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König Drosselbart – Atlantis Style von suehsi

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Vorwort



Kurzinhalt der Grimm-Geschichte:
Eine Königstochter verhöhnt alle geladenen Freier, besonders einen König mit schiefem Kinn, seither genannt Drosselbart. Ihr zorniger Vater gibt sie einem bettelnden Spielmann, der sie heimführt. Unterwegs bewundert sie schöne Besitzungen und erfährt voller Reue, dass alles König Drosselbart gehört.
Sie muss in des Spielmanns Häuschen arbeiten, der ihre Unfähigkeit betont. Flechten und Spinnen misslingt ihr, so muss sie Geschirr auf dem Markt anbieten. Die Leute kaufen gern, doch das zweite Mal zerbricht ihr ein reitender Husar die Ware.
Ihr Mann schimpft und schickt sie als Küchenmagd ins Königsschloss, wo sie aushilft und Essensreste heimbringt. Zur Hochzeit des Königspaares will sie zusehen, doch König Drosselbart zerrt sie auf die Tanzfläche, dass ihr die Reste aus den Taschen fallen, holt sie auf der Treppe ein und gibt sich zu erkennen.
Er hatte sich als Spielmann verkleidet, ihren Hochmut zu strafen, und war auch der Husar gewesen. Sie feiern Hochzeit.

(c) Wikipedia
König Drosselbart – Atlantis Style


„Was meinst du mit ‚Auszeit auf dem Land‘?“
Elizabeth wusste, dass der Blick ihres Vaters nichts Gutes verheißen würde, doch dieser schwieg und kaute weiterhin gelassen an seinem Schweinebraten.
„Willst du mich jetzt zu den Bauern schicken oder was??“
Ihre Stimme war gereizt und nervös rutschte sie auf ihrem Stuhl hin und her. Sie beobachtete ihren Vater, wie er hinunterschluckte und sich langsam in seinem Stuhl zurück lehnte.
„Glaub mir, Elizabeth. Es wird das Beste für dich sein!“ Ruhig verstränkte er die Arme vor der Brust. Elizabeth konnte nicht fassen, was sie da hörte.
„Aber…WARUM?? Was habe ich dir angetan, damit du mich so unfair behandelst??“ Verzweiflung durchzog ihre Stimme.
„Meine liebe Elizabeth…“, begann ihr Vater, ehe er kurz tief durchatmete. „Du weißt genau, was mir Sorge bereitet. Du bist jetzt gute 37 Jahre alt und du denkst nicht einmal daran zu heiraten!“
Genervt verdrehte sie die Augen. Schon wieder dieses Thema. Sie konnte es nicht mehr hören. Heiraten hier, Heiraten da.
„Kannst du mich mit dem Thema nicht EINMAL in Ruhe lassen!“, fauchte sie, bevor sie ihr Besteck wütend auf den Tisch warf und ebenfalls die Arme vor der Brust verschränkte. Ärger stieg in ihr hoch. „Du versuchst wirklich krampfhaft, mich an irgendeinen Kerl zu verkaufen!“
Genervt stöhnte er. „Elizabeth, ich will dich nicht verkaufen, ich will doch nur, dass du endlich deine eigene Familie gründest und glücklich wirst…“
Ein sarkastisches ‚Tzzz‘ entwich ihren Lippen.
„Was? Sag mir, was habe ich falsch gemacht?“, wollte er von ihr wissen. „Ich habe dir jeden Mann aus dem Umkreis von einem Tagesmarsch angeboten, habe für dich Bälle und Parties gehalten, nur damit du dir den Kerl aussuchen kannst, der dir gefällt! Oder sehe ich das etwa falsch?“
Sein Blick schweifte zu ihrem Bruder Rodney, welcher gerade damit beschäftigt war, ein massives Stück Knödel in den Mund zu schieben, während er bestätigend den Kopf schüttelte. Er wollte gerade etwas sagen, als Elizabeth ein kurzes „Ach sei doch du still!“ über den Tisch warf.
„Vater, ich kann und will nicht aufs Land…“, begann sie, doch ihr Vater schien wenig Mitleid mit ihr zu haben.
„Elizabeth, entweder gehst du für einige Zeit aufs Land und lernst dich angemessen zu verhalten ….“, fing er mit ruhiger Stimme an. „…oder du nimmst Sheppard von Atlantis.“
Verzweifelt stützte sie ihren Kopf auf ihrem Arm ab.
‚Sheppard von Atlantis‘ – sie konnte den Namen schon nicht mehr hören. Es war der Mann, den Vater für sie ausgesucht hatte, doch alleine diese Tatsache hinderte sie daran, sich den Mann überhaupt anzusehen. Zudem hatte Teyla von Athos gesagt, dass er sehr… kindlich und unerwachsen sein kann. Elizabeth konnte keine Männer ausstehen, welche meinten, sie seien lustig und glaubten, sie könnten jeden mit ihrem Charme um den kleinen Finger wickeln. Außerdem hatte er den Ruf, ein sehr stolzer und hochmütiger Mann zu sein – noch etwas, das sie nicht leiden konnte.
„Er ist ein gut aussehender Mann…“, mischte sich nun auch Rodney ein. „Glaub mir, dagegen sieht Graf Lorne hässlich aus!“
Der Vater nickte, bevor er seiner unglücklichen Tochter die Hand reichte und ihr sanft über den Handrücken strich. „Es ist ganz alleine deine Entscheidung, Elizabeth…“
Verzweifelt seufzte sie. Warum war ihr Leben so unfair?


**


„Sind Sie fertig, Milady?“
Mit einem groben Stoß öffnete er die Türe und hastig stopfte Elizabeth ihr blaues Kleid in den bereits überfüllten Koffer. Sie nickte kurz, als sie fertig gepackt hatte. Obwohl sie etliche Koffer und Taschen gefüllt hatte, packte Ronon ihr gesamtes Gepäck auf einmal und machte sich auf den Weg zur Kutsche, welche bereits vor dem Haus wartete. Sie war gerade dabei den langen Korridor entlang zu laufen, als Rodney ihr in den Weg trat.
„Wo zur Hölle glaubst du, dass du hinfährst?“
Rodneys schrille Stimme schmerzte ihr in den Ohren. Sie konnte den kleinen Giftzwerg, den sie Bruder nannte, einfach nicht leiden.
„Ich fahre – wie Vater verordnet hat – aufs Land!“
Ein sarkastisches ‚Ha!‘ entwich seinen Lippen und er musste breit grinsen. „Du denkst doch nicht wirklich, dass er dich in die Provinz zum Urlaub machen schickt, oder?“
Genervt schob sie ihn zur Seite. „Geh doch weg, Rodney, du bist doch nur neidisch!“
„Natürlich“, meinte dieser und kicherte leise vor sich hin.
Stöhnend verdrehte sie die Augen. Sie wusste genau, dass er eifersüchtig war. Ja, sie war unglücklich darüber gewesen, dass Vater sie aufs Land schicken wollte, doch nach einiger Zeit hatte sie sich damit abgefunden. Naja, hatte sie sich damit abfinden müssen, denn ‚Sheppard von Atlantis‘ war eindeutig keine Option für sie gewesen.
Sie war sich sicher, dass sobald sie sich an die stinkende Landluft und die Fliegen gewöhnt hatte, sie ihren Aufenthalt in Vaters Landhaus genießen würde.


**


„Wo sind wir, Ronon?“, wollte sie vom Kutscher wissen, doch als dieser ihr keine Antwort gab, lehnte sie sich weiter aus dem Fenster und meinte mit lauterer Stimme: „Das ist nicht Vaters Land, Ronon. Wir haben uns verfahren!“
Mit einem Lauten ‚Hoo!‘ stoppte er die Pferde und drehte sich zur Baroness um.
„Wir sind richtig, Milady!“, begann er und verwirrt musterte sie die Gegend. Frische grüne Wiesen und goldene Felder soweit das Auge reichte.
Sie war sich sicher, dass es sich hierbei nicht um ihres Vaters Land handelte. Vaters Land war hügelig und dicht bewachsen mit dicken Wäldern.
„Fahren wir nicht zum Landsitz?“, bohrte sie nach und Ronon schüttelte den Kopf.
Verunsichert blinzelte sie. „Wem gehört das Land hier, Ronon?“
„Sheppard von Atlantis, Milady!“
Geschockt öffnete sie den Mund, doch kein Laut verließ ihre Kehle. Wollte sie ihr Vater also doch an den Typen verkaufen?? Der Gedanke alleine brachte das Blut in ihren Adern zum Gefrieren.
Ronon, welcher die Reaktion seiner Herrin beobachtete, riss sie schließlich aus ihrer Starre. „Keine Sorge, Milady, wir sind nicht auf dem Weg zur schwimmenden Stadt des Prinzen!“
Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Keine Zwangshochzeit!
Erleichtert plumpste sie zurück auf den gepolsterten Sitz in der Kutsche und meinte nur kurz „Weiter fahren!“, bevor erneut das laute Klappern der Pferdehufe die frische Sommerluft durchdröhnte.
Vermutlich schickte sie ihr Vater zu einem Herrenhaus, das sie einfach noch nicht kannte. Sie war gespannt.


**


Der plötzliche Halt der Pferde riss sie aus dem Schlaf. Die grellen Sonnenstrahlen brachten sie zum Blinzeln und erst nach einigen Augenblicken stellte sie fest, dass die Kutsche bei einem kleinen Bauerndorf stehen geblieben war.
Ronon öffnete die Tür. „Wir sind hier, Milady!“
Fragend sah sie ihn an, als er ihr die Hand zum Aussteigen reichte. Er scherzte doch, oder? Sie waren in einem Bauerndorf! Wo um Himmels Willen war der Landsitz?
Als sie keine Reaktion von sich gab, packte sie Ronon am Handgelenk und zog sie unsanft aus der Kutsche. Sie wollte sich gerade über ihn beschweren, als sie stolperte und mit den Beinen und dem unteren Teil ihres Kleides in Pferdedung landete.
Angewidert richtete sich auf und betrachtete Ronon, welcher eine kleine Tasche unter dem Kutschersitz hervorzog und sie ihr entgegen hielt.
„Hier, Ihre Kleidung!“
Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie zuerst die Tasche an und dann Ronon, welcher ihr nach wie vor die Tasche hinhielt.
„Tut mir leid, Milady, aber es ist eine Anordnung Ihres Vaters!“, meine er dann schroff und warf die Tasche vor ihren Augen auf den verdreckten Schotterboden. Ohne zu zögern knallte er die Kutschentür zu und kletterte hoch zum Fahrersitz.
Er drehte sich kurz zu ihr um. „Viel Glück!“, meine er dann karg, ehe er die Zügel schwang und die Kutsche zu rollen begann.
Elizabeth, welche wie angewurzelt im Dung stand, konnte ihren Augen nicht trauen und beobachtete das Gefährt, wie es in der Ferne verschwand.
„Du des neiche Mädl?“, ertönte dann eine Stimme hinter ihr und sie drehte sich um. Vor ihr stand ein dunkelhaariger Mann, welcher an einem Strohhalm kaute.
„Entschuldung?“
Der Mann zog sich die Hosen nach oben, bevor er den Strohhalm aus dem Mund nahm und sich über sein mit Bart überwachsenes Kinn fuhr.
„Bist du die neue Magd?“, wollte er dann in etwas schönerer Sprache wissen und Elizabeth schüttelte den Kopf.
„Nein, Sir. Ganz bestimmt nicht!“
Schweigend musterte er sie, wobei er erneut an dem ekligen Strohhalm kaute. Er konnte nicht fassen, wie aufgetakelt sie daherkam.
Er hingegen hatte wuscheliges schwarzes Haar, einen dunklen Bart, grüne Augen und war um einiges größer als sie. Außerdem war er ungefähr im gleichen Alter wie Elizabeth.
Nachdem er sie fertig gemustert hatte, hob er ihre Tasche vom Boden auf und klopfte sporadisch den Schmutz davon ab.
„Bist du nicht … Liziibeth die Zweite….?“
Elizabeth räusperte sich. „Elizabeth Weir II., Tochter von Baron Oberoth von Asura.“
Der Mann lächelte und nickte. „Also doch die Richtige!“
Verwirrt blinzelte sie.
„Ich bin Johnny!“ Er hielt ihr seine schmutzige Hand entgegen, doch Elizabeth dachte nicht im geringsten daran, dem Bauern die Hand zu geben. Eifrig wischte er sich eine Hand an seinen Klamotten ab und legte diese dann auf ihren Rücken. Vorsichtig gab er ihr einen Schubs, um sie in Bewegung zu bringen.
„Hier muss ein Missverständnis vorliegen!“, keuchte Elizabeth entsetzt und trat einen Schritt nach vorne, um Abstand zwischen sich und den stinkenden Kerl zu bringen. Johnny lächelte, ehe er dichter an sie trat.
„Unverheiratete 37-jährige, verwöhnte Lady, welche aufs Land musste, um eine Auszeit abzusitzen, weil ihr kein Mann gut genug ist?“, wollte er von ihr wissen.
Der Blick in ihren Augen verriet ihm, dass sie ganz genau diejenige war, welche für die nächsten Wochen bei ihm arbeiten durfte.
„Also gut….“, begann er freudig. „Da das geklärt ist, will ich dir jetzt meine schicke Farm zeigen…“
Etwas zu grob packte er sie am Arm zu und zog sie mit sich zu einem der heruntergekommenen Häuser am Rande des Dorfes….


**


„Es ist viel zu eng!“, beklagte sie sich durch den dünnen Leinenvorhang, welcher das Schlafzimmer vom Wohnraum trennte.
Genervt verdrehte John – sorry, wir meinen natürlich Johnny - die Augen. Seit ihrer Ankunft vor einer Stunde hat Elizabeth nichts als gejammert und schön langsam war Johnnys Fass am überlaufen. Er konnte ihr Genörgel schon nicht mehr hören.
Worauf hatte er sich bloß eingelassen? Er bereute sein Angebot an Baron Oberoth jetzt schon… und dabei hatte Elizabeths Arbeitserfahrung noch nicht einmal begonnen!
Zögernd schritt sie hinter dem Vorhang hervor. Sie trug ein altes braunes Kleid, welches ihrer Meinung nach viel zu stank, zu eng war und überhaupt nicht zu ihrer Figur passte.
„Pass perfekt!“, meinte Johnny. „Und jetzt noch die Haare!“
Rasch griff Elizabeth nach ihren hochgesteckten, braunen Haaren und steckte eine wilde Strähne zurück hinter die türkis-schimmernde Spange.
„Nein! Eine Magd hat keine hochgesteckten Haare!“, murrte Johnny, ehe er aufstand und auf sie zuging.
„Aber-“ Elizabeth konnte ihren Satz nicht beenden, denn Johnny hatte schon längst die Spange aus ihren Haaren gezogen. Mit voller Wucht warf er das exklusive Teil in eine Ecke des Raumes, wo sie mit Sprüngen und abgebrochenen Zacken zum Liegen kam.
„Sie Barbar!“, hechelte Elizabeth. „Wissen Sie eigentlich wie viel so eine Spange kostet??“
Johnny grinste, ehe er die Arme vor der Brust verschränkte und die vor Wut glühende Gestalt vor sich betrachtete.
„Ich werde meinem Vater davon erzählen!“
„Egal“, meinte Johnny, welcher sie mit auffordernden Blick ansah. „Ihr Vater hat hier keine Autorität.“
Elizabeths Augen wurden schmäler. „Ach ja? Und wer hat hier Autorität, wenn ich fragen darf? Wem gehört dieses Land?“
Johnny leckte sich kurz die Lippen, ehe er mit „Sheppard von Atlantis“ antwortete.
Ein leises ‚Grrr‘ entwich ihrer Kehle, während sie zornig ihre Hände zu Fäusten formte. ‚Sheppard von Altantis‘ – der Kerl kotzte sie an… genauso wie Johnny hier. Gott weiß, wie lange sie ihr Vater mit diesem … diesem… ekelhaften Bauernidioten alleine auf dem Land von Atlantis lassen würde.
Mit einem lauten Klatsch schlug Johnny die Hände zusammen und riss Elizabeth aus ihren Gedanken.
„Also, los, los. Ab an die Arbeit! Für dich steht an: Wäsche waschen, Wolle spinnen, Körbe flechten, Feuer machen, Kochen, Mithelfen bei meiner Arbeit…“


**********


Seit ihrer Ankunft in der Provinz waren einige Tage vergangen, jedoch konnte sich Elizabeth weder an die stinkende Luft noch an den Schmutz und die Arbeit gewöhnen. Johnny hatte gemeint, er würde sie für einige Tage schonen und sie nur Feuer machen, kochen und putzen lassen, doch Elizabeth war extrem untalentiert in jeder der drei Kategorien. Sie hatte für ihre Feuer nie weniger als zwei Stunden benötigt und ihr Essen war entweder verbrannt oder schmeckte sehr besch…eiden.
Ihre Putzkünste hingegen waren zwar nicht schlecht, jedoch sah sie keinen Sinn darin, in diesem Haus auch nur eine Kleinigkeit zu säubern, denn Johnny tat sein Bestes, das geputzte so schnell als möglich wieder schmutzig zu machen.
Zusammengefasst waren also die letzten Tage für sie schrecklich und unerträglich gewesen. Ständig gerieten sie und Johnny in lautstarke Konfrontationen und sie konnte sich schon nicht mehr anhören, wie verwöhnt und untalentiert sie eigentlich war.
Zudem passierte auch noch, dass gestern ihre Nahrungsvorräte nun endgültig aufgebraucht waren und sie sich aktiv am Verdienen des Lebensunterhaltes beteiligen musste.
Nun saß sie hier beim Körbe flechten.

Sie gab ein leises ‚Au‘ von sich, als sie sich erneut an einem der Weidenzweige pikste. Es war schon das fünfzehnte Mal in den letzten zehn Minuten und langsam riss ihr der Geduldsfaden. Ihre Hände waren rot, zerkratzt und schmerzten.
Elizabeth war gerade dabei einen Zweig hinter den anderen zu biegen, als ihr der Ast aus den Fingern rutschte und ihre rechte Hand aufschnitt. Es dauerte nur einen Bruchteil einer Sekunde, bis ihr Blut ihre ganze Handfläche verdeckte.
Sie wusste, dass Johnny sie bloß anpöbeln würde, wenn sie jetzt aufhören würde und somit nahm sie den Zweig in ihre blutigen Finger und flechtete weiter. Leider dauerte es nicht lange, bis sie sich die zweite Hand aufschnitt und Tränen begannen ihre Wange hinunter zu kullern. Die Weidenzweige brannten auf ihren Händen, da der Schmutz von der Rinde abkam und sich mit ihrem Blut vermischte.
Sie versuchte so gut wie möglich zu schweigen, da Johnny am anderen Ende des Raumes saß und ebenfalls Körbe flechtete, dennoch begann sie leise vor sich hin zu wimmern.
Sie versuchte ihre Gefühle so gut als möglich zu verstecken, doch die Kratzer in ihren schmerzenden Händen und die Schnittstellen erschwerten ihr die Sache. Eifrig versuchte sie sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen, doch ständig kullerten neue über ihre Wange.
„Elizabeth?“ Johnnys starrer Blick lag auf ihr und sie versuchte ihr Bestes, ein Lächeln auf ihre Lippen zu zaubern, doch er hatte schon längst gesehen, dass sie weinte. Als sie sich erneut über die Wange strich, um ihre Tränen weg zu wischen, zog sie unbeabsichtigt mit einem ihrer Finger einen langen, roten Strich aus Blut über ihr Gesicht.
Johnnys Augen schmälerten sich und sein Blick haftete auf ihrem Gesicht und dem Strich, doch als er seinen Blick über sie schweifen ließ, entdeckte er ihre blutigen Hände. Zügig stand er auf und ging auf sie zu. Er nahm ihre Hände in die seinen und starrte auf die Schnitte.
Elizabeth, welche sich unwohl fühlte, zog ihre Hände aus den seinen und meinte leise: „Es ist nicht so schlimm…“
Johnny schüttelte den Kopf, ehe er sich vor ihr niederkniete und den Ausdruck in ihrem Gesicht studierte. Er wusste genau, dass es schlimmer war als sie vorzugeben schien.
„Nein, Elizabeth…“, begann er dann, bevor er ihr den Korb aus den Händen nahm und ihn zu Seite stellte. Eifrig griff er nach einem Tuch, welches er um ihre Hände wickelte, um die Blutung zu stoppen. Sie schluchzte auf, als er das Tuch fester zusammen zog.
Mitfühlend strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, ehe seine rauen Finger liebevoll über ihre Wange strichen, um ihr die Tränen wegzuwischen. Er wusste, dass er zu viel von ihr verlangte, dass sie für dieses Leben nicht geschaffen war und er fühlte sich schlecht dafür, dass er sie all dem aussetzte… aber er hatte eine Vereinbarung mit dem Baron getroffen und diese musste er so gut als möglich erfüllen, sonst hatte ihre ‚Auszeit‘ keinen Sinn.
„Wir sollten weiter machen.“ Ihre Stimme war nicht lauter als ein Flüstern.
Er schüttelte den Kopf. „Nein. Du brauchst eine Pause!“
Elizabeth blinzelte, ehe sie in den Raum blickte. Sie versuchte krampfhaft den zarten Blick in seinen wunderschönen grünen Augen zu vermeiden.
„Nein. Es geht schon. Wir müssen diese Körbe fertig bringen, sonst bekommen wir kein Geld, um Essen zu kaufen..“
Johnny leckte sich über die Lippen. Sie hatte Recht, sie würde nichts essen, wenn sie keine Waren zum Verkaufen hatten…
„Ruh dich aus, Elizabeth!“, begann er, wobei er ihr über den Arm strich. „Ich mach die Körbe alleine fertig!“
Sie war unsicher, doch er nickte versichernd. „Keine Angst, ich schaffe es schon alleine!“
Sie wollte protestieren, doch sie wusste, dass er sich ihre ‚Pause‘ nicht ausreden lassen würde.
„Geh ins Bett und ruh dich aus. Ich mach das schon…“
Zustimmend nickte Elizabeth, ehe sie langsam aufstand und sich in ihr Zimmer begab, wo sie sich mit knurrenden Magen ins Bett legte.
Sie wusste, dass er die ganze Nacht sitzen würde, um die Körbe fertig zu bringen. Der Markt war schon morgen und es war ihre einzige Möglichkeit, um etwas Geld ins Haus zu bringen. Elizabeth bereute es, dass sie die ersten Tage nicht am gleichen Strang wie Johnny gezogen hatte. Sie hatte nicht gewusst, wie schrecklich das Leben eines Spielmanns sein konnte. Keine Arbeit - kein Geld – kein Essen.
Ein mulmiges Gefühl machte sich in ihrem Magen breit. Sie dachte bis jetzt immer, sie würde über dem gemeinen Volk stehen, doch erst jetzt realisierte sie, wie naiv sie eigentlich gewesen war. Johnny war ein guter, tüchtiger Mann und hatte eine so schlechte, untalentierte und unproduktive Magd wie sie nicht verdient. Sie war mehr eine Strafe als ein Segen für ihn… und dieses Wissen alleine brachte ihren Magen dazu, sich im Kreis zu drehen…das und der ständige Hunger, den sie hier litt.
Unter seiner harten Schale versteckte sich ein weicher Kern, das hatte sie vorhin gesehen und sie wusste, dass sie nicht über ihn denken hätte sollen, wie sie es zu Beginn ihrer Ankunft getan hatte. Er war definitiv kein ‚ekelhafter Bauernidiot‘.
Sie wusste, dass er sein Bestes tat und somit verübelte sie ihm das eine oder andere geschriene Schimpfwort nicht. Erst jetzt realisierte sie auch, welche Worte sie ihm bis jetzt im Gegenzug an den Kopf geworfen hatte und sofort verstärkte sich das üble Gefühl im Magen. Er musste sie alleine dafür schon hassen.
Sie war, wie alle behaupteten: verwöhnt, undankbar und naiv. Erst jetzt hat sie es gesehen und dafür fühlte sie sich schlechter als sie sich jemals hätte vorstellen können.


**


Einige Tage waren seit dem Vorfall mit den Weidenzweigen vergangen und Elizabeths Hände waren nach wie vor mit Wunden überzogen. Der Markttag war für Johnny schlecht gelaufen, da auch viele andere Bauern Körbe verkauft hatten und somit brachte er weniger Geld als erwartet am Abend nach Hause.
Elizabeth hatte begriffen, wie ernst ihre Situation war und hatte in den letzten Tagen doppelt so hart gearbeitet wie in den ersten zwei Wochen ihres Daseins. Obwohl sie jetzt sauberer putzte und tüchtiger bei seiner Arbeit mithalf, Reibereien zwischen den beiden standen an der Tagesordnung und Elizabeth schämte sich für die Gefühle, welche sich stillschweigend über die letzten Tage in ihrer Brust breit gemacht hatten.
Sie wusste, dass Johnny sich niemals für sie interessieren würde und dennoch brausten hunderte von Schmetterlingen durch ihren Körper, wenn er einmal nett zu ihr war. Leider gab es von diesen Momenten jedoch nicht viele…
„…und wer glaubst du, wird diese Ware kaufen??“
Spöttisch hielt er ihr eine ihrer getöpferten Tonschalen hin. Der Zorn in seiner Stimme war kaum überhörbar.
„Menschen…“, begann sie verunsichert.
„Menschen??“ Sein Gesicht war knall rot. „Sag nicht, du glaubst etwa, dass Menschen diese Teile kaufen werden!? Die sind so schief und unförmig, dass einem das Essen herausfällt!“
Er knallte ihre Schale mit voller Wucht zu Boden, so dass sie in tausende kleine Stücke zersplitterte. Verängstigt schluckte Elizabeth.
„Sag mir bitte nicht, dass du den ganzen Tag während ich fischen war solche windschiefen Stücke produziert hast!?“
Ihr Kopf war gesenkt und die Tatsache, dass sie nicht auf seine Frage antwortete, brachte das Fass endgültig zum Überlaufen. Fassungslos marschierte er in dem kleinen Zimmer auf und ab, während er sich aufgebracht auf die Unterlippe biss und sich durch seine Haare strich. Morgen war Markttag und er hatte keine Ware zu verkaufen.
In Elizabeths Augenwinkeln bildeten sich Tränen. Ihre Hände zitterten. Sie hatte doch bloß helfen wollen….
„Ich kann das nicht verkaufen, Elizabeth!“ Absolute Verzweiflung machte sich in ihm breit. „Ich… ich kann das nicht… keiner wird…. “
Er nahm auf einem der Holzstühle Platz und vergrub sein Gesicht in den Händen. Stillschweigend saßen beide für einige Augenblicke da, bis Elizabeth die Stille brach.
„Ich werde es verkaufen!“
Verzweifelt blickte er zu ihr auf.
Ihr war bewusst, dass wenn sie Leute von ihres Vaters Land wiedererkennen würden, sie verspottet und ausgelacht werden würde, doch sie sah keine andere Möglichkeit. Sie hatte ihm diesen Schlamassel eingebrockt und nun musste sie ihn da wieder herausholen.
„Ich werde die Waren verkaufen!“, wiederholte sie und Johnnys Kehle entwich ein spöttisches ‚Tzz. Als ob jemand diese Ware kaufen würde…‘
„Lass es mich wenigstens versuchen!“ Es war mehr ein Flehen als eine Bitte und Johnny konnte nicht anders als zustimmen.
„Meinetwegen!“
Sie versuchte dankbar zu lächeln, doch Elizabeth wusste, dass sie ihm einen großen Stein in den Weg gelegt hatte und sie ihr absolut Bestes geben müsste, um diesen so gut als möglich zu entfernen.


**


„Tontöpfe. Neue Tontöpfe!“
Sie stöhnte leise, bevor sie sich auf den kleinen Hocker hinter ihrem Warenstand niederließ. Sie hatte schon einige der schöneren Stücke verkaufen können, doch sie hatte bei Weitem noch nicht genug Geld verdient, um genug Essen für die nächste Woche kaufen zu können.

Als sie am Abend nach Hause kam und Johnny ihre Verdienste präsentierte, musste Johnny sich eingestehen, dass er positiv überrascht war. Sie hatte viel bessere Arbeit geleistet als erwartet und somit schickte er sie auf den nächsten Markt und dann auf den übernächsten.
Er vermutete, dass Elizabeths Erfolg mit ihrem Aussehen zu tun hatte. Schließlich war sie eine sehr schöne Frau. Ihre Haut war zwar blass, aber ihre grünen Augen und ihr langes Haar machten sie zu einer sehr stillen, klassischen Schönheit, welche von kaum einem Mann zu übersehen war. Vermutlich hatte sie deshalb so viele Verehrer unter dem Hochadel, welche ihr ohne Zögern die Hand in Ehre reichen würden.
Mit der Zeit ließ ihr Johnny mehr Freiraum, doch der gute Erfolg ihrer Markttage war oft etwas, was ihm bei Streitigkeiten an den Kopf geworfen wurde. Sie war der Meinung, dass sie viel erfolgreicher war als er und dass sie aus sich schnell etwas ‚Besseres‘ machen könnte, als bloß eine einfache Magd – wenn er sich besser anstellen und sie mehr unterstützen würde, indem er mehr Waren für den Markt produzierte. Der Erfolg war ihr also etwas zu Kopf gestiegen und Johnny war der Meinung, dass es an der Zeit war, sie wieder zurück auf den Erdboden zu holen…

„Tontöpfe. Neue Tontöpfe!“ Elizabeths Stimme hallte durch die belebten Straßen der Stadt. Menschenmassen drängten sich durch die engen Straßen und Gassen des Marktes.
Elizabeths Stand war zwar etwas unglücklich an einer Hausecke platziert, dennoch betrachteten viele Passanten ihre Ware.
Sie war gerade dabei, einem alten Mann eine der bemalten Töpfe zu zeigen, als ein betrunkener Reiter um die Ecke geschossen kam, ihren Stand rammte und ihr ganzes Gut zu wackeln begann. Der Reiter gab ein beschwipstes ‚Nnnnschuldinnng‘ von sich und Elizabeth wollte gerade den Mund aufmachen, um ihm ihre Meinung zu sagen, als das Pferd mit Husar zu taumeln begann und ihren Stand erneut rammte. Der betrunkene Reiter fiel vom Pferd und sämtliche Waren zerschellten am Boden.
Schockiert betrachtete Elizabeth die Scherben vor sich, ehe sie sich zu dem Reiter wandte, welcher gerade sein Pferd bestieg.
„SAGEN SIE, SIND SIE VERRÜCKT??“ Der Ärger war ihr ins Gesicht geschrieben.
„Alle meine W…“ Plötzlich machte sich nicht nur Ärger, sondern auch Panik in ihr breit. Was würde Johnny wohl dazu sagen? All das Geld, das sie hätte verdienen können…
„SIE ZAHLEN MIR SOFORT DEN SCHADEN!“, forderte sie. Der Husar richtete sich seinen Helm zurecht, ehe er die Zügel in die Hand nahm und mit „EINEN SCHEISSDRECK WERDE ICH!“ antwortet.
Elizabeth riss ihm vor Zorn die Zügel aus der Hand. Mit einem Ruck verpasste ihr der Husar einen Schlag ins Gesicht, sodass Elizabeth zu Boden stürzte. Der Reiter fauchte laut „BLÖDER BAUERNTRAMPEL“, ehe er seinem Pferd die Sporen gab und davon galoppierte.
Schmerzen durchzogen Elizabeths Körper, weshalb sie sich am Boden zusammenkauerte. Tränen zierten ihr Gesicht. Sie konnte einfach nicht fassen, was soeben passiert war. Für eine Weile lag Elizabeth so da und heulte sich die Seele aus dem Leib.
Plötzlich spürte sie eine warme Hand auf ihrer Schulter. Als sie hochblickte, hockte eine junge, blonde Frau neben ihr, welche ein zartes Lächeln auf den Lippen hatte.
„Sch…, ist nicht so schlimm wie es aussieht!“, versuchte die Frau sie zu beruhigen. Elizabeth setzte sich auf und betrachtete das Chaos.
„Doch, ist es!“ In ihrer Stimme war noch immer Panik und Nervosität zu hören. „Ich werde ohne Geld heimkommen…“, begann sie und erneut bildeten sich Tränen.
Jennifer, die junge Frau ihr gegenüber, legte ihre Hand auf Elizabeths Schulter. Sie selbst war eine Küchenmagd im Herrenhaus und wusste, was es hieß, wenn kein Geld nach Hause kam. Sie hatte es oft genug selbst miterlebt.
„Ich weiß, wo du etwas Geld verdienen kannst…“, begann Jennifer und Elizabeth sah unsicher zu ihr hoch.
„Es ist keine schwere Arbeit. Es… In der Küche vom Herrenhaus wird im Moment eine Aushilfe gesucht… für ein paar Tage, bis zur Hochzeit des Grafen!“
Elizabeth nickte dankend. Johnny würde sehr verärgert sein, doch sie hoffte, dass die Aussicht auf etwas Arbeit und Geld seine Stimmung ein wenig lindern würde, wenn er von dem Vorfall erfuhr…


**


Wie erwartet war Johnny nicht erfreut gewesen, als sie ihm von dem Vorfall mit dem Husar und der zerbrochenen Ware erzählte, denn Johnny hatte am gleichen Tag einen Arbeitsunfall beim Holzfällen. Ihm war ein schwerer Ast auf die Schulter gefallen und er konnte somit seinen linken Arm kaum bewegen, da er mit blauen Flecken und Schwellungen übersät war. Somit blieben also bei beiden Einkommensquellen der erhoffte Erfolg aus und Hunger erfüllte schon bald ihre Mägen. Elizabeth war nun gezwungen, die von Jennifer angebotene Stelle als kurzzeitige Küchenmagd anzunehmen.


***


Elizabeth arbeitete nun schon seit einigen Tagen in der Küche des Herrenhauses und da die Angestellten dort gratis Essensreste bekamen, hatte sie sich provisorisch zwei der vom Unfall verschonten Tontöpfe in ihre Schürze eingenäht, um das Essen besser transportieren zu können.

Anfangs war es ihr unwohl gewesen, kleine Essensportionen in ihre Tasche zu schieben und mit nach Hause zu nehmen, doch da Johnny mit der Verletzung nicht arbeiten konnte, hatte sie leider keine andere Wahl gehabt.
Sie sorgte sich um ihn, denn sie wusste, dass er mehr Hunger litt als sie selbst, denn schließlich bestand er beim Essen immer darauf, dass sie die größere Portion zu sich nahm…
„Nein, wirklich Elizabeth…“, begann er und schob ihr den karg gefüllten Teller zurück über den Tisch. „Du verbrauchst mehr Energie beim Arbeiten als ich hier zuhause…“
Leicht genervt seufzte sie. Es war immer das Gleiche mit ihm. Er wollte zurückstecken so viel es ging, nur damit es ihr besser ging als ihm.
Elizabeth wollte gerade protestieren, als Johnny sich langsam vom Tisch erhob.
„Iss, ‘Lizabeth...“, fuhr er fort und griff sich auf seinen schmerzenden Arm. „Ich werde mich auf der Ofenbank etwas hinlegen…“
Sie konnte in seinem vor Schmerz verzerrten Gesicht sehen, dass es ihm schlechter ging als er zeigen wollte. Sie sagte kein Wort, bevor sie ebenfalls aufstand und den Teller zur Seite schob. Ihr Magen knurrte, doch sie war der Meinung, dass John mehr Energie benötigte als sie. Denn schließlich musste er so schnell als möglich wieder gesund werden.
„Ich habe keine Hunger mehr.“ Sie lächelte und ignorierte den Blick, den ihr Johnny zuwarf. Er wusste, dass sie log.
Jonny gab ein lautes Keuchen von sich, als er sich auf der Holzbank neben dem Kamin nieder ließ. Sein ganzer Körper schmerzte.
„Hier, lass mich dir helfen.“ Hastig griff sie nach einem der kleinen Kissen, bevor sie ihm dabei half sich auf der Bank hinzulegen. Vorsichtig schob sie das Kissen unter seinen Kopf, doch Johnny zog das Kissen sofort unterm Kopf hervor und platzierte seinen verletzten Arm drauf.
„Das ist viel besser…“, murmelte er leise und Elizabeth schüttelte den Kopf. Sie konnte nicht verstehen, wie er sich so verletzen konnte beim Holzfällen. Sein ganzer Oberkörper war übersät mit blauen Flecken und Prellungen.
Sie nahm neben ihm auf der Bank Platz und lehnte sich mit dem Rücken gegen die warmen Fliesen des Kachelofens. Als Johnny den Kopf leicht anhob, wusste sie, dass sie dichter an ihn rücken sollte, damit er seinen Kopf auf ihre Oberschenkel legen konnte.
Er schloss die Augen, als sie begann ihm vorsichtig mit ihren Fingern durchs Haar zu streichen.
„Du solltest dich rasieren“, brach sie dann die gemütliche Stille. „Ich glaube, du würdest viel besser aussehen ohne Bart...“
Johnny grinste, öffnete seine Augen und sah zu ihr hoch. Sie hatte ein Lächeln auf den Lippen.
„Ich würde wie ein ganz anderer Mann aussehen…“, begann er dann und Elizabeths Lächeln wurde größer.
„Naja, attraktiver wärst du dann auf jeden Fall!“
Er wusste, dass sie ihn neckte.
„Wäre etwas anders, wenn ich attraktiver wäre?“
Er leckte sich nervös über die Lippen und Elizabeth wusste, dass er die Frage ernst gemeint hatte.
„Inwiefern?“, wollte sie wissen, obwohl sie genau wusste, in welche Richtung dieses Gespräch führen würde.
„Naja…“, begann er, ehe seine Fingern nervös mit seinem Hemd-Knopf zu spielen begannen. „.. Zwischen dir … und mir…“
Elizabeht’s Lächeln war verschwunden.
„Was willst du von mir hören, Johnny?“
Er zuckte mit den Schultern. „Die Wahrheit!?“
Vorsichtig strichen ihre zarten Finger über sein Ohr, ehe sie wieder durch sein schwarzes Haar glitten. Für einen Moment überlegte sie.
„Dinge… Dinge müssten … mehr … viel mehr müsste anders sein, Johnny…“, begann sie dann und er griff vorsichtig nach ihrer Hand.
„Wie was? Geld? Land?...“
Elizabeth lächelte. „Ja, etwas Geld wäre schon nicht schlecht…“
Bestätigend nickte er. „Mehr Geld lässt sich organisieren…“
„Auch wenn wir mehr Geld hätten… wir würden immer dieses Leben führen… wir würden immer von einem Tag auf den nächsten leben; in der Hoffnung, dass uns das Schicksal nicht unfair behandelt…“ Ihre Miene war erst. „Wir könnten uns keine Kinder leisten… und sogar wenn wir es könnten, dann könnten wir ihnen keine gute Schulbildung bieten….“
Seine raue Hand umfasste die ihre und vorsichtig begann sein Daumen sie zu streicheln.
„Aber wenn wir uns das alles leisten könnten, was wäre dann?“
„Wenn ist ein sehr theoretisches Wort…“
Johnny stöhnte. Er wusste, dass sie seiner Frage bewusste aus dem Weg ging.
„Wenn ich dir ein besseres Leben als dieses hier bieten könnte, würdest du mich heiraten?“
Sie sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an und erst jetzt realisierte er, was er sie soeben gefragt hatte. Nervosität durchfuhr seinen Körper. Ja, er war sich seiner Gefühle für Elizabeth bewusst gewesen, doch er hatte nie daran gedacht, sie so unkontrolliert an den Tag zu legen. Er konnte ihren Schock darüber in ihrem Gesicht ablesen.
„Tut mir Leid…ich...ahm…ich wollte nicht…äh…“ Nervös stammelte und stotterte er vor sich hin, bevor er ihre Hand losließ, sich damit durch die Haare strich und sich aufsetzte. Schmerz durchzog seinen Körper, denn die Bewegung war viel zu schnell gewesen.
„Äääähh...“, gab Elizabeth dann leise von sich. Sie wusste nicht so recht, was sie sagen sollte.
Natürlich wusste sie, was sie sagen wollte, jedoch würde das nichts an seiner Situation ändern. Johnny würde ihr nie ein besseres Leben bieten können, also war sie sich nicht sicher, ob sie ihm überhaupt Hoffnung machen sollte. Er war ein Bauer, sie eine zukünftige Baronin. Die Situation war aussichtslos, denn egal was sie beide wollten, sie wusste, dass ihr Vater – egal wie sehr er sie auch verheiraten wollte – niemals zu einer Hochzeit mit einem hungerleidenden Spielmann zustimmen würde. Er würde sich eher seine Zehen abhacken und diese zum Frühstück verzehren, als seine einzige Tochter an so einen Mann abzugeben… da war sie sich sicher.
Johnny schwieg für einen Augenblick, bevor er endgültig von der hölzernen Bank aufstand. „Ich gehe kurz an die frische Luft“, brummte er schroff und begann, Richtung Haustüre zu marschieren.
Verunsichert strich sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr, bevor sie den Blick senkte und „Vielleicht…Vermutlich“ murmelte.
Johnny blinzelte verwirrt. Vermutlich? War vermutlich gut oder schlecht?


**


Elizabeth war gerade dabei, sich ein paar übriggeblieben Brocken des Marmorkuchens in die Taschen zu schieben, als Jennifer in die Küche gelaufen kam.
„Es beginnt… Es beginnt…“, quietschte sie aufgeregt.
„Was beginnt?“, wollte Kate von ihr wissen, welcher die Leitung der Küche zugeteilt worden war.
„Der Tanz!“ Jennifer konnte man ihre Aufregung richtig anhören. Hastigen Schrittes ging sie auf Elizabeth zu, ehe sie diese an der Hand packte und mit sich zerrte. „Komm, lass uns ein wenig zusehen!“ Schelmisch lächelte Jennifer, was auch Elizabeth ein Grinsen auf die Lippen zauberte.

Auf leisen Sohlen schlichen die beiden zum Eingang des Ballsaales. Zwei der Diener wollten sie vom Eintreten abhalten, doch Jennifer war gut mit Worten und hatte ihnen Zugang verschaffen können. Sie bewegten sich an der Mauer entlang hinter den Gästen, bis sie die Tanzfläche sehen konnten.
„Das dort ist Magistrat Caldwell!“, flüsterte Jennifer, wobei sie mit dem Fingern auf eine kahlköpfige Gestalt am Rande der Tanzfläche zeigte.
„Oh und der dort, welcher mit der im gelben Kleid tanzt, ist General Woolsey!“
Aufgeregt betrachtete Elizabeth die Gesichter der Gäste. Einige der Personen hatte sie schon zuvor auf einer der zahlreichen Parties gesehen, doch sie erspähten keinen, den sie gut kannte. Erleichtert atmete Elizabeth tief durch. Sie hätte die Blamage nicht ertragen können, wenn sie einer der Gäste wiedererkannt und gesehen hätte, in welchen Lumpen sie gekleidet und auf welchen sozialen Status sie gerutscht war.
„Siehst du den Kerl da, der mit dem roten Band um den Körper?“, wollte Jennifer wissen.
Elizabeth blinzelte. „Meinst du den, der uns anstarrt?“
Krampfhaft schluckte Jennifer. Ein rasches „Yup!“ huschte über ihre Lippen, als der Mann auf sie zugeschritten kam. Nervös blickten beide auf den Boden. Sie wussten, dass sie nicht hätten hier sein dürfen und dass sie nun vermutlich ihre Positionen verlieren würden. Der Mann räusperte sich, bevor er Elizabeth die Hand hinstreckte. „Darf ich mit Ihnen tanzen?“
Elizabeth schluckte. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, doch als ihr Jennifer einen kleinen Klaps an die Schulter gab, stammelte sie leise „Gern“.
Verunsichert nahm sie die Hand des Mannes an, während sie in musterte. Irgendwie kam er ihr bekannt vor… er hatte dunkles Haar, strahlend grüne Augen und eine stattliche Figur und sie könnte schwören, dass sie ihn zuvor schon einmal gesehen hatte.
Gelassen führte er sie zur Tanzfläche. Elizabeth betete, dass sie wirklich keiner erkennen würde, denn sie könnte die Schande einfach nicht durchstehen.
Der Tanz begann und beide schwiegen für einige Augenblicke, ehe Elizabeth eine kleine Brosche an der Uniform des Mannes entdeckte. Darauf abgebildet war ein Pferd mit Flügeln, ein sogenannter Pegasus, und Unmut machte sich in ihr breit. Der Pegasus war das Zeichen von Atlantis…
Plötzlich machte etwas in ihr ‚Klick‘. Ein gut aussehender Mann, die Brosche von Atlantis, die rote Schleife des Hochadels…
„S..Sie sind…“, begann sie zu stottern und der Mann lächelte.
„Prinz John Sheppard I. von Atlantis!?“
Schockiert riss Elizabeth den Mund auf und blieb stehen.
„Alles in Ordnung, Baroness?“, wollte er von ihr wissen und Elizabeth konnte es nicht fassen, dass er sie erkannt hatte. Röte schoss ihr ins Gesicht und panisch riss sie ihre Hände aus den seinen. Sie wollte gerade davon laufen, doch Sheppard ergriff ihr Handgelenk und versetzte ihr somit einen kleinen Stoß rückwärts.
Plötzlich machte es einen lauten Knall und Hunderte von Splittern zierten den Boden. Die Tontöpfe, welche Elizabeth in ihr Kleid genäht hatte, hatten sich aus ihrer Schürze gelöst und waren mit voller Wucht auf dem Boden aufgeprallt. Die von ihr gesammelten Essensreste für Johnny lagen verteilt auf dem Tanzboden.
Fassungslos stand Elizabeth da und starrte auf das Chaos vor sich. Sie konnte die Leute zuerst tuscheln hören, ehe die Menge in lautes Gelächter ausbrach und die tollpatschige Magd und ihre Kuchenbrösel verspottete.
In Sekundenschnelle kullerten Tränen der Wut und der Scham über ihre glühenden Wangen und Elizabeth schlug ihre Hände vor ihr Gesicht. Sie konnte nicht fassen, was soeben gesehen war. Schluchzend sank sie auf die Knie.
Verunsichert befeuchtete Prinz John die Lippen. So hatte er ihr erstes öffentliches Kennenlernen nicht geplant gehabt und unendlich viele Schuldgefühle machten sich in ihm breit. Was hatte er bloß getan?
Vorsichtig bückte er sich zu ihrer heulenden Gestalt hinab, doch als er mitfühlend seine Hand auf ihre Schulter legte, gab sie ihn vor Zorn und Wut einen Stoß an die linke Schulter.
Vor Schmerz keuchte er laut auf.
Verwirrt über seine dramatische Reaktion auf ihren kleinen Ruck sah sie zu ihm auf. Der schmerzerfüllte Blick in seinen grünen Augen war ihr vertraut und je länger sie den Mann vor sich ansah, desto mehr fügten sich die Teile ihres Puzzles zusammen.
„Johnny?“, flüsterte sie dann und wischte sich eine Träne von der Wange. Sheppard biss sich John auf die Unterlippe, ehe er den Kopf senkte und auf seine Fingern starrte.
„Es tut mir leid, ‘Lizabeth…“ Seine Stimme war nicht lauter als ein Windhauch. Elizabeth blinzelte. Ihr Gesicht war plötzlich nicht mehr rot, sondern so weiß wie Schnee.
„Warum?“, war alles, was sie sagen konnte.
„Weil du mich nicht heiraten wolltest… weil du mich verspottet hast für meinen Stolz und ich den deinen brechen wollte…“, begann er. „Ich hatte mit deinem Vater eine Vereinbarung getroffen. Er wollte, dass dir eine gute Lektion erteilt wird…“
Entsetzt schüttelte sie den Kopf. „Und deshalb gibt’s du dich als Bauer aus? Damit ich meine Lektion lerne? Damit ich mir die Hände blutig arbeite und mich in dich verliebe?“
„Ich war nicht nur der Bauer…“
Auffordernd zog sie die Augenbraue nach oben und John schluckte.
„Ich…ich war auch der Reiter… auf dem Markt!“, gab er dann zu und Elizabeth nickte mehrmals. Sie hatte eindeutig genug gehört. Eifrig wischte sie sich die letzten Tränen aus dem Gesicht, stand auf und wandte sich entschlossen dem Ausgang zu. Erst jetzt realisierte sie, dass die Menschenmenge gespannt ihr Gespräch verfolgte und alle Augen auf sie gerichtet waren.
„Heirate mich, Elizabeth!“
Seine Stimme hallte durch den stillen Raum und Elizabeth blieb ruckartig stehen. Das war doch jetzt nicht sein Ernst, oder?
Langsam drehte sie sich zu ihm um und sah ihm dabei zu wie er sich aufrichtete. Es war offensichtlich, dass es ihm aufgrund der Prellungen (welche er sich beim beabsichtigen Fall auf Elizabeths Marktstand und nicht beim Holzhaken zugezogen hatte) am Körper schwer fiel.
Er ging auf sie zu, während seine gesunde Hand in seiner Uniformtasche zu kramen begann. Er zog einen kleinen Metallring aus der Tasche, welcher mit einem kleinen grünen Stein besetzt war. Achtsam hielt er ihr das Stück Metall vor die Nase.
Als sie den Ring genauer betrachtete, stiegen ihr erneut Tränen in die Augen. Es war der Ring, den sie bei einem gemeinsamen Besuch auf einem Markt in den Fingern gehalten hatte. Es war ein billiges Stück Metall gewesen, welches auf einem der Pulte vor den Zigeunerwagen gelegen hatte. Johnny hatte ihr den Ring nicht kaufen können, da er für ihre Verhältnisse viel zu teuer gewesen war und sie all ihr Geld für Essen benötigten.
„So..?“, wollte John dann wissen und Elizabeth sah zu ihm hoch. Nervös schwankte er von einem Bein aufs andere. „Willst du mich heiraten?“ Seine Stimme war sanft und leise. Ein kleines Lachen rutschte über ihre Lippen, ehe ein paar Tränen über ihre Wange kullerten, welche sie sofort mit ihrer Hand gewischte.
„JA!“
Er gab ein erleichtertes „Gott sei Dank!“ von sich, ehe er von Ohr zu Ohr grinste, sie dicht an sich zog und ihr einen langen Kuss auf die Lippen drückte. Freudig schlug Elizabeth ihre Arme um ihn und die Ballbesucher begannen freudig zu klatschen und zu jubeln. So eine gute Vorstellung hatte keiner der Besucher erwartet…

John und Elizabeth heirateten und lebten glücklich und zufrieden für den Rest ihres Lebens. Sie bekamen vier Kinder und jedem einzelnen davon konnten sie ein gutes Leben und eine ordentliche Schulbildung bieten. Elizabeth hatte alles erreicht, was sie sich je erträumt hatte.


- E N D E –


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