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Stürmische Zeiten von Bastet-X

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Vorwort

Diese Geschichte entstand im Rahmen einer Challenge nach einer Idee von Wördchen.
Stürmische Zeiten


Als O'Neill den neuesten Einsatzbefehl in der Hand hielt, blieb er unwillkürlich stehen. Nur gelegentlich warf er einen Blick auf den meist für mehrere Wochen im voraus angefertigten Plan für die Erkundung weiterer Planeten. Meist kam doch etwas dazuwischen und warf den sorgfältig aufgestellten Plan durcheinander. O'Neill persönlich hielt ihn für reine Makulatur, um den Anschein eines Konzeptes bei der Erforschung zu bewahren.
Doch dieses Mal wünschte er sich, er hätte ihn genauer angesehen. Für die nächste Woche war eine Expedition nach P4X-964 geplant. Das allein beunruhigte ihn nicht. Was ihn so aus der Fassung brachte war die Tatsache, daß er für diese Mission mit einem gewissen Doktor Hamilton und seinem Team eingeteilt war.
Er konnte sich noch sehr gut an diesen Hamilton erinnern. Er war eine Nervensäge, und seine Leute waren es auch. Einer wie der andere. Auf ausdrücklichen Wunsch von General Ryan hatte er sie begleitet und war bei einer anscheinend todlangweiligen Mission mit einem Haufen kleiner schlecht gelaunter Energiewesen aneinander geraten. Es gab viele Dinge, die O'Neill widerspruchslos tat, ob sie ihm nun gefielen oder nicht, Wissenschaftler zu hüten, zählte nicht dazu. Auf gar keinen Fall war er gewillt, mit diesem Hamilton ein weiteres Mal auf eine Mission zu gehen!
Den Blick noch immer ungläubig auf den Einsatzbefehl gerichtet schlug er den Weg in Richtung von General Hammonds Büro ein. Fast wie allein brachten ihn seine Schritte dort hin. Vorsichtig klopfte er an.

"Ja?" der General sah von seinen Papieren auf.
"General Hammond, ich bin wegen der Mission nach P4X-964 hier..."
"Also haben Sie den Befehl endlich gelesen. Ich habe eigentlich schon letzte Woche deswegen mit Ihnen gerechnet."
"General?" Jack sah ihn mißtrauisch und mit hochgezogenen Augenbrauen an. Wenn er ganz genau wußte, daß es O'Neill nicht paßte, warum hatte er ihn dann dafür eingeteilt?
"Es tut mir leid Jack, aber diese Sache steht nicht zur Diskussion. Sie starten am Dienstag um 0700. Sie und SG-1 werden das Team von Doktor Hamilton beim Aufbau einer Wetterstation unterstützen"
"Ach kommen Sie schon General! Kann das nicht SG-17 machen? Die brauchen sowieso etwas Übung." Da es auf dem direkten Weg nicht geklappt hatte, mußte er den Boss entweder überzeugen oder anderweitig erweichen.
Aber Hammond winkte ab. "Es tut mir leid Colonel, aber dafür sind Sie selbst verantwortlich. Doktor Hamilton hat ausdrücklich darum gebeten, daß Sie ihn begleiten. Nach dem Vorfall auf N4C-862 meinte er, daß er sich bei Ihnen sehr gut aufgehoben fühlte, und daß er sich auf gar keinen Fall noch einmal auf einen anderen Planeten begibt, ohne daß Sie dabei sind. Und da er unser bester Mann für diese Sache ist...."
O'Neills Widerstand gegen diese Mission begann vorübergehend zu schwinden. Es schmeichelte ihm, daß man ihn für kompetent hielt und sich die Leute bei ihm sicher fühlten, wenn es ihn auch überraschte, so etwas gerade von Hamilton zu hören. Trotzdem verlor er nicht aus den Augen, daß man versuchte ihm einen Job schmackhaft zu machen, von dem er genau wußte, daß er ihm nicht gefallen würde.
"General...." begann er noch einmal. Aber Hammonds Geduld näherte sich ihrem Ende.
"Colonel O'Neill, muß ich Sie daran erinnern, daß Hamilton General Ryan als einflußreichen Fürsprecher für das Stargateprojekt gewinnen konnte. Ich schlage vor, Sie reißen sich zusammen und sind ein paar Tage nett zu ihm. Sie können wegtreten."
Unter diesen Umständen gab es kein Entrinnen. Der Colonel beschloss, den Auftrag als persönliche Beleidigung und als Erpressung aufzufassen, ihn jedoch trotzdem gewissenhaft durchzuführen und dabei Haltung zu bewahren. Niemand hatte von ihm verlangt, daß er gute Laune dabei hatte. Überhaupt pflegte er das Gerücht, daß er launisch und von Zeit zu Zeit etwas ungerecht war, mit großer Sorgfalt. Denn es erlaubte ihm, gelegentlich ungestraft aus der Rolle zu fallen.
"Ja, Sir." antwortete er nur knapp, machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Büro seines Vorgesetzten.


************


Die Oberfläche des Planeten P4X-964 war geeignet, ein Frösteln bei jedem auszulösen, der sie betrat. Irgendjemand hatte diesen Ort Hoth getauft, nach dem Eisplaneten aus den Star Wars-Filmen. Er hatte nur eine geringe Landmasse. Der größte Teil seiner Oberfläche bestand aus Wasser, beziehungsweise aus Eis. Es war egal, wohin man auch sah, alles vermittelte einem den Eindruck, als sei jedes Leben bereits vor langer Zeit unter dem Eis begraben worden. Allein in der Äquatorgegend gab es größere Flächen mit offenem Wasser. Zusätzlich wies die Atmosphäre einige angeblich interessante Anomalien auf, deren Verständnis dazu beitragen sollte, das Wetter auf der Erde besser zu begreifen. Darum war Doktor Hamilton mit diesem Auftrag betraut worden und darum saß O'Neill nun hier fest.
Welche Richtung man auch einschlug, es war nichts außer schroffen Felsen und Schnee zu sehen. Das Licht einer orangenen kraftlosen Sonne spiegelte sich gleißend auf dem Eis wieder. O'Neill hatte seine Sonnenbrille aufgesetzt, kaum daß er durch das Tor getreten war.
Im Laufe der Zeit wurden die Felsen durch die Wechselwirkung von Sonne und Frost regelrecht auseinandergesprengt und bildeten überall scharfe Kanten und Grate. Er konnte nicht sagen was er für gefährlicher hielt: die Felsen oder das Eis.
Die kleine Gruppe, die sich aus den Mitgliedern von SG-1 und einem Team von Wissenschaftlern um Doktor Hamilton zusammensetzte, hatte den Zielpunkt beinahe erreicht. Obwohl er nur wenige Meilen vom Gate entfernt lag, schien es eine Ewigkeit zu dauern, bis sie ihn erreichten. Das Gelände war tückisch und unwegsam und das zusätzliche schwere Gepäck machte sie langsam.
O'Neill sah auf die Uhr. "Es wird in ein paar Stunden dunkel. Wir sollten uns beeilen. Ich möchte nicht nachts hier draußen herumstolpern."
Hamilton, der sich gerade mit einer sperrigen Kiste abmühte, sah mit gerötetem und sichtbar genervtem Gesicht auf. "Es würde schneller gehen, wenn Sie uns helfen."
"Aber Doktor, Sie wissen doch, was man über mich sagt: ich habe nicht das geringste Verständnis für wissenschaftliche Angelegenheiten. Ich würde Ihre wertvolle Ausrüstung sicher nur kaputt machen."
Es war eine offensichtliche Ausrede und sie wußten es beide. Aber Hamilton wußte auch, daß der Colonel ihn niemals absichtlich in Gefahr bringen würde. Es mußte also seiner Meinung nach noch genug Zeit geben, um den Zielpunkt vor Einbruch der Nacht zu erreichen. Dennoch machte O'Neill es ihm recht schwer. Er fragte sich, ob er mit ihm die richtige Wahl getroffen hatte. Vielleicht hätte er doch nicht auf die Begleitung durch den Colonel bestehen sollen.


*****************


Zwei Stunden später hatten sie das kleine Plateau erreicht, auf dem die Station eingerichtet werden sollte. Auf der abgerundeten Spitze eines kleinen freistehenden Berges gelegen, hatten die Geräte die beste Position für den Empfang der Wetterdaten.
Hamilton und seine beiden Assistenten verankerten die Geräte im Boden und schalteten sie ein. Er zog ein Laptop aus der Tasche und schloß es an einen der schwarzen Kästen an, die sie auf der Oberfläche dieses Planeten zurück lassen wollten.
Major Carter sah ihm über die Schulter. "Rufen Sie die ersten Daten ab?"
"Ja, Major. Wir dachten, wir nutzen die Gelegenheit und sammeln Daten über die Atmosphäre, so lange die Flugsonden noch in der Luft sind, die der General zur Aufklärung hierher geschickt hat."
Carter lachte. "Er war sicher nicht begeistert, daß Sie militärisches Equipment für diesen Zweck einsetzen."
"Nein, wirklich nicht, aber so können wir mit der Auswertung des ersten Datenpakets schon jetzt beginnen. Später kommt in regelmäßigen Abständen jemand von uns hierher und lädt die inzwischen gesammelten Daten für die Auswertung herunter."
"Wenigstens ist es eine unbemannte Station. Stellen Sie sich vor, Sie sollten hier aushalten, um das Wetter zu beobachten." Sie lächelte ihn gutmütig an.
"Ich glaube das würde Ihrem Colonel sicher gefallen." Er sah zu O'Neill hinüber, dessen Gesicht deutliche Missbilligung ausdrückte. Offensichtlich paßte es ihm nicht, daß Carter sich mit Hamilton verstand. Aber der Doktor wußte es zu schätzen, daß er die kleinen Gemeinheiten, die ihm deswegen sicher auf der Zunge lagen, dieses Mal für sich behielt. "Das hier ist noch eine der angenehmeren Gegenden", fuhr er fort. "Wir befinden uns auf einem Teil der Landmasse, die dem Äquator am nächsten liegt und wir haben gerade Sommer."
"Meinen Urlaub würde ich hier trotzdem nicht verbringen."
Hamilton nickte. Er sah auf seine Daten hinunter und stieß einen überraschten Pfiff aus.
"Colonel!" rief er O'Neill zu sich. "Sie wollten doch so schnell wie möglich wieder zurück?"
"Darauf können Sie wetten. Aber wir werden hier über nacht unser Lager aufschlagen müssen, denn es wird bald dunkel und in diesem Gelände können wir nachts nicht zum Tor zurückmarschieren."
"Das würde ich mir an Ihrer Stelle noch einmal überlegen." Vorsichtig drehte er das Laptop so herum, daß der Colonel einen Blick darauf werfen konnte.
Die Darstellung zeigte eine Reihe farbiger Linien, die wie die Höhenlinien auf einer Landkarte angeordnet und mit Zahlen versehen waren. Er wußte, daß es sich um eine Wolkenformation handelte, so viel verstand er gerade noch davon. Aber die wahre Bedeutung dessen, was er da sah, begriff er nicht. Er sah Carter fragend an.
"Das ist ein Sturmsystem, Colonel."
"Wow!" entfuhr es Daniel. Er rückte die Brille zurecht. Es war ein untrügliches Zeichen seiner Nervosität.
"Ein ziemlich großes sogar", fuhr Hamilton fort. "Erinnern Sie sich noch an den Hurrican Andrew? In seinem Inneren wurde ein unglaublich niedriger Druck gemessen, was ein unmittelbarer Ausdruck seiner Kraft war. Das hier", er zeigte auf den Bildschirm, "könnte nach den Luftdruckanzeigen sein großer Bruder sein. Und er kommt direkt auf uns zu."
O'Neill erinnerte sich noch sehr gut an Andrew und auch daran, daß seine Windgeschwindigkeiten beinahe nicht mehr meßbar waren, weil er viele Wetterstationen zerstörte. Es gab auf diesem Planeten keine Möglichkeit Schutz zu suchen, Sonnenuntergang oder nicht, sie mußten von hier verschwinden.
"Wann wird er hier sein?" fragte er.
Hamilton zeigte in den Himmel, wo sich in der Nachmittagssonne bereits dicke graue Wolken näherten. "Colonel, begrüßen Sie Andrews Bruder, Aaron."
"Aaron?"
"Ein einfacher Sturm bekommt normalerweise keinen Namen, aber dieser hier ist ein Killer und da er der erste auf diesem Planeten ist, den wir kennenlernen, beginnt sein Name mit einem doppelten A."
"Ich dachte Hurricans bilden sich nur in den Tropen, wenn das Meer eine bestimmte Temperatur hat", bemerkte Daniel.
"Da haben sie recht. Aber vergessen sie nicht, daß das hier nicht die Erde ist. Aaron muß sich über der offenen Wasserfläche in der Äquatorgegend gebildet haben. Verglichen mit den Temperaturen auf dem Rest des Planeten sind das die Tropen. Der Weg, den er über den Ozean genommen hat, war verdammt weit. Er hatte genug Zeit unglaublich viel Energie aufzunehmen. Die Konvektion an der Innenseite seines Auges sprengt die Skala. Glauben Sie mir, Sie möchten sicher nicht hier sein, wenn er diese Gegend erreicht."
"Na schön," entschied sich O'Neill. "Packen Sie Ihre Sachen und dann verschwinden wir hier."


****************


O'Neill sah auf die Uhr, als sie endlich abmarschierten. Es dauerte genau 48 Minuten, bis sie so weit waren. Für einen bunten Haufen Wissenschaftler war es eine durchaus bemerkenswerte Leistung. Hamilton hatte sich beinahe überschlagen bei dem Versuch, die Ausrüstung sturmsicher zu machen und die Daten zu sichern, die er für ach so wichtig hielt. Der Colonel war eigentlich etwas überrascht, daß er so widerspruchslos gehorchte und sich sichtlich beeilte. Es gab ihm zu denken, was die Stärke des zu erwartenden Sturmes anging.
Sorgenvoll sah er zum Himmel hinauf. Er konnte nicht wirklich etwas von dem erkennen, was dort vielleicht auf sie zu kam. Als einziges sichtbares Zeichen des drohenden Unheils flackerte Wetterleuchten am westlichen Himmel.
In der nun langsam einbrechenden Dunkelheit tasteten sie sich über ein Schneefeld. Immer wieder traten sie in Spalten und O'Neill war sich sicher, daß er in dieser Finsternis auf keinen Fall ohne einen gebrochenen Knöchel davon kommen würde.
Als er das erste Mal hinfiel, streckte er reflexartig die Arme aus um den Sturz abzufangen. Dabei griff er in einen Brocken gesplitterten Eises. Er spürte keinen Schmerz, als sich die scharfen Klingen aus Eis durch seine Handschuhe und in seine Haut schnitten, aber als der nächste Blitz die Szene erleuchtete, bemerkte er das Blut, das auf das Eis tropfte und dort gefror.
Danach war O'Neill vorsichtiger. Noch einige Male war er versucht, sein Gleichgewicht mit Hilfe der Hände wieder herzustellen, aber er ließ es sein. Die dicke Daunenjacke, die er trug und der Rucksack fingen das meiste ab.
Als ob all dies nicht schon schwierig genug war, begann nun auch die Temperatur merklich zu fallen. Ein schneidender Wind kam auf und trieb die ersten einzelnen Flocken vor sich her. Die Luft wurde kälter und kälter, bis es schmerzte sie zu atmen. O'Neill wies die Anderen an, sich etwas vor das Gesicht zu halten und die Luft nicht ohne Schutz einzuatmen.
Je mehr ihnen der Planet Hoth und sein Wetter entgegen setzten, desto langsamer wurden sie. Ohne ein Peilgerät, welches das Tor in Form einer Naquadaquelle ausmachen konnte, hätten sie ewig durch das Eis tappen können, ohne auch nur zu wissen, in welche Richtung sie gingen.
O'Neill war erleichtert, als er schließlich die markante Bergflanke erreichte, die sich oberhalb eines Gletschers hinzog. Sie war mit Geröll übersät und mit betonharten Eisbrocken, die eine Lawine vor einiger Zeit hinterlassen hatte. Es war gefährlich dieses Gebiet zu überqueren, aber sie hatten keine andere Wahl. Den Berg zu umgehen kostete sie einen weiteren Tag, den sie nicht hatten, und direkt unter ihnen erstreckte sich ein Tal, das mit zahllosen Gletschern gefüllt war.
Der Wind hatte sich etwas gelegt, aber das Wetterleuchten nahm weiter zu. Unheimlich und bedrohlich begann es sie einzukreisen. Immer wieder schossen Blitze nieder. Jeder einzelne schien im Boden einzuschlagen. Lautlos und lauernd, wie ein Tier, näherte sich Aaron.
"Passen Sie auf, wo sie hintreten", ermahnte O'Neill die kleine Gruppe unnötigerweise. "Wie viel Zeit haben wir noch?"
Hamilton sah zweifelnd in die Wolken. "Ich habe nicht die geringste Ahnung. Es kann jeden Moment losgehen oder aber noch ein paar Stunden dauern. Aber wenn es einmal so weit ist, wird er schnell und hart zuschlagen. Sehen Sie sich das an... das ist einfach phantastisch...."
"Ja, ja... " bremste er die Begeisterung des Wissenschaftlers. "Wir sehen es uns lieber zu hause im Discovery Channel an." Dabei zeigte er auf die Tasche, die den Laptop mit den Daten enthielt. "Wir werden das Geröllfeld zügig durchqueren, so lange wir noch einen Rest an Licht haben. Ich möchte nicht, daß er uns hier überrascht. Es ist eine gefährliche Stelle. Danach ist das Gelände auf der letzten Meile relativ eben. Wenn wir hier durch sind, haben wir es so gut wie geschafft. OK?"
Sie nickten ihm zu.
"Also los. Ich zuerst, dann Hamilton, dann Sie und Sie, Daniel, Carter und Teal'c zum Schluß." Er drehte sich um und begann damit, sich seinen Weg durch das riesige Feld aus Eis und Gesteinsschutt zu suchen. Die Zeit drängte. Er fühlte es.
Aber jeder Schritt, den er machte, verdeutlichte ihm nur, wie wahnwitzig es war, unter diesen Umständen zum Stargate marschieren zu wollen.
Plötzlich bemerkte O'Neill, daß irgendetwas nicht stimmte. Er blieb stehen und sah sich um. Auch die anderen schienen es zu spüren. Sie sahen sich verwundert an. Einen Moment lang konnte er nicht sagen, was es war, aber dann wußte er es.
Die Luft selbst schien zu Eis geworden zu sein, so kalt fühlte sie sich an. Der Wind hatte sich von einer Sekunde zur anderen völlig gelegt. Es herrschte Totenstille. Ein Drücken auf den Ohren, wie in großer Höhe, verriet ihm, daß der Luftdruck schnell sank. Der Himmel über ihnen färbte sich im schwindenden Licht in einem schwachen schmutzigen Gelb und gab ihm das Gefühl, daß dies das letzte Licht war, das er für lange Zeit sehen sollte. Rundherum flackerten gespenstische Blitze und erleuchteten das Land bis zum Horizont. Erst jetzt hörten sie zum ersten Mal Donner. Es klang weniger wie ein Gewitter, als vielmehr wie das Knurren eines hungrigen Tieres. Beim nächsten Blitz war ein Teil des Landes, das sie eben noch sahen, verschwunden und wenige Sekunden danach ein weiterer Teil. Es dauerte einen Moment, bis ihnen klar wurde, daß sich ihnen eine riesige dichte Wand aus Schnee näherte.

Wie ein gewaltiger Schlag traf Aaron sie. Der Schnee wehte O'Neill ins Gesicht und begann augenblicklich zu gefrieren. Er taumelte unter den Böen zurück, kam wieder auf die Füße und versuchte seinen Weg fortzusetzen. Wenigstens sorgten die Blitze dafür, daß sie sich in der Dunkelheit nicht verloren.
Vorsichtig tastete er sich vorwärts. Der Rand des Geröllfeldes mußte bald erreicht sein. Ein paar mal strauchelte er und klopfte sich den Eispanzer von der Kleidung, der ihn behinderte. Schließlich aber erreichte er den Rand der Bergflanke. Hier wehte der Wind noch heftiger, wenn auch der Untergrund nicht mehr ganz so gefährlich war. O'Neill sah sich um, und stellte im Licht der Blitze fest, daß sich die Gruppe etwas auseinander gezogen hatte, daß sich aber alle tapfer voran kämpften.
Er wollte nicht auf das offene Feld hinaus gehen, bevor die anderen zu ihm aufgeschlossen hatten. Es war lebenswichtig, daß sie zusammen blieben. Wenn auch nur einer von ihnen verloren ging, hatte er praktisch keine Überlebenschance.
Noch während er den Gedanken formulierte und sich die Frage stellte, ob ihm diese Möglichkeit Sorgen machen sollte, sah er plötzlich eine der Gestalten wanken und stürzen. Er konnte nicht erkennen, wer es war, nur daß sie zu einem dunklen Haufen zusammensank, dann hörte das Flackern der Blitze auf.
Einige Sekunden später erhellte sich der Himmel wieder, aber dieses Mal war die Person verschwunden. Der Schreck fuhr O'Neill in die Glieder. Hatte sie sich aufgerichtet und war weitergestolpert? Hatte er sich geirrt bei dem was er sah? Unsicher machte er eine paar Schritte zurück.
"Bleiben Sie hier und rühren sie sich nicht!" schrie er Hamilton an. Anders war eine Verständigung nicht mehr möglich.
Er kämpfte sich an ihm und seinen Leuten vorbei, bis er auf Daniel und Teal'c traf. Eigentlich war es offensichtlich, wer fehlte, aber er stellte die Frage dennoch und fürchtete sich gleichzeitig vor der Antwort, die er längst kannte.
"Wo ist Carter?"
Teal'c beugte sich nah an O'Neill heran. "Sie ist abgerutscht. Ich konnte sie nicht mehr festhalten!" Es wurde immer schwieriger gegen Aarons Toben anzubrüllen.
Schockiert und für einen Moment völlig betäubt, sah O'Neill eine Schleifspur im Schnee, die schnell zugeweht wurde und bereits jetzt kaum noch zu sehen war. Ohne auch nur ein Wort zu sagen ging er der Spur nach, aber Daniel Jackson bekam ihn noch an der Jacke zu fassen und hielt ihn fest.
Wortlos hielt er ihm ein Seil hin. Der Colonel erkannte den gutgemeinten Vorschlag und zwang sich, wieder rational zu denken. Er nahm eines der losen Enden und band es sich um die Hüfte, was kein einfaches Unterfangen in Dunkelheit und Schneetreiben war. Dann tappte er der Spur im Schnee folgend vorwärts. Das Gefälle war nicht zu groß. Sie konnte unmöglich weit gekommen sein.
Schon nach wenigen Metern stieß er auf eine Schneewehe. Er versuchte sie zu umgehen und wollte seitlich an ihr vorbei. Er machte einen Schritt nach vorn, aber sein Fuß trat ins Leere. Die Schneewehe zerfiel unter seinem Fuß zu weißem Staub, löste sich geräuschlos und stürzte in eine scheinbar bodenlose Spalte direkt vor ihm. Allein das Seil bewahrte ihn davor, ebenso wie Sam, in diesem Loch zu verschwinden.
Er legte sich auf den Bauch und versuchte in der Tiefe etwas zu sehen. Im Flackern der Blitze konnte er ihre ganze Ausdehnung oder ihre Beschaffenheit nicht erkennen. Ihr Grund war unter diesen Umständen nicht zu sehen. Wenn Carter wirklich hinein gefallen war, dann konnte sie inzwischen tot sein.
"Carter!" brüllte er. "CARTER!" Aber er konnte seinen eigenen Schrei beinahe selbst nicht hören. Und sogar wenn sie ihn hörte, wäre er niemals in der Lage gewesen, eine Antwort von ihr zu verstehen.
Verzweifelt versuchte er etwas zu erkennen. Er mühte sich ab, die winzige Taschenlampe, die zur Standardausrüstung gehörte, aus der Jacke zu kramen. Unter diesen Bedingungen nützte sie nicht viel, aber er mußte es wissen. Mit nassen und vereisten Handschuhen schaltete er sie nach einigen Versuchen ein und leuchtete in die Spalte. Er war nicht so dumm, denn Versuch zu machen, die Handschuhe auszuziehen. Jede der feuchten schweren Schneeflocken gefror augenblicklich beim Auftreffen auf ein Objekt. Seine Hand wäre sofort an der Taschenlampe festgefroren.
Carter entdeckte er nicht, noch konnte er den Boden der Schlucht sehen, aber er fand etwas anderes, was ihm als Beweis genügte. An einem der scharfkantigen Vorsprünge hatte sich ein Teil von Carters zerfetztem Rucksack verfangen. Er gab keinen Zweifel mehr wo sie sich befand. Jetzt mußte er sie nur noch hier heraus bekommen. Doch damit ergab sich auch gleich das nächste Problem. Er war für mehr Menschen als nur Carter verantwortlich, aber er würde den Teufel tun und einen seiner Leute hier zurücklassen!

Vorsichtig kroch er vom Rand aus zurück zu den Anderen.
"Ich werde mich abseilen und sehen, ob ich sie mit herauf bringen kann. Wir dürfen keine Zeit verlieren! Vielleicht ist sie verletzt. Außerdem können wir uns hier nicht mehr lange aufhalten." Er winkte Hamilton zu sich heran. "Ist es das? Ist DAS Aaron?"
Der Wissenschaftler mußte sich eng an O'Neill drängen um ihm zu antworten. "Ich fürchte nicht! Das sind nur die ersten Ausläufer. Ich denke, es wird noch viel schlimmer werden."
Der Colonel nickte. Wie hätte es auch anders sein können? Konnte nicht ein einziges mal etwas glatt gehen?
Er nickte Teal'c und Daniel zu, die ihm signalisierten, daß sie bereit waren. Vorsichtig ließ er sich über den Rand gleiten. Mißtrauisch sah er das Seil an, an dem er hing. Unter normalen Umständen hätte er ihm vertraut, aber das scharfkantige Eis war der Tod jeder noch so guten Ausrüstung.
Stück für Stück glitt er hinab und versuchte gleichzeitig nach unten zu sehen und sich auf die Wand vor sich zu konzentrieren, an der entlang er sich abseilte. Es dauerte nicht lange bis er in der verwinkelten Schlucht den Boden fand. Obwohl es nicht mehr als zwanzig Meter sein konnten, war es ihm hier unten nicht möglich den Eingang am oberen Ende zu sehen.
Vorsichtig leuchtete er mit der Taschenlampe herum. Der kleine Lichtkegel riß kaum einen Bruchteil der Schlucht aus der Dunkelheit. Noch einmal sah er nach oben. Er war genau dort herunter gekommen, wo er den Fetzen von Carters Rucksack gefunden hatte. Sie mußte doch irgendwo sein!
Während er seinen Blick langsam sinken ließ, bemerkte er auf einem eisbedeckten Vorsprung einige Meter entfernt etwas Dunkles. Hektisch stolperte er vorwärts und berührte den Fleck. Es war unzweifelhaft Blut und es begann bereits zu gefrieren. O'Neill sah sich um und entdeckte einen Eisblock, den eine Lawine mitgebracht haben mochte. Er stieg hinauf und leuchtete auf den Vorsprung, den er von unten nicht einsehen konnte und da war sie.
Carter lag bewußtlos und mit einer Platzwunde irgendwo am Kopf auf dem Eis. Vorsichtig schüttelte er sie "Carter?" Sie antwortete nicht.
Er zog ein Messer aus der Tasche und befreite sie von den Gurten des Rucksackes. Er zog den Verschluß ihrer Jacke auf. Erst danach zog er einen seiner eigenen Handschuhe aus. Hier unten war es wärmer, wenn man es so nennen konnte. Die Temperatur lag immernoch unter dem Gefrierpunkt aber es war für diesen kurzen Moment nicht gefährlich.
Vorsichtig legte er eine Hand auf ihren Hals und begann einen Puls zu suchen. Er atmete erleichtert auf, als er ihn fand. Dann tastete er ihren Schädel, ihren Hals, Rippen und Beine ab, um eventuelle Verletzungen aufzuspüren. Seine Hände waren klamm und gefühllos und so konnte er nicht besonders viel feststellen, aber dennoch genügte es, um sich Sorgen zu machen. Er mochte sich irren, aber der leichte Blauschimmer, der sich unter Carters linkem Auge zu bilden begann, konnte Zeichen eines Schädelbruches sein. Ihr Brustkorb auf der gleichen Seite knirschte unter der Berührung und gab dem Druck nach. Es gefiel ihm ganz und gar nicht, denn wenn dem so war, dann hatte sie sich vielleicht nicht nur eine oder zwei Rippen gebrochen, sondern gleich eine ganze Reihe. Und das bedeutete wiederum, daß sie sie mit ihren Möglichkeiten nicht hier heraus holen konnten. Das Seil würde die gebrochenen Rippen und die Lunge quetschen und zu weiteren Blutungen führen. Selbst wenn sie Carter sofort durch das Tor bringen konnten, war ihr Überleben dann fraglich. Aber das Tor war noch eine Meile entfernt und der Weg dorthin dauerte Gott weiß wie lange. Nein, in diesem Fall kam nur eine professionelle Rettung in Frage oder gar keine.
Es mußte eine Entscheidung getroffen werden, und O'Neill traf sie. Schweren Herzens. Er zog an dem Seil, das ihn mit der Oberfläche verband und ließ sich hinauf ziehen.
Oben angekommen, beugten sich Daniel und Teal'c zu ihm.
"Sie ist verletzt, aber am Leben. Wir können sie nicht herausholen. Das wäre ihr Tod."
Er schwieg einen Moment und sah nach unten. Er wollte die beiden nicht ansehen, damit sie seine Zweifel nicht erkannten. "Wir müssen uns trennen", stellte er fest. Es war etwas, was sie nur in ganz seltenen Fällen von ihm hörten. Normalerweise bestand er darauf, daß sie in Situationen wie diesen zusammen blieben und normalerweise hatte er auch Recht damit.
"Teal'c, du und Daniel bringt Hamilton und seine Leute durch das Tor. Ich bleibe bei Carter."
"Aber O'Neill..."
"Jack, Sie..." fielen ihm die beiden gleichzeitig ins Wort.
Aber der Colonel beendete die Diskussion sofort mit einem entschiedenen "Nein! Es gibt keinen anderen Weg. Dort unten ist es lange nicht so kalt wie hier oben. Wir werden es ein paar Stunden lang aushalten können. Sie bringen unsere Wissenschaftler auf die Erde und kommen dann mit Verstärkung zurück, um uns zu holen."
Sein Befehl klang vernünftig. Warum hatten sie dann aber das Gefühl, ihn und Carter im Stich zu lassen?
"Nun geht schon!" brüllte er sie an und war dabei absichtlich barsch. "Wenn ihr euch nicht beeilt, werdet ihr noch festfrieren!"
Teal'c schien die Logik dieser Anordnung einzuleuchten. Denn er nickte nur und ging zu Hamilton hinüber um ihn über ihre geänderten Pläne zu informieren. Aber Jackson rührte sich nicht von der Stelle.
"Ich bleibe hier, Colonel."
"Nein, das werden Sie nicht. Sie gehen, das ist ein Befehl!"
"Ich bin keiner Ihrer Soldaten."
"Wenn ich hier mein eigenes Leben aufs Spiel setze, dann ist das meine Sache, aber ich bin nun mal auch für Sie verantwortlich, ob Ihnen das gefällt oder nicht und ich sage, Sie gehen!"
"Und ich sage, ich tue es nicht! Hören Sie, Jack. Sie brauchen mich. Wie glauben Sie, sollen die Rettungsmannschaften Sie finden, wenn sie ankommen? Wir haben den Eingang zu dieser Spalte nur durch Zufall gefunden und das Funkgerät wird dort unten nicht funktionieren. In nur einer Stunde wird der Sturm das Aussehen der ganzen Gegend verändert haben. Jemand muß hier sein, ab und zu an die Oberfläche kommen und den Funkkontakt halten. Sie können nicht beides tun, Sie können nicht hier oben warten und gleichzeitig bei Carter sein", fügte er eindringlich hinzu.
Schließlich nickte O'Neill und gab widerwillig sein Einverständnis.
Die eigentlichen Vorbereitungen dauerten nicht lange. Das Seil, das als Sicherung für den Weg hinunter diente, wurde an einem stabil erscheinenden Felsen befestigt. Ein weiteres wurde zum abseilen doppelt gelegt. Alle Anwesenden überprüften ihre Vorräte und gaben dem Colonel so viele Batterien wie möglich, außerdem überließen sie ihm ein paar Vorräte und einige Brennstofftabletten, die zwar keine Wärme spendeten aber dafür vielleicht etwas Licht. Teal'c verabschiedete sich und machte sich auf den Weg. O'Neill hatte vollstes Vertrauen in seine Fähigkeiten. Wenn jemand in der Lage war, die Meile bis zum Tor unter diesen Umständen zurück zu legen, dann war es der Jaffa.
Trotzdem beschlich ihn bei diesem Abschied eine dunkle Vorahnung.
O'Neill wandte sich wieder dem Seil zu, das bereits mit einem dünnen Eispanzer überzogen war. Im dichten Schneetreiben und in flackernder Dunkelheit versuchte er wieder in die Spalte hinabzusteigen. Es erforderte seine volle Aufmerksamkeit.
Daniel sah zu, wie O'Neill abstieg und vertraute danach sein Leben ebenfalls jenem dünnen Seilen an. Er zog sich nur wenige Meter tief in die Spalte zurück. Gerade genug, um Aarons Zorn zu entkommen, aber immer noch weit genug oben, um die Funktion des Funkgerätes zu gewährleisten. Dort blieb er in den Seilen hängen und fragte sich, wie lange es wohl dauern mochte, bis Teal'c mit ihren Rettern zurück kam.
Jack fürchtete sich vor dem Moment, da er den Grund der Schlucht erreichte. Viel lieber wollte er sicher sein, daß es Carter gut ging. Aber er konnte nicht sicher sein. Im Gegenteil. Er hatte nicht die geringste Ahnung was ihn erwartete. Es ist ein furchtbares, ohnmächtiges, kaum zu beschreibendes Gefühl, wenn man jemanden, den man sehr mag, tot auffindet oder zusehen muß, wie er stirbt. Er war sich nicht sicher, ob er fähig war, das zu ertragen, noch einmal.
O'Neill verdrängte diesen Gedanken schnell wieder. Noch war sie nicht tot. NOCH nicht! Und wenn er etwas dazu zu sagen hatte, dann blieb es auch dabei. Er hielt den Atem an, als er erneut auf den Vorsprung sah. Ein paar Sekunden lang beobachtete er Carter nur im schwachen Schein seiner Taschenlampe. Aber dann sah er eine Arterie an der Seite ihres Halses pulsieren und war sich sicher, daß sie lebte. Siehst du, es ist alles in Ordnung mit ihr. Es ist nicht so schlimm, dachte er. Es wird schon werden. Wir haben es schließlich immer geschafft.
Erst jetzt gewann er die Herrschaft über sich einigermaßen zurück und war in der Lage, darüber nachzudenken, was er tun konnte, um ihr Überleben zu sichern.


****************


Es löste Unruhe aus, als das Stargatecenter das Rückkehrsignal von SG-1 erhielt. Eigentlich hätte es General Hammond nicht wundern sollen. War es nicht immer SG-1, die in die schlimmsten Schwierigkeiten gerieten? Er fragte sich nur, wie sie das jedes Mal anstellten. Auf diesem Planeten gab es nun wahrhaftig nichts gefährliches. Gut, er war etwas unwirtlich, aber es gab schlimmere Orte als diesen.
"Iris öffnen!" befahl er.
Mit einem Kreischen öffnete sich der Schutzmechanismus des Tores und gab den Blick auf den wabernden Ereignishorizont frei. Es dauerte nicht lange, und ein paar vermummte Gestalten taumelten hindurch. Das Tor blieb noch einige Sekunden lang offen, dann schloß es sich.
Verblüfft und besorgt erkannte der General, daß es unmöglich alle Mitglieder der Expedition sein konnten. Er zählte sie nach. Drei von ihnen fehlten. Sofort machte er sich auf den Weg in den Torraum.

Teal'c zog gerade die Kapuze vom Kopf und mit ihr auch eine durchnäßte Mütze. Hinter ihm schälten sich Hamilton und seine Leute aus ihrer Ausrüstung.
"Was ist passiert?" fragte Hammond knapp und sachlich, auch wenn er es vor Ungeduld kaum aushielt.
"Major Carter hatte einen Unfall. Sie ist in eine Spalte gestürzt. Colonel O'Neill und Daniel Jackson sind bei ihr geblieben, bis wir mit einer Rettungsmannschaft zurückkehren. General, ich wünsche an dieser Aktion teilzunehmen."
"Wärmen Sie sich erstmal auf und ziehen Sie trockene Sachen an. Danach melden Sie sich bei Doktor Frasier und lassen sich untersuchen. Es wird eine Stunde dauern, bis wir den Rettungstrupp losschicken können. Wenn Sie bis dahin das OK vom Doktor haben, sind Sie dabei."
"Ich fürchte so einfach ist es nicht, General", mischte sich nun Hamilton ein. "Major Carter hat sich nicht ohne Grund verletzt. Wir sind überraschend in einen Sturm geraten. Sie sollten sich ansehen, was wir mitgebracht haben, bevor Sie weitere Entscheidungen treffen." Dabei klopfte er vorsichtig auf die wasserdichte Tasche mit dem Laptop, das die Wetterdaten enthielt.
Hammond nickte kurz angebunden. "Treffen Sie alle nötigen Vorbereitungen für eine Rettungsaktion", wies er die anwesenden Soldaten im Torraum an. "Und Sie," wandte er sich an Hamilton "haben dreißig Minuten Zeit, sich ihre Argumente zurecht zu legen und sie mir vorzutragen. Wir treffen uns in einer halben Stunde im Konferenzraum."

Es dauerte weniger als die veranschlagte halbe Stunde, bis sich Teal'c, General Hammond und Doktor Hamilton im Konferenzraum trafen. Irgendwie hatten sie es in Rekordzeit geschafft sich umzuziehen und aus Doktor Frasiers eisernem Griff entlassen zu werden. Nur die Tatsache, daß beide dicke Pullover trugen, wies darauf hin, daß sie bis vor kurzem noch bis an die Knie in Schnee und Eis gestanden hatten.
"Also, was ist denn nun genau passiert?" fragte Hammond.
"Wir sind auf dem Planeten von einem schweren Sturm überrascht worden. O'Neill befahl den Rückzug. Wir hätten dort sonst nicht überleben können. Auf dem Weg zurück rutschte Major Carter ab und fiel in eine Spalte. Wir können sie ohne entsprechende Ausrüstung nicht retten, ihre Verletzungen sind zu schwer", antwortete Teal'c ihm.
"Wie ich schon sagte, könnte das allerdings schwierig werden", meldete sich nun Hamilton. "Ich wünsche mir ebenso sehr wie alle hier, daß wir SG-1 gesund wieder zurück bekommen, aber lassen sie mich ihnen die Daten zeigen." Er hatte seinen Computer mit dem Wandmonitor verbunden und zeigte nun verschiedene Bilder, um zu veranschaulichen, was er erklärte. "Als wir auf Hoth ankamen, haben wir Ihre Flugsonden für die Sammlung eines ersten Paketes von Wetterdaten genutzt, die wir heruntergeladen und mitgenommen haben. Mein erster Blick darauf hat den Colonel veranlaßt, den Rückweg anzutreten." Er schaltete den Monitor auf die graphische Darstellung eines Sturmsystems um. "Das ist der Zyklon Aaron. Er näherte sich uns unbemerkt und erreichte uns schließlich, bevor wir unsererseits das Tor erreichen konnten. Wir haben die Daten noch nicht auswerten können, aber wir glauben, daß es sich um so eine Art Superhurrican handelt. Seine Windgeschwindigkeiten liegen weit über dem, was wir von der Erde kennen. Ich schätzte, wir können durchaus mit dreihundert Stundenkilometern und sogar noch viel mehr rechnen. Ich wage es kaum, eine Prognose zu stellen. So etwas habe ich noch nie gesehen. So etwas hat auf diesem Planeten noch niemand gesehen." Er schwieg einen Moment ehrfürchtig. "Wie wir selbst erlebt haben, führt er schwere Niederschläge mit sich. Durch die niedrigen Temperaturen überzieht er deshalb jede Oberfläche innerhalb kürzester Zeit mit einer dicken Eis- oder Schneeschicht. Die statische Aufladung in der Atmosphäre ist durch Aarons Dynamik so groß, daß pausenlos Blitze niederschießen."
"Und was heißt das nun? Soll ich die Sache abblasen? Wollen Sie das damit sagen?"
"Aber nein, das will ich natürlich nicht. Ich möchte nur, daß Sie sich im klaren darüber sind, was Sie auf der anderen Seite erwartet", fuhr Hamilton fort.
"Die Unglücksstelle ist kaum mehr als eine Meile vom Stargate entfernt", bemerkte Teal'c. "Wenn wir uns beeilen, können wir sie vielleicht erreichen, bevor das Zentrum dieses... Dinges sie trifft." Er weigerte sich, einer so seelenlosen Gefahr wie einem Sturm einen Namen zu geben.
"Theoretisch trifft das zu. Tatsächlich bewegt sich der Sturm mit nur etwa zwanzig Meilen in der Stunde vorwärts. Aber sie haben selbst erlebt, mit welcher Kraft er bereits jetzt zuschlägt. Eine Rettungsmission müßte nicht nur mit erheblichen Schwierigkeiten rechnen, sondern auch sehr schnell sein. Sonst sitzen da draußen bald mehr als nur drei ihrer Leute fest."
Das alles schmeckte Hammond nicht. Wie jeder gute Offizier ließ er nie jemanden zurück, wenn es nicht absolut notwendig war. Er hatte immer gewußt, daß er eines Tages in eine Lage wie diese kommen würde. Eine Lage, in der er gezwungen war, zwischen dem Leben der ihm unterstellten Truppen und dem Leben befreundeter Menschen zu wählen. Er hielt Hamilton für kompetent, aber es fehlte dem General an der nötigen Vorstellungskraft, um aufgrund seiner Ausführungen eine Rettungsmission abzusagen.
"Wir schicken ein MALP durch das Tor", entschied er sich. "Dann werden wir sehen was wir tun können." Es war keine wirkliche Entscheidung. Es war nur ein Aufschub. Er war dankbar dafür, aber der Gedanke, daß er sie trotzdem irgendwann treffen mußte, quälte ihn.


****************


Seit zwei Stunden hing Daniel nun schon in den Seilen. Der Wind und die Kälte waren am Anfang noch erträglich, jetzt waren sie es nicht mehr. Er spürte seine Beine und auch seine Hände nicht länger. Selbst wenn man ihn in diesem Moment angefunkt hätte, hätte er wahrscheinlich nicht antworten können, weil er nicht mehr in der Lage war die entsprechenden Tasten zu drücken.
Trotzdem versuchte er seine Position zu halten. Der gesunde Menschenverstand sagte ihm, daß er sich längst hätte abseilen müssen, so lange er noch fähig dazu war. Aber er wollte es nicht. Er wollte nicht aufgeben, wollte die einzige Verbindung zur Erde nicht aufgeben, die ihnen vielleicht noch blieb. Es konnte nicht mehr lange dauern. Unter normalen Umständen sollten sie das Tor längst erreicht haben, aber bei diesem Wetter....? Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie lange er noch warten mußte. Immerhin hatte er es bis jetzt ausgehalten, oder nicht? Kam es da auf fünf weitere Minuten an? Sicher nicht. Und dann noch ein paar Minuten, und dann nochmal fünf... Und so summierte sich die Zeit, die er entgegen besseren Wissens an der Oberfläche blieb.
Aarons Toben wurde immer lauter und fordernder. Zusammen mit der Kälte löschte sein Brüllen bald jeden klaren Gedanken aus und ließ ihn vor sich hin dämmern.
In das ewige Grollen des Donners und das Heulen des Windes in der Schlucht mischte sich ein dumpfer Unterton, der Daniel aufhorchen ließ. Ein stetiges, lauter werdendes Lärmen, das er nicht identifizieren konnte. Er klammerte sich fester an das Seil und hätte schwören können, daß er eine feine Erschütterung spürte. Wie seine Glieder, schien auch sein Denkvermögen eingefroren zu sein, denn es war ihm nicht möglich irgendwelche Schlüsse aus diesen Tatsachen zu ziehen.
Entschlossen stemmte er die Füße in das Eis und schob sich so gut es ging über den Rand der Spalte. Sofort schnitt ihm der eisige Wind ins Gesicht. Ohne die Schutzbrille, die er trug, hätte er unmöglich etwas sehen können.
Das ständig zunehmende Donnern wurde lauter, und noch immer konnte er nicht feststellen was die Ursache dafür war. Das Schneetreiben nahm ihm die Fernsicht, obwohl das Land immerwieder vom Flackern der Blitze erhellt wurde.
Doch plötzlich rastete etwas in Jacksons Gehirn förmlich ein und ließ ihn in letzter Sekunde den Kopf einziehen. Er sah die Lawine nicht, die den Berghang herunter kam, aber sie rollte mit dem Gewicht und dem Geräusch eines Güterzuges über ihn hinweg. Er spürte wie ihn Schnee und betonharte Eisbrocken zu erschlagen drohten und wie ihr Gewicht ihn nach unten zurück in die Spalte drückte. Das Seil an seinem Geschirr lockerte sich unter dem Gewicht und gab nach. Daniel begann in die Tiefe zu fallen. Geistesgegenwärtig griff er nach dem entsprechenden losen Ende und hielt es mit aller Kraft fest. Bereits nach wenigen Metern gelang es ihm so, seinen Fall zu bremsen.
Links und rechts von ihm fielen schwere Eisblöcke in die Tiefe. Er konnte nur hoffen, daß Carter oder O'Neill nicht von ihnen getroffen wurden.
Einen kurzen Moment danach war alles vorbei. Es wurde still. Die Lawine hatte den Eingang zur Schlucht versperrt und Aaron ausgeschlossen. Nun waren sie vor dem Sturm zwar sicher, aber sie hatten ein neues Problem. Sie waren gefangen, ohne Funkkontakt nach außen und es war fraglich, ob es Daniel möglich war, sich durch das Lawinenfeld hindurch nach oben freizugraben.


*********************


"Das MALP ist so weit, General. Wir können auf Ihr Zeichen beginnen."
"Gut, wählen Sie den Planeten an."
Langsam setzte sich das Stargate in Bewegung. Für Hammond persönlich war das alles ein Alptraum. Er war Profi genug, um seine Ängste beiseite schieben und kühlen Kopf bewahren zu können, aber er war nicht aus Stein und er war auch nicht dumm. Selbst wenn man es ihm nicht ansah, machte er sich ernsthafte Sorgen.
Das Stargate war bereit und öffnete sich mit einem Knall. Der Durchgang zu dem Planeten war etabliert. Langsam kroch das MALP die Rampe hinauf und verschwand im Ereignishorizont.
"MALP erreicht P4X-964 in drei... zwo... eins.... Ankunft."
"Lassen Sie sehen."
Ein dunkles Bild erschien auf dem Monitor. Ab und zu flackerten ein paar Blitze, aber die Zeit war jedes mal zu kurz, damit die Kamera sich an die Lichtmenge gewöhnen und brauchbare Bilder liefern konnte.
"Umschalten auf Nachtsicht."
Das Bild bekam einen grünen Schimmer. Tatsächlich waren nun Umrisse in der Umgebung zu erkennen. Aber mit jedem Blitz, der aufzuckte, verschwand die Darstellung für ein paar Sekunden, bis die Kamera die Überdosis Licht kompensierte.
"Versuchen Sie, mit Jackson und O'Neill Kontakt aufzunehmen."
"Jawohl, Sir. Stargatecenter an SG-1, können Sie mich hören? Stargatecenter an SG-1, Doktor Jackson, Colonel O'Neill, hören Sie uns?"
Sie warteten einen Moment gespannt, aber sie bekamen keine Antwort.
"Versuchen Sie es weiter", sagte der General, dann wandte er sich an den Techniker, der an dem Rechner direkt zu seiner Rechten saß. "Wie sind die Bedingungen am Tor?"
"Schwierig."
"Geht es auch etwas genauer?"
"Ich wäre gern genauer, aber das MALP übermittelt nicht mehr Daten. Die Meßinstrumente sind bereits vereist."
"Schon nach so kurzer Zeit?"
"Ja, Sir. Ich versuche, die Kamera auf das DHD zu richten. Sehen Sie das Rucken auf dem Bildschirm? Das ist kein Computerfehler. Das ist die Mechanik der Kamera, die einzufrieren beginnt."
Atemlos betrachtete Hammond das Bild. Hamilton stand neben ihm und schwieg. Der Schnee schien vielmehr flüssiges Eis zu sein als irgend etwas anderes. Fast waagerecht trieb ihn der unbarmherzige Wind vor sich her.
"Sir, sehen sie sich das an...." sagte der Techniker.
Er hatte das DHD ins Bild geholt. Es war dem General nicht entgangen, daß er dazu das MALP etwas drehen mußte, weil die Kamera der Bewegung inzwischen nicht mehr folgte. Das Rückwahlgerät war unter einer Schneewehe fast völlig begraben. Was davon noch sichtbar war, war von einer mehrere Zentimeter dicken Eisschicht bedeckt.
Plötzlich schwankte das Bild. Die Kamera zog Streifen über den Monitor und schaltete sich schließlich ab.
"Was ist passiert?" fragte Hamilton.
"Ich schätze wir haben das MALP verloren. Es sendet noch an uns, aber nur noch wenige Parameter sind meßbar. So wie es aussieht, wurde es vom Wind umgeworfen."
"Vom Wind...?" Hammond war sprachlos.
"Ja Sir, trotz seines großen Gewichtes und seines niedrigen Schwerpunktes. Ich bin kein Meteorologe, aber wenn Sie mich fragen Sir, dann ist da draußen die Hölle los!"
Hammond nickte resignierend. Sein Entschluß stand fest. Es gab gar keine andere Möglichkeit. Trotzdem sträubte sich alles in ihm, es laut auszusprechen, denn er hatte das Gefühl Carter, Jackson und O'Neill damit zum Tode zu verurteilen.
"Wie lange geht das noch so weiter?" fragte er stattdessen.
"Die Bedingungen werden sich frühestens in dreißig Stunden wieder bessern."
Der General nickte. "Halten Sie das Tor so lange offen wie das MALP noch halbwegs funktioniert und versuchen sie weiterhin SG-1 zu erreichen. Bereiten Sie alles vor. Die Rettungsaktion startet in dreißig Stunden."
Es gab keine andere Alternative. Wenn er jetzt jemanden nach P4X-964 schickte, dann wäre es sein Todesurteil, und zwar auch deshalb, weil er keine Chance hatte, mittels DHD zurückzukehren. Es mochte die einzige logische Schlußfolgerung sein, aber dennoch hat man immer das Gefühl Verrat zu begehen, wenn sich die Logik auf so grausame Weise gegen die eigenen Freunde richtet.
"Ja, Sir", antwortete der diensthabende Offizier knapp. Auch er wußte, was es mit diesem Befehl auf sich hatte.
"Es tut mir leid, General. Ich wünschte, ich hätte mich geirrt", sagte Hamilton.
Hammond sah ihn genau an. Sein Bedauern war ehrlich. Er nickte kurz und ging dann. Er brauchte jetzt unbedingt ein paar Minuten für sich.


*********************


Daniel schüttelte entschlossen den Kopf, einerseits, um seine Gedanken wieder klar zu bekommen, zum anderen, um den Schnee loszuwerden, mit dem ihn die Lawine überschüttet hatte.
Vorsichtig sah er an den Seilen entlang, an denen er hing, aber über ihm war nichts als Dunkelheit. Irgendwo unten erhellte etwas die Schlucht. Wahrscheinlich war es O'Neill, der Licht gemacht hatte.
"Jack?" rief er. "Jack, alles in Ordnung bei Ihnen?"
"Ja, wenn man es so nennen kann. Und bei Ihnen?"
"Ich sitze fest. Die Lawine hat meine Seile eingeklemmt. Ich bin ein Stück gefallen und das verflixte Gurtzeug hat sich verheddert. Ich komme keinen Meter mehr vorwärts." Wieder einmal verfluchte sich Daniel dafür, daß er nie Carters Angebot angenommen hatte, ihm das Klettern richtig beizubringen. Er konnte leidlich mit der Ausrüstung umgehen, aber um Probleme wie dieses zu bewältigen, oder auch nur zu beschreiben welcher Art es war, dazu reichte sein Wissen nicht aus.
"Wo sind Sie Daniel?"
"Ich bin hier." Er hörte, wie sich etwas unter ihm bewegte und sah dann direkt in eine Taschenlampe. Reflexartig hob er die Hand und schirmte seine Augen ab.
"Oh, Sie haben noch ein paar Meter bis nach unten", bemerkte O'Neill.
"Ich weiß. Geben Sie mir lieber einen Tip, wie ich Sie unbeschadet hinter mich bringen kann."
"Tja, ich schätze, da sind die Auswahlmöglichkeiten recht begrenzt." Er leuchtete etwas herum. "Wie wäre es hier?" fragte er.
"Jack, dort sind es sogar noch zwei Meter mehr, wenn ich herunterfalle."
"Stimmt, aber die Wand ist dort glatt und ohne Vorsprünge, auf die Sie treffen könnten, wenn Sie fallen, und die Lawine hat nur Schnee abgeladen und keine Eisblöcke. Sie hätten mal die Dinger sehen sollen, die neben mir und Carter herunter gekommen sind. Von denen wiegt jeder einzelne mindestens eine Tonne!"
"Na, das ist ja sehr beruhigend." Eigentlich war der Sarkasmus in seiner Stimme nicht zu überhören, trotzdem gelang es Jack.
"Ja, das finde ich auch. Werfen Sie zuerst Ihre Ausrüstung herunter."
Daniel befreite sich von seinem Rucksack und Jack zog ihn aus dem Weg.
"Und jetzt versuchen Sie an der Wand Halt zu finden und ein paar Meter nach links zu klettern, bis ich stop sage."
Daniel tat gehorsam, was man ihm sagte. Sein Körper gehorchte zwar, aber jede seiner Bewegungen war verlangsamt und unpräzise. Obwohl er nicht fror, mußte er annehmen, daß er an den Folgen einer Unterkühlung litt. Immer wieder versuchte er seitwärts zu klettern und immer wieder rutschte er ab. Er konnte kaum genug Kraft und Geschicklichkeit aufbringen um zu tun, wozu O'Neill ihn anwies, doch schließlich schaffte er es, an der eisglatten Wand im Halbdunkel einen unsicheren Halt zu finden.
"Und jetzt nehmen Sie ihr Messer und schneiden die Seile durch, eins nach dem anderen."
"Sind Sie verrückt?"
"Wollen Sie da oben hängen bleiben?"
Nein, das wollte er sicher nicht. Jack hatte recht. Aufschieben nützte nichts. Nur mit wenig Begeisterung zog er sein Messer hervor und zog es über das erste Seil. Er konnte es kaum sehen aber er fühlte wie es mit einem peitschenden Geräusch unter der Klinge davonsprang. Jedes einzelne der drei Seile war in der Lage sein Gewicht zu halten, trotzdem war ihm nicht wohl dabei, als er sie durchschnitt. Wie weit war es bis nach unten? Er konnte es wirklich nicht sagen. Er erinnerte sich an seinen ersten Sprung von einem Drei-Meter-Brett im Schwimmbad. Von oben sahen die drei Meter bedeutend höher aus, als sie es in Wirklichkeit waren.
Das zweite Seil zerriß. Er hatte sich immer auf Jack verlassen können. Wenn er sagte, daß dort unten eine dicke Schneeschicht lag, dann war es auch so. Und dennoch... es war jedes einzelne Mal eine ziemliche Überwindung für ihn, sich auf ein Seil wie dieses zu verlassen und sich ihm anzuvertrauen und nun sollte er es absichtlich zerstören?
Vorsichtig setzte er das Messer am dritten Seil an. Seine Füße gruben sich in das Eis an der Wand. Er hatte kein Gefühl mehr in den Zehen. Auch wenn er glaubte sicher zu stehen, mußte das also nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen.
"Nun machen Sie schon. So hoch ist es nun auch wieder nicht."
"Ja doch", gab Daniel gereizt zurück. Im selben Moment begann er das Gleichgewicht zu verlieren. Bevor sein Ausrutscher zu einer ernsten Gefahr für ihn werden konnte, zog er das Messer entschlossen über das Seil und ließ sich rückwärts fallen.
Es war ein unangenehmes Gefühl zu fallen, aber nicht halb so unangenehm wie der Aufschlag. Der Schnee war nicht weich und puderig wie der auf der Erde, sondern scharfkantig und bröckelig. Daniels Aufprall war darum ziemlich hart. Er sank in der zähen Masse ein, die über ihm zusammenschlug wie Treibsand. Einen Moment lang verlor er die Orientierung und geriet in Panik, aber dann packte ihn ein Arm und zog ihn heraus.
"Na Daniel, noch alles dran?"
"Ich glaube, da muß ich erstmal nachsehen."
"Fein, kommen Sie mit, ich brauche Sie bei Carter."
"Wie geht es ihr?"
"Sie ist wieder zu sich gekommen." Er senkte die Stimme etwas. "Aber es geht ihr nicht besser. Wir müssen sie so schnell wie möglich hier herausholen."
"Da oben geht es jedenfalls im Moment nicht." Daniel zeigte nach oben, wo sie in die Spalte gelangt waren. "Wir müssen wohl oder übel darauf vertrauen, daß man uns rettet."
"Haben Sie irgendwas mit dem Funkgerät aufgeschnappt?"
"Nein, nicht das geringste." Er konnte sehen, wie sich O'Neills Gesicht verschloß. Das war etwas, was er eindeutig nicht hören wollte, aber es war trotzdem nichts als die Wahrheit. "Aber da oben konnte man sein eigenes Wort nicht verstehen", fuhr er fort und hoffte, daß es ihn etwas beruhigte. "Aaron hat einen derartigen Lärm veranstaltet, daß man über mir einen Senkrechtstarter hätte landen können und ich hätte es nicht bemerkt. Sie lassen uns schon nicht im Stich."
"Nein, das werden sie nicht. Es ist ja auch nicht so, daß sie nicht wüßten, wo wir sind. Richtig?"
"Richtig."

Stunde um Stunde verging. O'Neill und Jackson leisteten Carter Gesellschaft und versuchten sie wach zu halten, aber häufig gelang es ihnen nicht. Sie hatten alle nur möglichen Kleidungsstücke dazu benutzt, um sie zu wärmen.
Eine weitere genauere Untersuchung hatte ergeben, daß sie sich neben ihren offensichtlichen Verletzungen noch zwei Finger gebrochen hatte.
Vorsichtig versuchten sie, sie auf die Seite zu drehen, um eine Unterlage unter ihren Körper zu bekommen. Nach nur wenigen Versuchen waren sie nahe daran aufzugeben. Sie schrie vor Schmerzen auf, aber es war ihnen auch klar, daß sie sehr schnell an einer Unterkühlung leiden und vielleicht daran sterben würde wenn sie nichts taten. Also nahmen sich beide zusammen und führten die Sache zuende, auch wenn es ihnen in der Seele weh tat, Carter so leiden zu lassen.
Hier unten in der Spalte konnten sie es wagen, die Handschuhe auszuziehen und sobald sie damit fertig waren Carter einzupacken und ihre Wunden zu verbinden, fiel Daniel auf, daß Jacks Hand schlimm verletzt war. Die ganze Zeit hatte er angenommen, daß es Carters Blut war, das er an den Händen und in den durchweichten Handschuhen hatte, aber nun erkannte er, daß es sein eigenes war.
"Wie haben Sie denn das angestellt?"
"Das? Ach, das ist nichts, ich bin nur hingefallen."
"Zeigen Sie mal her."
"Nein, es ist nichts."
"Nun kommen Sie schon. Sie können die Hand ja nicht einmal mehr öffnen."
"Ich sagte, es ist nur ein Kratzer! Ich habe versucht, mich an einem Eisbrocken festzuhalten."
Daniel wußte sehr gut, wie das Eis auf diesem Planeten beschaffen war. Wenn es von der richtigen Art war, konnte man ebenso gut in eine Rasierklinge fassen.
"Zeigen Sie her, ich verbinde es."
"Kümmern Sie sich lieber um Carter."
"Für Carter haben wir getan, was wir konnten. Jetzt sind Sie dran." Der Klang seiner Stimme duldete keinen Widerspruch. Er zog das Verbandszeug aus einer Tasche und griff nach Jacks Hand, ohne auf Erlaubnis zu warten.
Wort- und widerstandslos ließ er sich verarzten. Er hatte mehrere tiefe Schnitte in der Handfläche. Das Blut war bereits gestockt und so konnte er unmöglich sagen wie groß der Schaden war.
Teilnahmslos und stumm ließ er Daniel arbeiten und starrte dabei Carter an. Zu gern hätte Jackson gewußt, was ihm durch den Kopf ging. Zeitweilig, besonders immer dann, wenn Carter wieder bewußtlos wurde, kam er ihm verwirrt, traumatisiert und auf gewisse Weise auch gehetzt vor. Kehrte sie dann ins Bewußtsein zurück, so tat er es auch. Dann war er ruhig, stark und zuversichtlich, freundlich und manchmal sogar witzig. Er konnte sich nicht erinnern, wann er Jack jemals so gesehen hatte.
Daniel kramte in seinem Rucksack herum. Dann hielt er O'Neill ein Kleidungsstück hin. "Hier, ziehen Sie das an."
Er sah ihn verständnislos an.
"Ihre Jacke ist durchgeweicht. Sie sind keine Hilfe, wenn Sie es Aaron so leicht machen." Jacks Jacke war völlig durchnäßt. Sie war klamm und kalt und die Feuchtigkeit begann in der Kälte zu gefrieren. Schon bildeten sich feine Eiskristalle auf dem Stoff, und das Gewebe wurde hart. Es war eine Herausforderung, sie unter diesen Umständen zu öffnen und auszuziehen.
Während er sich umzog, schien wieder etwas Leben in ihn zu kommen und auch Carter rührte sich wieder.
"Sam, wie geht es Ihnen?" fragte Daniel.
"Wie sehe ich denn aus?"
Daniel grinste. "Das wollen Sie sicher nicht wissen."
"Ah, so schlimm also..." aber auch sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln.
"Wie lange sind wir schon hier?"
"Etwas mehr als fünf Stunden." Jack mußte nicht auf die Uhr sehen. Er zählte die Minuten und mit jeder Minute hatte er mehr Zweifel.
"Dann müssen sie bald kommen", hauchte Sam und schlief wieder ein.
"Ja, das müssen sie wohl", flüsterte Jack. Vorsichtig kroch er zu ihr und sah sie genau an. Er maß ihren Puls und beobachtete, wie sie atmete.
"Wie sieht es aus?" fragte Daniel.
"Sie zeigt langsam Anzeichen eines Schocks. Ihr Puls wird schneller und flacher. Ihre Atmung ist schwach und oberflächlich. Sie hat auf beiden Augen ein Veilchen. Ich weiß nicht genau, was das bedeutet, aber ich würde auf einen Schädelbruch tippen", antwortete er sachlich. "Was glauben Sie wohl, wie es aussieht?"
O'Neill war schon lange Soldat. Er hatte viele Menschen überleben, aber auch viele sterben sehen. Er verstand gerade genug von Medizin, um seine eigene Haut und die seiner Kameraden im Notfall retten zu können. Auch wenn es ein Soldat nie zugab, so hatte er doch großen Respekt vor den Sanitätern und Ärzten. Sie waren Herz und Moral einer Truppe und jeder, der in einen Kampf zog, wußte ihre Dienste zu schätzen. So war es auch O'Neill ergangen. Obwohl er es nie jemandem erzählte, hatte er von ihnen viel gelernt. Geduldig und freundlich hatten sie ihm erklärt, wie er diesem oder jenem Kameraden besser hätte helfen können oder wie er verschiedene Hilfsmittel effektiver einsetzen konnte.
Doch nun sah er, wie ihm die zur Verfügung stehenden Mittel langsam ausgingen. Die Zeit lief ihm davon und all sein Wissen und seine Erfahrung nützten ihm nichts bei dem Versuch, den einen Menschen zu retten, der ihm so viel bedeutete.

"Daniel, wir müssen etwas unternehmen", stellte O'Neill bedächtig fest und sah den jungen Wissenschaftler scharf an. "Ich fürchte, es dauert sonst zu lange."
"Und wie haben Sie sich das vorgestellt?"
"Haben wir denn wirklich gar keinen Empfang? Wir müssen irgendwie wieder die Chance auf Funkkontakt bekommen. Gibt es denn überhaupt keinen Weg hier heraus?"
"Jedenfalls nicht den gleichen, den wir gekommen sind."
Daniel nahm seine eigene Taschenlampe, quetschte sich an einem Eisblock vorbei, den die Lawine in die Schlucht gespült hatte und leuchtete so weit er konnte in die Tiefe der Spalte. "Ich schätze, der Sturm hat uns etwas vom Weg abgebracht. Das hier sieht nicht wie das Geröllfeld aus, für das ich es an der Oberfläche gehalten habe. Ich habe eher das Gefühl, daß wir in einer Gletscherspalte sind." Er sprach nicht aus, daß man in diesem Falle vielleicht an der falschen Stelle nach ihnen suchte. Aber O'Neill war nicht dumm, er konnte diesen Schluß durchaus selbst ziehen, auch ohne daß es laut ausgesprochen wurde.
Daniel kniete sich hin und berührte den Boden. "Das Eis ist glatt. Vielleicht wurde diese Schlucht zeitweilig von Wasser durchflossen. Wenn das stimmt, muß es irgendwo geblieben sein. Vielleicht ist das ein Weg nach draußen."
"Worauf warten wir dann noch? Wir sollten nachsehen."
"Nein Jack, ich glaube nicht, daß es eine gute Idee ist, wenn wir beide gehen. Ich habe von solchen Gängen gehört. Sie können sich endlos verzweigen und ein echtes Labyrinth bilden. Wer weiß wie lange wir für unsere Suche brauchen würden. Und einer muß schließlich bei Carter bleiben."
O'Neill schüttelte den Kopf. Alles lief schief. Sich zu trennen war eine Entscheidung gewesen, mit der er nicht glücklich war, und dennoch hatte sie sich als die einzig richtige erwiesen. Die Tatsache, daß die Rettungsmannschaft noch nicht hier war, bedeutete daß sie Schwierigkeiten hatten, sie zu finden. Sie mußten ihnen entgegen kommen und auf sich aufmerksam machen.
Auch dieses Mal sträubte sich alles in ihm, als es daran ging, daß einer von ihnen allein gehen sollte. Aber es gab keinen anderen Weg.
"Ich werde nicht lange weg sein," stellte O'Neill fest. Er sah sich nach den Sachen um, die er mitzunehmen gedachte.
"Vielleicht ist es besser, wenn ich gehe," wandte Daniel vorsichtig ein. Er hatte den Colonel sorgfältig beobachtet. Er war mit seinen Gedanken vollständig bei Carter. Sein Gesicht war verkrampft und jeder einzelne Muskel seines Körpers schien angespannt zu sein. Daniel konnte sich nicht vorstellen, daß er in diesem Zustand fähig war, allein ein Netz gefährlicher Gletscherspalten zu untersuchen. Aber natürlich wollte er es ihm nicht allzu deutlich sagen. Jack haßte es, wenn man ihn durchschaute und tat in diesem Fall meist ziemlich genau das Gegenteil von dem, was man von ihm erwartete.
Außerdem schien er auf eine Weise mit Carter verbunden zu sein, die er so noch nie zuvor bemerkt hatte. Als sie damals in der Antarktis tagelang festsaßen, hatte sich Sam um O'Neill gekümmert und ihn am Leben erhalten. Nun waren die Rollen vertauscht. Er hatte das Gefühl, daß es vielleicht wichtig war, daß sie diese Zeit miteinander verbrachten.
"Ihre Hand ist verletzt. Sie können nicht richtig zugreifen. Jedes Stolpern könnte gefährlich werden. Wenn schon jemand geht, dann werde ich es wohl sein."
O'Neill sah die Richtigkeit dieses Argumentes ein, aber es machte ihn unzufrieden, daß Daniel recht hatte. Trotzdem war seine Gegenwehr nicht bestenfalls halbherzig.
Mit wenigen Handgriffen hatte Daniel die Dinge verstaut, die er brauchte: eine Taschenlampe, ein paar Batterien, eine Essensration und das Funkgerät. Ohne lange zu zögern, begann er über den glatten Boden davonzuschlittern.


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Vorsichtig und ungeschickt versuchte O'Neill eine der Brennstofftabletten anzuzünden. Seine Finger waren kalt und steif und die Handfläche schmerzte. Nach einigen Versuchen gelang es ihm und er nutzte den kleinen Feldkocher, der in jede gute Ausrüstung gehörte, um Wasser zu erwärmen.
Neben seiner Wärme hatte diese kleine Flamme auch einen psychologischen Effekt: sie beruhigte und machte zuversichtlich. Jack wußte all das und dennoch funktionierte es auch bei ihm. Das Licht der Taschenlampe schien ebenso kalt zu sein, wie das Eis um sie herum. Es konnte mit dem einer echten Flamme nicht mithalten.
Aus einer Tüte schüttete er etwas Suppe in das Wasser und brachte sie nur unter Schwierigkeiten zum Kochen. Entweder begann die Temperatur nun auch hier unten zu sinken, oder es kam ihm nur so vor. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn Aarons Auswirkungen langsam auch hier zu spüren gewesen wären. Die Oberfläche war im Moment sicher kein Ort um sich dort aufzuhalten.
Er füllte die heiße Suppe in seine Feldflasche. So blieb sie länger warm und ließ sich besser trinken. Dann versuchte er Carter zu wecken.
"Carter?" fragte er. "Carter?" Vorsichtig legte er seine Hand auf ihre Schulter.
Sie schlug die Augen auf
"Hier, trinken Sie das."
"Was ist das?"
"Das wollte ich die Army auch schon immer fragen." Er grinste. Jack konnte selbst kaum glauben, wie selbstsicher er klingen konnte, wenn es sein mußte.
Vorsichtig nahm sie ein paar Schlucke, aber schnell wurde sie kurzatmig dabei, was er mit Besorgnis sah. Mit einer kompletten Reihe gebrochener Rippen konnte sie auf dieser Seite nicht atmen und wie bei jeder Fraktur, so würden auch diese Brüche bluten. Er konnte nicht genau sagen, welche Verletzungen sie hatte. Wahrscheinlich füllte sich in diesem Moment der Raum zwischen Brustwand und Lunge langsam mit Blut und vielleicht hatte sie noch eine Reihe weiterer innerer Verletzungen, von denen er nichts wußte.
Es war wichtig, daß sie etwas trank, um den Verlust ein wenig auszugleichen, aber viel mehr als das brauchte sie professionelle Hilfe, und zwar schnell, denn trotz allem, was er tat, konnte er förmlich zusehen, wie der Blutverlust sie mehr und mehr in einen Schockzustand fallen ließ.
"Wo ist Daniel?" fragte sie.
"Er versucht einen besseren Standort für das Funkgerät zu finden."
"Ich habe Kopfschmerzen."
"Ich weiß." Ja, das konnte er sich vorstellen. Er wußte wie sich ein Schädelbruch anfühlte. "Ist schon gut, Carter. Wir haben noch etwas Schmerzmittel."
"Nein, es macht mich müde."
Eine Mischung aus Kälte und Beruhigungsmitteln (und nichts anderes waren die Medikamente, die zu seiner Verfügung standen), konnte durchaus lebensbedrohlich werden aber unter diesen Umständen hielt er sie nicht für die schlechteste Lösung. Vielleicht verlangsamte das die Blutungen und zögerte Sams Verfall hinaus. Aber es war schwierig, die Waage zwischen dem, was gut für sie war, und dem, was gefährlich wurde, zu halten. O'Neill war sich dessen bewußt, aber er konnte nicht mit ihr darüber reden. Er mußte stark sein, zuversichtlich, all das, was er im Moment nicht war, damit sie nicht mehr beunruhigt war als nötig.
"Das wird schon wieder, Carter. Machen Sie sich keine Sorgen."
"Und was, wenn nicht?"
"Sie wissen, wo wir sind, und sind sicher schon auf dem Weg hierher."
Sie gab ein verkrampftes Lachen von sich.
"Nicht so wie in der Antarktis, was?"
"Nein, dieses Mal ist es nicht hoffnungslos." O'Neill grinste. Doch bereits in der selben Sekunde unterdrückte er den Impuls wieder, als ihm klar wurde, daß diese Aussage vielleicht eine Lüge war.
Beide schwiegen eine Zeit lang.
"Ich bereue nichts", sagte sie dann.
"Hmm?" Jack wußte nicht genau, was sie meinte.
"Als wir in der Antarktis im Eis eingeschlossen waren, so wie hier." Sie hielt einen Moment inne, um zu Atem zu kommen. Besorgt registrierte O'Neill die bläuliche Färbung ihrer Lippen. "Als wir dachten, es wäre zuende."
"Sprechen Sie nicht mehr davon, Carter. Es wird nicht wieder so weit kommen." Es war ihm unangenehm mit ihr darüber zu reden. Viel lieber hätte er den Gedanken daran weit von sich geschoben.
"Ich habe damals oft darüber nachgedacht, über uns beide, und ich bereue nichts. Wir hatten... eine gute Zeit."
Eine gute Zeit. Ja, so konnte man es nennen. Die Zeiten waren auch für ihn wieder besser geworden, als er schon nicht mehr damit gerechnet hatte. Das Stargateprogramm war sein Leben, sein einziges Leben.
Er sah sie an und wollte ihr antworten, aber sie war bereits wieder eingeschlafen.

O'Neill sah nicht auf die Uhr. Die Zeit verlor langsam aber sicher an Bedeutung. Längst hatte er es aufgegeben sich auszurechen, wann ihre Rettung wohl eintreffen würde. In seiner Verzweiflung und seiner Angst wünschte er sich, dass Daniel hier wäre. Dann hätte er wenigstens einen Grund sich zusammenzureißen. Sams Zustand verschlechterte sich in den letzten zwei oder drei Stunden so rasant, daß er das Schlimmste befürchten mußte und er wand sich bei dem Gedanken, dem allein entgegen treten zu müssen.
Er kroch zu Sam in das kleine Lager, das sie aus Schlafsäcken und Kleidung errichtet hatten, um sie zu wärmen. Erschreckt stellte er fest, daß ihr Körper kalt war. Also hatten alle ihre Mühen nichts genutzt.
Vorsichtig schmiegte er sich an sie. Er wagte es kaum sie zu berühren, aus Angst ihr weh zu tun, aber sie brauchte unbedingt etwas Wärme und es gab keine andere Wärmequelle hier unten als seinen eigenen Körper.
Aber es war mehr als das. Es war beruhigend und tröstlich, neben ihr zu liegen. Er hatte längst vergessen, wie sich so etwas anfühlte.
Sie spürte die Bewegung und erwachte.
"Jack?" flüsterte sie.
"Ja?"
"Es ist gut, daß du da bist."
Er schwieg, weil ihm keine Entgegnung darauf einfiel. Er wußte daß es vielleicht der einzige Augenblick war, der ihm blieb um zu klären, was ihm am Herzen lag. Was hatten sie zu verlieren? Das Eis hatte keine Ohren. Nichts von dem was sie hier sagten, würde jemals nach außen dringen, aber er ließ die Zeit ungenutzt verstreichen. Es war nicht seine Art, über so etwas zu reden.
Er hatte in seinem Leben eine Menge Dinge gehabt, gute Dinge, aber die meisten gingen ihm mit der Zeit verloren. Also hatte er aufgehört, angenehme Dinge oder Menschen zu einem Teil seines Lebens zu machen. Stattdessen genoss er sie aus professioneller Distanz. So war es auch mit Sam. Er hatte ihre Freundschaft und die Chance sie jeden Tag zu sehen und mit ihr zusammen zu sein. Meistens war er damit zufrieden und er dachte nicht daran etwas zu tun, was diesen Zustand ändern konnte. Aber heute mußte er sich fragen, ob es richtig war.
Einige Zeit verging bis sie erneut sprach.
"Glaubst du wirklich, daß sie uns finden?"
"Sicher." Ganz sicher sogar, die Frage war nur wann.
"Die Frage ist nur wann."
Er grinste. Sie lagen eben doch auf einer Wellenlänge.
Wieder schwiegen beide und dämmerten schließlich, eingehüllt von etwas Wärme und einer überwältigenden Erschöpfung, in einen Schlaf, der eher einer Ohnmacht glich.


*********************


Daniel hatte sich so weit von seinem Ausgangspunkt entfernt, daß er nicht einmal mehr eine wage Vorstellung davon hatte, wo er war oder wieviel Weg er zurück gelegt hatte.
Labyrinth war als Wort nicht annähernd geeignet, um diesen Irrgarten zu beschreiben, in dem er sich bewegte. Wohin er sich auch wandte, war er umgeben von glitzerndem blauem Eis. Es war durchzogen von Spalten und Gängen, die in alle Richtungen führten. Manche waren groß genug, damit er aufrecht darin stehen konnte, andere waren nur wenige Zoll breit.
Unter sich hörte er Wasser plätschern. Das Geräusch brach sich in den Gängen. Anfangs glaubte er noch, ihm folgen zu können, aber inzwischen wußte er es besser. Wie ein Irrlicht, hatte ihn das Wasser immer tiefer in den Leib des Gletschers gelockt.
Uralt und riesig, enthielt er ein dreidimensionales Netz von Spalten, dessen Ausdehnung seine Vorstellungskraft überstieg. Manche von ihnen mußten einige hundert Meter tief sein. Er hatte geglaubt, O'Neill sei nicht in der Lage dazu, sie zu erkunden, aber ob er selbst dazu in der Lage war, diese Frage hatte er sich nicht gestellt. In den letzen Stunden hatte ihm das Eis Wunder von unglaublicher Schönheit aber auch von unvorstellbarer Gefährlichkeit gezeigt, Dinge die nie ein Mensch vor ihm gesehen hatte. Er hatte das Gefühl, der Gletscher hätte ihm einen kleinen Teil seiner Geheimnisse offenbart, gerade genug, um ihm vor Augen zu führen daß er hier nicht hin gehörte und daß es keinen Ausweg gab, denn jeder Weg, den er nahm, führte ihn nur noch tiefer in das Eis.
Wieder nahm er das Funkgerät heraus und prüfte, ob er eine Verbindung herstellen konnte.
"SG-1 an Stargatecenter." Er wartete.
"SG-1 an Stargatecenter. Kommen."
Aber er bekam keine Antwort. Er hörte Aaron noch immer heulen. Er schien sich nicht abgeschwächt zu haben, was seine Hoffnung schwinden ließ.
Er befand sich wahrscheinlich noch tiefer unter der Oberfläche als dort, wo er mit seiner Erkundung begonnen hatte. Selbst wenn sie nach ihnen suchten, konnten sie ihn hier unten unmöglich erreichen.
Mißmutig ließ er das Funkgerät sinken und verstaute es wieder in der Tasche. Es war längst Zeit für den Rückweg. Zweifelnd drehte er sich um. Sein Kompaß wies ihm zwar die Richtung aber es war höchst unwahrscheinlich, daß er den Weg zurück ohne weiteres fand. Immerhin war es statistisch gesehen wenigstens möglich. Und da jeder noch so lange Weg immer mit dem ersten Schritt beginnt, entschloß er sich, es zumindest zu versuchen.
Er hörte ein leises Donnern. Von den Fußsohlen aufsteigend, fühlte er ein feines Vibrieren in seinem Körper. Das Gletschereis ächzte unter einer Erschütterung. Dieses Mal dauerte es nicht lange, bis er begriff, daß es sich um eine weitere Lawine handelte. Wenn das so weiter ging, würde sie der Sturm für immer hier unten begraben.
Daniel ging in Deckung. Obwohl er nicht ernsthaft glaubte, daß er so weit unten in unmittelbarer Gefahr schwebte, ging er auf Nummer sicher. Schon zu viele Überraschungen hatte er im Laufe der Zeit erlebt und auch dieses Mal sollte es nicht anders sein.
Das Eis um ihn herum war scharfkantig und spröde wie Glas. Die Vibration schien es an einigen Stellen zum Schwingen zu bringen und destabilisierte es. Unter seinem eigenen Gewicht zersprang es und stob ihm wie eine Wolke aus Granatsplittern entgegen. Ein Stück weiter oben stand der Gletscher unter einer unsichtbaren Spannung, die sich über die Jahre durch seine talwärts gerichtete Bewegung aufgebaut hatte. Weit über Daniel verursachte die Erschütterung der Lawine eine Entladung dieser Spannung. Auf einer Länge von beinahe einhundert Metern lösten sich Überhänge aus Eis, Geröll und Schnee und begannen in die Tiefe zu stürzen.
Es gelang Daniel gerade noch rechtzeitig eine Hand hochzureißen, um sein Gesicht vor den Splittern zu schützen, als er bemerkte, wie das dumpfe Grollen zu einem konkreten, deutlich vernehmbaren und recht nahen Poltern wurde. Er sah nach oben, aber die Taschenlampe drang nicht weit genug in die Dunkelheit vor, um ihm zu zeigen was dort passierte.
Geistesgegenwärtig sprang er zur Seite und versuchte dem drohenden Unheil auszuweichen. Es gelang ihm beinahe. Einige Eisblöcke verfehlten ihn nur um Haaresbreite. Tonnenschwer zerplatzten sie bei ihrem Aufprall auf dem Boden. Jackson wurde von den Trümmern in der engen Spalte hart getroffen, denn es gab nichts wohin er fliehen konnte.
Etwas traf ihn am Kopf. Warmes Blut rann ihm über das Gesicht und in die Augen, so daß er die Gefahr nicht mehr sehen konnte. Doch selbst wenn er es gekonnt hätte, wäre es ihm nicht möglich gewesen ihr zu entkommen. Der nächste Treffer schlug ihm die Taschenlampe aus der Hand.
Er hörte einen weiteren großen Brocken heranrauschen. Direkt vor ihm schlug er auf dem Boden auf und explodierte förmlich. Die Bruchstücke trafen Daniel wie eine Faust und preßten ihn an die Wand. Er bemerkte noch, daß er sich nicht mehr bewegen konnte, dann verlor er das Bewußtsein und damit auch das Zeitgefühl.


*********************


Jack erwachte plötzlich aus seinem unruhigen Schlaf und wußte sofort, daß etwas nicht stimmte. Wie war es nur möglich, daß er in dieser Lage überhaupt in den Schlaf gekommen war? Er fühlte sich nicht erfrischt, sondern höchstens noch verwirrter.
Sein Blick fiel auf Carter. Sofort kniete er sich neben sie. Es ging ihr sehr schlecht. Er konnte sehen, wie schwer ihr das Atmen fiel. Ihre Lippen und Fingernägel waren nun vollständig blau und ihre Haut hatte diese ungesunde fahlgelbe Farbe, die typisch für einen Sterbenden ist.
Ihre Atemzüge waren verkrampft und mechanisch. Sie hatte nicht mehr genug Kraft, um zu sprechen, aber ihr Blick war klar.
Wortlos sah er ihr in die Augen. Es gab so viel, was er sagen wollte, so viel, was noch gesagt werden mußte, aber seine Verzweiflung machte ihn hilflos und sprachlos, wie schon zuvor. Es wäre ganz egal gewesen, was er sagte, es hätte niemals das Richtige sein können. Also ließ er es.
Er spürte, wie ihm die verbleibenden Minuten und Sekunden davon liefen, ohne daß er sie mit etwas füllen konnte, was es ihm oder ihr leichter gemacht hätte. Vielleicht entsprang dieses Gefühl seinem Wunsch etwas zu tun, irgendetwas, und wenn es auch noch so nutzlos war.
Ein tiefer Schrecken saß Jack in den Gliedern, ein Schrecken darüber, daß all dies tatsächlich geschah. Das Gefühl der Unwirklichkeit hatte ganz und gar von ihm Besitz ergriffen. Es machte ihn stumm, handlungsunfähig und es brach seine Fassade der Selbstsicherheit auf.
Er bemerkte, wie sich ihr Körper spannte. O'Neill griff nach Carter. Trotz ihrer Verletzungen richtete er sie ein wenig auf und für ein paar Sekunden fiel ihr das Atmen tatsächlich leichter.
In ihren Augen konnte er Dankbarkeit lesen, doch langsam aber stetig entglitt ihr Leben seinen Händen. Die Zeit lief ab. Ihr Brustkorb hob und senkte sich immer langsamer und schon begann das Bewußtsein aus ihren Augen zu schwinden. Sie schenkte ihm einen letzten verwunderten Blick, so als wäre ihr eine plötzliche Erkenntnis zuteil geworden. Er fragte sich, was sie wohl sah.
Noch einmal atmete sie tief ein und aus, wie ein Mensch der im Schlaf seufzt, dann schloss sie die Augen und es war vorbei. Fassungslos sah er, wie sich ihr Gesicht auf diese seltsame Art veränderte, die niemand wirklich begreifen kann. Sam schlief nicht. Sie war fort. Anders konnte er es nicht beschreiben.
Ihr Körper in seinen Armen wurde schlaff und schwer. Er hatte das Gefühl, etwas tun zu müssen, als ob es irgendetwas gäbe, was er noch nicht versucht oder was er nur vergessen hatte.
In seiner Verzweiflung drückte er sie fest an sich. Dieser stumme Schrecken, der ihn beherrschte, sorgte dafür, daß er nur langsam begriff. Hier war niemand sonst außer ihnen und er konnte sich nicht länger zusammennehmen.
"Ich liebe dich", flüsterte er ihr ins Ohr.
Es gab sonst nichts zu sagen. Im Inneren wußte er immer, daß sie ihm mehr bedeutete, als gut für sie beide war, aber er hatte diesem Gefühl nie gestattet Gestalt anzunehmen, aus Angst das zu verlieren, was er bereits besaß. Er hatte diese drei Worte nie ausgesprochen, noch hatte er sie je gedacht, und dennoch wußte er, daß er sie immer mit sich herumgetragen hatte.
Als sein Sohn damals starb, war auch ein Teil von ihm gestorben. Neue Freunde und eine neue Aufgabe halfen ihm, ein zweites Leben zu beginnen. Aber er hatte sich geirrt, nicht das Stargateprogramm machte dieses Leben aus, sondern sie, und genau jenes Leben endete hier, auf einer fernen Welt, umschlossen von Eis. Etwas Wichtiges war unwiederbringlich zerbrochen. Er glaubte nicht, daß er in der Lage dazu war, ein weiteres Mal neu zu beginnen.
Zögernd ließ er Sam los. Sorgfältig und sanft legte er sie zurück auf den Boden und deckte sie zu. Er kroch ein Stück von ihr fort und betrachtete sie.
Dann begann er mit steifgefrorenen Händen seine Jacke zu öffnen und zog sie aus. Er faltete sie ordentlich und mit Bedacht zusammen und legte sie neben sich auf das Eis. Der Jacke folgte eine weitere, die er darunter trug, und danach sein Uniformoberteil und die Stiefel, bis er nur noch in T-Shirt, Hose und Socken dort saß.
Er lehnte sich an die Wand der Schlucht, so daß er Sam jederzeit sehen konnte, während er die Kälte ihre Arbeit tun ließ. Mit jeder Sekunde entriß sie seinem Körper Unmengen von Energie und brachte ihn selbst dem Vergessen näher. Er wurde müde und hörte auf zu zittern. Der Schmerz war unerträglich... aber nicht mehr lange... nicht mehr lange...
Der Kältetod ist nicht die schlechteste Art zu sterben, dachte er, und während er das dachte, verlor er das Bewußtsein.



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Daniel kam für einen kurzen Moment wieder zur Besinnung. Verwirrt fragte er sich wo er war und warum er sich so elend fühlte. Es war dunkel und kalt. Wasser lief an seinem Hals hinunter und unter seine Kleidung. Nein, kein Wasser, erinnerte er sich. Wasser ist kalt, aber das hier ist warm.
Er konnte nicht sagen, was passiert war. Die letzte Erinnerung, die er besaß, brachte ihn auf ein Gespräch mit Jack, in dessen Folge er allein irgendwo hingegangen war. Aber er wußte nicht mehr wohin oder warum.
In wilder Folge stürzten Bilder auf ihn ein: eine unförmige Darstellung auf einem Computer, Schnee, Wasser, glitzerndes Eis, Carters Gesicht....Er war nicht in der Lage sie zu ordnen und sich klar darüber zu werden, was sie bedeuteten.
Er versuchte sich zu bewegen, aber etwas lastete mit einem derartigen Gewicht auf ihm, daß es ihm unmöglich war. Er hatte das Gefühl eingeklemmt und gefangen zu sein. Er konnte nicht einmal sehen was es war, das ihn festhielt. Panik stieg in ihm auf und entlud sich in einem gequälten Schrei.
Die Angst verwirrte ihn nur noch mehr und machte es ihm endgültig unmöglich seine Gedanken zu ordnen und überlegt vorzugehen. Mit all seiner Kraft versuchte er sich zu befreien. Ohne Rücksicht auf sich selbst schlug er um sich und verletzte sich dabei an dem scharfkantigen Eis nur noch mehr, ohne daß er irgendeine Wirkung damit erzielte.
Schon nach wenigen Minuten drehte sich alles um ihn. Er keuchte vor Erschöpfung, denn er hatte ständig das Gefühl nicht genug Luft zu bekommen. Sterne begannen vor seinen Augen zu tanzen, dann wurde zu seiner Überraschung alles in ein weißes Licht getaucht und er verlor erneut das Bewußtsein.


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Epilog

Lange nachdem ihr schwarz vor Augen geworden war, konnte sie noch immer hören. Sie verstand nicht alles, aber sie konnte die Töne, verbunden mit einem seltsamen Nachhall noch immer wahrnehmen, so wie Rufe in einem Tunnel.
Danach folgte eine Zeitspanne, die mit einer stillen Dunkelheit erfüllt war. Sie schien nur einen Moment und gleichzeitig eine kleine Ewigkeit zu währen, dann wurde sie in helles weißes Licht getaucht.
"Carter?" hörte sie eine Stimme flüstern. "Carter!"
Das war ihr Name! Schlagartig brachte er sie ins Bewußtsein zurück und sie schlug die Augen auf. Das Licht blendete sie.
Sie hob mit einem Stöhnen langsam die Hand an ihr Gesicht, wie es erwachende Menschen meistens tun. So schnell wie ihr Bewußtsein zurückgekehrt war, so langsam reagierte nun ihr Körper.
"Carter."
Sie legte den Kopf zur Seite. Neben ihr saß O'Neill und lächelte sie an.
"Da sind Sie ja wieder."
"War ich weg?"
"So könnte man es nennen."
Sie stutzte und sah ihn dann ungläubig an, als sie sich langsam erinnerte.
"War ich... tot?
Ein Schatten huschte über sein Gesicht. "Nur ein bißchen", sagte er ernst. Aber sofort kehrte sein vergnügtes Lächeln zurück. "Aber die Götter hatten andere Pläne."
"Die Götter?"
"Ja Carter. Die Asgard. Wir sind auf Thors Schiff", flüsterte er.
"Aber wie... warum...?" Dann war dieses helle Licht das sie sah vielleicht der Asgard-Beamstrahl.
"Fragen Sie mich bloß nicht, Carter. Es wird Ihnen nicht gefallen. Es ist irgendwas da unten, etwas, das ihnen gehört, etwas, von dem niemand erfahren sollte. Sie hätten uns sterben lassen, um ihre Anwesenheit geheim zu halten."
"Aber nicht Thor, stimmts?"
"Nein. Aber ich wünschte, er hätte nicht bis zur letzten Sekunde gewartet..."
Eigentlich hatte Thor sogar länger als bis zur letzten Sekunde gewartet, weil er, wie er sagte, immer noch auf eine Intervention durch das Stargatecenter hoffte, und so sehr O'Neill diese kleinen grauen Kerlchen auch mochte, so sehr wollte er ihnen dafür doch am liebsten ihre dürren Hälse umdrehen.
Seine Verzweiflung hatte ihn dazu gebracht, etwas zu tun, was aus einem Affekt heraus geschah und was ihm im Nachhinein und bei genauerer Betrachtung absurd vorkam. Carter wußte nicht, wozu ihr Tod ihn getrieben hatte und sie würde es nie erfahren. Thor hatte es ihm versprochen. Ein Schauer lief ihm den Rücken hinunter und er zog die Decke fester um seine Schultern. Seine Körpertemperatur hatte sich wieder normalisiert, aber jeder, dem die Kälte einmal bis in die Knochen gekrochen war, konnte ein Lied davon singen, wie schwer es war, dieses Gefühl wieder loszuwerden.
"Wo ist Daniel?"
"Keine Sorge, es geht ihm gut. Er schläft noch."
"Aha." Sie zögerte und schwieg eine Zeit lang, weil sie nicht wußte, wie sie beginnen sollte. "Was sie da unten zu mir gesagt haben..."
O'Neill schreckte aus seinen Gedanken auf. Das konnte sie unmöglich gehört haben! Er wollte nicht, daß sie es wußte. Es machte alles nur noch komplizierter. Er wußte doch nicht einmal selbst, was er davon halten sollte. War es sein Ernst oder war es nur ein Gefühl, das im Angesicht des Todes Gestalt angenommen hatte und das einer näheren Betrachtung nicht stand hielt?
"Hören sie..." begann er. "Ich habe nichts gesagt. Ich war bewußtlos, genau wie sie."
Sie kannte ihn lange genug, um zu wissen, daß das so nicht stimmte, denn er sah ihr dabei nicht in die Augen, sondern auf den Boden.
Sie nickte nur. Sie verstand was er ausdrücken wollte, aber es enttäuschte sie auf gewisse Weise.
"Sie haben recht. Es wäre auch viel zu schwierig." Sie hatte beschlossen, ihn aus der Reserve zu locken und zur Rede zu stellen. Wenn es auch nicht zu dem erwünschten Ergebnis führte, so war es ihr wichtig, daß er wenigstens zugab, woran sie sich erinnerte.
Ich liebe dich... hallten die Worte noch immer wie durch einen langen Tunnel in ihrem Verstand wieder. Es war das letzte, was sie hörte und woran sie sich erinnerte und es hatte ihr einen unglaublichen Frieden und Wärme geschenkt. Sie konnte es sich nicht eingebildet haben.
"Schwierig ist gar kein Ausdruck", antwortete er zu ihrer und seiner Überraschung. Er hatte nicht gedacht, daß er es tatsächlich aussprechen konnte.
"Einer von uns müßte seinen Job aufgeben."
"Oder sich woanders hinversetzen lassen."
"Wir müßten uns eine Menge derber Witze anhören", stellte sie scheinbar ungerührt fest aber ein Lachen steckte ihr bereits im Halse bei dem Gedanken daran.
"Ja," er nickte nachdenklich. "Aber weißt du was?" fuhr er fort. Er hob den Blick und sah ihr geradewegs in die Augen. "Ich mag es schwierig." Und langsam begann sich ein Grinsen über sein Gesicht auszubreiten.

weiter: Teil 2
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