Stargate Fanfic Login
HilfeImpressumLexikon
Erweiterte Suche

01. Rückkehr zur Pegasus-Galaxie von ulimann644

[Reviews - 0]   Drucker Kapitel oder Geschichte Inhaltsverzeichnis

- Schriftgröße +
1.

ANKUNFT AUF ATLANTIS


Lieutenant-Colonel John Merian Sheppard stand am Geländer des kleinen, vorspringenden Balkons, im Torraum auf ATLANTIS uns sah auf das Treiben hinunter, das unter ihm herrschte. Mittlerweile hasste der Enddreißiger diesen Anblick, denn die vielen Menschen, die momentan in seiner Stadt herumwimmelten, waren dabei sein Zuhause zu zerlegen. Ein Zuhause, das normalerweise in der Pegasus-Galaxie hätte weilen sollen.
Vor knapp einem Jahr war ATLANTIS jedoch zur Erde geflogen, um den Angriff eines beinahe unzerstörbaren Basis-Raumschiffes der Wraith abzuwehren. ATLANTIS war während der Schlacht beschädigt worden und hatte vor der Westküste der USA landen müssen. Seitdem lag die Stadt, durch einen unsichtbar machenden Schild vor neugierigen Blicken gut geschützt, in der Bucht von San Francisco.
Anfangs hatte John Sheppard es fast als Verrat angesehen, als Rodney McKay das Handtuch geworfen hatte und kurze Zeit später auch Radek Zelenka. Mittlerweile verstand er sie besser und er wünschte sich, man hätte ihm erlaubt das ebenfalls zu tun.
Der Lieutenant-Colonel in der schwarzen Uniform des ATLANTIS-Team-Militärs richtete sich zu seinen vollen 1,88 Metern Körpergröße auf und warf einen langen Blick über die Schulter, zu Lieutenant Amelia Banks. Sie war mit die Einzige aus der Mannschaft, die bei der Landung der Stadt, vor knapp einem Jahr, dabei gewesen war. Sie und ihr Kamerad, Ensign Chuck O´Connor.
Zusammen mit ihm versahen die Beiden, momentan allein im Kontrollraum, ihren Dienst. Kein Vergleich zu dem Gewimmel, dass hier geherrscht hatte als sich ATLANTIS noch in der Pegasus-Galaxie befand.
Deprimiert blickte der schwarzhaarige Lieutenant-Colonel wieder auf die, durch den Gate-Raum hastenden, Männer und Frauen unter sich. Überwiegend Wissenschaftler aus aller Herren Länder. Fast zehn Monate lang hatte er erfolgreich verhindern können, dass das IOA seine Pläne verwirklichen konnte, ATLANTIS nach und nach zu zerlegen, um die Technik besser studieren zu können. Doch seit etwa vier Wochen war hier der Teufel los. In diesem Moment verfluchte er Richard Woolsey, der zugunsten seiner politischen Karriere dieses unwiederbringliche Monument antikerischer Genialität zu opfern gedachte.
Von Draußen schien die tiefstehende Herbstsonne in den Raum, doch Sheppard wäre es lieber gewesen es hätte aus Kübeln geregnet. Das hätte sehr viel besser zu seiner gegenwärtigen Stimmung gepasst. Er fragte sich wie lange es dauern mochte, bis diese Stadt nur noch ein lebloses Gerippe sein würde. Tot. Nie wieder zu den Sternen fliegend.
Der einzige Lichtblick in den letzten Monaten war, dass er sich wieder regelmäßig mit seiner Ex-Frau Nancy traf. Zwar waren sie weit davon entfernt wieder ein Paar zu sein, doch John befand, dass sie sich inzwischen fast besser verstanden, als während ihrer Ehe. Vielleicht rührte dies daher, dass Nancy es mittlerweile akzeptierte, wenn er zu Fragen schwieg, deren Beantwortung ein Verstoß gegen die militärische Geheimhaltung gewesen wäre. Nancy vermied solche Fragen ihrerseits und so waren sie sich, zumindest auf freundschaftlicher Ebene, wieder sehr nahe gekommen.
Es schien John Sheppard, rückblickend betrachtet, immer noch wie ein kleines Wunder, dass Nancy und er sich momentan so großartig verstanden. Sie hatte es sogar geschafft seinen Bruder Dave und ihn dazu zu bewegen, aufeinander zuzugehen und sich zu versöhnen. Etwas, das er ihr nicht so schnell vergessen würde.
Seit einigen Monaten wirkte das Verhältnis zwischen Nancy ihrem Lebensgefährten Grant hingegen etwas angespannt. John Sheppard verzichtete jedoch darauf das bei Nancy zu thematisieren, oder irgendwelche wilden Vermutungen anzustellen. Er bedauerte diese Entwicklung, denn er wünschte Nancy nichts Schlechtes. Auch wenn Grant, den er vor einem halben Jahr kennengelernt hatte, nicht ganz sein Fall war. Dass er Nancy nur Gutes wünschte war, trotz der Trennung von ihr, nie anders gewesen.
Was Dave betraf, so dauerte es eine Weile bis sein älterer Bruder begriffen hatte, dass sein Fernbleiben in den Jahren, in denen er in der Pegasus-Galaxie gewesen war, nichts mit ihm oder ihrem, im letzten Jahr verstorbenen, Vater zu tun gehabt hatte. Als sie sich auf der Beerdigung ihres Vaters wiedersahen, hatte Dave anfangs wohl vermutet, er habe es auf das Geld abgesehen. Doch seit sie sich danach einige Male getroffen hatten hatte Dave schnell bemerkt, dass dies nie seine Intention gewesen war. Natürlich war es seinem Bruder schwergefallen zu akzeptieren, dass er ihm die wahren Gründe nicht verraten durfte. Inzwischen hatte Dave wenigstens so viel Verständnis aufgebracht, um nicht mehr nachzuhaken, wenn er sich zu gewissen Fragen seines Lebens ausschwieg. Was hätte Dave andererseits auch gedacht, wenn er ihn mit den Fakten konfrontiert hätte?
Sheppard seufzte schwach. Er ahnte, dass General Jack O´Neill nicht ganz unbeteiligt daran war, dass er momentan hier versauerte. Vermutlich hatte O´Neill deshalb verweigert, dass er seinen Posten hier aufgab, damit er einen Trumpf besaß, den er gegen die Mitglieder des Internationalen Komitees verwenden konnte, die ATLANTIS am liebsten schon viel früher auseinandergenommen hätten. Je länger der Lieutenant-Colonel darüber nachdachte, desto größer schien ihm die Wahrscheinlichkeit dafür zu sein.
John Sheppard riss sich von diesen Gedanken los als ihn Amelia Banks aus dem Kontrollraum ansprach. „Sir, ein Anruf von General Jack O´Neill.“
Wenn man an den Teufel denkt, dachte Sheppard spöttisch während er sich umwandte. Laut erwiderte er: „Legen Sie das Gespräch in mein Büro, Lieutenant. Eine sichere Leitung!“
„Natürlich, Sir!“
Sheppard eilte in das Büro, das drei Jahre lang von Elizabeth Weir benutzt worden war, bevor es erst Colonel Samantha Carter und anschließend Richard Woolsey zur Verfügung gestanden hatte. Momentan nutzte er es. Der Colonel beeilte sich, am Schreibtisch Platz zu nehmen. Rasch aktivierte er sein Computerterminal und sah wenige Augenblicke Später in das markante Gesicht des Dreisterne-Generals.
John Sheppard rang sich ein Lächeln ab und erkundigte sich, so freundlich es ihm möglich war: „Guten Morgen, Sir. Was kann ich für Sie tun?“
Die Miene des Generals verriet nicht wirklich was O´Neill dachte, als er spitz erwiderte: „Warum fragen Sie mich eigentlich nicht, was ich für Sie tun kann? Wenigstens der Abwechslung halber.“
Sheppard entging nicht, dass der General seine Aufforderung anscheinend ernst meinte. Darum spielte er notgedrungen mit und fragte: „Also schön, General O´Neill. Was können Sie für mich tun?“
Beinahe verschmitzt grinsend erwiderte O´Neill: „Sehen Sie, es geht doch.“ Er wurde fast übergangslos ernst und eröffnete dem Lieutenant-Colonel: „Vorige Woche habe ich den Vertretern des IOA eröffnet, dass ich gedenke ATLANTIS für das US-Militär sicherzustellen. Es gab daraufhin einen ziemlichen Aufruhr dort.“
Sheppards Augen öffneten sich deutlich. „Und ich kann auch verstehen warum, Sir.“
Wieder lächelte der General beinahe lausbubenhaft. „Sehen Sie, das dachte ich mir. Natürlich hat das Internationale Komitee Mord und Brand geschrien. Jetzt wollen die, dass ATLANTIS so schnell wie möglich startbereit gemacht wird, um wieder in Richtung der Pegasus-Galaxie aufbrechen zu können. Ich informiere Sie vorab darüber, Sheppard. Noch dazu höchst inoffiziell. Die Bestätigung wird im Laufe des Nachmittags bei Ihnen eintreffen. Da vermutlich jede Stunde zählen wird, um ATLANTIS startklar zu kriegen, informiere ich Sie jedoch bereits im Vorfeld, damit Sie diese Hyänen, die dabei sind ATLANTIS zerlegen, schon jetzt rausschmeißen können. Ich habe bereits einen Großteil der ersten ATLANTIS-Expedition zusammengetrommelt. Die Ersten werden bereits morgen Früh bei Ihnen eintrudeln. In zwei Wochen werden zudem drei Schlachtschiffe der BC-304-Serie bei Ihnen eintreffen. Bis dahin werden Techniker, die ich von Area-51 abstelle, die drei Vertiefungen der Außenbereiche von ATLANTIS mit Andockklammern für diese Schlachtschiffe versehen. Diese drei Kriegsschiffe werden Sie mitnehmen, als permanente Bedeckung für ATLANTIS.“
Für einen Moment sah Sheppard sprachlos auf den Bildschirm, bevor er schließlich meinte: „Schön, General. Wer übernimmt das Kommando auf ATLANTIS?“
General O´Neill schien nur auf diese Frage gewartet zu haben, denn wie aus der Pistole geschossen antwortete er: „Ein deutscher Generalmajor. Wer genau das sein wird, hat man mir immer noch nicht gesagt. Dieser General wird auf jeden Fall auch den Oberbefehl über das gesamte Militär auf ATLANTIS übernehmen. Das schließt den Befehl über den Einsatz der drei Schlachtschiffe mit ein. Darum diesmal auch ein Flaggoffizier.“
John Sheppard kratzte sich am Kinn und kniff die Augenlider etwas zusammen. „Mich wundert es, dass man Ihnen dieses Kommando nicht angeboten hat, Sir.“
„Raten Sie mal wen noch.“
O´Neill sah Sheppard ziemlich säuerlich an. „Ich vermute, dass das IOA sich dachte, ein hochrangiger amerikanischer Offizier auf ATLANTIS sei mehr als genug. Sie bestanden auf einen Europäer. Europa fühlt sich seit geraumer Zeit schon vernachlässigt, nehme ich an. Die drei europäischen Mitglieder bestanden auf einen Anführer aus ihren Reihen und Russland schloss sich ihrer Meinung an. Japan ebenfalls, nachdem feststand, dass der Flaggoffizier ein Deutscher sein würde.“
„Das werden die Europäer und Japaner aber anders sehen, sobald ihnen die Wraith an die Wäsche wollen“, prophezeite Sheppard zynisch. „Alte Seilschaften, Sir?“
Der General schüttelte den Kopf. „Das wohl weniger. Aber die Deutschen sind in Japan immer noch gut angesehen. Im Gegensatz zu uns Amerikanern.“
„Kann man denen, nach Hiroshima und Nagasaki, wohl auch nicht verübeln.“
O´Neill kam wieder auf das eigentliche Thema zurück. „Ich weiß zwar nicht, wer es sein wird, aber ich weiß, dass der Generalmajor bis 18:00 Uhr bei Ihnen aufschlagen wird. Sie werden also wohl vor mir erfahren, um wen es sich handelt. Das wäre so weit Alles von meiner Seite. Die Liste der Personen, die zur Expedition gehören werden sende ich Ihnen im Laufe des Tages. Ach und Colonel: Wenn Sie wissen, wer dieser ominöse, deutsche Generalmajor ist, dann erwarte ich unverzüglich einen Bericht von Ihnen, damit das ganz klar ist zwischen uns. O´Neill, Ende.“
John Sheppard fand gerade noch die Zeit, sich zu verabschieden, als der General die Verbindung auch schon unterbrochen hatte. Für einen Moment lang starrte er auf das rotierende ATLANTIS-Logo auf dem Bildschirm und versuchte das eben Gehörte gedanklich zu sortieren, bevor er sich erhob. Es gab jetzt ein ganze Menge für ihn zu tun.

* * *


Die Sonne war schon vor Stunden am westlichen Horizont im Meer versunken, als Lieutenant-Colonel John Sheppard beschloss Feierabend zu machen. Es war 19:30 und der angekündigte Generalmajor war nicht erschienen. Da er General O´Neill nicht hatte erreichen können, beschloss er ihn am kommenden Tag davon in Kenntnis zu setzen. Er informierte Amelia Banks, bevor er aus dem Kontrollraum schritt um sein Quartier aufzusuchen.
O´Connor war bereits abgelöst worden. Bis zu ihrer Ablösung würden hingegen noch über vier Stunden vergehen. Ihr Dienst endete erst um Mitternacht. Doch bereits jetzt freute sich die siebenundzwanzigjährige Frau darauf, nach Feierabend endlich mal wieder durch die langen Gänge der Stadt wandern zu können, ohne dass ihr einige Dutzend Leute dabei permanent vor den Füßen herumliefen.
Sie fragte sich indessen, warum dieser deutsche Generalmajor nicht aufgekreuzt war. Sie hatte einmal gehört, dass die deutsche Pünktlichkeit sprichwörtlich sei. Doch bei diesem Generalmajor schien dies nicht zuzutreffen.
So verbrachte sie einen ruhigen Abend in dem Kontrollraum, bis sie, zehn Minuten vor Mitternacht, überraschend ein Funkanruf erreichte. Banks meldete sich und eine sonore Männerstimme erwiderte: „Hier spricht Oberst Maximilian Klingenschmied, von der AUSTERLITZ. Ich habe den neuen Kommandanten von ATLANTIS an Bord meines Schiffes. Wir sind bereit den Generalmajor zu ihnen herunter zu beamen. Anbei entschuldigen wir uns für die Verspätung, aber die AUSTERLITZ hatte auf dem Weg zur Erde einige technische Probleme, die eine pünktliche Ankunft verhindert haben.“
„Verstanden, Oberst“, bestätigte Banks und verwünschte die Tatsache, dass Sheppard nicht hier war. „Wir sind bereit, den Generalmajor zu empfangen. Lieutenant Banks, Ende.“
Kaum war die Verbindung unterbrochen versuchte Amelia Banks den Colonel über den Kommunikator zu erreichen. Doch vergeblich. Vermutlich hatte Sheppard ihn abgeschaltet. Sie wusste, dass er nach Dienstschluss sein tägliches Lauftraining absolvierte. Vermutlich schlief er längst.
Banks gab es auf und wandte sich an den Sergeant, der Chuck abgelöst hatte. „Sie bleiben an den Kontrollen. Ich gehe hinunter in den Gate-Raum, um den Generalmajor zu empfangen, wenn er hier erscheint.“
Damit lief Amelia Banks eilig die Treppen hinunter, damit nicht gleich der Eindruck von Schlampigkeit bei dem neuen Kommandanten der Stadt entstehen konnte. Schlimm genug, dass nur ein einfacher Lieutenant da war um den Generalmajor zu empfangen.
Die nur 1,62 Meter große Frau hatte es gerade eben geschafft die Ebene, auf der auch das Stargate lag, zu erreichen, als sie auch schon von einem grellweißen Blitz geblendet wurde. Aus diesem hellen Gleißen heraus materialisierte eine menschliche Gestalt. Sie und einige Kisten und Taschen.
Amelia Banks war auf verschiedene Szenarien vorbereitet gewesen, doch nicht darauf eine hochgewachsene, blonde Frau in elegantem Kostüm anzutreffen.
Die schlanke Frau sah nicht älter aus, als Ende dreißig. Nur die lebhaft wirkenden, braunen Augen erzählten von einer Lebenserfahrung, die zu deutlich mehr Jahren gehörte. Sie schien weit über 1,70 Meter groß zu sein. Zudem trug sie hohe Absätze, so dass sie Amelia Banks deutlich überragte. Das lange Haar, das ihr bis in den Rücken fiel, trug sie offen.
Amelia Banks zögerte, bevor sie etwas unsicher fragte: „Ma´am? Ich bin Lieutenant Amelia Banks. Mir wurde ein Generalmajor angekündigt? Wer sind Sie?“
Die Frau richtete ihren Blick auf Banks und die Gate-Technikerin bemerkte in diesem Moment, dass diese Frau es gewohnt war Befehle zu erteilen. Nichtsdestotrotz erwiderte sie freundlich, wenn auch mit einem etwas harten Dialekt: „Ich bin Generalmajor Alexandra Degenhardt, Lieutenant Banks. Ich fürchte, ich muss mich für die Unpünktlichkeit entschuldigen. Ach – bitte sagen Sie nie wieder Ma´am zu mir. Ich mag diesen Ausdruck nicht. Der Begriff Sir ist okay für mich, oder Generalmajor oder kurz General, wenn Ihnen das lieber ist, Lieutenant. Sie sind also momentan der Diensthabende Offizier?“
„Ja, Sir. Colonel Sheppard hat vor einer halben Stunde Feierabend gemacht, nachdem Sie nicht erschienen sind. Ich werde versuchen ihn so schnell wie möglich zu erreichen.“
„Nein!“, wehrte die blonde Frau schnell ab. „Lassen Sie ihrem Vorgesetzten seinen verdienten Feierabend. Ich hatte ohnehin nicht vor heute noch umwälzende Probleme mit dem Colonel durchzugehen. Das hat Zeit bis morgen Früh. Wenn Sie mich einfach zu meinem Quartier führen würden wäre ich Ihnen sehr dankbar, Lieutenant.“
„Natürlich, General.“ Amelia Banks warf einen Blick auf eine größere Kiste. „Gehört die auch zu Ihrem Privatgepäck, Sir?“
Alexandra Degenhardt lächelte kopfschüttelnd. „Nein, darin befindet sich ein Gerät, dessen Zweck ich mit dem Leitenden Wissenschaftler durchgehen werde, sobald er sich auf ATLANTIS befindet. Wir lassen das vorerst hier stehen. Wenn Sie vielleicht nur eine der beiden Reisetaschen nehmen könnten?“
Amelia Banks nickte lächelnd und hob sich die etwas größere der beiden Taschen auf die Schulter. „Bitte folgen Sie mir, Sir.“
Während sich die neue Kommandantin von ATLANTIS der dunkelblonden Amerikanerin anschloss, erkundigte sie sich launig bei ihr: „Sie haben mit einem Mann gerechnet, schätze ich.“
„Uns wurde ein Kommandant angekündigt“, bestätigte Banks. „Vielleicht hätte man im Vorfeld von einer Kommandantin reden sollen.“
Ein feines Lächeln umspielte den Mund der Deutschen. „Erwarten Sie stets das Unerwartete, Lieutenant.“
Amelia Banks hielt mit ihrer Begleiterin vor dem Quartier, das vor dem Generalmajor bereits von Weir, Carter und Woolsey bewohnt worden war. Sie fuhr mit der Hand über das Paneel der Türsteuerung und die beiden metallenen Schotthälften fuhren mit einem leisen Zischen auseinander. „Da sind wir. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, General?“
Die blonde Frau schüttelte den Kopf. „Nein, vielen Dank, Lieutenant Banks. Ich werde mich in diesem Quartier noch ein wenig häuslich einrichten und mich danach zu Bett begeben. Morgen wird es ein langer Tag werden, denke ich. Einer von vielen in den nächsten Wochen, so wie es den Anschein hat.“
Amelia Banks stellte die Tasche im Quartier der Kommandantin auf den Boden. Danach sah sie die Frau an und meinte, beinahe entschuldigend: „Fast hätte ich es vergessen, Sir. Willkommen auf ATLANTIS.“
„Vielen Dank, Lieutenant. Gute Nacht.“
„Gute Nacht, Sir“, gab Banks zurück und verließ rasch das Quartier.
Drinnen sah sich Alexandra Degenhardt aufmerksam um. Erst nach fast einer Minute wandte sie sich einer der Reisetaschen zu und entnahm ihr vorsichtig den dunkelblauen Dienstanzug, den sie schließlich über eine der Kommoden legte. Dort würde er nicht zerknittern bis zum nächsten Morgen. Danach untersuchte sie das Quartier. Mit Erleichterung erkannte sie, dass es hier einen großzügig dimensionierten Sanitärbereich gab.
Nach einer ausgiebigen Dusche schlüpfte sie in ein dünnes Nachthemd, löschte das Licht und begab sich zu Bett. Schläfrig dachte sie noch daran, dass hier ab morgen so Einiges anders werden würde. Einige Momente später war sie bereits eingeschlafen.

* * *


Alexandra Degenhardt erwachte etwa eine halbe Stunde bevor der Wecker klingeln konnte, den sie auf das kleine Nachttischchen gestellt hatte. Sie kam für Gewöhnlich mit fünf bis sechs Stunden Schlaf aus. Mit einem ironischen Grinsen auf den vollen Lippen stellte sie fest, dass es bereits halb Sieben durch war. Für sie eine ungewöhnlich späte Zeit aufzustehen.
Schwungvoll warf sie die Bettdecke zur Seite und schwang ihre langen Beine aus dem Bett. Sie hatte sich vorgenommen einen guten Eindruck zu machen, bei ihrem ersten Auftritt als Kommandantin der Stadt. Also beeilte sich die Frau ins Bad zu kommen, wo sie sich länger Zeit ließ, als gewöhnlich. Schon weil es eine Weile dauerte, bis sie ihr langes Haar zu einem Zopf geflochten hatte. Im Dienst trug sie ihr Haar so gut wie nie offen.
Dabei stand sie nackt vor einem großen Spiegel, in dem sie sich kritisch musterte, obwohl es dazu keinen Grund gab, denn ihr straffer Körper wirkte nicht wie der einer annähernd fünfzigjährigen Frau. Im Vergleich zu vielen jüngeren Frauen machte sie im Bikini eine tadellose Figur. Einerseits trieb sie seit ihrer Kindheit viel Sport. Andererseits hatte sie sich stets sehr gesund ernährt.
Sie lächelte ihr Spiegelbild etwas spöttisch an und sagte leise zu sich selbst. „Na ja, du siehst noch ganz gut aus, für dein Alter.“
Das war eine glatte Untertreibung, doch Alexandra Degenhardt hatte noch nie zur Selbstbeweihräucherung geneigt. Sie war es gewohnt mit Realitäten klarzukommen. Den angenehmen wie den unangenehmen Realitäten und Realität war nun einmal, dass sie keine Fünfunddreißig mehr war. Auch, wenn sie fast dafür durchgegangen wäre. Doch damit haderte Alexandra Degenhardt nicht. Sie war weitgehend zufrieden mit sich.
Einen Moment später fokussierte sie sich wieder auf das, was heute vor ihr lag. Leichtfüßig schritt sie in den Wohnraum hinüber und zog sich an. Der Dienst von Colonel Sheppard begann um 08:00 Uhr Ortszeit, wie sie dem Dossier von General O´Neill über die Stadt ATLANTIS entnommen hatte. Zu diesem Zeitpunkt sollten auch alle Mitglieder der zukünftigen Führungs-Crew dieser Stadt hier sein. Das ließ ihr noch reichlich Zeit zum Frühstücken und dazu, sich vielleicht zuvor noch etwas hier umzusehen.
Nachdem sie sich rasch ihre legeren Trainingssachen angezogen hatte, machte sie ordentlich das Bett und legte ihre Uniform darüber, die sie nachher tragen würde. Nur dieses eine Mal. Danach würde sie die neue Uniform der ATLANTIS-Expedition tragen.
Gut gelaunt verließ Alexandra Degenhardt ihr Quartier und machte sich, im leichten Dauerlauf, auf den Weg.
Sie hatte zwar einige Tage lang die Pläne der Stadt studiert, die O´Neill ihr hatte zukommen lassen, doch zwischen Theorie und Praxis klaffte eine weite Lücke, wie sie sehr schnell feststellte. Auf dem Weg zur Kantine musste sie irgendwo falsch abgebogen sein und nun stand sie in einem sechseckigen Verteilerbereich, der ihr nicht geläufig war und von dem aus zwei weitere Gänge abzweigten. Da es wenig Sinn ergab, einen dieser beiden Gänge zu benutzen, in denen sie sich vermutlich hoffnungslos verlaufen hätte, blieb ihr Nichts weiter übrig, als den Gang zurückzulaufen, den sie eben erst gekommen war.
Unterwegs hielt Alexandra Degenhardt an, um sich mit ausgestreckten Armen gegen eine der Wände zu lehnen und ihre Wadenmuskeln etwas zu dehnen.
„Entschuldigen Sie. Kann ich Ihnen vielleicht helfen?“
Die blonde Frau sah überrascht auf. Sie war vollkommen in Gedanken gewesen und hatte die Anwesenheit des hochgewachsenen, schwarzhaarigen Mannes nicht gemerkt, bis er sie so plötzlich ansprach. Sich leicht von der Wand abstoßend sah sie in die grün-grauen Augen des sympathisch wirkenden Mannes. Langsam näherte sie sich ihm und blieb zwei Schritte vor ihm stehen. Mit einem kurzen Blick auf silbernen Ahornblätter auf seinen Schulterklappen fragte sie: „Sie sind vermutlich Lieutenant-Colonel John Sheppard?“
„Nennen Sie mich John“, bot der Mann Alexandra Degenhardt freundlich lächelnd an. Er musterte sie dabei einen Augenblick zu lange, wie sie befand.
„Angenehm, John. Mein Name ist Alexandra.“
John Sheppards Blick konzentrierte sich endlich auf die Augen der Frau, bevor er sich bei ihr erkundigte: „Sie gehören zur Expedition, nehme ich an?“
Alexandra Degenhardt nickte. Diese Unterhaltung mit Sheppard begann ihr Spaß zu machen. Darum sagte sie ausweichend: „Ja, ich werde in drei Wochen dabei sein, wenn es losgeht. Ich bin erst seit kurzer Zeit hier und habe mich wohl verlaufen. Eigentlich wollte ich zur Kantine. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir den Weg dorthin zeigen würden.“
„Na, dann kommen Sie mit.“
Alexandra Degenhardt schritt neben dem Lieutenant-Colonel durch den Gang und beobachtete ihn unauffällig von der Seite. Diese kurze Musterung fiel zu ihrer Zufriedenheit aus. Sheppard schien einer jener eher unaufgeregten Offiziere zu sein, die nicht so stocksteif und zackig durchgeformt waren, wie viele seiner amerikanischen Kollegen. Den meisten von denen war sie im Nato-Hauptquartier in Brüssel begegnet. Alexandra Degenhardt wertete dies als Zeichen dafür, dass Sheppard tatsächlich eine Menge haarsträubender Einsätze hinter sich hatte. So, wie es in seiner Dienstakte stand.
Es dauerte nicht lange bis sie, über eine breite Treppe, die Kantine erreichten. Während sie gemeinsam zum Frühstücksbuffet schritten erkundigte sich die Frau bei ihrem Begleiter: „Was können Sie mir empfehlen, John?“
„Also, ich stehe auf die Truthahn-Sandwichs“, gab Sheppard prompt zurück. „Die sind wirklich lecker.“
„In Ordnung, dann probiere ich das mal. Schmeckt der Kaffee?“
„Nicht die Bohne“, spöttelte der Mann. „Aber das ist vermutlich wieder einmal reine Geschmackssache. Vielleicht sollten Sie ihn probieren.“
Die Frau legte sich zwei der abgepackten Sandwiches auf ihr Tablett und stellte eine Tasse schwarzen Kaffee dazu. Dabei meinte sie hoffnungsvoll: „Ich hoffe nicht, dass der Kaffee wirklich so schlimm ist. Ohne Kaffee bin ich nämlich aufgeschmissen.“
Sheppard, der sich lediglich eine Flasche Mineralwasser nahm, machte ein zweifelndes Gesicht. „Na, ich weiß nicht. Sie entschuldigen mich bitte.“
„Aber ich hatte gehofft Sie leisten mir Gesellschaft, Lieutenant-Colonel“, protestierte Alexandra Degenhardt.
„Dazu fehlt mir leider die Zeit“, gab Sheppard mit Bedauern in der Stimme zurück. „Wissen Sie, wir erwarten einen Generalmajor, der seit gestern Abend überfällig ist. General O´Neill wird wissen wollen, dass er noch nicht eingetroffen ist.“
Damit entfernte sich der Mann rasch.
„Einen Moment mal, John!“, rief Alexandra Degenhardt hinter ihm her, die das Missverständnis nun aufzuklären gedachte, doch Sheppard winkte ab und rief über die Schulter: „Nicht jetzt, Alexandra.“
Und schon war er weg, dachte die Frau amüsiert. Für einen Moment war sie unentschieden, ob sie ihm folgen sollte. Doch dann zuckte sie mit den Schultern und nahm an einem der Tische, in der menschenleeren Kantine Platz. Sie probierte einen Schluck von ihrem Kaffee und verzog angewidert das Gesicht. Dieser Kaffee war schlicht das Letzte.

* * *


Nach seinem Gespräch mit O´Neill verließ John Sheppard verwirrt sein Büro. Der General hatte ihm versichert, dass der Generalmajor seit gestern Abend auf ATLANTIS weilte. Der Befehlshaber der AUSTERLITZ hatte dies vor wenigen Minuten auf Anfrage bestätigt.
Als der Lieutenant-Colonel, eine knappe halbe Stunde später, wieder aus seinem Büro stürmte, schritt ein junger Ensign auf ihn zu, der momentan im Kontrollraum Dienst tat. Er hatte um Mitternacht Amelia Banks abgelöst. Sheppard wusste kaum mehr über diesen schlaksigen dunkelblonden Mann, als dass er Enrico Gonzales hieß.
Der Spanier, der bis vor wenigen Augenblicken eine Etage über dem Kontrollraum Systemchecks vorgenommen hatte, wirkte erleichtert, als er seinem Vorgesetzten meldete: „Gott sei Dank, da sind Sie ja, Sir. Ich hatte bereits versucht Sie über den Kommunikator zu erreichen aber Sie haben sich nicht gemeldet.“
„Weil das Ding noch in meinem Quartier liegt“, erwiderte Sheppard ungeduldig und forderte drängend: „Also, was haben Sie auf der Pfanne, Ensign?“
„Nun, Lieutenant Banks informierte mich, bei der Ablösung, dass die neue Kommandantin von ATLANTIS gestern gegen Mitternacht hier eingetroffen ist. Sie hat Generalmajor Degenhardt willkommen geheißen und zu ihrem Quartier gebracht.“
„Warten Sie mal, Ensign“, stoppte Sheppard den Redefluss des Südländers. Ihm schwante etwas, und zwar so rein gar nichts Gutes. „Haben Sie eben Kommandantin gesagt? Der Generalmajor ist also eine Frau?“
„Ja, Sir“, bestätigte der Spanier. „Generalmajor Alexandra Degenhardt.“
„Ach du Schande!“, entfuhr es John Sheppard. Damit eilte er zur Treppe, ohne sich weiter um den Spanier zu kümmern, der ihm verständnislos hinterher sah. Der Lieutenant-Colonel hatte die Treppe bereits erreicht, als er dem Spanier noch zurief: „Weitermachen!“
Immer zwei Stufen auf einmal nehmend hastete Sheppard die Treppe hinunter und lief dann in Richtung der Kantine. Vielleicht traf er die Frau, die er so zwanglos beim Vornamen genannt hatte, noch dort an. Dabei dachte er: Na, toll! Da läuft mir die neue Kommandantin von ATLANTIS über den Weg und ich habe nichts Besseres zu tun, als ihr zu sagen: Nennen Sie mich John. Danach lasse ich sie auch noch in der Kantine stehen. Wirklich ganz toll!
Die Kantine war leer, als John Sheppard sie erreichte. Der Mann überlegte, dass die Kommandantin höchstwahrscheinlich ihr Quartier aufgesucht hatte. Die Vermutung, dass sie den Dienstplan von ATLANTIS durch General O´Neill übermittelt bekommen hatte, lag dabei nahe. Fraglos würde die neue Kommandantin von ATLANTIS sich vor Dienstbeginn umziehen. Bei ihrer ersten Einsatzbesprechung wollte sie bestimmt einen guten Eindruck bei ihren zukünftigen Untergebenen hinterlassen.
Rasch verließ der Mann die Kantine wieder und schritt eilig zu den Quartieren der Führungsmannschaft, die auf der Ebene des Gate-Raumes lagen. Das Quartier des Stadt-Kommandanten hatte er bereits viele Male zuvor aufgesucht, weshalb er mit schlafwandlerischer Sicherheit eine Minute später vor dem Schott dieses Quartiers ankam. Er atmete tief durch und klopfte gegen das Schott. Mit Meldekontakten hatten es die Antiker nicht so gehabt.
Ein klares Herein drang aus dem Innern des Quartiers.
„Also schön“, seufzte Sheppard zu sich selbst. „Hole ich mir eben den ersten Anschiss von dieser Frau ab.“
Damit wischte er mit seiner rechten Hand über das Öffnungspaneel, neben dem Eingang zum Quartier. Die beiden Schotthälften glitten vor ihm zur Seite und entschlossen trat er ein. Unangenehme Dinge vor sich herzuschieben brachte nichts.
Alexandra Degenhardt stand vor dem großen Spiegel des Wohnraumes und richtete ihre Uniform, wobei sie ihm den Rücken zu wandte.
Sheppard beobachtete unwillkürlich ihre sportliche Figur und kam zu dem Schluss, dass er sie vorhin wohl um Einiges jünger geschätzt hatte, als sie tatsächlich war. Auch aus dieser Warte vermittelte die Frau den Eindruck eher in seinem Alter zu sein.
Die Frau schien offensichtlich fertig umgekleidet zu sein. Sie und prüfte momentan lediglich noch einmal den korrekten Sitz ihrer Uniform.
Sheppard schmunzelte unmerklich, als er sie dabei ertappte, wie sie am Kragen ihrer Uniformbluse herum zupfte. Allein das war ein Zeichen dafür, dass dieses neue Kommando für sie alles Andere war, als normal.
Endlich wandte sie sich zu John Sheppard um und dieser nahm Haltung an und salutierte. „Es tut mir leid, Sie vorhin nicht erkannt zu haben, Ma´am. Ich bekam leider eben erst die Meldung, dass Sie bereits auf ATLANTIS sind.“
Alexandra Degenhardt erwiderte den militärischen Gruß. Weniger eckig und mit deutlich eleganterer Armbewegung, als der Lieutenant-Colonel. Dabei musterte sie ihn für einen Augenblick eindringlich, bevor sie den rechten Arm wieder sinken ließ um ihm, beinahe verschmitzt lächelnd, die Hand zu reichen. „Ich habe es versäumt mich Ihnen vorhin korrekt vorzustellen. Aber ich konnte unmöglich die Gelegenheit verstreichen lassen, zu erfahren was für ein Mensch sie sind. Ich meine abseits militärischer Gepflogenheiten, Lieutenant-Colonel.
Sheppard ergriff die angebotene Hand und sah der Frau etwas überrascht in die Augen, als sich ihre Finger, gleich einem Schraubstock, fest um seine legten. Seine Hand nach diesem festen Händedruck massierend meinte er: „Das haben Sie bestimmt sehr lange geübt, Ma´am.“
John Sheppard hatte bereits zuvor bemerkt, dass die blonde Frau ihr Gesicht verzogen hatte, bei seiner Meldung. Diesmal wieder. Gleich darauf sagte sie: „Bitte benutzen Sie nie wieder dieses Wort, Ma´am, John. Ich mag es nicht. Sprechen Sie mich im Dienst mit General oder auch mit Sir an. Außerhalb des Dienstes sind wir ja bereits bei den Vornamen.“
Etwas ungläubig fragte Sheppard: „Sir?“
Die Frau schmunzelte fein und legte ihre Hände auf den Rücken. „Nun ja, Sie haben mir vorhin angeboten Sie John zu nennen und ich habe das auch so angenommen. Obwohl ich die Ältere bin. Was mich betrifft: Ich bin dafür, dass wir dieses Arrangement beibehalten, sofern wir nicht im Dienst sind oder unter uns, so wie gerade jetzt.“
Sheppard fand rasch wieder zu sich. „Sehr gerne… Alexandra. Ich muss sagen, das überrascht mich jetzt etwas. Ich dachte immer, Deutsche wären so bis ins Mark korrekt.“
„Oh, das stimmt auch“, beschied ihm die Frau. „Das werden Sie bestimmt schneller feststellen, als es Ihnen lieb ist. Aber man muss es damit nicht übertreiben, oder?“
„Da bin ich ganz Ihrer Meinung.“
Alexandra Degenhardt lächelte verbindlich. „Sehr schön. Bis um 08:00 Uhr ist es noch fast eine halbe Stunde, John. Ich würde diese Zeit gerne nutzen, um mit Ihnen im Büro etwas zu besprechen. Etwas, das ich geklärt haben möchte, bevor die übrige Führungs-Crew auf ATLANTIS eintrifft.“
John Sheppard nickte. „Natürlich.“
Sie verließen das Quartier der Frau und begaben sich hinauf zur Kommandoebene, wo Ensign Gonzales rasch aufsprang, als er erkannte wer da zu ihm hereinkam.
„Weitermachen!“, sagte die Frau mit beruhigendem Tonfall zu dem Spanier. Damit schritt sie an dem Ensign vorbei und folgte Sheppard über den Verbindungssteg, der zum Kommandanten-Büro führte. Dort angekommen sah sich die Frau um.
„Das also ist Ihr Büro, Lieutenant-Colonel?“
„Ja“, bestätigte ihr Begleiter, während sich die Frau aufmerksam umsah. Dann sah sie ihn über die Schulter hinweg an und meinte bestimmt: „Ab morgen nicht mehr.“
Sheppard nickte. „Das versteht sich von selbst.“
Alexandra Degenhardt umrundete den Schreibtisch. Er wirkte aufgeräumt und die Frau ahnte, dass sich Sheppard bereits am Tag zuvor darauf vorbereitet hatte dieses Büro zu räumen. Nachdenklich nahm sie in dem Sessel hinter dem Schreibtisch Platz und deutete dabei auf eine der bequemen Sitzgelegenheiten vor dem Tisch. „Bitte, nehmen Sie Platz.“
Es kam John Sheppard etwas befremdlich vor, diesen Satz wieder hier zu hören. In den letzten Monaten hatte er sich daran gewöhnt hier allein zu schalten und zu walten.
Kaum hatte der Mann sich gesetzt, da beugte sich Alexandra Degenhardt in ihrem Sessel vor, faltete ihre gepflegten Hände und legte sie auf die Schreibtischplatte. „Ich will nicht lange um den heißen Brei herum reden, John. Ich habe Ihre Dienstakte sehr aufmerksam studiert. Besonders natürlich diesen dunklen Punkt, während Ihres Dienstes in Afghanistan.“
Die Miene des Mannes erstarrte. „Mit Verlaub, Sir. Sie waren nicht dabei. Es handelte sich um eine Notsituation, in der...“
„Danach habe ich Sie nicht gefragt.“
Ein sanftes, irgendwie beruhigendes Lächeln umspielte die dezent geschminkten Lippen der Frau. „Hören Sie, ich habe nicht vor Sie für irgendetwas zu verurteilen. Ich muss lediglich wissen, ob wir möglicherweise irgendwann dienstlich Probleme miteinander bekommen werden. Deshalb würde ich gerne Ihre Version der Ereignisse hören. Dienstakten geben zumeist nicht die wahre Natur der Geschehnisse wieder. Vertrauen Sie mir bitte.“
Die Gesichtszüge des Lieutenant-Colonels entspannten sich sichtlich. Zunächst zögerlich, dann sicherer werdend erzählte er der Frau, was sich seinerzeit in Afghanistan ereignet hatte. Als er, entgegen seinem direkten Befehl, seinen Kameraden das Leben retten wollte. Allerdings hatte sein Freund es nicht geschafft zu überleben. Etwas, das ihm selbst heute noch gelegentlich Albträume bereitete.
Nachdem er geendet hatte, sah ihn Alexandra Degenhardt eindringlich an und für einen Moment schoss Sheppard der unsinnige Gedanke durch den Sinn, dass diese braunen Augen in der Lage waren direkt in seine Seele hineinzusehen. Schließlich entspannte sich die Miene der Frau wieder und sie sagte leise: „Es tut mir leid um Ihren Verlust. Ich denke, ich kann verstehen was Sie damals zu dieser Befehlsverweigerung bewegt hat. Sehen Sie, ich entstamme einer Familie mit einer langen Militärtradition. Deshalb weiß ich, dass es Situationen geben kann in denen ein guter Offizier, vor Ort, entscheiden muss, ob ein gegebener Befehl sinnvoll ist, oder eben nicht.“
„Es freut mich, dass Sie das so sehen.“
Die Frau nickte ernst. „Wir beide werden so verbleiben, John: Sollten Sie jemals einen meiner Befehle verweigern und damit Recht haben, dann werde ich Sie für einen Orden vorschlagen. Sollten Sie hingegen einen meiner Befehle verweigern und damit Unrecht haben, so werde ich Sie einsperren lassen und eigenhändig den Schlüssel wegschmeißen. Was denken Sie also? Gilt diese Abmachung zwischen uns beiden?“
Der Mann grinste schief, denn dieser Vorschlag hatte so seine Tücken. „Ich denke, damit komme ich klar. Allerdings hätte ich da auch eine Frage an Sie.“
Die Augenbrauen der Frau hoben sich etwas. Sie schob den Sessel etwas zurück, legte die Arme auf die Sessellehnen und schlug das rechte Bein über das linke. „Nur zu, John. Was wollen Sie wissen?“
Der Mann druckste etwas herum, bevor er geradeheraus fragte: „Warum hat man ausgerechnet Ihnen das Kommando über ATLANTIS anvertraut? Ich meine, warum hat sich das Internationale Komitee nicht für jemanden mit mehr… Nun ja… Erfahrung auf ATLANTIS entschieden?“
Die blonde Frau biss sich auf die Unterlippe und Sheppard fürchtete bereits mit seiner Frage etwas zu weit gegangen zu sein. Doch dann nickte sie und erwiderte: „Ich denke, es kommt gerade bei dieser Expedition darauf an, wie man den Begriff Erfahrung auslegen will. Ungeachtet dessen gibt es auf ATLANTIS bereits einen Mann der sich bestens auskennt. Nämlich Sie. Sehen Sie, im Gegensatz zur ersten Expedition werden drei Schlachtkreuzer der DAEDALUS-KLASSE permanent unter meinem Oberkommando stehen. Ich habe, im Krieg gegen die Ori, das Kommando über die AUSTERLITZ geführt. Später dann, nach meiner Beförderung zum Brigadegeneral, sogar das Kommando über die komplette Dritte Taktische Flotte. Mag sein, dass ich in Bezug auf die Routinen in ATLANTIS im Vergleich zu Colonel Samantha Carter oder Mister Richard Woolsey ein paar Defizite habe. Aber ich versichere Ihnen eins - von der Einsatzstrategie einer Schlachtschiff-Gruppe verstehe ich dafür etwas mehr, als genannte zwei Personen. Bei dieser Mission werden wir, vielleicht mehr als jemals zuvor, darauf angewiesen sein uns zu ergänzen. Allzu viel Redundanz können wir uns diesmal leider nicht erlauben. Was meine Kompetenz in Bezug auf ATLANTIS betrifft: Da zähle ich auf Sie. Sie werden mir im Zuge der Mission beibringen was ich wissen muss.“
Die Worte der Frau ließen Sheppard verlegen werden. Entschuldigend erwiderte er: „Ich wollte Ihre Kompetenz nicht in Frage stellen, Alexandra. Natürlich werden Sie meine vollste Unterstützung haben.“
„Darauf verlasse ich mich.“
Alexandra Degenhardt warf einen schnellen Blick auf ihre große, auffallende Herren-Armbanduhr und stellte erstaunt fest: „Wir haben ja bereits kurz vor 08:00 Uhr. Es wird höchste Zeit den Konferenzraum aufzusuchen. Man wartet bestimmt schon auf uns.“
Du musst login (registrieren) um ein Review abzugeben.