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[SGA] The core von Ailya

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Die Nacht ist voller Augenblicke, die man am liebsten nie aufgeben möchte.


„ Sie hätten sein Gesicht sehen sollen, als ich rief `Sir, in Deckung`!“ Col. Cameron Mitchell wedelte lachend mit seinen Pokerkarten vor seinem Gesicht herum. „ Das ist wirklich’ ne Nacht gewesen… Landrys Gesichtsausdruck ist wirklich unbezahlbar gewesen, nicht wahr Sam?“
Samantha Carter erwiderte ihrem Teamkollegen ein amüsiertes Grinsen und erinnerte sich nur zu gern an die verdatterte Grimasse ihres Vorgesetzten, damals in den Wäldern von Colorado. „ Ja, die war wirklich einmalig.“
„ Schade, dass niemand eine Kamera dabei hatte“, meinte Cameron bedauernd, studierte die Karten in seinen Händen ausgiebig. „ Das wäre `der` Schnappschuss gewesen. Wirklich.“

Lt. Matt Scott, der den beiden Mitgliedern von SG1 gegenübersaß und seine Karten ebenso angestrengt und konzentriert angestarrt hatte, ächzte auf und warf die Spielkarten auf den Tisch. „ Ich passe.“
„ Was!?“ Greg Everett sah ihn entsetzt an. „ Hey, Kumpel, das können Sie mir nicht antun. Ich gewinne!“
Scott schnitt seinem Kollegen eine Grimasse. „ Ja… Sie gewinnen.“ Er schnaubte abschätzig, nippte an seinem Getränk und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „ Ich passe.“
Everett schüttelte mit dem Kopf. „ Ich bin schwer enttäuscht von Ihnen, Mann. Das hätte unser Ding werden können… Ihrs und meins. Wollen Sie die beiden etwa gewinnen lassen?“
„ Hochmut kommt vor dem Fall, Lieutenant“, grinste Mitchell und zwinkerte unmerklich in die Richtung der beiden Soldaten. „ Also, an ihrer Stelle würde ich den Mund nicht so voll nehmen.“
„ Woher soll ich wissen, dass Sie nicht bluffen, Sir?“, fragte Everett und musterte den ranghöheren Offizier skeptisch mit gerunzelter Stirn.
„ So was würde ich nie tun“, bürgte der Teamleader von SG1 und griff nach seinem Glas. „ Außerdem steht viel zu viel auf dem Spiel.“
„ Eine Flasche Scotch?“ Samantha Carter lächelte. „ Noch dazu illegal besorgt?“
„ Illegal würde ich es nun nicht gerade bezeichnen“, erwiderte Mitchell. „ Es war eher eine notwendige Besorgung.“
Die blonde Astrophysikerin schüttelte amüsiert mit dem Kopf, sah erst ihn an und dann die beiden mit am Tisch sitzenden Soldaten. „ McKay wird Sie umbringen, wenn er das erfährt. Das ist Ihnen doch klar, oder?“
„ Ma’am…“ Scott räusperte sich. „ Dürfte ich Sie daran erinnern, wer dieses Spiel vorgeschlagen hat?“
Mitchell sah sein Teammitglied mit hochgezogenen Augenbrauen an. „ Tja, touché. Da hat er Recht.“
„ Einer Dame dermaßen in den Rücken zu fallen, ist nun nicht gerade die feine englische Art“, zischelte Carter und sah ihn finster an. „ Und immerhin sind wir noch in einem Team- wenn ich verliere, dann verlieren auch Sie.“
Mitchell grinste verschmitzt. „ Soll das eine Drohung sein, Sam?“
„ Wenn Sie Ihren Scotch haben wollen, ohne dass McKay davon etwas erfährt…“ Samantha sah ihn herausfordernd an.

Ein kurzes Schweigen entstand zwischen den beiden Teamkameraden, das jedoch von Lt. Everetts belustigtem Grinsen gebrochen wurde und er nur meinte: „ An Ihrer Stelle würde ich mir das noch mal überlegen, Sir.“
„ Die Aussicht auf einen schönen Scotch ist verlockend, Lieutenant.“ Mitchell lehnte sich zurück und betrachtete Samantha Carter mit einem misstrauischen Blick. „ Aber ich bin mir sicher, dass sie das nicht tun wird.“
Die blonde Wissenschaftlerin kniff die Lippen fest aufeinander und verzog sie dann zu einem verschwörerischen Grinsen. „ Sie kennen mich echt nicht gut genug, Cameron.“ Sie ließ eine kurze Pause zu, ehe sie ihre Karten langsam auf dem Tisch ausbreitete. „ Ich setze alles.“
Mitchell starrte auf ihre Karten und meinte dann: „ Es ist Ihnen doch klar, dass, wenn Sie das jetzt machen, wir beide auf den Scotch verzichten müssen?“
Lt. Scott schüttelte mit dem Kopf. „ Ich verstehe nicht, wie man nur so hinter einer Flasche her sein kann, die von einem Computer hergestellt wurde.“
„ Es geht ums Prinzip, Lieutenant“, erklärte Mitchell ihm. „ Wann haben Sie zum letzten Mal eine Flasche Scotch in den Händen gehalten? Da geht es nicht darum, wer oder was sie hergestellt hat. Da geht es einfach nur um das Besitzen.“
„ Sehr gesunde Einstellung, Sir“, lobte Greg Everett mit einem anerkennenden Nicken.
Mitchell sah ihn dankbar an. „ Endlich ist mal jemand meiner Meinung. Eh, vielleicht hätte ich mit ihm ein Team bilden sollen! Hier fallen einem die eigenen Teammitglieder in den Rücken.“
„ Das werde ich jetzt mal ignorieren“, sagte Sam Carter schmunzelnd und führte ihr Glas an ihre Lippen, nippte an ihrem Getränk.
Lt. Everett lachte heiser. „ Vielleicht hätten Sie das wirklich tun sollen, Sir.“ Er kratzte sich am Kinn, beugte sich dann ganz langsam vor und breitete dann seine Spielkarten sauber und ordentlich vor den anderen aus. „ Dann hätte der Scotch jetzt vielleicht Ihnen gehört.“

Cameron Mitchell sprang von seinem Stuhl auf, verteilte dabei die Hälfte seines Getränks über dem Tisch und seine Spielkarten segelten durch die Luft. Mit einem ärgerlichen Ton stemmte er seine Hände in die Hüften und sah seine Teamkollegin aufgebracht an. „ Sehen Sie? Das kommt davon! Das kann doch alles nicht wahr sein! Es war soooo knapp!“

Samantha lächelte süffisant, sammelte ihre Karten ein uns stapelte sie ordentlich. Dann legte sie ihre Finger um ihr Glas, führte es wieder zu ihrem Mund und ließ das inzwischen widerlich lauwarme gewordene Bier ihre Kehle hinab laufen.
„ Sie sollten sich in Geduld üben“, meinte sie schließlich und stützte ihr Kinn auf ihre gefalteten Hände, blickte auffordernd in die Runde. „ Spielen wir noch eine Runde?“
Matt Scott sammelte seine und Greg Everetts Karten ein, legte sie auf ihre und Mitchells Karten, mischte sie. „ Was ist Ihr Einsatz, Colonel?“
Sie nutzte den Moment aus, ehe sie antwortete: „ Eine versiegelte Flasche Château Latour.“ Sie musste lächeln, als Mitchell sie leicht verwirrt ansah. „ Tja, nicht nur Sie haben Beziehungen, Cameron. Und…“- Sie blickte wieder in die Runde- „… wer ist dabei?“

Scott und Everett sahen einander an, nickten dann, reichten ihr die gemischten Karten.
„ Cameron?“ Fragend sah Samantha ihren Kameraden an, der noch immer zu überlegen schien, sich dann aber setzte und ihr antwortete: „ Sie geben.“

++++++++


Laut dem Display ihrer Armbanduhr war es elf Uhr in der Nacht, als sie sich auf die andere Seite rollte und ein schwacher Lichtschein über ihr Gesicht zu kitzeln begann. Normalerweise ignorierte sie so etwas immer geflissentlich, doch heute war es schlicht und ergreifend störend und so öffnete sie mit einem Murren ihre Augen. Wer auch immer für diesen Lichtschein, der sie zu allem Übel auch noch geweckt hatte, verantwortlich war, sollte die geballte Kraft ihrer miesen Laune zu spüren bekommen. Niemand riss Vala Mal Doran aus ihrem Schlaf, schon gar nicht mitten in der Nacht! Das war eine Farce, eine Unverantwortlichkeit! Einfach nur eine Frechheit!

Unter leisem Murren strampelte Vala sich die Decke vom Körper, setzte sich auf, schob ihre Beine über die Bettkante hinweg und rieb sich müde und heftig gähnend ihre Augen. Verschlafen blinzelte sie in die Richtung, aus der der Lichtschein zu ihr herüber schimmerte und entdeckte eine ihr bekannte Silhouette; sie saß an einem Tisch und war in sich zusammengesunken. Der Kopf war nach vorne auf einen Tablettlaptop gefallen.

Vala seufzte, erhob sich und schlurfte langsam los. Sie erinnerte sich, dass sie ihn in der letzten Woche vier Mal ins Bett hatte holen müssen, weil er übermüdet und erschöpft über seiner Arbeit eingeschlafen war. Im Grunde konnte sie ihn ja verstehen, doch so langsam machte sie sich doch Sorgen um ihn, die nicht minder von den dunklen Ringen, die unter seinen Augen lagen, und von den eingefallenen Wangen herrührten. So sehr sie seine Arbeit auch schätzte… Nein, sie wollte nicht mitansehen, wie er sich kaputtarbeitete.

Sie ließ ihren Blick über seinen Schreibtisch schweifen. Es sah aus, als hätte eine Bombe dort eingeschlagen; überall verstreut lag Papier herum, mittendrin Verpackungen von Energieriegeln. Seine Kaffeetasse war umgekippt und der Schluck, der noch drin gewesen war, verteilte sich quer über sauber Niedergeschriebenes. Und inmitten dieses ganzen Chaos war er.
Vorsichtig streckte Vala ihre Hand nach ihm aus und ruckelte sanft an seiner Schulter. „ Daniel, wach auf.“

Erst reagierte er gar nicht auf sie, zuckte dann aber erschrocken zusammen, als sie etwas stärker an seiner Schulter zu ruckeln begann und ihn energischer rief.
Mit weit aufgerissenen Augen fuhr der Archäologe aus seinem Schlaf, verfrachtete dabei einen Teil seiner Aufzeichnungen und seinen Tablettlaptop auf den Boden und seine Brille rutschte ihm von der Nase, landete auf seinem Schoß. „ V…vala.“
„ Komm ins Bett, Daniel“, sagte sie sanft.
Schlaftrunken kramte er nach seiner Uhr, fand sie aber nicht und sah sie deshalb fragend an. „ W…wie spät i…ist es?“
„ Spät“, antwortete Vala ihm. „ Du und ich sollten jetzt schlafen.“ Sie wollte ihn hochziehen, doch er blieb sitzen und schüttelte mit dem Kopf.
„ I…ich kann nicht“, meinte er nur und suchte seine Aufzeichnungen zusammen und verzog das Gesicht, als er seinen ausgelaufenen Kaffee bemerkte. „ Ich m…muss das hier fertig machen.“
Vala seufzte. „ Das kannst du bestimmt auch noch morgen machen. Komm jetzt, es ist spät!“

Daniel schüttelte wieder mit dem Kopf und strich sich mit seinen Händen über sein vom Schlafen noch blasses Gesicht. „ Ich habe es Dr. Weir versprochen.“
„ Ich bin mir sicher, dass es ihr lieber wäre, wenn du ein wenig schlafen würdest, anstatt dich tagsüber mit Kaffee vollzupumpen.“ Vala setzte sich auf die Tischkante und sah ihn sorgenvoll an. „ Und mir wäre das auch lieber.“
„ Ich weiߓ, gähnte Daniel und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, aber nur für einen kurzen Augenblick… dann griff er wieder nach seinem Computer und begann die Daten zu studieren.
„ Daniel…“, seufzte Vala und holte aus, um ihm den Computer aus den Händen zu reißen, doch er drehte sich weg,
„ Das, das macht hier alles keinen Sinn“, murmelte er, ohne sie dabei anzusehen. „ I…ich muss das fertig bekommen, Vala. Das ist wichtig!“
„ Du solltest wirklich ins Bett kommen“, versuchte sie es noch einmal, doch wieder erfolglos.
„ Gleich“, meinte er nur und sie bezweifelte, dass er sie überhaupt gehört hatte.

Vala seufzte wieder und ergab sich ihrem Schicksal. Sie hopste von der Tischkante und gab Daniel einen Kuss, den er recht lieblos erwiderte und sich dann wieder auf seine Aufzeichnungen stürzte.
„ Mach nicht mehr so lange“, bat sie ihn, er nickte und sie wusste, dass sie den Rest der Nacht allein in ihrem Bett zubringen würde.

+++++++++


Was zur Hölle tue ich eigentlich hier? Sicherlich war es eine berechtigte Frage, die er sich da stellte. Er musste geschockt feststellen, dass er sich darauf keine Antwort geben konnte und schluckte.
Was tat er eigentlich hier? Warum, in alles in der Welt, hatte er sich hierzu überreden lassen? Das war doch das reinste Selbstmordkommando! Das war… das war… sein Todesurteil!
Panisch versuchte er sich daran zu erinnern, wie es Elizabeth bloß geschafft hatte, ihn zu diesem Mist zu überreden. Es überraschte ihn, dass sie das Thema überhaupt angesprochen hatte, doch noch mehr überraschte es ihn, dass er ihr versprochen hatte es zu tun. War er denn wahnsinnig geworden? War es denn schon soweit, dass er sich so leicht um den Finger wickeln ließ und bezirzenden Augen nicht Stand halten konnte? Also wirklich, er hieß doch nicht John Sheppard, der jedes weibliche Wesen beschlagnahmte, das sich bei drei nicht auf den nächstbesten Baum gerettet hatte. Oh nein, auf ein solches Niveau würde er nie herabsinken!

Rodney schwitzte Blut und Wasser und es fielen ihm mindestens tausend Dinge ein, die er in der Zwischenzeit hätte erledigen können; er könnte sein Quartier aufräumen oder sich mit den neusten Messungen auseinander setzten, die ihm heute Morgen überreicht worden waren. Er könnte endlich anfangen an seiner neusten wissenschaftlichen Arbeit zu feilen, die schon seit Ewigkeiten auf der Festplatte seines Computers schlummerte. Oder er könnte Klavier lernen oder Klarinette. Er konnte ein Stillleben zeichnen. Und außerdem schrieben sich seine Memoiren nicht von allein. Ja, das alles würde nun nicht beendet werden können und das nur, weil er sich zu diesem Mist hatte überreden lassen.
So langsam kam ihm das Gefühl, dass dieser Tag wohl der Schlimmste seines Lebens werden würde- mit der Ausnahme, als das FBI ihn wegen seiner selbst gebastelten Atombombe 10 Stunden lang verhört hatte. Elende Anzugträger!

„ Augen immer geradeaus. Konzentrieren Sie sich auf mich.“ Pah, Ronon hatte ja gut reden! Der mit Muskeln bepackte hünenhafte Neandertaler hatte sich ihm gegenüber bedrohlich aufgebaut und starrte ihn dabei an, wie ein gefräßiger Dinosaurier. Apropos gefräßig: Just in dem Moment fiel Rodney ein, dass er heute nur ein Sandwich zu sich genommen hatte und das war definitiv zu wenig für seinen Magen!
„ Schauen Sie nie weg! Das zeigt Ihre Schwäche!“ Ronon funkelte ihn finster an. „ Sind Sie schwach?“
„ Uh…“ Was sollte man bitte schön auf eine so dämlich gestellte Frage antworten? „ Nein?“
„ Gut“, sagte Ronon und sein Gesichtsausdruck wurde so finster, dass Rodney erschrocken zusammenzuckte. Boah, dieser Typ jagte ihm Angst ein. „ Sind Sie bereit?“

„ Ähm…“ Rodney tippelte nervös von einem Fuß auf den anderen, um eine bessere Standposition zu finden. Er fand das alles einfach nur fürchterlich kompliziert und wusste plötzlich warum er Wissenschaftler geworden war- nicht aus Spaß an der Wissenschaft, sondern vielmehr weil das Berufsbild des Soldaten ihm viel zu viel Gewalt beinhaltete.
„ Sind Sie bereit?“, fragte Ronon noch einmal, dieses Mal etwas energischer.
„ Ähm… ja“, antwortete Rodney zögerlich und betrachtete diese Aussage im nächsten Augenblick als den wohl fatalsten Fehler seines bisherigen Lebens.

Mit einem fast schon animalisch anmutenden Schrei riss Ronon seine Bantosstäbe in die Höhe und sprang auf ihn zu.
Rodney wusste warum, aber die pure Angst brach in einem ebenso lauten Schrei über seine Lippen und er versuchte sich armselig mit seinen Stäben zu verteidigen. Es ging ihm einfach alles zu schnell. Wenn er eine Sportart bevorzugte, dann war es eine langsame, bei der man sich nicht so viel bewegen musste.

Ronons Bantosstab dreschte erbarmungslos auf ihn nieder und brachte ihn unter lautem Wimmern zu Fall. Nein, das war nicht Elizabeths Werk gewesen! So etwas würde die gutmütige Expeditionsleiterin niemals tun! Nein, dieses Teufelswerk trug jemanden anderes Handschrift und die Tinte stank entsetzlich nach einem gewissen Air Force-Piloten. Oh, John Sheppard würde Qualen leiden, wenn er ihn in die Finger bekommen würde! Darauf konnte er sich gefasst machen! Der Zorn des Rodney würde keine Gnade kennen!

Doch im Moment hatte sich der erbarmungslose Zorn des Rodney in den hintersten Winkel zurückgezogen und würde für die nächsten 24 Stunden nicht mehr hervorkommen.
Unter leisem Wimmern kämpfte sich Rodney wieder auf die Beine, nach Atem ringend und völlig erschöpft.
„ McKay, was habe ich Ihnen gesagt?“, donnerte Ronons Stimme. „ Sie sollen die Augen nie vom Feind abwenden! Das könnte Ihr Tod sein!“
„ Jaja“, japste Rodney und kam sich vor wie ein gestrandeter Wal. „ Lassen Sie uns weitermachen.“
„ Konzentrieren Sie sich“, grummelte Ronon und begab sich wieder in Angriffposition.

Ob es wohl auffallen würde, wenn plötzlich der befehlshabende Offizier unter mysteriösen Umständen verschwinden würde? Diese Frage spukte Rodney unwillkürlich durch den Kopf.
„ McKay, konzentrieren Sie sich auf Ihren Gegner“, schnauzte Ronon ihn an.
„ Hey“, wehrte sich der Kanadier, „ dass alles hier ist nicht meine Idee gewesen und ich bin ebenso wenig begeistert wie Sie, mein Freund. Also, wenn es nach mir ging, könnten wir das Ganze hier abbrechen.“
Sein Gegenüber zog die linke Augenbraue hoch. „ Sie wollen kneifen? Sie sagten, Sie seien bereit.“
„ Das war ich auch“, erwiderte Rodney schnell.
„ Sheppard hatte Recht“, murmelte Ronon stirnrunzelnd.
„ Womit hatte er Recht?“ Rodney hatte es doch gewusst: Nie im Leben hätte Elizabeth dieses Ganze hier in die Wege geleitet! Sie war nur die Marionette eines Luftwaffenoffiziers gewesen, der nicht Mann genug war, um das selber in die Hand zu nehmen. Dieser Möchtegern- Casanova sollte sich etwas schämen!

Eigentlich glaubte Rodney seinen Gegner in den letzten qualvoll langen Minuten eingeschätzt zu haben- doch da hatte er sich geirrt, was er schmerzlich feststellen musste. Ronon zuckte nur mit seinen breiten Schultern, meinte: „ Damit, dass Sie ein Schwächling und ein Weichei sind“. Schneller, als Rodney es hätte registrieren können, holte der Sateder mit seinen Bantosstab aus und schlug ihm damit in den Unterleib.
„ Uuuuuuh!“ Rodney verdrehte vor Schmerz die Augen und sank auf die Knie.
„ Ich sagte, Sie sollten sich konzentrieren“, kommentierte Ronon seinen Zusammenbruch kühl und begann seine Bantosstäbe zwischen seinen Fingern zu drehen. „ Sie lassen sich ablenken. Wäre das ein echter Kampf…“
„… w…wäre ich s…schon längst über a…alle Berge“, presste Rodney mühsam hervor.

Eines war sicher: Wenn er hier jemals lebend rauskommen würden, dann sollte sich John Sheppard vorsehen! Oh ja, dieser erzwungene Kampf war eine Sache für sich, doch niemand nannte Rodney McKay einen Schwächling und schon gar nicht ein Weichei!

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„ Was… aber wie…“ Elizabeth Weir stand die Überraschung ins Gesicht geschrieben, als sie die Türe zu ihrem Quartier öffnete und einem unerwarteten Besucher ins Antlitz blickte. „ Dr. Branton, was machen Sie denn hier?“
Mike Branton lächelte sie charmant an und hielt eine dunkelgrüne Flasche Wein in die Höhe. „ Ich dachte mir, Sie könnten vielleicht eine kleine Ablenkung gebrauchen.“
„ Aber…“ Elizabeth brachte ihren Satz nicht zu Ende und ließ den Wissenschaftler überrumpelt gewähren, als dieser sich an ihr vorbei in ihr Quartier schlängelte und sich interessiert umsah.
„ Hübsch“, meinte er und drehte sich zu ihr um; seine tiefbraunen Augen funkelten in dem gedämmten Licht.
„ Sollten Sie nicht eigentlich im Labor sein und Dr. McKay und Dr. Jackson bei der Entschlüsselung der Daten helfen?“, fragte Elizabeth ihn. Sie war überrascht, dass er so spät noch hier auftauchte- sie hatte nicht mit ihm gerechnet. Genau genommen hatte sie mit niemanden mehr gerechnet; sie wollte sich gerade schlafen legen, hatte vorher noch ein paar Aufzeichnungen von Dr. Jackson überflogen.
„ Ich denke, die beiden schaffen das auch ohne mich“, erwiderte Mike Branton ihr und zauberte zwei Weingläser hinter seinem Rücken hervor, deutete auf die Couch. „ Setzen Sie sich doch“ – Er grinste frech- „ Ich verspreche auch, Ihnen nicht zu nahe zu kommen.“

Zögerlich gab Elizabeth seiner Bitte nach und setzte sich, betrachtete ihn, während er ihr ein Glas Rotwein einschenkte, von dem sie nicht wissen wollte, woher er es hatte.
Mike Branton war ein interessanter Mann- und das galt nicht nur für sein Aussehen. Okay, sie musste zugeben, dass er ein sehr… sehr attraktiver Mann war und sie musste eingestehen, dass sie nicht abgeneigt war und es in Betracht zog, mehr Zeit mit ihm zu verbringen.
Du meine Güte. Elizabeth erschrak bei dem Gedanken. Hatte sie eben noch an seine guten Eigenschaften denken wollen, so war sie jetzt wieder ihrer Schwärmerei verfallen.

Ihr Gegenüber schien ihren Konflikt zu erkennen und lächelte ein zauberhaftes Lächeln, dass sie dahinschmelzen ließ wie Butter.
„ Was beschäftigt Sie?“, fragte ihr, reichte ihr das Weinglas und setzte sich dann neben sie.
„ Ich habe nachgedacht“, gestand Elizabeth, nippte an ihrem Wein; er schmeckte vorzüglich, war süßlich und prickelte angenehm auf der Zunge.
„ Darf ich erfahren, worüber Sie nachgedacht haben?“ Mike sah sie eindringend an und es kam ihr vor, als wollte er sie mit seinen braunen Augen durchbohren.
Elizabeth lächelte verlegen und drehte ihren Kopf ein Stück weg. „ Wenn ich ehrlich sein soll… ich habe über Sie nachgedacht.“
Ein spitzbübisches Grinsen zog sich über das Gesicht ihres Gegenübers und er blinzelte sie über den Rand seines Weinglases an. „ Wirklich?“
„ Das hört sich jetzt bestimmt ziemlich… verrückt an.“
„ Oh nein, gar nicht“, wehrte Mike ab und schüttelte mit dem Kopf. „ Es kommt nicht alle Tage vor, dass sich attraktive Frauen Gedanken um mich machen.“

Hatte er sie gerade als attraktiv bezeichnet? Elizabeth merkte, wie ihr eine leichte Röte in die Wangen schoss, und strich sich verlegen eine dunkelbraune Haarsträhne aus dem Gesicht. „ Dr. Branton, ich weiß nicht…“
„ Mike“, korrigierte er sie, charmant lächelnd. „ Sie können ruhig Mike zu mir sagen.“
Elizabeth blickte ihm ins Gesicht. „ Ich denke nicht, dass das angebracht ist.“
„ Warum denn nicht?“, fragte er. „ Ich finde, dass es angebracht ist. Wir trinken zusammen Wein, ich bin in Ihrem Quartier…“
„ Moment!“ Elizabeth hob abwehrend ihre Hände. „ Sie denken doch nicht etwa…“
Mike hob seine Augenbrauen. „ Sie etwa nicht?“
„ Nein!“, gab sie ihm zu zurück und stellte ihr Weinglas auf die gläserne Tischplatte.
„ Hhm“, machte er, führte sein Glas wieder an seine Lippen. „ Und ich dachte…“
Elizabeth erhob sich und blickte auf ihn herab. „ Hören Sie zu… Mike. Sie sind für mich ein brillanter Wissenschaftler und ich schätze Ihre Arbeit wirklich sehr, aber…“
„ Dr. Franklin hatte Recht“, fiel er ihr ins Wort und bedachte sie wissenden Blickes.
„ Womit sollte er bitte schön Recht haben?“, wollte sie von ihm wissen.
Mike seufzte tief, stellte sein Weinglas ebenfalls auf der Tischplatte ab und richtete sich dann auf, verbarg seine Hände in den Hosentaschen. „ Damit, dass Sie und Col. Sheppard…“ Er beendete seinen Satz nicht und vielleicht war das auch besser so.

Elizabeth verspürte auf einmal den Drang, sich zu setzen und sich den in der Flasche verbliebenen Rest Rotwein die Kehle hinunterzukippen. Entgeistert starrte sie Mike Branton an. „ Das hat er gesagt?“
Den Wissenschaftler schien ihre Überraschung zu verwundern, denn er zog die Stirn kraus. „ Stimmt es etwa nicht?“
Elizabeth lachte laut los und schüttelte mit dem Kopf. „ Nein, was denken Sie denn? Die Expeditionsleiterin und ihr militärischer Oberbefehlshaber? Also wirklich!“
Sie und John? Nein! Okay, vielleicht hatte sie sich anfangs wirklich mehr erhofft und die Tatsache, dass der Soldat sehr attraktiv war, ließ sich nicht verleugnen. Aber für sie war der Soldat ihr mit Abstand bester Freund, nicht mehr und nicht weniger. Nach alledem, was zwischen ihnen vorgefallen war, wollte sie dieses Verhältnis nicht aufs Spiel setzen, indem sie mehr von ihm verlangte. Und außerdem schien zumindest John eine intakte Beziehung zu führen…

„ Nein“, wiederholte Elizabeth noch einmal, „ nein, das stimmt nichts.“ Sie glaubte Erleichterung in Mike Branton’s Augen aufblitzen zu sehen und ein Lächeln zog sich über seine Lippen.
„ Tja“, meinte er nur, „ sieht so aus, als schulde Dr. Franklin mir zwanzig Mäuse.“
„ Sie haben gewettet?“, rief Elizabeth und sah ihn entsetzt an. „ Sie haben gewettet, dass ich und… Ich glaubs nicht!“
„ Das heißt, Sie und der Colonel sind nicht…“
Sie schüttelte mit dem Kopf. „ Nein, wir sind nicht zusammen.“
„ Das heißt, Sie sind sozusagen…“, setzte Mike an, doch Elizabeth unterbrach ihn.
„ Mike, was auch immer Sie zu erreichen versuchen. Sie sind mir wichtig, als Mitglied dieser Expedition. Es tut mir leid, aber da ist nicht mehr.“

„ Verzeihen Sie mir, Liz.“ Mike Branton seufzte und fuhr sich mit einer Hand durch seine dunkelbraun gelockten Haare. Er machte einen Schritt auf sie zu, dann noch einen, bis sie seinen Atem auf ihren Lippen spüren konnte. Er seufzte noch einmal, umschloss dann ihr Gesicht mit seinen Händen und küsste sie.

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Das letzte Mal hatte er das als kleiner Junge gemacht. Er erinnerte sich noch sehr gut daran. Es war ein regnerischer Novembertag gewesen; der Nebel hatte auf den Feldern gestanden, die Luft war kühl gewesen und hatte nach feuchtem Gras und moderiger Erde gerochen.
Es war sein Großvater gewesen, der ihm das Klavier geschenkt hatte… und damit wohl einen großen Einfluss auf sein Leben genommen hatte. Seine Eltern hatten ihm die Klavierstunden bezahlt, doch schon bald verlor er dieses Hobby aus den Augen und begann sich mehr für die Medizin zu interessieren.
Das Klavier war auf den Dachboden geschafft worden. Inzwischen musste es bestimmt vollkommen verstaubt und verstimmt sein. Eigentlich schade, ein so teueres Stück so zu verkommen zu lassen…

Carson Beckett seufzte, als er sich an die wunderschönen Stunden zurückerinnerte und an das eine Weihnachtsfest, wo er seiner Familie auf dem Klavier 'Heilige Nacht' vorgespielt hatte- sein Großvater hatte Tränen in den Augen gehabt!
Das war jetzt über dreißig Jahre her und es war schon ein komisches Gefühl jetzt wieder die schwarzen und weißen Tasten unter seinen Fingerkuppen zu spüren. Der Zauber vergangener Jahre schien wieder da zu sein und ein warmes Gefühl breitete sich in seinem ganzen Körper aus. Er hatte es vermisst zu spielen!
In Atlantis hatte er nie Zeit dazu gefunden und wenn er das Haus seiner Eltern besuchte, dann war er immer zu faul die Treppe zum Dachboden zu erklimmen, nur um auf einem verstaubten und völlig verstimmten Klavier zu klimpern. Und außerdem glaubte er eh, dass er im Laufe der Jahre einiges verlernt hatte.

Das Klavier, das inmitten seines Quartiers stand, sah edel aus. Die schwarze Verkleidung schimmerte matt in dem diffusen Licht der Deckenbeleuchtung. Zu den schwarzen Ebenholztasten bildeten die weißen Elfenbeintasten einen geradezu perfekten Kontrast, fühlten sich gut an, als er seine Finger über sie gleiten ließ.
Carson zögerte kurz, drückte dann eine der Tasten; ein glasklarer Ton erfüllte sein Quartier und ließ seine Ehrfurcht noch weiter anwachsen. Es fiel ihm schwer zu glauben, dass es sich hierbei um das Werk eines Schiffscomputer handelte, noch dazu von einer Antikertechnolgie- er bezweifelte, dass die Gateerbauer diese Art von Musikinstrumenten damals schon gekannt hatten. Aber vielleicht…

Carson schüttelte mit dem Kopf. Es war doch einfach nur absurd, darüber nachzudenken. Stattdessen sollte er dankbar sein, dass man diese Möglichkeit entdeckt hatte. Womöglich würde er sich jetzt zu Tode langweilen oder wieder einmal über Datenauswertungen brüten, wie sooft in den letzten Wochen. Er konnte nicht glauben, dass es echt schon Wochen waren! Dreieinhalb um es genau zu sagen…
Seit dreieinhalb Wochen befanden sie sich nun auf diesem Schiff, doch ihm kam es inzwischen wie eine halbe Ewigkeit vor. Nichts wünschte er sich sehnlicher, als endlich nach Hause zurückkehren zu können, doch glaubte man Rodney, so schien dies unmöglich zu sein.
Alle wussten, dass der Kanadier mit Hochdruck versuchte, sie nach Atlantis zurückzubringen. Doch ebenso wussten sie, dass es ihm nicht gelingen würde. Die Artemis war ein riesiges schwebendes Gefängnis, aus dem es kein Entkommen gab! So sehr man es auch versucht… man scheiterte immer wieder.

Nearer, my God, to Thee, nearer to Thee!
E’en though it be a cross that raiseth me,
Still all my song shall be, nearer, my God, to Thee.


Der Refrain eines alten Liedes, das ihm sein Großvater damals immer vorgesungen hatte, kam ihn in dem Sinn und fast automatisch legte Carson seine Finger auf die Tasten und begann zu spielen.
Die klare Tonfolge erfüllte den Raum und er fühlte sich von dem Klang dermaßen beflügelt, dass er sich irgendwann vollkommen der Musik hingegeben hatte. Für einen kurzen Moment vergaß er, dass er weitab von zuhause war. Da war nur er und die Musik! Der Rest verblasste und um ihn herum verstummte alles, außer dem Klang des Klaviers.

++++++


„ Ich… ich brauche einfach …“- Sie seufzte tief und ihre zaghaft leise Stimme zitterte- „… ich brauche Zeit für mich. Ich hoffe, du verstehst das.“

Nachdenklich beobachtete John seine Freundin dabei, wie sie ihre um das Bett verteilten Klamotten einsammelte und sich hastig wieder ankleidete. Ihre Worte wollten ihm einfach nicht aus dem Kopf gehen und es brachte ihn fast um den Verstand, als er sie immer wieder aufs Neue abspielte. Ich brauche Zeit für mich. Ich hoffe du verstehst das.

John fuhr sich mit den Fingern durch seine dunklen Haare und kniff die Lippen fest aufeinander. Hatte er vielleicht irgendetwas falsch gemacht? Nein, das konnte nicht sein!
Er hatte ihr ihren Freiraum gelassen, hatte es akzeptiert, wenn sie allein sein wollte, war für sie da gewesen und hatte sie getröstet, als sie dem Druck nicht mehr länger hatte standhalten können und in Tränen ausgebrochen war. Wann immer sie ihn brauchte, war er bei ihr gewesen. Wann immer sie allein sein wollte, war er gegangen. Was hatte er also falsch gemacht?

Immer noch schweigend beobachtete er Teyla, wie sie mit zittrigen Fingern versuchte den Reißverschluss ihrer Uniform zu schließen, was ihr aber nicht gelingen wollte.
Es tat ihm in der Seele weh, sie so verzweifelt zu sehen, weshalb er die Bettdecke beiseite schob, mit einem Arm nach seiner Boxershorts und nach seiner Hose angelte, die beiden Kleidungsstücke überzog. Langsam schlenderte er zu ihr rüber.
„ Lass mich das machen“, ermahnte er sie und schloss den Reißverschluss mit geschicktem Handgriff, sah sie dann an. „ Was ist los mit dir, Teyla?“
Die Athosianerin blickte auf ihre Füße hinab, ein leises Schluchzen brach über ihre Lippen. Als sie sich aufraffte ihm ins Gesicht zu blicken, glitzerten Tränen in ihren wunderschönen braunen Augen.
„ Du würdest es nicht verstehen“, sagte sie so leise, dass er sie fast gar nicht verstand.
John seufzte. „ Natürlich kann ich es nicht verstehen, wenn du es mir nicht sagst.“
„ Ich kann nicht“, erwiderte sie ihm mit tränenerstickter Stimme.
„ Versuch’ es wenigstens“, bat er sie.
„ Ich kann es nicht, John“, schluchzte Teyla und schüttelte mit dem Kopf. „ Ich wünschte, ich könnte es dir erklären, doch das kann ich nicht. E…es tut mir leid.“
„ Kannst du nicht mit mir darüber reden, oder willst du es einfach nicht?“, fragte er sie.
Die Athosianerin seufzte tief. „ John…“
„ Wenn du es mir nicht sagen kannst, dann verstehe ich das. Und auch, wenn du es mir nicht sagen willst, aber…“- Vorsichtig schob er einen Finger unter ihr Kinn und hob es an, sodass sie ihm in die Augen sehen musste. „ Ich mach mir Sorgen um dich, Teyla.“
Sie lächelte schwach. „ Ich wünschte ich könnte es dir sagen.“
„ Ich weiߓ, erwiderte John.
„ Aber ich kann es nicht“, fuhr sie fort. „ Ich hoffe, du verstehst mich. Ich muss einfach eine Weile alleine sein, nur für mich. Zum Nachdenken.“
„ Du weißt, dass du immer zu mir kommen kannst, oder?“, fragte er sie und sie nickte.

Es war schon irgendwie verrückt, was in den letzten drei Tagen alles passiert war und wie sehr Teyla sich verändert hatte. Das Erlebnis mit Helia schien sie vollkommen aus der Bahn geworfen zu haben und diese Unwissenheit nagte gewaltig an Johns Nerven. Nur zu sehr wünschte er sich zu erfahren, was sie bedrückte… doch sie redete nicht mit ihm, sondern schwieg und fraß ihren ganzen Kummer in sich hinein.
Ihm gefiel dieses Verhalten nicht- es war absolut nicht Teylas Art! Seit er sie kannte, hatte sie immer mit ihm über ihre Probleme gesprochen und ihre Offenheit ihm gegenüber hatte er schon immer geschätzt. Sie beide hatten immer eine recht offene Beziehung geführt. Doch jetzt wollte ihn das Gefühl nicht loslassen, dass sie ihm etwas verschwieg. Er wollte sie fragen, doch er brachte es einfach nicht übers Herz.

Ihm war aufgefallen, dass die Athosianerin sich in den letzten Tagen zurückgezogen hatte. Sie war nicht zum gemeinschaftlichen Essen erschienen und Ronon hatte ihm gegenüber erwähnt, dass sie ihr geplantes Training abgesagt hatte.
Nachts, wenn er aufgewacht war, hatte er mitbekommen, dass sie wach neben ihm gelegen hatte und einmal hatte er sie leise schluchzen gehört. Sie hatte sich von ihm entfernt, war am heutigen Morgen und den ganzen Tag über unauffindbar gewesen. Heute Abend war sie dann wieder da gewesen, hatte aber kein Wort verloren.
Sie hatten miteinander geschlafen. Dabei gabs nicht viel zu reden. Danach hatten sie nur nebeneinander gelegen, die Zimmerdecke anstarrend und versucht einen möglichst gleichmäßigen Atemrhythmus wiederzufinden.

Teyla seufzte leise und machte einen zögerlichen, kleinen Schritt nach hinten, riss ihn aus seinen Gedanken. In ihren braunen Augen schimmerten Tränen und sie presste die Lippen fest aufeinander, um ein Schluchzen zu unterdrücken.
„ E…es tut mir leid“, wisperte sie nur und wandte sich weg, um zu gehen, doch John bekam sie noch an ihrem Arm zu packen.
„ Warte“, bat er sie. Sie drehte sich um. „ Es ist doch nicht wegen mir, oder?“
„ Nein.“ Teyla schüttelte mit dem Kopf. „ Du hast nichts damit zu tun. Ich brauche nur Zeit zum Nachdenken.“ Sie trat an ihr heran und lehnte ihren Kopf gegen seine Brust. „ Nur für ein paar Tage, okay?“
„ Nur ein paar Tage“, wiederholte John stumm und fragte sie flüsternd: „ Du weißt, dass ich dich liebe, oder?“ Er nahm ihre Hand und führte sie an seine Lippen, küsste sie zärtlich.

„ Daran wird sich nichts ändern“, erwiderte sie ihm leise, küsste ihn noch einmal auf seinen nackten Oberkörper und ging dann.

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„ Wir haben nur eine Runde gekämpft“, beteurte Ronon mit Unschuldsmiene, mit den Schultern zuckend. „ Ich war vorsichtig.“
„ Vorsichtig nennen Sie das?“, bellte Dr. McKay und funkelte den Sateder dabei so finster an, dass sie befürchtete, er würde tot umkippen. „ Nur wegen Ihnen sitze ich hier und werde verbluten!“
„ Wir wollen mal nicht übertreiben, Doktor“, lächelte Jennifer Keller und begutachtete die kleine Platzwunde am Kopf des Kanadiers. „ Sieht gar nicht mal so schlimm aus. Ich werde Sie nicht einmal nähen müssen.“
„ Halleluja“, grummelte der Wissenschaftler leise und verzog sein Gesicht dann zu eine düsteren Grimasse. „ Das war alles nur Sheppards Idee! Wenn ich ihn erwische…“
Jennifer tupfte die Wunde vorsichtig sauber. „ Ich bin mir sicher, der Colonel wollte nur das Beste für Sie.“
„ Indem er mich verprügeln lässt?“, knurrte Rodney.
„ Sie hätten sich wehren können“, warf Ronon ein und verschränkte die Arme vor seinem muskulösen Oberkörper.
„ Sie hätten weniger brutal sein können“, erwiderte ihm der Kanadier, schnitt eine schmerzverzerrte Grimasse, als das Desinfektionsmittel in seine Wunde floss.
„ Sie hätten besser aufpassen sollen.“ Ronon senkte den Blick und zog seine Augenbrauen zusammen. „ Ich habe Sie noch nicht mal richtig dran genommen.“

Jennifer schmunzelte, als sie aus dem Augenwinkel sah, wie Rodney McKay zum Gegenangriff übergehen wollte, aber ihm anscheinend keine bissige Erwiderung einfiel; er zog eine beleidigte Schnute und sein Blick wurde noch finsterer. Es war doch immer wieder überraschend, wie eingeschnappt dieser Mann sein konnte! Aber- vielleicht würde sie man deshalb für verrückt erklären- fand sie das irgendwie niedlich…
„ Sie können ruhig gehen“, sagte sie zu Ronon. „ Ich denke, ich krieg das hier schon alleine hin.“
„ Wenn Sie meinen.“ Der Sateder zuckte mit den Schultern und verabschiedete sich mit einem kurzen Nicken.
„ Jaja, gehen Sie ruhig“, keifte Rodney ihm hinterher. „ Hoffentlich brechen Sie sich den Hals, wenn Sie im Bad auf der Seife ausrutschen!“
Jennifer lächelte. „ War es denn wirklich so schlimm?“
Entgeistert sah sie ihr Gegenüber an. „ Soll das eine ernst gemeinte Frage sein? Natürlich war es schlimm! Dieser Kerl hat mir fast den Schädel eingeschlagen!“
„ Er meinte, Sie hätten sich vor Schreck das Ding selbst um die Ohren gehauen“, grinste Jennifer und legte vorsichtig ein Pflaster auf die gesäuberte Wunde.

Rodneys Miene verriet ihr, dass der Kanadier dies für eine Zumutung hielt und dass er gemeine Rachepläne gegen sein außerirdisches Teammitglied zu hegen begann.
„ So“, meinte sie und reichte ihm eine kleine Dose Schmerzmittel. „ Eigentlich müssten Sie die gar nicht brauchen, aber für alle Fälle… Kommen Sie einfach zu mir oder zu Carson, falls Sie irgendwelche anderen Beschwerden kriegen sollten.“
„ Und die wären?“, fragte der Wissenschaftler.
„ Kopfschmerzen, Übelkeit…“
„ Kopfschmerzen habe ich, seitdem ich nach Pegasus gekommen bin und von diesem Essen kann einem ja nur schlecht werden“, meinte Rodney und verzog theatralisch das Gesicht.
Jennifer lächelte. „ Kommen Sie einfach hierher, falls sich irgendetwas ändert… und falls Ihr Mordanschlag gegen Col. Sheppard oder Ronon schief läuft.“
Rodney eingefrorener Blick taute etwas auf und sie glaubte ein kleines Lächeln über seine Lippen huschen zu sehen.
„ Gute Nacht“, sagte er und verabschiedete sich mit einem Nicken, ebenso wie Ronon es getan hatte.
„ Gute Nacht, Rodney.“

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Kaum hatte sich die Türe zu ihrem Quartier hinter ihr geschlossen, presste sich Teyla die Hand vor ihren Mund, um das laute Schluchzen, das auf ihrer Zunge lag, zu unterdrücken, doch es gelang ihr nicht. Tränen schossen ihr in die Augen und brachen über die Augenränder hinweg, strömten an ihren Wangen hinab und tropften auf den Boden.
Ihre Knie wurden wackelig und gaben schließlich unter ihr nach- mit einem lauten Schluchzen ging sie zu Boden, stützte sich mit der einen Hand auf den kalten Boden, hielt sich die andere noch immer vor ihren Mund gepresst.

Ihre Gefühle brandeten über sie hinweg, stärker als sie es je getan hatten und sie fühlte sie schwach und unbedeutend. Ihr blutendes Herz schien für einen Moment zu stocken und alles um sie herum verstummte- da war nur ihr lautes Schluchzen und ihre Gedanken, die gnadenlos auf die einprügelten.
Sie hatte ihm nicht dermaßen vor dem Kopf stoßen wollen, doch sie hatte keine andere Wahl gehabt. Die letzten Tage waren anstrengend gewesen und sie brauchte wirklich Ruhe und Zeit zum Nachdenken. Nicht, dass er ihr nicht genügend Freiraum gelassen hatte…
In den letzten beiden Tagen hatte sie versucht allen aus dem Weg zu gehen, doch es war ihr trotzdem immer irgendwer über den Weg gelaufen. In den schlaflosen Nächten hatte sie nachgedacht, wohl wissend, dass John wach neben ihr lag und sich fragte, warum sie wohl nicht schlief.
Obwohl sie es nicht gewollt hatte, hatte sie sich mehr von ihm zurückgezogen… doch lange hatte sie das nicht ausgehalten. Heute hatte sie ihre Sehnsucht nach ihm überwältigt und sie war zu ihm zurückgekehrt, obschon sie sich nicht dazu bereit gefühlt hatte. Sie hatte mit ihm geschlafen, obwohl sie seelisch so labil war, dass sie gefürchtet hatte, einfach zusammenzubrechen.

Sie war seelisch labil. Sie brauchte Zeit zum Nachdenken. Sie musste einfach allein sein. Diese Tatsachen waren sicherlich hart, doch nicht zu ändern. Seit der Sache mit Helia hatte sie sich verändert. Manchmal fiel es ihr schwer zu sagen, inwiefern, doch die Veränderung war nun nicht mehr zu ignorieren. Sie wusste auch, dass John es wusste… oder es zumindest erahnte. Und sie wollte ihn nicht belasten! Er hatte schon genug mit der ganzen Situation zu kämpfen, da sollte er sich nicht noch um sie sorgen!
Dennoch schmerzte es sie, sich von ihm zu trennen, auch wenn es nur vorrübergehend war. Der enttäuschte Ausdruck in seinem Gesicht und das traurige Funkeln in seinen Augen hatte ihr ein Stich ins Herz versetzt. Es blutete…

Teyla strich sich die heißen Tränen mit dem Handrücken von den Wangen, lehnte gegen die geschlossene Türe ihres Quartiers und starrte geradeaus.
„ Du musst es irgendjemanden sagen.“ Seine Stimme war allgegenwärtig- in den letzten drei Tagen hatte sie schon daran gewöhnt. Sie konnte es nicht ändern, also versuchte sie es erst gar nicht.
„ Es ist kompliziert“, entgegnete sie ihm und blickte zu ihm auf. Er stand nur wenige Meter von ihr entfernt und sah sie mit einem warmen Ausdruck in seinen haselnussfarbenen Augen an.
Es war schwer zu begreifen, dass es sich nur um ein Gespinnst ihrer Fantasie handelte- er wirkte so real!
Sie seufzte: „ Eolion?“
„ Ich würde es ihm sagen“, meinte er mit ernstem Gesichtsausdruck und gerunzelter Stirn.
„ Ich weiߓ, murmelte Teyla, schloss ihre Augen und lehnte ihren brummenden Schädel gegen die kalte Tür. „ Aber ich kann es nicht.“
„ Irgendwann wirst du es jemanden sagen müssen. Für alles gibt es eine bestimmte Zeit, Teyla. Und deine ist nun gekommen.“

Als sie ihre Augen wieder öffnete, um ihm zu antworten, war er verschwunden- sie war allein in ihrem Quartier, allein mit ihren Gedanken. Nicht gerade ein sehr beruhigendes Gefühl!

TBC
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