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"Solitary Man" no more von Arielen

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Kapitel 9
Augenblick der Annäherung
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Rodney hatte in den letzten Tagen einen Bogen um John Sheppard gemacht, um diesem Zeit zu geben, sich wieder zu fangen, auch wenn es ihm in den Fingern juckte, diesen weiter zu bearbeiten und zu überzeugen, dass er hier gut aufgehoben war. Allerdings hatte ihm die Lektion im Beobachtungsraum gereicht.

Zudem hatte er auch eine Ausrede für seine Abwesenheit in den letzten Tagen, denn auch wenn er noch nicht mit der „Daedalus“ zurück nach Atlantis fliegen würde, war es ihm doch wichtig gewesen, noch einmal die Daten zu überprüfen, die sie während der Schlacht mit dem Wraith-Mutterschiff gesammelt hatten und sowohl Zelenka als auch das neue Personal mit entsprechenden Aufgaben zu versehen, damit diese während der fast drei Wochen dauernden Reise nicht nur Däumchen drehten.
Nicht zuletzt hatte er sich auch von Jennifer verabschiedet, die ihr Team auf Atlantis nicht länger alleine lassen wollte. Und nun, nachdem das Schiff heute morgen den Orbit verlassen und er noch zwei Stunden in einer ziemlich anstrengenden Besprechung verweilt hatte, war eine Pause angebracht. Er lockerte die Krawatte und öffnete die beiden obersten Knöpfe seines Hemdes. Anzüge waren manchmal eine Plage, vor allem, wenn sie nicht so saßen, wie sie sollten.
Deshalb hatte er sich eine Stärkung verdient, vor allem, wenn es hier und jetzt seinen Lieblingskuchen gab. Gut, dass er die Ohren gespitzt hatte, als sich zwei junge Soldaten im Aufzug nach unten darüber unterhalten hatte.
Rodney schätzte die Küche des SGC, auch wenn er – was Kantinenverpflegung anging – nach seiner Zeit in Russland nicht wirklich anspruchsvoll war. Aber neben dem blauen Wackelpudding, war der Hefekuchen mit der lockeren Vanillecreme und Zuckerguss eine Offenbarung für die Sinne und Nerven.

Nun, wo er den wirren schwarzen Haarschopf im hintersten Winkel der Kantine sah, kehrten die Gedanken zu Sheppard zurück.
Sollte und konnte er es schon wagen, ihn anzusprechen?
Was sprach eigentlich dagegen?
Vielleicht war es gar nicht einmal so schlecht, das hier in der Öffentlichkeit zu tun. Denn ein weiteres Gespräch mit dem ehemaligen Detective musste ja nun nicht wieder in einer Konfrontation enden und wenn doch, dann würde der bestimmt nicht inmitten von so vielen Leuten ausflippen.
Der Schmerz in seinem Handgelenk erinnerte Rodney jedoch noch einmal deutlich daran, vielleicht etwas diplomatischer als zuvor zu sein. Vielleicht hatte er es mit seinen Vorwürfen wirklich etwas auf die Spitze und den Mann zu sehr in die Enge getrieben. Die Quetschung war jedenfalls eine eindringliche Lektion, die er jedenfalls nicht so leicht vergessen würde.

Nachdem er sich bedient hatte und neben zwei Stücken Kuchen auch noch ein großer Becher mit Kaffee auf seinem Tablett stand, blieb Rodney einen Moment unschlüssig im Raum stehen und überdachte noch einmal seinen Entschluss.
Soll ich oder soll ich nicht?

Immerhin schien Sheppard ihn noch nicht bemerkt zu haben und er konnte ungesehen verschwinden. Der Mann schien tief in Gedanken versunken zu sein, da er nie den Kopf gehoben hatte, wenn Rodney einen verstohlenen Blick auf ihn warf.
War es da richtig, ihn zu stören?
Rodney gab sich einen Ruck.
Natürlich war es das!
„Also dann!“ machte er sich entschlossen Mut und schlängelte sich an Tischen und Stühlen vorbei in den hintersten Winkel des Raumes. Er blieb direkt vor dem Tisch stehen. Sheppard zuckte natürlich heftig zusammen, als er ihn ansprach, weil er wohl zu sehr in Gedanken versunken gewesen war.

Doch er sah wenigstens auf. Die haselnussfarbenen Augen, weiteten sich kurz. Sie musterten ihn überrascht, blieben an dem bandagierten Handgelenk hängen. Der dunkelhaarige Mann schluckte heftig, ehe er sich räusperte und ihm mit einem unverbindlichen Tonfall in der Stimme antwortete: „Ja, es ist noch genug frei und ich habe den Tisch nicht für mich allein gepachtet.“ Es huschte in diesem Moment sogar so etwas wie Freundlichkeit über sein Gesicht.

„Danke, Mr. Sheppard.“ Rodney setzte sich, erleichtert darüber, dass sein Gegenüber wesentlich entspannter und offener wirkte, als noch vor ein paar Tagen. Doch jetzt war erst einmal etwas anderes wichtiger. Er biss in eines der Gebäckstück und genoss die Geschmacksexplosion auf seiner Zunge.
Oh ja, die Köche hatten sich wieder einmal selbst übertroffen.
Er begann genießerisch zu kauen.

Eine Weile herrschte Schweigen zwischen ihnen und sie vermieden es, einander direkt anzusehen. Dennoch kam es Rodney so vor, als würde ihm Sheppard genau so viele verstohlene Blicke zuwerfen wie er dem ehemaligen Detective.

Erst als Rodney das erste Stück Kuchen ganz vertilgt hatte, öffnete der dunkelhaarige Mann den Mund und sagte leise: „Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen, Dr. McKay. Es war nicht meine Absicht, Sie so schwer zu verletzen.“
Das Bewusstsein von Schuld stand ihm ins Gesicht geschrieben und noch einiges mehr, denn er wirkte nicht mehr ganz so verschlossen und ablehnend.

Rodney schöpfte Hoffnung. Konnte es sein, dass seine Standpauke ... und natürlich auch alles andere ... Wunder gewirkt hatte?

Der Kanadier atmete innerlich auf und versteckte sein Grinsen hinter dem nächsten Kuchen. Jetzt schmeckte der noch viel süßer als zuvor.
„Dmpf, Empf...“
Nein, so ging das nicht. Er schluckte den Bissen hinunter als er genug zerkaut war, und setzte noch einmal an. „Die Entschuldigung ist angenommen, Mr. Sheppard“, erklärte er mit großzügiger Geste. Dabei beobachtete er den anderen sehr genau und fügte hinzu. „... auch wenn ich um mein Leben gefürchtet habe in diesem einen gewissen Moment. Na ja, und ich hoffe, Sie nehmen mir nicht weiter übel, dass ich Ihnen die Meinung gesagt habe. Es war an der Zeit, dass das mal jemand getan hat.“

Sheppard verzog gequält das Gesicht. Dann blitzte etwas in seinen Augen auf, aber es war kein Zorn. „Damit haben Sie schon in Vegas angefangen – und danach nicht mehr aufgehört.“, erwiderte er sarkastisch. „Aber eines kann ich Ihnen nicht verzeihen: Bei allen unseren Gesprächen haben Sie mir immer wieder entscheidende Dinge verschwiegen, die mich betrafen.“
„Ich wollte Sie nicht überfordern, weil ich genau weiß, dass nicht jeder Mensch so viel Neues auf einmal verkraften kann und Sie nicht unbedingt den Eindruck gemacht haben, dass sie zu der verschwindend geringen Minderheit gehören, die das können“ ,konterte Rodney selbstischer. „Immerhin dürfte Ihr Weltbild in der letzten Woche gehörig auf den Kopf gestellt worden sein, oder irre ich mich da?“
„Sie irren sich nicht, was das letztere angeht.“ Sheppard presste kurz die Lippen zusammen. „Aber was Ihre erste Äußerung angeht: Ich bin in meinem Leben schon mit anderen schwierigen Situationen fertig geworden.“

„Ach ja? Wie gut Sie das konnten, habe ich ja gesehen, als wir uns in Las Vegas kennen lernten. Sie machten auf mich nicht den Eindruck, als ob Sie die erste Begegnung mit dem Wraith wirklich verdaut hätten. Und zudem...“ Rodney lachte auf. „... benahmen sie sich wie ein Mann, dem sein Leben wegen einem kleinen Fehler egal geworden ist, und der sich lieber in seinem Selbst...“ Dann verstummte er abrupt, als er merkte, was er da tat. Himmel, er fing ja schon wieder an, sein Gegenüber zu provozieren!

„Das mag sein. Es war mir damals wirklich alles egal.“ John Sheppard klang eher nachdenklich als frostig. „Vielleicht haben Sie ja mit ihrer Einschätzung sogar ein wenig recht.“
„Schön, dass Sie endlich auch zu dieser Einsicht kommen!“ konnte sich Rodney nicht verkneifen und fügte hastig, wenn auch mit einem aufmunternden Ton in der Stimme hinzu. „Denn wissen sie, Sheppard, eigentlich steckt in Ihnen eine Menge Potential.“
„Sie meinen doch nur wieder dieses seltsame Antikergen.“
„Nein ... auch das habe ich Ihnen schon einmal deutlich gemacht. Und ich werde meine Meinung dazu so lange wiederholen, bis sie es kapieren.“ Rodney tippte sich an die Schläfe. „Sie haben auch genug in ihrem Kopf, das sie nutzen können. Ich verstehe immer noch nicht, warum Sie aus Ihrer mathematischen Begabung nichts gemacht haben.“

John zuckte mit den Schultern. „Ich war eben schon immer sturer Dickkopf und hegte eigene Träume. Vor allem hatte ich niemals wirklich Lust, die Wünsche und Erwartungen anderer zu erfüllen. Gerade weil mein Vater bereits damit anfing meine Zukunft zu verplanen, als ich mitten in der High School steckte ...“ Er ließ den Satz unvollendet.
„Ich glaube ich weiß, was Sie meinen, auch wenn bei mir der Fall etwas anders lag. Eltern oder Lehrer und ihre Erwartungen können etwas schreckliches sein. Vielleicht wäre ich heute nicht Astrophysiker sonder Konzertpianist, wenn ich mich nicht von meinem Klavierlehrer ins Bockshorn hätte jagen lassen und mir meine Eltern den nötigen Rückhalt gegeben hätten. So habe ich dann auf die Wissenschaft umgesattelt, um dort der Beste zu werden und meine Schwester ...“
Rodney seufzte, als er an seine eigenen zerplatzten Träume dachte, die ein überkritischer Klavierlehrer durch seine niederschmetternde Meinung zerstört hatte. Und er erinnerte sich nur all zu gut an seine vergeblichen Versuche, damals und auch später durch seine Leistungen die Aufmerksamkeit seiner Eltern zu erringen. Er hatte immer seine jüngere Schwester Jeannie übertrumpfen wollen, die eigentlich das Wunderkind in der Familie war, und nicht er - auch wenn er natürlich ebenfalls nicht ganz unbegabt war.

Sheppard sah ihn überrascht an. Er wirkte um so vieles jünger, als er mitfühlend lächelte und nickte. Scheinbar löste dieses Geständnis auch seine Zunge, denn er plauderte wie in Gedanken weiter.
„Ich säße vermutlich im Vorstand einer Firma, wenn es nach meinem Vater gegangen wäre. Natürlich mit einem Harvard-Abschluss in der Tasche oder so.“ Er zuckte mit den Schultern. „Aber schon als Teenager habe ich lieber nach Stanford gehen wollen, um meinen alten Herrn zur Weißglut zu treiben, weil das natürlich nicht seinen Wünschen entsprach. Möglich wäre das ebenfalls gewesen.“
„Wie bitte?“ Rodney horchte auf und schnappte nach Luft. „Ich habe mir die Finger nach einem Platz an einer dieser Universitäten der Ivy-League geleckt und mich mehrfach um ein Stipendium beworben, aber leider nie das Glück gehabt überhaupt in die engere Auswahl zu kommen...“ Er schüttelte den Kopf. „Ich fasse es nicht... Was hat Sie da eigentlich geritten, solche Chancen auszuschlagen?“
„Ich wollte viel lieber Pilot werden, wie mein großes Vorbild.“ Sheppards Stimme wurde sanft. „Wie sie liebte ich das Fliegen, seit ich ein kleiner Junge ...“
Rodney lauschte fasziniert. Diese Unterhaltung offenbarte ihm mehr als die Akte seines Gegenübers und er freute sich, dass der ehemalige Detective ihm nun so sehr vertraute, dass er seine Vergangenheit ...

„Doktor McKay?“
In diesem Moment wurde Sheppard jedoch von einer dritten Person unterbrochen. Sein Gesicht verdüsterte sich als bereue er plötzlich, all diese persönlichen Dinge ausgeplaudert zu haben und er schloss hastig den Mund. Nun wirkte er nicht mehr so, als würde er jemals wieder so viel über sich erzählen wollen.
Verdammter Mist, dabei war es jetzt gerade interessant geworden!
Rodney hob wütend den Kopf und funkelte den Störenfried an. „Ja?“

„Gut, dass ich Sie hier finde.“ Ein junger Offizier, den Rangabzeichen nach ein Second Lieutenant, stand neben dem Tisch und unterbrach die Unerhaltung. Er musterte auch den dunkelhaarigen Mann aufmerksam, als sei er sich nicht so sicher, ob er den Richtigen vor sich hatte. „Und sind Sie Mr. Sheppard?“
Der Angesprochene nickte stumm, während Rodney den jungen Offizier anblaffte: „Was wollen Sie eigentlich von uns, Lieutenant? Sehen Sie nicht, dass wir uns gerade unterhalten haben?“
„Entschuldigen Sie, Sir, aber mein Auftrag erlaubt keinen Aufschub. Ich komme direkt von General Landry. Er erwartet Sie beide im Besprechungsraum“, erklärte der junge Mann. „Ich soll Sie umgehend zu ihm bringen.“
Rodney starrte bedauernd auf den halbleeren Becher und den Rest vom Kuchen und schob dann das Tablett von sich. Er wusste, mit einem Mal, warum der Leiter des SGC sie sehen wollte und holte tief Luft. „Oh, ich hätte nicht gedacht, dass das so schnell gehen würde.“

„Um was handelt es sich?“ Sheppards Augen wurden schmal und sein Gesicht noch verschlossener. „Was ist das für eine Besprechung?“
Rodney stieß die Luft zischend aus.
Jetzt sollte er vielleicht ehrlich sein und nicht lange drum herum reden.
„Ich habe nicht damit gerechnet, dass die Damen und Herren so schnell so weit kommen würden, sonst hätte ich sie gleich vorbereitet, aber nun muss ich das wohl auf dem Weg nach unten machen.“
Er sah Sheppard in die Augen. „Das Komitee, das ihren Fall bearbeitet, tagt und berät seit gestern, weil man endlich zu einer Entscheidung kommen möchte. Ich weiß auch nur davon, weil man auch noch ein paar Fragen an mich hatte und gerade eben bei ihnen war um diese zu beantworten. Nun, offensichtlich will man sie jetzt persönlich kennen lernen, um sich selbst einen Eindruck zu machen.“

„Gut, dann bringen wir es doch hinter uns.“ Sheppard setzte eine ausdruckslose Miene auf und kam hinter dem Tisch hervor. Er versuchte locker zu wirken, aber das war er ganz und gar nicht. Seine Haltung verriet, wie angespannt er war.

Rodney bemerkte zudem den kritischen Blick des jungen Soldaten, das verstohlene Zupfen an der Uniform und verstand. Die zerknitterten Jeans und das viel zu weite T-Shirt waren zwar ganz praktisch, um hier in der klimatisierten Luft herum zu laufen, aber nicht das angemessene Outfit um vor ein Tribunal zu treten.
Vor allem wenn er an die Vertreter des IOA dachte, die aus ganz anderen Kreisen stammten als Normalsterbliche und für die Kleiderordnungen einen großen Stellenwert einnahmen und bereits beim ersten Aufeinandertreffen über den Status eines Menschen entschieden.
Auch Sheppard blickte nun an sich hinunter und verzog das Gesicht als wisse er, dass er sich in dieser Kleidung nicht da unten blicken lassen konnte.
Aber glücklicherweise wusste Rodney Abhilfe. Er kannte da eine spezielle Kleiderkammer im SGC, auf die auch er schon das ein oder andere Mal zurückgegriffen hatte, wenn er nur kurz auf die Erde gekommen war und keine Zeit gehabt hatte, Gepäck mitzubringen.
„Ich denke, wir machen noch einen Zwischenstop“, bemerkte er dann locker, um Sheppard zu entgegen zu kommen. „Ich weiß, wo Sie ein paar andere Kleidungsstücke herbekommen können, die für den Anlass angemessener sind.“

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Es ist kein Militärtribunal. Auch wenn es sich vermutlich so anfühlen wird. Du steht nicht vor Gericht. Es handelt sich einfach um eine Anhörung, um sich deine Seite der ganzen Geschichte anzuhören. Und es geht um nichts weiter. Niemand will hier deinen Kopf.

John rief sich diese Sätze immer wieder ins Gedächtnis, auch wenn er genau wusste, dass sein Auftreten vor dem Komitee durchaus über seine Zukunft entscheiden konnte. Er zog den Kragen des Hemdes unter dem Jackett zurecht und kontrollierte seinen Sitz in dem kleinen Handspiegel, den der Versorgungsoffizier aus einer Schublade gezaubert und ihm gegeben hatte.

Für einen Moment sah er sich in der blauen Uniform der Air Force. Auf seinen Schultern blitzten die Abzeichen eines First Lieutenants. Er spürte einen schmerzvollen Stich in seiner Herzgegend.
‚Es ist wie an dem Tag, an dem ich mich um die Aufnahme in das Astronautenprogramm beworben habe und mich ebenfalls vorstellen musste’, dachte er. Damals habe ich auch versucht, mein Bestes zu geben.’
Er ließ nachdenklich den Spiegel sinken.
‚Nein,’, verbesserte er sich dann stumm. ‚Ich habe damals versucht, jemand zu sein, der ich nicht bin. Ich habe mich als Musterschüler dargestellt, obwohl meine Beurteilungen etwas anderes aussagten. Damals wusste ich es nicht besser und glaubte so die Leute für mich gewinnen zu können.’

Und heute?
John schloss die Augen und sammelte sich einen Moment.
‚Was will ich vor diesen Herren und Damen eigentlich erreichen?’, überlegte er und fühlte sich wieder wie im Büro seines Vaters versetzt, der ihn in das Geschäft hatte einführen wollen und ihm deshalb ein paar kluge Ratschläge gegeben hatte.
Ein guter Geschäftsmann bleibt nahe an der Wahrheit, aber er kleidet diese so in Worte, dass sie immer angenehm klingt, auch wenn sie genau das Gegenteil ist. Es gilt an jeder Situation positive Seiten zu finden, auch wenn diese so gut wie nicht vorhanden sind. Das ist die Ehrlichkeit und diplomatische Offenheit, die du dir aneignen solltest. Sie hilft dir durchaus auch in anderen Lebenslagen weiter.
Mit sechzehn hatte John sich mit dieser Aussage nicht anfreunden können, nun verstand er, was eigentlich dahinter steckte. Vielleicht war es an der Zeit, endlich auch einmal die Ratschläge seines Vaters zu beherzigen, denn inzwischen wusste er, dass er sich damit nicht verleugnete, sondern nur in einem positiveren Licht darstellte.
Aus Schwächen können Stärken werden, aus Offenheit und Ehrlichkeit eine Waffe, um deinen Gegenspielern Argumente zu nehmen. So kannst du Vertrauen gewinnen und gleichzeitig klare Fronten schaffen.

Er öffnete die Augen wieder. Dann legte er den Spiegel beiseite und ging zur Tür. McKay und der junge Offizier warteten sicher schon ungeduldig auf ihn. Also sollte er sie nicht länger warten lassen.
Dennoch hielt er noch einmal kurz inne und biss sich auf die Lippen. Warum war er eigentlich so offen gegenüber diesem McKay gewesen und hatte ihm Dinge erzählt, die er nicht einmal seinen Kameraden in der Air Force erzählt hatte. Würde der Mann das jetzt nicht wieder gegen ihn verwenden?

Doch er verfluchte sein lockeres Mundwerk nur einen Moment. Irgendwie empfand er es plötzlich als gar nicht mehr so schlimm. McKay von sich erzählt zu haben.
Seine Intuition sagte ihm, dass seine Geheimnisse bei dem Kanadier eigentlich sicher waren, denn auch dieser hatte sich ihm in diesem kleinen Moment geöffnet und einen Blick hinter die sorgsam aufgebaute Fassade des arroganten, selbstsicheren Wissenschaftlers erlaubt.
Ein Konzertpianist also - das passte doch so gar nicht zu diesem Mann. Obwohl ... John lächelte, als er sich Rodney McKay im Frack vor einem Flügel vorzustellen versuchte und öffnete die Tür.

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Der junge Offizier sah aus, als stünde er auf heißen Kohlen. Er ging unruhig auf und ab, wenn er stand scharrte er mit den Füßen. Aber Rodney ließ ihn zappeln, so sehr ihn die Geräusche auch nervte.
Aber der war leider keiner der Laboranten, denen er gründlich die Meinung über ihre Nervosität sagen konnte. Es war natürlich etwas anderes, wenn er selbst das tat. Denn er war niemals aus einem so nichtigen Grund ungeduldig.
Wie auch immer - Der Bursche konnte noch nicht lange hier unten Dienst tun, sonst hätte er das ganze etwas lockerer genommen, denn General Landry war niemand, der einem den Kopf abriss, wenn man aus einem triftigen Grund später kam. Vor allem, wenn man ihn entsprechend informiert hatte.

Ganz im Gegensatz zum Komitee, das vermutlich nur darauf wartete, John Sheppard zu zerpflücken. Und da war es besser, ihnen schon vorab den Wind aus den Segeln zu nehmen und den „Delinquenten“ nicht in legerer Freizeitkleidung zu präsentieren. Schließlich galt es nun ein paar prinzipientreue Militärs und erzkonservative Bürokraten zu überzeugen, die dazu neigten, den ersten Eindruck und nichts weiter gelten zu lassen.

Die Tür zum Büro des Versorgungsoffiziers öffnete sich und ein Mann im dunklen Anzug kam heraus, der im ersten Augenblick wie ein Fremder wirkte. Rodney erkannte ihn aber aufgrund seiner immer noch frech abstehenden Haare sofort wieder. Und ihm fielen die Unterschiede zu dem Detective aus Vegas um so mehr auf.

Damals hatte Sheppard zwar noch nicht die Schultern hängen gelassen und geschlurft wie andere Männer, die mit ihrem Leben abgeschlossen hatten, aber er war nahe daran gewesen es zu tun. Bei ihrem ersten Aufeinandertreffen hatte er mit jeder Geste, jeder Bewegung gezeigt, dass er ein gebrochener Mann gewesen war, der vollkommen resigniert hatte.
Jetzt jedoch machte er eine bessere Figur als je zuvor. Der schlichte schwarz-weiß Kontrast des Hemdes zu Blazer und Hose stand ihm ausgezeichnet und es störte gar nicht, dass er keine Krawatte trug.

Rodney nickte zufrieden. Mehr noch: Sheppards Haltung hatte sich verändert – er glich mehr denn je seinem Doppelgänger aus einer anderen Realität!]
Der ehemalige Detective benahm sich nun nicht mehr wie jemand, der im Selbstmitleid badete und dem alles egal war sondern beobachtete scharf und reagierte umgehend auf sein Gegenüber.
„So, ich hoffe, das ist zu Ihrer Zufriedenheit, Dr. McKay“, sagte Sheppard nüchtern und ruhig. Allein den Augen merkte man jetzt noch die Anspannung an, die auch Rodney erfüllte, als er an das Komitee dachte.
Der Kanadier grinste, um ihn aufzumuntern. „Oh ja, so ist es. Ich habe es doch gewusst: Kleider machen Leute und das hier steht Ihnen um einiges besser als Ihr Anzug, den Sie in Vegas ...“

„Dann bitte ich Sie, jetzt mit mir zu kommen“, unterbrach ihn der Lieutenant hastig, dem die Unterhaltung zu bunt wurde, und zappelte nervös vor ihnen herum. „Wir haben zehn Minuten Verspätung.“

Rodney warf Sheppard einen bezeichnenden Blick zu. Der grinste einen Moment jungenhaft, als könne er den jungen Offizier und sein Gehabe nur all zu gut verstehen und machte eine zustimmende Geste. Dann folgten sie dem Lieutenant ohne etwas zu sagen. Der junge Mann legte einen schnellen wenn auch sehr nervösen Schritt vor.

„Mit wem werde ich es jetzt eigentlich zu tun bekommen?“ fragte Sheppard, als sie schließlich den Aufzug betraten und sich die Türen hinter ihnen schlossen.
Rodney horchte auf und sah sein Gegenüber erstaunt an. Konnte es sein, dass Sheppard jetzt wirklich Interesse hatte?
Deshalb beantwortete er ihm die Frage gerne. „Ich weiß zwar nicht, ob alle anwesend sein werden, die ich gesehen habe, aber es handelte sich um General Landry – O’Neill ist leider verhindert – und einigen Vertretern des Militärs, deren Namen mir entfallen sind. Natürlich ist auch Agent Woolsey dabei, jemand aus dem Büro des Präsidenten und drei Mitgliedern des IOA – also eine recht illustre Runde.“
Er machte eine Pause und versuchte im Gesicht seines Gegenübers zu lesen, was aber nicht so recht gelingen wollte, da dieser ein undeutbares Pokerface aufgesetzt hatte, und fügte dann hinzu. „Sie sollten bei Mr. Coolidge sehr darauf achten, was Sie sagen, denn, denn der dreht Ihnen gerne das Wort im Mund herum. Er ist der Wortführer der Gruppe, die anderen stellen nur hin und wieder Fragen.“

Sheppard nickte nachdenklich und schien sich alles genau zu merken. „Ich verstehe, er ist einer von den Bürohengsten, die bereits eine vorgefasste Meinung haben und diese auch nicht ändern wollen.“ Er seufzte. „Diesen Typ Mensch kenne ich nur zu gut.“
„Letztendlich ist er aber nur einer von vielen. Entscheiden werden über ihre Anstellung – vorausgesetzt natürlich Sie wollen das auch von sich aus - letztendlich mehrere Gruppen“, setzte Rodney nach und erklärte ihm kurz die Kommandostruktur und Verantwortlichkeiten im Stargate-Center und für Atlantis. Der ehemalige Detective hörte aufmerksam zu und nickte immer wieder.
Wieder beobachtete ihn Rodney aufgeregt. Konnte es sein, dass Sheppard endlich verstanden hatte, worum es ihm die ganze Zeit gegangen war? Deshalb gab es nur noch eine Frage, die dem Kanadier unter den Nägeln brannte, als der Aufzug endlich anhielt. „Werden Sie zustimmen, wenn man ihnen einen Vertrag anbietet?“

John Sheppard hob den Kopf und sah ihn lange und durchdringend an. „Ich denke, es ist jetzt noch zu früh, irgend etwas zu sagen.“ Weder aus seinen Augen, noch aus seinen Gesichtszügen, konnte Rodney wirklich etwas lesen.
Der Kanadier schluckte frustriert seinen Ärger hinunter, denn als der Aufzug mit einem Ruck hielt, wusste er, dass der ehemalige Detective ihm auch weiterhin die Antwort schuldig bleiben würde.
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