Stargate Fanfic Login
HilfeImpressumLexikon
Erweiterte Suche

Be All Their Sins Remember'd von Nyada

[Reviews - 0]   Drucker Kapitel oder Geschichte Inhaltsverzeichnis

- Schriftgröße +
„Verflucht, Grant, das ist doch jetzt nicht Dein Ernst, oder?“, zischte Nancy Parker in ihr Smartphone und kniff sogleich die Lippen fest aufeinander, um nicht noch etwas zu sagen, was ihr womöglich später leid getan hätte. Auch wenn sie bezweifelte, dass es ihren intoleranten Exehemann interessierte, was sie dachte, und es ihm wahrscheinlich egal war, wenn sie ihm am Telefon eine Standpauke hielt.

„Nance“, meinte er nun, „ich habe in fünf Minuten ein wichtiges Meeting. Können wir das später besprechen

„Ob wir das später besprechen können?“ Nancy ließ das Handy sinken und holte mehrmals tief Luft, um sich zu besinnen und nicht mitten im Trubel des Supermarktes, in dem sie sich gerade befand und einkaufte, loszubrüllen und auf Grant einzuschimpfen.

„Natürlich können wir das später besprechen“, nahm sie das Gespräch schließlich übertrieben freundlich wieder auf. „Aber bis dahin, verlange ich, dass Du mir sagst, wie ich Deinem enttäuschten Neffen klarmachen soll, warum Du nicht zu seiner Geburtstagsparty kommst, obwohl Du es ihm hoch und heilig versprochen hast!“

„Nance“, muffelte Grant, „ich hab’ gerade wirklich zu tun, okay? Wir sind gerade an einem wirklich heißen Fall dran, und da kann ich nicht so einfach

„Und ob Du kannst!“, keifte Nancy nun und verfrachtete die Kekspackung, die sie soeben aus dem Regal gezogen hatte, so schwungvoll in den Einkaufswagen, dass die ältere Dame neben ihr zusammenzuckte. Nancy ignorierte ihren vorwurfsvollen Blick und konzentrierte sich wieder auf das Gespräch.

„Nun hör mir mal gut zu, Grant Harrison“, begann sie. „Ich habe mir extra die Tage freigenommen und bin von Washington hierher geflogen, weil Du mich gebeten hast, Dich zu Jimmy’s Party zu begleiten, und jetzt auf einmal sagst Du mir, dass Du zu viel zu tun hast?!“

„Es war wirklich kurzfristig“, verteidigte sich Grant. „Ich weiß auch erst seit heute Vormittag, dass wir den Fall haben. Bitte, Nancy“, flehte er, „zeig doch etwas Verständnis

„Ich soll-“ Nancy blieb abrupt mitten im Gang stehen und starrte fassungslos ins Leere. „Wie bitte? Habe ich das richtig verstanden? Ich soll Verständnis zeigen?“, wiederholte sie. „Okay, damit mal eins klar ist, mein Lieber: Ich wäre gar nicht hier, wenn Du mich nicht darum gebeten hättest-“

„Nance“, fiel Grant ihr ins Wort.

„Oh, nein, mein Lieber“, fauchte sie. „Komm mir jetzt bloß nicht mit ‚Nance’! Das macht es jetzt auch nicht besser!“

Grant seufzte. „Nancy, ich muss jetzt wirklich Schluss machen. Man wartet auf mich

„Oh, ja, klar“, höhnte Nancy. „Wenn’s brenzlig wird, ziehst Du den Schwanz ein und läufst weg. Wieso überrascht mich das jetzt nicht?“

„Weißt Du, dass wird mir jetzt echt zu blöd“, schimpfte ihr Exmann. „Ich ruf Dich heute Abend an, okay? Grüß bitte Tom, Marcy und besonders Jimmy von mir und sag ihnen, dass es mir leid tut. Bitte, tu es einfach

„Ach, du kannst mich mal, Grant“, schnaubte Nancy erbost in den Lautsprecher des Handys und beendete, ohne auf Grants Antwort zu warten, das Gespräch. Für wen hielt er sich überhaupt, dachte sie, als sie das Handy in ihre Tasche schmiss und ihren Einkaufswagen ruckartig aus dem Gang schob. Was dachte sich Grant eigentlich dabei, sie dermaßen ins Messer laufen zu lassen? Er wusste ganz genau, dass sein Bruder Tom und seine Frau Marcy sie hassten und sie sogar regelrecht verabscheuten, seit sie und Grant sich vor einem Jahr hatten scheiden lassen. Sie waren nicht gerade begeistert gewesen, als es hieß, dass sie Grant zur Geburtsfeier seines Neffen Jimmy begleiten würde- nein, sie waren alles andere als begeistert gewesen. Nancy hatte ihrem Exmann von Anfang an klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass sie ihn nicht begleiten wollte, doch irgendwie hatte es Grant dennoch geschafft sie zu überzeugen.
Und nun hatte er sich geschickt aus der Sache herausgeredet und seine Arbeit vorgeschoben- oh, was für ein Wunder!

„Idiot.“

Nancy war selbst überrascht, dass sie sich von dieser Sache dermaßen mitnehmen ließ, doch die letzten Wochen waren nicht leicht für sie gewesen, weswegen sie sich ihren kleinen Ausbruch verzieh. Beruflich ging es nur schleppend voran und auch ihr Privatleben hatte schon einmal bessere Zeiten hinter sich gehabt. Einziger Lichtblick war das unerwartete und ungeplante Zusammentreffen mit ihrem Exmann John vor vier Monaten gewesen. Für ein paar wenige Stunden hatte Nancy wieder Freude an ihrem Leben gehabt und sich gefragt, ob es von nun an wieder bergauf gehen würde. Doch kaum, dass sie nach Washington ihr gewohntes Umfeld zurückgekehrt war, hatte sich diese Freude verflüchtigt ihre Hoffnungen in Luft aufgelöst.
Nun war sie wieder zurück in San Francisco und fragte sich die ganze Zeit, wie sie den heutigen Tag bloß überlebte. Sie war am Nachmittag des vorherigen Tages angekommen und ihr erster Gedanke hatte überraschenderweise sofort John gegolten. Hätte sie nicht gewusst, dass er das Haus am ‚Princeton Boulevard’ verkauft hatte und fortgezogen war, hätte sie sich aufgemacht, um ihn zu besuchen. Irgendetwas in ihr hatte sich nach ihm gesehnt und sehnte sich auch immer noch. Wie schön es doch wäre, ihn wiederzusehen und seine Stimme zu hören. Sie hatte in den letzten vier Monaten mehr als nur einmal an ihn denken müssen, und ihre letzte Begegnung wollte ihr einfach nicht aus dem Kopf gehen. Insbesondere ihr Kuss und das, was danach um ein Haar geschehen wäre…
Es ärgerte sie, dass sie nicht wusste, wohin er, nachdem er das Haus verkauft hatte, gegangen war, denn sie hätte ihn zu gern wieder gesehen. Gerade jetzt, in diesem Moment, vermisste sie ihn irgendwie und wünschte sich nichts sehnlicher, als mit ihm reden zu können.

Nancy seufzte tief und schob den Einkaufswagen missmutig durch die breiten Gänge des Supermarktes. Im Grunde brauchte sie gar nichts; sie hatte sich in eines der besten Hotels von San Francisco einquartiert und der Hotelboy Tony Savage, den sie bereits seit vielen Jahren kannte, las ihr wirklich jeden ihrer Wünsche von den Lippen ab. Trotzdem hatte sie es in dem einsamen Hotelzimmer nicht mehr ausgehalten, und der Supermarkt lag nun mal nur einen Katzensprung entfernt. Also hatte sie beschlossen für die Tage, die sie von nun an in der Stadt sein würde, ein paar Besorgungen zu erledigen, und vielleicht fand sie ja auch noch ein Geschenk für Grants Neffen. Sie hatte zwar keine Ahnung, über was sich Neunjährige Jungen heutzutage freuten, aber ihr würde schon etwas einfallen.

Und so kam es, dass sie sich keine viertel Stunde später mit einem Einkaufswagen voller Krims Krams, den sie eigentlich gar nicht brauchte, Süßigkeiten und einer Iron Man-Actionfigur für Jimmy auf den Weg zu den Kassen machte. Sie hatte sie fast erreicht, als sie auf einmal unweit entfernt eine bekannte Gestalt den Gang entlang schlendern sah. Sofort erstarrte sie, blieb stehen, blinzelte und schaute noch einmal hin, doch der Mann war bereits zwischen zwei Regalreihen verschwunden.

„Wird das heute noch etwas?“, ertönte da eine genervte Stimme hinter ihr. „Wissen Sie, Miss, es gibt noch andere Leute, die bezahlen wollen“, schimpfte der ältere Herr und drängelte sich grob mit seinem Einkaufswagen an ihr vorbei.

„Oh, äh, ja, Verzeihung.“ Nancy machte ihm verwirrt Platz und schob ihren Einkaufswagen langsam auf die Regalreihe zu, hinter der sie ihn vermutete. Mit klopfendem Herzen umrundete sie die Ecke… und, tatsächlich, da war!
Nancy entdeckte ihn sofort und blieb stehen. Noch hatte er sie nicht bemerkt. Mit konzentrierter Miene und einem Einkaufskorb am Arm, ließ er seinen Blick das Regal entlang schweifen und studierte die Auswahl an Dosengemüse mit kritischem Blick, ehe er sich entschied und zwei Dosen eingelegte Tomaten in den Korb legte. Er warf einen kurzen Blick auf den Einkaufszettel in seiner Hand, drehte sich dann um und kam den Gang entlang in ihre Richtung geschlendert. Nach wenigen Schritten schaute er auf, entdeckte sie und blieb stehen.

„Nancy?!“

„John. Schön… schön Dich zu sehen“, stammelte sie. „Was für eine Überraschung!“

„Das kannst Du aber laut sagen“, murmelte er und kam langsam auf sie zu. „Was machst Du hier?“ Kein ‚Schön Dich zu sehen’ oder ein ‚Wie geht’s Dir’. John schien ehrlich überrascht zu sein, sie zu sehen, ein Gefühl, welches auf Gegenseitigkeit beruhte. Seine verwunderten Augen taxierten ihr Gesicht, während er auf eine Antwort wartete.

„Grants Neffe hat heute Geburtstag und ich bin zur Feier eingeladen“, erklärte sie ihrem Exmann, worauf Verständnis seine argwöhnisch angespannten Züge etwas ebnete. Er sah… anders aus, als bei ihrem letzten Treffen vor ein paar Monaten, stellte Nancy fest. Etwas erholter und frischer. Sein Gesicht wirkte voller, und er hatte wieder etwas Farbe bekommen. Die Schatten, die damals unter seinen Augen gelegen hatten, waren verschwunden, und er hatte sich den Bart abrasiert und die Haare geschnitten, trug sie jetzt kürzer, als sie es von ihm gewohnt war, aber es stand ihm. Seine Kleidung, welche aus einem blau karierten Button Down Hemd und einer dunklen Jeans bestand, wirkte ordentlich und war nicht zerknittert. Was auch immer er in den letzten vier Monaten getrieben hatte, es schien ihm gut zu tun!

„Oh, wie schön.“ John lachte nervös und strich sich durchs Haar. „Ähem, entschuldige bitte. Ich bin nur etwas überrascht Dich zu sehen.“

„Nun“, meinte Nancy, „ich hatte auch nicht damit gerechnet, Dich ausgerechnet hier wiederzusehen. Ich dachte, Du wolltest weg aus der Stadt.“

„Das war ich auch“, erwiderte John. „Ich, äh, ich war für ein paar Wochen in Pasadena, aber irgendwie hat’s mich wieder hierher verschlagen.“

„Du wohnst wieder hier?“, wiederholte Nancy verwundert.

„Ähem, ja“, bestätigte John und fuhr sich durchs Haar. „Ich habe ein kleines Haus am Stadtrand gekauft und gedenke vorerst hier zu bleiben.“

„Vorerst?“

John zuckte mit den Achseln. „Nun, man weiß ja nie.“ Er lächelte nervös und trat unruhig von einem Bein aufs andere, und Nancy bemerkte, wie er an ihr vorbei blickte.

„Alles in Ordnung? Suchst Du jemanden?“, fragte sie schmunzelnd, worauf John’s Blick zu ihrem Gesicht zurückzuckte.

„Hhm? Oh, ob ich jemanden…“ Erneut hob er die Hand, um sich durchs Haar zu streichen, eindeutig ein Zeichen dafür, dass er aufgeregt war. „Äh, nein. Ich… ich, ähem, ich muss einfach nur schnell weiter“, sagte er. „Zeitdruck, Du weißt schon.“

Nancy nickte verunsichert. „In… Ordnung“, meinte sie. „Es war schön Dich wiederzusehen, John. Vielleicht sehen wir uns die Tage ja noch. Ich bin bis Samstag in der Stadt, falls Du also Zeit hast, könnten wir uns ja mal treffen und… reden. Ich wohne im Four Seasons

„Äh, ja, klingt gut“, erwiderte er hektisch, nun sichtlich aufgescheucht. „Ich meld’ mich einfach bei Dir, okay? Sorry, ich muss jetzt echt los, bevor-“

„Da bist du ja, John!“, ertönte in diesem Augenblick eine weibliche Stimme hinter ihnen und ließ John verstummen. Als Nancy sich umdrehte, sah sie eine junge Frau auf sich und John zukommen. „Ich hatte schon befürchtet, Du wärst ohne mich gegangen.“

„Das würde ich doch niemals wagen, Teyla“, entgegnete John mit etwas belegt klingender Stimme und lächelte nervös.

„Ich habe alles bekommen, was wir für das Dinner morgen brauchen, außer-“ Sie warf einen Blick auf die Einkaufsliste in ihrer Hand und kniff die Augen etwas zusammen, als ob es ihr Probleme bereitete, das Geschriebene zu entziffern-„den Steinpilzen und den… Oliven. Die scheint es hier nicht zu ge…“ Sie stoppte und schaute auf, als sie Nancys Blick auf sich liegen spürte.

„Ähem, Teyla, das ist Nancy. Nancy- Teyla“, machte John die beiden Frauen rasch miteinander bekannt.

„Nanc- Oh.“ Teyla lupfte die Augenbrauen, lächelte schmallippig und streckte ihre Hand aus. „Freut mich Sie persönlich kennenzulernen.“ Die Art, wie sie es sagte, verriet Nancy, dass Teyla wusste, wem sie da gerade die Hand schüttelte.

John räusperte sich verlegen.

„Die Freude ist ganz meinerseits“, erwiderte Nancy verblüfft und warf ihrem Exmann einen fragenden Seitenblick zu, den dieser jedoch zu ignorieren schien und erneut leise hüstelte. Also wandte Nancy ihre Aufmerksamkeit wieder Teyla zu. Sie schätzte sie auf Mitte dreißig. Sie war hübsch, keine Frage, sehr attraktiv und genau zu der Sorte Frauen zählend, die ihr Exmann bevorzugte. Die dunklen Augen wirkten freundlich und aufrichtig, ebenso wie ihr nettes Lächeln. Das honigbraune Haar hatte sie zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden, den sie zusätzlich noch einmal hochgesteckt hatte, sodass ihr Nacken und ihre zierlichen Schultern bis auf wenige Strähnen, die sich aus dem Zopf gelöst hatten, frei lagen. Den sommerlichen Temperaturen, die draußen herrschten, angepasst, trug sie ein schlichtes, bodenlanges Sommerkleid aus einem leichten, fließenden, grünen Stoff und Flip Flops.
Erst jetzt, als sie ihren Blick über Teylas ganzen Körper schweifen ließ, fiel Nancy auf, dass sie schwanger war. Von Weitem hatte sie es nicht bemerkt, nun aber war es unübersehbar; ihr hochschwangerer Bauch wölbte sich überdeutlich unter ihrem Kleid.

„Ich habe schon viel über sie gehört“, sagte Teyla nun. „Es ist schön, Freunde von John kennenzulernen. Er hat mir einiges über sie erzählt.“

In diesem Augenblick wurde Nancy einiges klar. Zum einen, dass Teyla offensichtlich log, um dieses für alle Parteien unangenehme Gespräch etwas angenehmer zu gestalten, und zum anderen, dass Teyla die Frau war, von der John damals, als sie ihn besucht hatte, gesprochen hatte. Es ist kompliziert, waren seine Worte gewesen. Nancys Blick fiel auf Teylas gewölbten Unterleib. Hatte er damit das Kind gemeint? Womöglich war es nicht einmal von ihm. Die Möglichkeit bestand durchaus, dass es nicht John’s Kind war. Schließlich war er derjenige gewesen, der nie Kinder haben wollte, erinnerte sich Nancy. Warum sollte er nun seine Meinung geändert haben? Zugegeben, John konnte gut mit Kindern. Kinder liebten ihn, nein, sie vergötterten ihn. Doch eigene Kinder? Nein, das war für John Sheppard nie infrage gekommen! Und nach allem, was mit…

„Oh, nicht doch.“ Schneller als gedacht erhielt Nancy eine Antwort auf die Frage, in welcher Verbindung John zu dieser Frau und ihrem Kind stand, als Teyla plötzlich leise aufstöhnte, das Gesicht verzog und sich an den Bauch fasste.

„Teyla?“ Von jetzt auf gleich durchlebte John eine bemerkenswerte Verwandlung. Binnen eines Wimpernschlages hatte er seine Nervosität beiseite geschoben und eilte an Teyla’s Seite. Besorgt griff er nach ihrer Hand und half ihr fürsorglich sich aufzurichten.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte nun auch Nancy besorgt und ließ ihren Blick über Teylas schmerzverzerrtes Gesicht gleiten.

Die Angesprochene lächelte schwach. „Ja, es ist alles in Ordnung“, erwiderte sie, holte tief Luft und rieb sich den Bauch. „Mir scheint, als hat Deine Tochter heute einen schlechten Tag“, meinte sie an John gewandt.

„Bist Du sicher?“, hakte John nach, den Arm stützend um ihren Leib schlingend.

Teyla seufzte. „Ja, John“, antwortete sie gedehnt und schenkte ihm ein liebevolles Lächeln. „Mir geht es gut. Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen.“

John schnaubte. „Das sagst Du so leicht. Ich wünschte, Du würdest nur mal einen Tag in meiner Haut stecken.“

„Wirklich“, beteuerte Teyla mit beruhigender Stimme, „es geht mir gut.“

Nancy, die sich auf einmal mehr als fehl am Platz fühlte, räusperte sich leise und trat einen Schritt zurück. „Nun denn“, sagte sie, „war schön, Sie kennenzulernen, Teyla. John.“ Sie schenkte ihrem Exmann ein kleines Lächeln. „Ich muss dann los. Man sieht sich.“

„Nancy…“

„Auf Wiedersehen, John.“ Den Blick ihres Exmannes im Nacken spürend, wendete Nancy den Einkaufswagen und schob ihn schnell in Richtung Hauptgang, womöglich etwas zu schnell, aber das war ihr jetzt egal. Sie musste weg! Weg von John, weg von Teyla, weg von dieser perfekten, kleinen Familie, die die beiden abgaben. Mir scheint, als hat Deine Tochter heute einen schlechten Tag. Teylas Worte glichen Schwerthieben, und Nancy zuckte zusammen und krampfte ihre Hände um den Griff des Einkaufswagens. Sie konnte es nicht glauben, wenngleich sie es mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren gehört hatte. Deine Tochter… Das Funkeln in John's Augen, sein scheues Lächeln, als er die Hand auf Teylas Bauch gelegt und ihr verträumt in die Augen geschaut hatte. Deine Tochter…

Nancy schluckte. Unglaube machte sich in ihr breit, wurde nur noch übertrumpft von dem stechenden Schmerz in ihrem Herz. John wurde tatsächlich Vater! Der John Sheppard, der sie damals im Krankenhaus sitzengelassen hatte, erwartete eine Tochter. Eine Tochter! Das konnte nicht sein! Das durfte nicht wahr sein! Nicht nach dem, was sie beide damals durchgemacht hatten! Nicht nach dem…

„Ma’am? Ma’am, ist alles in Ordnung?“ Die besorgte Stimme einer jungen Verkäuferin riss Nancy aus ihrer Schockstarre. „Ma’am, ist Ihnen nicht gut?“

„I...ich… ich…“ Nancy, die mitten im Gang stehengeblieben war, nickte erst, dann schüttelte sie mit dem Kopf und dann tat sie beides abwechselnd. „M…mir geht es gut“, schaffte sie es irgendwie die besorgte Verkäuferin abzuwimmeln. Zitternd setzte sie sich wieder in Bewegung und steuerte auf die Kassen zu. Dort angekommen blieb sie wieder stehen, starrte einen Momentlang auf ihre verkrampften Hände hinab, ehe sie sich umdrehte und in die Richtung zurückblickte, aus der sie gekommen war.

„Ma’am?“

Wie im Trance legte Nancy den Inhalt ihres Einkaufswagen auf das Kassenband, verfrachtete ihn, nachdem der Verkäufer die Waren eingescannt hatte, mit fahrigen Bewegungen zurück und bezahlte mit zittrigen, schweißnassen Händen ihren Einkauf. Den Blick stur geradeaus gerichtet, hielt sie auf den Ausgang des Supermarktes zu. Ohne sich noch einmal umzudrehen, verließ sie das wohl klimatisierte Gebäude und trat hinaus in die warme Junisonne. Erst, als sie stehenblieb, um nach ihrem Wagen Ausschau zu halten, fiel ihr wieder ein, dass sie vom Hotel zu Fuß gekommen hierher war, was bedeutete, dass sie wohl oder übel noch einmal zurück in den Supermarkt musste, da es mehr als unangebracht sein würde, einen Einkaufswagen durch die Lobby des Four Seasons zu schieben.

Nancy seufzte, machte kehrt und marschierte sich auf den Einkaufswagen stützend zurück in Richtung Eingang. Genau in diesem Moment, jedoch, verließen ihr Exmann und Teyla das Gebäude. Nicht gerade darauf aus, den beiden ein zweites Mal über den Weg zu laufen, flüchtete sich Nancy in den Schatten eines Baumes. Sie wusste, dass ihr Verhalten kindisch war, und sie hoffte, dass keiner der beiden sie dabei entdeckte, wie sie sich hinter ein paar Ästen vor ihnen versteckte. Und sie hatte Glück. In eine Unterhaltung vertieft, steuerten die beiden auf einen der geparkten Wagen zu. Nancy konnte ihre Gesichter nicht sehen, aber sie wusste, worüber sich John und seine schwangere Freundin unterhielten. Erst als er den Kofferraum eines dunklen SUVs öffnete, die Tüten darin verstaute und die Luke wieder schloss, erhaschte Nancy einen kurzen Blick. John’s Miene wirkte nachdenklich. Die Lippen fest aufeinander gepresst, umrundete er den Wagen, um Teyla beim Einsteigen behilflich zu sein. Als er zurückkam und den Blick wohl eher beiläufig über den vollen Parkplatz schweifen ließ, entdeckte er sie.
John blieb stehen und starrte in ihre Richtung. Nancy verharrte regungslos im Schatten des Baumes, dennoch trafen sich ihre Blicke. Braun auf grün, so wie damals. So wie vor ein paar Monaten. Nancy erschauderte. Ein eiskalter Schauer rann ihr den Rücken hinab, doch sie konnte nicht wegsehen. Zu sehr hielten sie die intensiven Augen ihres Exmannes gefangen. Zogen sie in ihren Bann und ließen sie nicht wieder los.
So sehr auf John fixiert, bemerkte Nancy nicht, dass sie am ganzen Leib zitterte. Erst, als ihr Exmann sich plötzlich abwandte und in den Wagen einstieg, wurde sie sich ihrer schlotternden Knie und den aufeinanderschlagenden Lippen bewusst.
Der Motor des SUVs startete. Enttäuscht, aber auch erleichtert beobachtete Nancy, wie der Wagen in die andere Richtung abbog. Erst, als der Blinker gesetzt wurde und John den Wagen vom Parkplatz auf die Straße lenkte, traute sich Nancy aus ihrem Versteck hervor und blickte dem davonfahrenden Wagen nach, bis er um eine Ecke bog und aus ihrem Sichtfeld verschwand.

In diesem Augenblick wurde ihr klar, dass John sie bewusst allein zurückgelassen hatte. Allein mit sich, ihren Gedanken und Erinnerungen an vergangene Zeiten. Allein mit den Geistern ihrer dunklen Vergangenheit, von der Teyla und das unschuldige, kleine Mädchen in ihrem Bauch womöglich nie erfahren würden.

*°*°*



„Wann hattest Du vor, es mir zu sagen?“, fragte Teyla, als John den Wagen von der Straße auf die Hauseinfahrt lenkte und ihn vor der Doppelgarage zum Stehen brachte.

„Dir was sagen?“, wiederholte John, zog den Schlüssel aus dem Zündschluss, verstaute ihn in der Hosentasche und stieg aus.

„Du weißt ganz genau, wovon ich rede, John“, sagte Teyla, als er die Beifahrertür öffnete und ihr die Hand reichte. Dankbar ergriff sie diese und ließ sich von ihm beim Aussteigen helfen, eine schwierige Aktion, die nur Dank seiner Hilfe nicht in einem Fiasko endete. Dennoch kostete es sie beträchtliche Mühe, ihren Leib aus dem Wagen zu manövrieren, auch wenn sie es heute ohne das übliche Ächzen und Seufzen schaffte.

„Bedaure, ich weiß nicht, wovon Du sprichst.“ John schloss die Wagentür, nur um gleich darauf den Kofferraum zu öffnen und nach den Einkaufstüten zu greifen. „Untersteh Dich“, zischte er warnend, als Teyla ebenfalls die Hand ausstreckte.

„Aber…“

„Der Arzt hat gesagt-“

„Ich weiß, was der Arzt gesagt hat, John“, unterbrach Teyla ihn, doch er ließ sich nicht beirren.

„Er hat gesagt, dass Du nicht schwer heben sollst“, beendete er seinen Satz in jenem belehrenden Tonfall, den er sich im Laufe der letzten Wochen angeeignet hatte und den Teyla hasste.

„Und das weiß ich“, sagte sie daher. „Ich möchte Dir doch nur helfen. Ich bin schwanger, John, nicht krank.“

„Keine Widerrede, Miss. Hier.“ John drückte ihr die Hausschlüssel in die Hand. „Wenn Du wirklich helfen möchtest, kannst Du einem schwer beladenen Mann die Tür aufschließen.

Teyla verdrehte die Augen und griff nach dem Schlüssel. „Das ist jetzt nicht Dein Ernst, oder?“

„Mein voller Ernst“, bestätigte John. Die Mundwinkel zu einem frechen Grinsen nach oben ziehend, fügte er triezend hinzu: „Und außerdem liebe ich es, wenn Du vor mir her watschelst.“

„Was?!“, quiekte Teyla. „Nimm das sofort zurück!“, verlangte sie entrüstet, obwohl sie wusste, dass John sie nur aufzog. „Ich watschele nicht“, entschied sie im Brustton der Überzeugung.

John grinste noch immer. „Doch, tust Du“, erwiderte er und küsste sie liebevoll auf die schmollenden Lippen. „Aber es ist absolut hinreizend. Ich habe noch nie jemanden derartig bezaubernd und lieblich watscheln sehen wie Dich, Honey. Und jetzt los, bevor meine Arme ausleiern.“

„Ich könnte immer noch…“

„Los jetzt!“, rief John.

„Ich watschele nicht“, beharrte Teyla ein allerletztes Mal, als sie sich in Bewegung setzte. John grinste nur und schüttelte belustigt mit dem Kopf, während er ihr den schmalen Pfad entlang, der von der Einfahrt zur Veranda führte, folgte.

„Doch, tust Du“, erwiderte er, als sich Teyla vor ihm mühsam die fünf Treppenstufen hinaufschleppte.

„Eines Tages wirst Du diese Worte bereuen, John Sheppard“, drohte sie ihm und schloss die Haustür auf.

„Oh, ich kann es kaum erwarten“, griente er und folgte ihr ins Haus. Im Vorbeigehen ergaunerte er sich einen weiteren zärtlichen Kuss, der Teyla für einen Moment alles vergessen ließ. Viel zu schnell, jedoch, war der Moment vorbei, und John löste sich von ihr. „Wann sagtest Du, kommt Grace morgen?“, fragte er auf dem Weg in die Küche.

„Kurz vor sechs“, antwortete Teyla und entledigte sich ihrer Schuhe. „Sie wusste es aber noch nicht genau“, setzte sie nach. „Sie sagte am Telefon irgendetwas von Personalbewertungen.“ Barfuss folgte sie John in die offene Küche, die direkt an den Wohnbereich angrenzte. „Es scheint im Moment viel los zu sein“, sagte sie und ließ sich ächzend auf die weiche Couch sinken.

„Hhm“, war alles, was John erwiderte. Das Gesicht von ihr abgewandt, wirbelte er durch die Küche, packte die Einkäufe aus und räumte sie in die Schränke. Teyla wusste, dass er sie gehört hatte, und es machte sie wahnsinnig, wenn er sie derartig offensichtlich ignorierte. Unter Aufbringung all ihrer nach dem anstrengenden Einkauf verbliebenen Kraft, rappelte sie sich auf und schlenderte in die Küche.

„Ich habe wohl gemerkt, dass Du vorhin das Thema gewechselt hast“, meinte sie vorsichtig und begann, John beim Wegräumen des Einkaufs zu helfen.

„Teyla…“

„Denkst Du wirklich, ich hätte diesen Blick, den Du ihr auf dem Parkplatz zugeworfen hast, nicht bemerkt?“

John seufzte. „Ich möchte jetzt nicht darüber sprechen, okay?“

„Nein, es ist nicht okay.“ Teyla schüttelte mit dem Kopf. „Du möchtest vielleicht nicht darüber reden, aber ich.“

„Teyla…“

„Hör auf damit, John“, bat sie ihn. „Also-“ Sie lehnte sich gegen die Kücheninsel und sah ihn erwartungsvoll an- „was war das da vorhin?“

„Wieso interessiert es Dich?“, verlangte John zu wissen. „Was zwischen mir und Nancy war, ist lange vorbei. Da gibt es nichts für Dich zu wissen.“ Er log, Teyla erkannte es an seiner Stimme.

„Aber dieser Blick…“

„Herrgott, Teyla!“ John ließ eine Schranktür geräuschvoll zufallen und drehte sich zu ihr um. „Ich habe gesagt, dass ich jetzt nicht darüber sprechen will, also bitte, sei so lieb und lass es sein, okay? Da war kein… besonderer Blick zwischen uns. Du musst Dich geirrt haben.“

„Ich weiß, was ich gesehen habe, John“, beharrte Teyla, „und ich mache mir einfach Sorgen, dass es da irgendetwas gibt, was Du mir verschweigst.“

„Menschen haben nun mal Geheimnisse voreinander- das war schon immer so“, erwiderte John barsch. „Das ist eine Tatsache, mit der Du Dich abfinden solltest, Teyla. Glaub mir, manchmal ist es besser, nicht alles zu wissen.“

Teyla nickte. „Natürlich. Ich verstehe“, murmelte sie und senkte den Blick.

„Entschuldige, bitte“, seufzte John, als er merkte, dass er sie verletzt hatte, und umrundete die Kücheninsel. „Hey“, sagte er leise und drückte ihr Kinn mit zwei Fingern sanft nach oben. „Es tut mir leid. Ich wollte nicht…“

„Ist schon in Ordnung“, fiel Teyla ihm ins Wort. „Ich verstehe.“

John seufzte erneut. „Du hast ja gar keine Ahnung, wie wahnsinnig Du mich mit diesem ewigen ‚Ich verstehe’ machst. Bitte“, flehte er, „hör auf damit.“

„Aber ich…“

Dieses Mal lag es an John, sie nicht ausreden zu lassen. „Du sagst das nur, um mir ein gutes Gefühl zu geben, schon klar. Aber ich hasse es, mit Samthandschuhen angefasst zu werden. Und genau das tust Du die ganze Zeit.“

„Ich möchte Dir bloß helfen, John“, erklärte Teyla ihm ruhig.

„Wenn Du mir wirklich helfen möchtest, dann hör bitte auf, mich so zu behandeln, als sei ich irre oder todkrank, okay?“

Teyla nickte, wenn auch widerwillig. „In Ordnung.“

„Denn das bin ich nicht.“

„Nein, das bist du nicht“, bestätigte sie.

„Mir geht’s gut.“

„John…“

„Mir geht es gut, Teyla“, wiederholte er mit fester Stimme. „Mir geht’s gut.“ Er schenkte ihr ein nicht ganz echtes Lächeln und küsste sie auf die Stirn, bevor er sich wieder den Einkäufen zuwandte. Nachdenklich beobachtete Teyla, wie er sich pfeifend durch die Küche bewegte, die Einkäufe wegräumte und über die Dinnerplanung für den morgigen Tag sinnierte, während er das Obst abwusch.

Mir geht’s gut, hallten seine beschwörenden Worte in ihrem Kopf wieder, doch Teyla konnte ihnen keinen Glauben schenken. Es ging ihm vielleicht besser, aber noch lange nicht gut.

Auf einmal konnte sie den morgigen Tag kaum noch erwarten.

*°*°*



„Du liebe Güte, war das gut.“ Ächzend ließ Grace Kinsella das Besteck sinken und schob den leeren Teller von sich. „Das“, sagte sie, „war mit Abstand das Köstlichste, was ich jemals gegessen habe!“

„Freut mich, dass es Ihnen geschmeckt hat, Grace“, lächelte Teyla Emmagan, die ihr gegenübersaß. „Es war wirklich sehr köstlich.“

„Es war fabelhaft“, verbesserte Grace sie und spülte die Reste des Pilzrisottos mit einem Schluck trockenen Rotwein hinunter. „Ich bin wirklich überrascht“, meinte sie dann. „Ich wusste gar nicht, dass Sie so gut kochen können, Teyla.“

„Nun-“ Die Athosianerin errötete leicht- „ich muss gestehen, dass sich meine Kochkünste auf das Zubereiten niederer Speisen beschränken. Ich bin wirklich keine begabte Köchin.“ Sie warf dem neben ihr sitzenden Mann einen raschen Blick zu.

„Wohl war“, murmelte John Sheppard in sein Weinglas hinein. „Wo sie recht hat, hat sie recht.“

„Aber wer… Oh.“ Grace grinste, als sie begriff. „Sie haben das gekocht, John? Ich bin überrascht. Sie scheinen ein Mann vieler Talente zu sein.“ Sie konnte sich irren, aber Grace glaubte tatsächlich eine leichte Röte zu entdecken, die dem Soldaten über die Wangen kroch, als sie ihm dieses Kompliment machte.

„Ich hatte in den letzten Monaten viel Zeit“, meinte John, „und mindestens genauso viel Langeweile.“ Er erhob sich und ließ sich von den beiden Frauen das schmutzige Geschirr reichen. „Es freut mich, dass es Ihnen geschmeckt hat, Grace.“

„Ich glaube, ich komme jetzt öfter“, schmunzelte diese. „Der Fraß, den wir seit Kurzem in der Mensa bekommen, ist wirklich nicht mehr vertretbar.“

„Sie sind stets willkommen, Grace“, sagte Teyla. „Nicht wahr, John?“

„Ja, natürlich“, erwiderte er knapp, die dreckigen Teller in Händen und auf dem Unterarm balancierend. „Ich geh das kurz abspülen“, meinte er. „Bin gleich wieder da.“ Sagte es, lächelte ein gezwungenes Lächeln und zog von dannen. Kaum dass er außer Hörweite war, entließ Teyla einen schweren Seufzer.

„Es tut mir leid“, murmelte sie. „So ist er immer, wenn man über Atlantis spricht.“

„Er weicht dem Thema aus.“ Es war keine Frage, vielmehr eine Feststellung. „Tut er das schon länger?“, erkundigte sich Grace.

Teyla zuckte mit den Achseln. „In letzter Zeit beobachte ich es vermehrt“, antwortete sie. „Davor ist es mir nie wirklich aufgefallen. Wir haben nie viel über Atlantis gesprochen, müssen Sie wissen. Ich wollte ihm Zeit geben.“

Grace nickte verstehend. „Er spricht also nie über Atlantis?“

„Sehr, sehr selten“, seufzte Teyla. „Die meiste Zeit, jedoch, weicht er dem Thema aus, so wie Sie sagen. Es scheint fast so, als wolle er sich gar nicht daran erinnern, wie sein Leben damals war.“

„Er hat Angst“, entgegnete Grace ihr. „Er will nicht an die früheren Zeiten erinnert werden. Ein typisches Verhalten für PTBS. Mit der Vergangenheit konfrontiert zu werden, bereitet den Erkrankten oft Angst. Meistens geschieht das in einer Phase, in der die Erkrankten sich gut fühlen und denken, dass es mit ihrem Leben endlich wieder bergauf geht.“

„Ich versuche nicht bewusst über Atlantis zu sprechen, aber manchmal kommt es vor, dass ich unbewusst darüber spreche“, berichtete Teyla. „Ich achte schon sehr darauf, aber es passiert trotzdem immer wieder.“

„Niemand erwartet von Ihnen, dass Sie Atlantis komplett aus Ihren Erinnerungen streichen, Teyla“, beruhigte Grace sie. „Auch John erwartet das nicht von Ihnen. Er weiß, dass Ihr Leben in der Stadt für immer ein Teil von Ihnen sein wird. Atlantis ist Ihr Zuhause. Glauben Sie mir, er weiß das. Er weiß nur nicht, wie er damit umzugehen hat. Das braucht seine Zeit.“

Teyla seufzte. „Aber wie lange?“

„Das kann ich Ihnen nicht sagen“, bedauerte Grace. „Es ist von Patient zu Patient unterschiedlich. John muss sich bereit fühlen. Er muss lernen, wieder glücklich zu sein. Er muss… leben lernen. Und er muss bereit sein, zu vergessen und sich selbst zu vergeben. Erst wenn er all das geschafft hat, ist er bereit weiterzugehen.“

„Ich verstehe“, sagte Teyla und nickte. „Ich frage mich manchmal nur, ob ich ihm dabei noch besser behilflich sein könnte.“

„Ihre bloße Gegenwart bedeutet ihm mehr, als Sie vielleicht denken, Teyla.“ Grace beugte sich etwas über den Tisch, griff nach der Hand der Athosianerin und drückte sie. „Mehr als tagein tagaus für ihn da zu sein, können Sie nicht.“

„Sie haben womöglich recht.“

„Aber?“ Grace schmunzelte, als Teyla sie ertappt ansah. „Ich bitte Sie, Teyla, ich bin Psychologin. Es gehört zu meinem Job, Menschen ihre dunkelsten Geheimnisse zu entlocken. Und im Moment höre ich bei Ihnen ein ganz großes ‚aber’. Ist schon in Ordnung. Sie können es mir ruhig sagen. Ich werde es schon niemanden verraten“, fügte sie augenzwinkernd hinzu. „Was ist es?“

Teyla seufzte zum wiederholten Male innerhalb weniger Minuten und warf einen raschen Blick über ihre Schulter, ehe sie sich Grace zuwandte und ihr mit leiser, fast flüsternder Stimme offenbarte:

„Kurz bevor wir hierher gekommen sind, hat John mich gebeten, seine Frau zu werden.“

Ein Lächeln flammte auf Grace’s Gesicht auf. „Oh, Teyla, das ist ja eine tolle Nachricht!“, rief sie erfreut und mit glänzenden Augen aus, doch das traurige Lächeln der Athosianerin bremste sie in ihrer Euphorie. „Oh“, sagte sie stumpf. „Das ‚aber’.“

Teyla nickte, dann schüttelte sie mit dem Kopf. „Ich… ich habe ihm noch keine Antwort gegeben“, gestand sie schließlich.

„Nicht?“, wiederholte Grace überrascht.

„Nein“, antwortete Teyla. „I…ich habe ihn um etwas Bedenkzeit gebeten. Nun, das ist jetzt über drei Monate her.“

„Drei Monate“, wiederholte Grace vorsichtig. „Das ist eine lange Zeit.“

Teyla senkte beschämt den Blick. „Ja, das ist es.“

„Wollen Sie es etwa nicht?“, fragte Grace. „Ihm eine Antwort geben, meine ich.“

„Doch“, erwiderte Teyla prompt. „Natürlich. Allerdings... Ich… ich weiß nicht…“

„Was für eine Antwort Sie ihm geben sollen“, beendete Grace den Satz, und Teyla nickte zögerlich. „Wollen Sie seine Frau werden?“

„I…ich weiß es nicht“, antwortete Teyla piepsig.

„Also wollen Sie es nicht?“

Wieder ein kaum hörbares ‚Ich weiß es nicht.’

Grace seufzte. „Hat er Sie in der Zwischenzeit wieder einmal gefragt?“

Teyla verneinte. „Nicht einmal. Aber ich sehe, dass es ihn immer noch beschäftigt, und ich habe Angst, dass er deswegen unglücklich ist.“

„Und deswegen so ablehnend auf alles reagiert, was mit seiner Vergangenheit zu tun hat“, führte Grace den Gedanken zu Ende.

„Ja“, seufzte Teyla und strich gedankenverloren über ihren gewölbten Bauch. „Ich befürchte, dass es meine Schuld ist, dass er sich mehr und mehr distanziert. Ich versuche wirklich alles, um ihm zu helfen, aber in letzter Zeit fühlt er sich wohl etwas überrumpelt.“

„Weil Sie es womöglich zu gut meinen?“, hakte Grace nach. Als Teyla zögerte, lächelte sie. „Wann ist es soweit?“, fragte sie und fasste Teylas hochschwangeren Bauch ins Auge.

Die Athosianerin blinzelte irritiert. „In vier Wochen“, antwortete sie mit einem kleinen Lächeln.

„Es macht Ihnen Angst, nicht zu wissen, wie es nach der Geburt des Babys weitergehen wird, oder?“ Grace wusste, dass sie damit den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.

„Ich wollte immer, dass mein Kind in Atlantis aufwächst“, erklärte Teyla. „Ich will es immer noch. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum ich mich so um John bemühe. Ist das verwerflich?“

„Sie sind eine Mutter, die nur das Beste für Ihr Kind will, also nein“, erwiderte Grace. „Allerdings bin ich mir sicher, dass John auch das Beste für sein Kind möchte. Und da es ihm schwer fällt, sich im Moment mit Atlantis und seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen…“ Sie ließ den Satz unvollendet, war sich aber sicher, dass Teyla ihre Schlüsse daraus ziehen konnte. Und tatsächlich dauerte es nicht lange, bis die Athosianerin begriff.

„Wir arbeiten gegeneinander.“

Grace nickte. „Ja, aber sie müssen miteinander arbeiten“, sagte sie. „Das ist sehr wichtig. Eine starker Zusammenhalt ist unerlässlich, wenn Sie einander helfen wollen, diese Krise durchzustehen.“

„Ich wünschte, es wäre so einfach“, seufzte Teyla. „Allerdings fällt es mir in letzter Zeit nicht immer leicht, mit ihm zusammenzuarbeiten

Grace runzelte die Stirn. „Wie meinen Sie das?“

„Ich glaube, es gibt da etwas, was John mir verschweigt“, antwortete Teyla im Flüsterton. „Wir sind gestern während des Einkaufens seiner Exfrau begegnet.“

„Ja?“

„Und da gab es auf einmal so einen Moment zwischen den beiden“, fuhr Teyla fort. „Ein Moment, in dem mir klar wurde, dass John mir etwas verschweigt.“

„Etwas, das mit seiner Exfrau zu tun haben könnte?“, hakte Grace nach.

„Ich weiß es nicht“, sagte Teyla. „Es ist nur ein Verdacht, aber als ich ihn darauf ansprach, wurde er wütend und meinte, ich solle mich raus halten und es ‚sein lassen’.“

„Es ‚sein lassen’?“

„Das waren seine Worte“, meinte Teyla. „Er war wirklich sehr aufgebracht.“

„Das klingt in der Tat so, als gäbe es da etwas“, überlegte Grace laut. Schließlich, nachdem sie ihren Gedanken noch etwas Raum gelassen hatte, fasste sie einen Entschluss. „Ich denke, ich sollte jetzt mit John reden“, verkündete sie. „Haben Sie etwas dagegen?“

„Aber nein.“ Teyla schüttelte energisch mit dem Kopf. „Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich seit Tagen darauf gewartet.“

Grace lächelte. „Dann werde ich jetzt mal schauen, was sich machen lässt“, sagte sie und erhob sich. „Sie wissen aber schon, dass ich Ihnen, falls ich etwas herausfinde, nichts davon sagen darf?“

„Reden Sie einfach mit ihm“, erwiderte Teyla milde. „Bitte, das ist alles, was ich von Ihnen verlange.“

„In Ordnung.“ Grace drückte Teylas Schulter, ehe sie das Esszimmer verließ und dem Geräusch von klappernden Geschirr entgegenging. Die Küche lag am anderen Ende des Ganges, und John war so sehr in seine Arbeit vertieft, dass er sie nicht gleich bemerkte. Erst als Grace ihm einen Teller anreichte, blickte er auf.

„Danke“, murmelte er und wusch den Teller ab. Er hätte den Geschirrspüler nehmen können, dachte Grace, doch er tat es nicht. Ein eindeutiges Anzeichen dafür, dass er den beiden Frauen Zeit zum Reden hatte geben wollen.

„Ich habe ein wenig mit Teyla sprechen können“, meinte Grace, schnappte sich ein Handtuch und begann das saubere Geschirr abzutrocknen.

„Das ist schön“, erwiderte John ruhig. „Aber deswegen sind Sie ja hier.“

„Ja, das bin ich“, wiederholte Grace und taxierte den Mann, der neben ihr mit angestrengter Miene Essensreste von einem Teller schrubbte. Er sah besser aus, bemerkte sie, viel besser, aber dennoch immer irgendwie traurig, müde und erschöpft. Die Schatten unter seinen Augen waren zwar verschwunden, dafür wirkte seine Miene hart und verbissen. Teyla hatte recht; irgendetwas lastete ihm auf der Seele, und Grace glaubte zu wissen, was es war.

„Können wir reden?“, fragte sie ihn vorsichtig.

„Klar“, antwortete er. „Worüber möchten Sie denn reden?“

„Über Atlantis.“

John ließ die Hände sinken.

„Wir können aber auch über Major Lorne sprechen.“

Der Soldat spannte seine Kiefermuskeln an.

„Oder über ihre Exfrau. Nancy, nicht wahr?“

Ein leises Stöhnen verließ John’s Kehle, als er sich mit aller Kraft an dem Waschbeckenrand festklammerte.

„Oder über das, was Sie Teyla nicht sagen wollen.“

„Hören Sie auf“, knurrte John.

Doch Grace hörte nicht auf. „Über was wollen Sie sprechen, John?“, fragte sie stattdessen hartnäckig. „Über Atlantis? Major Lorne? Ihre Exfrau? Oder über Mia?“

„HÖREN SIE AUF!“, schrie John, schleuderte den gerade gewaschenen Teller mit voller Wucht zurück in das Waschbasin, wirbelte herum und preschte keuchend davon.

„John!“, rief Grace ihm nach, doch er hörte sie nicht mehr. Oder ignorierte sie schlichtweg. Sie ließ sich Zeit, wollte ihm nicht sofort folgen. Sie hörte ihn die Treppenstufen hinaufdonnern; kurz darauf flog im oberen Stock eine Tür mit einem lauten Knall zu. Sie wartete noch einige Augenblicke, dann beschloss sie ihm zu folgen. Als sie die Küche verließ und auf den Flur hinaustrat, entdeckte sie eine leichenblasse Teyla am unteren Ende der Treppe stehen. Selbst von Weitem konnte Grace sehen, dass die Athosianerin zitterte und sich am Treppenpfosten festhalten musste, um nicht wegzukippen. Sie hatte alles mit angehört.

„Teyla?“ Besorgt um das Wohlergehen der Schwangeren, ging Grace auf sie zu, griff nach ihrer Hand und drückte sie.

„W…wer ist Mia?“ Teylas Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Grace“, wimmerte sie, „wer… wer ist Mia?“

„Das sollte John Ihnen selbst sagen“, antwortete Grace. „Kommen Sie.“ Teyla nickte langsam und stellte einen Fuß auf die erste Treppenstufe, doch Grace hielt sie zurück. „Nein, noch nicht. Lassen Sie ihm noch ein wenig Zeit. Er muss sich erst etwas beruhigen. Und Sie sich auch. Dann können Sie hoch, in Ordnung?“

Wieder nickte Teyla. „In Ordnung“, sagte sie.

„Gut. Kommen Sie. Setzen Sie sich erst einmal.“ Grace schlang einen Arm um die Taille der Athosianerin und führte sie langsam ins Esszimmer zurück. Teyla ächzte, als sie sich auf einen Stuhl sinken ließ. Mit Tränen in den Augen blickte sie zur Zimmerdecke hinauf; Grace tat es ihr gleich.

Zusammen lauschten sie dem Poltern wütender Schritte und dem lauten Krachen verzweifelt durch die Gegend geschmissener Gegenstände.

Fortsetzung folgt…
Du musst login (registrieren) um ein Review abzugeben.