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01. Zeitloser Traum von ulimann644

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Direkt nach der Ankunft trat Christina Mitchell einige Schritte zur Seite und sah sich um. Es war Dunkel. Nur einige Elemente über der umlaufenden Galerie und im Fußboden, offensichtlich die Notbeleuchtung, die sich bei ihrer Ankunft aktiviert hatten, verbreiteten ein diffuses Zwielicht. Dabei war es kalt. Die Kommandeurin konnte ihren eigenen Atem sehen und sie spürte eine empfindliche Kälte auf den Wangen.
Gerade so, als wäre die Ankunft hier das Signal für das Raumschiff gewesen, aktivierten sich weitere Lichtleisten an den Wänden. Gleichzeitig spürte Christina Mitchell einen schwachen, wärmenden Luftstrom auf ihrem Gesicht.
Im nächsten Moment tauchten bereits die ersten Männer und Frauen des Bataillons auf und sie begann damit, die Verteilung von Mensch und Material zu koordinieren. Unterstützt von der Eskorte, mit der sie das Stargate durchschritten hatte.
Das Technische Kommando, das ihnen zuerst gefolgt war, beorderte sie zur Suche der Lebenserhaltungssysteme und zu den erreichbaren Maschinenkonsolen. Die ihnen folgenden Wissenschaftler sollten sich auf die Suche nach den Vermissten begeben. Ihnen wurde eine bewaffnete Eskorte zur Seite gestellt.
Die danach Ankommenden wies Colonel Christina Mitchell an, das Gepäck und alle Ausrüstungsgegenstände durch den Zentralgang, zu einem der sicherlich vorhandenen Lagerräume zu bringen. Die Verteilung des Personals auf Quartiere, die es sicherlich ebenfalls an Bord gab, würde später erfolgen. Dies würden die einzelnen Kompanieführer und Zug-Sergeant koordinieren.
Das Team mit den Reaktoren und den ZPM erschien als letztes. Die Soldaten dieser Technik-Abteilung sollten sich zuerst im Torraum einen Überblick verschaffen, und herausfinden, wie man das Stargate an Bord mit den Naquadah-Reaktoren verbinden konnte. Die rund zwanzig Männer und Frauen dieser Abteilung blieben als Einzige im Torraum des Raumschiffes, von dem man einen groben Lageplan auf den geretteten Datenträgern des ehemaligen Homeworld-Command gefunden hatte.
Ein Datenanalytiker auf der Erde hatte bei der Auswertung der Datenträger eine erstaunliche Entdeckung gemacht. Zwar wurden die Energiespeicher der DESTINY durch die Energie von Sternen aufgeladen, doch die Antiker hatten damals ebenfalls eine Vorrichtung für drei ZPM eingebaut. Jedoch hatte sich diese Technik damals erst in der Entwicklung befunden. Nachdem abzusehen gewesen war, dass diese Entwicklung länger dauern würde als ursprünglich eingeplant, änderten die Ingenieure der Antiker, für dieses Raumschiff, die Art der Energieversorgung. Die Vorrichtung zur Aufnahme der ZPM war zu diesem Zeitpunkt indessen schon installiert und bereit für die Aufnahme der ZPM.
Vermutlich hatten die damals zur DESTINY verschlagenen Menschen davon nicht die geringste Ahnung gehabt. Das vermutete zumindest Christina Mitchell. Ansonsten hätte man seinerzeit beim Homeworld-Command sicherlich alles daran gesetzt, mindestens ein ZPM zu diesem Raumschiff zu entsenden. Doch von einem solchen Versuch war nichts in den gefundenen Unterlagen zu entdecken gewesen.
Lieutenant-Colonel Kamarov, der sich inzwischen wieder zu seiner Vorgesetzten begeben hatte, schlug vor: „Vielleicht sollten wir uns auch auf dem Raumschiff umsehen, Sir. Möglicherweise finden wir die Menschen, die im Jahr 2009 hierherkamen Aber Colonel, eine Frage: Wurde das Raumschiff in den gefundenen Berichten nicht als eine bessere Rostlaube bezeichnet? Irgendwie macht dieser Torraum zumindest nicht den Eindruck.“
„Ich würde ungern schon wieder Leichen finden, Kamarov, und Sie haben recht. Vom Zustand dieses Raumes ausgehend scheint sich das Raumschiff in einem guten Zustand zu befinden. Um nicht zu sagen, in einem sehr guten Zustand.“
Die Kommandeurin hörte auf zu frösteln. Den Helmscheinwerfer abschaltend erkannte sie die beiden Konsolen, an denen sich mittlerweile mehrere der Techniker zu schaffen machten. Christina Mitchell vermutete, dass von diesen Konsolen aus das Stargate angesteuert werden konnte. Davor wand sich zu beiden Seiten des Zentralganges jeweils eine Treppe zur Galerie des Raumes hinauf und endete dicht bei einem Schott. Vermutlich ging es von dort aus ebenfalls weiter in Richtung Heck der DESTINY. In den Ecken des Raumes befanden sich, auf dieser Ebene, noch zwei weitere Schotts.
Die Frau deutete zu den beiden Treppen, deren Stufenkanten nun ebenfalls beleuchtet waren. „Steigen wir hinauf und sehen uns dort oben einmal um. Nach den gefundenen Plänen erreicht man von dem Gang, hinter diesem Schott dort oben, das Observationsdeck.“
„Sie wollen aus dem Fenster sehen“, stellte Kamarov nüchtern fest.
Der Blick mit dem Christina Mitchell ihren Stellvertreter bedachte, sprach Bände. Dabei wies sie zu den Deckenfenstern hinauf und meinte: „Vermutlich wird nicht viel zu sehen sein. Was ist das eigentlich?“
Kamarov sah auf eine Antiker-Anzeige, über dem Gang, der ins Innere des Raumschiffes führte. „Ein Countdown, Sir. Diese Uhr zeigt knapp zwölf Stunden an.“
„Wozu die wohl gut sein mag?“, murmelte die Kommandeurin und setzte sich in Bewegung. Kamarov folgte seiner Vorgesetzten, während ihre Eskorte die andere Treppe hinauf eilte, um ihnen oben vorangehen zu können.
Die Britin kannte Alexander Kamarov nun seit einigen Jahren und sie verstand sich mit dem gebürtigen Minsker besser als durchschnittlich. Noch vor einhundert Jahren wäre eine militärische Einheit dieser Größe, mit Teilnehmern aus mehr als 50 ehemaligen irdischen Nationen, undenkbar gewesen. Der gemeinsame, Jahrzehnte lange Kampf gegen einen äußeren Feind hatte die Nationen der Erde zusammenrücken lassen. Eine Entwicklung, die bereits vor dem Ende des Krieges unumkehrbar geworden war.
Das Gemüt von Kamarov und seine Ansichten stimmten nur selten mit denen der Kommandantin überein, doch sie akzeptierte das, so wie auch er es akzeptierte. Darum nahm sie ihm solche Kommentare, wie eben, auch nicht krumm, denn sie wusste, dass es sich dabei nicht um eine Respektlosigkeit handelte.
Als sie oben durch das sich öffnende Schott traten, nachdem der sie vorangehende Corporal seine Hand auf den Öffnungskontakt gelegt hatte, umspielte ein feines Lächeln den Mund des Colonels. Sie dachte daran, dass sie und Kamarov sich manchmal so verhielten, wie ein altes Ehepaar. Im nächsten Moment wurde sie wieder ernst und konzentrierte sich.
Der Sergeant und der Corporal hielten ihre armlangen Waffen leicht angehoben, jederzeit bereit zu reagieren, falls unerwartet eine Bedrohung auftauchen sollte. Ganz ähnliche Energiewaffen waren zum ersten Mal gegen Ende des Jahres 2009, bei der Rückkehr der Stadt ATLANTIS zur Pegasus-Galaxie, an irdische Soldaten ausgegeben worden. Zu Beginn dieses Jahres war ATLANTIS zur Milchstraße geflogen, um die Erde gegen die Wraith zu verteidigen. Nachdem man die Kampfschäden behoben hatte, war die Stadt wieder zu ihrer heimatlichen Galaxie aufgebrochen, um als Basis der Menschen für den Kampf gegen die Wraith zu dienen.
Im Vergleich zu den damals verwendeten Prototypen waren die heutigen Waffen ungleich leistungsfähiger. Die farblich überwiegend in Schwarz und Dunkelgrau gehaltene Waffen, deren Material bei einem bestimmten Lichteinfall violett schimmerte, bestanden aus einer exotischen Metall-Kunststoff-Legierung.
Auf der rechten Seite musste eine solche Waffe zunächst durch ein kurzes Antippen eines Sensors aktiviert werden. Dieser Sensor stellte fest, ob ein Terraner mit Antiker-Gen die Waffe zu aktivieren versuchte, oder eine fremde Lebensform, die dieses Gen nicht in sich trug. Alle Soldaten der Terranischen Streitkräfte trugen dieses Gen in sich. Aus Gründen der Sicherheit hatten sich die Terraner dazu entschlossen, es den Antikern nachzutun, und sensible technische Systeme und Waffen durch diesen genetischen Abdruck zu sichern.
Den Aktiv-Status der Energiewaffen, von denen auch sie selbst und Kamarov eine in der Armbeuge trugen, erkannte man an dem bläulichen Kontroll-Lichtsignal über dem Schalter und daran, dass das Energie-Magazin an den Seiten ebenfalls leicht bläulich aufglüht. Rechts gab es einen Schalter für zwei Einstellungen. Für Schüsse über größere Distanzen hinweg konnte aus dem oberen Mittelteil ein Zielfernrohr ausgefahren werden.
Mindestens eintausend Schuss konnten damit abgegeben werden. Betäubungsschüsse verbrauchten nur halb so viel Energie. Wenn der Abzug länger als zwei Sekunden gedrückt halten wurde, aktivierte sich ein permanent aktiver, gebündelter Strahl, der gegen gepanzerte Ziele oder Schilde eingesetzt werden konnte. Dieses Dauerfeuer konnte für etwas mehr als zwei Minuten aufrechterhalten werden. Ihre Energiemagazine konnte man an Ladestationen, die bereits in diesem Moment von den Ingenieuren des Teams aufgebaut wurden, innerhalb weniger Augenblicke wieder aufladen.
Christina Mitchell hatte die Anweisung erteilt, bei allen Waffen den Betäubungs-Modus anzuwählen. Nur im Notfall sollte mit tödlich wirkender Energie gefeuert werden.
Als sie bereits mehrere Meter in dem Gang zurückgelegt hatten registrierte die Frau, dass sich auch hier die Lichtleisten aktivierten. Sauber und glänzend lag der Gang vor ihnen, so als sei das Raumschiff eben erst von einem Werftleiter der Antiker übergeben worden. Sie sprach Kamarov erneut darauf an.
„Sie hatten recht, Lieutenant-Colonel. Ich meine, unten im Torraum. Das gesamte Raumschiff macht bisher den Eindruck, als sei es eben erst fertiggestellt worden. Aber wie kann das sein? Die Unterlagen sprachen von einem ganz anderen Zustand des Raumschiffes.“
„Darauf habe ich momentan keine Antwort, Sir.“
Die Kommandeurin grinste offen. „Manchmal bewundere ich Sie dafür, dass Sie daran glauben, das Finden einer Antwort wäre stets nur eine Frage der Zeit, Kamarov.“
Der Lieutenant-Commander blickte erstaunt: „Ist es das denn nicht?“
„Vielleicht doch.“
Sie durchschritten ein weiteres Schott und betraten das Observationsdeck. Ihren Augen bot sich dabei ein geradezu unglaublicher Anblick. Sowohl die beiden Unteroffiziere, als auch Christina Mitchell und Alexander Kamarov blieben für einen Moment stehen. Schließlich war es die Frau, die sich als erste aus der Starre löste und zu dem Geländer schritt, das sich zwei Meter vor den eigentlichen Panoramascheiben rund um das Observationsdeck erstreckte. Dabei umkrampften die Finger ihrer behandschuhten Hände das Geländer. Unbedacht stellte sie den rechten Fuß dabei auf die untere Geländerstrebe.
Vor der Frau und um sie herum war nur die tiefste Schwärze des intergalaktischen Leerraumes zu sehen. Direkt in Flugrichtung breitete sich hingegen die Scheibe einer Spiralgalaxis aus, auf deren Randbereiche das Raumschiff zuhielt.
„Das ist fantastisch!“, entfuhr es Christina Mitchell und sah nach rechts zu Kamarov, der neben sie getreten war.
Der Belaruse sah für einen Moment hinaus ins All, bevor er erwiderte: „Ja. Ein grandioser Anblick. Wann werden wir wohl in diese Galaxis einfliegen?“
„Ich wollte, ich wüsste es“, gab die Kommandeurin zurück. Vielleicht erfahren wir es, sobald wir die Brücke des…“
Eine Funknachricht unterbrach Christina Mitchell: „Colonel Mitchell, hier spricht Major Jan-Findus Nordqvist. Bitte kommen Sie umgehend zum Repositorium des Raumschiffes. Sie kennen den Weg dorthin, Sir?“
„Ja, ich habe den Schiffsplan bereits auf dem Arm-Padd meines Kampfanzuges aufgerufen. Sie klingen ziemlich erregt, Major Nordqvist.“
„Den Grund dafür werden sie verstehen, wenn Sie hier sind, Sir. Nordqvist, Ende.“
„Der macht es ziemlich spannend“, spöttelte Kamarov.
„Dem werde ich etwas erzählen, wenn wir dort sind“, prophezeite Christina Mitchell düster. „Ich erwarte anständige Meldungen.“
Sie gab der Eskorte einen Wink und die beiden Männer setzten sich in Bewegung, nachdem auch der Corporal sein Arm-Padd aktualisiert, und das neue Ziel eingegeben hatte.
Christina Mitchell fand diese Eskorte etwas lästig, doch die Dienstvorschrift war, bezüglich der Sicherheit von Offizieren, die als Kommandeure fungierten, seit langer Zeit schon, ziemlich eindeutig.
Als sie den Stuhlraum erreichten wies Christina Mitchell die beiden Unteroffiziere an, vor dem offenen Schott zu warten. Nur sie und Kamarov traten in den kreisrunden Raum ein. Außer ihnen waren bereits Major Nordqvist und Lieutenant Elena Sabatini anwesend. Beide hielten mit ihren Waffen eine fünfte Person in Schach.
Auf den ersten Blick erkannte Christina Mitchell, dass diese Person nicht zusammen mit ihnen an Bord gekommen war. Denn diese Person trug statt einer Uniform Bluejeans, ein knallrotes T-Shirt und einen grauen Kapuzenpulli. Der etwas beleibte junge Mann war gerade im Begriff gewesen, sich mit erhobenen Händen aus dem seltsam anmutenden Stuhl zu erheben, der in der Mitte des Raumes stand, als sie mit Kamarov eintrat.
Mit einem unsicheren Lächeln wandte sich der junge Mann zu ihr und sagte mit kratziger Stimme: „Hi, ich bin Eli Wallace. Wie auch immer. Wer, zur Hölle, sind Sie?“

* * *


Einige Minuten zuvor hatte Eli Wallace noch in dem zeitlosen Traum verharrt, der ihn seit neunzig Jahren in seinen Klauen gefangen hielt. Doch das ahnte der Träumer nicht. Neun Jahrzehnte lang hatte er im Kälteschlaf zugebracht.
Das langsame Erwachen kam ohne Vorwarnung, dafür mit Schmerzen. Tausende glühende Nadeln schienen in seinen Körper einzudringen, während er gleichzeitig kurze Erinnerungsfetzen vor seinem geistigen Auge sah. Kurze Blitzlichter der Erinnerung. Er sah sich durch die Sichtscheibe eines Antiker-Raumanzuges sehen. Eine Frau an der Hand haltend, die ebenfalls einen solchen Anzug trug und seinen Namen rief. Lisa Park.
Er hatte sie vor dem Sog des Vakuums, außerhalb der zerstörten Hydroponik-Kuppel gerettet und in den Gang gezogen. Sie hatte sich weinend an ihn geklammert, mit verblitzten Augen. Blind.
Als Nächstes sah sich Eli an einem der Tische in der Messe sitzen. Zusammen mit Young, Rush, Camile, Chloe, Matt, Greer und TJ. Er hörte die Rede von Colonel Young. Wie er von ihnen als eine Familie sprach.
Der Schmerz ebbte ab. Die Bilder wurden klarer.
Colonel Young stand bei ihm, vor dem Antritt seines eisigen Schlafes. Er fragte ihn, ob er sich immer noch sicher sei, derjenige zu sein, der außerhalb der Stasiskammern blieb. Er hörte sich selbst sagen, dass er sich noch nie einer Sache so sicher gewesen sei.
Er hörte Stimmengewirr. Doch diese Stimmen passten zu keiner seiner Erinnerungen. Woher kamen sie also? Eli versuchte sich, langsam wach werdend, an diese Stimmen zu erinnern. Versuchte, sie Personen zuzuordnen, die er kannte. Was sagten sie?
Ob das einer von jenen Vermissten ist, die im Jahr 2009 hierherkamen?
Er sieht so friedlich aus. Fast so, als sei er glücklich in diesem Zustand.
Das erste war eine tiefe, männliche Stimme gewesen. Danach hatte eine hellere, weiblich klingende, Stimme gesprochen. Doch der Akzent dieser Frau klang seltsam.
Eli zwang sich, seine Augen zu öffnen. Er blickte direkt in die Läufe von zwei fremdartig wirkenden Waffen. Die beiden Personen, die sie hielten, trugen anthrazitfarbene Uniformkombinationen mit Abzeichen, die er noch nie gesehen hatte. Wer waren diese Fremden nur? Menschen von der Erde?
Noch während Eli Wallace versuchte eine Antwort darauf zu finden, betraten zwei weitere Personen den Raum. Am Verhalten der übrigen Anwesenden erkannte Eli, dass die angekommene Frau die höchste Stellung unter ihnen einnahm.
Langsam, mit einem verunglückten Lächeln und erhobenen Händen stand Eli aus dem Stuhl auf, wobei er ein seltsames Zittern unterhalb der Kniescheiben verspürte. Ein Kratzen legte sich über seine Stimmbänder, als er sagte: „Hi, ich bin Eli Wallace. Wie auch immer. Wer, zur Hölle, sind Sie?“
Es war tatsächlich die Frau, die etwas vortrat und dabei die Waffe in ihrer Hand senkte. Offensichtlich hielt sie ihn nicht für gefährlich. Ein gutes Zeichen, wie Eli hoffte.
In etwas seltsam klingendem, aber dennoch verständlichen Englisch antwortete die Frau auf seine Frage: „Ich bin Colonel Christina Mitchell. Sagen Sie mir bitte, wozu dieser Raum dient. Eine Kälteschlafkammer?“
Eli Wallace betrachtete die Frau intensiv, bevor er langsam seine Hände sinken ließ und meinte: „So kann man das nicht unbedingt sagen, obwohl man ihn schon dazu zweckentfremden kann.“
„Dieser Stuhl scheint eher ein frühes Äquivalent zum Kontrollstuhl auf ATLANTIS zu sein“, warf die junge schwarzhaarige Frau ein, die auf Eli einen südländischen Eindruck machte. Beim Klang ihrer Stimme erinnerte er sich an eine der beiden Stimmen, die er gehört hatte, bevor er vollständig zu Bewusstsein gekommen war.
Als Eli sie ansah, senkte auch sie langsam die Waffe. „Das ist richtig. Zumindest nach dem, was ich durch Doktor Rush erfahren habe.“
Die Unterhaltung geriet ins Stocken und nach einem Moment fiel Eli etwas ein. Eigentlich hatte er das zuerst fragen wollen. Doch bei den ihm unbekannten Uniformen und Abzeichen auf den Uniformen der vier Menschen hatte er diese Frage unbewusst verdrängt, weil er die Antwort ahnte und zugleich fürchtete. „Wie lange haben wir geschlafen?“
„Nun ja“, meinte der Mann neben der südländisch wirkenden Frau, der bisher geschwiegen hatte und nun ebenfalls die Waffe sinken ließ. „Vielleicht sollten wir…“
„Kommen Sie!“, unterbrach Eli ihn. „Ich habe Augen im Kopf. Solche Uniformen, wie Ihre, habe ich noch nie gesehen. Auch Waffen, wie Sie welche tragen, nicht. Nicht einmal in irgendwelchen Videospielen.“
„Videospiele?“, echote die Schwarzhaarige. „Was ist das?“
Eli Wallace sah die Anwesenden der Reihe nach ungläubig an und meinte dann mit wankender Stimme: „Okay, jetzt bin ich offiziell beunruhigt.“
Die Frau, die sich ihm gegenüber als Christina Mitchell vorgestellt hatte, trat näher an ihn heran und antwortete ernst: „Wir schreiben aktuell den 14. August des Jahres 2101. Seit der letzten Meldung von der DESTINY sind mehr als neunzig Jahre vergangen.“
Eli war, als habe man ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Vorsichtig tastete er nach den Lehnen des Kontrollstuhls und setzte sich auf die Kante, sodass er nicht aktiviert wurde. Er schluckte trocken. Tausende Gedanken jagten sich hinter seiner Stirn. Nach einer Weile fragte er tonlos: „Das meinen Sie wirklich ernst, oder?“
Eli sah zu Boden. Er realisierte, dass seine Mutter seit vielen Jahren tot sein musste. Sie hatte nie erfahren, was aus ihm geworden war. Vermutlich hatte sie irgendwann zu glauben begonnen, dass er tot sei.
Mit Tränen in den Augen sah er irgendwann auf und fragte heiser: „Warum kommen Sie erst jetzt? Gab es keine Möglichkeit früher Hilfe zur DESTINY zu schicken?“
Es war der Mann neben dem Colonel, der sich bisher nicht an dem Gespräch beteiligt hatte, der ihm antwortete. „Ich bin Lieutenant-Colonel Kamarov. Die Menschheit stand viele Jahre lang im Krieg, Mister Wallace. Zuerst galt es, die Wraith-Gefahr zu bannen und danach brach der Krieg mit der Luzianer-Allianz offen aus. Dieser Krieg tobte bis zum Jahr 2051. Bis dahin wurden das alte und das neue Hauptquartier des Homeworld-Command mehr als einmal zerstört und wieder aufgebaut. Darüber geriet die DESTINY in Vergessenheit. Bis vor drei Monaten galt dieses Raumschiff als eine Art Mythos. Erst zu dieser Zeit entdeckten wir einige unzerstörte Räume des ehemaligen neuen Hauptquartiers und damit Hinweise auf dieses Raumschiff und seine Mission.“
Eli´s Blick irrte von dem Lieutenant-Colonel zu Christina Mitchell, die einhakte: „In den Wirren des langen Krieges starben jene Menschen, die von der DESTINY wussten und nach dem Krieg gab es andere Dinge zu bedenken. Zu der Zeit stand hauptsächlich der Wiederaufbau im Vordergrund. Andere Dinge mussten zurückstehen. Das Ganze tut mir sehr leid, Mister Wallace. Ich verstehe, wenn Sie einen Moment brauchen, doch Sie können sich vielleicht denken, dass ich erfahren möchte was aus dem Rest der Besatzung geworden ist.“
Eli wischte sich über die Augen und machte eine fahrige Geste. „Ja, klar. Die Anderen müssten sich noch in den Stasiskammern befinden.“
„Möchten Sie uns dorthin führen?“
Eli sah zu der blonden Frau auf und erhob sich. „Ja, natürlich. Folgen Sie mir.“
Ganz selbstverständlich machte Eli sich auf den Weg. Unterwegs fiel ihm etwas auf, als sie einen der Gänge durchschritten und er wandte sich zu Christina Mitchell um. „Haben Ihre Leute das Raumschiff instandgesetzt, bevor ich erwacht bin?“
Die Miene der Kommandeurin drückte Befremden aus. „Nein, wir sind eben erst angekommen, Mister Wallace. Warum fragen Sie?“
Eli Wallace deutete auf eines der geschlossenen Wandpaneele. „Ich bin hier schon hundertmal entlang gegangen, doch diese Verkleidung war bisher nicht da. Dahinter liegen die Verteiler für die Schutzschilde. Bisher lag das Wandfach dahinter offen. Seltsam.“
Sie schritten daran vorbei und bogen in einen Gang ab, der im Winkel von etwa 40 Grad abzweigte. Dabei bewegte sich die dunkelhaarige Frau an die Seite des jungen Zivilisten und berührte ihn sacht am Unterarm.
Als Eli sie ansah, erkannte er Mitleid im Blick der jungen Frau. Leise sagte sie: „Es tut mir leid für Sie, Mister Wallace. Die Erkenntnis, dass es auf der Erde keinen mehr gibt den Sie kennen muss schlimm für Sie sein.“
Eli nickte wehmütig. „Es geht mir dabei weniger um mich. Meine Mom hat nie erfahren, was aus mir wurde. Das ist sehr traurig. Aber bitte sagen Sie Eli zu mir. Bei Mister Wallace fühle ich mich mehr als hundert Jahre alt.“
„Nun ja, sie sind mehr als hundert Jahre alt, wenn man es genau nimmt.“
Eli runzelte unwillig die Stirn und die Frau an seiner Seite sagte schnell: „Mein Name ist Elena. Elena Sabatini, aus Buenos Aires.“
Für einen Augenblick musterte Eli die bestenfalls 1,65 Meter große Frau, bevor er irritiert und völlig aus dem Kontext heraus fragte: „Sie wissen nicht was Videospiele sind?“
„Nein, was ist das?“
Aus den Augenwinkeln bemerkte Eli bei Lieutenant-Colonel Kamarov jene Art von missbilligendem Blick, mit dem ihn auch Colonel Young gelegentlich bedacht hatte, wenn er genervt von belanglosen Diskussionen gewesen war. Darum meinte er rasch: „Nicht so wichtig. Da vorne ist einer der Bereiche mit Stasiskapseln.“
„Nur Mister Wallace und ich betreten den Bereich“, entschied Christina Mitchell. Nach einem Moment änderte sie ihre Entscheidung und meinte: „Lieutenant Sabatini, Sie kommen ebenfalls mit.“
Eli bemerkte, dass die Kommandeurin bei ihren letzten Worten vielsagend von der jungen Frau zu ihm sah. Er fragte sich für einen Augenblick, was den Colonel zu dieser Entscheidung bewogen haben mochte, während er zielstrebig zur Kontrollkonsole ging. Er sah Christina Mitchell fragend an und sie nickte ihm zu.
Um sich herum alles andere vergessend, wie immer, wenn ihn eine Aufgabe voll in Anspruch nahm, rief er das Kontrollmenü für die einzelnen Tiefschlafkammern auf. Es handelte sich um jene, die von der Crew repariert und zuletzt in Betrieb genommen worden waren. Er starrte stumm auf den Bildschirm und sah die rot unterlegten Anzeigen. Rasch kontrollierte er die Werte und ihm war, als greife eine eisige Hand nach seinem Herzen.
„Oh, nein, nein, nein…“, entfuhr es Eli gleich darauf und hektisch kontrollierte er die Werte ein zweites Mal, bevor er panisch die beiden Frauen ansah.
„Was haben Sie denn?“, erkundigte sich Christina Mitchell energisch. Ihr Blick verriet Eli, dass der Frau nichts Gutes schwante. Gleichzeitig trat Elena Sabatini an seine Seite und sah ihm über die Schulter.
„Fünf der Kapseln weisen eine Fehlfunktion auf“, erklärte Eli tonlos, nachdem er endlich die Sprache wiedergefunden hatte. „Wir mussten die Kapseln in diesem Bereich, und eine weitere, in einer der anderen Abteilungen, zuerst reparieren, bevor wir sie damals aktivieren und benutzen konnten. Die Anzeigen besagen, dass drei unserer Leute tot sind. Bei zwei weiteren wird der Hirntod angezeigt. Die Werte der übrigen Crew sind stabil.“
Spontan legte Elena Sabatini mitfühlend die linke Hand auf Eli´s Schulter, bevor sie zu ihrer Vorgesetzten sah und rasch auf Abstand ging.
Christina Mitchell ließ sich nicht anmerken was sie in diesem Moment dachte oder fühlte. Dafür sagte sie mit weicher Stimme: „Es tut mir leid, Mister Wallace.“
Eli bemerkte die leichte Veränderung im Tonfall der Frau, als sie sich gleich danach erkundigte: „Wie schnell erfolgt nach der Deaktivierung einer Kapsel die Wiedererweckung der betreffenden Person?“
„Es dauert nur einen kurzen Augenblick, bis man wieder vollkommen bei Bewusstsein ist. Das fanden Doktor Brody und ich heraus, als wir eine der Stasiskammern getestet haben. Natürlich kann ich nicht sagen, ob die Zeitspanne der Stase eine Rolle spielt.“
„Können Sie die Personen auch einzeln wiedererwecken?“
„Ja, das ist kein Problem. Mit Ihrer Erlaubnis würde ich gerne Doktor Rush wiedererwecken. Er kennt sich, nach mir, mit den Systemen der DESTINY am besten aus. Vielleicht weiß er einen Rat, wie wir die fünf Personen vielleicht doch noch retten können.“
Christina Mitchell blickte etwas erstaunt zu Eli. „Der kann Tote wiederbeleben? Ist dieser Doktor Rush so etwas wie ein verdammter Hexenmeister?“
Eli grinste schief: „So etwas Ähnliches. Aber das haben Sie nicht von mir.“
Christina Mitchell überlegte kurz. „In Ordnung, Mister Wallace. Holen Sie diesen Doktor Rush aus der Stase. Danach sehen wir weiter.“
Eli Wallace machte sich an die Arbeit und Elena Sabatini trat ein paar Schritte auf eine der Kapseln zu. Die Technik dieser blau leuchtenden Stasiskapsel schien die junge Frau sehr zu interessieren. Christina Mitchell hingegen verhielt sich abwartend. Beim Vornehmen der notwendigen Schaltungen, um Nicholas Rush aus der Stase zu holen, stellte Eli unbewusst einen Vergleich an, zwischen Colonel Everett Young und Colonel Mitchell. In einigen Verhaltensweisen ähnelten sie sich auffallend, wie er fand.
Einen Moment später hob sich die Verkleidung einer der Kapseln und ein schmächtiger Mann stolperte auf den Gang, zwischen den acht Stasiskapseln, hinaus. Das bereits an einigen Stellen ergraute Haar hing ihm wirr ins Gesicht und Eli fing den fragenden Blick von Christina Mitchell auf.
„Ja, ich weiß, er sieht eher wie ein Waldschrat aus, aber das ist tatsächlich Doktor Nicholas Rush“, beeilte sich Eli zu versichern.
Inzwischen hatte sich Rush die Haare aus dem Gesicht gestrichen. Seine braunen Augen sahen mit einem gleichzeitig fragenden und irritierten Ausdruck zu den Anwesenden, bevor er sich zu Eli wandte. „Eli, wer sind diese Leute? Was ist passiert?“
Der Angesprochene stellte seine beiden Begleiterinnen vor und Rush hakte sofort kritisch ein: „Haben Sie diese seltsamen Fantasieuniformen nicht bemerkt, Eli. Die können uns doch auch das Blaue vom Himmel lügen.“
Eli bemerkte den Unmut bei beiden Frauen. Es war Christina Mitchell, die vortrat und ihrerseits erklärte: „Hören Sie, Doktor Rush. Wenn ich finstere Absichten hätte, dann würde Ihr Kollege, Mister Wallace, nicht mehr leben und Sie selbst wären immer noch in Stase. Es ist so, wie Mister Wallace es Ihnen erklärt hat. Auf der Erde schreibt man inzwischen das Jahr 2101 und es gibt dort keine einzelnen Nationen mehr. Das sind die Fakten.“
Noch immer nicht wirklich überzeugt sah Rush zu Eli und fragte: „Was denken Sie?“
Eli überlegte nur kurz, bevor er meinte: „Na ja, die Luzianer-Allianz würde wohl weniger subtil vorgehen und wer sonst hätte Mittel und Möglichkeiten hierher zu gelangen? Nebenbei bemerkt: Werfen Sie mal einen Blick auf deren Knarren, Rush. Zumindest ich habe solche Waffen noch nie gesehen.“
Nicholas Rush brummte unwillig und wandte sich zu Christina Mitchell. „Ich möchte zuerst einmal…“
„Doktor Rush!“
„Später, Eli. Zuerst möchte ich…“
„Rush! Fünf der Stasiskapseln weisen eine Fehlfunktion auf!“
Eli hatte die letzten Worte fast geschrien und der Wissenschaftler sah zu ihm. Nur einmal hatte Eli ihm gegenüber diesen Ton angeschlagen. Erst eine Sekunde später schien ihm die Bedeutung der Worte bewusst zu werden und rasch eilte er zu der Konsole. Eli zur Seite drängend überflog er die Anzeigen und erstarrte.
„Was können wir tun?“, fragte Eli drängend.
Nicholas Rush erwiderte den flehenden Blick des etwas beleibten jungen Mannes und erwiderte: „Für Young, Greer und TJ können wir gar nichts mehr tun. Sehen Sie mich nicht so an, Eli. Selbst ich kann keine Toten zum Leben erwecken. Ich bin kein verdammter Hexenmeister. Bei Lisa Park und Camile gäbe es hingegen…“
Eli begriff in derselben Sekunde und rief aus: „Der Stuhl!“
Rush nickte. „Ja! Können Sie die Bewusstseine von Ginn und Amanda unterscheiden und einzeln transferieren?“
„Ja, das ist kein Problem!“
„Wir setzen zuerst Park in den Stuhl. Sie müssen dann das Bewusstsein von Ginn zuerst separieren und…“
„Warum nicht zuerst Camile?“
Rush sah Eli in beinahe komischer Verzweiflung an: „Wollen Sie Ginn wirklich in den Körper einer Frau transferieren, die vom Alter her fast Ihre Mutter sein könnte, Eli?“
Erkenntnis spiegelte sich in Elis Augen. „Okay, Sie haben recht.“
Rush nickte grimmig. „Ich sehe, Sie können mir folgen.“
„Wovon, zur Hölle, reden Sie beide denn?“, hakte Christina Mitchell ein, die den Dialog mit wachsender Verwirrung verfolgt hatte. „Ich verstehe kein Wort!“
„Nicht jetzt!“, bat Rush drängend. „Nur so viel. In den Systemen dieses Schiffes gibt es die Bewusstseine zweier Frauen. Wir wollen versuchen, mit deren Hilfe, die beiden hirntoten Mitglieder meiner Crew zu retten. Dazu müssen wir sie aber zunächst zum Repositorium bringen.“
Unserer Crew!“, verbesserte Eli.
Meiner Crew, falls Sie an Bord bleiben werden!“, stellte Christina Mitchell klar. Sie rief den Major zu sich und sagte zu Rush: „Ich denke, Sie könnten Hilfe gebrauchen.“
Nicholas Rush sah die Kommandeurin dankbar an. Er beorderte Eli und den hochgewachsenen blonden Offizier, der auf den Ruf seiner Vorgesetzten zu ihnen gekommen war, zu jener Stasiskapsel in der Lisa Park ruhte.
Als Rush die Kapsel abschaltete und sich die Verkleidung anhob, sprangen beide Männer hinzu und fingen den leblosen Körper der schwarzhaarigen Frau auf.
Der Major, den Christina Mitchell mit Nordqvist angesprochen hatte, hob sich den Körper von Lisa Park kurzerhand auf die Arme und warf Eli einen bezeichnenden Blick zu. „Sie erlauben doch? Bevor wir uns zu zweit einen abbrechen…“
„Nur zu, Major. Den Weg kennen Sie ja.“
Christina Mitchell, die bereits vor ihnen wieder auf den Hauptgang hinausgetreten war, wandte sich an Kamarov, der immer noch mit den beiden Unteroffizieren auf sie wartete.
„Lieutenant-Colonel, Sie und die beiden Unteroffiziere schließen sich bitte wieder dem Bataillon an. Geben Sie mir in einer halben Stunde bitte einen ersten Bericht über die Fortschritte aller Arbeiten an Bord. Major Nordqvist und First-Lieutenant Sabatini genügen, als Eskorte für mich.“
In den Augen des Lieutenant-Colonels lag Widerspruch. Doch er sagte lediglich: „In Ordnung, Sir.“
Die Kommandantin schritt voraus, als sie sich wieder zum Stuhlraum begaben. Dort angekommen bettete Nordqvist den leblosen Körper auf seinen Armen vorsichtig in den Sitz.
Eli half dem Major dabei, die Arme und Beine an die richtigen Stellen zu bringen. Danach sagte er zu dem Major: „Bitte halten Sie den Kopf von Park so, dass er an der Rücklehne des Stuhls anliegt, bis die Elektroden an den Schläfen anliegen. Danach lassen Sie bitte sofort los.“
Der Major kam Eli´s Bitte nach. Eli selbst begab sich zu den Stuhlkontrollen.
„Sie wissen ganz sicher, dass es Ginn ist die Sie in den Körper von Lisa Park transferieren?“, erkundigte sich Rush bei ihm.
„Ich kann beide Bewusstseine unterscheiden“, beschied ihm Eli und konzentrierte sich darauf den Stuhl für den Transfer zu programmieren. Dabei sagte er zu Elena Sabatini gewandt, die erneut an seine Seite getreten war: „Ich gebe diesem Versuch bestenfalls eine Chance von zehn zu neunzig.“
„Ach kommen Sie, Eli. Denken Sie positiv und sagen Sie zwanzig zu achtzig.“
Ein unbewusstes Schmunzeln überflog Elis Gesicht. „Also schön, Elena. Sagen wir zwanzig zu achtzig. Ich hoffe es funktioniert.“
Als Eli soweit war, sah er kurz auf und aktivierte dann den Stuhl. Die Bügel, zu beiden Seiten der Kopfstütze, klappten nach vorne und die drei Elektroden an jedem der Bügel schraubten sich an die Schläfen von Lisa Park.
„Was passiert nun?“, fragte Christina Mitchell mit gedämpfter Stimme.
Es war Nicholas Rush, der darauf antwortete. „Jetzt können wir nur abwarten, Colonel. Der Transfer sollte innerhalb weniger Augenblicke erfolgen. Wir haben bereits erfolgreich ein Bewusstsein aus einem Körper in die Schiffssysteme transferiert und wieder zurück in den Körper. Ob man ein Bewusstsein auch mit einem hirntoten Körper verbinden kann, ist hingegen ungewiss.“
Sie schwiegen und warteten einige Augenblicke. Nichts geschah. Verzweifelt sah Eli auf und suchte den Blick von Nicholas Rush, doch dann wurde er abgelenkt.
Die Elektroden schraubten sich zurück und die Bügel des Stuhls klappten selbsttätig wieder in die Ausgangsstellung. Gleichzeitig bäumte sich der Oberkörper der Asiatin im Sitz auf und die Frau gab ein Seufzen von sich. Im nächsten Moment schien sich der Körper wieder zu entspannen und die Hände der Frau umkrampften die Stuhllehnen.
Eilig lief Eli zum Fuß des Stuhls, beugte sich über sie und ergriff die Hände der Frau, wobei er beschwörend fragte: „Ginn! Ginn, bist du da drin?“
Die Augen der Frau öffneten sich. Mit einem irritierten Ausdruck starrten sie das Gesicht vor sich. Mit kratziger Stimme fragte sie schließlich: „Eli? Was ist passiert?“
„Das höre ich heute andauernd. Bist du es, Ginn? Aber… Moment mal, du kannst mich sehen?“
„Ja aber warum fragst du das?“
Die Frau im Stuhl unterbrach sich und hob die Hände so weit an, dass sie einen genaueren Blick darauf werfen konnte. Danach sah sie an sich herab und ihr entfuhr perplex: „Warum ausgerechnet diese Frau, Eli.“
Als die Frau sich aus dem Sessel erhob und einen Schritt auf Eli zu machte, nahm der etwas Beleibte sie in seine Arme. Ginn, im Körper von Lisa Park, klammerte sich an ihn und sagte heiser: „Es tut so gut, wieder einen Körper zu haben. Aber was…“
„Das erkläre ich dir alles später, Ginn!“
Eli sah an der Frau in seinen Armen vorbei, zu Elena Sabatini, ohne deren seltsam veränderten Blick zu bemerken.
Lieutenant Sabatini lächelte ihm gezwungen zu und hob einen Daumen. „Sehen Sie, Eli. Zwanzig zu achtzig funktioniert immer.“
Erst nach einem langen Moment ließ Eli die Frau die nun Ginn war los, bevor die gesamte Szene peinlich werden konnte. Zu dem Major gewandt sagte er: „Sie könnten eigentlich mit Doktor Rush zurückgehen, zu den Stasiskapseln und Camile Wray hierher bringen, während ich den Stuhl für den nächsten Transfer vorbereite.“
Etwas fassungslos, weil ein Zivilist einfach das Kommando übernahm, sah Nordqvist zu seiner Vorgesetzten, die eine zustimmende Geste machte. Wobei sich in den Augen der Kommandantin unverhohlen widerspiegelte, dass sie sich köstlich amüsierte.
Eli, der davon nichts mitbekam, rief Nordqvist noch hinterher: „Camile ist etwas kleiner und wiegt bestimmt nicht mehr, als der Körper von Park. Das schaffen Sie locker!“
Danach ergriff Eli Wallace die Hände der schwarzhaarigen Frau vor sich und sagte ergriffen: „Ich bin sehr glücklich darüber, dich endlich wiederzuhaben, Ginn.“
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