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[SGA] The core von Ailya

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I can finally see
That you right there beside me
Please don’t let me go
I desperately need you
Owl City - Meteor shower



Mit einem seligen Lächeln auf seinen blassen Lippen beobachtete Baku wie das Ungetüm in den Weiten des Alls seinen recht kurz währenden Kampf ums Überleben verlor. Regungslos lag es da, fast schon unschuldig und unbedeutend. Von hier aus betrachtet wirkte es nicht so furchterregend, wie man es ihm beschrieben hatte. Nein, es wirkte mehr unscheinbar; das dunkle Metall verschmolz mit der Finsternis des Weltraums.
Das Schiff betrachtend, fühlte Baku so etwas wie Bedauern, dass er den Befehl gegeben hatte, es zu zerstören. Großartige Technologie der Vorfahren schied dort draußen in der galaktischen Kälte dahin. Erbarmungslos fraß sich der rotglühende Feuerball durch die Schiffswände, riss jeden Widerstand nieder. Die Explosionen verlagerten sich durch das ganze Schiff, zerrissen es erst in zwei, dann in drei Teile, die langsam, aber unaufhörlich von einander wegdrifteten, hinaus ins All.
Die Gestirne schienen sie mit Jubel aufzunehmen; die Explosion glich einem Freudenfest. Der leere Raum wurde kurz erleuchtet, sonnte sich in der vergehenden Blüte der antikischen Kunst, hüllte sich dann jedoch wieder in ein bedrückendes Dunkel. Ein eiserner Vorhang des Schweigens legte sich über den Ort des Geschehens. Nur noch ein paar vereinzelt durch den Weltraum treibende Trümmerteile erinnerten daran, was für ein majestätisches Schiff sich seinen Weg durch Raum und Zeit gebahnt hatte.
Doch schon bald verloren sich die glühenden Haufen in der kalten Dunkelheit und allein das Leuchten der Himmelskörper blieb zurück. Es war vorbei; nichts erinnerte mehr daran, was geschehen war. Nichts erinnerte mehr daran, was gewesen war. Da war nur noch eine große Leere. Eine große Kälte. Und nicht enden wollende Finsternis.

„ Das war eine törichte Entscheidung.“ Baku drehte sich langsam um und starrte von der kleinen Erhebung, auf der er stand, auf das zarte Wesen hinab, das vor ihm auf dem Boden kniete und widerspenstig zu ihm aufblickte. Wild und ungezähmt blitzten die scharlachroten Augen, ihr blondes, lockiges Haar fiel zerzaust über ihre nackten Schultern und ihren Mund hatte sie bewusst angriffslustig zu einem schmalen, dunkelroten Strich zusammengepresst.
„ Du solltest nicht so engstirnig sein, meine Liebe“, tadelte er sie mit strenger Stimme und schritt galant die Stufen hinab. Besitzergreifend baute er sich vor ihr auf und blickte durch seine roten Augen auf sie hinab.
„ Es war ein Fehler“, knurrte sie. Vor lauter Wut und unterdrückter Verzweifelung bleckte sie ihre perlweißen Zähne. Ein Fauchen brach über ihre Lippen, welches Baku sofort, nur um einiges tiefer und bedrohlicher, erwiderte.
Mit seiner blassen Hand packte er die Fülle ihres blonden Haares und zerrte sie hoch. Sie wehrte sich gegen seine grobe Behandlung und versuchte sich aus seinem Griff zu winden, doch für ihre Anstrengungen hatte er nur ein müdes Lächeln übrig. „ Hör auf so rumzuzappeln“, zischte er und schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Ihr Kopf wurde von der Wucht des Schlages herumgerissen, doch es machte sie nur noch wütender.

Baku ignorierte ihr wildes Schnauben, drehte sich wieder um und starrte ins Weltall hinaus. „ Ohne dein unüberlegtes Handeln wäre es nicht soweit gekommen.“ Er spürte, wie seine bis jetzt unterdrückte Wut ihre Fesseln sprengte und schon in der nächsten Sekunde wirbelte er knurrend herum, machte einen Satz auf sie zu und bekam sie an ihrer Kehle zu packen. Mit aller Gewalt drängte er sie gegen die hinter ihr liegende Wand, presste seinen vor Zorn bebenden Körper gegen den ihren. „ Wir hatten einen Plan.“
„ Du hattest einen Plan, Baku“, erwiderte sie zischelnd. „ Ich hatte von Anfang an etwas gegen diesen Plan. Er war nicht gut durchdacht. Es war Irrsinn. Es hätte zu lange gedauert!“
„ Dein unbändiger Durst hat dich blind gemacht, meine Teure.“ Baku verstärkte den Druck auf ihre Kehle. „ Gefühle haben dich blind gemacht! Du weißt, dass wir Zeit haben, doch du konntest dein Verlangen nicht zügeln. Eine Verbindung zwischen unser beider Arten wird nie möglich sein und das weißt du genauso gut wie ich.“
„ Ich habe es wenigstens in die Hand genommen“, meinte sie aufmüpfig. „ Die Männer wurden ungeduldig.“
Baku lächelte verbittert. „ Ist das der Dank dafür, dass ich dir das Leben gerettet habe?“
„ Du brauchst mich.“
Er schüttelte mit dem Kopf. „ O nein, ich brauche dich nicht. Ich könnte dich jetzt auf der Stelle töten, wenn ich wollte. Aber ich weiß, dass du keine Gefahr mehr für mich darstellst.“

Baku ließ sie los und sie rutschte die Wand hinab. „ Schafft sie mir aus den Augen“, befahl er den zwei Männern, die die Tür des Raumes flankierten. Als sie Hand an die junge Frau anlegten, begann diese sich aus Leibeskräften zu wehren.
„ Damit wirst du nicht durchkommen, Baku“, fauchte sie erzürnt.
„ Das werden wir noch sehen, meine Liebe“, erwiderte er ihr mit einem süffisanten Lächeln. Nickend bedeutete er den beiden Wachen, dass sie sie wegschaffen sollten, doch sie hatten kaum die Tür erreicht, als er sie noch einmal zurückrief. Langsam richtete er sich auf. „ Weißt du, was dein Problem sein wird, Larrin? Noch einmal werden die Männer nicht so einem törichten Unterfangen folgen. Du hast ihnen gezeigt, was für eine schlechte Anführerin du bist.“ Baku schnippte mit den Fingern und seine Männer zerrten sie weiter. „ Und außerdem wirst du für sehr, sehr lange Zeit nicht mehr aus deiner Zelle heraus kommen.“
Larrin stemmte sich mit ihrem Gewicht gegen die beiden Männer, konnte dem ausgeübten Druck ein paar Sekunden lang standhalten. Wütend funkelte sie Baku mit ihren roten Augen an. „ Der Teufel soll dich holen und für immer sollst du im ewigen Feuer der Verdammnis Qualen erleiden.“
Dann schleiften die beiden Wachen sie hinter sich her, aus dem Raum hinaus, in eine Zukunft als Gefangene. So schnell würde man sie nicht aus ihrer Zelle hinauslassen, da war sich Baku sicher.

Mit geschwellter Brust trat er wieder an das Fenster, das in die Wand der Kommandozentrale seines Schiffes eingelassen war, und ließ seinen Blick durch die unendlichen Weiten schweifen. Sein Schiff kreiste im Orbit eines kleinen Planeten; wie ein feiner Schleier hatte sich die Atmosphäre über den ganzen Planeten gespannt. Unter der dünnen Wolkendecke erblickte er Kontinente und das schimmernden Blau der Ozeane. Er wusste, dass das, was er suchte, dort unten war, doch er hatte es nun nicht mehr so eilig dorthin zu gelangen. Wie er es gesagt hatte: Er hatte Zeit.
Atlantis war da unten, er blickte mit allergrößter Wahrscheinlichkeit auf die Stadt der Antiker hinab, ohne dass deren Bewohner davon etwas mitbekamen. Er hatte Zeit, er hatte sehr viel Zeit. Mehr Zeit, als jeder sterbliche Mensch sie je haben würde. Er würde zurückkehren- irgendwann. Und dann würde die Stadt ihm gehören. Ihm ganz allein. Doch er hatte Zeit. Er hatte viel Zeit.
Sein Kinn triumphierend reckend, verschränkte Baku die Arme hinter seinem Rücken und flanierte durch den Raum. Nur noch ein wenig Geduld, überlegte er im Stillen, dann werden sie um Erbarmen wimmern. Im Moment jedoch war es ihm Genugtuung, dass wenigstens einige dieser erbärmlichen Seelen ihr Ende in der Kälte des Weltraums gefunden hatten. Schon bald würden ihnen auch die anderen folgen.
Aber er hatte Zeit…

ooOOoo


Eine unnatürliche Hitze schlug ihr entgegen und Flammen züngelten durch die sich öffnende Tür. Erschrocken wich sie einen Schritt zurück und schlug sich schützend die Hand vor ihre Augen. Rauch und Ruß machten es ihr unmöglich zu atmen… doch sie versuchte es trotzdem. Panisch schnappte sie nach Luft und bei jedem verzweifelten Versuch zogen sich ihre schmerzenden Lungen zusammen.
Tränenblind stolperte sie in die Flammen hinein, die sie voller Erwartung aufnahmen. Glühende Hitze trieb ihr den Schweiß auf die Stirn. Sie hörte sich schreien, als die Flammen begannen, ihre Kleidung und ihre Haut zu versengen. Mit schmerzverzerrter Miene blieb sie stehen- sie konnte einfach nicht weitergehen!
Sie musste hier raus! Ihre Sicht war durch die Tränen und die rauchige Luft verwischt. Sie drehte sich um, stolperte zurück, doch plötzlich hörte sie jemanden ihren Namen rufen. Leise Verzweiflung lag in der Stimme, zu der sie sich umdrehte.
Die hellen Flammen blendeten sie; fast so, als ob sie nicht wollten, dass sie sah, zu wem die Stimme gehörte. Trotzdem erblickte sie ihn nicht weit von sich, umgeben von lodernden Flammen, die schon Besitz von ihm ergriffen hatten und sie unaufhörlich an ihm hochfraßen. Doch sein Gesicht war weder schmerzverzerrt, noch machte er Anstalten sich zu bewegen. Er stand einfach nur da und schüttelte mit dem Kopf. Ein trauriger Ausdruck in seinen Augen verriet Enttäuschung.
„ Nein!“, hörte sie sich selbst rufen, doch es war zu leise, als dass er sie hätte hören können. Ein verzweifelter Schrei bildete sich in ihr, blieb jedoch in ihrer Kehle stecken- übrig blieb nur ein heiseres Krächzen, das von dem Lodern der Flammen verschluckt wurde. Sie streckte die Hand nach ihm aus, genau in dem Moment, als die Flammen die Überhand gewannen und seine ganze Gestalt von hellen Flammen umschlossen wurde. Das Feuer verzerrte ihn, bis nichts von ihm übrig war.
Er schrie nicht, er wand sich nicht vor Schmerzen. Nein, er sah sie bis zuletzt verzweifelt an. Die glühenden Flammen fraßen sich durch sein Gesicht, verunstalteten es.
Einen Moment lang stand die lodernde Gestalt da, starrte in ihre Richtung und fiel dann als ein Häufchen Asche in sich zusammen. Die Flammen wichen von ihm.
Plötzlich wurde es kalt und finster. Das Feuer erlosch. Kälte breitete sich aus. Es blieb nichts als Dunkelheit. Und eine verzweifelt klingende Stimme, deren leises ‚Warum’ durch die dunkle Leere hallte.


Der stechende Schmerz in ihren Herzen riss Elizabeth aus ihrem kurzen, unruhigen Schlaf. Im ersten Moment wusste sie nicht, wo sie war und so rappelte sie sich auf, schaute sich verwirrt um. Das Mobiliar war ihr auf irgendeine Weise fremd aber zugleich auch vertraut. Sie strich über das Bettlaken, auf dem sie geschlafen hatte. Schweißnass lag es unter ihrer Hand, war von ihrem wilden und beunruhigenden Traum zerwühlt.
Elizabeth tastete im Dunkeln nach dem Lichtschalter und fand ihn zu ihrer Verwunderung auch sofort. Schwaches Licht erhellte den Raum und endlich wusste sie, wo sie war. Sie war in ihrem Quartier, in Atlantis. Die letzten Monate an Bord der Artemis hatten sie doch glatt vergessen lassen, wie es aussah.

Mit einem müden Seufzen schob Elizabeth ihre Beine über die Bettkante und strich sich mit der Hand über ihr vom Träumen erhitztes Gesicht. Kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn. Ihre Wangen fühlten sich warm an. Sie fuhr sich durch ihre braunen Haare, strich sie sich aus dem Gesicht. Einige Haarsträhnen klebten an ihrem verschwitzten Gesicht.
In ihrer Brust schlug ihr Herz, ihr Puls raste und trieb ihr Blut durch ihren zitternden Körper. Ausgelaugt, so fühlte sie sich, obgleich sich ihr ganzer Körper auf schmerzhafte Weise anspannte. Sie hatte das Gefühl, dass ihre Muskeln rissen! Die Erinnerungen an ihren Traum verstärkten dieses Gefühl nur noch.

Ihr Traum. Elizabeth schnappte nach Luft. Es war lange her, dass sie einen Traum von solch einer Intensität gehabt hatte. Es war ein Alptraum gewesen… und sie hatte bisher nur wenige Alpträume gehabt. Doch dieser war so real gewesen, dass er ihr selbst jetzt noch Angst einjagte; Schweiß trat aus ihren Poren und lief über ihr Gesicht und ihr Herz schlug schneller.
Es war doch nur ein Traum, wollte sich Elizabeth einreden, doch dann fiel ihr wieder ein, dass es nur eine Wiedergabe der brutalen Realität gewesen war. So sehr sie es sich wünschte, dass es sich nur um einen bösen Traum handelte…

Sie konnte es nicht ändern, dass ihr Gedächtnis sie an die schrecklichen Ereignisse erinnerte. Die Intensität der Bilder in ihrem Kopf und dass es so schnell kam überraschte sie. Noch nie zuvor hatte sie sich nur wenige Stunden danach mit solchen Erinnerungen konfrontiert. Es hatte sonst immer Tage, manchmal sogar Wochen gedauert, aber dieses Mal war es anders. Es war schlimmer. Es war beunruhigender. Es war so real.

Elizabeth richtete sich auf. Ihre Glieder schmerzten, doch sie ignorierte das. Zielsicher steuerte sie auf ihr Bad zu, warf im Vorbeigehen noch einen schnellen Blick auf die Uhr, die an ihrer Wand hing und leise vor sich hintickte. Kurz nach vier Uhr nachmittags. Um diese Uhrzeit hatte sie noch nie geschlafen.
Die Fliesen unter ihren Füßen waren kalt und irgendwie empfand Elizabeth das als eine Erleichterung. Barfuss schlurfte sie zum Waschbecken, drehte den Wasserhahn weit in den blauen Bereich und klatschte sich eine Hand voll des kalten Wassers in ihr Gesicht. Still betrachtete sie ihr Spiegelbild; sie war blass, dunkle Ringe lagen unter ihren Augen und sie fand, dass ihre Wangen ziemlich eingefallen aussahen.
Ganz langsam perlte das Wasser an ihrem Gesicht ab und erst als auch der letzte Tropfen zu Boden gefallen war, griff sie überflüssigerweise nach dem Handtuch, das neben dem Waschbecken lag, trocknete sich das Gesicht ab. Das eiskalte Wasser hatte seine Wirkung nicht verfehlt; eine leichte Röte stahl sich über ihre Wangen und selbst ihre eben noch müden grünen Augen, glänzten ein wenig.

Trotzdem lag auf ihrem Gesicht ein trauriger Ausdruck und in ihren Augen spiegelte sich das Geschehen der letzten Stunden wieder. Tiefe Falten zogen sich über ihre Stirn.
Es wurde zerstört. Sergeant Chucks Worte hallten in ihrem Kopf wieder- immer und immer wieder. Sie bekam heftige Kopfschmerzen davon- so intensiv waren die Erinnerungen. Das Schiff- es wurde zerstört. Wurde zerstört. Zerstört. Zerstört. Flammen. Feuer. Hitze. Noch mehr Flammen. Vernichtung. John. Tot. Weg.

Elizabeth riss ihre Augen auf, wusste nicht, warum sie sie geschlossen hatte. Sie schüttelte mit dem Kopf, um alle Gedanken loszuwerden und das Chaos in ihrem Kopf zu ordnen. Es klappte auch, nur der Gedanke, den sie eigentlich hatte loswerden wollen, spukte noch immer in ihrem Hirn herum. Er schien sich dort eingebrannt zu haben.
Das Schiff wurde zerstört. John ist tot.

Eine Welle von Gefühlen und unterdrückten Emotionen stieg in Elizabeth auf und sie konnte nicht verhindern, dass ein lautes Schluchzen über ihre Lippen brach. Sofort schlug sie sich die Hand vor den Mund. John ist tot. Tot. Nicht mehr am Leben. Tot.
Niemand hatte ihr das bestätigen wollen, doch das brauchte sie auch nicht. Schon als er nicht unter den anderen gewesen war, wusste sie, dass etwas passiert sein musste. Sie war sich sicher gewesen, dass er es schaffen würde. Doch dann war er nicht im Gaterium gewesen. Sie hatte ihn in der Menge nicht gesehen. Sie hatte ihn nicht gesehen; er hatte nicht versucht Ordnung in die Panik zu bringen, denn er war nicht da gewesen! Sie waren allein nach Atlantis zurückgekehrt, ohne ihn. Er musste noch an Bord gewesen sein… und nun war er tot! Niemand hätte diesem Inferno entkommen kommen…

Elizabeth schluckte, als sie die wahre Bedeutung verstand; John Sheppard war noch an Bord gewesen, umgekommen in den Flammen. Allein. Tot.
‚ Nein’, schrie es in ihrem Innern, als sie sich fassungslos mit dem Kopf schüttelnd auf die Bettkante sinken ließ. Tot. Sie hatten ihn zurückgelassen. Dabei hatten sie einander geschworen, nie jemanden zurückzulassen. Und jetzt hatte sie es doch getan…
Sie fühlte sich auf einmal unglaublich schlecht und es kratzte säuerlich in ihrem Hals. Elizabeth kniff die Lippen zusammen, wollte sich nicht übergeben. Es war für sie schon immer ein Zeichen der Schwäche gewesen. Sie wollte aber nicht schwach sein. Sie wollte stark sein. Stark für sich. Stark für alle anderen. Stark für John. Er hätte es mit Sicherheit nicht gewollt, dass sie sich jetzt von ihren Gefühlen übermannen ließ.
„ O verdammt“, murmelte Elizabeth heiser, beugte sich nach vorne und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Sie atmete tief ein und dann wieder aus. Dennoch wollte ihr es nicht gelingen die Situation mit klarem Kopf zu sehen.
Sie saß schluchzend und weinend auf ihrem Bett, fühlte sich unsagbar mies und schlecht. Eigentlich sollte sie sich freuen! Sie war wieder zuhause! Sie hatte es geschafft!
‚Freu dich’, verlangte ihre innere Stimme von ihr. Für Elizabeth war das jedoch ein unmögliches Unterfangen. Wie sollte sie sich jetzt freuen? Sie war wieder daheim, doch sie verband einen tiefen Schmerz damit. Wie sollte sie sich freuen, ohne an den Verlust ihres lieben Freundes zu denken?

Das Surren an der Tür, das einen Besucher ankündigte, der darauf wartete, dass sie ihm öffnete und hereinließ, riss Elizabeth aus ihren harschen Selbstvorwürfen. Schwach hob sie ihren Kopf und schaute zur Tür. Sie hatte eigentlich keine Lust jemanden zu empfangen, also entschloss sie sich dazu, einfach sitzen zu bleiben. Niemals zuvor hatte sie einen solchen Gedanken gehegt und auch jetzt fühlte sie sich nicht gut dabei. Ihre bedauerliche Lage gab ihr nicht das Recht, andere zu vernachlässigen.
Obwohl sie sich nicht danach fühlte und sie viel lieber für sich allein gewesen wäre, erhob sich Elizabeth mit dem zweiten, deutlich nervöseren Surren. Während sie auf die Tür zumarschierte, versuchte sie ein einigermaßen normales Gesicht aufzusetzen.
‚ Ich muss aussehen wie ein gequälter Zirkusclown’, dachte sie und seufzte. Sie fuhr mit ihrer Hand über das Wandpanel. Sich noch immer ein nettes Lächeln ins Gesicht zwingend, beobachtete Elizabeth wie die beiden Türhälften mit dem gewohnten Zischen auseinanderglitten. Ihr krampfhaftes Lächeln fiel in sich zusammen und sie verspürte ein unangenehmes Ziehen in ihrer Brust.
„ Teyla.“ Das war alles, wozu sie in der Lage war. Mehr wollte ihr einfach nicht einfallen, als sie die Athosianerin vor sich stehen sah, mit verweinten Augen und einer unnatürlich blassen Gesichtsfarbe.
„ Ich…ich wusste nicht, wo ich hingehen sollte“, erklärte Teyla stotternd. „ Und da... ich dachte… vielleicht…“
Von Mitleid bewegt, hakte sich Elizabeth bei ihrer Freundin unter und geleitete sie in ihr Quartier. Teyla stützte sich auf ihren Arm, geschwächt vom Weinen zitterte sie am ganzen Körper. Sie schniefte, als Elizabeth ihr half, sich hinzusetzen.
„ Ich wollte Sie nicht stören“, sagte sie leise und ohne jeden Ausdruck in ihrer Stimme. Ihre braunen Augen schimmerten, als sich neue Tränen in ihren Augenwinkeln zu sammeln begannen. Elizabeth setzte sich neben sie auf das Bett und legte ihr nach kurzem Zögern den Arm um die Schulter.
„ Sie können immer zu mir kommen, Teyla“, entgegnete sie, „ wann immer Sie wollen.“
„ Es…es ist alles so schrecklich“, schniefte die Athosianerin und schlug sich eine Hand vor den Mund. Ihre Unterlippe bebte, ein lautes Schluchzen drang aus ihrer Kehle. Sie versuchte die Tränen wegzublinzen und sackte nach vorne weg, als ihr das nicht gelingen wollte. Ohne etwas zu sagen, fing Elizabeth sie ab, zog sie wieder hoch und drückte sie an sich.
Teylas Schultern flatterten krampfhaft auf und ab, während sie weinte, und sie lehnte sich vollends gegen Elizabeth. Ihre Tränen durchfeuchteten das Shirt der Expeditionsleiterin, die selber mit ihren Gefühlen zu kämpfen hatte. Sie wusste, dass Teyla es durch die Schwangerschaft viel schwerer hatte, doch in diesem Punkt- ihrer unerdenklichen Trauer um einen Mann, der sein Leben hatte lassen müssen- waren sie beide gleich.
„ Ich dachte, ich hätte ihn wieder“, schluchzte Teyla atemlos gegen Elizabeths Schulter. „ Und dann…dann wird er mit wieder genommen.“

Elizabeth merkte, wie die Athosianerin in ihrem Arm zusammensackte- die Emotionen und die Anspannungen der letzten Wochen ließen sie zusammenknicken wie einen morschen Ast. Für eine Frau in ihrem Zustand hatte Teyla eine unsagbar große Last auf ihren Schultern getragen und nun war der Zeitpunkt gekommen, an dem sie es nicht mehr schaffte. Wie oft hatte sie in den letzten Wochen und Monaten um das Leben des Mannes gebangt, den sie liebte und der der Vater ihres Kindes war. Wie oft hatte sie gezittert und geweint, wenn sie glaubte, dass keine Hoffnung mehr bestand. Und wie sehr hatte sie sich gefreut, wenn er doch wieder zu ihr zurückgekehrt war, wenn er sie in die Arme geschlossen hatte und ihr leise ins Ohr geflüstert hatte, wie sehr er sie doch liebte.

Elizabeth hatte die beiden immer wohlwollend beobachtet und nun erfand sie es als eine Farce, dass das Schicksal immer wieder dazwischen geschlagen hatte. Wieso gönnte es dem Paar sein Glück nicht?

Ganz langsam begann sich Teyla in ihrem Arm zu entspannen, ihr Atmen wurde ruhiger und auch ihre Tränen wurden allmählich weniger. Mit einem zittrigen Seufzen löste sie sich schließlich aus der Umarmung und rutschte vor, auf die Kante des Bettes. Sie wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln, zupfte an ihren zerzausten Haaren herum und legte dann ihre Hand auf ihren Bauch.
„ Ich werde noch heute nach Neu Athos reisen“, nahm die Athosianerin schließlich das Gespräch wieder auf. Sie wirkte nunmehr gefasst und fast schon ein bisschen sachlich.
Elizabeth legte ihre Hand auf Teylas. „ Sind Sie sicher, dass es noch nicht zu früh ist? Vielleicht sollten Sie lieber noch ein paar Tage hier bleiben. Ich werde Carson sagen, dass er sich um Sie kümmern soll.“
„ Nein.“ Teyla schüttelte mit dem Kopf. „ Die Feierlichkeiten zu Gedenken an die Antiker sind meinem Volk und damit auch mir sehr wichtig. Und außerdem fühle ich mich meinem Kind gegenüber verpflichtet.“ Sie hielt kurz inne und streichelte sich liebevoll über den Bauch. „ Es soll die Kultur seiner Eltern kennenlernen und da…“ Der Rest ihres Satzes ging in einem Schluchzen unter.
Elizabeth nahm sie wieder in den Arm, wiegte sie hin und her wie ein kleines Kind. „ Sie erinnern sich, dass ich sagte, Ihr Kind wird hier eine Familie haben?“
Teyla nickte.
„ Sie sind mit der Sache nicht allein, Teyla. Man wird sich hier um Sie und das Baby kümmern.“ Elizabeth vergoss selbst ein paar Tränen.
„ Es…es ist aber nicht das Gleiche“, wimmerte die Athosianerin. „ Allein der Gedanke, dass mein Kind ohne Vater aufwachsen muss, ist für mich nur schwer zu ertragen.“ Sie blickte auf. „ Ich habe Angst, Elizabeth. Ich habe Angst vor dem, was kommen mag. Ich…ich kann einfach nicht glauben, dass es diesmal für immer ist.“
„ John wird immer bei Ihnen sein“, sagte Elizabeth sanft. „ In Ihren Erinnerungen und in Ihrem Herzen. Und Ihr Kind wird Sie immer daran erinnern, wie sehr sein Vater Sie geliebt hat. Er wird Sie nicht allein lassen.“ Elizabeth legte ihre Hand an Teylas Brustkorb. „ Er wird immer bei Ihnen sein.“
Widererwarten brach Teyla nicht in Tränen aus sondern hob ihren Kopf und blickte Elizabeth durch ihre braunen Augen an. „ Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich zu begleiten? Ich…ich würde mich besser fühlen, wenn ich nicht so allein wäre.“
Elizabeth nickte. „ Ich würde Sie sehr gern begleiten, Teyla. Sehr gerne sogar.“

ooOOoo


Stark, schwarz und wohlduftend- perfekt! Rodney legte seine Hände um die Tasse und führte sie erwartungsvoll an seine Lippen. Er schloss voller Wonne die Augen, ließ das koffeinhaltige Gebräu genüsslich seine Kehle hinablaufen und kam zu dem Schluss, dass es sich hierbei um den perfekten Kaffee handelte. Hach, wie sehr hatte er dieses wohlschmeckende Getränk doch vermisst! Er konnte sich gar nicht ausmalen, dass er es tatsächlich so lange geschafft hatte. War da doch nur dieses billige Instentzeugs gewesen, das doch tatsächlich als Kaffee bezeichnet worden war. O nein, es mochte vielleicht ein Heißgetränk gewesen sein, aber kein Kaffee! Kaffee hatte so auszusehen, wie die köstliche Flüssigkeit in Rodneys Tasse. Ja, das war Kaffee!

Rodney genoss jeden Schluck und stellte die Tasse ein kleines bisschen bedauernd zurück auf die Tischplatte, nachdem er auch den letzten Tropfen genüsslich getrunken hatte. Kaum hatte er dies getan, kam auch schon wieder das bedrückende Gefühl, weshalb er nun schon die sechste Tasse Kaffee getrunken hatte. Merkwürdigerweise vergaß er alles um sich herum, wenn er entweder aß oder einen Kaffee trank. Und so war es ihm auch in den letzten Minuten ergangen: Er hatte schlichtweg alles vergessen.
Doch nun kehrte alles wieder zurück und Rodney wünschte sich nichts sehnlicher, als erneut aufzuspringen und in die Kantine zu eilen. Aber schon beim letzten Mal hatte ihn der Koch schräg angeschaut und deshalb entsann sich Rodney, einfach sitzen zu bleiben und die in ihm wütende Emotionsflut einfach zu ignorieren.
Er schnappte sich den Tablettlaptop, den Radek unwissend hatte liegen lassen, und überflog die Berechnungen des Tschechen. Tzz, er arbeitete also noch immer an diesem Windmühlenprojekt! Das war doch reine Zeitverschwendung! Und dafür hatte er acht Monate gebraucht?
‚ Halt’, korrigierte sich Rodney selbst. Vergaß er doch, dass hier nicht einmal drei Stunden vergangen waren. Die Zeit innerhalb des Schiffes war um einiges schneller gelaufen; acht Monate waren für ihn und die anderen vergangen, während hier auf Atlantis niemand etwas davon geahnt hatte. Sie waren sogar noch innerhalb der Zeit eingetroffen! Major Lorne hatte sie erst in drei Stunden zurückerwartet! Paradox, fand Rodney. Da bangten sie um ihr Leben und wurden dann völlig verblüfft hier empfangen!

Wieder war da wieder dieser Schmerz, aber diesmal konnte Rodney ihn nicht ignorieren. Es war der Schmerz eines Verlustes, den die Expedition an diesem Tag zu beklagen hatte. Es war der Verlust eines befähigten Mannes. Der Verlust eines guten Freundes. Der Verlust von John Sheppard.
Rodney konnte noch immer nicht begreifen, was sich in den letzten Stunden als brutale Realität herausgestellt hatte. Irgendetwas war dort oben, an Bord der Artemis, schief gelaufen- irgendetwas, mit dem sie alle nicht gerechnet hatten. Nicht einmal er selber! Wie also hätte ein John Sheppard damit rechnen können? Und nun hatte er damit fertig zu werden, dass sein Teamkollege, sein Freund… dass John tot war. Tot. Das Wort klang so unwirklich. Rodney war sich sicher gewesen, dass es diesen Ausdruck in John Sheppards Wortschatz gar nicht gab, doch er war auf so schreckliche Weise in dieser Annahme korrigiert worden.
John war tot- umgekommen an Bord der Artemis- und nichts würde ihn zurückbringen. Selbst wenn es dort oben irgendwo ein Wesen gab, das über alles wachte… Rodney bezweifelte es und das tat ihm schrecklich weh. Wieso traf das Schicksal immer nur Leute, bei denen im Leben gerade alles gut lief? Sein Freund war zufrieden mit seinem Beruf, er war verliebt und seine Frau erwartete ein Kind. Da stellte sich nur die Frage nach dem Warum.
Warum tat das Schicksal so etwas? Konnte es zur Abwechslung nicht mal jemanden anderes treffen?

Rodney blickte widerwillig auf, als er hörte, dass jemand in sein Labor gekommen war. Zwei blaue Augen sahen verständnisvoll zu ihm herüber und ein mitleidsvolles Lächeln stahl sich über ein hübsches Gesicht.
„ Es tut mir so leid, Rodney“, sagte Samantha Carter leise. „ Ich kann es noch immer nicht fassen, dass er… tatsächlich tot ist. Dabei war er doch so glücklich.“
‚ Das war er’, dachte Rodney nur, erwiderte seiner Kollegin aber nichts. Er sah, dass sie zwei Tassen Kaffee in den Händen hielt und musste unwillkürlich schmunzeln. Scheinbar ging es nicht nur ihm nach einem ordentlichen Kaffee besser.
Sam reichte ihm die Tasse und setzte sich ihm dann gegenüber. Sie sagte nichts, er sagte nichts- sie saßen einfach nur da und tranken jeder seinen Kaffee. Rodney seufzte, als die wohlige Wärme seinen Körper durchströmte und als er fühlte, dass er sich langsam wieder besser fühlte.
„ Es ist alles so schrecklich“, platzte es plötzlich aus Sam heraus und sie schüttelte fassungslos ihre blonde Mähne. „ Wie konnte es nur so weit kommen? Was ist schief gelaufen?“
„ Das Schiff ist explodiert“, sagte Rodney und fand schon im nächsten Augenblick, dass das extrem kalt geklungen hatte. Er suchte nach einer Möglichkeit sich zu verbessern, aber Sam schien zu verstehen, was er wirklich beabsichtigt hatte zu sagen.
„ Ob er versucht hat dem irgendwie zu entkommen?“, fragte sie leise.
„ Wo hätte er denn hinsollen?“, stellte Rodney die Gegenfrage.
„ Wenigstens hat es nicht so lange gedauert“, sinnierte Sam, nippte an ihrem Kaffee. „ Wann meinen Sie, wird seine Beisetzung stattfinden?“
Rodney sträubte innerlich auf. Wie konnte sie sich jetzt schon Gedanken darüber machen? Es war doch gerade mal ein paar Stunden her! „ Ich habe keine Ahnung“, antwortete er, ließ seine Empörung nicht nach draußen durchschimmern. „ Wieso fragen Sie?“
„ Wir werden noch heute zur Erde zurückreisen“, sagte Sam. „ Das IOA erwartet einen vollständigen Bericht.“ Sie verdrehte ihre blauen Augen. „ Fragen Sie mich nicht, wo die das schon wieder herhaben. Woolsey scheint seine Augen und Ohren wirklich überall zu haben.“
„ Heute noch?“, wiederholte Rodney.
Sam nickte. Sie stellte ihre Tasse auf dem Tisch ab und sah den Kanadier ernst an. „ Hören Sie, Rodney, ich weiß, dass es eine schwere und ungewöhnliche Zeit war. Aber ich wollte Ihnen sagen, dass ich… ich unsere Zusammenarbeit sehr genossen habe.“
„ Nach acht Monaten kommen Sie zu dem Schluss?“, erkundigte sich Rodney grinsend. Hatte sie ihn gerade als einen talentierten Wissenschaftler bezeichnet?
„ Hey, ich bin immer noch die Bessere von uns beiden“, sagte sie schnell und vorbei war sein Traum. „ Ich will nur sagen, dass es nicht so schlecht war.“
„ Sie haben gesagt, dass Sie es genossen haben“, griente Rodney.
„ Kommen Sie nicht auf irgendwelche abwegige Gedanken“, mahnte Sam ihn und nahm dann wieder ihre Tasse an sich. Seufzend meinte sie dann: „ Ich werde dann jetzt gehen. Wir sehen uns dann zur… Beisetzung.“ Es war komisch dieses Wort aus ihrem Mund zu hören, aber Rodney nickte.
„ Jaja“, sagte er. Beisetzung. John Sheppards Beisetzung. Er konnte es einfach nicht glauben! Nein, er wollte es einfach nicht glauben!

ooOOoo


Halling hob seinen Kopf und blickte in den Himmel hinauf. Die Sonne war bereits vor ein paar Stunden untergegangen und der Himmel würde bald von Millionen von Sternen übersät sein und in einem tiefen Schwarz schimmern. Er liebte den Nachthimmel und er liebte es, ihn zu betrachten.
Er seufzte und streckte seine Hände nach den wärmenden Flammen des Feuers aus. Die Tage waren heiß, doch die Nächte konnten noch sehr kalt werden. Es würde noch ein paar Wochen dauern, bis sie auch nachts wegen der drückenden Wärme kein Auge mehr zutun würden.

Der Athosianer neigte seinen Kopf, als er im Augenwinkel einen Schatten auf sich zukommen sah, der sich dann neben ihm auf dem umgefallenen Baum niederließ und ebenfalls in die hellen Flammen blickte.
„ Glaubst du, sie wird kommen?“, hörte er den jungen Mann sorgenvoll fragen.
„ Du solltest dich hören, mein Freund“, lächelte Halling. „ So ungeduldig habe ich dich ja noch nie erlebt.“
„ Ich habe sie seit Jahren nicht mehr gesehen.“ Ein Seufzen. „ Ich bin so gespannt, ob sie sich verändert hat.“
Halling legte ein Stück Holz nach und trat einen Funken aus, der das in der Nähe liegende Gras entzündet hatte. „ Sie wird ganz gewiss kommen. Teyla hat noch nie eines unserer Feste versäumt. Sie ist eng mit den Traditionen unseres Volkes verbunden. In dem Punkt ist sie dir sehr ähnlich, Kanaan.“
Der junge Mann lächelte, seine braunen Augen funkelten. „ Erinnerst du dich an früher? Wie Teyla und ich immer die ganze Siedlung verrückt gemacht haben?“
Halling schmunzelte. „ Wie könnte ich das vergessen? Ich habe hinterher immer alles ausbaden müssen. Natürlich erinnere ich mich daran. Ihr beide habt immer die Kleider deiner Schwester geklaut und es dann mir in die Schuhe geschoben.“
„ Jaja, das haben wir“, erinnerte sich Kanaan und wandte sich dann fragend an den ein paar Jahre älteren Halling. „ Warum hast du dir das immer alles gefallen lassen?“
„ Möglicherweise weil ihr mich an meine eigene Kindheit erinnert habt“, überlegte Halling stirnrunzelnd. „ Und weil ihr beiden einfach niedlich zusammen wart. Habt immer so getan, als könntet ihr kein Wässerchen trüben, doch ihr hattet beide einen Schalk im Nacken.“
Kanaan lächelte, wurde dann aber seltsam still. Er legte das Kinn auf seine gefalteten Hände ab und starrte wieder ins Feuer. Die Schatten der Flammen zuckten über sein Gesicht, vollführten einen bizarren Tanz.
„ Du hast sie vermisst, nicht wahr?“, fragte Halling, ohne sein Gegenüber anzusehen. Das Feuer brannte ziemlich schnell runter und er legte ein weiteres Holzscheit nach. Sofort fraßen sich die Flammen brutzelnd durch das trockene Holz.
„ Ich bin viel rumgekommen.“ Kanaan lehnte sich zurück. „ Ich habe viel gesehen, doch da war nichts, was mich wirklich erfüllt hat.“ Er spielte gedankenverloren mit einem dünnen Ast herum. „ Ich habe unsere Gemeinschaft vermisst, die Geborgenheit, die Wärme. Die Reisen waren toll, aber…“
„ Du überlegst, ob du zurückkehrst.“ Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage. Halling freute sich, dass Kanaan in Betracht zog, dieses Mal länger zu bleiben und nicht gleich wieder weiterzureisen.
Sein Gegenüber warf den dünnen Ast ins Feuer, das ihn binnen Sekunden hungrig verzerrte. „ Ich sehne mich einfach nach ein bisschen Frieden, nach meinen Freunden, nach einer Familie. Das war mir auf meinen Reisen nicht möglich.“
Halling legte ihm eine Hand auf die Schulter. „ Sei gewiss, dass wir dich gerne wieder in unserer Mitte aufnehmen werden. Und Teyla ganz besonders. Sie redet schon seit Wochen von nichts anderem mehr, als von deiner Rückkehr.“
Kanaan lächelte. „ Sie scheint sich nicht verändert zu haben.“
„ Sie ist eine gute Anführerin geworden“, sagte Halling, „ und sie vertritt unser Volk sehr gut in der Stadt der Vorfahren. Die Menschen von der Erde sind sehr gut zu ihr.“
„ Hat sie dort Freunde?“, wollte Kanaan wissen. „ Ist sie zufrieden?“
„ O sie hat sehr viele Freunde. Die Leiterin, Dr. Weir, ist sehr nett. Sie ist in einem guten Team und man ist gut zu ihr.“ Halling hielt kurz inne. „ Ja, ich denke sie ist dort sehr zufrieden.“ Neugierig schaute er den jüngeren Mann an. „ Wieso interessiert dich das?“
„ Ich hatte gehofft, ein bisschen mehr Zeit mit Teyla verbringen zu können“, antwortete Kanaan. „ Es ist so lange her und wir haben viel zu reden.“
Halling konnte sich ein belustigtes Lächeln nicht verkneifen, als er im Licht der Flammen sah, wie Kanaan am Haaransatz leicht errötete und seinem forschenden Blick konsequent auswich. Hätte er es sich doch denken können.
„ Es ist nicht so, wie du es jetzt vielleicht denkst“, warf Kanaan schnell ein, als er den Blick seines Freundes bemerkte.
„ Es ist nichts Verwerfliches, dass du Interesse an Teyla hegst, mein Freund“, beruhigte Halling ihn amüsiert. „ Sie ist eine wirklich ansehnliche Frau geworden. Und außerdem war ihr Vater ja damals schon von dir begeistert.“
„ Dinge ändern sich“, merkte Kanaan an. „ Außerdem ist Torren schon lange nicht mehr unter uns.“
„ Du sagst es- Dinge ändern sich.“ Halling ließ seinen Gedanken freien Lauf und folgte mit seinem Blick einem unruhigen Funkenflug, der gen Nachthimmel strebte. „ Vielleicht liegt es auch an uns, Dinge zu verändern.“
Kanaan lehnte sich nach vorne, stützte seine Ellenbogen auf seine Knie. „ Hat sie jemanden?“, erkundigte er sich verhalten, fast schon schüchtern.
„ Diese jungen Leute“, lachte Halling auf, antwortete dann aber in einem ernsten Ton: „ Sie hat mir gegenüber von einem Mann erzählt, zu dem sie etwas mehr empfindet als nur Freundschaft. Doch scheinbar scheint dieser Mann nichts von ihren Gefühlen zu wissen und bei ihrem letzten Besuch hat sie ihn nicht mehr erwähnt. Wenn du nun gedenkst hierzubleiben…“
„ Ich bin nicht gewillt, das so schnell zu ändern“, sagte Kanaan. „ Ich möchte es langsam angehen lassen.“
„ Dieser Mann scheint ihr viel zu bedeuten. Du solltest nicht zu lange zögern“, riet Halling ihm.
Verwundert sah der jüngere Mann ihn an. „ Was meinst du damit?“
„ Wer weiß.“ Halling zuckte mit den Schultern und beugte sich vor, um ein weiteres Stücks Holz nachzulegen. Als er wieder hochkam sah er Kanaan lange und wissend an. „ Mich würde es nicht wundern, wenn Teyla noch die eine oder andere Überraschung für uns parat hat. Das ist ihre Art.“

Er sah, dass Kanaan den Mund öffnete, um ihm zu erwidern, doch er schloss ihn gleich wieder. Nachdenklich lehnte er sich wieder zurück, legte seinen Kopf in den Nacken und betrachtete den Sternenhimmel. Halling sann selber über seine Worte nach. Ganz in der Nähe erschall Kinderlachen und als er aufblickte, sah er Noomi und Lilan auf sich zu eilen. Die beiden Mädchen hatten einander untergehakt und stolperten aufgeregt durch das unwegsame Gelände. Als sie dem Feuer näher kamen, wurden sie langsamer und Halling konnte erkennen, dass sie ihre feinsten Kleider trugen und dass sie ihre Haare zu zwei Zöpfen geflochten hatten.
„ Seht euch an“, begrüßte er sie, als sie etwas außer Atem vor ihm zum Stehen kamen.
„ Gefällt dir mein Kleid?“, fragte Noomi.
„ Es gefällt mir sehr gut“, antwortete Halling, fügte dann hinzu: „ Dein Kleid gefällt mir auch, Lilan. Ihr seid zwei wirklich hübsche junge Damen. Eure Eltern können wirklich stolz auf euch sein.“
Die beiden Mädchen strahlten und ihre Augen funkelten. Noomi, die mutigere von beiden, wandte sich an Kanaan: „ Findest du auch, dass unsere Kleider hübsch sind?“

Halling achtete nicht zu sehr auf die Antwort seines Freundes. Es faszinierte ihn, was für ein Vertrauen die beiden Mädchen in ihn setzten, obwohl sie ihn kaum kannten. Das letzte Mal war Kanaan in der alten Siedlung gewesen, als sie drei Jahre alt waren.
Lilans Wangen waren leicht errötet, als sie sich von ihrer Freundin löste und Halling mit ihrer klaren, kindlichen Stimme ansprach. „ Weißt du was?“
Halling nahm sie und setzte sie sich auf seinen Schoß. „ Nein, aber du wirst es mir sicher gleich sagen, nicht wahr?“
Die Kleine berichtete aufgeregt: „ Wir haben gesehen, wie ein Stern von Himmel gefallen ist.“
„ Ein Stern, wirklich?“
„ Ja. Ein ganz, ganz großer.“ Lilan versuchte die Größe des Sterns mit ihren kleinen Händen wieder zu geben.
„ Wo habt ihr denn diesen Stern gesehen?“, fragte Halling das Mädchen.
„ Dort hinten“, antwortete nun Noomi, deutete in die Richtung der Berge und zog ihren Finger dann schnell wieder zurück. Sie hatte bemerkt, dass sie sich verplappert hatte. Seit jeher wurde den Kinder eingeflösst, dass sie nicht in der Nähe der Bergkette zu spielen hatten. Das Portal lag ganz in der Nähe und nur so konnte man sie im Falle eines Angriffs beschützen.
„ Dort hinten?“, wiederholte Halling und beschloss nicht böse mit den beiden Kleinen zu sein. Er selbst hatte immer gerne am Portal gespielt, obwohl man es ihm verboten hatte.
„ Jaja“, nickte Lilan. „ Es war ein ganz großer Stern. Er hat richtig geglüht und ist dann mit einem lauten Knall auf die Erde gefallen. Willst du ihn sehen? Er liegt nämlich dahinten.“
„ Onkel Halling?“ Noomi zupfte an Hallings Hemdärmel. „ Leben die Vorfahren auf den Sternen?“
Halling stupste der Kleinen gegen ihre Nase. „ Du kennst doch die Geschichten, Noomi. Die Sterne sind Geschenke für die Kinder der Vorfahren.“
„ Dann leben also keine Vorfahren auf den Sternen?“, wollte Noomi wissen. Sie klang ein kleines bisschen enttäuscht.
„ Nein.“ Halling schüttelte mit dem Kopf.
Lilan sprang von seinem Schoss und sah ihn mit ihren großen blauen Augen fragend an. „ Und wieso ist dann einer aus dem Stern geklettert?“

Halling wurde klar, dass es sich bei dem, was die Mädchen gesehen hatten, nicht um einen Stern handeln konnte. Deshalb beantwortete er Lilans Frage noch und schickte die Mädchen dann weg. Er musste sich vergewissern, dass alles in Ordnung war.
„ Ich bin bald wieder zurück“, sagte er zu Kanaan, der noch immer neben ihm saß. Kaum hatte er dies getan, erhob sich der jüngere Mann allerdings.
„ Ich werde dich begleiten“, verkündete er, schob mit der Spitze seines Schuhs trockene Erde über das Feuer, erstickte die Flammen.

TBC
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