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Operation: Easter Bunny von Jolli

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Vorwort

Short-Cut: Eine Ostereiersuche und ihre Folgen. Als Rodney und Elizabeth durch einen unglücklichen Zwischenfall in einem Loch festsitzen, stellen sie bald fest, welche Geheimnisse im anderen verborgen liegen.
Spoiler: 2. Staffel
Charaktere: Weir, McKay, Multi-Charakter
Kategorie: Humor, Romance, Tragik
Rating: PG-13
Author's Note: -
Widmung: -
Disclaimer: MGM Television Entertainment
Feedback: Bitte - Jolli

Operation: Easter Bunny


Es hätte so ein wunderschönes Wochenende werden können. Ein Wochenende voller Sonnenschein, an dem man sich einfach darüber freuen konnte, was die Köche der Cafeteria zauberten, um den Expeditionsmitgliedern ein kleines Stück Heimat zu vermitteln.
No place like home
Manchmal war es schwer zu begreifen, wie weit man wirklich von der Erde entfernt war und doch war es ein schönes Gefühl zu wissen, dass sie nur einen Schritt entfernt war, wenn es drauf ankam.
Rodney machte sich wenig aus dieser Option. Für ihn war Atlantis längst das wahre zu Zuhause geworden. Hier hatte er seine Freunde und seine Arbeit. Allein seine Schwester lieferte ihm einen Grund, hin und wieder die Reise in die Milchstraße anzutreten. Ansonsten genoss er die Zeit in seiner neuen Heimat.
Irgendwie war das schon verrückt. Er war nie ein Freund riskanter Abenteuer gewesen und jetzt fühlte er sich in einer Stadt, die jederzeit von Leben-aussaugenden Monstern überfallen werden konnte, wohler als auf der Erde, wo er keine andere Gefahr gekannt hatte, als das Finanzamt oder die Dummheit anderer Menschen.
Die Expedition war zu einer Familie zusammengewachsen, die er nicht mehr missen wollte. Er lebte sein Leben, ohne zu wissen, was der kommende Tag für ihn bringen würde.
So war er an diesem Morgen nichtsahnend aufgestanden und hatte geglaubt, den freien Tag mit ein paar Köstlichkeiten des ungewöhnlich reichhaltigen Buffets beginnen zu können.
Nichts da! Alles hatte seinen Preis.
In der Pegasus-Galaxie gab es nicht wirklich einen Kalender, auch wenn der ein oder andere Besserwisser glaubte, einen erfinden zu müssen. Freie Tage wurden je nach Ermessen der Situation eingeführt und Wochentage wären sinnlos gewesen, schließlich fragte sich ein Wraith nicht, ob er mit seinem Zwischenimbiss womöglich gerade die sonntägliche Freizeitidylle stören könnte.
Für Rodney gab es ohnehin keinen Feiertag, an dem ihm viel gelegen wäre. Weihnachten vielleicht, ja. Das schien so ziemlich das einzige Fest zu sein, das allen Expeditionsmitgliedern gleichermaßen etwas bedeutete, ungeachtet ihrer Herkunft. Bei Thanksgiving wurde es da schon komplizierter, aber Rodney musste zugeben, dass an diesem Fest die Cafeteria ganz besonders reich bestückt wurde, was sein Herz stets höher schlagen ließ.
Eigentlich hatte er gehofft, dass sich keiner erdreistete, irgendwelche verrückten Bräuche des Heimatlandes einzuführen, um damit seine kostbare Zeit zu verschwenden, aber in diesem Jahr schien der Wahnsinn einen neuen Höhepunkt erreicht zu haben.
Nein, Rodney hatte noch nie etwas mit Ostern anfangen können. Zu viel kitschig aufgemotzte Hasen, die mit ihrem stupiden Blick aus den Schaufenstern gafften! Und im Grunde war es ihm egal, welche Farbe die Schale seines Ei trug, sofern es innen nicht zu hart war.
In seinem Leben hatte er sich stets erfolgreich dem Bann des pinselnden Löffelohrs entziehen können, aber dieses Jahr war ihm diese Möglichkeit wohl offenbar nicht vergönnt.
Er hatte keine Ahnung, wer auf die verfluchte Idee mit der Eiersuche gekommen war, aber wenn er es herausfand, dann sollte dieser vorher besser eine gute Lebensversicherung abschließen.
Er konnte nicht glauben, dass ausgerechnet ihm so etwas passieren konnte! War das denn zu fassen? Er stand hier, mitten im Wald des Festlandes, mit nichts weiter bewaffnet als einem Körbchen und suchte kleine bunte Nester, die irgendjemand in aller Herrgottsfrühe an den unmöglichsten Stellen versteckt hatte.
Seltsam, irgendwann in den drei Jahren, die er nun schon hier lebte, hatte er geglaubt, die Expedition bestünden aus vernünftigen Erwachsenen. Jetzt musste er plötzlich feststellen, dass er all die Jahre in einem Kindergarten gelebt hatte.
Besser wäre es gewesen, er hätte sich an diesem Morgen in seinem Quartier eingeschlossen und hätte dort gewartet, bis dieser Anfall von Wahnsinn vorbei war. Stattdessen hatte er sich von Sheppard beschwatzen lassen.
Ach, kommen Sie, Rodney! Es ist doch bloß Spaß! Zeigen Sie mal, dass Sie kein griesgrämiger Spielverderber sind.
Das allein hätte ihn wohl kaum weichkochen können, wenn Ronon nicht gelacht und provozierend hinzufügte hätte, er hätte doch bloß Angst, sich irgendwo im Wald zu verirren, ganz zu schweigen davon, dass er nichts finden würde, selbst wenn es mit Neonreklamen markiert wäre.
Das war zu viel für Rodneys Ego gewesen. Zumindest war es ein Versuch wert, sich der Suche anzuschließen und ganz sinnlos war die Sache ja eigentlich auch nicht, wenn man bedachte, dass es hier um Süßigkeiten ging, die er am Ende behalten durfte. Besser konnte es doch eigentlich kaum werden.
Trotz allem war sein Gesicht geprägt von einer finsteren Miene, als er leise vor sich hin grummelnd über den blätterbedeckten Waldboden stapfte und jedes noch so kleine Gebüsch durchforstete. Elizabeth hatte doch tatsächlich behauptet, solche Experimente würden die Motivation stärken. Unfassbar!
Nie im Leben hätte er zugegeben, dass etwas an Ronons Provokationen dran war, aber er musste sich eingestehen, dass seine Beute bisher noch recht mager war. Hier und da ein paar quietschgelbe Eier, ein paar Schokolutscher und sogar einen kleinen Hasen aus feiner Vollmilchschokolade. Aber im Vergleich dazu, wie viel angeblich hier versteckt sein sollte, war das verdammt dürftig.
Entfernte Stimmen erregten seine Aufmerksamkeit und als er sich umwandte, entdeckte er Major Lorne und Dr. Parrish, die sich offenbar köstlich bei dieser hirnrissigen Aktion amüsierten. Rodney kam nicht umhin, eine eingeschnappte Grimasse zu ziehen, allein schon, weil er keinen Grund fand, ihren Enthusiasmus zu teilen. Was aber noch viel schlimmer war, war, dass man die bunten Süßigkeitenverpackungen, die ihre Körbchen bis oben hin füllten, bereits schon von weitem leuchteten sehen konnte.
Der Kanadier hätte es lieber vermieden, seiner Konkurrenz über den Weg zu laufen, aber dafür war es dummerweise schon zu spät.
"Hey, McKay! Auch fleißig bei der Suche?", grinste Lorne über das ganze Gesicht, als ihn die beiden längst erreicht hatten. Was war das denn für eine dumme Frage? Das war ja wohl nicht schwer zu erraten, sonst schlich er sicher nicht wie ein Bekloppter durch jedes noch so undurchdringliche Unterholz, um Schokohasen zu suchen.
"Und? Schon fündig geworden?"
Geschickt versuchte der Major einen Blick auf seinen Korb zu erhaschen, doch Rodney gelang es gerade noch, ihn hinter seinem Rücken verschwinden zu lassen.
"Sicher! Ist ja nicht so schwer die knallbunten Dinger aufzuspüren", log er mit erstaunlicher Überzeugung, ohne jegliche Miene zu verziehen. Nicht im Traum dachte er daran, es auf einen Vergleich ankommen zu lassen.
"Hey, haben Sie schon gehört? Die anderen haben eine Wette abgeschlossen", kicherte Parrish wie ein kleiner Schuljunge und hüpfte dabei leicht hin und her, als befände sich in jedem seiner Schuhe eine heiße Kartoffel. "Derjenige, der am wenigsten findet, muss morgen mit Hasenohren zum Frühstück kommen."
Rodney spürte, wie seine Kinnlade ein Opfer der Schwerkraft wurde, als er den Botaniker fassungslos anstarrte, der mit Lorne in schallendes Gelächter ausbrach. Er hatte ja gehört, dass am Ende gezählt werden sollte, wer am meisten gefunden hatte, aber dass der Verlierer auf solche Weise bestraft werden würde, versetzte ihn umgehend in Panik.
"Viel Glück noch!", grinste Lorne hinterhältig, als er mit Parrish des Weges zog und den entsetzten Rodney an Ort und Stelle zurückließ, der wie eine Salzsäule verharrte. Die Vorstellung, sich tatsächlich mit ein paar Plüschohren dem Spott seiner Teamkollegen aussetzen zu müssen, weckte ein Kindheitstrauma in ihm. Er hatte sich nie mehr verkleidet, seit seine Mutter ihn genötigt hatte, an Halloween als Pumpkin von Haus zu Haus zu marschieren. Verdammt, das war eine der grausamsten Demütigungen seines Lebens gewesen!
Erschrocken löste er sich aus seiner Starre und hetzte los, als verfolge ihn der Leibhaftige persönlich. Er musste noch mehr Verstecke ausfindig machen, sofort!
Hier ging es nicht länger um ein paar Süßigkeiten, die den Zähnen schadeten, sondern um seine Ehre! Hieß es nicht, er liefe zur Höchstleistung auf, wenn es um Leben und Tod ging? Naja, der Tod blühte ihm zwar nicht, doch schon seine Würde war ihm wichtig genug, um alles zu versuchen.
Er erklomm einen kleinen Hügel, der ihn tiefer in den Wald führte, in der Hoffnung, dass dort noch niemand nach den begehrten Trophäen gesucht hatte. Blieb nur zu hoffen, dass er später auch wieder den Weg zurück fand, doch das war im Moment nebensächlich.
Sein Vorhaben hatte Erfolg, er schien neue Weidegründe entdeckt zu haben. Einen Moment erschrak er über seine Gedanken, fand dann aber die Vorstellung sich als Schoko-Wraith zu bezeichnen recht amüsant.
Zufrieden stellte er fest, dass sein Körbchen allmählich immer schwerer wurde und seine anfängliche Panik verflog. Viel eher ergriff ihn plötzlich der Ehrgeiz, sogar als Sieger aus diesem Contest hervorzutreten. Der Gedanke, Sheppard könne vor Neid erblassen, reizte den Kanadier sehr. Nicht zu vergessen, was für ein herrlicher Nachmittag es werden würde, wenn er sich in seinem Quartier entspannte und genüsslich seine Beute verspeiste.
Alle anfänglichen Abneigungen gegen diese Suche waren mit einem Mal vergessen. Viel eher nahm sein Enthusiasmus von Fund zu Fund zu. In ihm entwickelte sich ein regelrechter sechster Sinn zum Aufspüren von Schokolade - ein Instinkt, der eigentlich schon immer in ihm verborgen gewesen war - doch die Sensation offenbarte sich ihm, als er plötzlich stehen bleiben musste und seine Augen immer größer wurden.
Dort war sie, die Erfüllung aller Träume eines jeden Schokoschatzsuchers. Strahlend glänzte das blaue Papier in der Sonne, die gezielt zwischen den Ästen hindurch schimmerte und die Beute erstrahlen ließen, als wäre sie ein Geschenk des Himmels.
Rodney merkte, wie ihm das Wasser im Munde zusammenlief. Dort zwischen den Felsen, halb versteckt im Gras eines Vorsprungs, wartete es auf ihn: ein großes, hübsch verpacktes Schokoei.
Es gab nichts mehr, was den Kanadier gehalten hätte. Der Osterhasen-Pokal gehörte ihm! Dieses gute Stück würde ihm den alles entscheidenden Bonus bringen. Wie das Rattenhörnchen eines bekannten Filmes, - dessen Name ihm längst wieder entfallen war - das die Schwelle zum siebten Nusshimmels überschritten hatte, so glänzten seine Augen in Anbetracht seiner Beute. Zielstrebig ging er darauf zu, streckte seine gierigen Hände nach dieser Verführung der Sinne aus, hatte es bereits mit seinen Fingerspitzen berührt, fühlte wie sich sein Herzschlag vor Aufregung beschleunigte und dann…
Es kam, wie es kommen musste. Eine Lektion hatte der Kanadier längst in seinem Leben gelernt: etwas so Wunderbares konnte nie geschehen, ohne grausame Konsequenzen mit sich zu ziehen.
Für einen kurzen Moment drückte er das gute Stück noch in zufriedener Glückseligkeit an sich, im nächsten spürte er bereits, wie der Boden unter seinen Füßen nachgab. Ihm blieb nicht einmal mehr die Zeit, die wahre Gefahr zu realisieren, so schnell nahmen die Dinge ihren Lauf.
Ein verräterisches Ächzen war der Vorbote und schon in der nächsten Sekunde verwandelte es sich in ein Knirschen und Krachen, als Rodney keinerlei Chance hatte, die Katastrophe zu verhindern. Der Untergrund brach einfach ein und er fiel. Bruchteile von Sekunden musste er sich eingestehen, dass es eine interessante Erfahrung war, als könne man fliegen, dann wurde er aber auch schon unsanft aus diesem Traum gerissen, als er hart auf dem Grund aufschlug.
Einen Moment lang blieb er liegen und hustete sich den Staub aus den Lungen, den er durch den vielen Dreck, der ihm gefolgt war, eingeatmet hatte. Instinktiv richtete er sich keuchend auf und versuchte festzustellen, ob noch alles dran war. Erstaunlicherweise schien er sich aber nichts getan zu haben, außer der Tatsache, dass sein Hintern wohl alles abgefangen hatte und er deshalb jetzt bestimmt stundenlang nicht mehr sitzen konnte.
Mühsam wischte er sich mit dem Handrücken über das Gesicht, um wieder klar sehen zu können, bis er schließlich langsam den Kopf hob, um sich des Ausmaßes seiner Lage bewusst zu werden.
"Oh nein."
Zögerlich richtete er sich so weit auf, um sich auf die Füße ziehen zu können. Noch immer rieselten dünne Spuren von Erde auf ihn herab, aber viel konnte wohl nicht mehr folgen, wenn man bedachte, dass ihm schon der halbe Waldboden hier runter gefolgt sein musste.
Viel schlimmer war es dagegen, dass das Loch über ihm unerreichbar weit weg zu sein schien. Automatisch suchte er die Wände um sich herum ab, um einen Weg zu finden, aus seinem Gefängnis herauszuklettern, aber die lockeren Erdschichten boten keinerlei Halt für ihn und so musste er schnell wieder aufgeben.
Das darf doch alles nicht wahr sein, fluchte er innerlich, während sein verzweifelter Blick wieder nach oben wanderte. Da hatte man einmal das Glück, den Weg zum Erfolg zu finden und schon landete man wieder ganz unten.
Mürrisch begutachtete er das kleine Erdloch, in dem er feststeckte. Es war nicht groß, kaum größer als eine Besenkammer, doch offensichtlich von Menschenhand geschaffen. Vermutlich hatten die Athosianer diese Grube als Falle für ihre Jagd angelegt. Da konnte er wohl noch von Glück reden, dass nicht irgendwelche Pfähle auf ihn gelauert hatten, die buchstäblich die Lage zugespitzt hätten.
Einziger Lichtschimmer dieses dummen Missgeschicks: der Schokolade war nichts passiert. Zwar musste er erst mal den Kleinkram wieder zusammensuchen, der sich auf dem Boden verteilt hatte, doch sein Herz machte einen Luftsprung, als er feststellte, dass das Schokoei unbeschädigt geblieben war. Manchmal hatte man eben doch Glück im Unglück.
Sorgsam legte er seine Beute am Rand ab und wandte sich dann wieder dem Loch über sich zu. Aussichtslos, er würde hier nie ohne Hilfe raus kommen.
"Hallo? Hört mich jemand?", rief er aufs Geratewohl in die Stille des Waldes hinein.
Welcher Idiot hatte eigentlich die Idee gehabt, Funkgeräte zu verbieten? Ein Funkruf hätte jetzt alles um vieles leichter gemacht, stattdessen musste er sich hier die Stimme aus der Kehle schreien.
"Ich bin hier unten, ich brauche Hilfe!"
Nichts, nur das idyllische Zwitschern der Vögel antwortete ihm, begleitet von einem leisen Rauschen der Blätter, durch die der sanfte Wind fegte. Hier war niemand. Gar niemand! Nur ein verzweifelter Kanadier, dem die Gier nach Schokolade zum Verhängnis geworden war. Frustriert packte er das verräterische Ei und entlud seinen ganzen Zorn indem er es durch das Loch schleuderte, so dass es gegen die gegenüberliegende Wand krachte und dort einen großen Dreckklumpen löste. Schon im nächsten Augenblick bereute er, was er getan hatte und vergewisserte sich eilig, ob dem Ei etwas geschehen war. Erstaunlicherweise schien es aber sehr resistent gegen jegliche Fremdeinwirkung zu sein.
Leise seufzend ließ sich der Astrophysiker auf den Boden sinken und blinzelte gegen das Sonnenlicht, das auf ihn herabfiel. Nun hieß es also warten. Irgendwann würde hoffentlich jemand kommen, der ihn hier raus holte.

Rodney wusste nicht, wie lange er nun schon hier ausharren musste. Für ihn war es deprimierend genug zu wissen, dass die anderen früher oder später von diesem peinlichen Zwischenfall erfahren würden. Verdammt, er konnte sich jetzt schon das hinterhältige Grinsen in Ronons Gesicht ausmalen, ganz zu schweigen von all den Neckereien, die Sheppard sicher noch monatelang von sich geben würde.
Er war verloren, gekränkt in seinem Stolz, vergessen in einem einsamen, dunklen Loch, wo ihn niemand fand, außer sein seine eigene Scham.
Naja, es hätte schlimmer kommen können, es hätte ja auch vor ekligen Ungeziefern wimmeln können. Prompt wanderten seine Augen nervös umher, um jede noch so kleine Bewegung des Erdreiches zu analysieren. Momente wie diese, ließen unweigerlich seine Arachnophobie aufleben und er musste schwer mit sich kämpfen, die Schweißausbrüche zu unterdrücken, die aufkommen wollten. Was ihm jetzt noch zu seinem Glück gefehlt hätte, wäre ein Iratus-Käfer gewesen.
Mitten in all die Horrorszenarien, die er sich auszumalen begann, mischte sich auf einmal ein entferntes Geräusch, das ihn aufhorchen ließ. Im ersten Moment fürchtete er noch, es könne sich womöglich um Einbildung handeln, dann aber war er sich ganz sicher, dass dort oben irgendwo Schritte zu hören waren.
Wie auf Kommando sprang der Kanadier auf die Füße.
"Hallo? Ist da jemand? Ich bin hier unten!"
Hoffnungsvoll huschten seine Augen hin und her. Es war ihm egal, wer da oben war, selbst wenn es Sheppard sein würde oder Ronon mit seinem diabolischem Grinsen, Hauptsache jemand befreite ihn endlich aus diesem grässlichen Loch.
"Hilfe! Hört mich jemand dort oben?"
Seine Stimme überschlug sich fast vor Verzweiflung. Die Vorstellung, er müsse die ganze Nacht in diesem unheimlichen Gefängnis verbringen, versetzte ihn in Panik, ganz abgesehen davon, dass die Rettung doch schon zum Greifen nahe war.
Sein Herz pochte wie wild, als er merkte, dass die Schritte näher kamen und eine ganze Lawine von Steinen purzelte herab, als wenige Sekunden später ein vertrautes Gesicht zum Vorschein kam.
"Rodney?"
Elizabeth Weirs Augen starrten ungläubig auf ihn hinab und er wollte gar nicht wissen, was für einen lächerlichen Anblick er bieten musste.
"Was tun Sie denn da unten?", fragte die Leiterin der Expedition verwirrt und erreichte damit prompt, dass Rodneys grenzlose Erleichterung, grenzenlosem Zynismus wich.
"Ach wissen Sie, ich dachte, ich bohre mal nach Öl, vielleichtet findet sich hier ja welches", rief er schnippisch hinauf und vergaß dabei völlig, wie schnell solch provozierende Worte seine Situation nur verschlimmern konnten. Stattdessen verschränkte er demonstrativ gereizt die Arme vor der Brust und fügte aufgebracht hinzu: "Wonach sieht es denn aus?"
"Es sieht so aus, als hätte ich einen Konkurrent weniger", entgegnete ihm Elizabeth schelmisch grinsend, wissend, dass sie den Kanadier damit erst recht auf die Palme brachte.
"Haha, das ist wirklich sehr witzig", blaffte dieser eingeschnappt zurück. "Holen Sie mich hier nun raus oder nicht?"
Ihm war die Situation ohnehin schon peinlich genug, da hatte er reichlich wenig Lust, sich auch noch weiter von Elizabeth zum Affen machen zu lassen. Konnte sie denn nicht einfach etwas tun, um ihn zu befreien? Musste er denn für alles einen Preis der Demütigung zahlen?
"Haben Sie schon versucht, raus zu klettern?"
Rodneys Geduldsfaden befand sich am Anschlag der Spannfähigkeit.
"Welch geniale Idee, darauf wäre ich nie gekommen", fauchte er beleidigt, verfehlte aber damit bei weitem sein kränkendes Ziel, als er sah, wie Elizabeth nur leise lachte. Machte sie sich denn jetzt sogar noch lustig über ihn?
"Warten Sie, ich versuche ein Seil oder etwas zu finden", gab sie schließlich zurück, aber ein verräterisches Grinsen, machte deutlich, dass sie etwas an der Tatsache amüsant fand, dem großen Rodney McKay aus der Patsche helfen zu müssen.
Dieser schnaubte nur recht eingeschnappt, erwiderte jedoch nichts. Er wollte nur hier raus und so schnell wie möglich wieder nach Atlantis und er würde nicht eher einen Fuß aus seinem Quartier setzen, bevor Dr. Heightmeyer den Verstand jedes einzelnen unter die Lupe genommen hatte. Das war eindeutig das traumatisierendste Ostern seines Lebens!
Verdattert runzelte er die Stirn, als Elizabeth schon nach wenigen Sekunden mit einem langen Stock erschien, den sie ihm entgegen streckte.
"Soll das ein Scherz sein?"
Dieses Gestrüpp war ja noch scheußlicher als die kümmerlichen Überreste seiner Zimmerpflanze, die er in seiner Wohnung auf der Erde zurückgelassen hatte und damit wollte sie ihn tatsächlich rausziehen? "Wollen Sie warten, bis ich Hilfe geholt habe?", konterte Elizabeth dessen unbeeindruckt, wissend, dass dies mindestens eine Stunde in Anspruch nehmen würde, in Anbetracht dessen, wie weit sie schon in den Wald vorgedrungen waren.
Rodney grummelte leise Flüche vor sich hin, löste dann aber die Trotzhaltung und streckte seine Hände nach dem Ast aus, der so lang war, dass er ihn gerade noch zu fassen bekam. Aus eigener Kraft konnte sie ihn sicher nicht rausziehen, das musste selbst Rodney einsehen, aber es half zumindest, um sich mit den Füßen an der Wand abzustützen und sich nach oben zu hangeln.
Herrgott, er hasste sowas! Hätte nicht irgendwo ein alter Seilzug herumliegen können, mit dem er sich bequem nach oben befördern lassen konnte? Naja, zumindest bewegte sich seine Lage aufwärts.
Dachte er! Schon nach drei keuchenden Versuchen sich hochzuhieven merkte er, dass er sich zu früh gefreut hatte. Der Ast hielt der Belastung nicht mehr stand und schon im nächsten Moment landete er wieder unsanft auf dem Boden der Grube.
"Großartig", fluchte der Kanadier grimmig das abgebrochene Stück Holz in seiner Hand musternd, ehe er es achtlos fallen ließ und wieder aufsah.
"Noch mehr geniale Ideen?"
Elizabeth warf ihm einen um Verzeihung heischenden Blick zu, obwohl das unterdrückte Grinsen nur schwer verstecken konnte, dass er einen sichtlich lächerlichen Anblick bieten musste.
"Ich arbeite dran", antwortete sie ihm unschuldig und verschwand ein zweites Mal aus seinem Sichtfeld. Rodney seufzte frustriert. Das konnte doch alles nur ein Alptraum sein.
Fast wäre er vor Schreck zusammengezuckt, als ihn plötzlich etwas Kaltes, Glitschiges von oben berührte, aber er konnte einen Aufschrei unterdrücken, als er erkannte, dass es eine Liane war, wie sie sich in diesem Wald an einigen Bäumen entlang schlängelte. Zumindest schienen diese Pflanzen aus einem stabilen Material zu bestehen, was ihm die Hoffnung gab, diesmal kein Rückflugticket zu bekommen.
Über ihm knotete Elizabeth das andere Ende an einen Baum, um ihm einen sicheren Halt zu bieten, ehe er einen erneuten Versuch wagte, den Weg nach oben zu erklimmen. Die Leiterin der Expedition beobachtete ihn gespannt, wie er sich ächzend Schritt um Schritt nach oben kämpfte und immer wieder aufmerksam das natürliche Seil musterte. Neckereien in allen Ehren, aber sie war ebenso froh wie Rodney, wenn er wieder heil hier raus kam, schließlich konnte ein solcher Unfall nicht ungefährlich sein.
Der Kanadier hatte einige Mühe mit seinen Kletterversuchen, aber er arbeitete sich langsam vorwärts. Es hätte nicht mehr viel gefehlt, dass er die rettende Oberfläche erreicht hätte, wenn in jenem Augenblick der Knoten nicht unter der Belastung nachgegeben hätte.
Elizabeth sah die Katastrophe gerade noch kommen und griff instinktiv nach der Liane, die sich ohne jede Vorwarnung löste, aber ihr kläglicher Versuch, die Lage unter Kontrolle zu bringen, scheiterte. Sie war nicht stark genug, Rodneys ganzes Körpergewicht zu halten, weshalb er sie unweigerlich mit sich zog und sie schon in der nächsten Sekunde jeglichen Halt verlor.
Für einen Aufschrei blieb keine Zeit mehr. Sie sah nur noch den dunklen Grund des Loches auf sich zukommen, ehe ihr Sturz ein jähes Ende fand. Bis ihr recht klar wurde, was überhaupt geschehen war, hörte sie schon ein gequältes Keuchen in ihrer unmittelbaren Nähe, das sie durch den aufgewirbelten Staub noch nicht recht orten konnte, auch wenn ihr sofort klar wurde, wer der Urheber sein musste.
"Rodney, alles Ordnung?", fragte sie besorgt und versuchte sich den kratzenden Sand aus den Augen zu reiben. Noch hatte sie sich nicht wirklich bewegt, aber sie war zuversichtlich, dass sie sich nichts gebrochen hatte.
"Ja…es…es geht schon", ächzte der Kanadier wenig überzeugend. "Aber es würde mir….leichter fallen zu atmen….wenn Sie von mir runtergehen würden."
Erschrocken schoss Elizabeth auf. Erst jetzt, da sich der Staub gelegt hatte und sie wieder klar sehen konnte, wurde ihr klar, dass sie den Astrophysiker unter sich begraben hatte und so kroch sie eilig zurück, um ihn von dieser Last zu befreien. Er hustete schwerfällig, aber als er sich mühsam aufsetzte und keinerlei Andeutungen über weitere Schmerzen machte, atmete Elizabeth erleichtert auf.
"Das war nicht ganz das, was ich beabsichtigt hatte", gestand die Expeditionsleiterin verlegen und hob im gleichen Moment den Kopf, um seufzend zum Loch empor zu sehen.
"Was Sie nicht sagen", grummelte Rodney leise und entledigte sich einiger Dreckklumpen, die sich in seinen Haaren verfangen hatten. Wenigstens saß er jetzt nicht mehr allein hier fest, das machte die Situation schon wieder ein Stück weit erträglicher. Es änderte aber nichts daran, dass sie noch immer einen Weg hier raus finden mussten.
"Haben Sie sich etwas getan?", hakte auch er vorsichtig nach, als den ersten Schock überwunden hatte und die Expeditionsleiterin fragend ansah. Zu seiner Erleichterung schüttelte sie den Kopf.
"Ich bin weich gelandet", scherzte sie grinsend.
Rodney beließ es bei einem wissenden Knurren, ehe er sich wieder auf die Beine zog und die Situation noch einmal in Augenschein nahm.
"Sieht so aus, als säßen wir nun beide hier fest", murmelte er wenig zuversichtlich, traf damit aber unweigerlich den Nagel auf den Kopf. Jetzt hieß es wohl wieder warten.

Alle Fluchtversuche scheiterten kläglich. Selbst die vielversprechende Idee einer Räuberleiter endete in einem Desaster, als Elizabeth versuchte dem Kanadier auf die Schultern zu klettern und ihm dabei versehentlich mit der Hand ins Gesicht langte.
"Au!"
Elizabeth konnte gerade noch das Gleichgewicht halten, als Rodney sie ohne jegliche Vorwarnung losließ und sich stattdessen beide Hände vor das rechte Auge schlug.
"Oh Gott, Rodney, das tut mir leid!", entschuldigte sie sich hastig und suchte erschrocken nach einem Weg, ihm zu helfen, aber er schreckte jammernd zurück und murmelte unverständliche Worte, als hätte Elizabeth ihm soeben einer grässlichen Folter ausgesetzt.
Diese seufzte leise und wartete geduldig, bis der erste Anfall von Selbstmitleid vorüber war, ehe sie entschlossen auf ihn zu ging und vorsichtig nach seinen Handgelenken griff.
"Lassen Sie mich mal sehen!", forderte sie ihn mit ruhiger Stimme auf und nach anfänglichem Zögern gab er seinen Widerstand auf und ließ die Arme langsam sinken. Kritisch unterzog sie sein Auge einer genauen Musterung, stellte aber erleichtert fest, dass die leichte Rötung sicher nur auf eine natürliche Reaktion des Körpers zurückzuführen war.
"Wie schlimm ist es?", fragte der Kanadier bang und Elizabeth musste innerlich darüber schmunzeln, wie hilflos er in solchen Situationen doch werden konnte.
"Keine Angst, Sie werden nicht blind", beruhigte sie ihn geduldig und unterstrich dies mit einem aufmunternden Lächeln.
"Sind Sie sicher?"
In Rodneys Stimme schwang noch immer ein Hauch von Panik, aber er atmete auf, als Elizabeth gelassen nickte. Für sie war es längst keine Überraschung mehr, dass der Astrophysiker zu hypochondrischen Anfällen neigte und sie hatte gelernt, dem am besten mit Ruhe und Geduld zu begegnen.
Die Variante Räuberleiter war somit also vom Tisch und in Anbetracht dessen, dass dies eine ihrer letzten Optionen gewesen war, ließ sich Elizabeth schließlich mit einem leisen Seufzen auf den Boden sinken, wo sie die Knie anzog und sich gegen die Wand lehnte, während hingegen Rodney damit begann, in hektischen Bewegungen auf und ab zu laufen, als wäre er ein Tiger im Käfig.
"Was glauben Sie, wie lange es dauert, bis man uns findet?", murmelte er, während er unentwegt das Loch über sich anstarrte. Zu schweigen, wenn er nervös war, war schon immer ein Ding der Unmöglichkeit für ihn gewiesen. "Ich meine…man…man wird uns doch irgendwann suchen, oder?"
"Ich weiß es nicht", antwortete ihm Elizabeth leise, ohne sich aus der Ruhe zu bringen zu lassen. Sobald sich der Kanadier in seine Angst hineinsteigerte, war es umso wichtiger, ihm ein Ruhepol zu sein, der ihn wieder auf den Boden der Tatsachen holte.
"Spätestens wenn sie merken, dass wir nicht zum Treffpunkt erscheinen, werden sie uns suchen."
"Zum Treffpunkt?"
Rodney blieb wie angewurzelt stehen und starrte sie an.
"Aber…aber…das sind noch fast drei Stunden! Und…und wer weiß, ob sie es nicht erst merken, wenn sie wieder in Atlantis sind!"
Er fing an, hysterisch mit seinen Armen herumzufuchteln, während er unablässig damit fortfuhr hin und her zu hetzen.
"Ich glaube nicht, dass ich es so lange aushalte. Ich meine…es ist nun mal so, dass ich es hasse, auf so engem Raum eingepfercht zu sein. Es hat nichts mit Ihnen zu tun, wirklich nicht! Ich…ich…kann nur nichts gegen diese klaustrophobischen Zustände tun, sie sind einfach da, schon seit dem Tag, als ich in diesem verfluchten Jumper eingeschlossen war. Oh Gott! Das werde ich nie vergessen. Ich dachte ich muss sterben! Und jetzt sitz ich hier und weiß nicht mal, ob uns jemand rettet und…"
"Rodney!"
Er verstummte augenblicklich und stellte beunruhigt fest, dass Elizabeth genervt das Gesicht in den Händen vergraben hatte. Er wusste, dass er sich hier um Kopf und Kragen redete, aber er hatte keine Chance, diesen inneren Instinkt zu unterdrücken, wenn ihn Panik erfasste.
Erleichtert darüber, den Kanadier in seinem aufgeregten Wortschwall gestoppt zu haben, hob Elizabeth den Kopf und sah ihn mit einem Blick an, der ihm deutlich machen sollte, dass sie keinerlei Widerspruch duldete, als sie hinzufügte: "Setzen Sie sich hin, Sie machen mich nervös!"
Rodney schnaubte verächtlich, gehorchte jedoch widerspruchslos und ließ sich demonstrativ beleidigt ihr gegenüber auf den Boden plumpsen. Er konnte nicht begreifen, wie sie so gelassen bleiben konnte, schließlich konnte man nie wissen, ob sich ihre Lage noch verschlimmern konnte. Was, wenn ein wildes Tier sie fand? Oder noch schlimmer, wenn ein Regenguss einsetzte, der die Grube flutete? War sie dann immer noch so ruhig, wenn sie zu ertrinken drohte?
Zufrieden atmete die Expeditionsleiterin tief durch, um den kurzen Moment der Stille zu genießen, den Rodney nutzte, um die beleidigte Leberwurst zu spielen. Sie wusste, dass dieser Zustand nicht lange anhalten würde, also musste sie ihn in vollen Zügen auskosten.
Erstaunlicherweise hielt es der Kanadier verdammt lange durch, einfach nur mürrisch vor sich hin zu starren, auch wenn seine linke Fußspitze unentwegt auf den Boden tippte, um seine Aufregung zum Ausdruck zu bringen.
Elizabeth konnte es ihm nicht verübeln, auch sie wäre lieber jetzt als gleich aus diesem Gefängnis entkommen, aber im Moment hatten sie wohl keine andere Wahl, als zu warten, bis Hilfe kam. Wortlos sah sie zum Himmel empor, den man schwach über dem Blätterdach ausmachen konnte. Allmählich neigte sich der Tag dem Ende zu und sie hoffte, dass sie nicht auch noch die Nacht hier verbringen mussten, die bekanntlich sehr kalt werden konnte.
Sie merkte gar nicht, dass sie immer weiter mit ihren Gedanken abdriftete, bis sich Rodney plötzlich nach einer scheinbaren Ewigkeit regte und sie damit prompt in die Realität zurückholte.
Verdutzt beobachtete sie, wie er nach seinem Osterkörbchen griff, das bisher verwaist in der Ecke gestanden hatte und noch ehe man sich versah, hatte der Kanadier bereits einen Schokohasen geköpft.
"Was tun Sie da?", rutschte es ihr vor Entsetzen heraus, was Rodney aber keineswegs beeindruckte.
"Ich habe Hunger", verteidigte er sich trotzig.
"Sie dürfen das noch nicht essen! Sie ruinieren die Zählung."
"Oh, tut mir leid, aber ich setze mich lieber mit ein paar furchtbaren Plüschohren in die Kantine, als elendig in einem dunklen Loch zu verhungern!"
Und mit diesen Worten, biss er wie ein wildes Raubtier in den Bauch des Hasen, sodass das Knacken der süßen Schale bis zu Elizabeth hinüber tönte.
Diese konnte dem Schauspiel nicht mehr länger zusehen und wandte sich ab. Rodney hatte schon immer seinen Dickschädel.
Ironischerweise nahm sie prompt in jenem Augenblick selbst ein verräterisches Knurren in ihrer Magengegend wahr und sie kam nicht umhin zuzugeben, dass sie Rodney eigentlich beneidete. Sehnsüchtig wanderte ihr Blick nach oben, wo sie ihr reich gefülltes Osterkörbchen in der Aufregung zurückgelassen hatte. Was hätte sie jetzt für ein Ei mit Milchfüllung gegeben? Oder eines dieser süßen Geleehühner? Das Wasser lief ihr im Mund zusammen, aber die Erfüllung ihrer Wünsche war außerhalb jeder Reichweite.
Sie merkte nicht, dass Rodney ihr stilles Leid beobachtete und während er langsam seinen letzten Bissen hinunter schluckte, überkamen ihn auf einmal Gewissensbisse. Immerhin saß sie ja eigentlich seinetwegen hier unten fest.
Wortlos griff er nach einer bunt verzierten Schokoladentafel und streckte sie ihr entgegen. Sie war zunächst sichtlich verwirrt, allein schon, weil er nicht gerade dafür bekannt war, seine süßen Schätze mit irgendjemanden zu teilen, aber schließlich schenkte sie ihm ein dankbares Lächeln und nahm das angebotene Stück an.
Eigentlich hätte es schlimmer kommen können. Sie hätte genauso gut mit Kavanagh hier fest stecken können und das wäre dann wirklich eine Tortur gewesen. Rodney war ein netter Kerl, sofern man ihn nicht gerade unter Extrembedingungen antraf, etwa wenn er mit einem leeren Magen zu kämpfen hatte, aber Elizabeth hatte längst erkannt, dass weit mehr hinter dieser Fassade von Arroganz und Egoismus stecken konnte. Mehr als einmal schon verdankte sie ihm ihr Leben und sie hätte jederzeit für ihn die Hand ins Feuer gelegt. Sie waren Freunde geworden; enge Freunde sogar. Es fiel ihm schwer das zu zeigen, aber sie wusste es und das war der Grund, weshalb sie ihm so vertraute.
Allmählich kam es ihr suspekt vor, dass er so lange nichts sagte und stattdessen nur still an seinem Hasen knabberte. Schweigen hatte bei ihm eigentlich nur zwei Gründe: entweder er schlief oder etwas war nicht in Ordnung. Während sie langsam ein Stück der Schokolade auf ihrer Zunge zergehen ließ, beschloss sie, dem langen Schweigen endlich ein Ende zu setzen, schließlich erhielt sie nicht oft die Gelegenheit, sich so ungestört mit ihm unterhalten zu können. Nicht zu vergessen war, dass er ihr nicht entkommen konnte. Grund genug also, auch mal auf persönlichere Dinge einzugehen.
"Und? Haben Sie vor, sich heute Abend mit ihr zu treffen?", fiel sie einfach mit der Tür ins Haus und erreichte genau das, was sie beabsichtigt hatte, nämlich Rodney eiskalt zu erwischen. Dieser schaute sie nur völlig verdattert an, ehe er fragte: "Wen?"
"Na Katie Brown, wen sonst?"
Es war gemein, das wusste sie. In jeder anderen Situation wäre sie nicht so indiskret gewesen, aber nun siegte ihre Neugier, ungeachtet dessen, dass der Kanadier ein paar Mal hilflos blinzelte, bis er seine Sprache wieder fand und verlegen den Blick senkte.
"Nein", gab er schließlich leise zurück, ohne die Enttäuschung in seiner Stimme verbergen zu können. "Wir haben Schluss gemacht."
"Ernsthaft?"
Elizabeth fiel aus allen Wolken, als sie das hörte. Zugegeben, das erste Date der beiden fand unter recht…ungewöhnlichen Bedingungen statt, aber nicht einmal das hatte verhindern können, dass die Dinge ihren Lauf genommen hatten. Elizabeth war überzeugt gewesen, dass Rodney nun endlich jemanden gefunden hatte, auch wenn sie zugeben musste, dass es hin und wieder ein beklemmendes Gefühl bei ihr ausgelöst hatte, wenn sie die beiden gesehen hatte.
Eilig verdrängte sie diese Gedanken wieder und besann sich auf die gegenwärtige Situation. Sie merkte, dass sie offenbar einen wunden Punkt getroffen hatte, aber um umzudrehen, war es nun zu spät.
"Wieso?"
Rodney wich geschickt ihrem Blick aus und tat so, als fordere die glitzernde Verpackung des Schokohasen seine ganze Aufmerksamkeit.
"Es hätte nicht funktioniert", entgegnete er zögerlich. "Ich war gegen mindestens die Hälfte ihrer Pflanzen allergisch und hatte ständig diesen furchtbaren Ausschlag überall."
Er brach ein kleines Stück vom Hasen ab und ließ es im Mund verschwinden, ehe er seufzend wiederholte: "Es hätte nicht funktioniert."
Wahrscheinlich war es ihm nicht bewusst, aber Elizabeth glaubte ihm nicht. Sie wusste nicht, wer von ihnen wirklich den Schritt eingeleitet hatte, die Beziehung zu beenden, aber es waren definitiv nicht die Pflanzen gewesen, die den Auslöser geliefert hatten.
"Was ist mit Mike Branton?"
Fast hätte sie sich an dem Stück Schokolade verschluckt, das sie gerade bearbeitet hatte. Nie hätte sie damit gerechnet, dass der Kanadier zu einer Retourkutsche ausholen könnte.
"Was…was soll sein?", gab sie recht ungeschickt zurück und fing seinen argwöhnischen Blick ein.
"Naja…Sie hatten ein Date mit ihm, also…"
"Das war kein Date!"
Grimmig puhlte sie eine Rosine aus der Schokolade heraus, nur damit er nicht merkte, dass sie sich ertappt fühlte.
"Es sah aber danach aus", bohrte Rodney hartnäckig nach.
Elizabeth schnaubte lautlos, ehe sie den Blick hob. Ja, verdammt, Mike hatte das genauso gesehen. Er war davon überzeugt gewesen, bis er sie geküsst hatte und sie hätte lügen müssen, wenn sie gesagt hätte, es wäre ihr nicht nahe gegangen. Trotzdem…!
"Da ist nichts", stritt sie es ein weiteres Mal ab und diesmal schien ihr Gegenüber nachzugeben. Verdammt, er glaubte ihr nicht, dass sah sie ihm deutlich an. Er mochte vielleicht oftmals ignorant wirken, aber er war nicht auf den Kopf gefallen. Dass der Punkt Männergeschichten ein heikles Thema bei ihr war, konnte nicht mal ihm entgangen sein, aber eigentlich war sie ja selbst schuld, schließlich hatte sie damit angefangen. Dummerweise war der Schuss nach hinten losgegangen.
Schweigend zupfte sie kleine Fetzen von der silbernen Alufolie, mit der die Schokolade eingewickelt war und formte kleine Kügelchen daraus. Es irritierte sie, dass Rodney nichts sagte. Sie sah ihn nicht an, aber sie spürte, dass er sie beobachtete, so als wäre dies eine Taktik, der Wahrheit auf die Schliche zu kommen.
Alle Achtung! Er schien mittlerweile einiges an diplomatischem Geschick von ihr abgeschaut zu haben, so wie sie zugeben musste, dass sie die ein oder andere Verhaltensweise auch von ihm angenommen hatte. Das war irgendwie fast schon unheimlich.
"Wahrscheinlich sind Beziehungen unter diesen Umständen ohnehin schwierig", brach sie dann endlich das unerträgliche Schweigen. Besser war es, das Thema in eine andere Richtung zu lenken, so dass es auf eine angenehme Gesprächsbasis hinaus lief. Innerlich musste sie sogar schmunzeln. Es war lange her, dass sie Gelegenheit hatte, mit jemandem einfach nur locker über Dinge zu sprechen, die sonst nichts mit ihrem Arbeitsalltag zu tun hatten.
"Man muss bedenken, dass gewisse Punkte gar nicht erfüllt werden können."
"Welche Bedingungen?"
"Naja…es gibt Leute, die behaupten, dass bestimmte Punkte an Bedingungen erfüllt sein müssen, damit der Mensch überhaupt erst eine Beziehung in Betracht zieht."
"Zum Beispiel?"
Der Kanadier zog eine verständnislose Grimasse, wissend, wen sie mit diesen Leuten bloß meinen konnte. Sie sprach nicht von irgendwelchen selbst ernannten Experten, mit denen man über solche Dinge plauderte, sondern zweifellos von den grauenhaften Klatschblättern, die überall auf der Krankenstation herumlagen. Der Alptraum eines jeden vernünftigen Mannes schlechthin! Wieso konnte nicht jemand endlich ein Abo von National Geographic bestellen, anstatt diese furchtbaren Schundhefte für Frauen?
Elizabeth grübelte einen Moment, um ein geschicktes Beispiel herauszupicken und antwortete dann: "Na nehmen wir….Stöckelschuhe!"
"Was?"
"Stöckelschuhe!"
Rodney starrte sie an, als wäre ihr soeben ein zweiter Kopf gewachsen, ungeachtet dessen, dass er sich gerade ernsthafte Sorgen um sein Gehör machte, aber Elizabeth fuhr einfach fort.
"Jeder Mann steht auf Stöckelschuhe. Aber sind wir doch mal ehrlich, ich glaube, dass kaum eine Frau welche für eine solche Expedition eingepackt hat."
Rodney rümpfte die Nase und bemühte sich, den ersten Schock zu verdauen, bis er murmelnd entgegnete: "Ich mag keine Stöckelschuhe."
"Ach, nein?"
"Nein."
Er schüttelte schnaubend den Kopf. Jetzt hatte er zweifellos ihr Weltbild erschüttert, aber er hatte schon immer einen Hang dazu gehabt, aus jedem Standardmuster herauszufallen. Es interessierte ihn nicht, was man machte. Was er tat und was nicht, entschied er allein für sich, ohne irgendwelche gesellschaftlichen Konventionen in Betracht zu ziehen. Die meisten legten das als einen Dickschädel aus. Er selbst bezeichnete es eher als innere Stärke, sich nicht von anderen beeinflussen zu lassen.
"Ich kann nicht verstehen, was Männer daran so attraktiv finden, wenn sich Frauen die Füße ruinieren", fügte er hinzu und nahm Elizabeths verblüfften Gesichtsausdruck deutlich zur Kenntnis. Er bezweifelte, dass sie eine Frau war, die auf solche Mittel zurückgreifen musste, um die Aufmerksamkeit der Männer auf sich zu ziehen. So etwas hatte sie nicht nötig. Sie war auch so schon eine reizende Person und das nicht allein auf Äußerlichkeiten basierend.
"Wahrscheinlich liegt es daran, dass sie ihnen dann nicht mehr weglaufen können", konterte sie grinsend und brachte damit auch Rodney zum schmunzeln. Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals mit jemanden so unbeschwert über solche Dinge gesprochen zu haben. Er war normalerweise kein Freund solcher Gespräche, weil er nur ungern persönliche Dinge preis gab, aber Elizabeth schaffte es irgendwie immer wieder, ihn dazu zu bewegen, diese Scheu ein klein wenig fallen zu lassen.
Er öffnete eine kleine Tüte mit Waffeleiern und fischte ein paar heraus, ehe er die Packung an Elizabeth weiter reichte. Mittlerweile war es ihm relativ gleichgültig, wie viel am Ende von seiner Beute übrig bleiben würde. Elizabeth saß hier mit ihm fest und so hatte sie es auch verdient, dass er seinen Vorrat mit ihr teilte.
Die Expeditionsleiterin strahlte, als sie ihre Nase in die Packung steckte, um zwei Waffeleier herauszuholen. Sie liebte diese Süßigkeiten. Vom ersten Augenblick war sie begeistert davon gewesen, diese Suche zu organisieren. Es weckte Kindheitserinnerungen, in denen sie leider viel zu wenig schwelgen konnte.
"Schönheit ist vergänglich", ergriff Rodney plötzlich das Wort und er verwendete seine Aufmerksamkeit, um die Hälften des Waffeleis auseinander zu puhlen, wahrscheinlich um ihr somit nicht in die Augen sehen zu müssen. "Ich finde, eine Frau sollte klug sein und…wissen, wie sie ihren Weg zu gehen hat, egal, was andere sagen."
Er löste die weiche Füllung aus der Waffel und ließ sie im Mund verschwinden, ehe er aufsah.
"Eine Frau, die stark ist, ist wichtiger, als eine Schönheitskönigin, die die Welt nicht begreift."
Elizabeth merkte, wie ihr vor Verblüffung der Mund leicht offen stand. War das gerade wirklich Rodney McKay gewesen, der das gesagt hatte?
"Wow", brachte sie nur hervor, ohne fähig zu sein, mehr Worte finden zu können. Es war diese Ernsthaftigkeit in seinen Augen, die sie faszinierte. Sie verdeutlichte, dass seine Worte ehrlich waren und das aussprachen, wovon er wirklich überzeugt war. Nicht, dass sie ihm nicht geglaubt hätte - bei Gott nein, Worte wie diese waren es, die ihr selbst sehr nahe gingen - aber sagte man nicht ausgerechnet dem Kanadier nach, dass seine Vorlieben für Frauen klischeehaft waren?
Wahrscheinlich sah man ihr an, dass ihr genau das durch den Kopf gehen musste, weshalb sich ein verlegenes Lächeln auf seinem Gesicht breit machte, bevor seine Hand auch schon hinter sein Ohr wanderte, um sich dort nervös zu kratzen.
"Ja…ich wei߅", murmelte er zögerlich, unsicher, wohin er sehen sollte, entschied sich dann aber doch dazu, ihrem Blick stand zu halten. "Ich gebe zu, ich bin nicht gerade ein Beispiel für Tiefgründigkeit, aber das alles sind Vorurteile."
"Was?"
"Na alles!" Er fuchtelte recht unbeholfen mit den Händen herum. "Dass Männer nur auf Äußerlichkeiten achten und für Frauen nur innere Werte eine Rolle spielen. Oder wie erklären Sie es sich sonst, dass alle Sheppard und seinem flotten Haarschnitt verfallen sind? Oder einem Muskelprotz wie Ronon?"
Elizabeth zog überrascht eine Augenbraue nach oben. War das der Zuckerschock oder bekam sie hier wirklich eine ganz neue Seite an ihm zu Gesicht? Ihr entging die Aufregung in seiner Stimme nicht, die deutlich machte, wie sehr es ihn kränkte, dass man ihn in ein Raster drängte, in das er nicht hineingehören wollte. Es waren Augenblicke wie diese, in denen der Mensch in ihm zum Vorschein kam, der sich so beharrlich hinter einer Mauer versteckte, weil er Angst hatte, jemand könne seine Schwächen entdecken. Schwächen machten verwundbar und er hatte schon genug Wunden erdulden müssen, das wusste Elizabeth, auch ohne dass er ihr davon erzählte.
"Nicht alle Frauen sind so", konterte sie gelassen und schob die Waffeleier in ihrer Handfläche hin und her.
"Nein?"
"Nein."
Sie schüttelte entschlossen den Kopf. Da war etwas in seiner Stimme gewesen, das an Verbitterung erinnert hatte. Vielleicht war er das ja wirklich; verbittert, nach all den Enttäuschungen, die er bereits hinter sich hatte.
"Ich sage Ihnen, was Frauen wirklich wichtig ist."
Sie sah wieder auf und verlieh ihrem Blick etwas Vieldeutiges.
"Männer sollten ehrlich sein. Sie sollten Humor haben und…"
Sie geriet plötzlich ins Zögern, als ihr klar wurde worauf es hinaus lief. Trotzdem fuhr sie leise fort: "…und intelligent sein."
Hatte er es gemerkt? So wie auch ihr klar geworden war, dass all die Eigenschaften, die er aufgezählt hatte, Dinge waren, die man ihr nachsagte? War das der Grund, warum dieser merkwürdige Ausdruck in seinen Augen schimmerte? Ein Schimmer von Hoffnung und doch gleichzeitig von Furcht? Sie konnte nicht fortfahren; nicht das letzte Argument aufzeigen, von dem sie sich unweigerlich eingestehen musste, dass es genauso auf ihn zutraf. So arrogant und überheblich er doch manchmal auch sein konnte, im Inneren war er doch ein sensibler Mensch.
"Stammt das auch aus Ihrem schlauen Heft?", fragte er leise und machte Anstalten, seine Verunsicherung mit einem zögerlichen Lächeln zu überspielen, was ihm aber nicht recht gelang.
"Nein", antwortete sie ihm ruhig und schaffte es dabei endlich, ihm wirklich in die Augen zu sehen; die Augen, die zum ersten Mal zuließen, dass sie in sein Innerstes blicken konnte.
"Das stammt von mir."
Sie hatte lange gebraucht, bis sie es sich eingestanden hatte, einfach weil sie es nicht wahrhaben wollte. Nicht, weil es ausgerechnet Rodneys Lächeln war, das ihr Herz manchmal schneller schlagen ließ oder weil es dieses Leuchten in seinen Augen war, das ihr eine bis dahin nie dagewesene Wärme schenkte, sondern weil es gegen ihren Vorsatz verstieß, Arbeit und Privatleben strikt zu trennen. Aber ging das hier überhaupt noch? Sie war die Leiterin dieser Expedition, alle Fäden liefen am Ende bei ihr zusammen. Es gab niemanden in dieser Stadt, der nicht auch für sie arbeitete und doch hatte sie längst zugelassen, dass sie mit vielen Menschen eine tiefe Freundschaft verband. Warum denn nicht auch mehr?
Sie hätte so gerne gewusst, was ihm in diesem Moment durch den Kopf ging. Es machte den Anschein, als wolle er etwas sagen und fand doch nicht den Mut dazu.
Und dann - ohne jegliche Vorwarnung - wandte er seinen Blick ab und löste sich aus seiner Bewegungslosigkeit.
"Die anderen werden uns nicht vor dem Abendessen finden, oder?", wechselte er abrupt das Thema, was Elizabeth zu einem unscheinbaren Schmunzeln verleitete. Es war die übliche Strategie: wenn ihm jemand zu nahe kam, suchte er stets einen Fluchtweg und sie war klug genug, ihn nicht aufzuhalten.
"Ich fürchte nicht", antwortete sie ihm nach besten Gewissen.
"Na dann…"
Er griff nach dem Osterkorb und stellte ihn demonstrativ zwischen sich und die Expeditionsleiterin, ehe über das ganze Gesicht grinste. "Das Buffet ist eröffnet."
Elizabeth musste leise lachen. Als sie an diesem Morgen aufgestanden war, hatte sie sich nicht ausgemalt, den kommenden Abend mit Rodney in einem dunklen Loch verbringen zu müssen, wo es nichts weiter zu essen gab, als alles, was gegen ihren Diätplan verstieß. Aber selbst sie musste zugeben, dass diese Erfahrung etwas für sich hatte. Nichts geschah ohne einen Grund und in diesem Fall glaubte Elizabeth gar zu wissen, welchen Grund das Schicksal beabsichtigt hatte.

Sie versuchten das Beste aus ihrer Lage zu machen und das war im Grunde nicht einmal so schwer. Elizabeth fand unter der erbeuteten Schokolade des Kanadiers eine Schachtel voller Schnapspralinen, die die beiden zu plündern wussten. Nicht, dass es gereicht hätte, um sie in Vollrausch zu versetzen, aber es genügte, um die Stimmung der beiden zu heben. Sie fingen an, sich gegenseitig mit allerhand Peinlichkeiten aus dem Leben zu erheitern und vergaßen dabei sowohl die Zeit, als auch ihre bedenkliche Lage. Schokolade machte bekanntlich glücklich und das zeigte auf nüchternen Magen auch deutlich seine Wirkung.
Die Dämmerung hatte schon lange eingesetzt und die Temperaturen wurden allmählich kühler. Das Zeitfenster bis zum Ende der Suchaktion war längst überschritten, trotzdem hatte sich noch niemand blicken lassen, was wohl hieß, dass ihr Verschwinden noch nicht bemerkt worden war. Seltsamerweise machten sich die beiden deshalb nicht viel Sorgen, immerhin wussten die anderen bestimmt, wo sie mit ihrer Suche ansetzen mussten. Wer kleine bunte Nester zwischen Sträuchern finden konnte, der konnte doch sicher auch zwei Menschen in einer athosianischen Jagdfalle aufspüren, oder?
Ein entferntes Geräusch hingegen störte mit einem Mal die unbeschwerte Atmosphäre der beiden. Es wirkte zunächst unscheinbar, doch Rodneys Miene wurde mit einem Mal ernst, als er das unheimliche Rascheln ganz deutlich vernahm.
"Was war das?"
Instinktiv erhob er sich und sah zum Rand des Loches empor. Längst war es so düster geworden, dass man die einzelnen Bäume nur noch in verschiedenen Graustufen voneinander unterscheiden konnte.
Auch Elizabeth zog sich langsam auf die Füße, selbst wenn sie zugeben musste, noch nichts gehört zu haben. War da oben jemand?
"Hilfe vielleicht?", schlug sie deshalb vor und sah gespannt nach oben, in der Hoffnung, dort bald ein vertrautes Gesicht sehen zu können, aber zu ihrer Überraschung schüttelte der Kanadier unruhig den Kopf.
"Nein, das ist kein Mensch."
Elizabeth spürte, wie ein Schreck durch ihre Glieder fuhr und sich ihr Herzschlag automatisch beschleunigte. Die Sorge in Rodneys Tonfall machte ihr Angst. Sie war kein furchtsamer Mensch, doch genauso konnte sie eine Situation auch sehr gut einschätzen. Sie saßen hier unten fest und hatten keine Waffen. Wenn wirklich ein wildes Tier auftauchen würde, das Hunger hatte, dann würde es sich nicht einmal vor dieser Grube abschrecken lassen und dann waren sie wehrlos.
Das Geräusch kam näher. Diesmal hörte es Elizabeth ganz deutlich und sie schluckte schwer, um sich zur Ruhe zu ermahnen. Ihr wurde erst bewusst, dass sie zurückgewichen war, als sie bereits mit dem Rücken gegen die schmutzige Wand stieß, ohne dass sie ihren Blick vom Loch über sich abwenden konnte. Sie hatte ein Selbstverteidigungstraining hinter sich, wie jedes andere zivile Mitglied der Expedition auch, doch sie fühlte sich bei weitem hilfloser in solchen Lagen, einfach weil ihr die Erfahrung fehlte. Ihr Hang zum Pazifismus hatte sie den Grundsatz fassen lassen, Waffen nur im äußersten Notfall zu benutzen und in den wenigen Fällen, in denen sie selbst das Tor durchschritten hatte, war immer jemand da gewesen, der sie in brenzligen Situationen verteidigt hatte.
Just in diesem Augenblick wurde ihr bewusst, dass Rodney sich längst vor sie gestellt hatte. Auch er war nervös, das merkte sie, aber er verharrte tapfer, selbst wenn er wahrscheinlich nicht viel ausrichten konnte, falls es wirklich zu einem Angriff kam.
Es erinnerte die Expeditionsleiterin an jenen Tag, als der verheerende Sturm über Atlantis gewütet hatte und eine Streitmacht der Genii eingefallen war. Bevor sie sich versah, hatte sich Rodney zwischen sie und Kolya gestellt, obwohl er damit hatte rechnen müssen, dass der Kommandant der Genii ihn ohne mit der Wimper zu zucken über den Haufen schießen konnte.
Rodney war alles andere als die typische Heldenfigur, doch gerade das machte seinen Mut und seine Entschlossenheit in solchen Situationen umso wertvoller.
Das Rascheln wurde immer lauter, kam näher. Es waren eindeutig mehr als zwei Beine und sie bewegten sich nicht wie Menschen fort. Dort oben war eindeutig ein Tier und in wenigen Sekunden würde es die Grube erreicht haben.
Elizabeth hielt den Atem an, merkte, wie auch Rodney seine Muskeln anspannte und sich schützend vor ihr aufbaute. Zwei Schritte noch, dann zeichnete sich der Schatten plötzlich schemenhaft im Halbdunkeln ab, sodass Elizabeth erschrocken zurückschreckte. Sie merkte gar, dass ihre Hand instinktiv nach Rodneys Arm griff und er sie automatisch festhalten wollte, aber der erste Schreck wich schnell bei beiden, als sie erkannten, dass es nur ein kleines Tier mit langen Ohren war, das sofort wieder in den Tiefen der Wälder verschwand, als es die verschreckten Zweibeiner bemerkt hatte.
Elizabeth atmete deutlich hörbar auf, während Rodney vor Erleichterung seine angespannte Haltung aufgab und dadurch ein kleinwenig in sich zusammensackte.
"Ich nehme an, das war der Osterhase", scherzte die Expeditionsleiterin sarkastisch, während Rodney sich endlich wieder traute, sich zu regen. Elizabeth musste unwillkürlich grinsen. Sie hatten sich tatsächlich von einem kleinen Hasen in Angst und Schrecken versetzen lassen, das war mehr als peinlich, aber irgendwie auch amüsant. Dessen ungeachtet war es immer wieder ein witziger Anblick, wenn sich Rodney erst mal von solchen Schrecken erholen musste.
"Was ist?", fragte er mürrisch, als er ihr neckisches Grinsen bemerkte, doch sie konnte nicht anders. Jetzt wurde ihr erst so richtig bewusst, welche Botschaft diese ganze Aktion vermittelt hatte.
"Sie wollten mich beschützen."
Für einen kurzen Augenblick huschte ein Schreck über sein Gesicht, als hätte Elizabeth ihn soeben bei etwas Verbotenem erwischt. Dabei war sein einziger Fehler gewesen, etwas von seinen wahren Gefühlen unbeabsichtigt durchsickern zu lassen.
"Nein…", stritt er energisch ab, obwohl ihm gleichzeitig bewusst wurde, dass er es nicht mehr leugnen konnte, weil es offensichtlich gewesen war. "…das heißt….ja…natürlich! Hätte ich nicht sollen?"
Er klang leicht eingeschnappt. Eine typische Reaktion, wenn er verunsichert war, doch Elizabeth lächelte wissend. Als Diplomatin war sie es gewohnt, zwischen den Zeilen zu lesen.
"Bilden Sie sich nichts darauf ein! Das hätte ich für jeden getan", fügte er schnippisch hinzu, bevor er keinen anderen Ausweg aus dieser verzwickten Situation sah, als sich abzuwenden und grummelnd auf den Boden sinken zu lassen.
Elizabeth lächelte vieldeutig. Eigentlich hätte er längst einsehen müssen, dass sie sein Schauspiel durchschaut hatte. Er war nicht der arrogante Mistkerl, den er anderen gegenüber vorzugeben versuchte. Dies war seine Strategie, um auf Abwehrhaltung zu bleiben, aber sie hatte den Entschluss gefasst, ihn aus seinem Schneckenhäuschen herauszulocken.
Rodney schaute grimmig vor sich hin. Es war peinlich genug, dass sie sich von so einem kleinen Mistvieh hatten Angst einjagen lassen. Jetzt wurde es auch noch immer kühler und er wünschte sich so sehr aus dieser ganzen Situation zu entkommen und wieder nach Atlantis zurückkehren zu können. Wie lange saßen sie hier nun eigentlich schon fest? Und das alles nur wegen dieser kindischen Eiersuche.
Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte er, wie sich Elizabeth umwandte, um sich wieder zu setzen. Womit er jedoch nicht rechnete war, dass sie sich direkt neben ihm niederließ und nach einem kurzen Moment des Zögerns gar ihren Kopf an seine Schulter lehnte.
Rodney merkte, wie ihm der Atem stockte. Noch nie hatte er erlebt, dass Gedanken gleichzeitig rasen und doch feststecken konnten, so dass er gar nicht in der Lage war irgendwie zu reagieren. Er hätte lügen müssen, wenn er gesagt hätte, es wäre ihm unangenehm gewesen, nur irgendwie ungewöhnlich. Natürlich war es übertrieben, viel in eine so beiläufige Geste hineinzuinterpretieren, aber sie war nun einmal die Leiterin dieser Expedition. War sie es denn nicht immer gewesen, die auf eine Abgrenzung geachtet hatte? Gleichzeitig aber schmeichelte es ihm, bewies es doch, wie sehr sie ihm vertraute und das machte ihn stolz.
Sie war einfach nur müde, das war nicht schwer zu erkennen. Also was sprach dagegen, sich die möglichst bequemste Schlafposition zu suchen? Es war doch nichts dabei. Oder?
Eine zeitlang saßen sie einfach so beieinander, ohne dass ein Wort fiel. Elizabeth schien vor sich hin zu dösen und Rodney versuchte die Gedanken zu fassen, die ihm durch den Kopf jagten. Auf einmal gab es da so viele Dinge, die ihn beschäftigten, er wusste gar nicht, woher sie so plötzlich kamen. Vielleicht lag es daran, dass es hier nichts gab, womit er sich hätte ablenken können. Vielleicht lag es daran, dass ihm der fiese kleine Teufel in seinem Ohr einreden wollte, dass er hier nicht mehr lebend raus kam. Vielleicht lag es aber auch einfach nur daran, dass es das erste Mal war, dass ihm diese Chance vergönnt war, mit Elizabeth allein zu sein. Sie war eine so wunderbare Person. Schon seit Wochen schleppte er Sorgen mit sich herum, die er nicht zu teilen wusste. Zu Heightmeyer wollte er nicht und niemandem sonst konnte solche Dinge anvertrauen. Bis auf eine Person.
"Können Sie ein Geheimnis für sich bewahren?", brach er völlig unerwartet die Stille.
Oh Gott, er hatte tatsächlich damit angefangen! Wieso hatte er das getan?
Einen kurzen Moment lang blieb ihm die Hoffnung, Elizabeth könne schon eingeschlafen sein. Dann aber hörte er, wie sie ein leises Brummen von sich gab, als Zeichen, dass sie ihm zuhörte.
Rodney schluckte schwer, nahm allen Mut zusammen. Er war niemand, der über diese Art von Problemen sprach, aber mittlerweile hatte er einsehen müssen, dass es so nicht weiter gehen konnte.
"Ich habe nicht wegen der Pflanzen Schluss gemacht."
Nervös wartete er auf eine Reaktion, die aber aus blieb. Sie sagt nichts, doch er spürte, dass sie lauschte. Sie wartete darauf, dass er fortfuhr. Er konnte es ihr nicht sagen. Nicht alles! Doch vielleicht half es, wenn er schon mal einen großen Teil davon los wurde.
"Ich…ich kann es nicht vergessen, was damals passiert ist", brachte er schließlich heraus und seine Stimme glich nicht mehr als einem Flüstern, weil ihm auf einmal die Stimme versagte.
Elizabeths Augen huschten kurz hin und her, während sie seine Worte nachzuvollziehen versuchte. Es versetzte ihr einen Stich in die Brust, als ihr klar wurde, was er meinte; von welchem Tag er sprach.
Augenblicklich löste sie sich von ihm, damit sie ihm erschrocken ins Gesicht sehen konnte, das in den dunklen Lichtverhältnissen nur noch schemenhaft erkennbar war, aber es reichte, um seine innere Hilflosigkeit zu verdeutlichen.
"Oh Gott, Rodney, Sie machen sich doch nicht noch immer Vorwürfe, oder?"
Ein einziger Tag, ein einziger Augenblick, eine einzige falsche Entscheidung. In ihnen allen saß der Schock über Carsons Tod noch immer tief. Der schottische Arzt war die gute Seele von Atlantis gewesen und jeder war gleichermaßen davon betroffen, dass er so eine große Lücke hinterlassen hatte. Rodney hingegen war seither völlig verändert, auch wenn er es verbergen wollte. Es ging ihm nahe, dass alles hätte anders kommen können, wenn er mit Carson zum Fischen gegangen wäre, aber stattdessen lieber ein Date mit Katie Brown als Ausrede genutzt hatte.
"Er war mein bester Freund", jammerte der Kanadier hilflos und trotz der Dunkelheit konnte sie die Verzweiflung in seinen Augen schimmern sehen.
Sie hatte ihn noch nie so erlebt. Noch nie hatte er sich ihr gegenüber derart weit hinter seiner Mauer hervorgewagt und sie bezweifelte, dass auch sonst jemand so etwas behaupten konnte. Niemand außer Carson wahrscheinlich.
"Es war nicht Ihre Schuld", beruhigte sie ihn mit Entschlossenheit.
War das wirklich der Grund? Hatte er wirklich den Tod seines besten Freundes vor Augen, wenn er Katie gegenüber getreten war? Wahrscheinlich war das erst der Auslöser für Zweifel gewesen, die ihn längst eingeholt hatten.
"Auf mir scheint ein Fluch zu liegen", seufzte Rodney leise und senkte den Blick. "Den Menschen, die mir wichtig sind, passiert immer irgendetwas."
Vorsichtig sah er auf und sein Blick hatte fast schon etwas um Verzeihung flehendes.
"Wegen mir stecken Sie in diesem Loch fest."
Elizabeth konnte kaum glauben, was sie hier zu hören bekam. Nicht allein, weil er zum ersten Mal durchsickern ließ, wie nahe ihm das alles ging, sondern vielmehr, dass sie die Botschaft herausgehört hatte. Er zählte sie zu den Menschen, die ihm wichtig waren.
"Aber mir ist nichts passiert", konterte sie schließlich und sie verlieh ihrer Stimme eine Ruhe, die ihm beweisen sollte, dass sie ihm keine Vorwürfe machte. "Und so lange ich weiß, dass Sie hier bei mir sind, fühle ich mich sicher."
In seinen Augen lagen Zweifel. Er fürchtete, dass sie ihm etwas vormachte, um ihn aufzuheitern, doch das tat sie nicht. Sie sprach aus, was sie dachte. So kalt und unheimlich dieser Ort auch sein musste, sie war froh, dass er bei ihr war und genauso hätte sie auch nie gewollte, dass er hier allein ausharren musste.
Sie wartete, bis sie sich sicher war, dass er die Botschaft verstanden hatte, dann warf sie ihm ein aufmunterndes Lächeln zu und lehnte sich wieder an ihn. Die Erschöpfung gewann allmählich Oberhand, aber sie würde in der Gewissheit einschlafen, dass er bei ihr war und das nahm ihr all ihre Angst.

Rodney konnte nicht schlafen. So sehr ihn die Müdigkeit auch dazu gedrängt hätte die Augen zu schließen. Er konnte nicht; nicht so lange all diese Dinge durch seinen Kopf spukten. Außerdem war es weit sicherer, wenn zumindest einer von ihnen wach blieb, schließlich konnte man nie wissen, was kam. Er wusste nicht, was er erwartete; fleischfressende Eichhörnchen oder einen verwirrten Wraith, er hielt trotzdem Wache.
Er traute sich nicht mal, sich zu regen, aus Angst er könne Elizabeth dadurch wecken, die längst an seiner Seite eingeschlafen war.
Er bewunderte ihre Ruhe. Sie schien sich vollkommen sicher zu fühlen, trotz der ungewohnten Umgebung.
Vorsichtig traute er sich, tief durchzuatmen. Er fühlte sich irgendwie besser, seit er mit ihr gesprochen hatte, obwohl so etwas gar nicht seine Art war. Aber er wusste in letzter Zeit einfach nicht so recht, wohin mit all den Dingen in seinem Kopf. Mit wem hätte er reden sollen? Er vertraute niemandem soweit, um mit ihm über derartige Dinge sprechen, außer vielleicht Sheppard, aber der war auch nicht gerade der Typ, der solche Gespräche leichtfertig führte.
Schlimmer war es eigentlich, dass es nur die Spitze des Eisbergs war. Es gab noch ein ganz anderes…Problem; etwas, was er damals noch nicht einmal Carson anvertraut hatte.
Sein Blick wanderte zu Elizabeth, die nichts mitbekam von dem Kampf, den er in seinem Inneren führte. Er hätte ihr so gerne gesagt, was er wirklich für sie fühlte, obwohl er sich das selbst so lange nicht hatte eingestehen wollen. Er hatte sich eingebildet, er könne zur Vernunft kommen, wenn er Katie eine Chance gab und es war sogar eine Bestätigung gewesen, als er Elizabeth mit Mike Branton beobachtet hatte, selbst wenn das gleichzeitig sehr weh getan hatte.
Nichts hatte geholfen. Elizabeth war mehr für ihn als nur eine gute Freundin und das obwohl er wusste, dass es nie eine Zukunft für sie geben würde, weil sie viel zu clever war, um sich auf irgendwelche Männergeschichten einzulassen. Vor allem nicht mit ihm.
Er erstarrte, als sie sich plötzlich regte, aber sie wachte nicht auf, sondern drängte sich stattdessen nur noch enger an ihn, so dass er zumindest so viel Freiraum hatte, um seinen Arm zu befreien und vorsichtig um sie zu legen.
Sie konnte nicht ahnen, wie sehr er es genoss, ihr so nah sein zu können. Zum ersten Mal bereute er diesen dummen Zwischenfall nicht mehr, schließlich war dies das erste Mal, dass er ihre Nähe so ungestört genießen konnte und das würde vermutlich auch so bleiben.
Innerlich seufzte er unhörbar. Er musste aufhören mit diesen Gedanken, sie machten alles nur noch schlimmer. Je länger er nachdachte, desto mehr verleitete es ihn zur Hoffnung und wer hoffte, der konnte enttäuscht werden.
Er strich ihr sanft eine Strähne aus der Stirn, die ihr ins Gesicht gefallen war und musste lächeln. Sie war eine so starke Frau, aber in Augenblicken wie diesen offenbarte sie, dass auch eine verletzliche Seite in ihr verborgen lag und das regte in ihm den Drang sie vor allen Gefahren zu beschützen, egal was kommen mochte. Er wusste nicht, ob er das konnte, er wusste nur, dass er es wollte. Das, was er für sie fühlte, machte sein eigenes Leben zweitrangig.
In diesem Moment horchte er plötzlich auf. Seine Ohren hatten ein Geräusch vernommen; ein vertrautes Geräusch; Schritte. Stimmen?
Alles ging so schnell, dass er die Situation erst realisierte, als er auf einmal von einem grellen Licht geblendet wurde. Eine Taschenlampe.
"Ich habe sie gefunden", hörte er eine vertraute Stimme rufen. Major Lorne. Von weitem kamen noch mehr Schritte eilig näher, während sich der Soldat umwandte.
"Alles in Ordnung bei euch?"
Rodney atmete innerlich auf. Dies war der Beweis, dass sie gefunden worden waren; die Rettung. Und gleichzeitig fühlte er, wie ein Traum zu Ende ging.

Ein Tag später
Für einen kurzen Moment glaubte Sheppard, seine Augen würden ihm Streiche spielen. Noch ehe er es überhaupt realisierte, war er einfach stehen geblieben, das Tablett mit seinem Frühstück verdattert in der Hand haltend.
Rodney war ja dafür bekannt, immer wieder für Überraschungen gut zu sein, aber das war Sheppard bisher noch nie vor Augen gekommen.
"Muss ich mir jetzt Sorgen machen?", fragte der Colonel, verdutzt das Obst musternd, das Rodneys Tablett füllte. Er konnte keinen Muffin entdecken, keinen von Rodneys geliebten blauen Wackelpudding, nicht einmal eine Tasse Kaffee! Das war sehr verdächtig.
"Warum? Nur weil ich darauf achte, etwas Gesundes zu essen?", gab der Kanadier, eine Traube kauend zurück, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen, während sich Sheppard ihm gegenüber niederließ.
"Würde Ihnen übrigens auch mal gut tun."
Sheppard schnaubte nur, ersparte sich aber jeglichen Kommentar. Nicht, weil er sich beleidigt gefühlt hätte, sondern vielmehr, weil er sehr genau wusste, dass es nur eine Ausrede seitens des Kanadiers gewesen war, um zu vertuschen, dass ihm zweifellos der Süßkram zum Hals raushing, nachdem er sich einen ganzen Abend davon ernähren musste.
Damit war das erste Maß an Nettigkeiten für einen guten Start in den Tag bereits ausgetauscht und keiner sah mehr ein Bedürfnis darin, es weiter zu vertiefen. Es war seit jeher ein Beweis ihrer Freundschaft, dass keiner dem anderen seine Neckereien übel nahm und so würde es vermutlich zeitlebens bleiben.
Inzwischen hatte sich auch Ronon zu ihnen gesellt und Sheppard spielte längst mit dem Gedanken, ein frischfröhliches Gespräch zu beginnen, wenn sich in diesem Augenblick nicht eine weitere Person am Nachbartisch niedergelassen hätte.
Unter amüsierten Blicken wandte sich Radek Zelenka mürrisch seiner Müslischüssel zu und versuchte die grauenhaften Plüschohren auf seinem Kopf zu ignorieren. Da konnte sich selbst Sheppard ein Grinsen nicht verkneifen, auch wenn es ihn ganze 5 Riesen gekostet hatte, dass er auf Rodney gesetzt hatte.
Aber nicht einmal der Kanadier hätte ein derart griesgrämiges Gesicht ziehen können, wie es Radek nun an den Tag legte und das ging zweifellos mit einer Laune des tiefsten Tiefpunktes einher.
"Ich will kein Wort hören", fauchte er vor geladener Aggressivität, als er Sheppards Blick auffing, ehe er mit dem Löffel sein Frühstück förmlich erstach, so dass Ronon in schallendes Gelächter ausbrach.
Der einzige, der sich nicht daran beteiligte, war Rodney, der dem Tschechen nicht einmal seine Aufmerksamkeit schenkte. Vielleicht ignorierte er ihn auch schlichtweg, was aber nicht minder seltsam wirkte, war der Kanadier doch sonst sofort dabei, wenn es darum ging, Spott auszuteilen. In diesem Fall musste ihm aber wohl klar geworden sein, dass er ebenso in jener Position hätte sein können, wenn ihm dieses Monsterei nicht in die Hände gefallen wäre, das ihm unwahrscheinlich viele Pluspunkte gebracht hatte.
Zu all der aufgeheiterten Stimmung gesellte sich in jenem Augenblick der Sonnenschein des Tages: Elizabeth Weir.
John musste sich eingestehen, dass er ihre Nervenstärke bewunderte, wenn man bedachte, dass sie stundenlang mit McKay in einem Loch festgesessen hatte. Er wollte lieber nicht wissen, welche verrückten Reden der Kanadier in seiner Panik geschwungen hatte, ganz zu schweigen wie unerträglich er werden konnte, wenn er hungrig war.
Sheppard war stolz darauf, innerhalb der letzten Jahre ein gewisses Maß an Resistenz entwickelt zu haben, aber er gehörte auch zum selben Team und hatte somit mehr Gelegenheiten dazu, im Gegensatz zu Elizabeth.
Sie lächelte, als sie an ihrem Tisch stehen blieb und in die Runde blickte.
Sheppard erwiderte dieses Lächeln bereitwillig. Er schätzte die Expeditionsleiterin sehr; als Freundin. Er kannte die Gerüchte, die immer wieder in Atlantis kursierten, doch davon ließ sich John nicht beeindrucken. Er hätte für Elizabeth jederzeit die Hand ins Feuer gelegt, aber er hatte noch nie Absichten gehabt, die über eine freundschaftliche Basis hinaus gingen und das wusste sie.
"Gentlemen", grüßte sie die Runde freundlich. Offenbar schien sie keinen Schaden aus der traumatisierenden Erfahrung davongetragen zu haben, im Gegensatz zu Rodney und seinem plötzlich Fruchtfanatismus.
"Wie ich sehe, haben sich alle gut von der aufregenden Suche erholt."
Sheppard musste grinsen. Er selbst hatte gute Chancen darauf gehabt, mit der größten Beute den Osterpokal einzuheimsen, wenn er nicht gegen diesen verfluchten Botaniker verloren hätte. Wie war noch gleich der Name gewesen? Parrish?
"Mehr oder weniger", kicherte Ronon frech, mit Blick auf den grummelnden Tschechen, der die Botschaft sehr wohl verstanden hatte und dem mit ein paar tschechischen Flüchen begegnete, die Ronon nicht zu verstehen brauchte, um ihren Sinn erfassen zu können.
Sheppard hingegen beobachtete amüsiert, wie Elizabeth dem Kanadier einen kurzen Blick zuwarf, den dieser aber nur recht vieldeutig erwiderte, ehe er sich wieder seinem Fruchtsalat widmete. Es wirkte, als wäre es Rodney noch immer unangenehm, was am Abend zuvor passiert war.
"Sie offenbar auch", entgegnete der Colonel deshalb grinsend und fing dafür ein vielsagendes Lächeln seitens der Expeditionsleiterin auf. Eigentlich war sie so ziemlich die einzige Person in dieser Stadt, die überhaupt wusste, wie man Rodney unter Kontrolle halten konnte, und doch hatte Sheppard das Gefühl, als stecke noch mehr hinter diesem Lächeln; etwas Geheimnisvolles. Er kam jedoch nicht dazu, diesem Rätsel näher auf die Spur zu kommen, da Elizabeth bereits den nächsten Moment nutzte, um das Thema zu wechseln.
"Ich habe hier noch ein paar Ostergrüße, die die Daedalus mitgebracht hat", verkündete sie feierlich und zog ein paar Umschläge heraus, die bis auf ein Siegel der Regierung völlig schmucklos waren. "Ich soll sie im Namen des Präsidenten verteilen."
Das klang förmlicher, als es eigentlich war. Schon als Sheppard die ihm überreichte Karte öffnete, bestätigte sich sein Verdacht, dass es sich auch dieses Jahr wieder um den gleichen Standardgruß handelte. Es war keine aufmerksamere Geste, als jemandem zu Weihnachten ein Paar Socken zu schenken, aber zumindest bewies es noch, dass man sie auf der Erde nicht ganz vergessen hatte.
"Der Mann hat sich wirklich Mühe gegeben. Sogar selbst unterschrieben", scherzte er sarkastisch, als er die computergedruckte Karte zuklappte und beiseite legte, während Elizabeth nur wissend grinste.
"Genießen Sie Ihren freien Tag", verabschiedete sie sich schließlich höflich, ehe sie sich abwandte und die Cafeteria verließ.
Rodney tat so, als kümmere ihn nicht, was um ihn herum vorging. Weder beteiligte er sich an dem Smalltalk, den "Sunny Sheppard" zum Besten gab, noch schenkte er der lächerlichen Grußkarte Beachtung. Alles nur, um zu verbergen, dass er Elizabeth nicht mehr recht in die Augen sehen konnte. Im Grunde war es schwer zu sagen, was es ihm wirklich so unerträglich machte, aber irgendwie wusste er nicht, wie er mit der Lage umzugehen hatte. Es war doch nichts passiert und trotzdem löste ihre Gegenwart eine ungewohnte Verlegenheit bei ihm aus. Wahrscheinlich hoffte er einfach, dass es so weiter gehen konnte, wie bisher und dieser merkwürdige Zwischenfall in Vergessenheit geriet und gleichzeitig hing an dieser Erinnerung eine bis dahin nie dagewesene Glückseligkeit.
Mit einem Ohr hörte er, wie sich Sheppard und Ronon in ein Gespräch vertieften, an dem der Kanadier aber keine Lust verspürte, sich daran zu beteiligen. Eigentlich konnte nicht mal Radeks lächerlicher Anblick einen Anstoß liefern, ihn aufzuheitern. Viel zu sehr beschäftigte ihn das Wirr-Warr an Gefühlen und Gedanken, das ihm durch den Kopf spukte.
Lautlos seufzend beschloss er, sich doch der Karte zuzuwenden, die er bisher achtlos neben dem Tablett liegen gelassen hatte. Es war eher eine beiläufige Geste, diese zu öffnen, weil er sich nichts daraus machte, leere Worte eines Mannes vermittelt zu bekommen, der nicht mal das Oberhaupt seines eigenen Landes war. Aber schon im nächsten Augenblick stutzt er, als er neben der üblichen Botschaft einen kleinen Zettel vorfand, der in die Karte gelegt worden war.
Verwirrt hob er den Blick und stellte fest, dass seine beiden Teamkollegen zu tief in ihr Gespräch vertieft waren, um seinen verdutzten Gesichtsausdruck zu bemerken. Irgendetwas sagte ihm, dass dieser Extrazettel nichts mit der offiziellen Botschaft zu tun haben konnte.
Unauffällig ließ er ihn unter dem Tisch verschwinden, wo er ihn in Ruhe auseinanderfalten konnte.
Unwillkürlich wanderten seine Augenbrauen nach oben. Der Zettel war nicht unterschrieben, aber die Handschrift machte den Urheber eindeutig; oder besser gesagt die Urheberin.
Ich habe auch ein Geheimnis, das war alles, was auf dem unscheinbaren Papier verzeichnet worden war.
Verwirrt hob er den Blick und sah zur Tür der Cafeteria, durch die Elizabeth verschwunden war. Um ihn herum ging das gewohnte Alltagsleben seinen Gang, doch in Rodney fügten sich alle verstreuten Puzzleteile zu einem Bild zusammen, das ihn aus allen Wolken fallen ließ.
Er wusste, welches Geheimnis sie meinte.

ENDE
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