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Whisper - Schattenmelodie von Nancy Wieschon

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Kapitel 3
Strichmännchen


Utebanumaat

Nächster Tag


Einem war sich Teal’C sicher, dieser Planet strahlte eine dunkle Aura aus. Während er in den Diensten als erster Primus des Systemlords Apophis potenzielle Besitztümer erkunden musste, betrat er viele dieser mysteriösen Welten. Er kannte das Gefühl von dieser bestimmten Vorahnung, welches nun schleichend seine dunkle Haut hinaufstieg, als er den Ereignishorizont hinter sich ließ.

Bedacht beobachtete er die Umgebung um das Tor. Wälder erstreckten sich bis weit in die Ferne, kein Pfad war zu erkennen, noch irgendwelche Spuren. Das hohe Gras vor ihm erschien leblos, kein noch so kleiner Windhauch zog umher. Besonnen blickte er gen Himmel und zog seine Augen in der Helligkeit des Tages zu schlitzen zusammen. Keine Wolke war zu sehen, kein Vogel zu hören.

„Scheint unbewohnt zu sein“, bemerkte Daniel Jackson ebenfalls, während er neben der MALP zum stehen kam und wie auch Teal’C selbst, schweifte der Blick des Archäologen durch die verwilderte Landschaft rund um das steinerne Tor.

„In der Tat“, pflichtete ihm Teal’C bei. Jedoch vermutete der Jaffa, dass sich der junge Mann mit seiner Aussage nur auf menschliches Leben bezog. Doch hier war einfach nichts. Totenstille. Und so glitt sein Blick weiterhin umher, angespannt, bereit, wie es sein Instinkt seit jeher befahl. „Colonel Carter?“

Samantha Carter beäugte indes ein Gerät in ihren schmalen Händen, hin und wieder sah sie auf, doch war sie sich der Umgebung noch nicht wirklich im Klaren. Teal’C wiederum stierte bedacht auf die blonde Frau, die sich noch keinen Schritt bewegt hatte, seit sie durch das Stargate trat.

„Alles in Ordnung, Teal’C. Keine außergewöhnlichen Richtwerte, wie die MALP vorab,-“, sie hielt inne als sie zu ihm aufsah und die Anspannung des Jaffas bemerkte. „Was?“

Er antwortete nicht, sondern deutete ihr an die nähere Umgebung in Augenschein zu nehmen. Und so musterte Teal’C abermals das Grün um sie herum. Aufmerksam und suchend. In Ihrem Blick erkannte er, dass sie nun verstand. Nun musterten zwei Soldaten die totenstille.

„Leute?“, unterbrach Daniel verwundert. Ihm war das Verhalten seiner Kammeraden nicht entgangen.

Zögernd trat Sam Carter einige Schritte durch das Hohe Gras und auch in ihr schien sich ein ungutes Gefühl breit zu machen. Sie nahm ihren Blick nicht von der stillen Landschaft. „Es ist nichts zu hören. Keine Vögel, kein Rauschen. Nichts.“

„Okey“, gab Daniel gedehnt von sich und versuchte irgendein Geräusch auszumachen. Nichts. „Schon etwas gruselig.“

„Wir sollten uns nicht zu lange hier aufhalten“, entgegnete Teal’C ruhig. Er umgriff seine Stabwaffe fester und Schritt an seinen Freunden vorbei.

„Das UAV hat Süd-Südwest eine Hütte aufgezeichnet“, erklärte Sam während sie ihr Kompass musterte. Suchend blickte sie wieder auf und deutete auf den dichten Waldrand, an dem man Schattierungen von violetten Blumen ausmachen konnte. „Dort entlang.“

Alle drei marschierten los und traten nach wenigen Minuten in den Wald hinein. Ebenso wie auf der Lichtung am Tor, war auch hier nichts zu hören und kein noch so schwacher Windhauch zu spüren. Teal’C schritt voran und immer noch war sein gesamter Körper angespannt, immer noch verfolgte ihn dieses ungute Gefühl und plötzlich spürte er Kälte. Der Jaffa verlangsamte seinen Schritt, musterte die Büsche um sich herum und versuchte irgendein Geräusch zu erkennen. Da war nichts. Die Kälte verschwand. Dennoch würde er weiterhin genau beobachten, er traute dieser Stille nicht.

„Merkwürdig“, murmelte Daniel Jackson vor sich hin. Er bekam nicht mit, dass Teal’C sich kurz zu ihm umsah und ihn musterte. Sam Carter jedoch bekam die Anspannung des Jaffas durchaus mit und so glitt ihr militärischer Blick weiterhin umher. Ihre Hände lagen bereits auf ihrer Waffe.

„Daniel?“ harkte sie nach.

„Nun ja“, begann Jackson zögernd. „Laut den ersten duzenden Einträgen erscheint es als hätte der Verfasser des Tagebuches lange Zeit hier verbracht, aber,“ wirr blickte er durch die Gegend und blieb stehen. „Hier ist nichts, keine Menschenseele. Wie konnten Jack und die andere Person hier nur so lange überlebt haben?“

„Wir wissen nicht mit Sicherheit ob es sich bei der zweiten Person, die das Buch erwähnt um O’Neill handelt, Daniel Jackson“, warf Teal’C ruhig ein.

„Ja, gut, aber wer auch immer hier längere Zeit verbracht hat“, fuhr Daniel fort und warf seine Arme in die Luft. „Wie?“

„Keine Lebewesen. Keine Tiere“, entgegnete Colonel Carter zustimmend. „Ich habe auch keine Früchte oder sonstiges erkennen können seid wir hier sind.“

„Keine Nahrung“, schlussfolgerte Teal’C während er die durchaus fruchtbare Umgebung weiterhin beobachtete. Dies alles erschien dem Jaffa mehr als eigenartig. Die Flora um sie herum erschien so grün und lebendig und dennoch war es gleichzeitig so leblos und tot.
Immer noch irritiert stierte Daniel durch die Büsche und die hohen Bäume, während Colonel Carters konzentrierter Blick die Baumkronen betrachtete und da spürte es Teal’C erneut. Kälte. Das nächste was er bemerkte waren seine Kameraden, die ihr tun nicht einstellten und nicht wie er selbst angespannt versuchte auszumachen woher dieses kalte Gefühl kam. Sie schienen diese Kälte nicht zu spüren.

„Wir sollten weiter gehen“, sagte Teal’C beunruhigt, was Sam Carter dazu veranlasste rasch zu ihm zu blicken. Teal’C jedoch entschied nichts zu erwähnen, noch nicht, und so nickte er ihr kurz zu. „Umso schneller wir diesen Planeten verlassen, desto besser.“

Colonel Carter aber war sein Verhalten nicht entgangen und so stierte sie ihm immer noch entgegen. Verwundert, bedenklich. Sie war Soldatin durch und durch, Teal’C war sich dieser Tatsache durchaus bewusst, ihr militärischer Instinkt war tief in ihr verankert und dennoch stellte sie in diesem Moment keine Fragen. Ein kurzes Nicken ihrerseits und sie marschierte, mit Daniel zusammen, weiter durch den Wald. Und als Teal’C aufschloss, die Kälte sich abermals verflüchtigte und er das blonde Haar der jungen Frau musterte, zog sich ein feines Lächeln um seine Mundwinkel. Samantha Carter war Soldatin, aber noch mehr war sie Freundin. Sie alle waren Freunde. Sie vertrauten einander und Sam Carter vertraute in diesem kurzen Moment ihm. Nur das Vertrauen in sich selbst hatte die junge Soldatin bereits vor Monaten verloren, dies allerdings war nur Teal’C aufgefallen.

Nachdem Colonel Carter damals von der Prometheus zurückkehrte ging es ihr bald daraufhin wieder besser. Sie hatte über die Ereignisse auf dem Raumschiff gesprochen, sie hatte erklärt wie sie die Besatzung und sich selbst retten konnte, aber sie hatte nicht erwähnt, dass sie etwas zurückgelassen hatte. Ihr war es nicht bewusst. Weiterhin beobachtete Teal’C die Frau vor sich und hoffte inständig, dass seine Freundin ihr Vertrauen wiederfinden würde. Irgendwie.

„Ich hoffe Captain Pollack kann mehr über die Ereignisse auf P4X7353 erzählen sobald es ihr besser geht“, unterbrach Sam die Stille und schritt weiterhin neben Doktor Jackson her.

„Was genau erhoffst du zu erfahren?“ entgegnete Daniel verwundert. Hin und wieder schob er wilde Äste beiseite. „Es muss schrecklich gewesen sein das alles was sie erlebt hat wirklich zu erleben. Ich meine, ihr Team hat sich gegenseitig umgebracht, sie musste ihren Vorgesetzten töten, um zu überleben.“

„Genau“, meinte Sam knapp.

Teal’C entging nicht, dass ihr dabei ein Schauer durchfuhr. Er zog an seinen Kameraden vorbei, um ihnen die Wanderung zu erleichtern. Das wilde Gehölz vor ihnen wurde zunehmend verwachsener.

„Irgendetwas muss sie dazu gebracht haben und ich befürchte das dieses etwas außerirdischen Eindringens zur Folge hatte.“

„Du meinst“, begann Daniel Jackson wage, doch wurde er rasch von Colonel Carter unterbrochen.

„Ja, genau. Ich befürchte, dass eine Entität die Körper von SG7 eingenommen hat und zur Folge hatte, dass diese handelten wie sie handelten und da nicht auszuschließen ist das Captain Pollack davon verschont wurde, habe ich General O’Neill geraten sie unter Aufsicht zu stellen.“

„Grauenhaft.“

„Hoffen wir einfach, dass der Captain in Ordnung ist, Daniel.“

„Colonel Carter!“, rief Teal’C laut. Sam und Daniel blickten beide auf ihren Freund vor ihnen der einige Äste eines breiten Busches zur Seite schob. „Es ist nicht mehr weit.“

Als die beiden zu ihm aufschlossen blickten alle drei hinunter auf eine kleine, hölzerne Hütte. Sie selbst befanden sich auf einer Anhöhe die, wie auch alles andere hier, überwuchert war von hohem, wildem Gras.

„Die Sonne wird bald unter gehen“, meinte Sam während sie die ersten Schritte hinaustrat. Ihr war anzusehen, dass sie erleichtert war diesen Wald hinter sich gelassen zu haben, dem konnte Teal’C nur beipflichten. „Beeilen wir uns, Jungs.“


Cheyenne Mountain
Stargate Center
Erde


Als General Jack O’Neill die Krankenstation betrat war bereits reges Treiben zu erkennen. Mehrere Personen, darunter auch Dr. Brightman, schwirrten um Captain Pollacks leblosen Körper herum. So schien es. Wie Hammond all die Jahre dieses schreckliche Gefühl von Verlust aushalten konnte war ihm immer noch unbegreiflich, selbst heute, nach über sechs Monaten als der Boss, war es verdammt schwer für Jack diese bestimmte Angst abzustellen. Die Angst einen Menschen zu verlieren für den er verantwortlich war. Dies allerdings wurde ihm erst bewusst, seitdem er für jeden einzelnen dieser Einrichtung zuständig war. Damals waren es drei Leben. Heute so viel mehr. Und auch wenn General Jack O’Neill wusste, dass er nicht jeden Einzelnen des Stargate Centers davor bewahren konnte. Er wurde diese Angst nicht los.

„Doktor?“

„Sir, ich weiß nicht wie ich das erklären soll“, entgegnete sie, während sie sich den Schläuchen abwandte und zu ihm blickte. „Bisher ging es ihr sehr gut, den Umständen entsprechend und plötzlich.“

„Aber sie lebt?“, harkte Jack vorsichtig nach. Der Captain im weißen Krankenbett wirkte alles andere als lebendig. Immer noch war die Haut der jungen Soldatin übersät mit duzenden Wunden und das gelockte Haar umrahmte stumpf ihr blasses Gesicht.

„Ihr Puls ist sehr schwach, aber ja Sir, sie lebt“, antwortete Dr. Brightman ruhig.

Weiterhin musterte der General die brünette, leblose Frau. Sie war so jung und Jacks Gedanken glitten automatisch zu einer blonden Soldatin die ebenso wie dieser Captain vor ihm, einst in diesem Krankenbett lag. Damals jedoch übersäten Wunden eine Seele, zahlreich und unsichtbar für viele Menschen. Nicht für ihn. Kurz schloss er seine müden Augen.

„Irgendetwas eigenartiges entdeckt? Wie…“, begann Jack zögernd und versuchte die Gedanken an damals zu verdrängen. „Zwei Hirnströme?“

„Sir?“, fragte die Ärztin verwundert.

Angespannt öffnete er seine Augen und fuhr gleich daraufhin mit seinen breiten Händen durch sein Gesicht. „Colonel Carter hat mir geraten den Captain unter Beobachtung zu stellen, sie befürchtet das Mona nicht allein durch das Tor kam.“

Auch er hatte bereits daran gedacht, nachdem Pollack alles erzählte, nachdem er diese grauenhaften Worte verinnerlicht hatte. Und als Sam Carter in seinem Büro stand, heute Morgen, ihm ihre Befürchtung mitteilte, seine Befürchtungen somit teilte, wusste Jack das er handeln musste. Carter zu vertrauen würde niemals aufhören, das hoffte er inständig und darum griff er regelmäßig nach diesen Strohhalmen, er musste ihr Vertrauen, denn, die einzige Alternative wäre ihr nicht mehr zu vertrauen. Das war vollkommen inakzeptabel. Er durfte einfach nicht aufhören dieser Frau zu vertrauen. Hier. Im Feld. Mit ihren Entscheidungen.

„Nach diversen Eindringens außerirdischer Entität haben wir Captain Pollack bereits untersucht“, erwiderte Brightman rasch und deutete auf die piepsenden Monitore, welche um das Krankenbett verteilt standen. „Negativ, Sir.“

„Bei allem Respekt, Doc“, entgegnete Jack zögernd. „Das muss nichts heißen.“

Er durfte nicht aufhören ihr zu vertrauen.

„Sie wird weiterhin bewacht.“

Denn Freunde vertrauten einander.

„Ja, Sir.“

Und Freunde waren sie nun mal.




Utebanumaat

Sam Carter konnte bereits erkennen das die Hütte vor ihnen nicht sehr alt sein konnte. Die dunkelbraunen Holzbretter und das flache Dach geformt aus Ästen und Seilen waren weitgehend frei von den wilden Pflanzen, welche sich unaufhaltsam um einen Baumstumpf wickelten, der nicht weit entfernt der Hütte ruhte. Sie war froh, dass sie den riesigen Wald hinter sich gelassen hatten. Teal’Cs Anspannung war ihr nicht entgangen und genau diesem Instinkt ihres Freundes war es zu verdanken, dass sie so oft aus diversen Situationen entkommen konnten. Lebend.

„Habt ihr das gehört?“, unterbrach Daniel ihre Gedankengänge.

Verwundert wendete sie sich dem Archäologen zu, ihr war kein noch so leises Geräusch aufgefallen.

„In der Tat“, pflichtete der Jaffa Daniel bei.

Sam bekam mit wie Teal’C seine Waffe fester umgriff und tat es ihm gleich, allerdings zögernd und verwundert. Daniel jedoch regte sich nicht und stierte konzentriert zurück hinauf in den stillen Wald. Auch Teal’C wendete sich um, bedrohlich richtete er nun seine Stabwaffe über die Lichtung.

„Was denn?“, fragte Sam nun sichtlich verwirrt. Irgendetwas schien sie nicht mitzubekommen. Dennoch betrachtete auch sie den Waldrand aufmerksam.

„Ein Flüstern, oder,-“

„Ein leiser Gesang“, beendete Teal’C Daniels Aussage.

Beide Männer blickten sich kurz entgegen, anschließend fragend zur blonden Frau. Erstaunt beäugte Sam beide Männer und schüttelte nach kurzem Zögern ihren Kopf. „Ich höre nichts, sorry.“

Wieder konzentrierte sich Sam auf die Umgebung um sich herum, wieder versuchte sie irgendein Geräusch, Klang, Ton auszumachen, doch es blieb vollkommen still. Nichts Bewegte sich, keine Blätter der Bäume, kein einzelner Grashalm vor ihnen, nicht mal eine Strähne ihres Haares. Was war hier nur los? Als ihr Blick abermals auf ihre Freunde viel wurde das dumpfe Gefühl in ihrem Bauch stärker. Beide Männer blickten sich schweigend entgegen, wortlos und dennoch wissend. Eine stumme Unterhaltung.

„Ich spüre es auch, Daniel Jackson.“

„Jungs?“, fragte Sam nervös.

„Es wird kälter“, erklärte Daniel monoton.

Wirr sah sich Sam abermals um, hinauf zum Wald, hinüber zu Daniel, hinter sich zur Hütte und neben sich zu Teal’C. Sie vertraute ihren Freunden blind. Und genau deswegen verschwand dieses dumpfe Gefühl in ihr nicht. Irgendetwas seltsames schien hier vor sich zu gehen. Sie war für diese zwei Menschen verantwortlich. Es war ihr Kommando. Auch wenn sie selbst keinen Ton hörte und auch nichts von dieser besagten Kälte spürte. Sie vertraute ihnen.

„Lasst uns die Hütte begutachten.“

Dort wären sie vorerst in Sicherheit, hoffte sie.


Knarrend öffnete Teal‘C die hölzerne Tür, seine Waffe fest im Anschlag. Mit einem kurzen nicken gab er Sam zu verstehen voraus zu gehen. Diese trat mit erhobener P90 in einen überraschend warmen Raum, bestückt mit zahlreichen Zeichnungen. Langsam ließ sie ihre Waffe sinken, der Jaffa tat es ihr gleich und betrat, gefolgt von Daniel die kleine Hütte. Kurz beäugte Sam die beiden Männer, keiner schien noch etwas zu hören oder zu spüren, dies beruhigte sie etwas.
Aufmerksam schritten nun drei Personen durch den verlassenen Raum. Ein schmales Bett stand in einem Eck, daneben ein einfacher Nachttisch. Auch eine Kommode, ein Tisch mit zwei Stühlen und dem gegenüber ein Schlaflager aus Decken und Stroh befand sich in dem durch und durch bunten Raum.

Während Daniel neugierig die Zeichnungen an den Wänden musterte schritt Sam langsam umher. Dieser Raum kam ihr sehr heimisch vor, ziemlich gemütlich sogar. Auf dem Bett lagen mehrere gestrickte Decken und Kissen in verschiedenen Farben, auf dem Boden lag ein großer ovaler Teppich und auf dem runden Tisch stand eine blaue Vase und darin welke, braune Blumen. Neben dem provisorischen Schlafplatz, wie Sam annahm, stand Teal’C und musterte aufmerksam einen hölzernen Stab.

„Eine Stabwaffe aus Holz?“, fragte Sam verblüfft als sie näher an Teal’C herantrat.

„Mit diesen Attrappen lernen junge Kriege den Umgang einer Stabwaffe im Kampf“, erklärte er mit einem schwachen Lächeln. Auch Sam musste daraufhin lächeln. Sicherlich weckte dies Erinnerungen in Teal’C. Erinnerungen an zuhause. Aber gleichzeitig bemerkte sie seinen verwunderten Ausdruck.

„Wow, seht euch das mal an“, rief Daniel erstaunt dazwischen. „Kommen euch diese Zeichnungen nicht bekannt vor?“

Sam sah zu ihm hinüber und ging auf besagte Zeichnungen zu, Teal’C tat es ihr gleich. Die breite Wand neben der Tür war beklebt mit kindlichen Gemälden. Strichmännchen, Landschaften, Blumen und Personen die keine Strichmännchen mehr waren. Verblüfft beäugte Sam einzelne Bilder und trat noch näher heran. Damit hatte sie nun gar nicht gerechnet. Wieder legte sich ein Lächeln um ihre vollen Lippen als ihre Finger raues Papier berührten.

„Teal’C.“

Ihre Hand glitt weiter.

„Du, Daniel.“

„Dieses hier zeigt dich Colonel Carter und eine Figur die ich als MacGyver identifiziere, Hautprotagonist einer Action Serie“, viel Teal’C dazwischen und deutete auf eines der Bilder weit über ihr.

Grinsend blickte Sam auf besagte Zeichnung und dennoch, ihre Verwunderung verschwand nicht. „Ich dachte du stehst auf Star Wars.“

Sam war sich sicher ein schmunzeln in seinem Gesicht ausgemacht zu haben, ganz kurz. Und während sie sich den Bildern wieder abwandte und umher sah blieb ihr Blick an den Bunten Kissen auf dem Bett hängen. Wer auch immer hier gewohnt hatte musste sie kennen, das war nicht zu leugnen. Langsam schritt sie auf das schmale Bett zu, zwei hellblaue Kissen, ein rundes hellbraunes, ein großes, rosafarbenes und dazwischen etwas Stroh. Sam beugte sich leicht nach vorne und zog an dem Büschel Stroh, lächelnd blickte sie auf ihre Entdeckung.

„Jedenfalls erscheint all das hier ziemlich kindlich“, warf Daniel lebhaft ein. Sam entging sein Enthusiasmus nicht. In diesem Moment übermann Daniel seine archäologische Ader.

„Ja, denke ich auch“, entgegnete Sam und hielt eine Puppe geformt aus Stroh in die Höhe. „Mädchenhaft.“

Und plötzlich wurde es Sam bewusst. Ein Kind muss hier gelebt haben. Sam Carters lächeln verschwand abrupt. Wieder schweifte ihr Blick durch den kleinen Raum. Die Bilder, das rosafarbene Kissen, die Puppe in ihren Händen. Ein Mädchen, hier in dieser so beunruhigenden, totenstillen Gegend. Ein Kind und ein Jack O’Neill? Warum nur?

„Irgendwie habe ich das Gefühl wir sollten hier nicht sein“, sprach Daniel weiter und holte Sam somit aus ihren Gedanken.

„Wie meinst du das?“, harkte Teal’C nach. Auch er hatte sich den Gemälden abgewandt und hielt wieder die hölzerne Waffe in Händen.

„Ich weiß nicht, aber dass hier alles wirkt sehr privat“, erklärte Daniel weiter während er die Gegenständer auf der breiten Kommode inspizierte. Eine Haarbürste hielt er in Händen. „Findet ihr nicht auch?“

„Jedenfalls sieht es so aus als wäre die Hütte schnell verlassen worden“, entgegnete Sam daraufhin. Immer noch umgriffen schmale Hände eine Figur aus Stroh, ihr Blick jedoch glitt zur blauen Vase auf dem kleinen Tisch. „Plötzlich.“

„Als seien sie geflohen“, entgegnete Teal’C nachdenklich.

Ein kleines Mädchen musste fliehen und ihr Püppchen zurücklassen. Kurz überlegte Sam ob sie die Puppe mitnehmen sollte, vielleicht würden sie ja das Mädchen finden, aber vielleicht auch nicht. Vielleicht würde dieses Mädchen irgendwann zurückkehren und ihre Puppe wieder in ihre Arme schließen. Und als Sam die Puppe auf eines der Kissen legte, gab eines der Holzbretter leicht nach. Verwundert sah sie hinunter. Noch einmal trat sie fest auf das dunkelbraune Holz und wieder gab es nach, als sei es darunter hohl. Neugierig ging sie in die Knie, fühlte mit ihren Händen um das Brett herum, bis sie schließlich eine Fuge befühlte mit deren Hilfe sie das Holz anheben konnte. Und als sie das geheime Loch darunter musterte, erstarrten ihre Finger, ihr Herzschlag tat holprige Schläge. Nur schwer konnte sie ihren Blick von dem Entdeckten lösen und als sie aufsah, um Daniel und Teal’C darauf aufmerksam zu machen, entschied sie sich rasch um. Nervös schweifte ihr Bick von Daniel, der immer noch die kleine Kommode durchsah hinüber zu Teal’C, welcher weiterhin die Attrappe in seinen Händen musterte. Ohne zu zögern senkte sie ihren Blick, griff rasch nach dem Foto und einem Ring, verstaute beides in ihrer Brusttasche und schloss resigniert ihre Augen. Nur ein einfaches, beschriebenes Blatt Papier blieb im Versteck zurück.

„Daniel, Teal’C“, sprach sie nun laut und griff nach der vergilbten Seite. Beide Männer wandten sich ihr zu und traten an sie heran. Und als Sam sich schließlich aufrichtete, ihre Augen öffnete und Daniel das Blatt Papier reichte, redete sie sich selbst ein, dass es richtig war, die zwei Gegenstände in ihrer Brusttasche zu verheimlichen.

„Eine Seite des Tagebuches“, entgegnete Daniel verblüfft.

Und während Daniels Augen fiebrig über die entdeckten Worte flogen, Teal’C neugierig am geheimen Loch kniete und die Sonne vor der Hütte langsam zu sinken begann, wendete Sam Carter sich dem Geschehen langsam ab. Vor der Wand mit den hundert Zeichnungen blieb sie stehen, jedoch blickte sie auf kein einziges Strichmännchen. Ihre Augen waren geschlossen und ihre rechte Hand kam auf ihrer Brusttasche zum Ruhen.

Es war richtig so.

Es war richtig für ihn.



Cheyenne Mountain
Stargate Center
Erde


„Sicherheitspersonal auf Ebene 21 – ich wiederhole – Sicherheitspersonal auf Ebene 21 – Dies ist keine Übung!“

Es war gut Sam Carter Vertrauen zu schenken. Verdammt gut.

Laute Schritte schallten umher, hastige Bewegungen waren zu vernehmen und das Geräusch von duzenden Waffen, die entsichert wurden, war zu hören. Jack jedoch fixierte die Frau vor sich mit solch Intensität, dass er das drum herum nicht wirklich mitbekam. Seine Waffe war auf Captain Mona Pollack gerichtet die ihn mit diesen völlig verqueren Augen entgegen blickte. Tiefschwarze Augen, als seien sie aus Rauch.

Es geschah alles ganz schnell. Er war gerade in den Fahrstuhl gestiegen, als schon die dröhnende Sirene durch die grauen Gänge halte. Pollacks Wachpersonal, zwei Soldaten vor dem Krankenzimmer waren bereits tot als er ankam. Es sah aus als hätten sie sich gegenseitig erschossen. Dr. Brightman lag bewusstlos vor dem Krankenbett.

Und Jack selbst stand nun im Gang davor und hielt seine Waffe auf einen seiner Soldaten gerichtet. Kalt war es hier, so fürchterlich kalt. Es war ein verdammt schlechter Tag.

„Stehen bleiben“, sagte Jack ruhig.

Lächelnd wendete sich Mona Pollack plötzlich ab und fixierte einen Soldaten neben Jack. Nur kurz huschten Jacks Augen hinüber, um zu sehen wer die Aufmerksamkeit des Captains oder was auch immer das vor ihm war ergatterte. Major Paul Franklin. Und dann konnte er seinen Blick nicht mehr abwenden. Franklin stierte wie hypnotisiert auf die Frau mit den dunklen Augen und richtete seine Waffe langsam gegen sich selbst. Hastig sah Jack zwischen ihm und Pollack hin und her. Sie lächelte immer noch. Und Jack wurde in diesem Moment bewusst, dass es nicht nur so aussah als hätte sich die beiden Soldaten gegenseitig erschossen.

„Pollack, stopp!“, schrie Jack ihr entgegen. „Lassen Sie das!“

Doch es geschah nichts.
Instinktiv Richtete Jack seine Waffe zur Decke und feuerte ab.
Pollack schloss abrupt ihre Augen. Das Band zwischen ihr und Franklin war unterbrochen. Und als Jack seine Waffe wieder auf den Captain richtete öffnete sie ihre Augen. Sie waren grau. Und sie blickten so erschrocken ums sich.
Jacks Gedanken verschwammen zu vergangenem.

Blaue, weit aufgerissene Augen fixierten ihn, während die blonde Frau vor ihm ihre Armen in die Luft streckte und leuchtende Energiestränge um sich herum auspeitschte.

Derselbe Gang.
Tief atmete Jack durch, er musste sich konzentrieren.

„Bitte Sir!“, schrie der Captain laut. „Töten Sie mich!“

„Das wird nicht passieren“, entgegnete Jack immer noch ruhig. Sie schien zwar wieder sie selbst zu sein, aber diesen Trick kannte er bereits von den Goa’Uld. Dennoch wollte er ihrem Leben kein Ende bereiten. Seine Waffen wurden zwar gemacht, um zu töten, jedoch hatte er einen Eid geschworen damit Menschenleben zu retten. Auch wen dies bedeutete eine anderes dafür zu nehmen. Es würde definitiv keines seiner Leute sein.

„Sie verstehen nicht!“, schrie ihm Mona verzweifelt entgegen und fuhr mit ihren verkrampften Händen durch ihr gelockte Haar. Fest gruben sich ihre Finger darin ein und sie wirkte so völlig aufgelöst und wild. „Ich will niemandem etwas tun! Ich will es nicht nochmal erleben! Sie waren mein Team! Man kann es nicht aufhalten! Töten Sie mich sofort!“

Ihr Gesicht war schmerzverzehrt und an ihren hellen Wangen glitten Tränen entlang. Wieder sah er blaue, weit aufgerissene Augen vor sich. Jack schluckte schwer. Seine Waffe war immer noch auf die verzweifelte Frau vor ihm gerichtet.
Und im nächsten Moment entspannten sich ihre Finger, ihr gesamter Körper. Schwarzer Rauch sammelte sich in ihren Augen. Das Lächeln war zurück.

„Wie wär‘s, wenn wir in Ruhe darüber reden?“, warf O’Neill ein und auch wenn er bereits ahnte das kaum noch etwas von Pollack übrig war, so hoffte er dass dieser kleine Rest in ihr vielleicht stark genug wäre.

Doch Pollack richtete ihre Aufmerksamkeit abermals Franklin. Jack erkannte, dass der Major ihrem Blick ausweichen wollte, jedoch schien es ihm nicht zu gelingen und wieder richtete der Soldat neben sich langsam seine eigene Waffe gegen seine Schläfe. Kurz schloss Jack seine Augen, nur einen kleinen Augenblick.

Blaue, weit aufgerissene Augen und kurz darauf sackte die blonde Frau gekleidet in weiß in sich zusammen.

Er hatte keine andere Wahl. Einst nicht und heute auch nicht. Er war der Boss. Er musste seinen Leuten hier heraushelfen. Er musste es tun. Ein weiteres Mal.
Also öffnete er wieder seine Augen, musterte kurz die beiden toten Soldaten vor dem Krankenzimmer und fixierte anschließend Captain Mona Pollack. Er musste.

Er schoss.

Und als die Kugel Mona Pollack traf, lächelte sie immer noch. Als sei ihr kompletter Körper aus Rauch, glitt die Kugel hindurch und schlug im grauen Beton hinter ihr ein. Es war wirklich ein verdammt schlechter Tag.

Ein weiterer Schuss viel.

Paul Franklin sackte leblos zusammen. Er hatte sich erschossen. Jack konnte nicht hinsehen. Drei Leben waren heute erloschen. Einst war er für ein Leben verantwortlich. Und während er immer noch in schwarzen Rauch blickte wurde ihm auf grausame Weise bewusst, dass es vier Leben waren, die er nicht retten konnte. Die junge Soldatin vor ihm hatte bereits verloren.

„Siler, los!“, rief Jack dem blonden Soldaten auf der anderen Seite des Ganges zu. Dieser schoss mit der Zat in seinen Händen auf Captain Pollack. Doch auch dieser Schuss schien wirkungslos zu sein.

„Nochmal!“, befahl Jack nun sichtlich erschrocken. Und auch der zweite Schuss machte dem Körper aus Rauch nichts aus.
Lächelnd wendete sich Pollack dem Soldaten neben Master Sergeant Dan Siler zu.

„Weiter, Siler!“, schrie Jack und auch er selbst schoss auf die stille, lächelnde Frau. Verzweiflung breitete sich in General O’Neill aus, pure beängstigende Verzweiflung. Nicht noch ein weiteres Leben. Und als er zwischen vereinzelten Schüssen hinüber zu dem schwarzhaarigen Soldaten blickte, der seine eigene Waffe gegen sich selbst richtete, kam ihm plötzlich eine Idee. Jack hörte ihre Stimme.

„Nein Jack, bitte, das dürfen Sie mir nicht antun, geben sie mir eine Chance!“

„Feuer einstellen“, rief er Siler entgegen, Jack selbst senkte seine Waffe und blickte atemlos hinüber zu dem Monster in Monas Gestalt. „Das Stargate!“

Auf der Stelle wandte sich das Monster Jack zu.

„Wir lassen dich durch das Gate gehen“, erklärte Jack besonnen und sein Blick schweifte über die Gesichter der Soldaten um ihn herum. „Es muss keiner mehr sterben.“

Das Monster aus Rauch fixierte ihn scharf und Jack hörte sein eigenes Blut pulsieren. Er wusste er könnte der nächste sein der sich selbst erschoss, allerdings erschien ihm dieser Ausweg der einzig Richtige zu sein. Es durfte heute keine weiteren Tote mehr geben. Und als hätte die Gestalt vor ihm seine Gedanken gelesen, senkte es langsam seinen Kopf. Konnte man Monstern trauen? Er hatte keine Wahl.

Doch erst nachdem General Jack O’Neill das Rauchmonster in Gestalt der Soldatin Captain Mona Pollack durch das Stargate schreiten sah, erst nachdem der Ereignishorizont bereits erloschen war und erst nachdem er den dunkelhaarigen Soldaten musterte, der noch lebte. Erst dann lies er seine Waffe in den Halfter gleiten.

Als Sam Carter einst leblos am Boden lag, wollte er seine Augen schließen und nie mehr erwachen.

Einst war er für ein Leben verantwortlich.

Damals für drei.

Heute hatte er vier Leben verloren.



Utebanumaat

Das erste was Daniel Jackson ins Auge viel, als er die zarten Worte auf dem gilben Papier überflog, waren vereinzelnd verschwommene Buchstaben. Getrocknete Tinte, die zuvor mit Wasser verwischt war. Tränen auf Papier. Das zweite was ihm auffiel war ein filigranes Wort am unteren Rand. Der Autor hatte endlich einen Namen. Und als er aufsah, sich erneut in der Hütte umsah wurde ihm schwer ums Herz. Das hier war mehr als nur persönlich.

„Was steht darin, Daniel Jackson?“, fragte Teal’C als er sich von dem Versteck am Boden erhob.

Daniel befeuchtete seine Lippen, sah einen Moment hinüber zu Sam, die immer noch vor den Zeichnungen stand und blickte anschließen zurück auf das Papier in seinen Händen.

„Nichtheimat. Eintrag Nr. 105. Ich weiß, dass ich diese Worte niemals aufschreiben sollte, geschweige denn hier hinterlassen dürfte. Nicht in meinen schrecklichsten Albträumen möchte ich mir ausmalen, wie Grandpa oder Bra’tac,-“, Daniel stoppte und sah rasch zu seinen Freunden auf.

Teal’C blickte ihn verwundert entgegen und auch Sam hatte sich ihnen bereits zugewandt. Auch ihre Augen fixierten ihn erstaunt.
„Fahre fort, Daniel Jackson“, bat ihn der Jaffa besonnen.

„Ähm, ja“, stotterte Daniel und widmete sich abermals den Worten aus Tinte. „oder Bra’tac reagieren, wenn sie davon erfahren. Es sind bereits über drei Jahre vergangen seitdem ich bei Ihnen bin, über drei Jahre seitdem sie mich darauf vorbereiten was mein Schicksal zu sein scheint und all die Zeit, die mittlerweile hinter mir liegt, bringt mich meiner Familie nicht näher. So fühle ich jedenfalls. Mein Ziel lag einzig und allein darin euch zu finden, darüber zu informieren was mit mir passiert ist und euch darum zu bitten mit mir zurück nachhause zu reisen, um meine Familie vor der Katze zu retten. Nichts von alldem ist bisher geschehen und auch wenn ich die Nähe zu meinem Großvater sehr schätze, auch wenn ich all das was mir Bra’tac beigebracht hat mit größter Dankbarkeit verbinde, fühle ich mich so verloren und einsam. Ich möchte einfach nur in meine Heimat zurück wie ich sie kannte, ohne die Katze und ihren Schatten, ohne all dem schrecklichen was geschehen ist, ohne Leid, ohne Tod. Ich will zurück nachhause. So gerne. Doch ohne euch, ohne SG1 wird mir dies nicht gelingen, da hatte mein Vater Recht, obwohl er euch nie kennenlernen durfte. Bitte, sobald ihr diese Zeilen lest, folgt weiterhin meinen Brotkrumen, die ich euch hinterlassen habe. SG1, ich brauche eure Hilfe. Malika.“

Das war definitiv mehr als er erhofft hatte zu finden. Immer noch überflogen seine Augen Malikas Worte, doch Daniel las sie nicht wirklich. „Hier steht noch eine Toradresse.“

Seine Gedanken versuchten all die Information zu entschlüsseln die er gerade selbst vorgelesen hatte. Und als er immer noch erstaunt aufblickte erkannte er zu seiner Erleichterung, dass es Sam und Teal’C ebenso erging. Malika. Ein Mädchen das diesen bunten Raum nicht als zuhause sah und weinte als sie diese erstaunlichen Worte niederschrieb. Ein Mädchen in Obhut eines Jaffa. Nicht Jack. Aber wie passte seine Hundemarke hier hinein? Wo befand sich die zerstörte Heimat des Mädchens? Warum informierte Bra’tac sie nicht im Center? Bra’tac. Verdutzt beäugte Daniel seinen dunkelhäutigen Freund.

„Kennst du jemanden mit dem Namen Malika, Teal’C?“, sprach er seine nächste Frage laut aus.

„Nein“, erwiderte der Jaffa leise. „Aber Master Bra’tac scheint ihr zu helfen.“

Daniel erkannte in dem Gesicht seines Freundes, dass auch Teal‘C genau wie er selbst versuchte zu erfahren, versuchte zu entschlüsseln wie all diese Information zusammenpassten. Hatten sie denn eine andere Wahl? Mussten sie sich wirklich noch entscheiden welchen Schritt sie als nächstes taten? Würde es nach Daniel gehen, sicherlich nicht. Jedoch kannte er das Protokoll. Er war gespannt darauf zu erfahren was Jack von dem Ganzen hier hielt.

„Was auch immer hier vor sich geht“, meinte Daniel. „Diese Malika kennt uns.“

Teal’C senkte zustimmend seinen Kopf. „Wir sollten ihr helfen.“

„Daniel, Teal’C“, flüsterte Sam rau. In ihrer Stimme lag ein zittern. „Lasst uns aufbrechen, alles Weitere klären wir zuhause.“

Erst jetzt wurde Daniel bewusst, dass Sam abwesend erschien, so still und in sich gekehrt. Nicht erst seit er die Worte eines traurigen Mädchens vorgelesen hatte. Und während er sie beobachtete, Teal’C an ihm vorbeischritt und die einfache hölzerne Tür öffnete, fragte Daniel sich warum diese starke Soldatin so unsicher wirkte. So verletzlich.

Und als er aus dem kindlichen Raum hinaustrat, hinab auf wildes Gras sah, hoffte er, dass er diese Kälte, welche er gespürt hatte, nicht wieder fühlen würde. Diese Kälte war mehr als kalt. Sie war verzweifelt, traurig. Tief traurige verzweifelte Kälte. Vielleicht spürte Sam es doch.



Cheyenne Mountain
Stargate Center
Erde


SG1 war unversehrt zurückgekehrt. Unversehrt und überdurchschnittlich pünktlich. Wenigstens etwas fühlte sich and diesem verdammt schlechten Tag doch noch gut an. Und nachdem Daniel, Teal’C und Carter ihre Erfahrungen und Entdeckungen auf dem Planeten erzählt hatten, wurde es einen Moment lang still im Besprechungsraum.
Bedacht glitt Jacks Blick über die Gesichter der drei Personen vor ihm. Sie waren wohlbehalten zurückgekehrt. Diese Tatsache war das wichtigste für ihn. Was dieses Mädchen anging, was Bra’tac betraf, wie seine Hundemarke darin platz fand, dies alles war für den Moment zweitranging. Jedenfalls für Jack.

„Drei meiner Leute sind heute gestorben“, gab er leise von sich. Die Stille war durchbrochen. Zwei Augenpaare blickten ihm entsetzt entgegen. Eines mitfühlend.

„Captain Pollack?“, harkte Carter vorsichtig nach.

Er würde nicht aufhören zu vertrauen.

„Sie hatten recht, Colonel“, entgegnete Jack ruhig. „Irgendwas hat besitz von ihr ergriffen und sie ist komplett durchgedreht. Sie hat drei Soldaten dazu gebracht sich selbst zu erschießen.“

„Oh mein Gott,“, rief Daniel betroffen aus. „Wie grauenhaft. Wie geht es dem Captain jetzt?“

„Ich habe sie gehen lassen“, erwiderte Jack monoton. Er war der Boss. Der Boss war stark. „Wir konnten sie nicht zur Vernunft bringen und alles andere was wir versuchten löste sich wortwörtlich in Rauch auf. Also habe ich sie durch das Stargate gehen lassen.“

Zögernd und darauf bedacht durch und durch sachlich zu verbleiben berichtete der General von diesem verdammt schlechten Tag und er war wirklich froh das alles mit diesen drei Personen teilen zu können. Irgendwie machte es diese Angelegenheit etwas leichter. Die Bilder in seinem Kopf würden ihn allerding weiterhin verfolgen. Wie so viele andere auch.

„Schatten“, gab Teal’C eintönig von sich.

Fragend blickte Jack auf den Jaffa und aus dem Augenwinkel heraus erkannte er, dass auch Carter nicht wirklich wusste von was er sprach. Daniel war ein anderes Blatt.

„Malika erwähnt Schatten in ihrem Brief“, entgegnete Jackson fiebrig. „Du glaubst Captain Pollack wurde von einem dieser Schatten eingenommen?“

„O’Neills Beschreibung passt zu den Geschichten, die alle Jaffa fürchten“, erklärte Teal’C weiter. „Schatten sind lüsterne Dämonen denen jeder, auch Jaffa, vollkommen willenlos unterliegen. Jeder außer Frauen, diese nehmen sie als Wirt. Männern stehlen sie den Samen, um ihre Nachkommen zu sichern.“

„Nett“, entgegnete Jack daraufhin knapp.

„Sukkuben,“ sagte Daniel gleichzeitig.

„Pardon?“, fragte Jack verdattert.

Daniel richtete sein Brillengestell und begann zu erklären. „In unserer Mythologie werden ebenfalls solche Dämonen erwähnt. Ein Sukkubus ist ein weiblicher, besonders schöner und lüsterner Dämon oder Buhlteufelin, die sich einen Mann sucht, um mit ihm geschlechtlich zu verkehren. Sie rauben ihnen Stück für Stück die Lebensenergie, die Seele.“

Kurz blieb Jacks Blick auf Daniel ruhen. Er erinnerte sich an die Gesichter der Soldaten, die sich Pollacks Anblick einfach nicht entziehen konnten. Er erinnerte sich an Pollacks verzweifelte Schreie und daran, dass ihr Körper aus Rauch bestand. Er erinnerte sich an diese schwarzen Augen.

„Weißt du wie man die töten kann?“, fragte Jack an Teal’C gerichtet.

„Man kann sie nicht töten“, antwortete der Jaffa mit bedauern. „Allerdings verbleiben Schatten nicht sehr lange in einem Wirt, anders wie die Goa’Uld können sie auch ohne Wirt existieren. So die Legende.“

Der Tag konnte doch noch schlimmer werden.

Wenn das Mädchen diese Dämonen in ihrem Tagebuch erwähnt hatte, dann musste Jack davon ausgehen, dass sie diesen Schatten erneut begegnen würden. Sofern er einer Mission zustimmen würde. Und sie könnten nichts gegen diese Wesen aus Rauch tun. Diese drei Personen vor ihm wären somit vollkommen unbewaffnet. Doch er würde dieses Risiko eingehen und sie auch. Auch wenn es ihm gar nicht gefiel. Sie mussten erfahren was dieses Mädchen über die Erde wusste, sie war nun mal ein Sicherheitsrisiko. Kind oder nicht.

„Gut, Leute“, sagte Jack schließlich. „Ich genehmige einen Einsatz auf dem Planeten, der auf dem Papierschnipsel steht unter Vorbehalt. Wir schicken eine MALP, ihr erkundet die Umgebung und falls ihr Bra’tac findet, richtet ihm aus, dass er sich ruhig hätte melden können. Die Mission startet morgen um elfhundert. Wegtreten.“

Und als er Daniel und Teal’C beim Hinausgehen hinterherblickte, bemerkte er, dass Carter die gesamte Zeit über kaum ein Wort gesagt hatte. Außerdem hatte sie sich nicht bewegt. Sie saß immer noch auf dem Stuhl neben seinem und blickte regungslos auf ihre ineinander verworrenen Finger.

„Carter?“, sprach er sie verwundert an.

Große blaue Augen sahen zu ihm auf. Blaue Augen in denen er überraschender Weise Zurückhaltung ausmachen konnte. Das gefiel Jack gar nicht.

„Sir, haben sie kurz Zeit?“, kam es zaghaft über ihre vollen Lippen.

Jack musste wegsehen. Rasch griff er nach den zerstreuten Blättern auf dem Tisch und sortierte diese in die blaue Mappe daneben ein. Er vertraute ihr. Sie waren Freunde. „Natürlich, kommen Sie Carter.“

Er vertraute nur sich selbst nicht.
Dennoch nahm er die gefüllte Mappe, schritt hinüber in sein Büro und kam hinter dem breiten Schreibtisch zum Stehen. Die blaue Mappe kam darauf zum Ruhen. Einen Moment lang war es vollkommen still, bis er das Geräusch vernahm das eine Tür ins Schloss viel. Er blickte auf. Sam Carter stand nervös vor der verschlossenen Tür. Das hier gefiel ihm wirklich ganz und gar nicht.

„Sir, in dieser Hütte habe ich mehr entdeckt als diese Seite des Tagebuches“, gab Carter zögernd von sich. Unbehagen schwamm in diesen Worten mit.

„Ich nehme an Daniel und Teal’C wissen nicht darüber Bescheid“, schlussfolgerte er schließlich, ohne seinen Blick von diesen blauen Augen zu lösen. Er war verdammt.

„Nein, Sir.“

„Weil“, harkte er gedehnt nach.

Langsam griff sie in ihre Hosentasche und zog ein Stück Papier heraus. In Jacks Magengegend breitete sich zunehmend Unruhe aus und als Carter auf das Papier in ihren Händen blickte, nur um anschließend wieder in seine Augen zu sehen, erkannte Jack Kummer in ihren. Trauer. Langsam trat sie näher an seinen Schreibtisch, ohne wegzusehen und reichte ihm das Papier. Immer noch blickten blaue Augen in Braune und als Jack danach griff, fühlte er, dass es sich dabei um ein Foto handeln musste.

Sie unterbrach den Blickkontakt.

Er sah auf die Fotographie.

Das konnte nicht sein. Erstarrt musterte er ein Augenpaar, welches ihm regungslos entgegenblickte. Ein Augenpaar welches ihn noch heute in hunderten Träumen heimsuchte. Augen die den seinen so verdammt ähnlich waren. Charlie.
Seine Beine fühlten sich plötzlich so schwach an, irgendwie weich und so setzte sich Jack langsam, immer noch das Foto in Händen. Charlie. Sein Charlie. Dieses Foto stand auf der schmalen Anrichte seines Wohnzimmers. Wie konnte das nur sein? Schweren Herzens musterte er das lächeln seines Sohnes, der so stolz einen Baseballschläger in Händen hielt.

„Außerdem noch dies hier“, hörte er Carter sagen, doch konnte er seinen Blick nicht von dem Gesicht seines Jungen nehmen.
Erst als ihre schmale Hand vor seinem Blickfeld auftauchte und gleich daraufhin wieder verschwand, senkte er seinen Blick und betrachtete einen silbernen Ring, der nun auf der blauen Mappe ruhte. Stirnrunzelnd betrachtete er das Schmuckstück und blickte anschließend fragend auf.

„Dieser Ring hat meiner Mutter gehört“, erklärte Carter sachte. Ihre Augen funkelten mehr als sonst. „Mein Ring befindet sich immer noch in meinem Spint.“

Jack wusste absolut nicht was er daraufhin erwidern sollte und so starrte er ihr weiterhin stumm entgegen. Er war ihr so dankbar, dass sie diese Entdeckung vor Daniel und Teal’C geheim gehalten hatte. Und nun konnte er ihr nicht einmal Worte des Trostes mitteilen, die sie definitiv benötigte. Ihre Augen wirkten so traurig. Aber vielleicht war er auch gar nicht die richtige Person dafür.

„Wer auch immer diese Malika ist, Sir“, fuhr Carter stockend fort. „Ich muss herausfinden warum sie den Ring meiner Mutter bei sich trug.“

„Das werden wir Colonel“, entgegnete Jack rau. Auch er musste Antworten finden und so griff er nach dem Hörer des roten Telefons. „Verbinden Sie mich umgehend mit General Hammond.“

Er vertraute ihr.

„Sir, ich habe hier ein… größeres Problem. Wie schnell können Sie das Kommando des Centers übernehmen?“

Auf Ewig.



Sam Carters Haus
Erde


„Du bist doch gerade erst zurückgekommen.“

„Pete.“

„Musst du unbedingt bei dieser Mission dabei sein?“

Resigniert lies Sam die Zahnbürste in ihren Händen sinken und blickte hinüber zu dem blonden Mann, der sie vom Türrahmen aus beobachtete. „Ich habe den Ring meiner Mutter entdeckt, auf einem anderen Planeten, was glaubst du?“

„Und die Vorbereitungen?“

„Das wirst du schon allein hinkriegen“, antwortete sie leichthin, steckte die Zahnbürste in den grauen Becher am Beckenrad und griff nach dem Handtuch daneben.
Und als sie an ihm vorbei in das Schlafzimmer treten wollte, hielt Pete sie auf. Fest umgriff er ihren nackten Oberarm. „Sam?“

Verwundert über diesen Körperkontakt blickte Sam in sein angespanntes Gesicht. So kannte sie ihn nicht. So angespannt und ja, so wütend. Vielleicht waren es in den letzten Wochen einfach zu viele Missionen gewesen, zu viele Tage und Nächte, in denen sie nicht zuhause war. Pete war ein guter Kerl. Doch er machte sich wahrscheinlich zu viel sorgen.

„Wir haben doch bereits über alles gesprochen, der Plan steht.“, meinte Sam ruhig und entzog sich seinem griff. Sie ging hinüber zum breiten Bett und schlug die dunkle Tagesdecke auf.

Und als sie sich auf das Bett setzte, den silbernen Ring auf ihrem Nachttisch kurz musterte und anschließend wieder zu ihm blickte, konnte sie nicht anders als ihre Zweifel, die sie seit längerem begleiteten mit ihm zu teilen. „Es wäre möglicherweise besser, wenn wir den Termin verschieben.“

„Dein Ernst?“

„Ich will nur sicher gehen, dass alles passt. Dass wir nicht zweimal zu unserer Hochzeit laden müssen.“

„Und wenn es das nächste Mal genauso sein wird?“, warf Pete barsch ein. Auch er trat nun an das Bett und schlug die Decke beiseite. „Wieder eine überaus wichtige Mission? Wieder eine Gefahr für den Planeten? Wieder die Rettung einer Zivilisation?“

„Das alles ist was mich ausmacht“, erwiderte Sam empört und stierte ihn gleichzeitig verständnislos entgegen. Wie konnte er das alles nur so engstirnig betrachten? Sie hatte ihm von dem Ring erzählt, einem Ring, der ihr so viel bedeutete, der Tatsache das da draußen jemand war dem dies durchaus bewusst sein musste. Und hier saß sie nun, neben einem Mann, von dem sie dachte Trost und Zuspruch zu erhalten. Da lag sie wohl falsch. „Das hier, wird auch in Zukunft so laufen. Es ist mein Job, Pete, und ich liebe ihn.“

Er entgegnete nichts. Stur sah er sie an und sie blickte ihm ebenso stur entgegen. Dieser Tag war definitiv zu viel für sie gewesen. Sam wollte nur noch schlafen, ihre Augen schließen und alles ausblenden. Das geheime Loch unter dem dunklen Brett. General O’Neills traurige Augen als er das Foto ansah und den Mann neben sich dessen engstirnige Art ihr jeglichen Atem raubte.

Sie drehte sich von Pete weg, ihr Kopf viel in das weiche Kissen und sie fixierte enttäuscht den silbernen Ring ihrer Mutter. Beklommen musterte sie das filigrane Metall indem ein kleiner Diamant eingefasst war. Sie war eine wundervolle Frau und eine noch liebevollere Mutter. Und plötzlich konnte Sam die Stimmer dieser wundervollen Frau hören.

„Für keinen Mann der Welt sollte man sich so verstellen, dass man sich selbst dabei verliert.“

Traurig lächelte Sam als sie sich an diese Worte erinnerte. Betrübt überlegte sie ob sie sich selbst vielleicht schon verloren hatte. Aber nein. Sie war sie selbst, sie war Sam. Sie war Samantha Carter und bald würde sie Samantha Shanahan sein. Da war nichts verloren. Das konnte nicht sein.
Sachte spürte sie Petes warme Hand um ihre Hüfte, als er näher an sie heranrückte.

„Jedes Mal, wenn du da draußen bist, mache ich mir so unsagbare Sorgen um dich“, sagte er leise und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. „Das ist was mich ausmacht.“

Resigniert schloss sie ihre Augen. „Wir müssen versuchen damit zurecht zu kommen.“

„Ich werde dich vermissen“, hauchte er sanft und Sam konnte seinen Atem an ihrem Nacken spüren. „Ich liebe dich.“

„Ehe du dir versiehst bin ich zurück“, flüsterte sie schließlich leise. „Wie jedes Mal.“

Die Stimme ihrer Mutter schallte nach.



Irgendwo
Zur selben Zeit…

Planet Nummer drei. Ein Zeltlager von Trockenheit, Sand und drückender Hitze. Wie eine staubige Oase lag dieses, gebettet inmitten einer stickigen, schwülen Dschungellandschaft, als Zufluchtsstätte der drei Einwohner. Sie war eine davon. Und doch auch nicht. Niemals würde es Heimat für sie sein. Es war die Hölle für sie und wird es auf ewig sein. Sie fanden einfach keinen Weg hier heraus, keinen Anhaltpunkt wie sie diesem Ort entfliehen konnten. Es war frustrierend.

Zitternd fuhr sie mit ihrem Handrücken über ihre verschmutzte Stirn. Ihre Lunge schmerzte bereits bei jedem Atemzug, ihre wunden Lippen bebten und ihre Beine fühlten sich an, als seien sie aus purem Stein gegossen worden.

„Verdammt nochmal! Stell dich nicht so an, Malika!“

Krampfhaft umgriff sie den Saum ihres leinenden Hemdes und wusch sich damit den warmen Schweiß aus dem Gesicht. Sie musste sich zusammen reißen, sie würde stark bleiben, nicht weinen und nicht klein bei geben.
Kurz schloss sie ihre Augen, nur um sie einen Augenblick später wieder auf die Person ihr gegenüber zu fixieren. Wütend und entschlossen musterte Malika seine harte Mimik, seine kalten braunen Augen, die sie in all ihren Albträumen heimsuchten.

„Ich bin bereit“, sagte sie mit fester Stimme. Kaum hatten sich ihre Lippen wieder geschlossen, trat er einen Schritt auf sie zu und versuchte ihr mitten ins Gesicht zu boxen. Ihr Gehirn setzte aus und lies ihre Instinkte und ihren Körper in Einklang das Ruder übernehmen. Immer schneller wurden seine Schläge, immer härter seine Tritte. Malika wich aus, bewegte sich exakt so wie es ihr all die Jahre beigebracht wurde. Die Schmerzen die ihren Körper durchfuhren ignorierte sie, ihr Geist konzentrierte sich nur noch auf die Bewegungen ihres Angreifers. Nur einen Moment war sie unachtsam. Kaum eine Sekunde lang. Ein starker Druck legte sich über ihren Bauch. Fest spannte Malika ihre Muskeln an, doch war es bereits zu spät. Eine Welle von Schmerz erreichte sie und lies ihre Beine zusammen sacken.

„Steh auf!“

Sie hielt ihre dürren Arme fest um ihren Bauch gedrückt, als sie versuchte ihre Augen zu öffnen, doch misslang es ihr. Trockener Sand umhüllte Malika in einer Staubwolke. Ein bitterer Geschmack legte sich auf ihre Zunge, Eisen. 'Nicht daran denken', schoss es ihr durch den Kopf, 'Lenk dich ab!'. Morgen würde sie Schießübungen erhalten, danach würde sie endlich wieder Theorie-Stunden durchlaufen. Nur noch zwei Tage körperliche Tortur, weniger als 48 Stunden und ihr Körper durfte sich erholen. Der widerliche metallene Geschmack verging nicht. Es gelang ihr nicht ihn zu ignorieren. Eine Welle von Übelkeit überrollte Malika. Sie übergab sich.

„Verdammt Mädchen! Das musst du endlich in den Griff bekommen!“

Hastig schnaubte sie durch ihre Nase aus und richtete sich auf, so gut es ging. Sie fühlte sich klein, elend und schwach. Er hatte Recht! Ihm in die Augen zu blicken wagte sie nicht, also musterte Malika seine schmutzigen, braunen Stiefel. Drei blaue Perlen, eine weiße und zwei rote, gespannt auf einem schwarzen Lederband, welches vom Schaft herab hing. Ihre Augen wurden feucht und sie biss verkrampft ihre Zähne aufeinander. Eilig wusch sie sich die Tränen weg und hoffte, dass es ihm nicht aufgefallen war.

„Wenn du so weiter machst, wirst du sterben bevor es richtig losgeht.“

Natürlich war es ihm aufgefallen. Bra‘tac entging nichts.

„Nur gut für dich, dass du Qualitäten hast, die das hier überbieten. Vergesse aber nicht, dass dir dein Köpfchen nicht weiter hilft, wenn die bösen Jungs dich verprügeln.“

„Ich strenge mich doch an!“, schrie Malika ihm entgegen, doch glich es eher einem kläglichen winseln.

„Ich bin nicht der Feind, Malika. Ohne mich, hätten die Maden dich schon vor Jahren aufgefressen.“

Immer noch musterte sie seine Stiefel, immer noch kauerte sie wie ein feiger Sack auf dem staubtrockenen Boden. Die Sonne stand hoch am wolkenfreien Himmel, unbarmherzig drückte sie ihr die Hitze entgegen.
'Von Maden zerfressen' und somit kein Anhängsel an seinem Rockzipfel.

„Das wäre vielleicht besser gewesen“, flüsterte sie und schielte kurz hinauf in sein grimmiges Gesicht. Seine Mandelförmigen Augen waren zu grässlichen Schlitzen verzogen und auf seiner Stirn bildeten sich tiefe Falten.

„Sag das nie wieder!“, brüllte er aufgebracht und ging vor ihr in die Knie. Seine prankengleichen Hände packten ihre Oberarme und zogen Malika grob nach oben. Ihr verzerrtes Gesicht war seinem so nahe, so dass sie seinen nach Fäulnis stinkenden Atem an ihrer Wange spürte. Er war unglaublich wütend. „Die Tau‘ri sind meine Freunde, warum machst du es mir so schwer?“

Das Zittern ihrer Lippen unterband sie sich, stur erwiderte sie dennoch seinen eiskalten Blick. Malika wusste, dass ihm die Erinnerung an ihre Vergangenheit in Rage bringen würde und genau deswegen fütterte sie ihn so oft es ging mit Fetzen ihrer grausamen Kindheit. Sie war nicht Lebensmüde, doch brauchte Malika jemanden der ihren Schmerz und ihre Trauer verstehen konnte. Bra‘tac lebte jeden Tag genau den Albtraum, den auch sie in jedem Atemzug durchlief. Sie musste einfach sehen, dass es außer ihr noch jemanden gab, der trotz dessen, weiterhin atmen konnte.

„Steh auf!“, brummte er und drückte sie fest von sich. Bevor Malika mit ihrem kompletten Gewicht zu Boden knallen konnte, rollte sie sich über ihre Schulter ab und kam hockend zum Ruhen. Ihre Fingerspitzen berührten den heißen, gelben Sand und hielt sie somit im Gleichgewicht. Schwer atmete sie ein und aus. Die Hitze, die Schmerzen, die Zeit. Es war alles zu viel für Malika.

„Ich kann nicht mehr“, entgegnete sie leise.

„Ich habe dich nicht gefragt wie du dich fühlst. Steh auf!“, antwortete er barsch und bereitete sich auf den weiteren Kampf vor. „Und höre auf dich wie ein Kind zu verhalten.“

„Ich bin ein Kind!“, spie sie ihm entgegen und kam seiner Aufforderung nach. Erschöpft stand Malika ihm gegenüber. Hastig hob und senkte sich ihr Brustkorb, immer noch schmerzte ihre Lunge, ihr Bauch, ihre Beine. „Ich bin dreizehn Jahre alt und ich,-“

Er trat zu und Malika wich aus, doch war sie nicht wirklich darauf vorbereitete und stolperte somit einige kleine Schritte nach hinten.

„Konzentriere dich!“, brüllte er, ohne seine Kampfbewegungen einzustellen.
Er boxte, er trat nach ihr, er griff an und sie wich jedes Mal aus. Dieses Mal schaltete Malika völlig ab, nichts schien mehr real zu sein. Sie fühlte sich frei und losgelöst, so unsagbar kräftig. Sie spürte erfrischenden Wind durch ihr hellbraunes Haar wehen, hörte den klang einer sanften Melodie an ihr Gehör dringen und sie sah ihren Vater, der sie lächelnd beobachtete, wie damals, als das Atmen noch so einfach war.

Ein sanfter, warmer Druck an ihren Wangen riss sie aus der heilen Illusion. Wie der zarte Vorhang ihres Fensters zuhause, öffnete sich ein zarter Schleier vor ihren Augen. Schwer atmend stand Bra‘tac direkt vor ihr, seine rauen Pranken betteten ihr schweißnasses Gesicht.
Beinahe liebevoll blickte er ihr entgegen.

„Konzentriere dich, Kind“, sagte er ruhig. Ein kleines Lächeln zog sich um seine vollen Lippen. „Genau so, du bist stark, Malika. Vergesse niemals wessen Tochter du bist.“

Bitteres Süß entfaltete sich in ihrem Mund, als er sie in eine feste Umarmung zog. Verwirrt stierte Malika an seinem kräftigen Arm vorbei, auf die tropischen Pflanzen, die sich hinter ihnen erstreckten. Erst Jahre später würde ihr klar werden, dass sie Master Bra`tac so vieles zu verdanken hatte.

Nicht nur ihr Leben.
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