchte Jack erleichtert, dass ihm fast schwindelig wurde. „Du siehst beschissen aus. Lasst uns von hier verschwinden!“

Daniel nickte, aber er konnte keine Erleichterung, keinen Jubel auf dem ausdruckslosen Gesicht sehen. Nichts, man konnte nichts in seinen Augen sehen. Plötzlich, nahe der Panik, schaute Jack auf und sah, wie Gibson ein paar Meter hinter Daniel auf sie zukam. Er stützte Tasha, die etwas zu humpeln schien. Es sah so aus, als ob sie sich ihren Fuß verletzt hätte und sobald sie ihn gesehen hatte, stürzte sie sich auf ihn und fiel triefend in seine Arme. Jack hielt sie verwirrt fest, sein Blick wanderte zwischen Daniel und Gibson hin und her, in der Hoffnung eine Erklärung für all das zu bekommen. „Colonel!“, sagte schließlich Ferretti, als er ebenfalls aus dem Schneesturm auf sie zukam und neben Gibson stehen blieb. Er war genauso von Eis und Schnee überzogen, wie die anderen, doch Jack entging nicht sein düsterer Blick, den er bereits bei Gibson und auch bei Daniel gesehen hatte. „Verdammt, Colonel.“

„Was ist los?“, fragte Jack und schaute zwischen allen Hin und Her. Aber niemand antwortete. Und dann hörte plötzlich sein Herz auf zu schlagen. „Wo ist Carter?“ Seine Worte waren fast abgeschnürt vor Angst.

Lange sagte niemand ein Wort, Tashas Schluchzen an seiner Seite wurde lauter, als Daniel flüsterte: „Sie ist verschwunden.“

Die Welt hörte auf sich zu drehen. Alles um ihn herum begann zu verschwimmen. Alles, was er hören konnte, war das pulsierende Rauschen seines Blutes in seinen Ohren und alles, was er spürte, war ein umgreifender Schmerz, den er nicht ausdrücken konnte.
„Verschwunden?“, flüsterte er. „Wohin verschwunden?“

„Sie ist gefallen“, antwortete Daniel. Sein geisterähnliches Gesicht erschien furchterregend im dunklen Licht des Sturmes. Seine blauen Lippen ließen ihn wie eine Leiche aussehen. „Sie ist fort.“

„Nein.“ Jack schüttelte leugnend seinen Kopf, so als ob nur ein Wort die Macht besäße, die Wahrheit zu verändern. „Nein…“

Teal’cs schwere Hand legte sich auf seine Schulter. „O’Neill“, sagte der Jaffa, seine tiefe Stimme geätzt mit Schmerz. „Wir müssen zum Tor zurückkehren. Diese Menschen hier leiden an der Kälte und der Sturm wird immer stärker.“ Und dann rief Teal’c lauter, sodass ihm alle verstehen konnten: „Hier entlang! Das Stargate ist gleich dort drüben. Ihr seid jetzt in Sicherheit.“

Jack folgte ihm vollkommen taub, er bemerkte noch nicht einmal richtig, wie sich Tasha an ihn klammerte. Sein Kopf wollte einfach nicht die erschütternde Wahrheit akzeptieren. Carter war verschwunden… Verschwunden… Er spürte, wie seine Gefühle, sein Herz zu Stein wurden, sein Körper bewegte sich plump, während sich in ihm drin alles abschaltete. Er spürte die Tränen in seinem Halse, wie sie dort stecken blieben, als er vor Schock hilflos zu zittern begann. Carter war fort. Er hatte sie verloren. Er hatte sich selbst verloren. Er hatte alles verloren. Er hatte einmal zugegeben, dass er lieber sterben würde, als sie zu verlieren. Aber jetzt erst verstand er die Wahrheit. Ohne Carter war er bereits tot.

Er war ein Toter auf zwei Beinen.

Das Tor begann sich zu drehen, blaues Wasser wurde hinaus in den Sturm geschossen und wirbelte den Schnee um sie herum nur noch mehr auf. „Geh“, flüsterte er Tasha zu, als er sie sanft aus seinen Armen drückte.

Sie sah zu ihm auf, ihr Gesicht war zu einer Grimasse verzogen. „Es tut mir leid“, flüsterte sie, aber ihre Worte ergaben für ihn keinen Sinn. Er hatte nur noch einen Gedanken. Carter war verschwunden, alles andere war vollkommen egal.

Seine Stimme war dünn und hölzern, als er sie zum Tor schob. „Geh einfach.“ Er konnte den Schmerz in ihren Augen sehen, aber es bedeutete ihm nichts. Carter war verschwunden. Carter war *verschwunden*. Tief in seinem Herzen spürte er, wie sich dort etwas zusammenbraute, ein Anflug von Trauer und Bestützung. Es war genauso stark, wie der Sturm, der sie umgab. Er zitterte noch immer vor Kälte, Schock und jetzt vor Wut und grausamen Schmerzen.

Irgendwo durch den Schleier seiner Gefühle sah er Daniel, wie er Tasha die Treppen hinauf trieb. Sie schaute noch einmal zu ihm zurück, aber er schenkte ihr keine Aufmerksamkeit. Carter war verschwunden. Gibson und Ferretti waren gleich hinter Tasha und auch sie verschwanden schweigend durch die schimmernde Oberfläche des Tores. Nur Teal’c war noch bei ihm.

Sich umdrehend, starrte Jack hinaus in den Sturm. Nichts war mehr zu erkennen, nur fegender Schnee, als ob er zur Zerstörung von Dämonen den Berg hinunter gepeitscht worden wäre. Aber der starke Sturm fühlte sich schwach und kindisch an im Gegensatz zu den Dämonen, die wütend, außer sich vor dunkler Trauer in seiner Seele tobten.

„O’Neill“, sagte Teal’c. „Wir müssen los.“

Jack schwieg, verzweifelt versuchte er seine Stimme zu finden. „Geh“, flüsterte er. „Ich brauche noch 'ne Minute.“

Er spürte mehr Teal’cs Einverständnis als das er es hörte, aber plötzlich wusste er, dass er allein war. Allein mit dem Sturm. Allein mit dem unermesslichen Gefühl der Trauer und des Verlustes. Wut stieg in ihm auf, Wut auf sich selbst, Wut auf den Sturm, Wut auf die unberechenbaren Götter, die ihm so etwas Lebenswichtiges gestohlen hatten. Das Gefühl war so stark, dass er mitten in den Schnee auf seine Knie fiel. In ihm zerbrach ein Damm, den er nicht mehr zusammenhalten konnte. Und in diesem Moment, in dem Moment der vollkommen Wut und Angst, schrie er ihren Namen hinaus in den Sturm: „CARTER!“

Der Sturm verschluckte seinen Schrei, entriss ihm seinen Mund, sodass er bezweifelte, es überhaupt ausgesprochen zu haben. Sie war verschwunden. Er hatte sie verloren. Er hatte sie so geliebt, so sehr, so sehr… und jetzt war sie verschwunden, einfach weg. Seine Stimme kämpfte erneut gegen den Sturm an, aber jetzt zerbrach sie an seinem Schmerz. „Carter!“

Er schnappte nach Luft und atmete die Eiseskälte ein, die in seinem Halse stecken blieb. Er würgte bis sie als schmerzendes Schluchzen wieder befreit wurde. „Sam!“ Und dann war seine Wut verschwunden. Wie eine Marionette, deren Fäden durchgeschnitten wurden, fiel er mit seinem Körper in den Schnee. „Sam“, schluchzte er hilflos, als er das Eis in seinem Gesicht spürte.
„Oh Gott, nein, nicht Sam. Bitte nicht Sam. Bitte nehmt sie mir nicht weg. Bitte…”

Und hinter ihm schimmerte das Stargate teilnahmslos. Es wartete nur darauf ihn nach Hause zu bringen und ihn für immer von ihr fortzureißen.

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Kapitel 2 by Sally Reeve
Kapitel 2

Daniel saß mit seinem Kopf in seinen Händen vergraben im Umkleideraum. Er ließ sich von der warmen Luft seine gefrorenen Gliedmaßen aufwärmen und seine Finger und Zehen wieder zum Leben erwecken, die noch immer blau waren. Aber er konnte nichts gegen den kalten Schmerz in seinem Herzen tun, oder den Moment aus seinem Gedächtnis verbannen, wo sich Sam hilflos an einen Stück Seil zu weit von ihnen entfern festkrallte. Ihr starrer Blick der Angst spiegelte sich kontinuierlich in seinem Kopf, er sah es, egal, ob seine Augen geschlossen oder geöffnet waren. Und er konnte nicht anders als sich schuldig zu fühlen. Wenn er nur bemerkt hätte, dass Tasha fehlte, wenn er Sam nur daran gehindert hätte, auf die Brücke zu gehen, wenn er doch nur…

Ohne sich zu rühren, seufzte er schwer. Das Geräusch der Duschen im Hintergrund war merkwürdig einschläfernd und beruhigend. Er saß einfach nur da und lauschte. Er dachte, wenn er einfach nur bewegungslos dasitzen würde, dann müsste er sich vielleicht nicht mit dem Verlust auseinandersetzen. Er müsste dann nicht seinen Sache nehmen und sein Leben weiter leben, als wäre nichts passiert, als wenn Sam nicht fort wäre. Er müsste dann nicht mit den bitteren Anschuldigungen auf Ferrettis und Gibsons Gesicht leben müssen, wenn sie Tasha ansahen oder ihre Reue oder Teal’cs teilnahmsloses Trauer sehen. Und er müsste dann auch nicht Jack sehen.

Erst gute fünf Minuten nach ihnen war O’Neill durch das Tor gekommen. Sein Gesicht so starr und weiß, wie der Sturm, seine matten Augen brachte nur schwarzen Eis zum Vorschein. Er sah so aus, wie der Mann, den er vor all den Jahren kennengelernt hatte und dieser Anblick hatte ihn einen Schauer über den Rücken jagen lassen. Jack war an ihnen vorbeigegangen und hatte noch nicht mal Tasha einen Blick zugeworfen. Ihr Blick folgte ihm, als sie voller Angst und Reue sah, wie er den Raum verließ. Er konnte es ihr nicht verübeln… wenn Jack herausfand, wie Carter gestorben war….

Gestorben … Gott…

Plötzlich wurden die Duschen abgestellt und tauchten den Raum in Stille. Daniel hob seinen Kopf und einen kurzen Augenblick später sah er, wie Jack mit einem Handtuch um seine Hüften gewickelt aus dem Duschraum kam. Er sagte kein Wort, als er sich zu seinem Spind umdrehte und damit begann sich anzuziehen. Daniel seufzte und ließ seinen Kopf zurück in seine Hände fallen. Die Besprechung würde in einer Stunde sein und seit seiner Rückkehr hatte Jack nur geschwiegen, nicht ein Wort war über seine Lippen gekommen. Aber der Gedanke daran, wie er die Wahrheit vor allen anderen erfahren würde… Er hatte Jack gesehen, wie er reagierte, wenn auch nur einer seiner Freunde verletzt wurde. Und es gab überhaupt keine Zweifel daran, dass Tasha hier eine große Verantwortung auf sich nehmen musste, aber Tasha war nicht irgendeine Person, die sie auf einen Planeten kennengelernt und sie dann verletzt hatte. Sie war die Frau, die er… was? Liebte? Vielleicht Daniel wusste es nicht und es war sicherlich nicht ein Thema über das Jack jemals sprach. Aber nichtsdestotrotz wusste er, wie seine Gefühle für Sam waren, um zu verstehen, wie unmöglich es für ihn sein würde diese Situation zu überstehen. Und Daniel hatte keine Ahnung, wie Jack damit umgehen würde… nicht den blassesten Schimmer.

Daniel hob erneut seinen Kopf und lehnte sich zurück gegen seinen Spind. Er griff nach dem T-Shirt, welches neben ihm auf der Bank lag. Jack war jetzt vollkommen bekleidet und setzte sich hin, um sich seine Stiefel anzuziehen. Daniel konnte sein Gesicht nicht sehen, aber O’Neill trug seine Trauer wie eine Rüstung und wies jeden zurück, der auch nur in seine Nähe kam. Seufzend knirschte er mit seinen Zähnen, als er daran dachte, welchen Schmerz er seinem Freund noch zufügen würde, indem er ihm die Wahrheit sagte. Daniel nahm seinen Blick nicht von Jack. „Ich muss dir sagen, wie es passiert ist.“

Jack hielt in seiner Bewegung inne, aber sonst bewegte er sich nicht. „Das hast du bereits“, sagte er scharf. „Sie ist gefallen.“

„Ich muss dir sagen, warum, Jack“, beharrte Daniel. „Du solltest es vor der Besprechung wissen.“

Jack schüttelte den Kopf. „Daniel“, warnte er ihn mit wütender Stimme, „bitte… ich will keine Einzelheiten…“

„Ich weiß“, flüsterte Daniel, „aber Jack, du musst es wissen… sie hat Tasha gerettet.“

Es breitete sich ein langes Schweigen zwischen ihnen aus, bevor sich Jack mit geschlossenen Augen aufsetzte und gegen seinen Spind lehnte. „Hört sich ganz nach Carter an“, flüsterte er sanft.

„Ja“, stimmte Daniel ihm zu und beobachtete das blasse Gesicht seines Freundes. „Aber da ist noch mehr, Jack. Es tut mir Leid… Aber du wirst das von Ferretti und Gibson hören, also, solltest du gewarnt sein.“

Als er das hörte, öffnete Jack seine Augen und sah Daniel wild an. „Ich sollte gewarnt sein?“ wiederholte er die Worte hohl.

Daniel fuhr mit seiner Zunge über seine ausgetrockneten Lippen. „Die Sache ist die“, begann er. „Tasha ist in Schwierigkeiten geraten, weil… weil sie Sams Befehle missachtet hatte. Sie… dort war eine Brücke und sie…“

Jack hielt nicht einmal an, um den Rest zu hören, er war bereits auf seinen Füßen und rannte hinaus. „Hey!“, rief Daniel ihm hinterher und sprang auf. „Warte! Wo willst du hin?“

Aber Jack antwortete ihm nicht, als er aus der Tür stürmte und sie lautstark hinter sich zuschlug. Und als der Schall abklang, fühlte sich Daniel sehr alleine. Er fragte sich, wie zum Teufel sein Freund damit nur fertig werden sollte… Er fragte sich, wie sie das alle sollten.


++++++++

Hammond saß hinter seinem Schreibtisch und starrte durch das Fenster hinaus auf das Stargate, auch wenn seine Gedanken ganz woanders waren. Er dachte an die junge Frau, die sie verloren hatten. Er konnte kaum glauben, dass sie nicht mehr da war, dass ihr helles Lächeln und ihre ansteckende Begeisterung nicht mehr länger ein Teil von dem sein würde, was sie hier im SGC waren. Es kam ihm wie eine anomale Fügung des Schicksals vor, dass jemand, der so brillant und wichtig für den Menschen war, einfach fort war, während er – der sich mit jeder verstreichenden Minute immer älter fühlte – immer noch hinter diesem Schreibtisch saß. Samantha Carter… In seinen Erinnerungen war sie einst das aufgeweckte und begierige kleine Mädchen gewesen, welches immer mit großen Augen ihm und ihren Vater beim Geschichtenerzählen gelauscht hatte. Und sie war die Frau, der das Stargate-Projekt praktisch gehörte und die Welt mehr als nur einmal gerettet hatte. Wie zum Teufel passt er da nur rein?

Er war so in seiner Trauer gefangen, dass er seinen Besucher übersehen hatte, bis er einmal dreimal lautstark an die Tür klopfte. Ohne den Blick in seine Richtung zu drehen, wusste er, wer es war. „Kommen Sie rein, Jack.“

O’Neill kam in sein Büro und er konnte einen komplett wilden Blick in seinen Augen sehen. „General“, sagte er sofort, „ich muss sofort zurück, um sie…“

Hammond lehnte sich mit einem Kopfnicken nach vorne und stützte seine Ellbogen auf dem Schreibtisch ab. Das hatte er bereits erwartet. „Schließen Sie die Tür“, sagte er, „und setzen Sie sich.“

Jack schloss die Tür, aber setzte sich nicht hin. Stattdessen stand er steif vor Hammonds Schreibtisch. Er sah, dass jeder Muskel in ihm bis zum äußersten angespannt war, und konnte nur erahnen, welche Kontrolle es ihm kosten musste, so ruhig zu bleiben. „Sie wissen, dass wir ein Team senden werden, um Major Carters… Körper zu bergen“, sagte er und zuckte leicht bei dem Wort zusammen. „Aber ich bin mir nicht sicher, ob es eine gute Idee ist, wenn Major Carters Team – oder ihr ehemaliges Team – Teil des Suchtrupps ist. Sie stehen ihr zu nahe, Jack. Gott weiß, dass es so schon schwer genug ist, da müsse Sie nicht auch noch das durchmachen.“

„Niemand wird zurückgelassen“, knurrte Jack, die Worte kam durch zusammengepressten Zähnen. „Ich werde sie nicht dort lassen, damit jemand anderes… sie findet, Sir.“ Sein Gesicht verzog sich leicht, bevor er seinen Blick senkte, obwohl er nicht einmal die Kontrolle verlor. „Es ist meine Schuld, General. Das ist das Mindeste, was ich ihr schulde. das Allermindeste…“

Hammond schwieg für einen Moment, als er Jacks ausgezehrtes Gesicht sah. Er wusste, dass die Beziehung zwischen Carter und O’Neill intensiver war, als sie eigentlich hätte sein dürfen, aber auch wenn er blind dem gegenüber gewesen wäre, so sagte ihm die vollständige Verwüstung in Jacks dunklen Augen alles, was er wissen musste. Was er nicht wusste, war, warum Jack sich selbst die Schuld gab. Von dem, was er von dem noch immer traumatisierten Doktor Jackson und dem Rest von SG-2 erfahren hatte, war Jack nicht einmal anwesend gewesen, als der Unfall passierte. „Setzen Sie sich, Jack“, sagte erneut mit müder Stimme. „Und sagen Sie mir, was passiert ist. Warum ist es Ihre Schuld, Sohn?”

Diesmal machte der Colonel, um was er gebeten wurde und setzte sich steif auf den Stuhl gegenüber von seinem Schreibtisch. Seine Hände hatte er ungewöhnlich ruhig in seinem Schoß gelegt. „Sie wollte nicht auf den Berg gehen“, flüsterte er und traf nicht Hammonds Blick, sondern starrte auf irgendeinen Punkt auf dem Schreibtisch. „Sie hatte sich Sorgen wegen der Wetterbedingungen gemacht… ich… ich habe sie überstimmt… Tasha…“ Er verzog sein Gesicht und da konnte Hammond die blanke Wut in seinem Blick sehen. „Dr. Greene hatte darauf bestanden und ich habe die Entscheidung über Carters Kopf hinweg getroffen. Ich hätte auf sie hören sollen, anstatt auf…Tasha.“

Hammond schloss seine Augen, als er O’Neills Worte hörte. Es war schwierig ein Mitglied aus seinem Team zu verlieren – eine Freund oder eine Freundin – aber noch schlimmer war es, wenn man irgendwie verantwortlich für den Verlust war. „Von dem, was Dr. Jackson mir erzählt hat“, flüsterte er, als er die Augen öffnete und in Jacks wütendes Gesicht blickte, „schien das Wetter gut zu sein… der Sturm kam aus dem Nichts.“

„Carter wusste es. Wenn ich nicht auf Tasha gehört hätte, wenn ich mit ihnen gegangen wäre, anstatt unten im Camp zu warten… Verdammt! Ich habe ihr *gesagt*, sie sollte Carters Befehle befolgen, aber sie ist so verdammt dickköpfig! Ich hätte Sam warnen sollen, ich hätte…“

„Jack!“, sagte Hammond bestimmt und unterbrach seine Auflistung von möglichen Fehlentscheidungen. „Das ist nicht ihre Schuld.“

O’Neill schaute auf, seine Augen waren dunkel und geschlagen. „Doch, Sir, das ist es“, sagte er mit kratziger Stimme. „Denn, wenn es nicht meine Schuld ist, dann ist es Tashas… und ich weiß nicht, ob ich damit umgehen kann.“


+++++++++

Während Tasha im Besprechungsraum saß, spürte sie, wie sie von Kopf bis Fuß am Zittern war. Und es kam nicht nur von der Kälte, die ihr noch immer trotz der heißen Dusche und der warmen Kleidung in den Knochen saß.

Nein, die Kälte, die sie spürte, war eine komplett andere Kälte. Ausgestrahlt von den Männern, die so weit wie nur möglich von ihr entfernt saßen. Gibson und Ferretti sagten kein Wort, nicht zu ihr oder zu den jeweils anderen. Sie saßen einfach nur da und starrten hinunter auf ihre Hände, die sie auf dem Tisch gefaltet hatten. Gelegentlich schoss einer mal einen tödlichen Blick in ihre Richtung, aber nichts wurde gesagt, um die quälend schmerzhafte Stille zu brechen.

Gegenüber von ihr saßen Daniel Jackson und Teal’c, sie waren mehr in Trauer versunken als in Wut. Daniels Augen waren weit aufgerissen und sein Blick war abwesend und bedeckt mit Schmerz. Neue Tränen schossen in Tashas bereits geröteten und geschwollenen Augen, als sie ihn ansah, aber als sein Kopf sich leicht in ihre Richtung drehte, musste sie wegschauen. Sie konnte diese traurigen Augen, die sie sehen würde, einfach nicht ertragen.

Die Schuld war unbeschreiblich.

Sie hatte Samantha Carter umgebracht. Man konnte es drehen und wenden wie man wollte… Sie wäre nicht weniger Schuld gewesen, wenn sie mit einer Waffe auf den Kopf der Frau gezielt und abgedrückt hätte. In dem Moment, in dem sie ihren Fuß auf die Brücke gesetzt hatte, war Carters Schicksal besiegelt gewesen und noch nie zuvor hatte Tasha etwas so sehr bedauert, wie diese Entscheidung, die sie dort getroffen hatte. Sie hatte Blut an ihren Händen… eine junge Frau ist aufgrund ihrer Rücksichtslosigkeit gestorben.
 
Sie zog ein Taschentuch aus ihrer Tasche und wischte sich die Nase und Augen ab. Verzweifelt versuchte sie das Zittern wieder unter Kontrolle zu bringen. Sie würde nicht vor diesen Menschen zusammenbrechen, nicht wenn ihr Verlust noch viel tiefer reichte, als ihr eigener.

Und dann öffneten sich die Tür von General Hammonds Büro und ihre Schuld wurde von vehementer Angst überrannt, als sie sah, wie der General aus dem Raum trat. Jack war direkt hinter ihm. Ein Blick auf Jacks blasses und wütendes Gesicht ließ sich ihren Magen umdrehen. Als sein Blick bestimmt ihren mied, wusste sie ohne jegliche Zweifel, dass ihm jemand die Wahrheit gesagt hatte. Er wusste, dass sie Sam Carter umgebracht hatte… seine Freundin und nur Gott wusste, was sie sonst noch für ihn war. Sie hielt ihren Blick auf ihn gerichtet, als er den Raum betrat und sich rechts von Hammond in seinen Stuhl setzte. Aber nicht einmal schaute Jack in ihre Richtung, als er sich einen Kugelschreiber nahm und damit wütend auf die Tischoberfläche zu tippen begann. Nach einem langen Schweigen begann Hammond mit heiserer Stimme zu sprechen. Er klang mehr, wie ein trauender Vater, als wie ihr Vorgesetzter. Tasha wollte einfach nur weinen.

„Es gibt keine Worte des Trosts durch die Sie sich besser fühlen könnten“, flüsterte er. „Wir haben heute eine Freundin, eine Kameradin, eine Frau …“ Für einen kurzen Moment brach seine Stimme, bevor er fort fuhr. „… eine Frau von so außergewöhnlicher Großartigkeit und einer persönlichen Wärme verloren, die uns jeden Tag aufs Neue erfreut hatte.“

Tasha spürte, wie Tränen ihre Wangen hinunterliefen, aber sie sagte nichts, da sie wusste, dass sie die letzte Person in diesem Raum war, von der sie jetzt etwas hören wollten.

„Der Grund dieser Besprechung“, sprach er weiter, „ist einfach. Ein Rettungsteam wird, wenn der Eissturm sich erst einmal gelegt hat, zurück nach P3X-832 geschickt. Colonel O'Neill hat bereits seinen Wunsch geäußert Teil dieser Mission zu sein und wenn…“

„Ich werde gehen“, unterbrach Daniel ihn augenblicklich, dicht gefolgt von Teal’c. „Genau wie ich.“

„Ich auch, Sir“, fügte Ferretti hinzu und sah zu Gibson hinüber, der knapp nickte.

Hammond nickte tief durchatmend. „Ich kann ihre Gefühle sehr gut verstehen, Gentleman“, sagte er vorsichtig, „und Gott weiß, ich wünschte, ich könnte Sie begleiten… Sam hat es verdient von ihren Freunden nach Hause gebracht zu werden.“

Als er sprach, verdeckte Jack sein Gesicht mit seinen Händen und Tasha bemerkte, wie sie zitterten, als er sie hob. Sie war voller Schuld, aber zur selben Zeit, schlängelte sich tief darunter begraben ihre Eifersucht ihren hässlichen Weg durch den Ballast. Seine Gefühle für Carter mussten sehr stark sein… sie sah nicht die Trauer eines Mannes, der um einen Kriegsgefallen trauerte. Dies war die Trauer eines Geliebten.

Sie schaute hinunter auf ihre Finger, die das Taschentuch in ihren Händen zerknüllten, und fühlte sich aufgrund der eifersüchtigen Gedanken mehr als schuldig. Aber sie wurde schon bald von dem Geräusch abgelenkt, wie Stühle über den Boden geschoben wurden, als Hammond die Besprechung beendete. Und bevor sie auch nur ein Wort sagen konnte, eilte Jack schweigend zum Ausgang. „Jack!“, rief sie ihm hinterher, aber er verlangsamte noch nicht einmal sein Tempo, als er wütend die Tür aufriss und aus dem Raum verschwand.

„Wenn ich Sie wäre, dann würde ich ihm jetzt etwas Raum lassen“, sagte Daniel und schaute mit einem anklagenden Blick zu ihr auf. „Er wird Sie wahrscheinlich eine Weile nicht sehen wollen.“

„Oder für immer“, knurrte Gibson, als er und Ferretti O’Neill aus dem Raum folgten und Tasha hatte Angst, dass sie die Wahrheit sprachen. Was, wenn Jack ihr nie vergeben würde? Was, wenn es das Ende zwischen ihnen bedeutete?

Nach einem Moment war sie immer noch mit Daniel und dem schweigenden Jaffa alleine. Keiner von beiden schien die Absicht zu hegen etwas zu sagen oder sich zu bewegen. Sie saßen einfach nur da, in ihren Gedanken verloren. Doch Tasha, so neugierig sie war, suchte sie jetzt noch nach Antworten. Zögernd und verängstigt darüber, dass sie bereits zerbrochene Eierschalen zerbrechen würde, sagte sie: „Sam bedeutete Jack sehr viel, nicht wahr?“

Niemand antwortete ihr sofort. Auf Daniels Stirn zeichneten sich einige Falten ab, als er seine Brille abnahm und sie an seinem T-Shirt säuberte. „Ah, ja“, antwortete er schließlich. „Das tat sie… sie hat uns allen sehr viel bedeutet.“

Tahsa nickte, aber noch immer war sie nicht zufrieden mit dieser Antwort. „Hat er sie geliebt?“, fragte sie in einem Flüstern.

Diesmal antwortete Daniel nicht und es lag an Teal’c die Worte auszusprechen. „Er hat mit uns nicht darüber gesprochen, Natasha Greene. Aber er würde lieber sterben, als ohne sie leben zu müssen. Da bin ich mir ganz sicher.“

Tasha nickte nur und in ihrem Herzen erkannte sie die Wahrheit seiner Worte. Als sie zurückdachte, da hatte sie es vermutlich bereits gewusst.


+++++++

Jack hatte es geschafft ohne Zwischenfälle zu seinem Quartier zu gelangen. Hinter sich schlug er die Tür zu und ließ sich daran hinuntergleiten, bis er auf dem Boden saß. Seine Trauer war überwältigend und so anders, als die, als er seinen Sohn verloren hatte. Diesmal waren alle Abwehrmechanismen zusammengebrochen. Bei Charlie hatte er sich einfach vor Sara, vor der Welt und sogar vor sich selbst verschlossen. Er hatte seine Gefühle so tief begraben, dass er sogar fast in der Lage gewesen war, sie zu ignorieren. Sogar als sie bereits in ihm verfault und dann in einer dunklen Nacht ausgebrochen waren. Er hatte auf Charlies Bett gesessen und er hätte es fast getan… fast hätte er den Abzug gedrückt. Aber diesmal würden seine Gefühle nicht begraben sein, sie klammerten sich an seine Kehle, knebelten ihn und verwandelte die ganze Welt in Asche… Sie war fort und mir ihr verschwandte jegliche Farbe und jegliches Licht aus seinem Leben. Er konnte nichts anderes als Dunkelheit um ihn herum sehen, nichts als eine tiefe, dunkle Nacht.

„Sam“, flüsterte er laut und genoss den Klang ihres Namens auf seinen Lippen. Er hatte sie kaum so genannt, er hatte es nie gewagt, aus Angst, dass er sich daran gewöhnen könnte. Für ihn war sie immer Carter gewesen. Und das würde sie auch jetzt noch für ihn sein. Er schloss seine Augen, sie waren trocken und gereizt von ungeweinten Tränen. Er dachte an die vielen Lächeln und Berührungen, die sie ihm geschenkt hatte. Er erinnerte sich daran, wie sie in der Lage war mit nur einem einzigen Blick sein Herz zum Pochen zu bringen und die Einzigartigkeit ihres Lächelns, wenn er es geschafft hatte, ihr Herz zum Pochen zu bringen. Er erinnerte sich an die Schmerzen in seinem Herzen, wenn er sie mit anderen Männern gesehen hatte und ihren Schmerz, als sie ihn mit Tasha zusammen gesehen hatte. Er konnte sich an das berauschende Gefühl erinnern, sie in seinen Armen zu halten und ihre weichen Lippen zu küssen… eine Erinnerung, die nur er allein besaß. Er erinnerte sich an Schmerz Thera zu verlieren und daran, wie er in ihren Augen dieselben Gefühle sah. Er konnte sich an viele Dinge erinnern… aber er konnte in seinem Leben nicht verstehen, warum er sie sich durch seine Finger hat gleiten lassen. Die Regeln, seine Pflicht, seine Position innerhalb des SGC… all dies kam ihm jetzt so trivial vor. Hatte er wirklich gedacht, dass diese Dinge wichtiger als sie waren? Ohne und mit ihnen wäre sein Leben weitergegangen, aber ohne Carter hatte sich alles in ein Häufchen Staub verwandelt.
Ein zaghaftes Klopfen ließ ihn aus seinen Gedanken schrecken, aber er war zu mutlos, um jetzt mit jemandem zu sprechen. Er wollte keine Gesellschaft.

„Jack?“ Die zitternde Stimme gehörte Tasha und Jack verspürte eine Welle der Wut durch ihn hindurchrasen, als sie für einen Moment seine Decke der Hoffnungslosigkeit durchdrang. Tasha. Er wusste, dass die anderen ihr die Schuld gaben. Und sie hatten jedes Recht dazu. Aber er verstand sie besser als die anderen. Er wusste, dass sie ungeduldig, rücksichtslos und dickköpfig war. Und er wusste, dass sie misstrauisch seinen Gefühlen für Carter gegenüber war. Er hätte wissen müssen, dass sie Carters Befehle nicht akzeptieren würde. Er hätte diese ganze Situation viel besser handhaben sollen… er hätte nie damit einverstanden gewesen sein sollen im Basislager zurückzubleiben. Das war genauso seine Schuld, wie ihre und seine Wut hatten sich gerecht zwischen ihnen aufgeteilt.

Er drückte sich hoch auf seine Füße und trotz seinem besseren Urteilsvermögens, öffnete er langsam die Tür. Das Gesicht, in welches er blickte, war trostlos und tränenüberströmt. In ihren dunklen Augen spiegelte sich Furcht wieder. „Tasha“, sagte er schwer und wusste nicht, was er sonst noch sagen sollte. Wie immer.

„Es tut mir so Leid“, flüsterte sie sofort. „Es ist alles meine Schuld.“

Er sah sie einen Moment an. „Nicht ganz“, sagte er schließlich.

Sie schaute verwirrt und verängstigt weg. „Ich weiß nicht, was ich machen soll“, schniefte sie durch neue Tränen, die ihr die Wangen hinunterliefen. „Alle hassen mich. Ich kann nicht gehen, weil … ich muss… es gibt noch eine Befragung… die ich noch…“ Sie unterbrach sich selbst und vergrub ihr Gesicht in einem Taschentuch, als sie sich die Nase putzte. „Es tut mir so leid…“

Ein Teil von ihm wollte sie anschreien, sie durchschütteln, bis sie verstand, wie tief sein Verlust ging. Aber der andere Teil sah ihre aufrichtige Reue, der verstand, dass sie niemanden schaden wollte… und irgendwo in sich drin fühlte er sich schuldig, dass seine Gefühle für Sam jetzt so offensichtlich waren. Tasha konnte nicht blind demgegenüber sein, wo sein Herz die ganze Zeit über gelegen hatte, als sie zusammen waren und jetzt stand sie hier und entschuldigte sich bei ihm. Und sie brauchte seine Stärke auf eine Art und Weise, wie Carter sie nie gebraucht hatte… und jetzt nie wieder tun würde. Eine Art und Weise, der er nur schwer widerstehen konnte.

„Du kommst besser rein“, sagte er schließlich und ging einen Schritt zurück, damit er die Tür weiter öffnen konnte. Tasha sah mit roten und tränengefüllten Augen dankbar zu ihm auf, als sie eintrat.


++++++++

Eis.

Schmerz.

Eine kalte Dunkelheit.

Langsam und träge wurde sich Sam ihrer Umgebung bewusst. Das Rauschen des Wassers zu ihrer linken, erinnerte sie daran, dass sie sich nicht besonders weit vom Fluss entfernen konnte, bevor sie zusammengebrochen war. Und als sie ihre Augen öffnete, sah sie nichts als Dunkelheit und da wusste sie, dass die Nacht hereingebrochen war.

„Verdammte, dämliche…“, murmelte sie, als sie sich zwang ihr Gesicht von dem eisigen Boden zu heben und damit kämpfte sich aufzusetzen. Wenn sie daran dachte, dass der Schmerz und die Kälte ihr ihr Leben kosten könnten, war sie froh darüber aus ihrer Unterkühlung wieder aufgewacht zu sein. Sie bewegte sich langsam, das Eis klebte an ihrer Kleidung und ihrer Haut und der Schmerz ihrer Verletzungen sendete heiße Stiche durch ihre Nerven. Sie schnappte tief nach Luft, als sie ihr linkes Bein bewegte – ihr Gelenk war mit ziemlicher Sicherheit gebrochen - und sie sah, wie es anschwoll. Sie musste ihren Stiefel ausziehen, erkannte sie, oder die Zirkulation zu ihrem Fuß würde abgeschnürt werden und sie würde ihn aufgrund von Wundbrand verlieren – wenn sie überhaupt noch so lange lebte. Aber ihre Finger waren taub vor Kälte und blutig von ihrem Fall gegen die Klippen. Sie verzog ihr Gesicht, als sie sich daran erinnerte und ihr Schnürsenkel öffnete. Ihre Schultern schmerzten – wahrscheinlich ein Bänderriss, hervorgerufen durch die Art und Weise, wie sie ihre Arme verdrehen musste, damit sie nicht von der Brücke fiel und schließlich entschieden hatte, dass ihre einzige Hoffnung war, ins eiskalte Wasser zu fallen, bevor die Brücke ihr Gewicht nicht mehr hätte halten können. Es dauerte er eine blutige, schmerzhafte Ewigkeit, bevor sie es schaffte die gefrorenen Schnürsenkel zu öffnen. Als sie dann erst einmal ihren Stiefel so weit es ging gelockert hatte, biss sie ihre Zähne zusammen. Das würde verdammt wehtun.

So vorsichtig wie möglich, versuchte sie sich ihren Stiefel ausziehen, aber die Bewegung drückte auf ihr gebrochenes Gelenk und sie erlaubte sich selbst vor Schmerzen aufzuschreien. Es war doch schließlich niemand da, der sie hören konnte. Sie atmete ein paar Mal tief ein und aus und versuchte nicht vor Schmerzen ohnmächtig zu werden, als sie schwer schluckte und darauf wartete, dass der Schmerz nachließ. Langsam tat er das. Kalter Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn und gefror in der eisigen Luft, als Sam ihre Augen öffnete, die sie zusammengepresst hatte und erneut nach Luft schnappte.

Es sah nicht gut aus. Sie verdrehte leicht ihren Hals, um nach oben zu schauen, aber sie konnte keine Sterne sehen, sondern erblickte nur die hohen Wände der Schlucht und sie wusste, dass sie diese nie hochklettern wird, können. Egal, ob sie einen gebrochenen Fuß hatte oder nicht. In Anbetracht ihres Zustandes, war ihre einzige Hoffnung zu überleben die auf Rettung. Aber der Trick bestand darin, solange am Leben zu bleiben. So weit unten und nahe dem grausamen Fluss, war der Wind nicht ganz so stark. Der Schnee fiel ungehindert auf sie, getragen von einem frostigen Wind, aber die Wände der Schlucht boten ihr ein wenig Schutz. Nichtsdestotrotz war sie schutzlos. Zu schutzlos, um zu überleben, besonders in der nassen Kleidung, die an ihrer Haut festfror. Sie musste einen Unterschlupf finden oder sie würde sterben. So einfach war das. Sie zwang sich auf ihre Knie zu setzen, doch bei dieser Bewegung musste sie einen Schrei unterdrücken und sie verzog stattdessen ihr Gesicht zu einer Grimasse. Mit diesem Fuß war es ihr unmöglich zu laufen, aber in der Ferne konnte sie etwas Treibgut ausmachen. Sie hoffte, dass sie dort etwas finden würde, was sie als Krücke benutzen könnte. Vielleicht sogar etwas, um ein Feuer zu machen. Irgendetwas… Und so biss sie ihre Zähne zusammen, um den Schmerz zu unterdrücken und ihr Klappern zu stoppen. Für Sam begann ein langes und schmerzhaftes Kraulen zu dem Trümmerhaufen. Ihr ausgezogener Stiefel füllte sich bereits mit Schnee.


+++++++++

Jack wachte in Dunkelheit auf. Warme und weiche Dunkelheit. Tasha lag schlafend und gleichmäßig atmend neben ihm. Sie war eingewickelt in seiner Decke und ihre Locken verdeckten halb ihr Gesicht. Aber selbst im Schlaf konnte er die Falten der Reue in ihrem Gesicht sehen und sie waren fast so tief wie seine eigenen.

Er rollte sich auf den Rücken und starrte an die Decke. Licht schien unter dem Türschlitz hindurch und erleuchtete den Raum gerade mal so viel, dass er die schattigen Schemen seiner Umgebung ausmachen konnte. Er seufzte, sein Herz war so leer und kalt wie Eis.

Das kurze Feuer der gemeinsamen Nacht mit Tasha hatte nichts von seinem Schmerz genommen; es war mehr eine Suche nach Trost gewesen, mehr wütend als liebend… wild und unbefriedigend für beide. Er drehte seinen Kopf in ihre Richtung. Er konnte sie nicht dafür hassen, was passiert war… wie konnte er auch? Aus eigener Erfahrung wusste er, dass auch nur eine einzige minimale Fehlentscheidung zu einer Katastrophe führen konnte. Wie viele Nächte hatte er sich immer und immer wieder mit dem Gedanken gequält, dass er vergessen hatte, die Waffe wegzuschließen? Sein Fehler, aber Charlie musste dafür bezahlen. Genauso wie Carter jetzt den Preis für Tashas Fehler bezahlen musste. Unfälle passierten. Menschen werden verletzt.

Er konnte sie dafür nicht hassen. Aber er konnte sie auch nicht lieben. Er liebte sie nicht. Er hatte es nie getan. Er hatte Zuflucht in ihren Armen gesucht und den Kontakt gefunden, nach den er sich so gesehnt hatte, aber sein Herz hatte nie ihr gehört. Es war nicht wirklich eine erbauliche Entdeckung gewesen, aber seine Trauer tauchte alles in ein scharfes, schmerzhaftes, klares Licht und er wusste, dass es die Wahrheit war. Er liebte Carter, aber er hatte mit Tasha geschlafen – er hatte sie benutzt, genauso, wie er sie jetzt benutzte, um seine Gefühle zu sublimieren. In Tasha hatte er ein Gefäß gefunden, in das er alle Gefühle für Carter gesteckt und sie dann an Tasha weitergeleitet hatte. All die Gefühle, die er für so lange unterdrückt hatte. Er hatte sie auf diese Art und Weise geliebt, wie es ihm nie erlaubt war Sam zu lieben und jetzt, wo Carter fort und sein Herz nichts weiter mehr als ein Haufen Asche war, gab es nichts mehr, was er Tasha geben konnte.

Seine Entdeckung ließ eine gewisse Übelkeit in ihn aufsteigen und er stand leise von dem engen Bett auf. Tasha war erschöpft und rührte sich keinen Zentimeter, wofür er sehr dankbar war. Er konnte jetzt nicht mit ihr reden. Sie würde in dem Moment die Wahrheit in seinen Augen sehen, in dem sie ihn anschaute – wenn sie es nicht schon bereits wusste.

Er schlurfte durch den Raum, um sich seine Kleidung zusammenzusuchen und zog sich leise an. Die Uhr neben seinem Bett zeigte ihm, dass es fast fünf Uhr in der Früh war, also würde die Kantine bereits offen sein. Nicht, dass er hungrig war, aber besser als sein eigenes Quartier. Leise schlich er durch die Tür und schloss sie vorsichtig hinter sich. Ein paar Mal musste er gegen das grelle Licht blinzeln, bevor er sich in Bewegung setzte. Er wusste, dass er müde war, er konnte die Müdigkeit in seinem schmerzenden Kopf und seinen zitternden Gliedmaßen spüren, aber die Anspannung hielt ihn wach. Seine gereizte Energie schoss durch ihn hindurch und machte ihn ziemlich schreckhaft, als er den Flur zur Kantine hinunterging. Er war gereizt und angespannt und betete, dass ihm niemand begegnen würde, da er sich nicht sicher war, ob er seine Wut und Angst wirklich unter Kontrolle hatte.

Jack hatte seinen Blick auf seine Füße gerichtet, als er den Korridor entlang ging, auf dem Carters Labor lag. Aber er schaute nicht auf. Er ertrug es einfach nicht, es dunkel und verlassen zu sehen. Er erschauderte und hastig eilte er daran vorbei. Jemand würde es ausräumen müssen. Aber nicht er. Nicht jetzt.
 
Die Kantine war fast menschenleer, als er die Tür öffnete und eintrat, aber ihm war seine Umgebung ziemlich egal, als er sich grimmig einen Kaffee bestellte. Koffein war garantiert das Letzte, was sein Körper in seinem momentanen angespannten Zustand gebrauchen konnte, aber was kümmerte ihn das schon? Mit etwas Glück würde er innerhalb der nächsten Stunden nach P3X-382 zurückkehren und immerhin konnte der Kaffee ihn bis dahin wach halten. Er wollte sich grade an einen leeren Tisch setzen, als er Daniel und Teal’c leise redend an einem Tisch in der Ecke sitzen sah. Er zögerte für einen Moment, sich unsicher, ob er Gesellschaft wollte. Aber am Ende wusste er, dass er es brauchte. Von allen Menschen auf diesem Stützpunkt, war es sein Team, die den Verlust von Carter fast genauso stark empfanden, wie er selbst.

Daniel sah mit einem ausgemergelten und blassen Gesicht zu ihm auf, als er ihren Tisch erreichte. Er sah nicht so aus, als ob er auch nur ein Auge zugetan hätte. Teal’c schaute ausgezehrt aus, auch wenn es mehr Trauer als Müdigkeit war, die sich in seinen Augen widerspiegelte.

„Hey“, flüsterte Jack, als er einen Stuhl herauszog und sich setzte.

„Jack“, nickte Daniel. „Alles klar?“

Ein schlagfertiger Kommentar lag bereits auf seinen Lippen, aber schließlich sagte er nur die Wahrheit. „Nein. Bei dir?“

„Nein“, seufzte Daniel. „Ich denke immer wieder daran, dass es doch etwas geben musste, was ich hätte tun können… irgendeine Möglichkeit, die das verhindert hätte.“

Mit einem Schluck Kaffee schüttelte Jack den Kopf. „Mach nur so weiter und du zerstörst dich damit selbst“, sagte er seinem Freund. „Vertrau mir, ich weiß, wovon ich spreche.“

„Wenn ich doch nur ein Auge auf Tasha geworfen hätte…“, murmelte er, bevor er verstummte und besorgt zu Jack schielte. „Nicht, dass es vollkommen ihre Schuld war“, fügte er schwach hinzu.

Jack lächelte ihn gezwungen an. „Das denkt sie aber.“

Daniel nickte. „Das muss schwer für sie sein“, sagte er. „Und für dich.“

Indem Jack einen weiteren Schluck nahm, vermied er es ihm zu antworten. Deshalb durchbrach Teal’c die Stille. „Major Carter“, sagte er, „ist eine starke und einfallsreiche Kriegerin.“

Jack schaute zu ihm auf. Der Hinweis von möglichen Vermutungen in Teal’cs Stimme hatte seine Aufmerksamkeit erregt. „Das ist… war sie“, stimmte er ihm flüsternd zu.

„Bis wir ihren Körper nicht gefunden haben“, fuhr Teal’c fort und ließ Daniel zusammenzucken, „sollten wir nicht alle Hoffnungen aufgeben. Sie könnte immer noch am Leben sein.“

Ein qualvoller Stoß von Adrenalin schoss durch Jacks Brust, so dass seine Hand so stark zu zittern begann, dass er seine Tasse abstellen musste. Sie konnte immer noch am Leben sein…? Der Gedanke war so mächtig, er konnte nicht mehr atmen. Er hatte es nicht gewagt auch nur diese Hoffnung in sich aufkeimen zu lassen, aber wenn Teal’c auch so dachte… Er sammelte seine Gedanken wieder und drehte sich zu Daniel um. „Aber…“, sagte er vorsichtig, „diese Schlucht war ziemlich tief, oder? Ich meine, sie konnte den Sturz doch nicht… überlebt haben. Konnte sie doch nicht, oder?“

Daniel runzelte leicht verängstigt die Stirn. „Jack… ich glaube nicht. Ich meine, da unten gab es einen Fluss… aber… dass sie darin gelandet sein sollte, ist ziemlich unwahrscheinlich. Und die Brücke… Die Trümmer waren mit ihr hinunter gestürzt…“

„Aber gibt es eine Chance?“, beharrte Jack und schaute zwischen Daniel und Teal’c hin und her, während eine verzweifelte Hoffnung in seiner Brust wie wild zu schlagen begann. „Glaubst du, dass es noch eine Chance gibt?“

Teal’c beugte leicht seinen Kopf. „Es gibt immer eine Chance, O’Neill.“

Langsam nickte Jack und er spürte, wie so etwas, wie ein kleines Lächeln seine Lippen berührte. „Vielleicht ist sie ja von der Brücke gesprungen und im Fluss gelandet“, sagte er, während zahlreiche Möglichkeiten seinen Kopf durchströmten. „Oder es gibt irgendwo einen Felsenvorsprung… oder irgendwas anderes.“

„Warte“, sagte Daniel und berührte leicht seinen Arm. „Jack, bitte denk nach. Sogar, wenn sie den Sturz überlebt haben sollte – was sehr… unwahrscheinlich ist – ist sie jetzt schon wie lange dort draußen im Sturm?“ Er schaute hinunter auf seine Uhr. „Etwas über zwölf Stunden. Die Chancen sind…“

„Erzähl mir nichts von Chancen“, knurrte Jack. Er wollte die neu entdeckte Hoffnung nicht wieder aufgeben. „Teal’c hat recht. Wir reden hier immerhin von Carter. Bis wir keine Beweise finden, die das Gegenteil beweisen, gibt es eine Chance.“ Er stand auf, der Kaffee war vollkommen vergessen. „Wir müssen zurück. Sofort. Wenn sie wirklich noch am Leben ist, dann überlebt sie nicht lange in diesem Sturm.“
Plötzliche Wut loderte in ihm auf. „Verdammt, wir hätten nie von dort verschwinden sollen! Wir hätten sofort zurückgehen sollen. Wir hätten versuchen müssen…“

„O’Neill“, unterbrach Teal’c ihm, als er ebenfalls aufstand. „Wir hätten nicht bleiben können“, sagte er ernst. „Der Sturm war zu stark. Unsere Kleidung und Ausrüstung war unzureichend und SG-2, Daniel Jackson und Natasha Greene brauchten medizinische Versorgung.“

Jack runzelte die Stirn und in seinem Inneren stimmte er ihm zu. Nicht, dass ihn das besser fühlen ließ. „Niemand wird zurückgelassen…“, wiederholte er die Worte in einem Flüstern.

„Wir werden sie finden“, versicherte Teal’c ihm, als eine schwere Hand auf seiner Schulter zum Liegen kam. „Egal was auch passiert, wir bringen sie wieder zurück.“ Jack nickte nur, er war zu benommen, um zu sprechen.

Als Daniel aufstand, sah er zwischen den beiden hin und her. „Dann denke ich, sollten wir nachsehen, wie das Wetter auf P3X-832 ist.“


++++++++++


Schnee fegte inzwischen die Schlucht hinunter, wild getragen von dem Wind, der schon fast triumphierend über sie heulte. Die Flocken krallten sich an alles, an die senkrechten Felswände, die über ihr standen, an den Felsen unter ihr und an Sam selbst – ihre ungeschützten Hände und ihr Gesicht hatten einen Zustand weit hinter Taubheit erreicht, wahrscheinlich waren sie schon längst erfroren. Aber es war ihr egal. Sie konnte an nichts anderes denken, als sich zu bewegen, ein qualvoller Schritt nach dem anderen, als sie mit einem Bündel feuchten Holz unter ihrem Arm am felsigen Flussufer entlang humpelte. In ihrer anderen Hand hielt sie einen großen Stock, der ihr als sehr unschickliche und unbequeme Krücke diente, aber zumindest stand sie einigermaßen aufrecht und sie bewegte sich. Und solange sie sich bewegte, lebte sie – aber noch immer floss Blut durch ihre Adern, auch wenn sich eisig langsam anfühlte.

Aber es war hart. Der Schmerz in ihrem Gelenk war enorm, bei jeder Berührung mit einem Felsen schrie er auf. Und ihr Kopf schmerzte, verletzt durch ihr hilfloses Überschlagen und Treiben im Fluss. Jedoch gab es kein Blut und dafür war sie dankbar. Aber jeder Muskel tat ihr weh und sie war müde, so müde. Ihre Augen schlossen sich langsam, sie bettelten darum sich nur für einen Moment auszuruhen. Aber sie wusste, dass ihr das der Sturm einredete, das Flüstern der Kälte, damit sie anhielt, um sich auszuruhen, um einfach nur zu schlafen… und um nie wieder aufzuwachen.

Sie kämpfte sich weiter durch den Schnee, suchte die Wände nach einem Unterschlupf ab. Irgendwo musste es doch etwas geben, ein Aufschluss, eine Felsspalte, unter der sie sich zwängen konnte, um den Klauen des Sturmes zu entgehen und wenn sie Glück hatte, noch Feuer machen zu können. Plötzlich berührte ihre selbst konstruierte Krücke unebenen Boden und brach unter ihr weg. Mit einem kurzen Aufschrei fiel sie zu Boden und verdrehte ihren Fuß so stark, dass sie aufschrie. Und dann wurde aus dem Schrei ein Schluchzen, als der Schmerz etwas nachließ. Ihr war so verdammt kalt, sie war so allein. Und sie hatte solche Angst. Für einen Moment war sie versucht einfach dort liegen zu bleiben und der Erschöpfung sie endlich in den Schlaf zu und von dort aus ins Nichts zu wiegen. Sie hatte gehört, dass es eine schmerzfreie Art war zu sterben. So, als würde man einfach nur einschlafen.

Aber etwas in ihr rebellierte dagegen. Trotz des eisigen Sturmes loderte immer noch eine Flamme in ihr. Sam Carter gab nie auf. Sie hatte nie gesagt sterben zu wollen. Und so zwang sie sich dazu unter einem Schrei des Schmerzes und der Wut wieder auf ihre Beine zu klettern. Unter den Qualen biss sie ihre Zähne zusammen und musste sich weiter dazu zwingen, weiterzugehen. „Bescheuertes Miststück“, knurrte sie, als sie weiter humpelte und der Klang ihrer Stimme ihr etwas Trost schenkte. „Wenn ich… diese Frau… je wieder zu Gesicht bekomme…dann… bringe ich sie… um.“

Aber der Gedanke, wie sie das Leben aus Natasha Greene würgte, wurde plötzlich unterbrochen, als ihr Blick auf etwas in der Dunkelheit fiel – ein schwarzer Klecks gegen die verschneiten Felsen. Sam starrte darauf und kämpfte damit etwas auszumachen. Langsam schlurfte sie weiter und je näher sie kam, desto sicherer war sie sich, bis sie schließlich… „Ja!“, zischte. Vor ihr lag die Öffnung einer kleinen Höhle. Ein kleiner Wasserstrom floss heraus, aber Sam beachtete es gar nicht, als sie ihre Krücke gegen die Felswände drückte und auf ihre Knie fiel. Sie steckte ihren Kopf durch die Öffnung. Sie konnte nichts erkennen, aber als sie eine Hand ausstreckte und durch die Luft tastete, wusste sie, dass sie genug Platz hatte, um hineinzukriechen. Und genau das tat sie, als sie ihren mageren Vorrat an Feuerholz vor sich herschob. Es war eine unbeschreibliche Erleichterung dem heulenden Wind und dem wütenden Sturm für einen Weile zu entkommen. Sie hatte es geschafft. Sie hatte wieder eine Chance.

Aber ihre Freude war nur von kurzer Dauer. Sie erstarrte – schon fast wortwörtlich – und trotz ihrer äußerst optimistischen Ansammlung an feuchtem Feuerholz, hatte sie nichts, mit dem sie ein Feuer entfachen konnte. Ihre gesamte Ausrüstung befand sich in ihrem Rucksack, welchen sie abgesetzt hatte, bevor sie zur Brücke gegangen war. Alles, was sie bei sich trug, war ein Snickers, ein Paket Taschentücher und ein Taschenmesser. Oh, und jede Menge Munition. Wenn sie jetzt noch irgendwie das Schießpulver aus ein paar Hülsen bekommen könnte und ein Funken entfachen… Natürlich brauchte sie auch noch etwas um das Schießpulver anzuzünden.

Sie seufzte und rieb ihre tauben Hände gegeneinander. Es war zu dunkel, um irgendwas zu sehen und sie war erschöpft. So schön ein Feuer auch sein mochte, wusste sie, dass sie kaum eine Chance hatte, eines zu machen, wenn sie in vollkommener Dunkelheit getaucht war. Es konnte nicht mehr allzu lange bis zur Dämmerung dauern und immerhin war sie nicht mehr draußen im Sturm. Sie entschied sich auszuruhen und auf das erste Licht zu warten, bevor sie die Höhle verlassen würde. Als sie sich hinlegte, wickelte sie vorsichtig mit ihren Zähnen das Papier von dem halbgefrorenen Snickers und nahm nur einen Bissen. Und dann noch einen und zwang sich nicht dem Verlangen hinzugeben noch mehr zu essen. Sie würden den Rest für später aufbewahren. „Frühstück“, murmelte sie schläfrig. Noch während Sam den Geschmack von ihren Zähnen leckte, steckte sie ihre Hände unter ihre Arme und legte sich in eine Fötuslage, um so viel Wärme wie möglich zu speichern, als sie ihre Augen schloss. Sie wusste, dass sie innerhalb weniger Sekunden einschlafen würde – ob sie dann wieder aufwachte, war ein vollkommen anderes Thema.


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Von dem Kontrollraum aus schaute Tasha hinunter zum Stargate, wo Jack und sein Team erwartungsvoll darauf warteten, dass sich der Ereignishorizont etablierte. Es waren noch andere Soldaten bei ihnen, aber keinen, den sie kannte. Und sie alle trugen wetterfeste Kleidung, Schutzbrillen und auf ihrem Rücken einen schweren Rucksack. Bereit für alles.

Insgesamt konnte sie neun Mann zählen. Neun Männer, um den Körper ihrer gefallenen Kriegskameradin zurückzubringen. Die Frau, die sie umgebracht hatte. Der Knoten in ihrem Magen hatte sich nicht gelöst. Die Schuld schlummerte immer in ihr drinnen und sie wusste, dass sie sie bis zu ihrem Tode tragen würde. Aber als sie hinunter auf Jack schaute, drang ein anderes Gefühl an die Oberfläche. Er war bereits fort gewesen, als sie aufgewacht war. Das Letzte, was sie erwartet hatte, als sie zu ihm gegangen war, um sich zu bei ihm zu entschuldigen, war in seinem Bett zu enden. Aber seine Schmerzen waren so offensichtlich gewesen, dass sie ihm nur ihren Trost angeboten hatte und er hatte darauf mit einem wilden Verlangen geantwortet. Er hatte sie mit starken, schmerzenden Händen an sich gedrückt, sie schon fast wütend geküsst. Er hatte sie gebraucht und sie schämte sich zuzugeben, dass sie es genossen hatte. Er hatte *sie* gebraucht. Trotz dem, was sie getan hatte, hatte er bei ihr Trost gesucht. Sie lächelte leicht, als sich das Wurmloch etablierte.

Neben ihr sprach General Hammond mit düsterer Stimme. „SG-1 und SG-3, Sie haben grünes Licht. Bringen Sie sie nach Hause.“

Mit einem flüchtigen Winken führte Jack sein Team die Rampe zum Tor hinauf. Und sie beobachtete ihn mit einer neuen Zuversicht in ihrem Herzen. Er hatte sie gebraucht. Sie hatte ihm dabei geholfen die Trauer um Samantha Carter zu überwinden. Vielleicht hatten sie ja doch noch eine Chance.

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Obwohl der Sturm abgeklungen war, war es auf P3X-832 bitterkalt und hatte die Umgebung, die Natur in eine märchenhafte Winterlandschaft verwandelt. Als Daniel durch das Tor trat, umgab ihn in Schwaden sein eigener Atem. Vor ihm sah er, wie Jack sich etwas vom Tor entfernte und unverzüglich nach seinem Funkgerät griff. „Carter, hören Sie mich? Ende.“

Es kam keine Antwort, natürlich, und es war eine Qual für ihn die Enttäuschung auf dem Gesicht seines Freundes zu sehen. Er hatte nur wenige Hoffnung, dass sie Sam lebend finden würden, und hoffte inständig, dass Teal’c Jack mit seiner neuen Hoffnung nicht um den Verstand gebracht hatte. Es würde alles nur noch schlimmer machen, wenn sie sie finden würden. Er seufzte, als er hörte, wie SG-3 durch das Tor kamen und die Kälte des Torreisens abschüttelten, nur um von einer noch bitteren Kälte empfangen zu werden. Es war verdammt kalt – es gab keine Möglichkeit, wie Sam die Nacht überlebt haben könnte. Niemals. Aber ein Blick auf Jacks grimmiges Gesicht verriet ihm, dass er seine brüchige Hoffnung nicht aufgeben würde, egal wie unrealistisch sie auch sein mochte.

„Okay“, bellte Jack in dem Moment, in dem der letzte Mann durch das Tor geschritten kam. „Wir gehen wie gewohnt vor. Wir wissen, wo Major Carter gestürzt ist, also wird SG-1 diese Umgebung absuchen. Aber wenn sie den Sturz überlebt haben sollte, dann könnte sie versucht haben vom Berg wieder herunterzukommen. Deswegen will ich, dass jeder Zentimeter abgesucht wird. Verstanden?“

Einheitlich antworteten sie und mit einem knappen Nicken machte sich Jack auf den Weg zum Berg, dicht gefolgt von Daniel und Teal’c. Daniel hoffte nur, dass Jack wusste, wohin er sie führte, denn in diesem neuen Winterwunderland hatte er bereits vollkommen seine Orientierung verloren.


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Sie brauchten einen guten halben Tag, bis sie die Ruinen erreicht hatten und während ihres gesamten Weges, verfluchte Jack ihr langsames Vorankommen. Aber der Schnee und das Eis machten ihre Reise noch schwieriger als zuvor und so war er gezwungen gewesen ihr Tempo zu drosseln. Aber schließlich hielten sie an und Daniel stand schwer ein und ausatmend neben ihm.

„Ne ganz schöne Aufwärtssteigung“, keuchte er und holte tief Luft.

Jack nickte nur. „Wohin?“, fragte er und begutachtete die verschiedenen Felsvorsprünge, die sie umgaben.

Daniel beglückwünschte ihn mit einem unverständlichen Blick, als er seinen linken Arm hob. „Über diesen Hügel“, sagte er leise, aber Jack überhörte nicht die Furcht in seiner Stimme und er verzog sein Gesicht.

Schon bald würden sie Sicherheit haben und der Gedanke Carters kalten, verdrehten Körper am Fuße der Schlucht zu finden, war etwas, an das er nicht denken wollte. „Zeig uns den Weg“, sagte er und sah ihn Daniels besorgte Augen. Sie teilten einen Moment der Angst und Furcht, aber er verstrich und Entschlossenheit machte sich erneut Platz. „Wir müssen sie nach Hause bringen“, sagte Jack mehr zu sich selbst, als zu den beiden anderen. Daniel nickte und sie setzten schweigend ihren Weg fort.

Es dauerte nicht lange und sie kamen zu der Stelle, wo einst die Brücke gestanden hatte. Einige der hölzernen Überreste wehten erbärmlich im starken Wind, der durch den Berg peitschte. Jack schaute über die Schlucht hinweg – es war wunderschön. Schnee glitzerte in der kalten Luft und leichter Nebel umgab die Ruinen, die auf einer felsigen Insel mitten in der Schlucht standen. Es war wunderschön und kalt und Jack spürte, wie sich etwas um sein Herz herum zusammenzog, als er sich hinkniete, und begann die Überbleibsel der Brücke zu untersuchen. Für einen Moment starrte er einfach nur auf das Holz und das Seil. Dann zog er seine Handschuhe aus, um es anzufassen, so, als ob er dadurch irgendwie Carter erreichen konnte. Sie war hier gewesen. War hier wahrscheinlich gestorben. Seine Kehle schnürte sich kurzzeitig zusammen, aber er spürte die Gegenwart von Daniel und Teal’c hinter sich und das brachte ihn wieder zurück. Er hatte eine Mission und da gab es keinen Platz für persönliche Gefühle. Und so hob er willentlich seinen Blick und schaute hinunter in die Schlucht, er widerstand seiner Reaktion zusammenzucken bei dem möglichen Anblick. Aber alles, was er sehen konnte, war Schnee und der fließende Fluss mit seinen schneeweißen Schaumkronen. Dort lag kein verdrehter Körper. Nicht ein Zeichen von ihr. Und er konnte nur noch sehr wenige Überreste der Brücke erkennen. Offensichtlich wurden sie vom Fluss davon gespült. Vermutlich genau wie Carter.

Jack biss seine Zähne zusammen und stand auf. „Wir müssen dort runtergehen“, entschied er und drehte sich zu seinem Team um. „Teal’c, du und ich, wir werden runterklettern. Daniel, du bleibst hier.“ Daniel öffnete in Protest seinen Mund, aber Jack ging ihm dazwischen. „Jemand muss uns führen und, wenn wir Probleme bekommen sollten, dann hol Hilfe.“

Und das war es. Einmal in seinem Leben wusste Daniel, wann er seinen Mund halten und einen Befehl befolgen sollte. Mit minimalen Aufhebens und maximaler Arbeitsleistung bereiteten Teal’c und Jack ihre Ausrüstung vor, die sie für den Abstieg gebrauchen würden und schon viel früher, als er gehofft – oder befürchtet – hatte, hing Jack stark schwankend an den Felswänden. Der Abstieg dauerte gute fünf Minuten und mit jedem weiteren Ruck nach unten konnte er das Bild, wie Carter diesen ganzen Weg hinuntergestürzt war, nicht aus seinem Kopf vertreiben. Er versuchte trotzdem diesen Gedanken beiseitezuschieben und richtete seine Aufmerksamkeit auf das, was er hier tat. Als er fast am Fuße der Schlucht angekommen war, verlangsamte er den Abstieg, bis er wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Einmal angekommen löste er sich aus seinen Sicherungen und griff nach seinem Funkgerät. „Daniel, hörst du mich? Ende.“

„Klar und deutlich, Jack“, kam die gezischte Antwort. „Alles in Ordnung?“

O’Neill schaute zu Teal’c hinüber, der in diesem Moment ein paar Meter neben ihm auf dem Boden kam. „Ja, wir sind unten.“ Er legte eine kurze Pause an und sah sich halb hoffend, halb verängstigt die felsige Umgebung an. „Kein Anzeichen von ihr.“

Daniels Funkgerät klickte. „Wenn sie in den Fluss gefallen ist, dann könnte sie flussabwärts sein.“

„Ja, verstanden. Immer schön die Augen offen und die Ohren gespitzt halten, Daniel. Sobald es nur ein Anzeichen eines weiteren Sturmes gibt, dann lass es uns wissen.“

„Mache ich“, kam die Antwort. „Und viel Glück, Jack.“

O’Neill nickte, obwohl Daniel ihn nicht sehen konnte. „Ich halte dich auf dem Laufenden“, sagte er. „O’Neill, Ende.“

Als sich Jack umdrehte, sah er Teal’c, wie er nachdenklich auf die schneebedeckten Felsen starrte. Jack hielt neben ihm an und schaute auf den vorbeirauschenden Fluss. Er war weiß und schaumig, wo er über Stromschnellen hetzte; nur etwas abwärts von der Stelle, wo einst die Brücke gehangen hatte. Wenn Sam ins Wasser gefallen war, dann war es alles andere als angenehm gewesen. Gott… Plötzlich war er überwältigt von dem Verlangen ihr Gesicht noch einmal zu sehen. Er konnte einfach nicht die mögliche Tatsache akzeptieren, dass das eiskalte Wasser sie verschluckt haben könnte, sie von ihm gerissen hatte und irgendwo auf diesem eisigen Planeten sterben ließ. Er musste sie finden. Was auch passieren mochte, er musste sie finden und zurück nach Hause bringen, wo es warm war.

„O’Neill“, sagte Teal’c und holte ihn aus seinen Gedanken. „Wir müssen mit der Suche beginnen.“

„Ja“, stimmte er ihm zu und wandte seinen Blick von dem Fluss ab und schaute stattdessen in das düstere Gesicht seines Freundes. „Ich sehe flussabwärts nach und du flussaufwärts – nur für alle Fälle. Halt mich auf dem Laufenden.“

Teal’c nickte. „Das werde ich“, stimmte er zu. Und dann beugte er seinen Kopf leicht zur Seite. „Wenn Major Carter den Sturz überlebt haben sollte, dann ist es wahrscheinlich, dass sie ich einen Unterschlupf gesucht hat. Wir sollten unsere Aufmerksamkeit besonders auf die Felswände richten – sie könnte irgendwo dort Zuflucht gefunden haben.“

„Ja, gut“, stimmte Jack zu und begrüßte den entschlossenen Optimismus seines Freundes. „Ich werde jeden Zentimeter absuchen.“

„Genau wie ich.“

Und mit einem letzten Nicken, das keiner weiteren Worte bedarf, um ihre geteilte Entschlossenheit zu verdeutlichen, machten sie sich in verschiedene Richtungen auf.


+++++++

Schmerz weckte sie und zerrte sie widerwillig zurück in die kalte Realität. Benommen schaute sie über den kantigen Boden der Höhle hinaus in eine Welt aus Schnee. Alles, was sie sehen konnte, war weiß und sie war zu kalt, um sich bewegen, zu müde, um irgendwas anderes zutun, als einfach nur auf dem kalten, harten Boden zu liegen und zu warten – auf Rettung oder auf den Tod, was auch immer zuerst kam.

Ihr halb gegessenes Snickers lag direkt neben ihr, aber der Hunger war schon lange versiegt und die Bemühung sich zu bewegen und es zu essen, war zu anstrengend für sie. Es war einfach zu viel. Irgendwo, im hintersten Teil ihres Kopfes, schrie eine Stimme sie an, dass sie sich bewegen und versuchen sollte ein Feuer zu machen, überhaupt irgendwas zu tun… Aber sie ignorierte sie. Sie war zu müde, ihr war zu kalt. Alles, was sie wollte, war ihre Augen zu schließen und sich wieder in der dunklen Vergessenheit zu verlieren. Ihr war noch nie so kalt gewesen, noch nicht einmal, als sie in der Antarktis gefangen gewesen war. Aber dort war sie auch nicht allein gewesen.

Als sie daran zurückdachte, erkannte sie, dass dies der Augenblick war, wo alles begonnen hatte. Sie hatte ihn gesehen, wie er dem Tode so mutig gegenüberstand, wie er trotz seiner eigenen Schmerzen damit gekämpft hatte ihren Lebenswillen zu unterstützen. Das hatte ihr den wahren Menschen hinter seiner Tapferkeit gezeigt. Sie war so verdammt stolz auf ihn, so beschämt über ihr eigenes Versagen gewesen. Aber nicht dieses Mal. Diesmal war sie diejenige, die die Heldin spielen und dafür den Preis zahlen musste – sie hatte ihm Tasha zurückgebracht. Sie hatte ihm versprochen, dass sie sich um sie kümmern würde und das hatte sie auch getan. Und das wirklich Lustige an der ganzen Sache war, sie gönnte sich den Preis, den sie dafür bezahlte. Sogar noch paralysiert von der Kälte, während sie den greifenden Krallen des Todes immer näher rückte, bereute sie nicht das, was sie getan hatte. Sie liebte ihn und sie hatte ihm seine Chance zum Glück zurückgegeben. Was konnte sie sonst noch für ihn tun?

Ihre Gedanken schwirrten wie in einem Traum durch ihren Kopf und zogen sie immer weiter von der Realität weg. Und sie folgte ihnen auf dieser verschwommene Straße der Erinnerungen – als sie lachte und ihr noch warm war. Sie ließ die harte Realität zurück, um Frieden in dem sanften Vergessen des Todes zu finden.

+++++++++

Jack marschierte mit raschem Tempo, er erlaubte sich nicht einmal zu trödeln. Seine Augen überflogen den Boden, das Flussufer, die Felsen am Fuße der Felswand und suchten nach nur dem kleinsten Hinweis. Aber je weiter er ging, desto mehr sank sein Herz. Wie weit konnte sie von der Strömung den Fluss hinunter gespült worden und noch immer am Leben sein? „Komm schon, Carter“, murmelte er zu sich selbst, „gib mir irgendeinen Hinweis.“

Und plötzlich stand er wie angewurzelt da, als die Worte seinen Mund verließen und er etwas sehr vertrautes im Schnee begraben liegen sah. Er taumelte nach vorne und beugte sich nach unten, um den Carter großen Stiefel aus dem Schnee zu ziehen. Sein Herz schlug wie wild, als er den Stiefel anstarrte und sich fragte, was das nur zu bedeuten hatte. Man verlor nicht einfach so irgendwelche Stiefel. Auf gar keinen Fall. Das war einfach unmöglich. Also bedeutete das… Sein Magen drehte sich um, als er nach seinem Funkgerät griff. „Daniel… ich habe einen von Carters Stiefeln gefunden. Ich glaube, sie hat es lebend aus dem Fluss geschafft.”

Es ertönte ein Rauschen und dann ein: „Danke Gott! Schon irgendwelche Anzeichen von ihr?“

Jack sah sie hastig um. „Nein. Nichts. Ich gehe weiter flussabwärts. O’Neill, Ende.“

Irgendwas in ihm wehrte sich dagegen den Stiefel wieder fallen zu lassen und so befestigte er die Schnürbänder an seinem Rucksack. Mit jedem Schritt schlug der Stiefel gegen seine Seite. Sein Herz pochte wild in seiner Brust und unweigerlich verdoppelte sich dadurch sein Tempo – sie hatte überlebt! Sie hatte den Sturz überlebt, und wenn sie schon das überleben konnte, dann… was? Er runzelte mit der Stirn, als die Euphorie in ihm langsam abflachte. Es musste einen Grund dafür geben, warum sie ihren Stiefel ausgezogen hatte und das Einzige, was für ihn einigermaßen Sinn ergab, war, dass sie verletzt sein musste und ihn somit nicht mehr tragen konnte. Was wiederum bedeutete, dass sie bereits seit gut vierundzwanzig Stunden hier draußen verletzt und vom Fluss durchnässt irgendwo war. Die Chancen, dass sie immer noch lebte, waren… gering. Er wusste das. In seinem Kopf wusste er es, aber in seinem Herzen war die Hoffnung noch nicht erloschen – schon fast so, als ob es etwas wusste, was er nicht tat.

Trotz seines zunehmenden Tempos versuchte er mit seinem Blick alles auf einmal aufzunehmen. Es gab keinen Pfad, dem er folgen konnte. Der Schnee war dafür noch zu neu, aber er wusste – er wusste es einfach – dass sie hier ganz in der Nähe sein musste. Wie weit konnte sie mit einem verletzten Fuß oder Bein gekommen sein? „Carter!“, schrie er plötzlich laut aus; seine Stimme echote laut gegen den Wänden. „Sam!“

Nichts.

Und dann… was war das? Er blieb wie angewurzelt stehen und sein Blick war starr auf etwas gerichtet. Ein Stock lehnte gegen die Wand. Im Grunde war daran nichts Ungewöhnliches, nur, dass es schon fast zu gestellt aussah, als dass es natürlich wäre – so als hätte ihn jemand dort vergessen. Langsam ging er darauf zu, seine Augen auf den hölzernen Gegenstand gerichtet, bis er bemerkte, dass er nicht das ganze Bild sah. Neben dem Stock klaffte ein kleines, schwarzes Loch – eine Höhle.

Sein Herz machte einen schmerzhaften Aussetzer und er wusste mit absoluter Sicherheit, dass er sie gefunden hatte. Aber in diesem Moment konnte er sich nicht bewegen. Sie war dort drinnen, aber was würde er vorfinden? Was, wenn er bereits zu spät war? Was, wenn sie auf Rettung gewartet und er sie in Stich gelassen hatte…? Bei dem Gedanken daran hörte sein Herz auf zu schlagen, aber trotz seiner eisigen Angst, begann er zu rennen und fiel in dem Moment auf die Knie, in dem er die Höhle erreicht hatte. Schnell griff er nach seiner Taschenlampe. Er schien hinein und der Atem blieb ihm im Halse stecken, als er ihr milchiges Gesicht sah und bemerkte, dass sie es grade mal in die Höhle geschafft hatte. Ihre blauen Lippen waren leicht geöffnet und ihre Augen geschlossen. Eingerollt wie ein Ball lag sie auf dem kalten, harten Boden. Neben ihr lag ein erbärmlicher Holzhaufen – unberührt von der Flamme – und die Reste eines Schokoriegels, der nur wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt lag. „Carter“, flüsterte er, als er spürte, wie heiße Tränen in seine Augen stachen. Er war zu spät. „Bitte…“

Und plötzlich erwachte er aus seiner Starre und schnallte seinen Rucksack von seinem Rücken, sodass er durch den schmalen Eingang passte und zu ihr kriechen konnte. „Carter“, versuchte er es erneut. Er streckte seine Hand aus und berührte ihre Haut – sie war eiskalt. „Komm schon, Carter“, beschwor er sie, „komm schon…“ Er zog seine Handschuhe aus und tastete sich zu ihrem Hals vor, um nach einem Hauch von Leben in ihr zu suchen. „Bitte, Sam“, flüsterte er. „Tu mir das nicht an. Tu mir…”

Puls.

Er schnappte nach Luft.

Puls… Puls… Langsam, schwach… ein Puls rührte sich unter seinen Fingern… Sie war am Leben.

„Ja“, hauchte er. Seine Stimme war mit all denen Emotionen geladen, die wie eine Flut der Erleichterung durch seinen Körper fuhr. „Oh danke, Gott“, murmelte er und war nur froh, sie hier zu haben… sie lebte…. Zum ersten Mal, seit Daniel von dem Unfall erzählt hatte, spürte auch er wie das Leben langsam in ihn zurückkehrte. Die Welt erstrahlte von schwarz zu weiß und dann in kunterbunt. Er musste sie hier rausholen, zurück zum Tor bringen. Aber zuerst musste er sie wärmen.

Als er seine Hand von ihrem Hals nahm, tastete er schnell ihren Körper nach gebrochenen Knochen ab, bevor er sie bewegte. Ihr linkes Fußgelenk war geschwollen und stiefellos. Es war offensichtlich, dass es gebrochen war, aber davon abgesehen, schien ihr sonst nichts zu fehlen. Und wenn sie es schon so weit geschafft hatte, dann dachte er sich, dass es einigermaßen sicher war, sie zu bewegen. Er krabbelte zurück zum Eingang der Höhle und zog seinen Rucksack ins Innere. Hastig zog er eine Thermodecke heraus und legte sie auf den Boden, bevor er Carter vorsichtig darauf rollte. Aber als er sie bewegte, da merkte er erst, wie kalt und nass ihre Kleidung war und er wusste instinktiv, dass er sie entfernen musste. Er zögerte einen Moment und schallte sich dann selbst für seine Dummheit und begann sie ausziehen. Sie würde nie warm werden, wenn er es nicht tun würde und das war eines der ersten Dinge, die sie ihnen im Falle einer Unterkühlung beigebracht hatten. Und musste er zugeben, gab es nichts, was im Moment unprofessionell erscheinen würde – die Kälte brachte sie fast um und er tat nur das, was er tun musste, um sie zu retten.

Er zog sie bis auf ihre Unterwäsche aus und da stoppte er… okay, vielleicht gab es ein Limit für seine Professionalität. Hastig zog er ihr seinen Ersatzpullover über den Kopf und zog es über ihre Brust und Arme, bevor er den Rest von ihr in die Thermodecke einwickelte. Dann griff er nach seinen Schlafsack. Die nasse Kleidung zu entfernen war das Erste, was sie einem im Falle einer Unterkühlung beigebracht hatten, das Zweite, war es Körperwärme zu teilen. Er wusste, dass er gar keine andere Wahl hatte und mit einem merkwürdigen Gefühl der Befangenheit, schnürte er sich seine Stiefel mit einer Hand auf, während die andere nach dem Funkgerät suchte. „Daniel!“, rief er aufgeregt. „Kannst du mich hören?“

„Ja…“, kam die Antwort, jetzt noch schwacher, als zuvor.

„Ich habe sie gefunden!“, grinste Jack. „Sie ist am Leben! Ich brauche hier sofort ein Ärzteteam. Sag ihnen, dass sie unterkühlt ist und ein gebrochenes Fußgelenk hat. Hast du das verstanden?“

Jack konnte schwören, dass er den erleichterten Schrei von den Klippen hören konnte. „Schon auf dem Weg, Jack!“, antwortete Daniel hastig. „Halte nur durch… halte durch! Halt sie warm!”

„Beeil dich nur“, antwortete Jack, als er das Funkgerät beiseitelegte, seine Stiefel auszog und seine Jacke öffnete. Dann schob er Sams eingerollten Körper in den Schlafsack und bemerkte kaum den bläulichen Ton ihrer langen Beine, die dringend gewärmt werden mussten. Als sie erst einmal drin war, atmete er kurz durch und schaute erneut auf ihr blasses, lebloses Gesicht. So kalt. Aber am Leben – er hatte eine zweite Chance. Danke Gott.

Dann kletterte er ebenfalls ganz vorsichtig, darauf bedacht ihr verletztes Gelenk nicht irgendwie zu berühren, neben ihr in den Schlafsack. Er schlang einen Arm um ihren Rücken und zog sie sanft auf ihn drauf, in der Hoffnung, dass sie so nicht noch zusätzlicher Kälte vom Boden ausgesetzt war. Ihr Kopf legte sich schwer auf seine Brust, aber er konnte die leichten Atemzüge gegen seinen Hals spüren und mit jedem weiteren Zug, wusste er, dass sie lebte.

Er zog seine Arme eng um sie herum und drückte sie an sich – vielleicht etwas enger, als unbedingt notwendig war, aber das war ihm im Augenblick ziemlich egal. Nur Stunden zuvor, Minuten zuvor, hatte er noch gedacht, dass er sie für immer verloren hätte und jetzt lag er hier auf dem kalten Boden mit Carter in seinen Armen. Sie war ihm so nah, dass er ihre Kälte spüren konnte, nasses Haar lag an sein Gesicht gedrückt. Sanft fuhr er mit seiner Hand über ihren Rücken, streichelte sie und schenkte ihnen beiden Trost, ihr und ihm selbst. „Alles wird wieder gut“, flüsterte er ihr zu, als er mit seiner anderen Hand eine nasse, eisige Strähne von ihrer Stirn strich. „Alles wird gut. Bald werden sie hier sein. Alles wird wieder gut. Es geht nach Hause, Carter. Es geht nach Hause…”


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Das erste Mal, als Sam aufwachte, war der Schmerz noch immer da, aber da war noch etwas. Ein neues Gefühl, eines, an das sie sich kaum erinnern konnte, wie ein Schatten aus ihrer Erinnerung… Wärme… Sams Augen flogen leicht auf. Sie war noch immer in der Höhle, aber etwas war anders. Geschwächt versuchte sie ihren Kopf zu heben, nur um zu spüren, wie ihr etwas Widerstand leistete. Für einen kurzen Augenblick geriet sie in Panik, bis sie eine leise Stimme hörte. „Sam?“ Verwirrt und noch immer desorientiert versuchte sie sich zu bewegen, aber die Anstrengung ließ nur wieder den Schmerz in ihren Fuß auflodern und sie zuckte zusammen. „Shh“, sagte die Stimme erneut. „Bewegen Sie sich nicht. Ist schon okay. Alles wird wieder gut.”

Es hörte sich an wie der Colonel.

Sie hob leicht ihren Kopf, nur um in das Gesicht von O’Neill zu schauen. Sie schien auf ihn draufzuliegen. „Was…?“, fragte sie und sah sich um, um all das zu verstehen.

„Ich habe Sie“, flüsterte er sanft. „Legen Sie sich hin und ruhen Sie sich aus. Sie sind in Sicherheit. Alles wird wieder gut.“

Sie machte, was er ihr sagte. Ihr war zu kalt und sie war zu erschöpft, um irgendwas anderes zu machen und dann spürte sie, wie sich sein Griff um sie festigte. Langsam schloss sie wieder ihre Augen. Sie war sich nicht sicher, ob dies nur ein Traum war oder nicht, ob dies die Realität oder nur eine Wahnvorstellung war. Aber egal, ob es nun echt war oder nicht, das Gefühl so nahe gehalten zu werden, spendete ihr trotz der Kälte in ihrem Körper und dem Schmerz in ihrem Fuß, Trost. Sie spürte, wie sie sich bei den Gedanken an diesen Traum entspannte und erneut in die Dunkelheit abtauchte. Aber diesmal glaubte sie Worte zu hören, die ihr folgten, ihr ein Anker für das Leben waren. „Ich habe dich, Sam“, sagten sie ihr leise, als eine warme Hand über ihre kalte Wange strich. „Ich habe dich…“


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IIm Torraum herrschte absolutes Schweigen, obwohl er mit einer unglaublichen Anspannung gefüllt war, als General Hammond auf das Stargate starrte. Am Fuße der Rampe stand Doktor Fraiser mit ihrem Team und einer ganzen Ansammlung von Ausrüstung und Thermodecken bereit. Ihr Gesicht war ausdruckslos, entschlossen und professionell. Nur ihre Augen zeigten ihm ihre Mischung aus Hoffnung und Angst, die sie alle teilten. Carter lebte… wenn auch nur knapp. Gegen jegliche normalen Überlebenschancen hatte sich diese unbezwingbare Frau so lange an ihr Leben geklammert, bis ihr Team sie nach Hause bringen konnte. Sein Herz füllte sich mit unglaublichem Stolz und Hoffnung – und Angst, dass sie trotz allem doch zu spät waren. Er verengte seine Augen und starrte auf das Tor, so, als ob er versuchen wollte durch pure Gedankenkraft es zum schneller Drehen zu bringen, um die Männer und die eine Frau nach Hause zu bringen, auf die sie alle gewartet hatten…

Und als ob es auf seinen stummen Befehl antworten würde, begann die blaue Oberfläche zu flackern und Daniel Jackson - vergraben in seiner Kleidung – trat auf die Rampe. „Wir haben sie!“, rief er aufgeregt und ging schnell an die Seite, als O’Neill und Ferretti folgten, die Carter unter einen Berg von Decken auf einer Trage durch das Tor trugen.

O’Neills Blick fand sofort den von Fraiser und in diesem stillen Moment der Kommunikation, rannte der Doktor die Rampe hinauf. Sie durchwühlte praktisch die ganzen Decken, um Sams Gesicht zu sehen zu können. Hammond ging einen Schritt vor, aber niemand hatte Zeit für ihn und das Letzte, was er wollte, war im Weg der Ärzte zu stehen. „Ich habe versucht sie gut wie möglich warmzuhalten“, erklärte er, als er Carter die Rampe hinunter trug. „Sie war bewusstlos, nur einmal ist sie kurz zu sich gekommen… bin mir nicht sicher, ob sie überhaupt irgendwas mitbekommen hat.“

„Hat sie Sie erkannt?“, fragte Fraiser, als sie sich über Sam beugte, nachdem O’Neill und Ferretti die Trage auf den Boden gestellt hatten. Sie begann damit Carter von den Schnallen zu lösen.

„Nein… ich weiß es nicht“, kam die Antwort. „Sie hat gefragt, was los ist und ist dann wieder eingeschlafen.“ Er verstummte kurz und sah dann besorgt zum Doktor. „Oder wie immer man diesen Zustand nennen kann.“

Fraiser nickte nur. „Wenn sie schon bei Bewusstsein war, dann ist das ein gutes Zeichen. Wie lange genau, war sie jetzt dort draußen?“

„Vierunddreißig Stunden“, antwortete O’Neill. Die anderen Ärzte kamen jetzt an seine Seite und er ging offensichtlich etwas widerwillig zur Seite. Sein Blick klebte förmlich auf dem blassen Körper seiner Freundin. Jetzt, wo die Decken entfernt waren, konnte Hammond das erste Mal einen richtigen Blick auf Carter werfen. Ihre Haut war weiß, schon fast durchsichtig. Ihre Lippen blau und ihr Finger und Zehen sahen schon fast abgestorben aus. Sie trug nur einen großen Pullover und sie sah so extrem verletzlich aus. Er musste bei diesem Anblick seine Zähne zusammenbeißen. Einmal mehr kamen seine väterlichen Gefühle durch und er konnte sie einfach nicht unterdrücken. „Sie war vollkommen durchnässt“, sagte O’Neill in einem Flüstern und die Ärzte verluden Carter auf eine fahrbare Trage. Ihr Kopf rollte leicht zur Seite und Hammond sah, wie O’Neill bei diesem Anblick zusammenzuckte und schon fast zu ihr gelaufen wäre, aber es sich dann doch anders überlegte. „Ich habe versucht sie zu wärmen, aber sie war so kalt. Durchnässt… fast erfroren…“

Für einen kurzen Augenblick legte Fraiser mitfühlen eine Hand auf seinen Arm. „Sie haben alles richtig gemacht, Sir“, versicherte sie ihm. „Wir werden sie jetzt erst einmal aufwärmen und von da sehen wir dann weiter.“

Und damit verschwand sie, warf wie der General im Höhepunkt einer Schlacht mit Befehlen um sich. Nachdem die Türen hinter ihr schlossen, sackte O’Neill sichtlich zusammen. Er nahm seine Kappe von seinem Kopf und ließ sich auf den Fuß der Rampe fallen. Hammond beobachtete ihn einen Moment, bevor er sagte: „Gute Arbeit, Sohn.“

Der Colonel reagierte nicht sofort darauf, aber schließlich hob er seinen Kopf und sah ihn mit einem niedergeschlagenen Blick an. „Denken Sie?“, murmelte er mürrisch.

„Sie haben ihr Leben gerettet“, erinnerte ihn Hammond und war von O’Neills trüber Stimmung etwas überrascht.

Er nickte. „Dieses Mal schon.“

Oh, darum ging es also. Die Sterblichkeit. „Das ist auch das einzige Mal, was zählt“, sagte er etwas sanfter. „Jetzt gehen Sie und wärmen sich auf“, fügte er hinzu und schaute zu Jackson und Teal’c auf, die noch immer auf der Rampe standen. „Und wir können Gott danken, dass Sie sie rechtzeitig gefunden haben.“

Langsam nickend stand O’Neill auf. „Das habe ich bereits getan, Sir“, versicherte er ihm mit einem Flüstern. „Aber…“ Er seufzte und schüttelte nur den Kopf. Hammond runzelte die Stirn. Das, was er sah, beunruhigt ihn. Jack war normalerweise immer der Erste, der nach einer Krise wieder rasch auf den Beinen war und da Carter noch nicht aus dem Gröbsten raus war, war diese Versonnenheit ziemlich ungewöhnlich. Er fragte sich, was es zu bedeuten hatte und er fürchtete sich vor dem, was es vielleicht bedeuten könnte… Jack hatte diesen Blick in seinen Augen, der seine Prioritäten neu geordnet hatte.

Als Teal’c die Rampe hinunter kam, legte er eine schwere Hand auf O’Neills Schulter. „Wir müssen uns beeilen“, sagte er und setzte seinen Freund in Bewegung. „Wir sollten fertig sein, um Major Carter zu begrüßen, wenn sie wieder bei Bewusstsein ist.“

Ein Hauch eines Lächelns zeichnete sich auf Jacks Lippen ab, als er ihnen folgte. „Ja“, sagte er mit einem leichten Schauer, „das sollten wir.“

Hammond beobachtete sie schweigend, als sie den Torraum verließen. Seine anfängliche Freude, als er von Carters fast sicherer Rückkehr erfahren hatte, bekam jetzt von O’Neills beunruhigendem Verhalten einen massiven Dämpfer. Er wusste genug über die zweideutige Beziehung von Jack zu Carter, dass dieser Beinaheverlust so etwas wie eine Offenbarung in diesem Mann ausgelöst haben könnte. Er hoffte nur, dass die Air Force und das SGC daraus nicht die Konsequenzen ziehen mussten.


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Gähnend saß Janet in ihrem Büro und griff nach ihrer Kaffeetasse, als sie sich in ihren Stuhl zurücklehnten und auf die ruhige Krankenstation hinausschaute. Sam war ihre einzige Bewohnerin. Langsam erreichte Sam wieder ihre normale Körpertemperatur, aber bisher war sie immer noch bewusstlos. Janet hatte die meisten der Besucher davongejagt, aber O’Neill blieb hartnäckig, so dickköpfig und kompromisslos wie ein Stein. Sie beobachtete ihn durch das gedämpfte Licht, als er an ihrer Seite saß, mit seinen Ellbogen auf seinen Knien abgestützt, während seine Hand mit einem Gegenstand spielte, den sie nicht sehen konnte. Ein Kugelschreiber vielleicht? Er war tief in Gedanken verloren. Und sie fragte sich, über was er grübelte, als er schon fast im Wachkoma dasaß. Er hatte so gut wie nichts mehr gesagt, seit ihrem letzten Informationsaustausch im Torraum. Daniel hatte gleich eine ganze Lawine von Fragen losgetreten, als er ihr früher einen Besuch abgestattet hatte, aber O’Neill war so schweigsam wie Teal’c. Er beobachtete sie einfach nur mit einem erschreckend angestrengten und undurchschaubaren Blick.

Und sogar jetzt, wo er alleine mit ihr war, bewegte er sich nicht. Sie wusste, wie tief seine Gefühle für Sam waren – wenigstens bis zu einem gewissen Punkt – und Janet wäre nicht überrascht gewesen, wenn er seine Hand ausgestreckt hätte, um sie zu berühren. Aber er tat es nicht, er saß einfach nur an ihrer Seite, wie eine konstante Präsenz, verloren in seine eigenen Gedanken. Sie seufzte und hob ihren Blick, als sie aufstehen wollte, um Sams Vitalzeichen zu überprüfen, aber ein leises Klopfen an ihrer Tür überraschte sie. Es war bereits weit nach Mitternacht. „Herein“, sagte sie leise und fuhr sich in einem halbherzigen Versuch über ihre Haare.

Als sich die Türen öffneten, war sie überrascht Tasha Greene zu sehen. Sie schaute mit weit aufgerissenen, dunklen und neugierigen Augen in Richtung Janet. Und mit einem Hauch von Ärger, dachte sie.

„Hi“, begrüßte die Frau sie und schaute sofort in die Krankenstation, wo O’Neill saß. Ihr Gesicht spannte sich leicht an, aber sie schaffte es zu lächeln, als sie sich zurück zu Janet umdrehte. „Ich dachte, dass ich mal vorbeischaue, um zu sehen, wie es Sam geht.“

Janet zog eine Augenbraue hoch, sie war sich nicht wirklich sicher, dass Sam das Objekt des Interesses dieser Frau war. Und doch waren diese persönlichen Angelegenheiten nicht ihre Sorge, also antwortete sie mit einer professionellen Kühle in der Stimme. „Das ist nett von Ihnen. Wir wärmen sie noch immer auf, aber sie spricht gut darauf an und ist außer Lebensgefahr. Ihre Zehen waren erfroren, aber ich erwarte eine volle Genesung.“

Tasha lächelte erleichtert. „Danke Gott“, seufzte sie und für einen Moment bereute Janet ihrer anfänglichen und irgendwie lieblosen Beurteilung ihrer Motive. „Ich weiß einfach nicht, wie ich damit hätte leben können, wenn sie wirklich gestorben wäre.“

„Nein“, antwortete Janet vorsichtig, „es wäre ziemlich hart gewesen – für alle von uns. Sam ist ein wichtiges Mitgliedes unseres Teams hier.“

Tashas Blick verhärtete sich leicht, als sie zurück zu O’Neill schaute. „Offensichtlich denkt Jack so“, flüsterte sie mit all der Sanftheit von Stahl.

Janet schwieg vorsichtshalber, da sie nicht in dieses kleine Dreieck mit hineingezogen werden wollte. „Ich werde ihm sagen, dass Sie hier sind“, bot sie ihr an und ging zur Tür. Aber Tasha stoppte sie, indem sie eine Hand auf Janets Arm legte.

„Schon okay“, sagte sie, „ich werde zu ihr gehen… ich würde gerne Sam noch mal sehen, wenn das okay ist?“

Janet zögerte kurz und schielte hinüber zu Jack. Er sah nicht so aus, als ob er Gesellschaft wollte, aber sie war auch nicht seine Leibwache. Mit einem leichten Nicken sagte sie: „Nur ein paar Minuten. Sam braucht ihre Ruhe, also, seien Sie leise.“

Tasha nickte mit einem weiteren angespannten Lächeln. „Danke“, sagte sie, straffte ihr Schultern und ging auf Jack zu, der noch immer irgendwo in seinen Gedanken versunken war.


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Er konnte einfach nicht vergessen, wie er sie gehalten hatte.

Fraiser sagte, dass es ihr schon bald wieder gut gehen würde und obwohl Sams Gesicht noch immer sehr blass war, wusste er in seinem Herzen, dass der Doc recht hatte. Carter würde es schaffen. Sie war zurück und alles konnte wieder zum Normalen zurückkehren. Nur, dass es das nicht konnte. Alles hatte sich geändert während dieser schrecklichen Stunden, in denen er gedacht hatte, dass er sie verloren hätte. Es war so, als ob der Schrecken sie zu verlieren sein Herz aufgebrochen hatte und jetzt widerstand es der Notwendigkeit sich wieder zu schließen. Seine Gefühle für sie überfluteten ihn und er hatte schon längst die Kontrolle darüber verloren. Er liebte sie, bedingungslos, mit seinem ganzen Sein und einer Tiefe, die erschreckend war. So war alles, was er tun konnte, hier zu sitzen, den Kugelschreiber in seiner Hand immer wieder umzudrehen, wenn seine Seele danach schrie, sie noch einmal in seine Arme zu ziehen und einfach nur zu halten. Er sehnte sich nach ihr und das Verlangen nach ihrer Nähe nahm ihn vollkommen ein – es war alles, an das er denken konnte, es war alles, was in seinem Leben noch wichtig war.

Stunden waren vergangen, bevor er etwas widerwillig aus dem Schlafsack gekrochen war und vor Kälte und dem merkwürdigen Gefühl etwas verloren zu haben zu zittern begann, als er dazu gezwungen war seinen Halt um sie zu lösen. Aber die Erinnerungen daran waren so lebendig, dass er sogar jetzt, auf der warmen, sterilen Krankenstation, spüren konnte, wie er sie in seinen Armen hielt, wie ihr Kopf auf seiner Brust lag und wie ihn in den zwei Stunden, bis die Hilfe bei ihnen war, eine Ganzheit erfasst hatte, die er schon dachte, vergessen zu haben. Dort zu liegen, in der dunklen, kalten Höhle, sie so nahe bei sich zu halten, da hatte er einen ungewohnten Frieden gespürt. Einmal hatte sie sich angespannt, war desorientiert und panisch gewesen, aber er hatte sie beruhigt und sie hatte sich gegen ihm entspannt. Seine Arme hatten sich enger um sie geschlossen, während er seine Lippen gegen ihr feuchtes Haar gepresst hatte. In diesem Moment hatte er gewusst, dass es richtig gewesen war. Ihre Pflicht, die Vorschriften und ihre Ehre mögen vielleicht zwischen ihnen stehen, aber in seinem Herzen hatte er gewusst, dass es richtig war – nichts seit seiner Hochzeit hatte sich so perfekt angefühlt.

Und das war das Problem. Wie konnte er von hier aus nur weitermachen? Wie konnte er das nur überwinden? Er sah auf und blickte in ihr friedliches, wunderschönes Gesicht. Er liebte sie. In Wahrheit wusste er es schon seit Langem, aber er hatte einen verdammt guten Job gemacht, es unter all den Regeln, Vorschriften und seiner eigenen, persönlichen Barriere zu begraben. Aber ihr Verlust hatte all seine so vorsichtig errichtete Verteidigung zerstört. Genauso leicht zusammengebrochen wie ein Kartenhaus und er war nicht in der Lage – es widerstrebte ihm vollkommen – diese Verteidigungen wieder aufzubauen.

Das Leben war zu kurz. Und wieder einmal wanderten seine Gedanken zu Major Coburn. Er ist gegangen… für seine Frau, für seine Familie…

„Jack?“ Eine Hand auf seine Schulter erschreckte ihn, aber er versteckte es zusammen mit seiner leichten Wut, als er seinen Kopf umdrehte und aufsah.

„Tasha. Was machst du hier?“

Ihr Lächeln war geheuchelt und gezwungen. „Ich wollte nach dir sehen“, sagte sie ihm und ihre Finger drückten leicht seine Schulter. Er widerstand der Versuchung ihre Berührung abzuschütteln – sie hatte Besseres verdient. „Ich habe gehört, dass Sam wieder gesund wird“, fügte sie mit offensichtlicher Erleichterung hinzu. „Danke Gott.“

„Ja“, nickte er und drehte sich wieder zurück zu der schlafenden Person um. „Danke Gott.“

Es herrschte ein langes Schweigen, bevor sie es wieder brach. „Du solltest etwas schlafen. Sie sagten, dass ich jetzt gehen kann, da das Verhör ja jetzt nicht stattfindet. Kommst du mit mir?“

Er schüttelte seinen Kopf. „Nein. Ich bleibe noch 'ne Weile.”

Tasha seufzte und ging um ihn herum. Sie kniete sich vor ihn hin, sodass sie jetzt auf einer Augenhöhe waren. Er richtete seinen Blick auf sie, aber es war so, als ob sie einen Fremden ansehen würde. „Jack“, flüsterte sie. „Du bist erschöpft. Sam geht es gut, aber du brauchst endlich mal Ruhe. Komm schon. Wir werden reden.“ Sie griff nach seiner Hand, aber er schlug sie schneller weg, als es notwendig war und er konnte einen verletzten Ausdruck auf ihrem Gesicht sehen.

„Tut mir Leid“, murmelte er. „Ich muss… ich muss einfach nur hier sein. Das ist alles.“

„Warum?“, fragte sie. „Ihr geht’s gut. Das hat Dr. Fraiser doch selbst gesagt. Also, worin besteht der Sinn hier sitzen zu bleiben?“

Worin besteht der Sinn? Die Antwort war augenblicklich in seinem Kopf, eine versteckte, eingefrorene Wahrheit, die dort seit Jahren schlummerte und erst jetzt auftaute. Worin bestand der Sinn? Nun, es war ganz einfach, ich liebe sie und ich will bei ihr sein. Die Antwort war so deutlich in seinem Kopf und in seinem Herzen, aber seine Lippen konnten ihr nichts sagen. Was konnte er schon sagen?

Glücklicherweise wurde er von dieser Aufgabe befreit, als Carter sich bewegte und sämtliche Gedanken verflüchtigten sich. Er sprang auf seine Füße, setzte sich auf ihre Bettkante, als sie einen Augenblick lang langsam ihre Augen öffnete. „Hey“, flüsterte er.

Langsam drehte sie ihren Kopf in seine Richtung und blinzelte ein paar Mal, in dem Versuch ihn zu fokussieren. „Colonel?“

„Ja“, lächelte er, der Klang ihrer Stimme ergriff sein Herz. „Ich bin’s. Sie sind auf der Krankenstation.“

Leicht runzelte sie die Stirn, als sie versuchte sich aufzusetzen. „Was ist passiert?“

„Sie sind gefallen“, erinnerte er sie, als er sie sanft zurück in die Kissen drückte. „Sie haben sich ihren Fuß gebrochen und sind fast erfroren.“
Seine Hand blieb auf ihrer Schulter liegen, als er sprach, und genoss die Möglichkeit sie zu berühren, zu wissen, dass sie jetzt warm und in Sicherheit war.

Wenn sie es bemerkt hätte, dann protestierte sie nicht. Erneut schlossen sich ihre Augen, aber nicht weil sie schlief. „Die Brücke…“, seufzte sie. „Genau.“ Und dann öffnete sie abrupt ihre Augen und sah ihm mit einer plötzlichen Dringlichkeit an. „Geht es Tasha gut?“

Sein Magen verdrehte sich aufgrund ihrer Sorge mit einem ungewöhnlichen Schuldgefühl. Sie begriff nicht, dass sie ihr Leben für eine Lüge riskiert hatte. „Ihr geht’s gut“, versicherte er ihr ungeschickt. „Dank Ihnen.“

Ein blasses Lächeln lag auf Carters Lächeln, als sie sich beruhigte. „Ich bin froh, dass es ihr gut geht“, sagte sie schläfrig. „Ich wollte nicht, dass Sie noch jemanden verlieren, der Ihnen wichtig ist.“

Jack zuckte zusammen, sein Drang ehrlich mit ihr zu sein, war zu stark. Er lehnte sich näher zu ihr hin und senkte seine Stimme. „Aber das habe ich fast“, murmelte er. „Ich habe Sie fast verloren… Sam.“

Daraufhin lächelte sie, schon wieder schläfrig und schien ihn nicht wirklich verstanden zu haben, als sie eine Hand hob und sie über seine auf ihrer Schulter legte. „Dann bin ich froh, dass Sie mich gefunden haben, Sir.“

„Genau wie ich“, antwortete er und umschloss ihre Hand mit seinen beiden. „Niemand wird zurückgelassen. Erinnern Sie sich?“

Schläfrig wurde ihr Lächeln größer, sogar als sich ihre Augen wieder langsam schlossen. „Das war das Einzige, woran ich gedacht habe, als ich auf Sie gewartet habe. Ich wusste, dass Sie nicht aufhören würden zu suchen, bis sie mich gefunden hatten.“

Jack schwieg, als Carter erneut in den Schlaf abtauchte. Ihre Finger hielten noch immer an seiner Hand fest. Aber ihm wurde ganz schlecht, als ungebetene Bilder in seinen Kopf schossen – Carter verletzt und verängstigt, wie sie durch den Schnee kroch, um einen Unterschlupf zu finden und sie nichts hatte, außer ihren Glauben, der sie warmhielt. Und wo war er gewesen…? In Tashas Armen und hatte eine Parodie des Liebesaktes vollführt. Ihm war schlecht von seinem eigenen Verrat.'Ich wusste, dass Sie nicht aufhören würden zu suchen, bis sie mich gefunden hatten’. Er drückte seinen Augen zu und legte ihre Hand, umschlossen von seiner, zurück auf das Bett. Dahin hatten ihn also die Lügen geführt – in die Arme eine Frau, die er nicht liebte, weil es so einfacher war, als sich mit der Wahrheit auseinanderzusetzen. Nun, er konnte nicht mehr lügen. Er konnte nicht mehr sich, sie oder die Welt belügen. Sie musste alles erfahren und dann würde der…

„Colonel O’Neill?“ Es war Fraiser, die auf der anderen Seite des Bettes stand und ihn neugierig ansah.

„Huh?"

Ihr Blick wanderte für einen Augenblick hinunter auf das Bett, wo seine Hand mit Carters umschlossen lag und dann sah sie wieder auf. „Ist sie schon aufgewacht?“

Sein Instinkt, durch sein ständiges Verstecken bereits angeboren, war es seine Hand von ihrer zulösen und sie zurück in die alte Lüge zu stecken, von der wusste, dass Janet sie bewahren würde. Aber er tat es nicht. Er zwang sich dazu weiterhin ihre Hand zu halten, als er aufstand. Er war sich bewusst, dass er wahrscheinlich ziemlich unbeholfen aussehen musste, aber er entschied sich, dass er dann auch hier und jetzt mit der Wahrheit beginnen konnte. Er schenkte ihr ein schiefes Lächeln. „Sie ist vorhin aufgewacht“, sagte er, „Denke mal, dass ich Ihnen das hätte sagen sollen?“

Fraiser zog eine Augenbraue hoch. „Ja, das hätten Sie“, sagte sie und beugte sich über die Maschine, die leise neben Carter piepte. Ihre Gesichtszüge entspannten sich etwas, als sie die Daten las. „War sie zurechnungsfähig?“, fragte sie dann und machte sich schnell ein paar Notizen. „Wusste sie, wo sie war?“

„Ja. Wir haben uns etwas unterhalten… Sie konnte sich dran erinnern, was passiert war.“

Das erfreute sie etwas und sie lächelte, als ihr Blick erneut auf ihre umschlungenen Hände fiel. „Das ist gut“, sagte sie. „Ihre Temperatur ist wieder normal und abgesehen von ihrem Fuß geht es ihr gut.“

Er lächelte zurück und zum ersten Mal erlaubte er sich seine Erleichterung anmerken zu lassen. „Danke“, sagte er. Er schaute ein weiters Mal hinunter auf Carter. „Ich dachte, ich hätte sie verloren.“

Für einen Moment sagte Fraiser nichts, sie durchblätterte nur Sams Krankenblatt, als sie leicht ihre Stirn runzelte. Und dann murmelte sie etwas, so lause, dass man es kaum verstehen konnte. „Genau das hat Sam auch gedacht.“

„Wie bitte?“

Sie schaute mit einem hellen, falschen Lächeln auf. „Haben Sie Dr. Greene gesehen?“, fragte sie, obwohl er sich nicht vollkommen sicher war, ob sie gerade eben das Thema gewechselt hatte. „Sie war vor ungefähr zwanzig Minuten bei mir.“

Verwirrt drehte Jack sich um. Tasha war weg und er hatte keine Ahnung, wann sie gegangen war. In dem Moment, in dem Carter ihre Augen geöffnet hatte, schien er alles um sich herum vergessen zu haben. Mist. Es gab bessere Methoden, um sich von jemandem zu trennen. Er sah mit einem Stirnrunzeln hinunter auf seine Hand, die noch immer um Carters lag. „Sie war hier. Ich sollte sie wohl besser suchen gehen und ihr einiges erklären.“

„Es ist schon spät“, hielt Fraiser ihm mit einem ungewöhnlichen Grad an Mitgefühl in ihrer Stimme, vor Augen. „Sie sollten erst etwas schlafen, Colonel. Ärztlicher Befehl.“

Sie sah ihn mit einer Wärme an, die eine Zustimmung zu sein schien, so, als ob er irgendein Sündiger wäre, der schließlich doch noch das Licht erblickte. Vielleicht war er das auch. „Sie haben recht“, sagte er und ließ widerwillig Carters Hand los, seine Finger schwebten noch immer über ihrer zarten, schon fast zerbrechlichen Hand. „Ich sollte etwas schlafen. Morgen könnte ein ziemlich interessanter Tag werden.“


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Sam langweilte sich. Es hatte nicht lang gedauert. Ein Tag auf der Krankenstation und sie begann durchzudrehen. Die Jungs hatten sie alle besucht – natürlich – aber sie hatten auch noch Arbeit, die sie erledigen mussten und deshalb konnten sie nicht allzu lange bleiben. Daniel und Teal’c hatten ihr versprochen später noch einmal vorbeizuschauen, aber der Colonel hatte es ihr nicht versprochen. Sein Besuch war, der kürzeste von allen und sie fand, dass er merkwürdig angespannt und nervös war.

Er hatte während seines Besuches nicht viel gesagt, sondern saß ziemlich unbehaglich auf dem Stuhl neben ihrem Bett, aber dafür hatte er sie mit einigen ziemlich intensiven Blicken angesehen, die ihre innere Kontrolle total über den Haufen geworfen hatte. Sie hatte das Gefühl, dass er irgendwas an ihr versuchte zu beobachten, was sie viel lieber versteckt halten würde. Das Gefühl der emotionalen Nacktheit war abwechselnd aufregend und irgendwo unangenehm. Erinnerungen daran, wie sie von ihm gehalten wurde, wie sie, während sie schlief gegen ihm gedrückt lag, trugen nur zu ihrer Verwirrtheit bei und es fiel ihr viel schwerer als gewöhnlich zu ihren gewohnten Neckereien zurückzukehren. Als sich das peinliche Schweigen schon schmerzhaft zwischen ihnen ausgebreitet hatte, hatte es O’Neill zum Glück mit ein paar seiner lahmen Witz darüber gebrochen, wie er sie ausziehen musste und trotz ihrer Professionalität konnte sie nicht verhindern, wie ihre Wangen rot anliefen. Aber davon abgesehen war er mehr daran interessiert gewesen, ob sie ihren Krankenurlaub lieber zu Hause oder auf dem Stützpunkt verbringen wolle, als daran, wie sie sich wirklich nach der ganzen Tortur fühlte. Typisch O’Neill, man wusste nie, woran man wirklich bei ihm war.

Sie seufzte und mit einem Kopfschütteln nahm sie eines der Bücher, die Daniel ihr vorbeigebracht hatte. Sie versuchte es nicht zu bedauern, dass ihre Erinnerungen daran, wie sie mit dem Colonel Körperwärme ausgetauscht hatte, so trüb waren. Aber ihr Blick, der die Buchstaben vor ihr nur in eine verschwommene Buchstabensuppe verwandelte, schweifte ab, als ihr Kopf und ihr Herz von den Gedanken überspült wurden, wie starke Arme sie hielten, sein langsames, aber kräftiges Schlagen seines Herzens so nahe an ihrem…

„Sam?“

Mit einem Schuldgefühl errötete sie und schaute auf, nur um Tasha ein paar Meter von ihrem Bett entfernt stehen zu sehen. Ihre Errötung wurde nur noch intensiver, als ihr der absurde Gedanke kam, dass diese Frau vielleicht ihre äußerst unangebrachten Gedanken lesen könnte. Sie zwängte schnell ihre Unruhe beiseite und begrüßte die Frau mit einem freundlichen Lächeln. „Dr. Greene“, sagte sie, „wie geht’s Ihnen?“

Tasha sah etwas verlegen aus, als sie ein paar Schritte auf das Bett zuging. „Mir geht’s gut“, versicherte sie ihr. „Dank Ihnen.“ Sie schwieg einen Moment. „Ich bin eigentlich hergekommen, um mich für mein Verhalten während der Mission zu entschuldigen. Es war falsch von mir auf die Brücke zu gehen und es tut mir Leid…“

Sam sah sie kühl an, aber es lag nicht ihre Natur nachtragend zu sein, also nickte sie schließlich. „Akzeptiert“, sagte sie. „Und ich bin froh, dass es Ihnen gut geht. Ich kann und will mir gar nicht vorstellen, was der Colonel von mir denken würde, wenn ich Sie verloren hätte.“

„Nein“, stimmte ihr Tasha leise mit einem flachen Lächeln zu, das nicht einmal ihre Augen berührten. „Ich nehme an, das können Sie nicht.“ Und dann sprach sie in einer Stimme weiter, die so dünn war, wie ihr Lächeln. „Jacks Meinung ist Ihnen sehr wichtig, nicht wahr?“

Sam erstarrte leicht. „Ah… ja, natürlich”, murmelte sie in der Hoffnung dieses Thema so schnell wie möglich zu beenden. „Es ist ein großartiger Soldat. Ich habe eine Menge von ihm gelernt.“

Tasha jedoch schien davon nicht sehr überzeugt zu sein. Sie stand jetzt direkt neben Sams Bett, ihre manikürten Nägel glänzten rot im Licht. Ihre dunklen Augen waren hell, aber so hell wie die Sonnenstrahlen auf Schnee; sie funkelten eisig. „Kommen Sie, Samantha“, sagte sie in einem freundlichen Ton, der Sam erschaudern ließ, „wir wissen doch beide, dass Ihre Gefühle für Jack tiefer gehen als das.“

„Tun wir das?“, stellte sie die Gegenfrage mit aufsteigender Wut.

„Ich bin nicht blind“, antwortete Tasha kühl. „Und Sie sind nicht so clever, wie Sie denken.“

Sam schluckte schwer. „Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen“, sagte sie ernst. „Es war und wird nie etwas zwischen uns passieren.“

„Oh, das weiß ich“, antwortete Tasha mit einem Lächeln, als sie langsam einen Stuhl heranzog und sich setzte. Sam fluchte leise auf und wünschte sich nur aufstehen zu können, um diese Unterhaltung zu beenden. Aber sie hing an einen Tropf und mit ihrem gebrochenen Fuß war sie ziemlich unbeweglich. „Im Grunde, Sam, bin ich nur hier, um Ihnen einen schwesterlichen Rat zu geben.“

„Wirklich?“ Ja, genau.

Tasha nickte und ihre dunklen Locken begannen bei dieser Bewegung zu wippen. „Überwinden Sie ihn“, sagte sie. „Er ist nicht mehr interessiert an Ihnen.“ Sam gab ihr aller Bestes darauf nicht zu reagieren, aber irgendwas musste sie verraten haben, denn Tasha fuhr mit wachsender Dynamik fort. „Sie sind nicht sein Typ. Sie sind zu kalt, zu analytisch, Sie sind viel zu sehr an die Regeln gebunden. Sie erwürgen ihn, Sam. Jack braucht jemand, der mehr so ist, wie er selbst. Jemand, der nicht davor zurückschreckt Risiken einzugehen – persönliche und auch körperliche – jemand, der offen, liebend und gefühlvoll ist.“ Mit einem Lächeln fuhr sie mit ihrer Hand durch ihre Haare. „Ich weiß, er ist charismatisch und sehr angenehm für’s Auge, aber, Sam, er ist nun wirklich nicht ihr Typ. Sie sollten lieber Daniel Jackson nachlaufen – Sie beide haben viel mehr gemeinsam.“

Sam starrte sie einfach nur an, zerrissen zwischen ihrer Demütigung, ihrem Schmerz und blinder Wut. Am Ende rettete die Wut sie – eine kalte, harte Wut. „Zu allererst einmal“, begann sie mit einer eisigen Stimme, „’laufe’ ich niemanden hinterher. Anders als andere Menschen hier, verbringe ich nicht mein Leben damit irgendwelche Männer nach zu jagen! Und zweitens, meine Beziehung zu Colonel O’Neill ist eine Sache zwischen uns beiden und geht Sie Gott verdammt noch mal überhaupt nichts an!“

Tasha zuckte nur mit den Schultern. „Ich versuche nur, Sie davon abzuhalten einen Idioten aus sich zu machen, indem sie sich hoffnungslos nach Jack sehnen.“ Sie stand gefasst auf. „Oh, und nur damit Sie es wissen, die Nacht, in der Sie auf P3X-832 verschwunden waren, da habe ich genau zu sehen bekommen, wie schmal doch diese Betten für zwei Personen sind – trotz der Vorschriften.“ Sie lächelte. „Ich schätze mal, Jack hat Sie dann wohl doch nicht so sehr vermisst.“

Sam musste schon fast lachen. „Ich glaube Ihnen nicht“, erwiderte sie. „Ich weiß, wie der Colonel ist, wenn jemand aus seinem Team vermisst wird. Ich habe es bereits gesehen. Und ich habe keine Ahnung, was Sie hier versuchen, aber ich habe genug gehört. Verschwinden Sie.“

„Wie ich bereits sagte“, antwortete Tasha, als sie sich langsam vom Bett entfernte. „Ich versuche Ihnen nur einen Gefallen zutun. Und wenn Sie mir nicht glauben wollen, dann ist das auch gut. Wenn Sie es wagen, dann können Sie ja immer noch Jack fragen.“

Sams Mund stand bereits offen, mit einer scharfen Bemerkung auf ihren Lippen, als eine Stimme von der Tür her erklang. „Mich was fragen?“

Tasha erstarrte, ihr Lächeln brach wie zersplittertes Eis. Steif drehte sie sich zu ihm um. In ihren Augen spiegelte sich Angst wieder. „Nichts, was du wissen musst“, sagte sie mit aufgesetztem Humor.

Der Colonel schien weder davon überzeugt noch amüsiert darüber zu sein, als er weiter in den Raum kam. „Carter?“, fragte er und suchte in ihrem Gesicht nach einer Antwort.

Sie traf seinen Blick und hielt ihn, aber sie hatte keine Ahnung, was sie machen sollte. „Es ist nicht etwas, was für uns angebracht wäre zu diskutieren, Sir“, sagte sie ihm förmlich. „Vielleicht könnten Sie und Dr. Greene das irgendwo anders weiter besprechen?“

Sein gesamtes Gesicht spannte sich mit einer Spannung an, die sie als Wut erkannte, obwohl man sie nie gesehen hätte, wenn man ihn nicht kennen würde. Sein Blick bohrte sich in den ihren, voll mit etwas sehr intensiven aber unidentifizierbaren.

„Okay“, sagte er nach einem Moment und riss seinen Blick von ihr los, um sich zu Tasha umzudrehen. „Warum machen wir das nicht einfach?“

Tasha warf ihren Kopf nach hinten, aber sie war nicht in der Lage das Gefühl der Schuld loszuschütteln. „Es ist kein Geheimnis“, versicherte sie ihm und ging auf ihn zu und dann an ihm vorbei. „Ich habe Sam nur grade erzählt, wie wir die Nacht verbracht haben, während sie noch auf P3X-832 war.“

Sam erwartete eine gewisse Verwirrung auf seinem Gesicht zu sehen, aber stattdessen sah sie, wie es vor Wut weiß wurde, als er nach Tashas Arm griff und sie vom Fortgehen aufhielt. Mit leiser und bedrohlicher Stimme begann er zu sprechen. „Warum?“

Tasha zuckte mit den Schultern. „Weil es wahr ist.“

Er leugnete es nicht. Sie wartete auf sein Dementi, auf seine Wut, aber es kam nie. Er ließ einfach nur ihren Arm los und ließ sie gehen. Ihr Weggehen stürzte sie beide in ein Schweigen, als er einfach nur auf den Boden starrte. Sam war viel zu sehr damit beschäftigt ihre blinde Wut im Zaum zu halten, als sie daran dachte, wie ihr Herz grade in Tausend Stücke zerbrach. Sie war ganz alleine gewesen, verletzt, halb tot und er war…? Gott! Wenn es Daniel dort draußen gewesen wäre, dann hätte er ein Camp im Torraum aufgeschlagen – verdammt noch mal, sie hatte bereits gesehen, wie er das getan hatte! Aber als sie verloren zu sein schien, da war alles, was er tun konnte, mit der Frau ins Bett zu steigen, die sie praktisch umgebracht hatte?! Der Verrat war tief und er drang immer tiefer in sie ein. Sie konnte ihn nicht ansehen, deshalb senkte sie ihren Blick auf ihre Hände, die sie in ihrem Schoß verschlungen hatte, als sie ihre Gefühle mit einem übermenschlichen Willen unter Kontrolle hielt.

Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, als er sich schließlich leicht räusperte. Sam schloss ihre Augen und wünschte sich, dass sie ihre Ohren ebenfalls schließen konnte. Sie konnte einfach nicht seine Erklärungsversuche hören. In ihrem Kopf sagte sie sich immer dieselben Worte, wie ein Mantra: 'Verhalte dich professionell, verhalte dich professionell, verhalte dich professionell.’

O’Neills Stimme brach durch ihre Gedanken hindurch. „Ich weiß nicht genau, was sie Ihnen erzählt hat“, begann er, aber sie unterbrach ihn sofort.

Verhalte dich professionell. „Das spielt keine Rolle. Das geht mich nichts an… Sir.”

„Doch das tut es“, flüsterte er. „Sie hatte nicht das Recht Ihnen das zu sagen und ich will nicht, dass Sie denken, dass ich nicht… Gott. Carter! Wir dachten Sie wären tot. Ich brauchte…”

Sam lachte bitter auf. „Oh, also, wenn Sie dachten, dass ich bereits tot war…!“

Er war mit zwei großen Schritten an ihrer Bettseite. Aber sie wandte sich von ihm ab, bemüht ihre Gefühle nicht die Oberhand gewinnen zu lassen. „Sam, ich schwöre… Sam, sehen Sie mich an.“

Sie konnte es nicht. Bittere Tränen brannten jetzt in ihre Augen und drohten zu entweichen. „Sir, das ist eine vollkommen unangebrachte Unterhaltung“, flüsterte sie. „Bitte hören Sie auf.“

„Ich will doch nur erklären…“

„Nein“, beharrte sie und hob eine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Ich will es nicht hören. Bitte…“

Es herrschte ein langes Schweigen zwischen ihnen, aber er rührte sich nicht, stand einfach nur da und trat von dem einen Bein auf das andere. Ein paar Mal räusperte er sich, aber dem folgten keine Worte. Schließlich war sie gezwungen sich zurück zu ihm umzudrehen und traf seinen unbehaglichen und nervösen Blick. Sie hatte ihn noch nie so aus dem Gleichgewicht gesehen. Seine Augen suchten augenblicklich die ihren, suchten nach etwas in ihrem Gesicht. Sie wusste nicht, ob er es gefunden hatte, aber er begann wieder zu sprechen. „Sam“, sagte er und runzelte mit der Stirn. „Ich… ich will, dass Sie wissen… ich meine, ich will sagen, dass…“ Ein weiteres Räuspern. „Okay, ich bin nicht… das ist… ich sollte… Ah verdammt!“

Sie zog ihre Augenbrauen hoch, irgendwo überrascht über seinen extremen Mangel an Redegewandtheit. „Ich glaube“, sagte sie leise, „dass Sie vielleicht einfach nur die Klappe halten sollten.“

Er riss seine Augen auf. „Klappe halten…?“

„Sir“, fügte sich noch hinzu und wandte sich wieder von ihm ab. Sie zog ihre Decke bis über ihre Schultern. „Ich bin müde. Ich muss mich ausruhen.“

„Sam…“

„Bitte“, flüsterte sie und drückte ihre Augen zu. „Gehen Sie einfach.“

Aber er tat es nicht. Sie konnte seine Gegenwart wie Hitze auf ihrem Rücken spüren, wie sie sich in ihren Kopf einbrannte. Absichtlich verlangsamte sie ihre Atmung, in der Hoffnung, dass er denken würde, dass sie eingeschlafen war. Sie hätte es besser wisse müssen. Er begann mit einer leisen Stimme mit ihrem Hinterkopf zu sprechen. „Ich war noch nie gut mit Worten, Sam“, sagte er leise. „Mir fällt nie das Richtige ein. Aber das hier werde ich wieder gut machen, das schöre ich. Ich habe alles versaut, aber das hier, werde ich wieder gut machen.“

Sie hatte keine Ahnung, was er meinte, aber die leichte Sorge mit einem Anflug von Entschlossenheit in seiner Stimme, berührte sie und sie spürte, wie die ersten Tränen durch ihre Wimpern kamen. Diese sanfte Stimme – sie berührte sie jedes Mal. Sie durchbrach die Wut, den Verrat und sprach mit ihrem Herzen. Langsam drehte sie sich um und öffnete ihre Augen.

Er war verschwunden.


+++++++

Jack verlangsamte erst sein Tempo, als er vor seinem Quartier stand. Er war vor Wut und tausend anderen Gefühlen leicht außer Atem. Und er wusste, dass er kurz davor stand seine Kontrolle zu verlieren. Aber er kannte sich gut genug, um einmal tief durchzuatmen und sein seelisches Gleichgewicht wieder zu finden, bevor er die Tür öffnete. Weil er wusste, das sie dort auf ihn warten würde und Wut würde ihm da nichts nützen.

Einmal tief durchatmend drückte er die Türklinke runter. Sie war offen, und als er eintrat, sah er Tasha auf seiner Bettkante sitzen, ihren Kopf hatte sie in ihren Händen vergraben, während ihre Schultern fast auf dem Boden hingen. Mist, sie weinte. Er hasste das. Sie schaute auf, als sich die Tür hinter ihm schoss, und blinzelte ihn mit roten Augen an. „Es tut mir Leid“, sagte sie sofort. Er schien das in letzter Zeit oft von ihr zu hören.

Er verschränkte seine Arme vor der Brust und lehnte sich zurück gegen die Tür. „Warum hast du das getan?“

„Ich wollte es nicht“, flüsterte sie mit gesenktem Kopf. „Es ist… es ist mir einfach rausgerutscht… ich war wütend.“

Er sträubte sich. „Auf Carter? Was hat sie dir getan?”

„Weißt du das denn nicht?“, flüsterte sie und starrte hinunter auf den Boden.

Na ja, er hatte eine Ahnung. „Zwischen mir und Carter läuft nichts, falls es das ist, was du denkst.“

Sie schüttelte ihren Kopf. „Nein“, seufzte sie. „Das tut es nicht.“ Dann schaute sie mit einem schmerzenden Lächeln zu ihm auf. „Samantha würde nie diese Regeln brechen, oder?“

Auf ihrem Gesicht zeichnete sich eine ehrliche Einsicht ab und er wusste, dass sie in sein Herz sehen konnte, so als ob es wie ein offenes Buch vor ihr liegen würde. Verleugnung wäre sinnlos. „Nein“, stimmte er ihr zu. „Das würde sie nicht.“

Tasha nickte. „Würdest du es tun?“

„Nein.“

Sie lachte dunkel auf. „Verbotene Liebe“, schnaubte sie. „Da ist es schwer mitzuhalten.“ Er antwortete ihr nicht, so unsicher wie immer, was er ihr sagen könnte. Als sie sein Schweigen hörte, stand sie auf. „Wir sind gut zusammen, Jack“, sagte sie und ging langsam auf ihn zu, bis sie praktisch Zeh an Zeh standen. „Sam mag vielleicht außer Reichweite sein, aber ich bin es nicht…“

Für einen Herzschlag sah sie ihn einfach nur an, bevor sie sich nach vorne lehnte und mit ihren Lippen leicht die seinen berührte. Sie wartete darauf, dass er ihr antworten würde, aber da war nichts. Jack schloss seine Hände um ihre Schultern und drückte sie langsam und sanft von sich. „Es tut mir Leid, Tasha“, sagte er und zuckte leicht zusammen, als er den Schmerz in ihren Augen sah. „Ich kann nicht.“

„Warum nicht?“

„Weil“, sagte er und trat aus dem kleinen Gefängnis zwischen ihr und der Tür und ging weiter in den Raum, „das hier nicht funktioniert.“

„Doch, das wird es“, beharrte sie darauf und drehte sich zu ihm um. „Es hat doch gut funktioniert. Wir waren großartig! Du weißt, dass das stimmt!”

Aber er schüttelte den Kopf und kämpfte damit die richtigen Worte zu finden. Er wollte sie nicht verletzen, aber was für Möglichkeiten hatte er schon? Es ging doch immerhin um die Wahrheit. Sie verdiente die Wahrheit. „Ich fühle… nur nicht so… wie du fühlst. Es tut mir leid.“

Tasha starrte ihn an und fuhr sich mit einer Hand durch ihr Wirr aus Haaren. Haare, welche er gestreichelt und geküsst hatte… „Also, bist du dann lieber allein und schmachtest Sam Carter nach, als mit mir zusammen zu sein?“, fragte sie ungläubig. „Bin ich so schrecklich?“

„Nein“, versicherte er ihr sofort und legte eine Hand auf ihren Arm. Gott, er hasste das. „Du bist wunderschön, klug, lustig… Du bist großartig.“

Ihre Augen füllten sich mit wütenden Tränen, als sie sich von seinem Griff losriss. „Aber offensichtlich doch nicht so großartig“, schnappte sie, als sie ein zerknittertes Taschentuch aus ihrer Tasche zog und sich die Augen abwischte.

„Es liegt nicht an dir“, versicherte er ihr. „Ich bin’s… es ist… Carter.“

Sie starrte ihn durch verletzten und geschwollenen Augen an. „Du liebst sie“, spuckte sie die Worte aus. Aus ihrem Munde klang es wie eine Anschuldigung.

Er zuckte zusammen, aber er würde nicht weiter lügen. „Ja“, antwortete er und straffte seine Schultern. „Das tue ich. Es tut mir leid, Tasha. Das ist alles meine Schuld.”

„Wie lange schon?“, wollte sie wissen.

„Was?“

„Wie lange liebst du sie schon?“

Jack runzelte etwas unsicher mit der Stirn, er war sich nicht einmal sicher, ob er das überhaupt wusste. „Das ist doch nicht wirklich der Punkt, oder?“

„Ist es das nicht?“, fragte sie wütend. „Hast du sie bereits geliebt, als wir zusammenkamen? Wenn du mit mir zusammen warst, hast du da an sie gedacht? Hast du dir gewünscht, dass ich sie wäre – dass ich vorgebe, sie zu sein? Hast du das?“

„Nein!“, widersprach er, obwohl er wusste, dass seine Verleugnung falsch klang. In ihren Worten steckte mehr als nur ein wenig Wahrheit. „Nein“, wiederholte er etwas ruhiger, in der Hoffnung ihr das irgendwie einfacher zu machen. „Tasha… du bedeutest mir etwas. Ich kann nur… ich kann nur nicht meine Gefühle für Carter abstellen… und Gott weiß, dass ich es versucht habe!“

Ihr Gesicht wurde ruhiger und kalt. „Du hast es versucht“, wiederholte sie seine Worte mit einem knappen Nicken des Verstehens. „Das war ich dann also nur für dich? Etwas, damit du über sie hinwegkommst? Gott, Jack, wenn ich gewusst hätte, dass du dich nur über eine Enttäuschung hinweg trösten wolltest, dann wäre ich nie in deine Nähe gekommen!“

„Es tut mir Leid“, sagte er noch einmal und zwang sich dazu ihren wütenden Blick, ohne einmal zusammenzuzucken standzuhalten. „Ich hab’s nicht mit Absicht getan. Ich war die letzten Jahre deswegen so verwirrt…“

Tasha riss ungläubig ihre Augen auf. „Jahre?“

„Ja“, seufzte er, so als ob er es selbst erst zum ersten Mal verstehen würde. „Denke schon.“

„Mein Gott“, knurrte sie. „Du bist so im Arsch.“

Er zuckte nur mit den Schultern. „Das war ich“, stimmte er ihr zu.

Tasha zog einmal die Nase hoch. „Also“, sagte sie bitter. „Das war’s dann? 'Mach's gut, und danke für den Fisch’?“

Huh? „Fisch?“

Sie knurrte nur. „War’s das dann?“, wiederholte sie mit tödlicher Langsamkeit. „Ist es einfach vorbei?“

Er atmete einmal tief ein und schluckte seine Schuld hinunter, als er leise seufzte. „Ja, das war’s. Es tut mir leid.“

Ihre Gesichtszüge härteten sich, so wie Eis auf dem Wasser. „Nein, tut es dir nicht“, schnappte sie und stürmte an ihm vorbei zu der Tür. „Noch nicht.“

Es klang wie eine Drohung und instinktiv schoss seine Hand hervor und hielt sie am Arm fest. „Was zum Teufel soll das bedeuten?“

In ihren dunklen Augen loderte die Herausforderung auf. „Vielleicht kommst du ja drauf.“

Er prüfte ihr Gesicht – Tasha hatte Temperament, er hatte es schon oft an ihr gesehen. Aber für gewöhnlich war es eine feurige Explosion, die so schnell wieder verschwand, wie sie gekommen war. Diesmal jedoch war ihre Wut kalt und berechnend. Beängstigend. „Halt dich von Carter fern“, warnte er sie. „Wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst, dann schwöre ich bei Gott, ich werde…“

„Was?“, zischte sie, als er verstummte. „Mich umbringen?“

„Ich habe schon aus schlimmeren Gründen getötet“, versicherte er und er spürte dieselbe Wut in sich, die er auf ihrem Gesicht sah. „Geh nach Hause, Tasha. Und reg dich ab.“

Wütend zog sie ihren Arm aus seinem Griff. „Oh, mir geht es gut“, antwortete sie, als sie ihr Haar über ihre Schulter warf und zur Tür stolzierte. „Du bist hier derjenige mit den Problemen – Du vermasselst es mit mir, vermasselst es mit Sam Carter.“ Sie hielt an der Tür mit einer Hand auf der Türklinke an. „Ich bin froh, dass ich ihr gesagt habe, wie du wirklich bist“, sagte sie ihm kühl. „Sie hat es verdient zu wissen, was für ein beschissener Mistkerl du bist, Jack O’Neill.“

Ihre Worte trafen ihn tief, obwohl er wusste, dass unter ihrer Wut die Wahrheit verborgen lag. Aber er ließ sie gehen, enttäuscht, dass es so ausgegangen war, aber nicht wirklich überrascht. Sie hatte das Recht wütend zu sein. Genau wie er. „Ich meinte, was ich gesagt habe“, sagte er ruhig, als sie die Tür öffnete. „Halt dich von Carter fern.“

Tasha antwortete ihm nicht, sondern schlug nur die Tür hinter sich zu, als sie ging und er schwor Vibrationswellen zu spüren. Für einen Moment stand er einfach nur da, festgeklebt von seiner Schuld und Wut. Aber über diesen Gefühlen war noch etwas, etwas Neues – eine Klarheit, die er seit Langem nicht mehr gespürt hatte. Er grübelte eine Weile über Tashas Drohung nach, bevor er langsam auf den kleinen Tisch in der Ecke in seinem Raum ging und ein Blatt Papier an sich nahm. Er wusste, was er tun musste. Er musste jetzt nur den Mut dazu haben.


+++++++

Von dem Küchenfenster aus sah Sam, wie der Postbote etwas in ihren Briefkasten steckte. Sie beobachtete ihn, als sie an ihren Kaffee nippte und seufzte. Sie überlegte, ob sich die Mühe lohnen würde, den ganzen Weg nach draußen zu hüpfen. Wahrscheinlich war es nur irgendwelche Werbung. Ein Angebot für eine neue Kreditkarte, hundert neue Möglichkeiten sich zu verschulden. Sie bekam nie etwas wirklich Interessantes.

Dann aber auch wieder langweilte sie sich. In ihrer zweiten Woche ihres Krankenurlaubs hatte sie bereits sämtliche Quellen ausgeschöpft und so würde sie wenigstens das Hüpfen zum Briefkasten mal hier herausbringen. Schließlich stand sie auf und schnappte sich ihre Krücken und ging langsam zur Tür. Man hatte ihr keinen Gipsverband angelegt – anscheinend wurde dies heutzutage als altmodisch angesehen – also musste sie sich damit abfinden, hinkend auf Krücken durchs Haus zu gehen und ihren verbundenen Fuß allein aus Willenskraft dazu zu bringen, zu heilen. Das einzig wirklich Positive daran war, dass es ihr linker Fuß war, so konnte sie wenigstens noch Auto fahren – auch wenn man es ihr verboten hatte. Wenn sie den ganzen Tag in ihrem Haus gefangen gewesen wäre, dann dachte sie, dass sie bis jetzt schon total durchgedreht wäre.

Die Luft war klar und kühl mit einem Versprechen für den kommenden Winter, aber sie zog sich keinen Mantel über, da sie die kühle Brise mit Leben einhauchte, als sie zum Briefkasten humpelte. Dort angekommen lehnte sie eine Krücke dagegen und stellte sich auf ihr gesundes Bein, sodass sie den Inhalt des Briefkastens an sich nehmen konnte. Ein Prospekt von der Kirche, die ihr versprach ihre Seele zu retten – dafür war es wohl schon zu spät, vermutete sie – und nein, zwei neue Angebote für Kreditkarten und einen schmalen Brief. Sie drehte ihn um und erstarrte. Dort, in dicken schwarzen Lettern, stand ihr Name – ‚Ms Samantha Carter – geschrieben. Es war unverkennbar die Handschrift des Colonels.
 
Ein Adrenalinstoß ließ ihr Herz kurz aussetzen. Sie war verdammt neugierig, aber zugleich auch nervös. Warum schrieb er ihr? Was hatte das zu bedeuten? Sie hatte O’Neill nicht mehr seit ihrer äußert unerfreulichen Auseinandersetzung mit Natasha Greene auf der Krankenstation gesehen.

Und das Letzte, was sie von Daniel gehört hatte, war, dass er sich etwas Urlaub genommen hatte und zu seiner Hütte gefahren war. Sie hatte angenommen, dass Tasha bei ihm war, also hatte sie ihr Bestes gegeben nicht darüber nachzudenken – an ihn zu denken, oder an Tasha und schon gar nicht an ihn *und* Tasha. In Gedanken verloren drehte sie den Brief in ihrer Hand wieder um, bis ein frischer Wind sie streifte und sie erschauderte. Erst da bemerkte sie, dass sie noch immer draußen, ohne einen Mantel, vor dem Briefkasten stand. Sie klemmte sich ihre Post unter ihren Arm und humpelte zurück zum Haus und fragte sich die ganze Zeit, warum der Colonel ihr einen Brief geschrieben hatte. Schreibt heutzutage überhaupt noch jemand Briefe?

Einmal wieder im Warmen schnappte sie sich ihren Kaffee von der Küchenanrichte und ging zur Couch, wo sie ihren Fuß hochlegte und erleichtert seufzte, als sie es sich bequem machte. Und dann mit einem Schluck von ihrem Kaffee beäugte sie erneut den Umschlag. Er wurde vor zwei Tagen versandt, aus Minnesota. Also war er noch immer dort oben. Das machte es nur noch merkwürdiger, dass er ihr geschrieben hatte, besonders dann, wenn Tasha doch bei ihm war. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, was sie im Inneren des Umschlags finden könnte. Das Einzige, was sie sich vorstellen konnte, war, dass es ein Bericht war, den sie noch abzeichnen musste. Obwohl sie keine Ahnung hatte, warum er den ganzen Papierkram mit in seine Hütte nahm. Sie drehte den Brief wieder um. „Es gibt nur einen Weg das herauszufinden“, sagte sie sich selbst, bevor sie den Umschlag vorsichtig mit ihren Fingernägeln öffnete. Sie zog ein einziges Blatt heraus, vollgeschrieben mit der Handschrift des Colonels. Aber es war nicht sein normales, schon fast illegales Gekritzel. Das hier war sehr ordentlich geschrieben, so als ob er es von irgendwo abgeschrieben hätte. Ihr Blick überflog schnell die Wörter und versuchte alles auf einmal irgendwie zu verstehen, als sie zu lesen begann. Neugier und Sorge kämpften in ihren Inneren um die Oberhand.

Liebe Sam,

Sie fragen sich wahrscheinlich, was ich hier zum Teufel mache und warum ich Ihnen so einen Brief schreibe. Das ist auch für mich ziemlich ungewöhnlich. Aber Sie wissen ja, wie gut ich darin bin die richtigen Worte zu finden, und da dies vermutlich das schwierigste sein wird, was ich je sagen werde, dachte ich mir, dass ich es auf die feige Tour mache und es aufschreibe. Außerdem dachte ich mir, dass Sie den Brief dann in den Mülleimer werfen könnn, wenn Ihnen das, was Sie lesen, nicht gefällt. Und so könnten wir dann beide so tun, als ob es nie passiert wäre, oder?

Okay… Also… am besten ich fange mal mit ein paar Grundlagen an. Erstens, ich weiß, dass das, was ich hier tue, ist falsch. Dass es für uns beide gefährlich ist, dass es unsere professionelle, platonische Beziehung untergräbt. Es ist gegen jegliche Regeln und wahrscheinlich verstößt es gegen hundert Vorschriften bezüglich sexueller Diskriminierung. Ich weiß das alles und trotzdem werde ich es machen. Zweitens habe ich die letzten Jahre damit verbracht zu ignorieren, zu unterdrücken, zu verleugnen und zu lügen. Und ich habe es satt. Ich will die Wahrheit sagen, ich will die Worte sagen, die vermutlich lieber unausgesprochen bleiben sollten. Ich sollte mich einfach mit den Konsequenzen abfinden.

Also, hier ist sie, die Wahrheit: Ich liebe Sie.

Okay, ich weiß, das ist nicht wirklich ein Schock. An dieser Stelle noch mal vielen Dank an Anise und ihrer überaus reizenden Maschine. Aber da ist noch mehr. Ich liebe Sie, Sam. Ich liebe Sie und ich will, dass Sie ein Teil meines Lebens sind – nicht nur als Kollegin und Freundin, sondern als etwas, was viel wichtiger ist. Ich möchte Ihnen in die Augen sehen können und mich nicht schuldig fühlen müssen. Ich möchte Sie berühren, ohne Angst davor zu haben, wer uns beobachten könnte. Ich möchte Sie einfach nur lieben. Und wenn das falsch ist, dann weiß ich nicht mehr, was noch richtig ist.

Ich kann mir vorstellen, wie Ihre Augen jetzt immer größer werden und Sie erstaunt Ihre Augenbrauen hochziehen. „Was zum Teufel redet er da? Hat er jetzt total den Verstand verloren?“ Ja, ich weiß, dass Ihnen das jetzt durch den Kopf geht. Aber hören Sie mir nur noch einen Moment zu.

Als Sie auf P3X-382 vermisst wurden, da habe ich ein paar Dinge verstanden. Erstens, ich bin wirklich gut darin mich und meine Mitmenschen zu belügen und zweitens, dass ich das nicht mehr tun kann. Irgendwas in mir ist zusammengebrochen, Sam. Eine Barriere, die all dies versteckt hielt und ich kann es jetzt nicht mehr dahinter verschließen. Und noch viel wichtiger, ich will es nicht mehr. Das Leben ist zu kurz. Deswegen will ich, dass Sie die Wahrheit wissen – dass ich verrückt nach Ihnen bin und ich alles tun werde, dass das mit uns klappt. Ich werde alles tun, Sam. Alles, was in meiner Macht steht. Aber ich kann nicht länger mich oder Sie anlügen. Ich liebe Sie und diese Tatsache ist der Mittelpunkt in meinem Universum. Ich kann es nicht länger verstecken.

Aber jetzt liegt es an Ihnen. Wenn es nicht das ist, was Sie wollen, dann respektiere ich das vollkommen. Ich werde die ganze Woche oben in meiner Hütte sein, also können Sie mich dort über mein Handy erreichen. Wenn ich nichts von Ihnen höre, dann weiß ich, was es bedeutet und ich schwöre Ihnen, ich werde es Ihnen nicht nachtragen. Aber wenn Sie anrufen, dann könnten wir vielleicht reden und sehen, wo es uns hinführt. Ich hoffe, Sie rufen an.

Bitte ruf an.

Für immer Dein.

JACK

Sam war total perplex. Sie musste den Brief dreimal lesen, bevor sie es verstand – wirklich verstand. Er wollte eine Beziehung… eine wirkliche, echte Beziehung… Mit ihr. Sie schloss ihre Augen, überrascht dort Tränen zu finden. Das war einfach unmöglich – es gab keine Möglichkeit – und er wusste es. Er hatte es gleich zu Beginn des Briefes gesagt.

Also, was zum Teufel wollte er damit bezwecken? Was erwartete er von ihr? Sollte sie einfach sagen: 'Scheiß auf die Regeln’ und dann zu ihm laufen, weil er auf einmal meinte, dass er das wollte? Und wie zum Teufel passte Tasha Greene in dieses Bild? Gott!

 

Das Telefon lag auf dem Kaffeetisch und sie schnappte es sich. Sie hatte schon halb seine Nummer gewählt, als sie innehielt. Mit einem frustrierten und total verwirrten Seufzen sank sie zurück in die Kissen und schloss ihre Augen. Das Telefon hielt sie in der einen, den Brief in der anderen Hand. „Und was zum Teufel soll ich jetzt bitte schön machen?“, seufzte sie unglücklich. Aber das stille Haus hatte keine Antwort für sie.


++++++++++

General Hammond saß teilnahmslos in seinem Büro, sein Blick ruhte auf den ordentlichen Briefumschlag, der in seiner offenen Schreibtischschublade lag. Die gedruckten Buchstaben, die ihn ansprachen, starrten von dem weißen Papier zu ihm auf. Er kannte den Inhalt, obwohl er es bisher noch nicht gelesen hatte. Und er würde es nicht, es sei denn, er musste es. Obwohl er zugeben musste, dass er sich über den Inhalt etwas zwiespältig fühlte. Es gab ihr kein richtig oder falsch, nur eine extreme Vielschichtigkeit und das Gleichgewicht von pro und kontra. Und er war einmal froh, dass er diesen Schritt nicht gehen musste…

„General Hammond!“

Aus seinen Gedanken gerissen schaute er auf, um Doktor Natasha Greene mit einem Lächeln sein Büro betreten zu sehen. Ihr Hosenanzug hatte sich perfekt an ihre dünne, noch recht jugendliche Figur angepasst. Sie war eine attraktive Frau und er stand auf, um sie mit einem Lächeln zu begrüßen. „Dr. Greene“, sagte er mit warmer Stimme und streckte ihr seine Hand entgegen. „Es ist schön Sie wieder zusehen.“

„Gleichfalls“, antwortete sie und schüttelte fest seine Hand, bevor sie Platz nahm und ihre Tasche auf den Boden abstellte. Er setzte sich ebenfalls wieder hin und schloss seine Schublade, sodass sie den Brief nicht sehen konnte. „Wie ist die Konferenz gelaufen?“, fragte er dann. „Ich nehme an, Dr. Jacksons Unterlagen waren ein Erfolg?“

Sie lächelte. „Natürlich. Er ist ein äußerst außergewöhnlicher Redner, auch wenn eine Paar seiner Quellen etwas unklar sind.“

Hammond nickte nur. „Also“, sagte er und betrachtete sie neugierig, „was verschafft mir die Ehre? Hat Dr. Jackson eine weitere Ruine oder Fundstelle gefunden, die Sie gerne besuchen würden?“

Der Doktor schüttelte mit dem Kopf, während ihre Locken leicht mitwippten und ihr Gesicht einen kaum wahrnehmbar schmerzhaften Ausdruck annahm. „Nein, General“, sagte sie und senkte ihren Blick. „Ich fürchte, dass es um etwas mehr… Persönlicheres geht.“

„Verstehe“, antwortete er, obwohl instinktiv Wut in ihm aufstieg. Über die Jahre hinweg war Hammond zu einem ziemlich guten Menschenkenner geworden und er hatte plötzlich das Gefühl, dass man ihn zum Narren halten wollte. Jedoch hielt er seine Haltung verdeckt. „Inwiefern?“

Doktor Greene sah mit einem leichten Stirnrunzeln zu ihm auf. „Mich geht es wahrscheinlich gar nichts an“, sagte sie flüsternd, „es ist nur so… ich bin besorgt.“

„Wirklich?“

Mit einem leichten Seufzen schüttelte sie ihren Kopf. Ihr Gesicht war ein Bild der Sorge. „Ich gehe davon aus, dass Sie wissen, dass Jack und ich nicht mehr zusammen sind?“, begann sie traurig. Hammond nickte gelassen und sie fuhr fort. „Jack ist ein guter Mann, General“, sagte sie. „Und seine Arbeit hier bedeutet ihm sehr viel. Deswegen will ich nicht mit ansehen, wie er einfach alles hinschmeißt.“

Als Hammond leicht auf seinem Stuhl herumrutschte, faltete er seine Hände. „Und inwiefern tut er das?“

Sie zog anscheinend besorgt ihre Augenbrauen zusammen. „Na ja, General“, sagte sie und senkte ihre Stimme. Sie sah sich kurz um, so als ob sie befürchtete, dass jemand lauschen würde. „Die Sache ist die… nun, der Grund, warum Jack und ich uns getrennt haben, war wegen seiner… seiner Beziehung zu Major Carter.“

Hammond erstarrte, sein Kiefer war angespannt und seine abgestützten Hände so verkrampft, dass er schließlich dazu gezwungen war, sie in seinen Schoß fallen zu lassen. Das war etwas, was er nie hören wollte. „Doktor“, sagte er scharf, „bitte seien Sie sich darüber im Klaren, was Sie hier sagen – die Karrieren zweier sehr guter Offiziere könnte ihr auf dem Spiel stehen. Was genau meinen Sie damit?“

Sie zuckte nur mit den Schultern und warf ihre Haare zurück über ihre Schultern. Plötzlich schien jegliche Sorge von ihr abgefallen zu sein. „Sie lieben sich“, sagte sie ihm mit einer qualvollen Offenheit. „Jack hat es mir selbst gesagt.“

„Ich hoffe, Sie verstehen“, sagte Hammond, als er aufstand, und versuchte seine Wut zu kontrollieren, „dass Sie durch diese Anschuldigung die Zukunft von Colonel O’Neill und Major Carter aufs Spiel setzen.“

Sie riss ihre Augen auf, aber Hammond wusste, dass dies nur aufgesetzt war und in ihren Tiefen konnte er das Eis sehen. „Ich tue nur das, was ich denke, was das Beste ist“, antwortete sie.

Aber er schüttelte den Kopf. „Irgendwie, Dr. Greene, bezweifle ich das“, flüsterte er. „Ich erkenne Rache, wenn ich sie sehe."

Sie errötete leicht, als sie aufstand, aber er konnte nicht sagen, ob es vor Wut oder Demütigung war. „Es tut mir Leid, wenn es das ist, was Sie denken“, antwortete sie mit gefalteten Händen vor sich. „Jedoch lüge ich nicht und ich hatte gedacht, dass jemand wie Sie, in ihrer Position, in der Lage dazu ist, Jack und Samantha Carter davon abzuhalten etwas zutun, was sie vielleicht bereuen könnten.“ Ihre Gesichtszüge waren jetzt kalt und gebieterisch und sie schaute ihm mit einem eisigen Blick an. „Vielleicht habe ich mich aber auch geirrt. Aber Sie sehen nicht aus wie ein Mann, der sich vor der Wahrheit versteckt.“

Wenn ihn das treffen sollte, dann funktionierte es. Er hatte sich schon viel zu lange vor dieser besonderen Wahrheit versteckt. Zu lange vielleicht. „Wenn ich so ein Mann wäre“, antwortet er, „dann wäre ich jetzt nicht hier. Ich hoffe nur, dass es nicht etwas ist, was Sie noch bereuen werden, Dr. Greene. Es gibt nur sehr wenige Menschen, die es sich erlauben können, sich Feinde zu machen.“

Sie lächelte, es war ein kaltes Lächeln, das ihn erschaudern ließ. „Ein Rat“, antwortete sie, „auf den Jack O’Neill besser gehört hätte.“

Hammond sagte nichts, als der Doktor ihre Tasche nahm und sich umdrehte, um zu gehen. Aber als sie die Tür öffnete, wurde sie von einem ziemlich erstaunten Daniel Jackson überrascht, welcher gerade zum Klopfen angesetzt hatte. „Tasha!“, sagte er sofort, die Verwirrung war Beweis genug auf seinem Gesicht. „Äh, was machen Sie hier?“

Doktor Greene warf Hammond einen letzten, eisigen Blick zu, bevor sie sich an Daniel wandte. „Ich verschwinde“, sagte sie.

Und genau das tat sie auch. Hurtig stolzierte sie auf ihren Absätzen, die laut aufhalten, den Korridor hinunter. Langsam drehte sich Daniel um, so wie immer, wenn er in Gedanken versunken war, und betrat das Büro. Sein Blick hing so lange auf dem Doktor, bis sie verschwunden war. „Also…“, sagte er nach einem Moment und sah Hammond an, „was hatte das zu bedeuten?“

Hammond atmete tief ein und sank zurück in seinen Stuhl. „Schwierigkeiten, Sohn“, sagte er dem jungen Mann. „Für zwei unserer Freunde.“

Daniel verzog das Gesicht, er brauchte keinen weiteren Einzelheiten. „Heaven has no rage, like love to hatred turned“, murmelte er leise zu sich selbst. „Nor Hell a fury like a woman scorned.”

„Shakespeare, Dr. Jackson?“, fragte Hammond und lächelte grimmig.

„Hä?“, machte Daniel und schüttelte dann seinen Kopf, so als er erst da bemerkt hatte, dass er die Worte laut ausgesprochen hatte. „Ah, nein, eigentlich nicht. Es ist von 'The Mournig Bride’ von William Congreve. Er war ein englischer Schriftsteller.“ Als er den leicht nervösen Blick von Hammond sah, verstummte er augenblicklich. „Entschuldigung“, murmelte er. Er nahm seine Brille von der Nase und schaute noch einmal durch die offene Tür. Seufzend schüttelte er seinen Kopf. „Schwierigkeiten also…“

Hammond nickte. „Verdammt große Schwierigkeiten.“


+++++++

Die Angelschnur lag jetzt schon seit Stunden im Wasser, aber nichts außer die schwirrenden Insekten über dem See störten die Ruhe des Wassers. Mit Sicherheit keine Fische. Nicht, dass Jack das etwas ausmachte. Er saß mit ausgestreckten Beinen auf seinen Stuhl, schaute mit schweren Herzen und einem trüben Schweigen hinaus auf das friedliche Wasser. Ein kaum berührtes und warmes Bier lag in seinem Schoß und auf dem Boden, neben seinen Füßen, lag sein ausrangiertes, vollgeladenes Handy, das auf den Anruf wartete, der nie gekommen war.

Ohne sich zu bewegen, seufzte er. Was sollte er schon tun? Er wusste, dass sie vor drei Tagen seinen Brief erhalten hatte – vor fünf Tagen hatte er ihn abgeschickt – also war ihr Schweigen sehr eloquent. Sie war nicht interessiert. Vielleicht war bereits zu viel Wasser unter der Brücke her geflossen? Vielleicht konnte sie ihm nicht verzeihen, dass er mit Tasha zusammen war, als sie vermisst wurde? Vielleicht war es ihr auch einfach nur egal? Es war schon immer schwierig gewesen Carter einzuschätzen, sie hatte nie wirklich mit offenen Karten gespielt. Vielleicht war sie auch nur nicht an etwas Ernsten interessiert. Sie war jung, vermutlich wollte sie nicht an jemanden gebunden sein – besonders nicht an einen so alten und gescheiterten Soldaten, wie er es war. Er seufzte erneut. Verdammt, aber es war einfach in Selbstmitleid zu verfallen, wenn man alleine war.

Ablenken. Er musste sich irgendwie ablenken, damit er den Schmerz in seiner Brust in Hinblick auf seine Zukunft vergaß. Denn egal, was mit Carter geschehen mochte, er wusste mit Sicherheit, dass seine Zukunft ab jetzt eine drastische Wendung nehmen würde. Also stand er auf, nahm sein Handy und steckte es in seine Gesäßtasche und ging zurück zur Hütte. Die Luft war heute frisch und verkündete das Ende des Herbstes. Schon bald würde es schneien. Er sollte wahrscheinlich mal das Dach untersuchen und sichergehen, dass auch alles für den langen Winter versiegelt war. Wer konnte schon wissen, wann er wieder das nächste Mal hier oben sein würde? Okay, und wo zum Teufel hatte er jetzt sein Werkzeug versteckt…?


++++++++

Vorsichtig humpelte Sam den kleinen Pfad hinauf, ihr Vorankommen war äußert langsam auf den unebenen Boden. Sie hatte ihren Mietwagen neben den des Colonels abgestellt und es sah ganz so aus, als ob sie den Rest des Weges zu Fuß gehen müsste. Oder in ihrem Fall, mit nur einem Fuß und zwei Krücken. Großartig. Aber dadurch ließ sie sich nicht abschrecken, nicht nachdem sie bereits so weit gekommen war.

Nachdem sie über eine Stunde nur auf seinen Brief gestarrt hatte, hatte sie begriffen, dass sie zu ihm gehen und mit ihm darüber reden musste – auch wenn sie überhaupt keine Ahnung hatte, was sie sagen sollte. Sie wusste nur, dass dieser Brief sie tiefgreifend berührt hatte, aber wie attraktiv sein Vorschlag auch war, eine verbotene Beziehung zwischen ihnen war immer noch unmöglich. So stark die Kräfte, die sie zusammenführen auch sein mögen, die Kräfte, die sie auseinanderhielten, waren stärker – Pflicht und Ehre. Keiner von ihnen würde dies über ihr Verlangen stellen, keiner von ihnen könnte damit glücklich werden.

Zu guter Letzt sah sie seine Hütte durch die Bäume hindurch und traf Teal’cs Beschreibung perfekt. Im Gegensatz zu O’Neills Haus in Colorado Spring, war diese Hütte auf eine charmante Art und Weise etwas verwildert. Und im Licht der späten Herbstsonne sah sie warm und einladend aus. Sam musste ein Seufzen unterdrücken und sie erinnerte sich daran, dass sie sich unten an der Straße ein Zimmer gemietet hatte. Und sie war nur zum Reden hier, um die Dinge zu klären und nicht mehr… Dann würde sie wieder verschwinden.

Als sie die kleine Lichtung, die seine Hütte umgab, betrat, blieb sie stehen. Ihr Blick war auf den Besitzer des Hauses gefallen, der dem Wetter entsprechend gekleidet war. Seine allgegenwärtige Kappe hing ihm tief in seinem Gesicht und er saß auf einer hölzernen Bank und begutachtete ein wirklich merkwürdiges aussehendes Werkzeug. Noch nicht einmal Sam konnte sagen, wozu man das gebrauchen könnte. Er hatte seine Augenbrauen konzentriert zusammengezogen, als er mit einem Finger über die Kante fuhr. Hier, erkannte sie, war er in seinem Element. So sehr er auch seine Arbeit liebte, war ihm die Steifheit des Militärs immer ein Dorn im Auge gewesen, aber hier, ganz allein, da war er wirklich er selbst. Sie lächelte und für nur einen Moment schwand ihr Widerstand. Wie einfach es doch wäre, in diesem warmen Pool aus Sonnenlicht zu treten, ihre Arme um ihn zu schlingen und zu ihm in diesen kleinen Zufluchtshafen zu flüchten. So einfach, so verführerisch… so falsch.

Sie seufzte und er musste es gehört haben, denn er schaute plötzlich auf und ihre Blicke trafen sich mit einem Erschüttern, das Sam in ihrem tiefsten Inneren spürte. Sie sah Erstaunen, Unglaube und eine wirklich unglaubliche Freude. All dies zeichnete sich auf einmal auf seinem Gesicht ab, geprägt von einer angespannten Erwartung, als er langsam aufstand. „Carter“, sagte er leise. Ihren Namen sprach er halb mit Hoffnung und mit Erleichterung aus. „Hey.“

„Hey“, antwortete sie und für einen Moment bewegte sich keiner von ihnen. Nur ihre Blicke hielten sie fest, als die Welt um sie herum aufhörte, sich zu drehen. Er schien irgendwie verändert zu sein, offener als gewöhnlich und sogar aus dieser Entfernung konnte sie die Wärme in seinen Augen sehen. Sie fragte sich, was er in ihr sehen mag.

„Sie haben nicht angerufen“, sagte er nervös. Es war offensichtlich, dass er durch ihr plötzliches Auftauchen aus der Bahn geworfen war.

„Nein“, gab sie zu. „Das tut mir leid. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.”

Er beobachtete sie eingehend und besorgt. Und beinahe zum ersten Mal, seit sie ihn jetzt kannte, hielt er seine Hände ruhig um das Objekt, angespannt vor Erwartung. „Aber Sie wissen es jetzt?“

Sie wusste, nach was er fragte – war sie hergekommen, um trotz der Vorschriften mit ihm eine Beziehung einzugehen – und sie wünschte sich, dass sie eine bessere Antwort für ihn hatte. Aber er hatte gesagt, dass er die Wahrheit wollte und das war sie. „Nein, nicht wirklich“, sagte sie, ihr Blick noch weiterhin auf ihn gerichtet. „Aber ich dachte, dass es helfen würde, wenn wir darüber sprechen… ich hasse Telefone.“

Es war nicht wirklich eine Antwort und er entspannte sich auch nicht, aber er nickte mit einem kleinen Lächeln und schaute weg. „Ja, ich auch“, sagte er. „Ich bin froh, dass Sie hier sind – wir müssen wirklich reden.“

Und damit war der Bann gebrochen. Nicht länger irgendwelche intensive Blicke. Sam setzte sich wieder in Bewegung und bahnte sich ihren Weg vorsichtig über den unebenen Boden auf seine Hütte zu. So als ob Jack jetzt zum ersten Mal sehen würde, dass sie mit Krücken laufen musste, schnellte er ruckartig zu ihr. „Carter!“, rief er verzweifelt. „Ihr Fuß… wo ist Ihr Auto?“

„Ich habe es bei Ihrem Truck stehen gelassen“, antwortete sie, als sie zum ihm aufschaute und einfach nicht anders konnte, als zu lächeln, als sie seinen Gesichtsausdruck sah. „Teal’c hat mir gesagt, dass man hier nicht hochfahren kann.“

„Sie sind gelaufen?“

„Na ja“, lächelte sie, „eigentlich bin ich mehr gehüpft…“

„Oh, verdammt… Carter, warum haben Sie mich nicht angerufen? Ich meine… wenigstens vom Auto aus. Ich hätte Sie abholen können.“

„Mir geht’s gut“, versicherte sie ihm, als sie an ihm vorbeiging. „Ich bin bereits richtig gut mit diesen Dingern hier, wissen Sie… Außerdem brauchte ich mal die Herausforderung.“

Er fiel in ihren langsamen Schritt und beobachtete sie aus seinen Augenwinkel heraus. „Sie hätten sich verletzten können.“

Sie sah mit einem Lächeln zu ihm auf und war aufgrund seiner ungewöhnlichen Sorge etwas verwirrt. „Tun Sie einfach so, als wären wir auf einer Mission, Sir“, schlug sie ihm vor, „dann wird es Sie nicht so sehr stören.“

Mit einem Stirnrunzeln wandte er schnell seinen Blick ab. „Sieht das so aus?“, fragte er. „Dass es mich nicht kümmert?“

Augenblicklich bereute Sam ihre Worte. „Natürlich nicht“, antwortete sie wieder überrascht über seine ungewohnte Offenheit. „Ich meinte nur… da sind Sie es gewohnt, dass ich mich um mich selbst kümmere, das ist alles.“

Jack nickte. „Es beschäftigt mich“, sagte er ihr. Sein Blick war auf seine Stiefel gerichtete, als sie langsam ihren Weg gingen. „Ich kann es nur nicht so zeigen.“

„Ich weiß.“

Er seufzte, aber bis sie die Hütte erreicht hatten, schaute er nicht ein weiteres Mal zu ihr. „Wollen Sie vielleicht reinkommen?“, fragte er. Es war eine einfache Frage, aber sie verriet einen Hauch von Sorge, so als ob er Angst haben könnte, dass sie ablehnen würde. Sie konnte es ihm nicht verübeln – einige Male hatte sie es schon getan.

Aber diesmal tat sie es nicht, sondern lächelte ihn an. „Für eine Weile“, sagte sie.

„Genau“, murmelte er und verstand ihren Vorsatz nicht für allzu lange bleiben zu wollen.

Sam hielt am Fuße der Treppen an und überlegte sich, wie sie am besten mit ihren Krücken da hochkommen sollte. Es gab nichts, woran sie sich hätte festhalten können und als sie noch über ihr Problem grübelte, schlang Jack einfach seinen Arm um ihren Rücken und unter ihre Arme. Er stützte sie, während sie die Stufen hochkletterte. Der plötzliche Körperkontakt war erschreckend – ein plötzliches Verlangen versetzte ihren Bauch in einen freien Fall und die Luft zwischen ihnen war mit einem Male aufgeladen und äußerst gefährlich. Sich jeder ihrer Bewegung bewusst, schlang sie ebenfalls ihren Arm um seinen Rücken, sodass sie sich an seiner Schulter festhalten konnte, als er ihr dabei half die kleine Treppe zu erklimmen. Unter ihrem Arm konnte sie das Spiel seine Muskeln spüren, als er sich bewegte und sie konnte nicht verleugnen, dass diese plötzliche Nähe sich verdammt gut anfühlte, verlockend und einfach nur richtig. Und plötzlich war sie wieder zurück in der Höhle, ihr Kopf ruhte auf seiner Brust und seine Arme hielten sie fest an ihn gedrückt. Sie konnte sich an ein warmes Streicheln über ihre Wange erinnern, Wörter, die leise in ihr Haar gemurmelt wurden und ihr stockte der Atem bei der Intensität dieser Erinnerungen… Sie versuchte ein Seufzen zu unterdrücken.

Was Jack grade fühlte, konnte sie nicht sagen, weil sie es nicht wagte, ihm ins Gesicht zu sehen. Aber sobald sie auf der Veranda waren, ließ er sie los und ging schnell zur Tür und öffnete sie für sie.

„Hereinspaziert“, sagte er mit einem trockenen Lächeln, so als ob er einen privaten Witz mit sich teilen würde. Sam dachte, dass sie ihn verstand – ein Ziel in seinem Leben war es wohl immer gewesen, sie in diese Hütte zu bekommen, auch wenn er da wahrscheinlich dabei an ein ganz anderes Szenario gedacht hatte.

Sie lächelte ebenfalls, traf seinen Blick und teilte mit ihm für einen Augenblick diesen Witz, als sie eintrat und sich umsah. Aus irgendeinem Grund hatte sie erwartet, dass das Innere dunkel und erdrückend sein würde. Aber das war es nicht. Der Raum war in helles Sonnenlicht getaucht, welches durch das Fenster schien und den hölzernen Boden warm glänzen ließ.

Ein frisch gehackter Stapel mit Feuerholz lag in der Feuerstelle und ihr Duft verlieh dem Raum ein angenehmes Aroma. Ein bequemer Sessel und ein Sofa standen vor dem offenen Kamin. Und durch das Fenster hindurch konnte man den See funkeln sehen und dies gab all dem einen wundervollen Touch von Gemütlichkeit. „Wow“, sagte sie schließlich und atmete tief ein. „Das ist wunderschön.“

Jack grinste, offensichtlich ziemlich erfreut über ihre Antwort. „Danke“, sagte er. „Ich wusste, dass Sie es lieben…“ Verlegen unterbrach er sich selbst. „Ah, setzten Sie sich doch“, bot er ihr an und überspielte seine zeitweilige Verwirrtheit, in dem er die Zeitungen von der Couch nahm. „Wollen Sie etwas trinken? Kaffee? Bier?”

Sam sank mit einem erleichterten Seufzen dankbar auf die Couch, als sie ihr Bein ebenfalls dort ablegte. „Kaffee“, antwortete sie lächelnd. „Danke.“

Mit einem Nicken verschwand er in der Küche und schon bald hörte sie das leise Gluckern der Kaffeemaschine. Aber er brauchte länger als normal üblich, und als er zurückkam, sah er gefasster aus, als zuvor. Etwas von seiner Zurückhaltung war zurückgekehrt und wieder einmal bauten sich seine Mauern auf. Er lächelte sie nicht an, als er sich gegenüber von ihr in den Sessel setzte und ihr die Tasse reichte. Er beobachtete sie mit einem prüfenden Blick, so als ob er auf den großen Knall warten würde. Sein Blick bestürzte sie zutiefst – sie wusste ganz genau, dass er sich zurückhielt, sich vor ihrer Abweisung fürchtete und sich so gut wie möglich davor schütze. Sie wandte ihren Blick ab und wünschte sich mehr als je zuvor, dass sie eine andere Wahl hätte. Aber sie konnte an keine denken, die ihre Pflicht gefährdete. „Also…“, durchbrach Jack das große Schweigen.

 

„Also“, stimmte sie ihm flüsternd zu. „Ich denke… wir sollten reden.“

Jack nickte. „Sie, ähm, Sie haben meinen Brief bekommen?“, fragte er und sie konnte sehen, wie etwas Befangenheit langsam durch seine Abwehr brach.

„Ja…“, antwortete sie. „Ich war… überrascht. Ich hatte angenommen, dass Sie mit Tasha hier oben wären.“

Er verzog sein Gesicht und nahm einen Schluck von seinem Kaffee. „Schätze mal, dass ich nicht erwähnt habe, dass wir uns getrennt haben?“ Er sah auf. „Ich hatte irgendwie angenommen, dass Daniel Sie einweihen würde.“

Sie lächelte; Daniel war trotz allem immer noch die Tratschtante in ihrem Team. „Was ist passiert?“, fragte sie. „Mit Tasha?“

„Was denken Sie denn?“ Noch immer beobachtete er sie vorsichtig. Als er keine Antwort bekam, fuhr er fort. „Sie hatte ihre Vermutungen… über uns.“

„Sie hat Ihnen den Laufpass gegeben?“, fragte Sam plötzlich misstrauisch.

Seine Lippen verzogen sich ein dünnes Lächeln. „Es kam von beiden Seiten.“

Sie nickte und in ihrem Kopf halten die schmerzenden Worte von Tasha auf, die sie zu ihr auf der Krankenstation gesagt hatte. 'Ich schätze mal, Jack hat Sie dann wohl doch nicht so sehr vermisst.’ Er hatte mit ihr geschlafen. Während sie fast zu Tode erfroren war, sie allein und verletzt in dieser Höhle gelegen hatte, hatte er mit ihr geschlafen! Der Verrat, den sie fühlte, war wie ein wunder Punkt in ihrem Herzen. Sie konnte nicht widerstehen ihn immer wieder zu berühren, auch wenn der Schmerz dadurch noch schlimmer wurde als zuvor. Sie sah ihn mit einem gefassten Blick an. „Wann haben Sie sich getrennt?“, fragte sie.

„Der Tag, nachdem wir Sie gefunden haben“, sagte er. „Ich denke, es war ziemlich offensichtlich was ich gefühlt habe, als Sie verschwunden waren…“

„Ha!“ Sam konnte das zynische Lachen nicht zurückhalten und Jack zuckte zusammen. Er musste wissen, was sie darüber dachte, aber er sagte nichts, vielleicht hoffte er so das Thema zu meiden. Keineswegs! „Erinnern Sie sich noch daran, als wir dachten, dass Daniel tot war?“, fragte sie ihm ruhig und entschied sich an das Thema heranzutasten, als langsam ihre Wut diesen warmen Raum erfüllte. „Als wir *wussten*, dass wir ihn tot gesehen hatten?“

Er schaute mit einem ausdrucklosen Gesicht zu ihr auf. Ein sicheres Zeichen dafür, dass er sich noch weiter zurückzog und auf den Sturm wartete. „Ja“, antwortete er bedacht.

„Wir waren alle am Boden zerstört“, sagte sie. „Sie haben sogar die Nerven verloren… Sie haben das Fenster von dem Auto des Generals zerschlagen.“

„Worauf wollen Sie hinaus?“

Sam atmete einmal tief ein. „Wie konnten Sie mit ihr in dieser Nacht schlafen, als Sie dachten, dass ich tot wäre?“

Jack schloss für einen Moment die Augen und stand dann abrupt auf. Er wandte sich von ihr ab und ging zu dem Kamin, eine Hand legte er auf die Brüstung, während er hinunter auf das Holz starrte. Eine lange Zeit herrschte Stille, nur das kontinuierliche Treten seines Fußes, gegen den Kaminsims war zu hören. Als er schließlich zu sprechen begann, war nichts mehr von der Zurückhaltung in seiner Stimme zu hören, sondern sie hörte etwas heraus, was ihn tief persönlich traf. „Wie alt waren Sie, als Ihre Mutter starb, Carter?“, fragte er leise.

Merkwürdige Frage. „Elf“, antwortete sie, und als sie ihn beobachtete, spürte sie, wie die Wut unter den immensen Gefühlen, die er ausstrahlte, zu schmelzen begann.

Er schüttelte den Kopf. „Das ist zu jung“, seufzte er. Dann: „Ich war einunddreißig als meine Mutter gestorben ist. Achtunddreißig als Charlie starb. Neununddreißig als Sara mich verlassen hat.“ Seine Stimme erstickte fast und sein Griff um die Brüstung festigte sich, bis seine Knöchel weiß hervortraten. „Ich habe dreiundzwanzig Männer unter meinem direkten Kommando verloren und vier stellvertretende Offiziere. Ich habe achtzehn Männer von Gesicht zu Gesicht umgebracht und… viel zu viele im Kampf. Das ist verdammt viel Tod in einem Leben.“

Sam wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, erschüttert durch ihren Angriff auf seine Gefühle. Sie hatte noch nie gesehen, dass seine Rüstung auf diese Weise zusammenbrach. Und trotzdem spürte sie, wie er sich noch immer unter Kontrolle hat und sie fragte sich, was passieren mochte, wenn er sie einmal verlieren sollte. Aber im Moment verlangte ihr unverblümter Angriff auf seine Gefühle eine Antwort, egal wie lahm sie auch klingen mag. Also räusperte sie sich und flüsterte: „Ja, das ist es.“ Sie fühlte sich plötzlich wie ein kleines, egoistisches Kind. Wie konnte sie ihn nur dafür verurteilen, dass sie annahm, dass er weniger fühlte, als er eigentlich sollte? Eine Entschuldigung formte sich grade auf ihren Lippen, als er wieder zu reden begann.

„Als sie gesagt haben, dass Sie verschwunden waren, Carter, da dachte ich, dass ich komplett die Kontrolle verlieren würde – dass ich untergehen und *nie* wieder auftauchen würde. Ich griff nach dem ersten Strohhalm, den ich… Es tut mir leid… Ich hätte dort draußen sein und nach Ihnen suchen sollen, aber die haben gesagt, dass sie fort waren und ich habe nur…“ Er verstummte abrupt, ließ seinen Kopf noch weiter hängen. Bewegungslos stand er da, bis auch seine Schultern zusammensackten und er zitternd einatmete. „Das war das Schlimmste, was ich in dieser Nacht getan habe.“

Wenn sie dazu in der Lage gewesen wäre aufzuspringen, dann wäre sie binnen weniger Sekunden bei ihm gewesen. Aber ihre Krücken lehnten gegen der Wand, was, wie die Vernunft ihr sagte, wohl das Beste war. Sie war hierher gekommen, um zu reden – das ist alles – also sollten sie auch reden. „Sie haben mich nicht zurückgelassen, Sir“, beharrte sie sanft. „Sie haben mich nach Hause gebracht. Sie haben mein Leben gerettet – schon wieder.“

„Nein“, antwortete er und drehte sich mit einem dunklen Blick zu ihr um. „Sie haben *mein* Leben gerettet, Carter – jeden einzelnen Tag.“

Er sah sie durch die aufgewühlten Gefühlen in seinen Augen an und da erkannte sie, dass seine Mauern wieder gefallen waren, wie Ruinen lagen sie auf dem Boden und in seinem Blick konnte sie sein Herz sehen. Wohl zum ersten Mal, sah sie die Tiefe seiner Gefühle, die er für sie hegte – und es überwältigte sie gänzlich, ließ sie atemlos. Er liebte sie, brauchte sie, wollte sie… sie konnte Leidenschaft, Begierde, Zärtlichkeit und Hingabe in seinen Augen sehen, als er einfach nur dort stand und vor ihr seine Seele ausbreitete. Und gerade als sie dachte, dass sie es nicht mehr aushalten könnte, schloss er seine Augen, suchte nach Mut, bevor er sie wieder öffnete und sie mit einem flehenden Blick ansah. „Carter“, sagte er erschöpft, „bitte sagen Sie mir einfach nur, ob Sie hierher gekommen sind, um es anzufangen oder zu beenden?“

Der Atem blieb ihr im Halse stecken. Sie wollte – konnte – diese Frage nicht beantworten, nicht unter diesen Umständen. „Ich“, begann sie mit einem Stirnrunzeln, „ich will gar nichts beenden.“

„Aber?“, fragte er, als er einen Schritt auf sie zuging und sich sein Blick in ihren bohrte.

Sie schluckte. „Aber… realistisch gesehen… wissen Sie, dass wir gar nichts anfangen können… Die Vorschriften…“

„Vergiss die Vorschriften“, drängte er und innerhalb weniger Schritte, kniete er an ihrer Seite und berührte ihre Hand. „Carter… das hier ist wichtiger…“

„Nein“, beharrte sie und zog ihre Hand aus seiner und drückte sich so weit in die Couch, wie sie nur konnte. „Sir… wir *können* die Vorschriften nicht vergessen! Sie wissen, was passieren wird, wenn wir es tun.“

Er schüttelte jetzt frustriert seinen Kopf. „Ich weiß… ich meine… was wäre, wenn es diese Vorschriften *nicht* geben würde?“ Er nahm erneut ihre Hand, seine warmen Fingern gegen ihre Haut und sie begann unter seine Berührung leicht zu erschaudern. „Was, wenn sie kein Thema wären?“, drängte er. „Was wäre dann?“

„Dann… wären die Dinge anders“, antwortete sie sanft. „Aber es ist sinnlos so zu denken, Sir. Sie sind da… und es gibt keinen Weg drum herum.“

Er wandte seinen Blick ab, aber seine Hände hielt er an Ort und Stelle und sie spürte, wie ihr Herz wie ein Schnellzug zu pochen zu begann. Als er wieder zurück zu ihr schaute, war er ernst. „Ich denke darüber nach in den Ruhestand zu gehen“, sagte er leichthin, so als ob er ihre Antwort dadurch entkräftigen wolle.

„Was?“, rief sie und von der Art und Weise, wie er zusammenzuckte, war das die Antwort, die er wohl erwartet hatte. „Das können Sie nicht tun!“

Er zuckte nur mit den Schultern. Dann ließ er ihre Hand los und setzte sich neben sie auf die Couch. „Warum nicht?“

Sam schüttelte den Kopf. Sie war sich nicht sicher, ob sie das verstehen konnte, was er ihr da gerade anbot. „Für mich…?“, schaffte sie schließlich zu sagen. „Das kann ich nicht zulassen. Sie sind viel zu wichtig für das SGC, als dass Sie einfach gehen könnten!“

Und dann lächelte er sie schon fast verlegen an, obwohl er sie nicht direkt ansah. „Und Sie sind zu wichtig für mich, um zu bleiben.“ Er schaute zu ihr auf. „Ich meinte jedes Wort in dem Brief, Carter. Ich brauche Sie in meinem Leben. Wenn Sie es wollen, dann werde ich alles tun, damit das funktioniert.“

„Aber nicht das“, beharrte sie. Das war einfach zu viel. Ruhestand? Er würde alles aufgeben, nur damit er mit ihr zusammen sein konnte? Das war doch… verrückt! „Ich kann mir das SGC nicht ohne Sie vorstellen. Und was ist mit den Goa’uld?“

„Würden die mich wohl vermissen?“

„Colonel!“, protestierte sie und starrte ihn ungläubig an. „Sie können nicht davonlaufen!“

Er seufzte schwer und tippte in seinem Schoß seine beiden Daumen nervös gegeneinander. Konzentriert runzelte er seine Stirn. „Sie denken, dass es ein Pflichtversäumnis ist.“

Die Worte hangen zwischen ihnen und sie musste zugeben, dass ihre anfängliche Antwort in diese Richtung ging. Einfach vor den Kampf davon zu laufen, damit er mit ihr zusammen sein konnte… es erschien entartet und unehrenhaft. Und jetzt… ein Teil von ihr war begeistert. Er wollte so sehr mit ihr zusammen sein, dass er dafür *alles* aufgab. Aber die Verantwortung, die dadurch auf sie lastete, war erschreckend und es war mehr, als sie ertragen konnte.

„Ich habe viel darüber nachgedacht“, sagte er plötzlich, stand auf und begann im Raum auf und ab zu laufen. „Das ist nicht nur ne Laune, nicht irgend so ein Testosteron gesteuertes Lustding!“ Sam zog aufgrund seiner Wortwahl ihre Augenbrauen hoch und er winkte diesen Kommentar leicht verlegen ab. „Ich habe mir Gedanken um Major Coburn gemacht“, gab er dann zu und nahm etwas von der Fensterbank und begann damit herumzuspielen. „Er ist gegangen, um bei seiner Frau und seinen Kindern zu sein und das SGC ist auch ohne ihn weitergelaufen. Dasselbe wäre doch auch bei mir der Fall. Ich bin nicht unentbehrlich, Carter. Niemand von uns ist das.“ Er sah sie kurz an und fügte dann leise hinzu: „Aber ich möchte unentbehrlich sein… für Sie.“

Ihr Herz pochte wild und sie redete, ohne nachzudenken. „Aber das sind Sie doch bereits“, flüsterte sie und musste lächeln, als sie das Leuchten in seinen Augen sah. Dann schaute sie schnell weg, verängstigt, dass sie sich in seinen verrückten Fantasien verlieren konnte. „Aber so einfach ist das nicht, oder? Was ist mit Ihnen? Was würden Sie tun, wenn Sie im Ruhestand sind?“

Er schielte zu ihr hinüber. „Dies und das“, versprach er. „Im Grunde habe ich sogar ein Leben außerhalb dieses Berges… nicht so wie manch andere Leute.“

Sie zuckte mit ihren Schultern. „Es wäre jede Menge Druck“, sagte sie dann und hatte unweigerlich das Gefühl immer weiter in die Ecke gedrängt zu werden. Sie konnte doch nicht ernsthaft darüber nachdenken… oder? „Was, wenn das mit uns nicht funktioniert?“, beharrte sie. „Was, wenn wir nach ein paar Verabredungen entscheiden, dass es nicht funktioniert? Dann hätten Sie Ihre Karriere für nichts und aber nichts weggeworfen.“

„Das wird nie passieren, Carter“, sagte er ihr mit Zuversicht. Er drehte sich zu ihr um und lehnte sich gegen die Fensterbank. „Ich kenne Sie ganz genau. Wir haben mehr Zeit zusammen verbracht, als irgendein Ehepaar.“ Er tippte auf seine Brust. „Sie sind hier, Carter, und von dort werden Sie auch nicht verschwinden.“

Sam beobachtete ihn grüblerisch und wog ihre nächsten Worte genau ab. „Die Frau, die Sie kennen Colonel“, sagte sie und benutzt extra seinen Rang, „ist 'Major Carter’, welche Sie 'Sir’ nennt und Ihre Befehle befolgt. Sie können mit *Sam* vielleicht nicht umgehen.“

Ein langsames Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Das hört sich ganz nach einer Herausforderung an.“

Sie musste wegschauen, um nicht selbst zu lächeln. „Ich meine das ernst, Colonel“, erinnerte sie ihn. „So sehr Sie vielleicht denken, dass wir uns kennen, so können wir doch herausfinden, dass wir das eben nicht tun. Es ist immer noch ein Risiko.“

„Es ist ein Risiko“, stimmte er ihr zu. „Aber gehen wir nicht jeden Tag irgendwelche Risiken ein, wenn wir da draußen sind?“

„Dort draußen, ja“, bestätigte sie. „Aber…“ Sam verstummte, da sie sich nicht sicher war, wie sie fortfahren sollte und plötzlich schien Jack zu verstehen.

„Sie haben Angst“, sagte er auf einmal. „Oder?“

Sie runzelte die Stirn, konnte es aber nicht verleugnen. „Ich denke schon. Sie etwa nicht?“

Nach einem Moment zuckte er mit den Schultern. „Etwas“, gab er zu und ging wieder zu ihr, „aber ich habe mehr Angst Sie zu verlieren, Carter.“ Er setzte sich neben sie und legte zögernd eine Hand auf ihr gesundes Bein. Er beobachtete sie, ob es ihr Recht war. Als sie nicht widersprach, redete er weiter. „Mein Dad hat mir mal einen Rat gegeben. Ich habe nie wirklich auf das gehört, was er mir gesagt hat, aber das ist hängen geblieben. 'Du bist eine lange Zeit tot.’“ Er traf ihren Blick, während sich sein Daumen sanft über ihren Oberschenkel bewegte und ihrer Konzentration schreckliche Dinge antaten. „Ich habe der Air Force zwanzig Jahre meines Lebens gewidmet, Carter“, sagte er. „Und verstehen Sie mich bitte nicht falsch, das meiste davon habe ich geliebt. Aber ich werde langsam alt… neue Länder, neue Planeten und alle betreten wir nur mit einer Waffe in der Hand und der Gefahr, die sich fast um jeder Ecke befinden könnte. Fast mein gesamtes Erwachsenenleben über war ich Soldat… ist es da zu viel von mir verlangt oder zu egoistisch wenn ich einfach nur etwas Frieden und…“

„… wenn Sie einfach nur Frieden und Liebe haben wollen?“, beendete sie seinen Satz, als sie nervös seine Hand mit ihrer bedeckte. Er schaute sie einfach nur an, die Antwort lag in seinen Augen. Und in diesem Moment verstand sie es: Er lief vor nichts davon. Das hatte er nie getan. Sie war immer diejenige gewesen, die gelaufen war, die sich hinter den ganzen Vorschriften versteckt hatte, weil sie einfach zu verängstigt war, das größte Risiko überhaupt einzugehen. „Nein“, sagte sie, als sie sah, wie die Wärme in seinen Augen anstieg. Sie war kaum in der Lage unter ihrem lauten Herzschlag ihre eigene Stimme zu hören. „Nein, ich denke, das sind Sie nicht.“

Er bewegte seine Hand und drehte sie um, sodass sich ihre Fingerspitzen berührten, als er sich nervös seine Lippen befeuchtete. „Carter“, sagte er ihr mit einem direkten Blick in ihre Augen, „bitte sag mir, dass du hier etwas anfangen willst.“

Es gab tausend gute Gründe, warum sie es nicht machen sollte, dachte sie, als sie in seine Augen sah und dort in ihrer Wärme versank. Und nur einen wirklich guten Grund, warum sie es tun sollte, aber dieser eine Grund, war der wichtigste von allen – sie liebte ihn. Sie festigte ihren Griff um seine Hand und sprach mit einem Flüstern. „Das will ich, Jack.“

Er sackte vor Erleichterung zusammen, so als ob irgendwo irgendwelche Schnüre durchgeschnitten worden waren. Aber er schrie weder auf, noch grinste er. Stattdessen zog er sie einfach nur in seine Arme, drückte sie fest an sich, als er seinen Kopf in ihren Schultern vergrub. „Danke“, flüsterte er in ihr Haar. „Danke, Sam…“

„Wie lange?“, fragte sie, als sie ihre Arme um ihn schlang und nur lächeln konnte, als sie spürte, wie er sie noch fester an sich drückte.

„Hä?“, murmelte er in ihr Haar.

„Bis du im Ruhestand bist?“, klärte sie ihn auf und zog sich so weit zurück, dass sie ihn ansehen konnte. „Wie lange müssen wir noch warten?“

Er lächelte, ein kleines Lächeln, das seine Augen zum Funkeln brachten. „Hammond hat bereits meinen Brief.“

Sam riss ihre Augen auf. „Du hast bereits abgedankt?“, fragte sie erstaunt. „Bevor du wusstest, was ich tun würde?“

„Ich hab’s versucht“, sagte er ihr und entließ sie aus seiner Umarmung, so, dass sie sich zurück in die Kissen lehnen konnte, aber seine Hände fuhren an ihren beiden Armen hinunter, bis sie ihre Hände fest umschlossen. „Hammond hatte es nicht akzeptiert… er hatte mir gesagt, dass ich mir ein paar Wochen Urlaub nehmen und darüber nachdenken sollte. Also, hier bin ich… und denke nach.“

Verwirrt runzelte sie die Stirn. „Dann hattest du so oder so vorgehabt in den Ruhestand zu gehen? Auch wenn ich dem hier… nicht zugestimmt hätte?“

„Stört dich das?“, fragte er neugierig.

Mit einem Schulterzucken schüttelte sie den Kopf. „Eigentlich nicht. Es ist sogar besser… kein Druck.“

„Kein Druck“, versicherte er ihr. Er sah sie mit einer so tiefen Zuneigung an, dass Sam das Gefühl hatte, dahin zu schmelzen. „Überhaupt keinen“, fügte er hinzu, als er sich ihr näherte und in ihren persönlichen Raum eindrang – näher, noch näher, seine Nase stupste leicht gegen ihre… Oh Gott, er würde sie küssen! Adrenalin schoss durch ihren Körper, ihr Herz begann wie wild zu schlagen, als es von Kopf bis Fuß zu kribbeln begann und sich seine Finger noch fester um ihre legten. Sein Atem war so warm auf ihren Lippen, mit einem leichten Kaffeegeschmack und so köstlich… Gott, sie wollte das. Sie wollte es schon so lange. Sie hatte davon geträumt, hatte es sich gewünscht… Und das war es! Ihre Sicht vor ihren Augen verschwamm, als nichts als ein Hauch von Luft noch zwischen ihnen stand. Langsam begannen sich ihre Augen zu schließen und….

Bleep, bleep.

Sie hielten inne, erstarrten an der Schwelle ihres Kusses… Handy.

Bleep, bleep.

O’Neills Handy.

Verdammt“, murmelte er, als er sich entschuldigend und frustriert von ihr löste. „’Tschuldigung… ich muss rangehen… Notfallnummer“, murmelte er und zog sein Handy aus seiner Gesäßtasche und schaute auf das Display. „SGC“, sagte er ihr, als er antwortete. „O’Neill.“
Sein Gesicht war ausdruckslos und dann überrascht. „General! Was…oh.“ Es herrschte ein langes Schweigen, und während er seinem Gesprächspartner aufmerksam zuhörte, verdunkelte sich sein Blick. „Verstehe“, sagte er schließlich. „Was genau hat sie gesagt?“ Er riss seine Augen auf, nur um sie eine Sekunde später zu zwei engen Schlitzen zu verengen, als er begann mit dem Saum von seinem Pullover zu spielen. Und dann lächelte er leicht. „Ja, Sir… das ist wahr.“ Aber schon bald verschwand dieses Lächeln. „Nein!“, schrie er plötzlich ins Telefon. „Nein, Sir, haben wir nicht. Ich schwör’s bei Gott.” Er ließ ihre Hand los, stützte sich mit einem schmerzerfüllten Gesichtsausdruck von ihr weg. „Ja, ich verstehe. Ich werde so schnell wie möglich dort sein.“ Eine weitere Pause. „Ich bin mir sicher, dass sie das wird, Sir. Danke, Sir… Ja. Tschüss.”

Mit einem Seufzen schaltete er sein Handy aus und schaute zu ihr. „Was ist passiert?“, fragte sie ängstlich.

„Tasha“, kam die dunkle Antwort.

„Geht’s ihr gut?“, wollte Sam wissen und fragte sich, in welche Schwierigkeiten sich diese Frau jetzt schon wieder gebracht hatte.

„Oh, ihr geht’s gut“, sagte Jack verbittert. „Und sie hat über… dich und mich… ein paar Anschuldigungen gemacht.“

Sam riss ihre Augen auf und ihr Magen zog sich zusammen. „Scheiße!“, zischte sie, als sie mit einer Hand durch ihre Haare fuhr. Es schien so, als ob sie sich plötzlich erst bewusst wurde, wie unangebracht es von ihr war hier zu sein und was sie im Begriff war zu tun. Jack war noch nicht im Ruhestand! „Ich sollte besser gehen“, entschied sie und stand auf.

Aber er hielt sie zaghaft an ihrer Hand fest. „Schon in Ordnung“, versichert er ihr. „Wir haben nichts falsch gemacht. Wir müssen nur mit Hammond sprechen. Alles wird gut. Es wird nur 'ne Weile dauern, bis das vom Tisch ist, das ist alles.“ Er lächelte und er streckte seine Hand aus, um ihr Gesicht zu berühren, um den Moment wieder einzufangen, aber sie fing seine Finger mit ihrer Hand und zog sie sanft hinunter in ihren Schoß.

„Nein“, sagte sie. Mit einem Lächeln schwächte sie das harte Wort ab. „Nicht jetzt. Ich kann nicht.“

„Warum nicht?“, fragte er verwirrt.

Sie seufzte. „Weil das zu wichtig ist, als dass wir es überstürzen sollten. Ich will nicht das Gefühl haben, dass wir etwas Falsches machen.“

Er beugte sich weiter zu ihr hin, seine Stimme war leise und verführerisch. „Wir überstürzen nichts und das ist nicht falsch.“

Der unterschwellige Duft von Seife und Rasierwasser erfüllte ihre Nase… Gott, sie war in Versuchung geführt. „Technisch gesehen“, erinnerte sie ihn verzweifelt, „sind Sie immer noch mein Vorgesetzter, *Sir*.“

„Technisch gesehen?“, hauchte er und kam ihr immer näher.

Sie drückte sich zurück in die Kissen, weg von ihm und schluckte schwer gegen die überwältigende Verlockung an. „Bis du nicht im Ruhestand bist, können wir das nicht machen“, wiederholte sie. „Hammond wir jetzt Fragen stellen… besonders nachdem Tasha…“

Er stoppte in seiner Bewegung, seine Augen verloren einen Hauch von dem Verlangen und er sah sie mit plötzlicher Neugierde an. Er glaubte ihr nicht wirklich und erwartete sicherlich, dass sie jeden Moment in ein großes Gelächter ausbrechen würde. Aber das tat sie nicht. Sie sah ihn nur ehrlich an. „Lass uns warten, bis das hier alles durch ist. Ich will das nicht verstecken. Und wir haben jetzt schon so lange gewartet.“

„Sam…“, murmelte er mit einem frustrierten Kopfschütteln. „Wirklich?“

„Ich will unsere Freunde deswegen nicht anlügen… noch nicht einmal für ein paar Wochen“, erklärte sie ihm ruhig und lächelte, als sie sein ungläubiges Gesicht sah. „Ich will, dass das hier ehrlich ist, Jack. Gleich von Anfang an.“

„Gott“, hauchte er, als er sich ein Stück zurückzog. „Du meinst es ernst.“

„Wenn wir… jetzt etwas tun“, sagte sie und spürte, wie sie bei dieser Andeutung leicht rot anlief, „müssen wir General Hammond anlügen und ich weiß nicht, ob ich das kann. So wäre unser Gewissen rein. Wir haben nichts zu verbergen.“

Er schwieg eine Weile und konnte sie nur mit einer Mischung aus Bewunderung und Erstaunen ansehen. „Du hast recht“, stimmte er ihr mit einen leichtem Seufzen und einem zärtlichen Lächeln zu. „Wie immer. Und du bist um einiges stärker als ich.“ Er zog widerstrebend seine Hände aus der ihren, aber er saß noch immer nahe bei ihr und sein Blick ruhte noch immer auf ihr. „Ich weiß nicht, wie ich das verbergen soll, wenn wir zurückgehen“, sagte er, als aus seinem Lächeln ein Grinsen wurde. „Ich fühle mich… na ja, mir fällt kein passendes Wort ein, aber du weißt schon, was ich meine. Und ich bin mir sicher, dass die Leute es bemerken werden.“

Sam nickte. „Dass du glücklich bist?“, schlug sie ebenfalls mit einem Grinsen vor. „Du siehst glücklich aus.“

„Das ist es wohl“, lachte er leicht, als er aufstand und zwischen ihnen eine sichere Entfernung brachte. „Glücklich… ja… sehr, sehr glücklich.“

„Ich auch“, stimmte sie ihm zu und spürte langsam, wie ihre Kontrolle wieder zurückkehrte. „Im Grunde denke ich sogar, dass das so ganz gut sein wird“, entschied sie, als sie ihn beobachtete. „Ein paar Wochen, um sich an den Gedanken von… mehr… zu gewöhnen, ist schon gut. Dann wäre es nicht so überstürzt.“

Jack sah nicht vollkommen überzeugt aus. „Vielleicht“, stimmte er zu. „Obwohl… offen gesagt, könnte ich mich an 'mehr’ ziemlich schnell gewöhnen.“ Sein Lächeln wurde ein wenig anzüglich. „Es ist ja nicht so, als ob ich nicht schon vorher darüber nachgedacht habe.“

„Ach, wirklich? Ist das so?“, antwortete sie und ging auf ihn ein.

„Natürlich“, fügte sie hinzu, „vergisst du auch den anderen Vorteil, die diese paar Wochen des Wartens mit sich bringen.“

„Tue ich das?“, fragte er und zog seine Augenbrauen hoch. Seine dunklen Augen lachten nur so vor Vergnügen – und Verlangen – und sie wusste, dass er sie bewusst reizte.

Also schenkte sie ihm ein langsames, verführerisches Lächeln und sah, wie sein Kinn vor Verwunderung fast auf den Boden fiel. „Wenn mein Fuß erst einmal wieder gesund ist, dann bin ich auch wieder beweglicher… und viel abenteuerlustiger.“

Jack schluckte schwer. „Ich kann’s kaum erwarten“, murmelte er unsicher und sie sah, dass er jedes Wort ernst meinte.

„Sicher kannst du das“, versicherte sie ihm lächelnd. „Denk einfach nur an die Vorfreude.“

Er nickte langsam und beobachtete sie mit solch einer Sehnsucht, dass sie rot anlief. „In dem Moment, in dem meine Papiere über den Tisch sind“, warnte er sie, „klopfe ich an deine Tür.“

Sam grinste glücklich und in ihren Bauch schwirrte ein ganzer Haufen Schmetterlinge. „Ich werde warten.“


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Die Reden waren schon lange vorbei und der Alkohol floss frei in der gefüllten Cafeteria. Musik wurde laut aber nicht störend im Hintergrund gespielt und das Licht schimmerte durch den Rauch der gelegentlich angezündeten, eigentlich verbotenen Zigaretten. General Hammond atmete einmal tief ein und seufzte. Die Stimmung war festlich, aber er konnte einfach nicht das Gefühl des Bedauerns unterdrücken, als er zu seinem ehemaligen besten Team schaute, die in einer Gruppe nahe der Getränkebar standen, lachten und herumalberten. SG-1 – eine Legende zu ihrer Lebenszeit – und das meinte er ohne jegliche Ironie. Das unschlagbare, unermüdliche SG-1.

Jack stand in der Mitte der Gruppe und stritt lachend mit Doktor Jackson über ein paar Einzelheiten einer Mission, die sie mal in Schwierigkeiten gebracht hatten. Der Doktor bettelte Carter um Unterstützung an, aber sie schüttelte nur grinsend den Kopf und entschied sich klugerweise nicht in diese Diskussion hineingezogen zu werden. Teal’c beobachtete sie schweigend, aber Hammond kannte diesen Mann bereits zu lange, um die Zuneigung in seinem Blick zu sehen, als er seine Freunde beobachtete. Und er seufzte erneut vor Bedauern. Dieser Ort hier würde ohne Colonel O’Neill einfach nicht mehr derselbe sein. Ohne, dass er mit seinen vollkommen irrelevanten Sticheleien und äußerst teils ungestümen Kommentaren durch die Gänge jagte.

Er ließ seinen Blick von Jacks leicht angeheiterten Gesicht zu Major Carter wandern. Ihr breites, ansteckendes Grinsen war schon fast die hellste Sache in diesem leicht dämmrigen Raum und er konnte es O’Neill nicht verübeln, dass es ihn so in seinen Bann zog. Sie war eine außergewöhnliche Frau, brilliant, kompetent und mutig. Und er beobachtete, wie Jack ab und an zu ihr hinunter schaute, wo sie neben ihm an der Bar gelehnt stand. Ihre Blicke trafen sich einen Moment und etwas funkelte zwischen ihnen auf – es war wie ein Blitz, der ihre beiden Gesichter vor Glück erhellte. Und dann war es verschwunden. Jack widmete sich wieder seiner Diskussion mit Daniel und Carter nahm ihren Drink und nippte daran. Aber ein Lächeln leuchtete in ihren Augen und dasselbe Lächeln zeichnete sich auf Jacks Lippen ab, als er mit Daniel sprach. Sie waren glücklich, so verdammt glücklich, dass es durch all ihren Handlungen ausgedrückt wurde.

Und das, seufzte der General, war es doch, um was es in Wirklichkeit ging. Glück. Und warum zum Teufel eigentlich nicht?

„Sir?“ Die Stimme neben ihn riss ihn aus seinen Gedanken und er sah hinunter in die neugierigen Augen von Doktor Fraiser, die zu ihm aufschaute. „Sie sehen nachdenklich aus, Sir“, fügte sie hinzu und bot ihm einen Drink an. „Ich dachte mir, dass Sie vielleicht einen von denen gebrauchen könnten – natürlich nur aus rein medizinischen Zwecken.“

Er lächelte. „Danke, Doktor“, nickte er und nahm den Drink aus ihrer Hand. „Und ich nehme an, dass ich in der Tat etwas nachdenklich bin.“ Sein Blick wanderte zurück zu SG-1, die noch immer glücklich beisammenstanden. „Erzählen Sie nur nichts Colonel O’Neill davon“, warnte er sie, „aber ich werde ihn vermissen.“

„Ich auch“, flüsterte Fraiser. „Und Sie sagen es ihm auch nicht, Sir. Trotz seiner ständigen Beschwerden ist der Colonel sehr… liebenswert.“

Nickend schaute Hammond zurück zu ihr. „Das ist er“, stimmte er ihr zu. „Ich wünschte nur… ich wünschte nur, dass es einen anderen Weg gegeben hätte und dass er nicht diese Entscheidung hätte treffen müssen.“

Fraiser zog ihre Augenbrauen hoch. „Soweit ich informiert bin“, sagte sie neugierig, „geht der Colonel in den Ruhestand, um zu 'Reisen’ und 'andere Interessen zu verfolgen’.“

Hammond lachte leicht, als er das hörte. „Das hat er Ihnen erzählt?“

Ihre Augen verengten sich, als sie zurück zu dem Team schaute. „Ja“, sagte sie langsam. „Ich habe meine Vermutungen“, fuhr sie fort, „aber… niemand hat sie bisher bestätigt, also…?“

Niemand? In anderen Worten, Major Carter hat sogar die Wahrheit vor ihren Freunden geheim gehalten… er war nicht wirklich überrascht. Aber von der Verärgerung aus der Stimme des Doktors, hatte sie wohl erwartet in das Geheimnis mit eingeweiht worden zu sein. „Ich glaube schon, dass Jack plant, etwas zu reisen“, sagte er in dem Versuch sie zu besänftigen. „Er hat mir erzählt, dass er schon immer mal die… Pyramiden sehen wollte.“

Fraiser riss ihre Augen auf. „Das hat er gesagt?“

„Vielleicht hat er es auch nicht ganz ernst gemeint“, gab Hammond zu. „Jedoch glaube ich, dass es ihm ernst damit ist 'andere Interessen zu verfolgen’.“

Der Doktor schwieg einen Moment. „Na ja“, sagte sie schließlich. „Das wird ja auch langsam mal Zeit.“

„Wie ich bereits sagte“, seufzte Hammond, „ich wünschte nur, dass wir ihn deswegen nicht verlieren müssten.“

Sie antwortete ihm nicht, ihre Augen waren auf SG-1 gerichtet und er folgte ihrem Blick. Die Musik spielte jetzt etwas Langsameres und Jack murmelte etwas in Carters Ohr. Zunächst schüttelte sie den Kopf, und wich lächelnd zurück. Jack jedoch blieb hartnäckig und Hammond konnte seine gelachten Worte durch die Menge hören. „Kommen Sie, Carter“, flehte er, „machen Sie einen alten Mann glücklich…“

Carter zögerte, schielte zur Mitte des Raumes, wo bereits ein paar Paare langsam tanzten und verdrehte dann nur ihre Augen. Jack interpretierte diese Geste offensichtlich als ein Ja, denn er eskortierte sie mit einem bestimmten Griff um ihre Schultern, sodass sie auch ja nicht flüchten konnte, zur Mitte des Raumes. Einmal in der Menge drehte er sie sanft herum in seine Arme und hielt trotz allem noch einen angemessen und respektvollen Abstand.

Neben sich hörte er Fraiser leise seufzen und er sah, wie sie die beiden mit einem verträumten Blick beobachtete. Als sie seinen Blick spürte, räusperte sie sich kurz und schaute weg und verfiel wieder zurück in ihre Rolle. „Nun denn“, sagte sie, „es ist wenigstens schön einmal ein Happy End zu sehen.“

„Ich denke besser kann es nicht mehr werden“, antwortete er, als er das tanzende Paar beobachtete. Sie tanzten nicht besonders nahe beieinander, aber die Blicke, die sie sich zuwarfen, erhitzte die Luft zwischen ihnen so sehr, dass selbst er die Hitze spüren konnte. „Ich wünschte einfach nur, dass wir eine Möglichkeit gehabt hätten, Colonel O’Neill im SGC zu behalten.“

Fraiser nickte und schaute zurück zu den tanzenden Paaren, bevor sie ihm einen prüfenden Blick zuwarf. „Haben Sie je in Betracht gezogen“, sagte sie leise, „dass der Colonel gar nicht behalten werden will?“

Er runzelte leicht die Stirn. „Sie meine, auch wenn es einen Weg für ihn geben würde… seine ‚anderen Interessen’ zu verfolgen, während er seine Position hier behalten könnte, dass er trotzdem in den Ruhestand gegangen wäre?“

„Ja“, nickte sie gedankenverloren und kämpfte damit ihre Andeutung noch weiter zu erläutern. Er verstummte und wartete, dass sie weiter sprechen würde. „Als ich Colonel O’Neill das erste Mal traf“, sagte sie vorsichtig, „war es zu seiner Voruntersuchung für die erste Abydos-Mission.“ Sie machte eine kleine Pause und nippte an ihrem Drink. „Ich habe vorgeschlagen, dass er lieber einen Psychologen aufsuchen sollte, als das Kommando für die Mission zu übernehmen.“

Hammond nickte, ihm war der Zustand des Colonels aus dieser Zeit noch allzu vertraut. „Der Tod seines Sohnes war noch nicht lange her.“

Fraiser nickte. „Das stimmt“, bejahte sie seine Worte. „Er war depressiv – meiner Meinung nach war es höchst gradig gefährlich gewesen.“ Sie erschauderte leicht. „Ich kann mich an seine Augen erinnern“, sagte sie leise. „Sie waren tot… nichts konnte man in ihnen sehen. Es kam mir so vor, als ob man in einen dunklen Spiegel sehen würde.“

„Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie er sich damals gefühlt haben musste.“

„Nein“, stimmte ihm Fraiser zu. „Der Colonel nimmt seine Verantwortung sehr ernst. Ich bezweifle, dass er sich jemals vergeben wird.“

Während sie sprach, hob Hammond seinen Blick und sah, dass Jack noch immer mit Major Carter tanzte. Sie redeten leise miteinander und schienen sich ein wenig entspannt zu haben. Sie sind sogar ein wenig näher zusammengerückt. Es war nichts Offenkundiges, aber man konnte die Verbindung, die die beiden teilten, einfach nicht ignorieren. Und dann lächelte Jack, ein Ausdruck, erkannte Hammond, den er in den letzten paar Wochen immer häufiger gesehen hatte.

So, als wenn sie seine Gedanken lesen würde, antwortete ihm Fraiser. „Er ist glücklich, Sir. Er ist nicht mehr der Mann, den ich einst traf… oder besser, er ist nicht mehr die Hülle eines Mannes, die ich vorher kennengelernt hatte. Was auch immer auf Abydos geschehen war, es hatte ihn verändert. Als er wieder zurückkam, da habe ich trotz der tiefen Trauer, Leben in seinen Augen gesehen. Und über die Jahre hinweg, habe ich immer mehr davon gesehen… aber… richtig glücklich habe ich ihn noch nie gesehen, Sir. Nicht wirklich… Sie etwa?“

Hammond dachte über diese Frage nach. Er hatte O’Neill überschwänglich, triumphierend und amüsiert gesehen… aber darunter hatte sich immer eine dunkle Unterströmung befunden. Er vermutete, dass es Trauer, Schuld und Einsamkeit waren. Nach allem hatte er mehr als nur seinen Sohn verloren, als Charlie starb; er hatte auch seine Frau verloren – seine gesamte Familie. Und wenn er jetzt an seine eigene Kinder und Enkel dachte, verstand Hammond, dass Jack all dies verloren hatte. Er hatte seine Zukunft verloren, die Chance mit seiner Frau alt zu werden, zu sehen, wie sein Sohn zu einem erwachsenen Mann heranwuchs und vielleicht eines Tages selbst mal einen Enkel im Arm zu halten.

Aber vielleicht hatte er jetzt eine zweite Chance bekommen. Gott wusste, dass dieser Mann es verdient hatte und in diesem Moment verstand Hammond, dass Fraiser recht hatte. Jack wollte nicht gehalten werden, er wollte frei sein und das wieder neu aufbauen, von dem er dachte, dass er es verloren und Hammond für so selbstverständlich hingenommen hatte – eine liebende Familie. Bei dem Gedanken daran verspürte er einen untypischen Klumpen in seinem Hals und schluckte schwer. „Sie haben recht“, sagte er Fraiser. „Ich habe ihn zuvor noch nie so glücklich gesehen und es wäre egoistisch von mir ihn hier behalten zu wollen. Er hat das verdient… Er hat eine zweite Chance verdient.“

Fraiser nickte und mit einem Lächeln richtete sie ihren Blick wieder auf das tanzende Paar. „Ich denke, sie beide haben es, Sir.“


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Die Musik war leise und angenehm. Der Rhythmus war langsam genug, sodass Jack nicht nachdenken musste, wohin er mit seinen Füßen treten musste, als er sie in seinen Armen wiegte. Na ja, fast in seinen Armen –wenn man daran dachte, dass sie hier mitten in der Kantine und genau vor General Hammond tanzten.

„Also“, lächelte Jack, „beobachtet uns auch jeder?“

Sam grinste. „Vermutlich“, stimmte sie ihm zu. „Die Hälfte von denen denkt doch sowieso schon, dass wir bereits seit Jahren miteinander schlafen.“

Verdammt, er hätte den Gerüchten wirklich mehr Aufmerksamkeit schenken sollen. „Tun sie das?“

„Natürlich“, zuckte sie mit den Schultern und ihr Lächeln wurde zynisch. „Wie wäre ich wohl sonst so schnell Major geworden?“

Er verdrehte seine Augen, aber er konnte nicht sagen, dass er besonders überrascht darüber war. Verdammt, er hätte es wahrscheinlich schon vor fast einem Jahrzehnt aufklären sollen. „Arschlöcher“, sagte er und schloss sich mit in die Beschreibung ein.

Aber Sam, mit ihrer typischen Gnade, lächelte nur. „Damit werde ich schon fertig“, versicherte sie ihm. Und dann wechselte sie schnell das Thema. „Also, wie sieht’s mit Ihnen aus, Sir? Letzter Tag.“

Sir. Er lächelte sie an, amüsiert über ihre Hartnäckigkeit. „Nur noch zwölf weitere Stunden, Major“, antwortete er natürlich. „Morgen Nachmittag kannst du mich aufhören Sir zu nennen.“

Sie lächelte wieder, aber er konnte auch eine gewisse Traurigkeit in ihren Augen sehen und als sie sprach, war sie wieder ganz ernst. „Bedauerst Sie es?“

Er zog sie etwas näher an sie heran und beruhigte sie so ohne jegliche Worte. Wie konnte er etwas bereuen, wenn er sie in seinen Armen halten konnte? Und doch hatte sie recht. Er fühlte einen gewissen Verlust. Er konnte nicht so tun, als ob er keine gemischten Gefühle über seine Entscheidung haben würde. Er würde die Begeisterung, das Verantwortungsgefühl und besonders sein Team vermissen. Verdammt, wenn er sich nicht sicher darüber wäre, dass er sie auch danach noch sehen würde, dann war er sich nicht sicher, ob selbst Sam ihn von SG-1 hätte trennen können. Aber sein Team waren mehr als nur Kriegskameraden, sie waren seine Freunde – seine Familie - und das würden sie auch noch bis zu seinem Tode sein. Davon war er vollkommen überzeugt. Etwas von seinen Grübeleien musste sich auf seinem Gesicht widergespiegelt haben, denn sie löste sich leicht aus seinen Armen und sah ihn besorgt an. „Sir, wenn Sie Zweifel haben…“

„Nein!“, versicherte er ihr und zog sie wieder zu sich hin… vielleicht etwas zu nah. „Keine Zweifel, aber ich werde das hier vermissen.“

Sie nickte. „Natürlich werden Sie das“, murmelte sie. „Ich wünschte… ich wünschte nur, dass es nicht so sein müsste.“

„Nein, nicht“, sagte er ihr wahrheitsgemäß. „Sicher, ich bin traurig zu gehen, aber das bedeutet nicht, dass ich bleiben will.“ Er runzelte die Stirn. „Macht das überhaupt Sinn?“

Nach einer sorgfältigen Überlegung lächelte sie. „Im Grunde tut es das sogar.“

Er antwortete nicht, sondern erwiderte nur ihr Lächeln und verlor sich in ihren Augen. Seine Gefühle schienen Tag für Tag noch weiter zu wachsen, multiplizierten sich und so musste er sie nur ansehen und sofort zeichnete sich ein Grinsen auf seinen Lippen ab. Sam, natürlich, war noch immer ein Paradebeispiel des Anstandes. Sie behielt ihre 'Colonels’ und 'Sirs’ mit einer Hartnäckigkeit aufrecht, die nur Carter aufbringen konnte. Aber er missgönnte es ihr nicht, nein, eigentlich fand er das sogar ganz reizend. Obwohl er auch sehr genau wusste, dass sie sich jetzt eine P-90 schnappen und damit einen flauschigen Hasen abknallen könnte und er würde es immer noch reizend finden – alles an ihr war wie verhext. Es war ein merkwürdiges Gefühl, aber irgendwo auch vertraut. So hatte er sich schon einmal gefühlt und er erkannte dieses berauschende Gefühl, dass man nur noch von einer Gefühlsachterbahn beherrscht wurde. Es war, wenn man sich verliebte. Natürlich liebte er sie schon seit Langem – er liebte auf eine Macho-Art-und-Weise alle in seinem Team – aber dieses 'Achterbahn-Ding’ war vollkommen anders. Er war total aus dem Gleichgewicht, albern und sich durchaus bewusst, dass er sich bald verraten würde. Es war eine wilde Reise, besonders für einen Mann, wie Jack O’Neill, der es immer bevorzugte seine Gefühle schön unter Kontrolle zu halten.

Ein verträumter Blick glitt zu Carter, als sie ihn ansah und sein Herz überschlug sich, als er sich vorstellte, dass ihre Gedanken vielleicht ganz ähnliche Wege einschlugen. Er hätte jedes Geld der Welt gezahlt, um sie in diesem Augenblick einfach nur an sich zu drücken und jegliche Zweifel bezüglich seiner Gefühle schwinden zu lassen. Jetzt wo das Ende nah war – das Licht am Ende des Tunnels war so hell, dass es ihn schon fast blendete – fand er es immer schwieriger ihr zu widerstehen. Er räusperte gegen die Welle des Verlangens an. „Also… haben Sie morgen schon irgendwelche Pläne, Carter?“

Der verträumte Blick verschwand augenblicklich aus ihren Augen und wurde durch eine helle Aufregung ersetzt, die schon fast an Nervosität grenzte. „Eigentlich nicht. Sie?“

„Das kommt ganz drauf an“, sagte er und war plötzlich unerwarteter Weise ziemlich besorgt.

„Worauf?“, fragte sie mit einem kleinen Lächeln.

Er zuckte mit den Schultern. „Ob Sie auch etwas machen wollen.“

„Etwas…“, überlegte sie. „Etwas wie…?“

„Abendessen?“

Ihr Lächeln wurde breiter. „Abendessen hört sich gut an.“

Okay, jetzt raste sein Herz. Es raste! „Bei mir?“, schlug er vorsichtig vor. Und dann befürchtete er, dass sie vielleicht annehmen würde, dass er erwarten würde, dass sie gleich bei der ersten Gelegenheit ins Bett springen würden. „Wir können aber auch ausgehen. Wenn Sie mir mit meinen…Kochkünsten nicht trauen.“

Ihr Lächeln verschwand und sie sah ihn ernst an. „Ich vertraue Ihren Kochkünsten“, versicherte sie ihm. „Und ich denke, dass es bei Ihnen… nett wäre.“

Nett? Was zum Teufel sollte das schon wieder bedeuten? Nett für was? Essen oder… Oh Gott, plötzlich kam er sich vor wie ein Teenager bei seiner ersten Verabredung. Er hatte absolut keine Ahnung. Mit Tasha war das nie so gewesen. Es gab keine Vorsicht, keine Sorgen. Es war einfach langsam passiert und dann sind sie eines Tages im Bett gelandet und das war es auch schon. Aber das hier! Nichts hatte ihm bisher so viel bedeutet und er hatte noch nie solch eine Angst gehabt das zu vermasseln.

Aber eines der wundervollsten Dinge an Carter war, dass sie ihn in - und auswendig zu kennen schien. Sie drückte leicht seine Hand und zog ihn damit aus seiner plötzlichen Panik. „Neunzehnhundert?“, schlug sie mit einem beruhigenden Lächeln vor.

Er nickte stumm, sich plötzlich darüber im Klaren, dass das hier ein *Date* war, was sie hier arrangierten. Ein gottverdammtes Date! Mit Carter! „Hört sich gut an“, versicherte er ihr unsicher. „Ich… kann’s kaum erwarten.“

Sie grinste plötzlich, ein kurzer Sonnenstrahl, der sein Herz immer aus der Bahn warf. „Ich auch nicht“, gab sie in einer flüsternden Stimme zu, die seinen Magen Purzelbäume schlagen ließ. Oh Mann! Und dann schritt sie grinsend aus seinen Armen. „Vielen Dank für den Tanz, Sir.“
Eine Hand zuckte leicht, darauf erpicht sie wieder zurück zu sich zu ziehen, aber er brachte es gerade noch rechtzeitig unter Kontrolle und atmete einmal tief durch. Und dann schaffte er es noch zurück in die gespielte Formalitäten zu fallen. „Die Freude ist ganz meinerseits, Major.“

„Bist morgen dann…?“

„Bis morgen“, stimmte er immer noch grinsend zu. Und damit drehte sie sich um und verschwand in der Menge. Sie ließ ihn einfach alleine in der Mitte der Tanzfläche zurück, wo er ohne jeglichen Zweifel wie ein grinsender Idiot ausgesehen haben musste und so aufgeregt war, wie ein kleines Kind an Weihnachten. Morgen! Heilige Scheiße, morgen würde es passieren…!


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„Du gehst schon?“ folgte die Stimme Sam den Korridor hinunter, als sie mit ihrer Jacke über ihrer Schulter geworfen zu den Fahrstühlen ging. Sie lächelte, als sie den Ton aus der Stimme heraushörte, und drehte sich um, nur um Janet mit einem ziemlich verärgerten Blick am anderen Ende des Korridors stehen zu sehen.

Sam zuckte mit den Schultern. „Ich bin müde“, erklärte sie. „Ich fahre nach Hause und werde mich in die Falle schmeißen.“

Janet antwortete ihr nicht, sondern zog nur eine Augenbraue hoch, als sie mit klappernden Absätzen auf sie zuging. „Ich habe heute Abend etwas äußerst Interessantes gehört“, sagte sie, als sie näher kam und ihr scharfsinniger Blick nie Sams Gesicht verließ. „Und dann auch noch ausgerechnet von General Hammond.“

„Wirklich?“, antwortete Sam und leistete volle Arbeit vollkommen uninteressiert zu klingen.

„Also“, sagte Janet und legte ihren Kopf leicht zur Seite, „wann genau hattest du vor mir davon zu erzählen?“

Ihre Augen verengten sich. „Dir von was zu erzählen?“

„Na, von dir und…“

„Ah!“ unterbrach Sam sie und hob schnell eine Hand, als sie sich nervös umsah. „Nicht.“

„Also ist es wahr?“, beharrte Janet mit einem leichten Lächeln in ihren Augen. „Geht er deswegen?“

Sam schüttelte den Kopf und schaute befangen hinunter auf ihre Zehen. „Nichts ist passiert…“

„Aber?“

Mit einem Seufzen, hob sie ihren Blick, griff nach Janets Arm und begann leise zu reden, als sie weiter Richtung Fahrstuhl gingen. „Aber vielleicht… Wir werden sehen… Ich meine… wir werden es versuchen, das ist alles.“

Plötzlich grinste Janet. „Ich wusste es!“, rief sie. Und dann mit etwas Enttäuschung: „Warum hast du mir nichts davon erzählt?“

„Weil es nichts gab, was ich dir hätte erzählen können“, versicherte ihr Sam mit einem plötzlichen Schuldgefühl. Sie waren jetzt bei den Fahrstühlen und kamen zum Stehen. Sam drückte den Knopf und wartete und schielte aus ihrem Augenwinkel zu Janet hinüber. „Weißt du, die Dinge zwischen dem Colonel und mir sind… ich weiß nicht, wie sich alles entwickeln wird. Im Moment ist noch alles ziemlich neu, deswegen wusste ich wohl auch nicht, was ich dir hätte sagen sollen. Bisher ist nichts passiert.“

Janet nickte und verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Und warum dann jetzt?“, fragte sie. „Was hat sich geändert? Etwas hat sich verändert… irgendwas muss doch passier sein. Komm schon, Sam… spuck es aus!“

„Ich weiß nicht, ob es wirklich nur eine Sache war“, sagte sie und dachte an den langen Tag, den sie mit Jack in seiner Hütte verbrachte und wo sie nur geredet hatten. „Ich denke, er ist einfach nur müde immer wieder Menschen zu verlieren. Er sagte, dass er etwas Frieden wollte… Etwas Zeit für… andere Dinge in seinem Leben. Dinge, die er verpasst… oder vielleicht verloren hatte.“

Janet lächelte leicht. „Eine zweite Chance?“, schlug sie vor.

„Ich hoffe es“, antwortete sie, als sie spürte, wie die Gefühle wieder in ihr aufstiegen. „Ich hoffe, das ist das, was wir haben werden.“

Janet streckte ihre Hand aus und drückte lächelnd ihren Arm. „Ich freue mich für dich, Sam“, sagte sie. „Ich hoffe, dass es klappt.“

„Ja, ich auch.“

„Und viel Glück!“, fügte Janet hinzu, als sich die Türen öffneten. „Du wirst es gebrauchen!“

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Die ganze Armee von Schmetterlingen in seinem Bauch beschrieb noch nicht einmal annähernd seine Nervosität, als Jack dem gedeckten Tisch den letzten Schliff verpasste. Gläser, Teller, Silberbesteck… er nahm ein Streichholz und zündete die schmalen Kerzen in der Mitte des Tisches an. Verdammt, seine Hand hörte gar nicht mehr auf zu zittern!

„Komm schon, Jack“, murmelte er zu sich selbst, als er das Streichholz ausblies. „Es ist nur Carter.“ Nur, dass es nicht nur Carter war, es war Sam… Sam! Und das hier war ein Date, Gott verdammt noch mal! „Okay“, sagte er sich selbst, „entspann dich einfach.“ Er schaute sich zum hundertsten Male in seinem Wohnzimmer um, aber alles stand genau an seinem Platz. Das Licht war gedämmt, genau richtig und Musik spielte leise im Hintergrund. Perfekt. Sein Blick wanderte grade zur Kaminuhr, welche ihm sagte, dass es eine Minute vor sieben Uhr war, als es an der Tür klingelte.

Sam!

Sein Herz schlug einen Salto rückwärts, bevor es hinunter in seinen Bauch fiel und dort einen Aufstand unter den nervösen Schmetterlingen auslöste. Das war es! Tief ein und ausatmen, tief ein und ausatmen… Okay… Und jetzt öffne die Tür. Er schluckte schwer, sein ganzer Körper war von Kopf bis Fuß angespannt, als er zur Tür ging. Er warf einen flüchtigen Blick in den Spiegel, als er daran vorbeiging. Schwarzer Pullover, darunter konnte man den weißen V-Ausschnitts eines T-Shirts sehen, schwarze Hosen. Einigermaßen schick hoffte er. Nicht zu schick. Oh verdammt, er hatte überhaupt keine Ahnung, was Carter tragen würde, aber er wollte sich wenigstens etwas Mühe geben. Das war mehr als nur spezieller Anlass, das war der Abend, von dem er schon seit Jahren geträumt hatte – und er wollte, dass es perfekt war.
Er hielt einen Moment inne, schickte ein Stoßgebet zu wem auch immer, der gerade dort oben zuhören mochte und öffnete die Tür. Und dort war sie. Perfekt.

„Hi!“, grinste sie, aber er konnte sehen, dass sie mindestens genauso nervös war, wie er. „Bin ich zu früh?“

„Nein“, versicherte er ihr, als er einen Schritt zur Seite ging und die Tür ganz für sie öffnete. „Komm doch rein.“ Sie trug einen langen, schwarzen Mantel, der nur ebenso ihre eleganten Schuhe und schmalen Knöchel zum Vorschein brachte, als sie an ihm vorbeiging. Er fabrizierte einen beneidenswerten Job ruhig zu bleiben und half ihr schließlich noch den Mantel auszuziehen. „Warte“, sagte er und zog ihr den Mantel von den Schultern. „Lass mich das machen.“

Sie lächelte aufgrund seiner ungewöhnlichen Höflichkeit über ihre Schulter an. „Danke, Sir“. Sie zuckte kurz zusammen. „Entschuldigung.“

Er zuckte nur mit den Schultern. „Schon okay. Ich werde dich wahrscheinlich den ganzen Abend über Carter nennen.“ Er drehte sich um, um den Mantel aufzuhängen und erst als er zurückschaute, konnte er sehen, was der Mantel versteckt hatte. Sie trug ein eng anliegendes, kleines, schwarzes Kleid. Heiliger Strohsack! „Wow“, hauchte er und war froh überhaupt einen Ton rauszubekommen. „Du siehst unglaublich aus.“

„Danke“, antwortete sie mit einem verlegenen Lächeln. „Ich dachte mir, ich werfe mich ein wenig Schale… da dies ja ein… besonderer Anlass ist.“

Für einen Moment stand er einfach nur da und starrte sie an, bis sie leicht nervös unter seinen Blick von dem einen Fuß auf den anderen trat. Das erinnerte ihn erst daran, dass sie immer noch an der Tür standen. „Ahm, komm rein“, drängte er sie und führte sie zum Wohnzimmer. „Willst du etwas trinken? Wein?“

„Danke“, nickte sie und sah sich um, als sie in den lichtgedämmten Raum gingen. Ihr Blick blieb auf dem gedeckten Tisch hängen und sie lächelte. „Kerzen.“

Er schaute von seiner Aufgabe ihnen beiden Wein einzuschenken auf. „Du hörst dich überrascht an.“

Sie zuckte mit ihren Schultern und ging zu ihm, um ihr Glas an sich zu nehmen. „Ich denke, das bin ich auch“, gab sie zu. „Ich habe im Grunde vorher ja nie… deine romantische Seite gesehen.“

„Na ja, sie ist ein wenig eingerostet“, gab er zu. „Also, wenn ich irgendwas falsch mache…“ Er hielt ihr Glas entgegen und sie nahm es mit einem Lächeln aus seiner Hand. Ihre Finger berührten dabei zufällig seine, was seinen ganzen Körper mit einem unglaublichen Kribbeln erfasste. Ihre Finger waren so zart…

„So weit so gut“, sagte sie lächelnd und hob ihr Glas. „Auf was sollen wir trinken?“

Er dachte einen Moment darüber nach. „Wie wäre es auf die Zukunft?“

„Hört sich passend an“, stimmte sie zu. „Auf die Zukunft.“

Sie stießen an, und während sie einen Schluck nahmen, hielten sie Augenkontakt. Das war sicherer – denn wenn er ihr nicht mehr in ihre Augen sehen würde, dann würde sein Blick nur ihren Körper hinunter gleiten, wie perfekt das Kleid alles betonte, ihre Beine bis ins Unendliche reichten… Natürlich, erinnerte er sich, war das jetzt nicht mehr vollkommen verboten… Er kam sich vor wie ein kleines Kind, das den Alkoholvorrat seiner Eltern geplündert hatte, und ließ seinen Blick über ihre nackten Schultern gleiten und dann hinunter zu ihrem Dekolleté, weiter zu diesen nicht enden wollenden Beinen. Gott, war sie sexy!

Dieser Gedanke pulsierte durch ihn hindurch und stimulierten alle richtigen Regionen und schnell richtete er seinen Blick wieder zurück auf ihr Gesicht, nur um zu sehen, wie auch sie ihn genauso unverhohlen begutachtete. Sie grinste ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue verschmitzt an. „Also“, sagte sie, „was hast du gekocht?“

„Essen?“, schlug er vor, woraufhin sie leicht zu lachen begann und die Anspannung gebrochen war. „Komm mit“, sagte er und deutete mit seinem Kopf auf die Schiebtür, die zu seiner Veranda führte. „Ich werde ein paar Steaks grillen.“

„Es ist kalt draußen!“, erwiderte sie noch immer lächelnd.

Er zuckte mit den Schultern. „Du wirst doch wohl nicht zimperlich, oder, Carter?“

„Wann war ich jemals zimperlich, Colonel?“, fragte sie spitz.

Er lächelte leicht, als er mit seinem Blick über ihren Körper fuhr und sie leicht errötete. „Na ja, mit diesem Kleid, könnte es zimperlich werden, Carter. Nicht, dass ich mich jemals darüber beschweren würde…“

Sie lachte wieder kopfschüttelnd, und nachdem sie das geklärt hatten, verschwand Jack mit den Steacks nach draußen und kurze Zeit später folgte ihm Carter. Sie hatte sich wieder ihren Mantel angezogen und umarmte sich, als die kühle Luft durch ihre Haare wehte. Und sie redeten über dies und das und alles – über die Arbeit, Reisepläne und ob die Pyramiden nach dem Besuch auf Abydos wirklich die ganze Mühe wert war. Und als sie redeten, legte sich seine Nervosität. Es mag vielleicht *Sam* sein, die so nahe neben ihm stand und hin und wieder seinen Arm berührte, aber sie war auch immer noch Carter – sie war noch immer die Frau vor der einen enormen Respekt hatte und die er letztendlich anbetete. Und obwohl diese ganze Situation für sie beide vollkommen ungewohnt war, war es für ihn natürlich, dass er sein neues Abenteuer mit Carter an seiner Seite erlebte. Letzten Endes war sie doch die letzten Jahre immer genau dort gewesen. Und er würde nichts daran ändern wollen, nicht ein Bisschen.

Die Unterhaltung setzte sich fort, genauso floss auch weiter der Wein und dann waren wieder zurück im Warmen und saßen nahe beieinander am Tisch. Sie hatten aufgegessen und Sam erzählte ihm von ihrem letzten Projekt und er hörte ihr mit mehr begeisterter Aufmerksamkeit zu, als er es je in einer Besprechung getan hatte. Er liebte ihre Stimme, die Art und Weise, wie das Kerzenlicht golden auf ihren Haaren leuchtete und der Anblick, wie ihre Augen mit so viel Begeisterung erleuchtet waren. Er liebte es, wie sie lächelte, wie sie abwesend mit der Gabel spielte, während sie redete und wie er die Kraft des Lebens spüren konnte, die sie ausstrahlte. Er liebte es, dass sie jetzt neben ihm saß. Er liebte es, dass er jetzt ihre Hand nehmen konnte, ohne sich schuldig zu fühlen. Er liebte es, dass diese einfache Geste sie leicht aus dem Konzept brachte, als sich ihre Augen weiteten und sich ihre Finger enger um seine Hand legten. Er liebte es, dass er aufstehen und sie zur Couch führen und sich dort neben sie setzten, konnte. Und es ihm schließlich erlaubt war die Worte auszusprechen, die so lange sein Herz regiert hatten. „Ich liebe dich.“

Sie blinzelte einmal langsam. „Und ich liebe dich“, antwortete sie ihm sanft.

Seine Hand zitterte, als er ihre Wange berührte, die so weich wie Seide unter seinen Fingern war. „Du bist wunderschön“, hauchte er und fuhr mit seinen Fingern über ihre Wangenknochen, hinunter zu ihrem Kinn, über ihr Lippen. „Ich konnte dir das nie sagen.“

Sie legte ihre Hand über seine und drückte ihre Wange gegen seine Handfläche. „Ich weiß“, flüsterte sie. „Ich habe es in deinen Augen gesehen.“

Er hob seine andere Hand, sodass ihr Gesicht zwischen seinen beiden Händen gefangen war. „Sam“, flüsterte er und beugte sich näher zu ihr. „Ich möchte dich küssen.“

Sie lächelte ihn an. „Du brauchst nicht zu fragen“, flüsterte sie zurück.
Er konnte ihr nicht antworten, die Erwartung hatte ihm jeglicher Worte beraubt, als er sie langsam näher an sich heranzog. Leicht beugte er seinen Kopf, als seine Lippen ihre in einem sanften, faszinierenden Kuss fanden. Dieser Augenblick war unglaublich süß, ihre Lippen waren warm und weich, ihr Kuss so liebend, dass er wortwörtlich außer Atem war, als sie schließlich den Kontakt zwischen ihnen brach. Aber sie bewegte sich nicht mehr als einen Zentimeter, Stirn an Stirn saßen sie da, als sie sich beide davon erholten.

Sam sprach zuerst, ein einziges Wort kam über ihre Lippen. „Jack.“

Der Klang eines Namens auf ihren Lippen berührte sein Herz so sehr, dass er seine Gefühle nicht länger zurückhalten konnte. „Oh Gott, Sam“, stöhnte er und zog sie in seine Arme, wo er sein Gesicht in ihren Haaren vergrub. Seine Lippen tauchten unter, um ihren Hals mit einer unglaublichen Leidenschaft zu küssen. Aber er war nicht allein. Sams Hände krallten sich an ihm, ihre Finger fuhren über seinen Rücken hoch zu seinen Haaren, als sie seinen Kopf leicht von ihren Schultern wegzog, um in einen erneuten Kuss abzutauchen. Heiß und fordernd, die Zärtlichkeit wurde von einem puren Verlangen ersetzt, als sie sich wild, tief und endlos küssten. Gott! Er wollte sie so sehr! Er drückte sie hinunter in die Kissen, in seinen Kopf fuhr alles vor Verlangen Achterbahn, als seine Hände über ihren weichen, geschmeidigen Körper fuhren. Er spürte das seidige Nylon, als seine Finger absichtlich ein Bein hochfuhren, so schlank und einladend. Verlangen brannte und ihr Kuss vertiefte sich, als sie sich unter ihm bewegte und sich an ihn drückte, bis der Kontakt zwischen ihnen vollkommen und einfach nur überwältigend war. Er stöhnte leise auf, seine Finger setzten ihre Erkundungstour ihres Beines fort, bis er plötzlich warme, samtartige Oberschenkel berührte – Gott sie trug Seidenstrümpfe! Sam schnappte bei dem plötzlichen Kontakt nach Luft und Jack spürte selbst, wie er immer weiter auf dem Punkt, von wo aus es kein Zurück mehr gab, zusteuerte. Er atmete schwer und konnte kaum noch weiter denken als der rote Schleier des Verlangens. Kaum, aber… dann. Er hielt nach Luft schnappend inne, als er sich zurückzog und hinunter auf sie schaute, wie sie mit einem geröteten Gesicht vor ihm lag. Sie blinzelte ein paar Mal und war genauso wie er in diesem Moment gefangen. „Sam“, flüsterte er, „wenn wir jetzt nicht aufhören, dann glaube ich nicht, dass ich noch…“

„Nein“, hauchte sie und streckte ihre Hand aus, um ihn wieder zurück zu sich zu ziehen. „Hör nicht auf.“

Aber er widerstand dem Drang, nur um auch ganz sicher zu gehen. Das musste einfach richtig sein, es musste perfekt sein. „Bist du dir sicher, dass du das willst? Wir können auch warten…?“

„Ich bin es leid zu warten“, sagte sie heiser. „Ich will das, Jack. Ich will dich. Sofort.”

Und das war es. Er konnte es nicht länger zurückhalten. Er vergaß sich selbst und gab sich hier und jetzt der Lawine der Leidenschaft in seinem Kopf, seinem Köper und seiner Seele vollkommen hin. Irgendwo zwischen dem Durcheinander von umeinander geschlungenen Gliedmaßen und Küssen hörte er sie „Schlafzimmer!“, keuchen und irgendwie schafften sie es auch dort anzukommen. Aber danach war die Nacht nur noch ein Tanz aus puren Gefühlen und Verlangen – und in diesem letzten Akt der Hingabe fiel alles in seinem Herzen zusammen. Und es war perfekt.

Einfach perfekt.


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Epilog by Sally Reeve
Epilog

Es war eine lange, harte, aber erfolgreiche Mission gewesen. Daniel hatte ein vorläufiges Übereinkommen mit Provost Belok, dem Anführer der Kaltoc-Gemeinschaft, abgeschlossen. Teal’c hatte einige Goa’uld Inschriften übersetzt, denen den hiesigen Linguisten schon Kopfzerbrechen beschert hatte und Sommers hatte ausgehandelt ein paar Stücke der Technologie mitnehmen zu dürfen, die Sam gar nicht schnell genug in ihr Labor bekommen konnte.

Alles im allen war sie zufrieden. Mission beendet – neue Alliierten und neue Technologie. Das war ein passendes Ende zu einem unglaublichen Jahr. Als sie mit Teal’c vor dem großen Stargate stand und darauf wartete, dass Sommers und Daniel ihre Verabschiedungen über die Bühne brachten, dachte sie an ihre erste Mission mit dem Team zurück.

Ohne Jack wurde sie zurück nach SG-1 versetzt, um dort das Kommando zu übernehmen, was sie auch ohne große Widerrede angenommen hatte. Es war nicht einfach gewesen. Daniel und Teal’c hatten immer noch mit den Verlust von Jack zu kämpfen gehabt, während Captain Liz Sommers ihr bestes tat ihren Platz im berühmten SG-1 zu finden. Später hatte sie zugegeben, dass sie Angst hatte, aber mit der Zeit erschien sie professionell, aufgeweckt und eifrig zu sein. Und nicht ganz ohne Humor. Sie und Daniel gerieten diesbezüglich hin und wieder aneinander, sehr zu Sams Vergnügen. Und obwohl Liz meist gewann, war sie nicht vollkommen davon überzeugt, dass Daniel sie nicht gewinnen ließ. Sam bemerkte die gelegentlichen grüblerischen Blicke von ihm und konnte daraufhin nur ihre Augen verdrehen und musste sich auf die Zunge beißen.

Sie schaute auf ihre Uhr und begann ungeduldig von dem einen Fuß auf den anderen zu treten, als sie den beiden befahl, dass sie sich ein bisschen beeilen sollten. Nicht, dass sie grob sein wollte, aber für den heutigen Abend hatte sie schon Pläne und auf ’593 festzusitzen gehörte gewiss nicht dazu.

„Du scheinst ungeduldig zu sein“, bemerkte Teal’c und beobachtete sie neugierig.

„Ja“, stimmte sie ihm zu. „Es war eine lange Woche.“

Er zog eine Augenbraue hoch. „Nicht länger, als irgendeine andere.“

„Teal’c“, protestierte sie und durchschaute langsam seinen ganz speziellen Humor, „du weißt genau, was ich meine.“

Er lächelte leicht. „Du willst O’Neill wieder sehen“, sagte er. „Und so verging die Zeit für dich langsamer.“

Sam nickte und schaute erneut zum Stargate. „Wir sind bereits zwei Tage überfällig“, erinnerte sie ihm. „Und im Moment will ich einfach nur nach Hause, ein Bad nehmen und…“ Sie unterbrach sich und grinste Teal’c an. „…und einfach nur entspannen.“

„Ich verspüre ähnliches Verlangen“, versicherte ihr Teal’c und schaute hoch zum grauen Himmel. „Die kaltocischen Menschen sind gastfreundlicher als das Wetter auf diesem Planeten.“

„Absolut“, stimmte sie ihm zu. Es regnete durchgehend, tropfte über jedes Dach, jeden Pfad und jedem nicht geschützten Platz auf diesem Planeten. Und im Moment prasselte er auf sie hinunter. Er tropfte an ihrer Kappe hinab und verfehlte grade eben ihre Nase und sie spürte, wie das Wasser schon ihren Rücken hinunter lief. Sie erschauderte leicht, schloss ihre Augen und verlor sich für einen Moment in der Fantasie eines heißen Bades und Jacks Finger, wie sie ihren Schmerz im Nacken weg massierten. Hmmmm…

„Sam?“, rief Daniel quer über den Plaza, wo er noch bei den Einwohnern stand. „Wir können jetzt los.“

‚Endlich!’, dachte Sam, obwohl sie etwas anderes sagte. „Danke, Daniel. Captain, bringen Sie uns nach Hause.“

„Ja, Ma’am“, kam die scharfe Antwort, als Sommers zum DHD ging und die Erde anwählte.

Als sich das Tor zu drehen begann, drehte sich Sam in die Richtung und festigte zum letzten Mal ihren Rucksack. Daniel kam neben ihr zum Stehen und wischte sich den Regen von seiner Brille. „Also“, sagte er und schielte kurz zu Teal’c hinüber, „da wir ja ein paar Tage überfällig sind, bedeutet das, dass wir Jack wieder auf und ab hüpfend vor dem Tor finden werden?“

Sam starrte ihn an. „Das ist nur einmal passiert“, erinnerte sie ihn grundlegend. „Und wir waren eine *Woche* überfällig und konnten keinen Kontakt herstellen.“

„Genau“, nickte Daniel ernst und versuchte vergebens ein Lächeln zu verbergen. „Sicher.“

„Er wird schon nicht dort sein“, versicherte sie ihm und wollte ihm grade erzählen, warum genau das nicht der Fall sein würde, als sie unterbrochen wurde.

„Colonel Carter?“

„Ja“, sagte sie und drehte sich zu Liz Sommers um.

„Könnten Sie mir vielleicht hierbei helfen, Ma’am?“ Sie kämpfte mit drei großen Boxen, die die Technologie beinhalteten. „Ich hätte ja Daniel gefragt“, fügte sie hinzu, als Sam sich eine Box nahm, „aber Sie wissen ja, was passiert, wenn Daniel außerirdische Geräte berührt.“

„Das“, sagte Daniel, als er die zweite Box von Sommers an sich nahm, „ist ein Mythos, der von dem Ex und unbeweinten Anführer dieses Teams in die Welt gesetzt wurde und es gibt keinerlei Beweise, die das untermauern können.“

„Wirklich?“, fragte Sommers. „Aber wie war das noch mal auf P8T-892? Jack hat mir erzählt, dass du…”

„Du solltest nicht alles glauben, was dieser Mann sagt“, warnte Daniel sie. „Übertreibung ist sein Spezialgebiet.“

Sam grinste und verlagerte die Box unter ihrem Arm. „Ich weiß nicht, Daniel“, sagte sie, „wenn ich mich richtig erinnere, dann warst du es, der das Gerät auf P8T-892 aktiviert hat.“

„Das hätte doch nun wirklich jedem passieren können“, murmelte er verärgert, als er zum Stargate stapfte.

Aus ihrem Augenwinkel heraus konnte Sam sehen, wie Sommers lächelte, als sie Daniel die Stufen zum Tor hinauffolgte, auch wenn sie nichts mehr sagte. Sie ließ sich etwas zurückfallen und konnte ein eigenes Lächeln nicht unterdrücken. Sie beobachtete, wie ihr neues Team immer vertrauter miteinander wurde und der Gedanke, dass sie jetzt endlich nach Hause gingen, ließ ihr Lächeln nur noch wachsen.


+++++++++

Nachdem sie geduscht, sich umgezogen und die Besprechung hinter sich gebracht hatten, wurde aus dem Nachmittag langsam Abend und Sam schielte nervös zu ihrer Uhr, als sie versuchte etwas Ordnung auf ihrem Tisch zu bekommen.

Ein leises Klopfen ließ sie von dem überfüllten Tisch aufsehen. „Herein.“
Daniels kopf lugte durch den Spalt. „Noch immer hier?“

„Papierkram“, seufzte sie und deutet trostlos auf den Stapel vor ihr. „Jetzt weiß ich, warum sich Jack immer so beschwert hat.“

Daniel lächelte. „Ich habe aber nie gesehen, dass sein Schreibtisch so aufgeräumt war“, sagte er und dann fügte er noch zu: „Teal’c, Liz und ich wollen noch ein Bier trinken gehen. Willst du mitkommen? Ich wette, dieser ganze Papierkram kann auch noch bis morgen warten.“

„Hört sich gut an“, nickte Sam, „und du hast recht mit dem Papierkram. Es kann warten.“ Sie stand auf und schnappte sich ihre Jacke. „Aber ich kann nicht mitkommen. Ich muss nach Hause.“

Mit einem Schulterzucken ging Daniel auf sie zu. „Komm schon“, drängte er, „du kannst Jack doch anrufen und dann kann er uns dort treffen.“

„Ich kann nicht“, beharrte Sam und nannte ihm schließlich den Grund. „Wir haben schon Pläne.“

„Oh?“

„Es ist so eine Art Jahrestag“, erklärte sie, als sie sich ihre Jacke anzog. „Wir sind jetzt ein Jahr zusammen, also…“

„Ein Jahr?“, rief Daniel mit einem Kopfschütteln. „Wirklich? Schon so lange?“

„Schwer zu glauben, was?“ Stimmte ihm Sam zu und ging zur Tür, fertig zu verschwinden. Der Papierstapel auf ihrem Tisch konnte wirklich warten. Manchmal war das Leben eben wichtiger, als irgendwelche Berichte zu schreiben. Sie öffnete die Tür und hielt sie für Daniel auf.

„Weißt du“, sagte er, als er an ihr vorbeiging, „so sehr ich Jack auch hier vermisse und ich weiß, wie sehr er es vermisst, glaube ich nicht, dass ich ihn jemals so glücklich gesehen habe, wie er es jetzt ist.“

Sam konnte nicht anders als zu grinsen. „Wirklich?“, fragte sie, obwohl ihr Herz ihr sagte, dass er die Wahrheit sagte. „Findest du?“

„Es ist offensichtlich“, antwortete Daniel, als sie sich auf den Weg zu den Fahrstühlen machten. „Er scheint…“ Er verstummte einen Augenblick auf der Suche nach dem richtigen Wort. „Ich weiß nicht… im Reinen mit sich selbst zu sein. Weißt du, was ich meine?“

„Ja“, stimmte ihm Sam leise zu. „Das tue ich. Nicht, dass er nicht noch immer ein wenig…“

„Sprunghaft sein kann?“

Sam kicherte. „Das ist ein Wort dafür“, stimmte sie ihm zu, aber zuckte dann mit den Schultern. „Aber er wäre nicht Jack, wenn er zu gelassen wäre.“

„Nein“, lachte Daniel. „Gelassen ist nicht grade ein Wort, was ich mir im Zusammenhang mit Jack vorstellen kann!“ Als sie Fahrstühle erreichten, öffneten sich die Türen und sie traten ein.

Sie schwiegen einen Moment, aber als sich der Fahrstuhl in Bewegung setzte, schielte Sam zu ihm und sprach mit leiser Stimme. „Letzte Woche hat er sein altes Fotoalbum herausgeholt und es mir gezeigt… das mit Charlie. Ich glaube nicht, dass er seit seinem Tod auch nur einen Blick darauf geworfen hatte.“

„Wow“, murmelte Daniel erstaunt. „Das ist großartig.“

„Es war unglaublich“, stimmte Sam ihm zu. „Es war das erste Mal, dass er freiwillig darüber gesprochen hat. Es war schön.“

Daniel lächelte und berührte ihren Arm. „Du tust ihm gut, Sam.“

„Oh, ich glaube nicht, dass ich es bin“, sagte sie mit einem Kopfschütteln. „Er hat jetzt viel mehr Zeit zum Nachdenken.“

Der Fahrstuhl kam zu einem Halt und die Türen öffneten sich. Daniel senkte seine Hand, aber er war noch immer am Lächeln. „Du bist es“, versicherte er ihr, als sie herausgingen. „Das ist offensichtlich für uns alle.“

Sie lächelte dankend. „Er tut mir auch gut“, versicherte sie Daniel.

„Oh ja“, nickte er mit einem gespielten Grinsen. „Das ist auch offensichtlich.“

Sam verdrehte ihre Augen. „Ich werde erst gar nicht fragen“, sagte sie, als sie ihre Autoschlüssel aus ihrer Jackentasche zog.

Daniel antwortete ihr nicht, sondern zog sie nur eine warme Umarmung. „Viel Spaß heute Abend“, sagte er und ließ sie los. „Oh und erinnere Jack doch bitte daran, dass wir morgen früh Racquetball spielen wollen.“

„Sicher“, nickte Sam. „Und habt ihr auch noch viel Spaß heute Abend. Und lass Liz nicht zu viel trinken. Du willst sie doch nicht wieder nach Hause bringen, oder?“ Sie lächelte ihn verschmitzt zu und war zufrieden seinen leicht verlegenen Blick zu sehen, als er ihr noch zuwinkte.

„Nacht, Daniel“, rief sie und ging zu ihrem Auto. Sie würde in zwanzig Minuten Zuhause sein und sie konnte es kaum erwarten.


+++++++++

Es war bereits dunkel, als Sam das Haus erreichte und sie lächelte, als sie das Licht durch den Fenster von Jacks Haus sehen konnte. Es war schon merkwürdig, dachte sie, als sie den Motor abstellte und hinaus in den kühlen Abend trat, dass sie diesen Ort sowohl als ihr Zuhause, als auch 'Jacks Haus’ betrachtete. Aber so sah sie es nun einmal; sie fühlte sich zu Hause bei ihm. Verdammt, wenn sie ehrlich war, dann wohnte sie schon praktisch dort. Über das Jahr hinweg waren die Nächte, die sie bei sich geschlafen hatte immer weniger geworden bis hin zu gar nicht mehr, obwohl sie ihr Haus noch nicht verkauft hatte. Für eine Weile war es wie eine Zuflucht gewesen, als sie und Jack sich kopfüber in eine so leidenschaftliche Beziehung gestürzt hatten, so durcheinander, dass sie schon fast Angst gehabt hatte, dass sie all die Jahre des verleugnen, nie überstehen würden. Aber langsam und geduldig hatten sie es ausgearbeitet. Bis zu diesem Zeitpunkt, wusste jeder, wenn sie von Zuhause sprach, dass sie damit Jacks Haus meinte und die Miete, die sie noch immer für ihr Haus zahlte, wurde langsam ziemlich belastend.

Sie müsste sich mit ihm mal darüber unterhalten. Aber nicht heute Abend. Nicht nach einer langen Mission, wenn sie nur noch in seine Arme sinken wollte – der einzige Ort auf der Welt, von dem sie wusste, dass sie dort wahrhaftig zu Hause war.

Eifrig sprintete sie die Treppen zu seiner Veranda hinauf und steckte den Schlüssel in das Schloss. Als die Wärme und das Licht sie umarmten, seufzte sie. „Hi!“, rief sie, als sie die Tür hinter sich schloss. Aus dem Wohnzimmer konnte sie Musik hören und sie hatte grade einen Schritt in diese Richtung gesetzt, als sie hörte, wie er die Treppen hinunter kam.

„Sam!“, grinste er sie an. „Hey.“

Gott, was für ein Anblick! Dieses Lächeln, diese Augen, in denen sie jedes Mal dahin schmolz… „Hey“, sagte sie, als er auf sie zukam und lächelte, als sie seine Begeisterung sah.

„Wie war’s?“, fragte er und zog sie in eine leichte Umarmung und hielt sie einfach nur dort. Sanft wiegte er sie hin und her. „Mission erfüllt?“

„Ja“, seufzte sie. Dann schloss sie ihre Augen und genoss einfach nur das Gefühl, nach dem sie sich schon die ganze Woche gesehnt hatte. „Gut gelaufen. Verhandlungen, Technologie, neue Verbündete… das gesamte Paket.“

„Daniel und Teal’c haben sich benommen?“

„Natürlich. Daniel hat wieder großartige Arbeit bei den Verhandlungen geleistet.“ Sie zog sich etwas aus seiner Umarmung und lächelte zu ihm auf. „Ich habe dich wirklich vermisst“, sagte sie ihm ernst. „Ich konnte es einfach nicht fassen, als Daniel um noch ein paar Tage Verlängerung gebeten hatte.“

Jack verdrehte seine Augen. „Also war es seine Schuld?“

„Hat General Hammond dich angerufen?“

„Ja“, nickte Jack und zuckte dann mit den Schultern. „So was passiert.“

Sie stellte sich etwas auf ihre Zehenspitzen und küsste ihn zärtlich auf die Lippen. „Ich bin froh, dass ich heute zurückgekommen bin. Ich wollte heute Abend *wirklich* hier sein.“

„Hmmm“, murmelte Jack zurück, als seine Lippen ihre streiften. „Ich auch.“

Sam schlang ihre Arme wieder um ihn und war vollkommen in dem Gefühl gefangen, wie sich seine Muskeln bewegten, als er seinen Griff um sie festigte. Und ihr gleichgültiger Kuss am Anfang wurde zu etwas Fordernden. Sie gab sich diesem Gefühl vollkommen hin. Sie war grade dabei sich vollends fallen zu lassen, als ein angenehmer Duft in ihre Nase kroch und sie ruckartig ihre Augen öffnete. „Wow“, sagte sie und zog sich etwas zurück, „was riecht denn hier so unglaublich?“

„Du“, hauchte Jack, als er ihren Nacken küsste. „Du riechst unglaublich, Sam.“

„Nein“, antwortete sie und langsam schloss sie wieder ihre Augen. „Ich rede vom Essen.“

„Oh“, seufzte Jack. Er hob seinen Kopf und lächelte sie an, „das.” Er zog eine Augenbraue hoch. „Hungrig?“

Sie nickte und spürte das große Loch in ihrem Bauch. „Ist es schon fertig?“

„Ja“, sagte er, „aber das kann warten.“ Sein Grinsen wurde grüblerisch und er küsste sie erneut, diesmal jedoch mit Zuneigung als Leidenschaft. „Ich dachte mir, dass du zuerst ein schönes Bad nehmen willst. Und all die Knoten in deinem Körper auskurieren möchtest, die so eine Mission mit sich bringt.“

Sie lächelte. „Du hast recht“, gab sie zu, „das ist genau das, was ich jetzt machen will.“

Jack nahm ihre Hand und führte sie zu den Treppen. „Dann komm mit“, sagte er.

„Ich weiß, wo das Badezimmer ist“, erinnerte sie ihn.

„Natürlich tust du das“, stimmte er ihr zu, als sie oben angekommen waren. „Gleich hier…“

Als er die Tür öffnete, war sie vollkommen überwältigt von dem, was sich ihr bot. Das ganze Badezimmer war erhellt mit Kerzen, die eine dampfende, wundervoll parfümierte Badewanne umgaben. „Jack“, lachte sie, „das glaube ich einfach nicht! Wow! Das ist einfach nur… wow.”

Seine Arme schlangen sich um ihre Hüfte und zog sie gegen seine Brust. „Ich dachte mir, dass ich dich an unsere Jahrestag richtig verwöhnen werde“, murmelte er gegen ihre Wange.

„Oh, ich weiß nicht“, zog sie ihn auf und lehnte ihr Gesicht gegen seins. „Ich könnte mich dran gewöhnen. Das wäre dann ein Job fürs ganze Leben.“

Er lächelte und küsste sie sanft. „Lass das Wasser nicht kalt werden“, drängte er sie und ließ sie los, sodass sie sich zu ihm umdrehen konnte.

„Kommst du auch mit rein?“, fragte sie, als ein Finger über seine Brust fuhr.

Er lächelte sie geheimnisvoll an. „Später vielleicht“, sagte er, fang ihre Hand und küsste ihre Fingerspitzen. „Wir haben die ganze Nacht.“

„Die ganze Nacht?“, wiederholte Sam und begann langsam zu lächeln. „Das hört sich großartig an.“


++++++++++

„Also“, sagte Jack und hob sein Glas, „auf… uns?“

„Auf uns“, lächelte Sam, stieß ihr Glas gegen seines und nahm einen Schluck. „Es war ein ziemlich erstaunliches Jahr.“

Jack nickte und beobachtete, wie das Kerzenlicht mit ihrem Haar spielte. Wohl schon zum hundertsten Male fragte er sich, womit er das nur verdient hatte. „Es war das beste“, versicherte er ihr und genoss das Lächeln, welches seine Worte hervorriefen. Aber es blieb nicht lange und wurde schon bald von einem ernsten Blick ersetzt, als sie über den Tisch nach seiner Hand griff.

„Ich weiß, dass es nicht immer einfach war“, sagte sie. „Du hast hierfür… für uns… eine Menge aufgegeben.“

Kopfschüttelnd schlang er seine Finger um ihre. „Ich denke, dass ich mehr bekommen als aufgegeben habe“, sagte er. Ihr Gesicht verzog sich leicht und er wusste, dass sie nicht ganz davon überzeugt war. „Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll“, flüsterte er und schaute ihr die ganze Zeit über in die Augen. „Während fast meiner gesamten Zeit beim SGC, habe ich nie über die Zukunft nachgedacht, nie über die nächste Mission hinausgedacht. Ich hätte nie gedacht, dass ich doch noch mal ein Leben außerhalb der Air Force haben werde.“ Er lächelte sie reuevoll an. „Ich schätze, ich habe mir irgendwo immer vorgestellt, dass ich voller Ruhm dort mal verschwinde – ein Held bis zum Ende.“

„Du bereust das?“, fragte sie ernst.

Er drückte ihre Hand beruhigend und sein Lächeln wurde nur noch breiter. „Nicht eine Sekunde. Ich bin unglaublich glücklich hier mit dir zu sein, Sam.“

Sie senkte ihren Blick und schüttelte den Kopf. „Ich wünschte trotzdem, dass es auch irgendwie anders hätte passieren können. Dass du nicht so viel hättest aufgeben müssen“, sagte sie, aber bevor sie auch nur noch ein weiteres Wort sagen konnte, ging er dazwischen.

„Mir ist es egal, wie es passiert ist“, sagte er ihr. „Ich bin nur froh, dass es passiert ist.“

Mit einem leichten Lächeln sah sie zu ihm auf. „Wirklich?“

Er nickte ohne ihre eine Antwort zu geben. Aber sein Herz begann zu rasen, als er erkannte, dass er seinen verrückten Plan an diesem Abend wirklich durchziehen würde. Adrenalin pumpte durch seine Adern und seine Nerven schmissen in seinem Bauch eine riesige Party. Er wollte es ihr beweisen, er wollte sie davon überzeugen, wie viel ihm das alles bedeutete und es gab nur einen Weg ihr genau das zu zeigen. „Sam“, sagte er und war sich durchaus bewusst, dass seine Stimme jetzt etwas heiserer war. „Lass uns setzen.“

Sie riss ihre Augen auf. „Okay“, sagte sie vorsichtig und beobachtete ihn neugierig, als er sie zur Couch führte und sich dort setzte.

„Ich will, dass du etwas verstehst“, sagte Jack, als auch sie sich neben ihn gesetzt hatte. „Noch vor einem Jahr hatte das SGC mein ganzes Leben eingenommen. Es war alles, was ich hatte – Freunde, Familie und Arbeit. Und ich dachte immer, wenn ich jemals gehen sollte, dass ich dann ohne das SGC nichts wäre.“ Er verstummte und rutschte weiter zu ihr, als sich sein Griff um ihre Hand festigte. „Aber alles kam ganz anders.“

Sam lächelte nickend mit leuchtenden Augen. „Da bin ich froh“, sagte sie.

„Ja“, nickte er, „ich auch.“ Für eine Weile starrte er sie einfach nur an und versuchte die Gefühle in ihrem Gesicht richtig zu lesen; Zuneigung, Stolz, Liebe und eine Spur des Bedauerns. All dies konnte er sehen und darunter befand sich die ständige Begeisterung, der er so an ihr liebte. Alles, was Sam tat, machte sie mit Leidenschaft und es fegte ihm fast den Boden unter den Füßen weg zu wissen, dass er derjenige war, der dieses Feuer auf die wohl intimste Art und Weise entfachen konnte. Als er sich in ihren Blick verlor, wusste er plötzlich, dass es der richtige Zeitpunkt war. Es war perfekt.

 

„Kannst du dich noch daran erinnern?“, begann er und er wusste nur allzu gut, dass er sich nervös anhören musste, als er Sams leicht verwirrten Blick sah. „Als ich dir die Bilder von Charlie gezeigt habe?“

„Natürlich“, antwortete sie sofort und ihr Griff festigte fast automatisch um seine Hand.

„Ich habe sie mir seit Jahren nicht mehr angesehen. Es war einfach zu schwer… aber diesmal war es anders“, sagte er und kämpfte damit die Gefühle, die er die letzten Wochen erlebt hatte, gut verständlich rüber zu bringen. „Diesmal dachte ich nicht, dass es zu viel für mich war… zum ersten Mal… überhaupt… da hatte ich das Gefühl, dass ich damit umgehen konnte. Und dafür muss ich dir danken, Sam.“

Sie lächelte nur und in ihren Blick konnte er alles sehen, als sie erneut seine Hand drückte.

„Und die Sache ist die“, fuhr er fort, „dass ich jetzt so anders an Charlie denken kann, hat mich zum Nachdenken gebracht… über andere Dinge.“

„Oh?“, fragte Sam plötzlich sehr nervös. Ihre Finger zuckten leicht in seiner Hand.

„Ja“; nickte er und schluckte schwer, als er verstand, dass es jetzt kein Zurück mehr gab. Wenn er es machen wollte, dann musste er es jetzt tun.

„Du hast über was nachgedacht?“, half ihm Sam.

„Ich denke über die Zukunft“, sagte er vorsichtig.

„Die Zukunft“, wiederholte sie das Wort. Und dann lächelte sie wieder, eine nervöse Begeisterung zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. „Deine oder unsere?“

Jacks Herz fiel fast vorne über als Sam direkt zum Punkt kam. Verdammt, wie er diese Frau liebte! Er grinste auf ihre unverblümte Frage hin, rutschte leicht auf seinem Platz herum und schaute dann wieder zu ihr auf. Nur zögernd begann er zu sprechen. „Ich habe mich gefragt, ob du je darüber nachgedacht hast zu heiraten?“

Sam riss ihre Augen auf. „Die Kurzfassung oder die lange Version?“

„Ah… ich denke beides“, murmelte er und konnte nicht den leicht belustigten Ausdruck auf ihrem Gesicht lesen.

„Jack?“, fragte sie mit einem Lächeln. „War das ein Antrag?“

„Das hängt“, sagte er ihr, „von deiner Antwort ab.“

Sams Freude sickerte jetzt durch und sie schenkte ihm das Lächeln, welches sein Herz immer wie wild um die Wette schlagen ließ. „Ja“, sagte sie abrupt. „Ich habe schon darüber nachgedacht zu heiraten.“  Sie zog eine Augenbraue hoch. „Frage zufriedenstellend beantwortet?”

„Fast“, stimmte er ihr zu, ihr Lächeln ließ ihn grinsen. „Aber es hängt davon ab an *was* genau du gedacht hast.“

Sam nickte. „Die lange Version?“, mutmaßte sie und sie genoss offensichtlich dieses Spiel, auch wenn ihre Augen ihre Aufregung verrieten. Jack nickte nur und ließ sie die Spannung zwischen ihnen aufbauen, die sich als Elektrizität entladen würde. „In der langen Version, also“, sagte sie langsam, ihr Blick löste sich nicht einen Moment von seinen, „denke ich, dass es sich… wundervoll anhört.“

Jack hatte nicht gewusst, dass er bis zu diesem Moment seine Luft angehalten hatte. „Das tut es“, schaffte er ihr schließlich zu antworten. „Nicht wahr?“

„Also…?“, fragte sie ihn und beobachtete ihn bedächtig.

„Also“, nickte er, als ihre Hand losließ und in seine Tasche griff, um eine kleine hölzerne Schatulle herauszuziehen, die er bereits den gesamten Abend bei sich trug. Als er sie herauszog, sah er wie die Belustigung aus Sams Gesicht verschwand und sie mit großen Augen ihren Mund mit ihrer Hand bedeckte.

„Oh mein Gott“, hauchte sie, während ihr Blick zwischen der Schatulle und Jack hin und her wanderte. „Jack!“

Er grinste, erfreut, dass er sie überraschen konnte. Es gab nicht viel, was Sam Carter aus der Bahn warf. Vorsichtig öffnete er die Schatulle und hielt sie ihr hin. „Sam“, sagte er so ruhig, wie er es kaum für möglich gehalten hatte, „heirate mich.“

Ihre Finger zitterten, als sie den Ring aus der Schatulle nahm und er sah, wie sie mehrmals blinzelte, ihren Mund fest zusammenpresste, da er wusste, dass die Gefühle sie innerlich überrannten. Für eine ganze Weile starrte sie einfach nur den Ring an, ihr Blick ruhte auf den glitzernden blauen Stein, der in der einen Minute azurblau und in der nächsten so dunkel, wie der Ozean war. „Wunderschön“, hauchte sie. „Was ist es? So etwas habe ich zuvor noch nie gesehen.”

„Nein“, stimmte Jack ihr mit einem kleinen Lächeln zu. „Das hast du nicht.“ Sie sah ihn verwirrt an. „Ich habe diesen Stein vor ein paar Jahren auf P83-639 gefunden“, erklärte er. „Die Farbe hat mich immer an deine Augen erinnert, also habe ich ihn behalten.“

„Er ist von einem anderen Planeten?“, hauchte sie atemlos.

„Ja“, nickte er. „Ich habe mich in einigen Geschäften umgesehen, aber nichts schien richtig zu sein. Du verdienst etwas vollkommen Einzigartiges, Sam“, sagte er und musste plötzlich gegen seine eigenen Gefühle ankämpfen. „Etwas, was so einzigartig und schön ist wie du.“

„Jack…“, flüsterte Sam mit zittriger Stimme. „Das ist das Romantischste, was…“ Sie unterbrach sich und schaute schnell nach unten, als sie sich mit einer Hand über die Augen fuhr. „’Tschuldigung.“, murmelte sie. „Das ist nur so…“

Mit einem riesigen Schwall von Zuneigung, hob er ihren Kopf an, sodass er sie sehen konnte. „Ich liebe dich“, sagte er. Sanft strich er mit seinen Daumen über ihre Wange. „Ich weiß nicht, was ich gemacht habe, um dich zu verdienen, aber ich will dich nie wieder gehen lassen, Sam.“ In ihren Augen schimmerten die ungeweinten Tränen und sie bedeckte seine Hand mit ihrer und drückte ihr Gesicht in seine Handfläche. „Heirate mich, Sam“, wiederholte er und zog seine Hand zurück, damit er den Ring aus der Schatulle nehmen konnte.

Eine ganze Weile wurde nichts gesagt, sie schauten sich nur an, verzaubert und keiner der beiden hegte den Wunsch dies zu zerstören. Alles, was sie fühlte, lag jetzt offen auf ihrem Gesicht, spiegelte sich lebhaft in ihren Augen, sagten ihm mehr als Wörter je ausdrücken könnten. Nach einem Moment, der sich wie eine wunderbare Ewigkeit angefühlt hatte, bewegten sich Sams Lippen. Zunächst kam kein Ton heraus, aber sie versuchte es erneut und jetzt waren die Worte stärker. „Ja… Ja, ich will dich heiraten.“

Jack traute seiner Stimme nicht mehr, also steckte er ihr sanft den Ring an den Finger und hielt ihn dort. Er konnte kaum glauben, dass das hier grade wirklich passierte. Sam trug seinen Ring. Sam! Wörter glitten hilflos von seinem Kopf, als er den Stein im Kerzenlicht funkeln sah, so schön an ihrer wunderschönen Hand. Da war so viel, was er ihr sagen wollte, aber seine Gefühle waren so stark und überwältigend, als das er sie aussprechen könnte. „Ich…“ stammelte er, aber Sam Schnitt ihm das Wort ab, indem sie einen Finger auf seine Lippen legte.

„Shh“, flüsterte sie lächelnd durch Tränen hindurch, die jetzt ihre Wangen hinunterliefen, „du brauchst gar nichts zu sagen.“ Und dann griff sie nach ihm, zog ihn in ihre Arme, als sie ihr Gesicht in seinem Hals vergrub. „Ich liebe dich, Jack“, sagte sie mit zitternder Stimme und ihr Atem schlug heiß gegen seine Haut. „Ich liebe dich so sehr.“

Er antwortete ihr auf die einzige Weise, die ihm einfiel. Er bedeckte ihr Gesicht mit leichten Küssen, schmeckte das Salz von ihren Tränen, bis er ihre Lippen fand und zusammen verinnerlichten sie die lange Reise, die sie einst vor Jahren begonnen hatten. „So war es bestimmt“, sagte Jack ihr, als er schließlich seine Stimme wieder fand. „So ist es, wie es schon immer bestimmt war, Sam.“ Er spürte, wie sich unter seinen Kuss ihre Lippen zu einem Lächeln verzogen und da wusste er, dass seine Welt komplett war.

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++++++++

Daniel stand fast fünf Minuten auf der Veranda, bevor sich die Tür schließlich öffnete.

Jack starrte ihn einen Moment an, seine Haare zerzaust, seine zerknitterten Shorts Beweis, dass er grade erst aufgestanden war. Und dann riss er seine Augen auf und haute sich mit seiner Hand gegen die Stirn. „Mist!“, fluchte. „Wir wollten Raquetball spielen.“

„Sam hat dich also nicht dran erinnert?“, schlussfolgerte Daniel.

„Ah, nein.“ Jack verzog sein Gesicht, „denke mal nicht.“ Und dann erinnerte er sich an seine Manieren und zog die Tür ganz auf. „Komm doch rein. Hier sieht es zwar aus, wie auf ner Müllheide, aber…“

Daniel zog eine Augenbraue hoch, als er das noch immer schlafende Haus betrat und die Überreste eines offensichtlich sehr festlichen Abends sah: leere Teller, Kerzen und Weingläser.

Jack öffnete die Gardinen und ließ die Sonnenstrahlen durch das Fenster scheinen. „Wie viel Uhr?“, fragte er und hob schnell ein Bündel, was verdächtig nach Kleidung aussah, vom Boden auf. Daniel schenkte Jacks Taten bewusst keine Aufmerksamkeit und entschied sich lieber auf seine Uhr zu schauen. „Fast neun“, sagte er.

„Dann haben wir ja noch Zeit“, entschied Jack und rannte schon wieder zu den Treppen. „Ah, die Küche ist auch ein reinstes Durcheinander“, entschuldigte er sich, „aber wenn du etwas Kaffee willst…?“

„Schon okay“, versicherte Daniel ihn und er konnte seine nächsten Worte einfach nicht zurückhalten. „Sieht so aus, als hättet ihr beiden gestern einen schönen Abend gehabt.“

Das Grinsen, welches auf Jacks explodierte, war Antwort genug. „Oh ja“, nickte er mit funkelnden Augen.

„Daniel?“ Sams neugierige Stimme ertönte von der oberen Etage.

„Hi, Sam“, rief er.

Es herrschte ein kurzes Schweigen und dann: „Verdamm… Racquetball… Entschuldigung.“ Sie tauchte oben an der Treppe aus und sah ähnlich ramponiert aus, wie Jack und hatte sich einen Bademantel angezogen. „Bist du zu spät?“

„Nah“, versicherte ihr Jack, als er kurz neben ihr stehen blieb. „Wir schaffen’s noch. Du weißt doch, wie übereifrig Daniel manchmal sein kann…“

Daniel hätte darauf geantwortet, eigentlich lag ihm schon eine schlagfertige Antwort auf den Lippen, aber im aller letzten Moment wurde er von etwas golden Glitzerndes an Sams Finger abgelenkt. Sam trug fast nie Schmuck und er hatte sie noch nie einen Ring tragen gesehen. Das konnte nur eines bedeuten, und als sich plötzliche die Einzelteile in seinen Kopf zusammensetzten – romantisches Abendessen, verschlafen, verstreute Kleidung auf den Boden – kam sich Daniel plötzlich vor, wie das fünfte Rad am Wagen. „Ah, weißt du“, sagte er und ging ein paar Schritte zur Tür, „wir müssen heute nicht unbedingt spielen. Ich meine, du bist grad erst aufgestanden… Ich bin mir sicher, dass es da noch andere Dinge gibt, die du lieber tun würdest…?“ Er zuckte bei seiner äußerst gescheiten Wortwahl zusammen und sah, wie ihn Jack merkwürdig ansah.

„Ist schon in Ordnung, Daniel“, versicherte ihm Jack. „Ich bin in fünf Minuten da, spätestens.“

Als er im Badezimmer verschwand, schlurfte Sam mit einem breiten, aufgeregten Lächeln die Treppe hinunter. „Also, hattet ihr gestern Abend Spaß?“, fragte sie und ging in die Küche.

„Ja“, sagte er, als er ihr folgte. „Aber anscheinend nicht so viel, wie ihr beide“, fügte er hinzu und betrachtete das Chaos in der Küche.

Sam grinste. „Jack ist ein ausgezeichneter Koch“, gab sie zu, „aber er hat absolut keine Ahnung, wie man anschließend wieder aufräumt… Kaffee?“

„Sicher“, nickte er und sein Blick fiel auf den Ring an ihrem Finger. Aber er sagte nichts. Er wusste, dass Sam es ihm sagen wird, wenn sie es wollte und er hegte nicht den Wunsch unhöflich zu sein.

Er hatte grade mal Zeit seinen Kaffee halb leer zu trinken, als Jack halb hüpfend in die Küche kam. Sein Haar war noch immer nass von der eiligen Dusche. „Fertig?“, fragte er und öffnete den Kühlschrank, suchte etwas herum, bevor er einen großen Apfel herauszog.

„Wann immer du es bist“, versicherte ihm Daniel.

„Dann lass uns los!“, beharrte Jack. „Wir wollen doch nicht zu spät kommen, oder?“

Daniel verdrehte seine Augen, eine Geste, die Sam ihm gleichtat, als sie ihn übertrieben anlächelte. „Habt Spaß“, sagte sie. „Und versucht euch nicht gegenseitig umzubringen.“

„Es ist nur Raquetball, Carter“, antwortete Jack fröhlich. Und dann lehnte er sich impulsiv nach vorne und küsste sie lautstark. „Mache dir wegen dem hier keine Sorgen“, sagte er und nickte in Richtung des Durcheinanders. „Wenn ich wieder zurück bin, räume ich auf.“

Sam grinste. „Eigentlich hatte ich auch vorgehabt wieder zurück ins Bett zu gehen“, versicherte sie ihm.

Ein verruchter Blick huschte über Jacks Gesicht, sodass Sam leicht errötete und lächelte. „Ich muss noch eine Woche Schlaf nachholen“, erinnerte sie ihn und drückte ihn sanft von sich. „Also, geh spielen und lass mich schlafen.“

Daniel beobachtete diesen kleinen Austausch mit einer Mischung aus Belustigung und Scham. Er hatte noch nie gesehen, dass sie es so offenkundig zeigten. Aber er biss sich auf die Zunge, bis Jack die Tür hinter sich geschlossen hatte und sie zusammen zu Daniels Auto gingen. „Also“, sagte er schließlich, als Jack seine Tasche auf den Rücksitz warf, „ihr beide seht… glücklich aus.“

„Wie immer“, antwortete Jack, aber das unbezähmbare Lächeln, welches sich auf Jacks Gesicht ausbreitete, verrieten seine Worte.
Daniel lächelte mit einem Kopfschütteln. So sehr sich Jack das letzte Jahr auch geöffnet hatte, er spielte seine Karten noch immer ziemlich nahe an seiner Brust. Und auch Jack würde ihm es wohl erst dann sagen, wenn er es wollte…

„Daniel?“, sprudelte es plötzlich aus Jack heraus und unterbrach somit seine Gedankenstränge.

„Ja?“

„Warst du jemals Trauzeuge?“

Daniel grinste mit hochgezogenen Augenbrauen. „Ah… Nein…“ Er verstummte und sah das verlegende Lächeln auf Jacks Lippen.

„Warum?“

„Weil ich irgendwie einen brauche“, gab Jack zu. „Und ich glaube nicht, dass Teal’c besonders gut mit der Rede klarkommen würde, also habe ich mich gefragt, ob…?“ Er beendete seinen Satz mit einem hoffnungsvollen Lächeln.

„Interessante Art es zu verkünden“, beobachtete Daniel mit einem kleinen Kopfschütteln.

„Also?“, drängte Jack. „Wirst du’s machen?“

„Natürlich!“, rief Daniel aufgeregt. „Und Glückwunsch! Du bist wirklich ein glücklicher Mann… ich nehme an, dass es Sam ist…?“

„Natürlich ist es Sam!“, murmelte Jack und grinste dann. „Und danke, ich weiß, dass ich Glück habe. Unglaubliches Glück.“

Daniel lächelte und verdrehte dann mit einem übertriebenen Seufzen seine Augen. „Ach ja“, sagte er, „Teal’c wird bestürzt sein.“

„Wegen dem Trauzeugen-Ding?“, fragte Jack zweifelnd.

„Nein“, versicherte ihm Daniel, öffnete die Tür und setzte sich hinter das Lenkrad. „Weil er mir jetzt fünfzig Mäuse schuldet.“

Jack blinzelte nur und rührte sich für einen Moment nicht, bevor er zum Beifahrersitz eilte und sich ebenfalls reinsetzte. „Fünfzig Mäuse?“

„Na ja“, erklärte Daniel, als er den Wagen startete, „er sagte, dass Sam zu klug wäre, um jemals einen Antrag von dir anzunehmen.“

Jack schwieg lange. „Das hat er gesagt?“

„Major Carter“, sagte Daniel und gab seine beste Imitation von Teal’c, „würde sich nie einen Mann versprechen, schon gar nicht Colonel O’Neill.“

Jack lachte. „Na ja, da hat er recht“, stimmte er ihm zu. Und dann verengten sich seine Augen. „Und du hast die Wette angenommen?“, fragte er, als Daniel auf die Straße fuhr. „Trotz seines, ahm, kulturellen Nachteils?“

„Schien einfaches Geld zu sein“, grinste Daniel.

„Und ich dachte immer, dass *du* derjenige mit der Moral von uns bist!“

Daniel lachte leicht. „Teal’c ist schon groß genug, um auf sich selbst aufzupassen!“, sagte er und schielte aus seinem Augenwinkel hinüber zu Jack. Trotz der leichtfertigen Unterhaltung war er zutiefst berührt von den Neuigkeiten und er konnte das vollkommene Glück auf dem Gesicht seines Freundes sehen. Es stand ihm, entschied er. Es verlieh ihm Wärme und Leichtigkeit auf seinen sonst so ernsten Gesichtszügen. „Ernsthaft“, sagte Daniel etwas leiser. „Ich freue mich für dich Jack. Ihr habt es verdient, du und Sam. Ihr hattet es nie einfach.“

„Ja“, nickte Jack und sein Blick wurde nachdenklich, auch wenn noch immer ein Lächeln in seinen Augen zu sehen war. „Es war eine lange Zeit, aber jetzt ist es soweit…“ Er seufzte glücklich. „Es ist unglaublich, Daniel. Es wird immer besser und besser.“

„Ich weiß, was du meinst“, antwortete er und alte Gefühle für Sha’re drangen zur Oberfläche durch. „Wenn es richtig ist, dann ist es richtig. Da kann nichts dazwischen kommen.“

Jack muss etwas von der Traurigkeit in seiner Stimme aufgenommen haben, weil sich sein Ton veränderte. „Weißt du, als Sara mich verlassen hat, da hatte ich nicht gedacht, dass ich je noch mal jemanden kennenlernen würde, den ich so lieben könnte. Ich dachte, das wär’s gewesen. Dass es für immer vorbei wäre. Aber Sam?“ Er schüttelte lächelnd den Kopf. „Das ist total anders, Daniel. Ich will die beiden nicht miteinander vergleichen, aber mit Sam ist es einfach unglaublich. Das macht das, was ich mit Sara hatte nicht schlechter, aber ich weiß nicht, ob ich jemals so glücklich war. Und wenn es schon mir passieren kann…?“ Er ließ das Ende offen und Daniel lächelte.

„Ich weiß“, flüsterte er. „Und danke.“

Eine Weile fuhren sie im Schweigen, bis Daniel merkte, wie Jack leicht herumzappelte. Nach ein paar Sekunden begann Jack wieder fröhlicher zu sprechen. „Also, was glaubst du, wen sollten wir alles einladen? Thor?“

„Zu der Hochzeit?“, lachte Daniel. „Sicher, warum nicht? Und die Nox würden dem noch einen… eleganten Touch verleihen.“

„Was ist mit den Tok’ra?“, fuhr Jack fort. „Glaubst du, wir kommen damit durch sie *nicht* einzuladen?“

„Das bezweifle ich. Was ist mit Jacob?“

„Stimmt.“

„Aber nicht die Aschen“, entschied Daniel.

„Definitiv nicht“, stimmte Jack zu. „Wie wär’s mit den Leuten aus dem Land des Lichts?“

Und so setzte sich ihre Unterhaltung fort und erlaubte es Daniel sich in der Wärme ihrer Freundschaft zu baden. Er freute sich wirklich für Sam und Jack. Das war nach Jahren des Dienstes und der Opfer, das Letzte, womit sie belohnt werden konnten. Er lächelte, als er darüber nachdachte, dass vielleicht, im Ganzen gesehen, das kosmische Gleichgewicht wieder hergestellt war; die Helden bekamen endlich einmal das, was sie verdient hatten. Und er wusste, dass die Welt keine größeren Helden als Sam Carter und Jack O’Neill hatte. Und so war es irgendwo passend, dass diese beiden unbekannten Helden ihre Belohnung bekamen. Nicht im Sinne von Ruhm und Schmeicheleien und anderen Dingen, aber auf die einfachste Art und Weise. Sie teilten ihr Leben miteinander und fanden Trost in den Armen des jeweils anderen.
Es war, so überlegte er, das perfekte Ende.

Und ein perfekter Anfang.


E N D E
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