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Auf Ewigkeit von Sphere

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Dritter Teil


Jack wanderte ziellos durch die Station wie auf der Suche nach Freiheit, die er soeben verloren hatte. Einem Rausch folgte der Kater. Dies schien eine Konstante im Universum zu sein, die auch hier nicht ihre Gültigkeit verloren hatte.
Es war so überwältigend gewesen, dass es kaum in Worte zu fassen war. Tag für Tag hatte er immer nur das selbe gesehen, so dass er dagegen völlig abgestumpft war. Von einem Augenblick zum anderen waren dann völlig neue Eindrücke auf ihn eingeströmt. Die Freiheit, die sich ihm aufgetan hatte, war berauschend gewesen. Die schlichte Schönheit der Landschaft hatte ihn in Ekstase versetzt. Für einen kurzen Augenblick war er glücklich gewesen.
Doch das Glück war ihm zwischen den Fingern zerronnen, er hatte nicht vermocht es zu halten. All das, was er so plötzlich gewonnen hatte, verschwand wie es gekommen war und hinterließ nichts als Leere und Enttäuschung.
Sie würden in nächster Zeit nicht noch einmal hinaus können. Ihre Systeme verkrafteten keine zu häufige Auf- und Entladung. Es könnte sie umbringen oder dauerhaften Schaden verursachen. Sie würden sich wieder damit abfinden müssen auf Dauer hier zu bleiben – damit war er wieder ganz am Anfang.
Irgendwann würden sich ihre Körper erholt haben und wieder in der Lage sein, sie erneut für einen Augenblick von hier fort zu bringen. Nur dann würde es keiner von ihnen mehr wollen. Es hätte bedeutet, dass sie das, was sie jetzt durchmachten, noch einmal durchleben mussten. Denn nach ein, zwei Reisen würde auch in Zukunft wieder Schluss damit sein. Noch einmal würde er das nicht verkraften können.
Jack konnte jetzt nachempfinden, was in Sam damals los gewesen war, als sie von der Erde zurückgekommen war. Wie gewonnen, so zerronnen. Einst war die Freiheit, die er dort erlebt hatte, völlig normal für ihn gewesen. Sie hätte ihn nie in einen Rausch versetzt. Jetzt war sie etwas wertvolles geworden – und unerreichbares.
Alles, was sie dort drüben gewannen, würden sie wieder verlieren – und vielleicht noch mehr. Es war gefährlich da draußen. Man konnte keine fünf Schritte gehen, ehe einem die Energie ausging. Sam hatte ihr Besuch auf der Erde fast den Verstand gekostet und sie waren gerade mit dem Leben davon gekommen.
Das Universum mochte nur einen Schritt entfernt sein, aber es war ein Schritt in die falsche Richtung, ein Schritt über einen Abgrund. Er auf jeden Fall würde das Tor nie wieder benutzen. Und wenn jemand wie er es wagte das Wort „nie“ zu benutzen, dann meinte er es auch so.
Als Teal’c Harlan fand, saß dieser hinter dem Hauptterminal des Stationscomputers. Harlan war ein äußerst nervöses Individuum, dessen Verhalten auf Teal’c durchaus irritierend wirkte. Dennoch musste er sich eingestehen, dass Harlan trotz all seiner Schrullen letztlich eine gute Seele war.
Harlan beobachtete Teal’c ohne besonderes Interesse, als er den Raum betrat und sich vor ihm aufbaute. „Harlan,“ verkündete Teal’c, „ich stehe in deiner Schuld. Du hast mein Leben und das meiner Freunde gerettet.“
„Oh, nein, nein, nein“, antwortete Harlan und kam hinter dem blauleuchtenden Terminal hervor. „Wir helfen uns doch gegenseitig. Du hilfst mir, ich helfe dir. So läuft das“, erklärte er.
Teal’c erinnerte sich daran, dass Harlan sich nach ihrer ersten Ankunft hier überhaupt nicht kooperativ gezeigt hatte. Auch als er nach ´215 aufgebrochen war, hatte er sich nicht erbaut über seine Bitte nach Hilfe gezeigt. Aber letztlich waren es Taten, die zählten und nicht Worte. Er würde ihm jetzt nicht widersprechen. „In der Tat“, war daher alles, was er darauf erwiderte. Dann verbeugte er sich jedoch trotzdem noch einmal. „Danke.“
„Com-traya“, antwortete Harlan.
Die Welt jenseits des Stargates hatte Teal’c nichts bedeutet. Es war Niemandsland in dem nichts und niemand lebte. Eine tote Welt ohne jeden Wert. Inzwischen wusste er, was die anderen dorthin getrieben hatte. Er konnte es nachvollziehen, doch letztlich waren es alles Dinge ohne praktischen Nutzen gewesen.
Trotzdem erkannte Teal’c, dass der Besuch ihn aufgewühlt hatte. Es war nicht die Welt an sich gewesen. Sie hatte ihn jedoch daran erinnert, dass es in seinem Leben sehr viel gab, das er unerledigt zurückgelassen hatte. All die Zeit hatte nichts daran geändert, dass er sich noch immer schuldig fühlte, weil er so viele Dinge versäumt hatte zu tun.
Eigentlich hatte er erwartet, dass diese Gefühle langsam verblassen würden. Doch das war nicht der Fall gewesen. In seinem Hinterkopf waren sie immer geblieben und hatten sich mit der Zeit eher verfestigt, als zu verschwinden. Wenn etwas verschwunden war, dann war es der Zweifel an diesem Schuldgefühl und der Glaube an die Argumente zu seiner Verteidigung.
Theoretisch gab es die Möglichkeit Chulak oder die Erde genauso zu besuchen wie 740215. Er hätte sehen können, ob sich die Dinge auch ohne seine persönliche Anwesenheit zu seiner Zufriedenheit gewendet hatten. Das hätte vielleicht sein Gewissen beruhigt.
Natürlich war es der Ausflug gewesen, der diese Idee wieder zum Vorschein gebracht hatte. Nur genauso natürlich hatte er ihm auch gleichzeitig das vor Augen geführt, was er schon vorher gewusst hatte: Die Welt da draußen lag heute so wenig in seinem Einflussbereich wie früher. Er hätte dort nicht einmal genügend Zeit gehabt, um sich überhaupt ein Bild zu machen, geschweige denn etwas zu ändern, wenn es dort nicht so aussah, wie er es sich wünschte. Das jedoch hätte ihn dann noch weitaus mehr aufgewühlt als die stetige Ungewissheit. Allein der Gedanke war also Energieverschwendung. Wie so vieles.
Eine Weile hatte er tatsächlich geglaubt, er könne negative Emotionen mit positiven aufwiegen. Doch letztlich waren alle Emotionen zu unberechenbar. Er hoffte, dass er irgendwann es nicht nur schaffen würde, sich von seinen Gefühlen nicht mehr beeindrucken zu lassen, wie er es bisher versuchte, sondern sich völlig von ihnen zu lösen. Dieser Wunsch wuchs bereits seit langem in ihm. Erst, wenn er frei war von sämtlichen Irrationalitäten, würde er auch frei sein von den Lasten dieser Welt. Nur wer völlig in sich selbst ruhte, konnte ein zufriedenes und letztlich auch glückliches Leben führen.

Sie war froh wieder hier zu sein. Sam musste zugeben, dass dieser Gedanke sie ein wenig überraschte. Insgeheim hatte sie befürchtet, dass sie wieder in die gleichen Depressionen stürzen könnte, wie nach dem Besuch der Erde.
Doch da war nur ein leises Bedauern. ´215 war eine wunderschöne Welt gewesen. Sie hätte nie gedacht, dass der Anblick von Nichts sie so berühren konnte. Bei aller Vorsicht sich nicht gar zu sehr darauf einzulassen, war es doch unvermeidbar gewesen, dass sie es genossen hatte. Es war schade gewesen, den Planeten wieder verlassen zu müssen. Dennoch hatte sie nicht das Gefühl etwas verloren zu haben.
Vielleicht lag es daran, dass sie sich völlig mit dem Leben hier abgefunden hatte. Die Station war zu ihrer Heimat geworden. Sie war ihr vertrauter als jeder andere Ort geworden, an dem sie sonst einmal gelebt hatte. Als sie von der Erde zurückgekommen war, war die Akzeptanz ihrer Situation, die sie im Folgenden entwickelt hatte, mehr eine Trotzreaktion und bloßer Überlebenswille gewesen. Sie hatte niemals wirklich hier leben wollen, aber hatte sich schlichtweg daran gewöhnt. Jetzt schien sie ihre Situation so verinnerlicht zu haben, dass der Gedanke an eine andere Existenz sie kalt ließ.
Doch vielleicht war dies nicht die ganze Wahrheit. Vielleicht war sie auch zu einer größeren Gefühlsregung als bloßer Traurigkeit gar nicht mehr fähig.
Ihr Gehirn vermochte sich wie sein biologisches Vorbild den Umständen anzupassen. Ein Blinder begann besser zu hören. Bewegungen oder Denkmuster konnten trainiert werden. Das, was im Gehirn bereits angelegt war, konnte ausgebaut werden, so dass es ganz leicht fiel. Doch daraus konnte auch ein Nachteil werden, denn ein Mann, der von Kindesbeinen auf ein Schwert geführt hatte, vermochte keine Feder mehr in die Hand zu nehmen, ohne dass sie zerbrach.
Was war, wenn in ihnen etwas ähnliches vorging? Seit sie hier waren, waren sie alle unvermeidlichen emotionalen Schwankungen unterlegen. Doch letztlich hatte sich das gelegt und eingependelt. Eine Ewigkeit hatte sie immer die gleiche Verbitterung und später Melancholie verspürt. Was wäre, wenn sich ihr Gehirn so sehr daran gewöhnt hatte, so sehr diese Strukturen geübt hatte, dass sie zu nichts anderem mehr fähig war? Die Herausforderung durch das Stargate zu gehen, hatte sie gelähmt, aber ihr nicht Angst oder Verzweiflung eingejagt. Auch war sie in letzter Zeit nie richtig glücklich gewesen. Abgesehen davon, dass es dafür keinen Grund gab, konnte sie es vielleicht gar nicht mehr!
Ihre leise Melodie zog wie eine kleine Rauchfahne im Wind durch den Raum.

Daniel hatte sich völlig verausgabt. Den anderen war es sofort besser gegangen, aber er musste lange Zeit nah an der Energiequelle verbringen, um sich zu erholen. Vielleicht bildete er sich das auch nur ein, denn eigentlich hätte es nicht nötig sein dürfen. Dennoch dauerte es dauerte lange, bis er glaubte, sich wieder besser zu fühlen.
Gerade in geistiger Hinsicht hatte ihn der Ausflug erschöpft. Über die Jahre hinweg hatte er viel angestaut gehabt: Gefühle wie Unzufriedenheit mit seiner Situation, Selbstzweifel oder sogar Selbsthass. Eine totale innere Zerrissenheit.
Es war klar gewesen, dass er eines Tages platzen musste. Und das hatte er sehr gründlich getan. Wie ein Stausee im Gebirge, dessen Damm dem Druck nicht mehr standhalten konnte, war eine reißende Flut unterdrückter Gefühle hervorgebrochen und hatte sich ins Tal gewälzt.
Jetzt fühlte er sich erleichtert. Der Strom hatte alles mit sich genommen. Es herrschte die Ruhe nach dem Sturm. Nun galt es die Verwüstungen des Wassers zu beseitigen und mit sich selbst ins Reine zu kommen.
Daniel war nicht ins Archiv zurückgekehrt. Er tat einfach nur noch das, was ihm in den Sinn kam. Dies war nicht nur äußerst entspannend, sondern verhinderte auch, dass sich irgendwo wieder etwas aufstaute.
Im Prinzip tat er jetzt das, was die anderen schon vor langer Zeit getan hatten: Er versuchte sich zu beschäftigen. Er begann damit, die damals provisorisch gedachte Einrichtung seines kleinen Raumes, total umzugestalten und so einzurichten, dass es darin einigermaßen wohnlich war.
Er begann ein Tagebuch zu führen. Das Wort „Tagebuch“ passte zwar nicht wirklich, aber es kam dem doch am nächsten.
Eigentlich war es nicht einmal ein Buch im herkömmlichen Sinne – wenn es hier jemals Papier gegeben hatte, so war es längst zu Staub zerfallen. Er tippte sein Buch statt dessen in einen Ableger des Stationscomputers, wo es sich zu den anderen Daten im Archiv zusammen mit Sams Büchern gesellen würde.
Daniel schrieb dort alles rein, was ihn so beschäftigte. Seinem Tagebuch konnte er all seine innersten Gedanken und Wünsche anvertrauen. Außerdem berichtete er dort auch über die Geschehnisse in der Vergangenheit. Vielleicht würde es ja, falls er doch einmal sterben sollte, irgendwann einmal jemand lesen und erfahren, was hier unten über einen unermesslichen Zeitraum hinweg passiert war. Jedoch würde niemand wirklich alles lesen können, da die Länge dieses Buches irgendwann ein so gewaltiges Ausmaß erreichte, dass die Lebensspanne eines Menschen unmöglich ausgereicht hätte, um es vollständig durchlesen zu können.
Aber Daniel tat nie wieder etwas so lange, bis es ihn zu frustrieren begann. Immer wieder unterbrach er seine Arbeit an dem Buch – eigentlich war es mehr eine Sammlung von unterschiedlichen Texten, als ein Buch mit einer inneren Ordnung – und tat etwas anderes, bis ihm irgendwann wieder danach war.
Er verbrachte viel Zeit mit der Betrachtung der Dinge, die Jack zusammengeschweißt hatte. Viele von ihnen waren wirklich kunstvoll und zeugten von großer Übung und großem Können – und an vielen hätte Sigmund Freud bestimmt seine helle Freude gehabt.
Jeder Künstler durchlebte verschiedene Phasen, in denen er einen anderen Stil verwendete. Jack hatte mehrere Lebensspannen mit dem Schweißen zugebracht und entsprechend waren seine Werke sehr unterschiedlich ausgefallen.
Da waren zum einen die sehr konkreten Dinge oder Figuren. Sehr viele Hunde, wie ihm auffiel. Jack hatte Hunde geliebt, aber er war auf der Erde nie regelmäßig genug zu Hause gewesen, um sich einen anzuschaffen.
Und dann waren da noch die ganzen surrealistischen Figuren oder auch die völlig abstrakten... Dinger. Es waren skurrile und teilweise Angst einflößende Gestalten und Tiere, ineinander geschachtelte Kreise und unentwirrbare Knoten.
Jack hatte dabei bestimmt nicht nachgedacht, was er da tat. Und dies war gerade etwas, was für einen Psychologen interessant gewesen wäre. Wenn man nicht darüber nachdachte, was man tat, bedeutete dass, dass man dem Unterbewusstsein freien Lauf ließ. Aus dem Ergebnis konnte man also – wenn man den Seelenklempnern glauben schenkte – auf das Unbewusste schließen. In gewisser Weise beruhigten diese Gebilde also Daniel, weil sie deutlich zeigten, dass er nicht der einzige mit Problemen war.
Bei allem, was er tat, durfte natürlich nicht die obligatorische Wartung der Station fehlen. Dies war nicht nur etwas, dass einfach überlebenswichtig war; sie hatten auch eine stille Übereinkunft getroffen, dass jeder etwas für die Station tat, wenn er sich gerade dazu in der Lage fühlte.
Irgendwann kehrte Daniel dann auch wieder ganz von alleine ins Archiv zurück. Es war infantil gewesen, zu versuchen, alles auf einen Schlag durchzuarbeiten. Er ging die Sache jetzt völlig locker an, sichtete die Daten und überlegte sich vorher, was es wert war, gelesen zu werden. Er verglich ernsthaft die Texte miteinander, die ihm früher so bekannt vorgekommen waren, und prüfte, inwieweit sie wirklich gleich waren.
Ob er es schaffen würde, sich auf Dauer zu beschäftigen, bezweifelte er. Alles wurde einem mit der Zeit überdrüssig, das sah er an den anderen. Außerdem war da immer noch der Teil von ihm, in dem das Unwohlsein gegenüber ihm selbst, dass er so lange geschürt hatte, Wurzeln geschlagen hatte. Diesem Teil würde er immer unsympathisch bleiben.
Aber was sollte er schon tun, außer zu leben?


* * *


Die Wellen hatten sich geglättet. Immer seltener sah Teal’c hinunter, wo die Gefühle unter ihm immer weiter weg erschienen. Irgendwann verlor er sie völlig aus dem Blick.
Teal’c ruhte in sich selbst. Er tat nichts mehr, saß völlig ohne jede Regung in seinem Raum. Eine ungeheure Trägheit erfüllte ihn. Wäre er in Sirup eingeschlossen, wäre es einfacher gewesen sich zu bewegen. Allein aufzustehen hätte einen ungeahnten Willensakt erfordert. Danach noch etwas zu tun, erschien unmöglich.
Er war wie ein schwerer Körper, der sich auf einer unebenen Oberfläche verhakt hatte. Es erforderte nicht nur eine ständige Kraft, um den Körper entgegen der Reibung in Bewegung zu halten, sondern auch eine enorme Anstrengung, um ihn als erstes einmal aus der Verkantung zu lösen. Diese Kraft war Teal’c nicht bereit aufzubringen.
Nach einer Ewigkeit hatte Teal’c es endgültig geschafft, sich seiner Gefühle zu entledigen. Was blieb, war der Verstand in seiner reinsten Form. Und wenn er auf ihn hörte, dann gab es keinen rationalen Grund, irgendetwas zu tun.
Jemand hatte mal gesagt, dass die Zeit ein Raubtier sei, dass einen ein Leben lang verfolgte. Hier unten hatte das Raubtier keine Zähne. Dies bedeutete zum einen, dass er ihm nie zu Opfer fallen würde, aber auch, dass ihm deswegen jeglicher Antrieb fehlte. Er musste nicht vor der Zeit davonlaufen und blieb so einfach auf der Stelle stehen.
In der Natur gab es ein Prinzip, nach dem alles einem möglichst energiearmen Zustand entgegenstrebte. In seiner inneren Welt, die nun bar jeder Gefühle war, gab es keine Spannungen oder Unregelmäßigkeiten und damit auch keine Energie mehr. Diesem Prinzip nach hatte er also das ultimative Ziel erreicht, den idealen Zustand, nach dem alles strebte.
Das dieser nichts weiter war als Erstarrung ohne jede Bewegung oder Veränderung, störte ihn nicht. Bewegung brauchte man nur, wenn man einem Ziel entgegen strebte. Nach seiner Sicht der Dinge hatte er sein Ziel erreicht.
Ein Großteil der Aktivität von Lebewesen rührte von ihrem Interesse her sich selbst und ihre Art zu erhalten. Dies war schon der Grund gewesen, warum Leben überhaupt entstanden war. Die erste DNA oder primitive Zelle hatten nun mal die besondere Eigenschaft gehabt, ihre Struktur zu erhalten und zu vervielfältigen. So hatten sie sich durchgesetzt. Dieses Prinzip zog sich vom Einzeller bis hoch zum Menschen. Der Mensch ging Tag für Tag zur Arbeit, um etwas zu Essen zu haben und letztlich leben zu können.
Teal’c musste nichts für die Erhaltung seines Lebens tun. Dafür war gesorgt. Er brauchte nichts, als die Energie der Station und die bekam er ohne selber aktiv werden zu müssen. Längst fühlte er sich nicht mehr verpflichtet den anderen bei der Reparatur der Quelle zu helfen. Er hatte das lange genug ganz allein gemacht. Seine Schuldigkeit war getan.
Letztlich war er auch nicht wirklich daran interessiert, dass die Quelle weiterlief. Sollte sie irgendwann ihren Dienst einstellen, wäre auch das Teal’c recht gewesen. Aber er schien zu wissen, dass dieser Zeitpunkt noch in weiter Ferne lag.
Bei weitem bestand das Leben von intelligenten Wesen jedoch nicht nur aus dem Kampf ums Überleben. Da gab es immer noch genug andere Dinge, die sich weder mit diesem Trieb noch mit bloßer Logik erklären ließen. Dies begann mit dem Bedürfnis Hobbys und scheinbar sinnlose Freizeitbeschäftigungen auszuüben und erstreckte sich bis zum dem Forschungsdrang, der die Tau’ri nach Amerika und zu den Sternen geführt hatte. Es war nicht immer völlig logisch. Eine innere Kraft schien die Menschen dazu zu treiben. Diese Kraft lag in ihrer Gefühlswelt – und die hatte Teal’c ausgesperrt.
Damit gab es nichts mehr, was ihn dazu hätte veranlassen können, etwas zu tun. Da es nicht vernünftig gewesen wäre dies zu bedauern, tat er es auch nicht.
In der Tatsache, dass er nichts mehr unternahm, lag gleichzeitig auch sein Desinteresse, sein Leben zu erhalten. Wozu hätte er das auch tun sollen, wenn er hier sowieso keinen Zweck erfüllte?

Nachdem Jack lange genug darüber gebrütet hatte, was nun eigentlich auf 740215 passiert war, riss er ein paar Wände ein.
Er fragte sich, warum er nicht schon früher auf diese Idee gekommen war. Die an seinen Raum angrenzenden Kammern standen leer. Die Räume der anderen befanden sich an entgegengesetzten Enden der Station. Also störte es niemanden, als er die Wände zwischen seinem Raum und den beiden Räumen, die rechts von ihm lagen, entfernte.
Es hatte ihn eine Weile beschäftigt, da die Wände Rohre und Kabel führten, die er neu verlegen musste – aber es lohnte sich. Er verzichtete nur aus dem Grund darauf noch einen weiteren Raum zu erschließen, weil er nicht genug Lampen gehabt hätte, um ihn ausreichend zu beleuchten. Aber es reichte auch. Jetzt hatte er dreimal soviel Platz wie vorher.
Inzwischen hatte er es auch geschafft sich bei Teal’c dafür zu bedanken, dass er versucht hatte ihn von ´215 zu holen, und sich für seine anfängliche Reaktion zu entschuldigen. Nur gegenüber Harlan hatte er sich nicht weiter geäußert. Das ausgerechnet er es sein musste, dem er in letzter Konsequenz sein Leben schuldete, passte ihm gar nicht.
Auf jeden Fall war Jack inzwischen froh darüber, das er nicht auf dem Planeten geblieben war. Das bisschen Freiheit, das er dort noch hätte genießen können, wäre tödlich gewesen – und es wäre bedauerlich, wenn sein Leben dort geendet hätte.


* * *


Die Zeit ging ins Land. Keiner wusste genau wie viel, aber es war vermutlich sehr viel Zeit.
Sie schien langsam zu vergehen, doch was bedeutete schon ihre subjektive Wahrnehmung. Vielleicht verlief sie sogar schneller, als sie es früher getan hatte, wer konnte das schon sagen. Der Strom der Zeit rann dahin und da es an seinem Ufer keine Anhaltspunkte gab, konnte niemand sagen, wie schnell er wirklich floss.
Sie waren alt. Uralt. Jack wusste, wie sich ein alter Körper anfühlte; ein Körper, der schneller alterte, als er es eigentlich sollte. Doch jetzt war er in genau der umgekehrten Situation. Er mochte sich irren, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass es irgendwo Wesen gab, die älter als sie waren.
Früher einmal hatte es geheißen, dass Alter ein Zeichen von Weisheit war. Deswegen waren die Alten in vielen Gesellschaften auch so geachtet gewesen. Jack stellte sich die personifizierte Weisheit als einen alten Mann vor. Eine gebeugte Gestalt mit weißen Haaren und langem, weißem Bart.
Sie hatten sich in all der Zeit kein bisschen verändert. Ihre Haut zeigte weder Falten noch war sie brüchig wie alter Kunststoff. Ihre Haare wurden weder grau noch fielen sie aus. Ihre Körper waren viel zu raffiniert gebaut, als das sie das zugelassen hätten. Jedes Teilchen in ihnen vermochte abgelöst, bis in subatomarer Ebene umgebaut und an einer beliebigen Stelle wieder angebracht werden. So grausam konnte Nanotechnik sein.
Es gab keinen Verschleiß, weil sie alle, ohne es zu merken, ständig Teilchen für Teilchen neu gebaut und renoviert wurden. Wenn sie einmal zu träge waren leichte Verletzungen wie Schnittwunden, die sie sich zum Beispiel bei den Reparaturen der Station zugezogen hatten, zu reparieren, dann heilten sie von selbst, wenn sie nur lange genug warteten.
Selbst, wenn mal ein Härchen ausfiel; aus der Energie der Station konnten ihre Körper sogar neue Masse erschaffen, um die verlorene zu ersetzen. Sam hatte ihm erzählt, dass sie einmal versucht hatte sich die Haare zu schneiden. Doch ihr Körper hatte den „Schaden“ repariert und nach einiger Zeit hatten ihre Haare wieder die ursprüngliche Länge gehabt.
Aber in den Körpern, die noch genauso erschienen wie an dem Tag, als sie Altair zum ersten Mal betreten hatten, wohnten Wesen, an denen die Zeit überhaupt nicht spurlos vorbeigegangen war. Ihr Geist lebte in einem Körper wie ein Einsiedlerkrebs in einem Schneckenhaus. Uralte und teils deprimierte Geschöpfe in jungen und starken Körpern.
Doch die Zeit hatte ihnen nicht nur kein sichtbares Alter gebracht sondern auch keine Weisheit. Jack konnte viel von sich behaupten, aber dass er oder einer von ihnen so weise geworden wäre, wie es sich für ihr enormes Alter gehörte, würde er nicht wagen zu behaupten.
Das einzige, was hier zerfiel, waren nicht ihre Körper, sondern alles um sie herum. Sie hatten lange und hart gekämpft und sie hatten den Kampf gegen die Luftumwälzungsanlage der Station verloren. Sie funktionierte nicht mehr.
Die Umwälzanlage mit ihren Reinigungs- und Wiederaufbereitungssystemen war nichts, was für ihr Überleben wichtig gewesen wäre, da es hier unten niemanden gab, der Sauerstoff verbrauchte. Das sie mit ihren künstlichen Lungen trotzdem noch so taten, als würden sie atmen, hatte ihnen früher vielleicht dabei geholfen, sich wie Menschen zu fühlen, zu glauben, alles sei normal. Inzwischen war dieses Stück Technik genauso überflüssig, wie der der Blinddarm des Menschen.
Das unangenehme daran war nur, dass sie mit jedem Atemzug riechen mussten, wie die Luft ohne die Umwälzung immer schlechter wurde. Schon als sie von ´215 zurückgekommen waren, war die Luft schlecht gewesen, es hatte jedoch einen Ausflug ins Freie gebraucht, um das zu bemerken. Als die Anlage ausfiel, bemerkten sie es sofort. In der inaktiven Sektion 3 war es wenigstens kühl, aber jetzt wurde im Rest der Station die Luft nicht nur sehr schnell abgestanden sondern auch heiß. Ein nicht zu beschreibender Mief füllte sie aus, der sich mit der Hitze und Feuchtigkeit aus undichten geothermischen Rohren mischte.
Doch irgendwann war ein Niveau erreicht, ab dem es nicht mehr schlimmer wurde; kaum schlimmer werden konnte. Und sie hatten sich daran gewöhnt. Wenn man lange genug auf einer Erbse saß, würde man ihre Existenz irgendwann vergessen. Inzwischen war es Jack unmöglich geworden herauszufinden, ob die Luft immer noch so schlecht war oder sich womöglich wundersamerweise mit der Zeit wieder gebessert hatte.
Auf der Suche nach Ersatzteilen hatte er die ganze Station durchstöbert. Nicht einmal das Labor hatte er dabei außen vorgelassen, obwohl dies früher einmal Sams heilige Gefilde gewesen waren. Sie hatte sich in eine Furie verwandeln können, wenn man sie hier gestört hatte. Jetzt war es Niemandsland.
Als die Luftumwälzung noch funktioniert und die Luft ständig gereinigt und in Bewegung gehalten hatte, war Staub nie ein Problem für sie gewesen. Jetzt jedoch begannen sich die unvermeidbaren Partikel in der Luft abzusetzen.
Im Labor war es besonders schlimm. Hier hatte es seit ewigen Zeiten keinen Luftzug mehr gegeben, der den Staub wieder aufgewirbelt hätte. Das Labor hätte ausgesehen, als ob Sam nur mal kurz weggegangen wäre, wenn da nicht die dicke Staubschicht gewesen wäre.
Besonders viele brauchbare Sachen fand er nicht, dafür aber den Laptop von der Erde. Als er den Staub von ihm streichen wollte, zerbröselte das Kunststoffgehäuse unter seinen Fingern. Da hatten sich die Menschen über die Unverrottbarkeit ihrer Plastikberge aufgeregt und jetzt das...
So würde es letztlich mit allem enden. Auch mit ihnen. Jack konnte nur hoffen, dass dieser Zeitpunkt noch in weiter Ferne lag.

Das Pendel schwang nach oben und verharrte frei in der Luft schwebend. Teal’c fixierte es, als könne er dem Pendel auf diese Weise klar machen, dass es lieber der Schwerkraft folgen sollte, anstatt bei seinem größten Ausschlag einfach stehen zu bleiben. Doch entgegen allen Naturgesetzen blieb es dort hängen, wie um Teal’cs Rationalität zu verhöhnen.
Sein Verstand sagte ihm, dass es unmöglich sein konnte, dass ein Pendel plötzlich stehen blieb. Logischerweise musste er es sich also einbilden. Es konnte gar nicht real sein. Auf der anderen Seite wusste er, dass ihn seine Augen noch nie getrogen hatten.
Die Schnur, an der das Gewichtstück hing, begann sich langsam zu kräuseln. Wie die Oberfläche eines Sees, über den der Wind hinweg strich. Hier gab es keinen Wind. Er kniff die Augen zusammen, doch die Bewegung verschwand nicht. Im Gegenteil: sie wurde stärker. Die Schnur schwang immer heftiger, wand sich, wie als wenn sie eine Schlage wäre. Und vielleicht war dieser Vergleich gar nicht so schlecht, denn sie begann sich auch aufzublähen, größer zu werden.
Auf ihrer Oberfläche zeigten sich Muster, wie auf der Haut einer Schlage. Die Farbmuster, die Schuppen – es war unmöglich. Und auch das Gewichtsstück begann sich zu verformen. Es wurde zu einem menschlichen Schädel. Nein, kein Schädel, es war eine Fratze mit weit aufgerissenen Maul. Die Augen glühten und das ganze seltsame Wesen, das mit dem Schwanz immer noch an der Decke hing, schoss ihm entgegen, genau auf ihn zu.
Teal’c riss die Augen auf. Diesmal in der Realität. Das Pendel hing bewegungslos von der Decke herab. Es war Ewigkeiten her seit er es zuletzt angestoßen hatte.
Er musste geträumt haben, aber er wusste genau, dass dies nicht möglich war. Er konnte nicht mehr träumen. Sein Körper erlaubte das nicht. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Wahrscheinlich war es besser, wenn er sich von Doktor Fraiser untersuchen ließ. Er erhob sich und machte sich auf den Weg zur Krankenstation.
Die Straßen waren dunkel. Die wenigen leuchtenden Straßenlaternen konnten die Dunkelheit kaum durchdringen. Teal’c trug keinen Hut, der sein Tattoo auf der Stirn vor den Menschen verborgen hätte. Aber das war in Ordnung, denn die Straßen waren völlig leergefegt. Niemand war zu sehen, nicht einmal ein Auto kam ihm entgegen.
Er öffnete die Tür zur Krankenstation, dort war aber niemand. Doktor Fraiser musste schon sehr lange fort sein, denn überall lag Staub. Vielleicht sollte er warten, bis sie wieder kam. Aber nein, er wusste ja, wo sie war. Wo sie sein musste. Sie war auf Chulak und half dort den Leuten. Er würde sie dort finden.
Teal’c machte sich auf den Weg zum Torraum. Das Stargate Center erschien ihm seltsam leer, aber dies war schon richtig so. Irgendwann mussten sie ja mal schlafen. Er erreichte den Torraum. Auch hier war es dunkel.
Das Stargate stand nicht auf seinem Platz.
Mit der Gewalt eines Blitzschlages riss es ihn in die Realität zurück. Er halluzinierte!
Von einem Moment zum anderen war wieder die Rationalität da, die er so lange kultiviert hatte. Wahnsinn. Er wurde wahnsinnig. Ohne irgendeine emotionale Regung fällte Teal’cs Verstand dieses Urteil und teilte es ihm schonungslos mit – es gab keine Gefühle die er dadurch hätte verletzen können.
Ernüchtert sah Teal’c sich um und lauschte. Er suchte nach weiteren Illusionen, doch es schien vorbei zu sein. Alles war wieder so, wie es sein sollte. Da war nur der Container mit dem Gate und die dahinter liegende Halle. Auch hinter ihm sah er nichts als das gewohnte Treppenhaus und der Gang zur Zentrale. Wenn da irgendeine Halluzination war, so nahm er sie nicht wahr. Das aber hätte wiederum bedeutet, dass er immer noch nicht völlig bei sich gewesen wäre.
Teal’c horchte in sich hinein. Er fühlte sich normal, alles schien in Ordnung zu sein. Es sprach alles dafür, dass er wieder im Vollbesitz seiner Kräfte war. Die Verwirrung und leichte Unruhe, die er eben noch verspürt hatte, waren verschwunden. Da war kein Gefühl mehr, keine emotionale Reaktion auf die Erkenntnis seines Zustandes. Er empfand keine Angst oder Panik, nicht einmal Überraschung. Es schien fast so, als hätte er geahnt gehabt irgendwann den Verstand zu verlieren, so dass dieser Zustand für ihn jetzt fast schon selbstverständlich war.
Bereits öfters hatte er bei sich bemerkt, dass er intuitiv Dinge kommen sah oder andererseits manchmal auch nicht daran glauben konnte, dass etwas geschehen würde. Wenn die Halluzinationen aus seinem Unterbewusstsein kamen, so war es nur logisch, dass sein Unterbewusstsein etwas bemerkt hatte, noch bevor der Wahnsinn sein Wachbewusstsein erreichte.
Wenn man seinen Zustand in diesem Moment überhaupt mit einem Gefühl beschreiben konnte, dann war es Gleichgültigkeit. Teal’c wusste, dass er nicht umhin kam zu akzeptieren, dass seine mentale Disziplin zu bröckeln begann. Die bloße Tatsache, dass sich die Oberfläche verkrustet hatte, bedeutete nicht, dass darunter nicht noch flüssiges Magma brodelte und versuchte durch die Kruste zu entweichen. Aber es hätte keinen Sinn gemacht, zu versuchen einfach darüber hinweg zu gehen, als wäre nichts passiert. Er konnte es nicht ändern. Was geschehen ist, ist geschehen dachte er ...aber muss nicht unbedingt so bleiben. Man brauchte keine Gefühle um Wahnsinn als etwas Negatives zu bewerten. Er störte definitiv Teal’cs Ruhe und musste daher zurückgedrängt werden, genau wie er es schon früher mit seinen Emotionen versucht hatte.
Teal’c würde dagegen ankämpfen. Und dies war keine Vorahnung. Es war ein feierlicher Beschluss.


* * *


Es gab in der Station einen Ort, den Jack häufig aufsuchte. Es wäre übertrieben gewesen, ihn als seinen Lieblingsort zu bezeichnen. Mit Liebe hatte das nichts zu tun. Er erinnerte ihn an das Plateau auf ´215.
Es war ein Schacht etwa in der Mitte der Station, der sich durch sämtliche Stockwerke zog. Auf jedem Stockwerk endeten zwei gegenüberliegende Korridore an einem Geländer, von dem aus man in die Tiefe sehen konnte. Meist stand er auf der obersten Etage und sah hinab. Es war zwar nur ein schwacher Abglanz dessen, was er gesehen hatte, als er an dem Abgrund gestanden war, aber es kam dem hier am nächsten. Hier fühlte er sich nicht so eingeengt.
Manchmal stellte er sich auch auf den Boden des Schachtes und sah nach oben. Nach Himmel sah die Decke über ihm jedoch nicht aus, was wohl der Grund dafür war, dass ihn dies nicht so sehr befriedigte wie der Blick nach unten.
Auch Daniel kam oft hier her. Schon oft hatte Jack einfach hier gestanden und darauf gewartet, dass jemand vorbeikam. Irgendwann kam immer jemand. Und in den meisten Fällen war es Daniel gewesen.
Es war also kein großer Zufall, als er ihn dort antraf. Daniel stand diesmal jedoch hinter dem Geländer, die Füße nur noch auf der Kante des Stockwerks. Seine Arme hatte er nach hinten gestreckt und hielt sich so am Geländer fest.
Wie ein Schlafwandler, der plötzlich geweckt wurde, blieb Jack stehen. Seit Ewigkeiten war alles seinen gewohnten Gang gegangen, so dass sich sein Hirn schwer damit tat die neue Situation zu verarbeiten. Während Jack noch versuchte zu begreifen, was da vor sich ging sprach Daniel. „Ich fragte mich schon, ob wir uns noch einmal sehen würden, Jack“, sagte er leise und ohne sich umzudrehen.
Nur langsam kroch die Erkenntnis in sein Bewusstsein was Daniel offensichtlich beabsichtigte zu tun. „Daniel, sie können das nicht tun“, kam es von Jack ein wenig unbeholfen. Er hatte seit Ewigkeiten kein einziges Wort mehr gesprochen, seine eigene Stimme erschien ihm wie die eines Fremden.
Daniel lachte kurz und humorlos auf. „Was kann ich nicht? Da runter springen?“ Es klang völlig hoffnungslos. „Natürlich kann ich das. Das ist eine der wenigen Freiheiten, die wir noch haben.“ Er hielt einen Moment inne.
Jack wusste nicht, was er sagen sollte. „Es gibt doch sicherlich noch soviel, was sie mit ihrem Leben anstellen können“, erwiderte er ohne sehr überzeugend zu klingen. Die ganze Situation kam ihm immer noch reichlich irreal vor.
Daniel starrte noch immer in die Tiefe des Schachts. „Was tut eine Pflanze, Jack?“ fragte er dann statt einer Antwort.
Für Jack kam diese Frage völlig unvorbereitet. Er kramte in seinem Gedächtnis herum. „Sie produziert Sauerstoff“, antwortete er dann unsicher.
„Genau. Das ist so ziemlich alles, was sie tut.“ Daniels Stimme klang so, als würde sie aus einem tiefen, dunkeln Loch kommen. „Und sie tut es nur, weil sie ihn selber zum atmen braucht. Alles, was sie tut, tut sie, um zu überleben... Kommt ihnen das nicht bekannt vor?“
Das tat es. Verdammt. Er hatte recht. Jack wollte etwas sagen, aber es fiel ihm kein Gegenargument ein.
„Die Pflanze bekommt von der Sinnlosigkeit ihres Tuns wenigstens nichts mit“, sinnierte Daniel vor sich hin.
Jack schüttelte den Kopf und versuchte endlich wach zu werden. „Daniel,“ beschwor er ihn, „sie können das nicht tun. Sie sind mein Freund, wir brauchen sie doch.“
„Jetzt klingen sie schon wie Harlan“, antwortete Daniel betrübt und drehte sich um. Zum ersten Mal konnte Jack in seine Augen sehen und erschrak. Sie waren wie zwei tiefe Brunnenschächte auf deren Grund die Resignation lag. Daniel Jackson hatte jeden Lebenswillen verloren. „Vielleicht macht das Leben für sie noch einen Sinn“, fuhr dieser fort. „Aber für mich...“ Er drehte sich wieder um. „Wir alle haben bereits länger gelebt, als es uns zusteht. Ich kann nicht mehr“, flüsterte er.
„Daniel...“ Jack blieben die Worte im Hals stecken. Er wusste, dass er ihn nicht zurückhalten konnte.
„Es tut mir leid, Jack. Sagen sie ihnen, dass es mir leid tut.“ Dann ließ er los.
Wie in Zeitlupe schien er nach vorne zu kippen. Jack schrie etwas und machte einen Satz vor zum Geländer, doch er kam zu spät. Ohne irgendeinen Laut von sich zu geben fiel die kleine Gestalt dem Boden entgegen. Mit einem dumpfen Schlag schlug sie auf. Selbst hier oben erzitterte noch der Boden und die Schwingung setzte sich fort bis in seine Seele.
„Neiiiin! Daniel!! “ schrie er und jagte aus dem Korridor hinaus zu den Treppen. Nur nach unten. So schnell ihn seine Beine trugen hastete er die Stufen hinab. Die Roste schepperten. Die letzten drei Stockwerke sprang Jack einfach hinab und setzte hart auf. Er rannte in den Korridor und fand Daniel am Boden des Schachts liegen.
Er war tot, man musste kein Experte sein, um das zu sehen. Ein Körper mit diesem Gewicht, aus dieser Höhe...
Daniel war tot, Jack konnte es nicht glauben. Die Beine des Roboters vermochten ihn nicht länger zu tragen, er ging zu Boden und kniete neben der Leiche nieder. Zum ersten Mal seit langem war da wieder ein richtiges Gefühl. Es tat weh, unglaublich weh. Jack sah, wie Tränen vor ihm auf den Fußboden tropften. Er war sein Freund gewesen. Eine Ewigkeit waren sie Freunde gewesen! Und jetzt war er auf einmal fort.


* * *


Auch Harlan konnte ihm nicht mehr helfen. Jacks Gesicht war eine Maske, als er davon erfuhr. Außer ihm war nur noch Sam da. Teal’c ließ sich nicht blicken.
Einen Augenblick hatte Jack gehofft, dass Harlan ihn reparieren könnte. Doch dies hätte Daniel sicher nicht gewollt. Jetzt fragte er sich, ob er es bedauern oder erleichtert sein sollte. Der Tod stand ihnen also als Option noch offen. Daniel hatte recht gehabt: dieser Ausgang war ihnen nicht versperrt.
Das Daniel diesen Weg jedoch gegangen war, konnte er immer noch nicht begreifen. Der Schmerz darüber saß tief. Der Tod war etwas, das einen Unsterblichen noch überraschender einholte als einen Sterblichen. Er war so fern gewesen. Jack hatte wirklich geglaubt, dass alles ewig so weiter gehen würde. Das er den Tod von einem seiner Leute mit ansehen müsste ohne selber betroffen zu sein, hatte er für unmöglich gehalten.
Vor langer Zeit war er als Teamführer einmal für ihn verantwortlich gewesen. Dies war jetzt vorbei, aber das machte es nicht besser. Als er Daniel kennen gelernt hatte, war dieser ihm auf die Nerven gegangen. Jack hatte ihn für nichts weiter als einen weltfremden Wissenschaftler gehalten und für Daniel war er selber sicher nur der hirnlose Soldat gewesen. Sie beide hatten festgestellt, dass sie kaum weiter von der Realität hätten entfernt sein können. Ob sich Daniel geändert hatte oder er sich an ihn gewöhnt hatte, vermochte er nicht zu sagen. Auf jeden Fall waren sie eine Ewigkeit – eine Ewigkeit! – Freunde gewesen.
Daniel hatte eine ganz andere Art gehabt, die Dinge zu betrachten. Er war Optimist gewesen, ein Idealist. Manchmal waren sie deswegen aneinander geraten, denn Jack hatte sich immer als Pragmatiker gesehen. Daniel hatte geglaubt, dass es für jedes Problem eine andere Lösung als die offensichtliche geben müsse. Und oft hatte er Recht behalten. Dafür hatte Jack ihn bewundert.
Selbst ihre Zeit hier hatte nichts daran ändern können, dass er sich mit ihm mindestens genauso verbunden gefühlt hatte, wie mit den anderen Leuten seines alten Teams. Jetzt war er fort und Jack fürchtete sich vor dem Augenblick, an dem er sich auch daran gewöhnen würde.

Als Sam das Labor betrat, war Harlan fort. Auch von Jack war nichts mehr zu sehen. Nur noch Daniel lag auf der Liege.
Sie hatte ihn seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Sein jetziges Aussehen erschreckte sie. Sam wollte ihn nicht auf diese Weise in Erinnerung behalten. Doch sie konnte nicht anders: anstatt wieder zu gehen, trat sie an die Liege heran.
„Sie verändern die Menschen, Daniel“, hörte sie sich sagen. Sie wusste genau, dass ihre Worte ihn nie mehr erreichen würden, aber ein kleiner Teil von ihr hoffte das Unmögliche. Sie wünschte sich, sie hätte ihm das sagen können, als er noch gelebt hatte. „Die Art, wie sie die Dinge sehen... sie hat damals auch mich verändert.“ Sam legte ihre Hand auf seinen Arm. Sie hatte einen Klos im Hals. „Sie haben mir gezeigt, auf was es wirklich ankommt.“
Es war so lange her, dass es schon fast nicht mehr wahr war, doch sie hatte es ihm nie vergessen. Ihr Bild von ihm stand bis heute fest. Er hatte ihr gezeigt, die Welt aus einer etwas anderen Sicht zu sehen. Daniel hatte immer versucht sich in Menschen und alle anderen Wesen hineinzuversetzen, sie zu verstehen und auf sie einzugehen – und sich nicht gleich mit aller Gewalt zur Wehr zu setzen, wenn sie sich auf den ersten Blick als nicht freundlich erwiesen. Daniel hatte es immer im Gefühl gehabt, ob eine Handlung nun richtig und moralisch war, oder nicht. Er hatte nicht jedem vertraut, aber er hatte an das Gute in allen Wesen geglaubt.
Sie hatte von ihm gelernt und dafür war sie ihm dankbar. Aber das war nicht alles. Seine Freundschaft hatte ihr viel bedeutet. In gewisser Weise war für sie Daniel mehr ein Bruder gewesen, als es Mark jemals gewesen war.
Sie hatte nie das Bedürfnis gehabt, ihm das alles zu sagen. Erst jetzt, wo es zu spät war, glaubte sie etwas versäumt zu haben. Selbst hier vergingen Chancen und kamen nicht wieder. Seit undenklichen Zeiten kam wieder ein Schluchzen aus ihrer Kehle. „Warum warten wir so lange damit den Menschen zu sagen, was sie uns wirklich bedeuten?“ weinte sie. „Ich denke, ich habe wohl einfach gehofft, dass du es immer wusstest...“

Es hätte nicht geschehen dürfen. Harlan hatte bereits fest geglaubt, dass es nicht mehr passieren würde. Sie schienen sich alle so schön angepasst zu haben. Sie erschienen zufrieden. Er war zufrieden. Und jetzt das.
Ausgerechnet Dr. Jackson. Er war derjenige gewesen, der ihm von Anfang an den größten Respekt und die größte Freundschaft entgegengebracht hatte. Harlan hatte ihn sehr gemocht.
Er hatte schon viele gute und weniger gute Freunde gesehen, wie sie starben, ihre Funktion einstellten oder die Station für immer verließen. Eine Weile hatte er gehofft, dass er sich daran gewöhnen würde, doch so oft es auch geschah, dies war etwas, dass ihm immer wieder Schmerzen bereitete. Harlan mochte vielleicht ein wenig verrückt sein, aber er hatte nie die Fähigkeit zu Trauern verloren.
Und das tat er nun. Er trauerte um Dr. Jackson und vor alles trauerte er um sich, weil er einen Freund verloren hatte.


* * *


O’Neill wusste nicht, was Harlan mit Daniels Leiche angestellt hatte. Eines Tages war sie einfach fort gewesen. Jack fragte nicht, denn eigentlich wollte er es gar nicht wissen. Dennoch hatte er das Gefühl gehabt, eine Gedenktafel anbringen zu müssen.
Es war eine schwere Metallplatte, die er an der rechten Wand des Torraumes angebracht hatte. Würde je jemand aus dem Stargate kommen, würde er auch die Tafel finden.
Daniel Jackson stand dort in säuberlichen Buchstaben zu lesen. Jack hatte sich sehr lange überlegt ob er noch etwas dazuschreiben sollte. Eine Jahreszahl, einen intelligenten Satz... Doch er tat es nicht. Es war schon schlimm genug einen Menschen auf einen Namen auf einem Grabstein reduzieren zu müssen. Da musste man von diesem Namen nicht noch unnötig ablenken.
Jeder, der ihn gekannt hatte, würde sich bei diesem Namen an Daniel erinnern. Und falls jemals jemand anderes den Namen lesen würde, dem würde ein Satz mehr oder weniger auch nicht weiterhelfen. Hinter diesem Namen stand für den, der ihn kannte so viel, wie man nie in einem Text unterbringen konnte.
Er fragte sich immer wieder, was ihn in den Tod getrieben haben könnte. Er hatte geglaubt, ihn gekannt zu haben. Wenn man soviel Zeit miteinander verbracht hatte, war dies unvermeidlich gewesen. Doch hier zeigte sich wie viel Wahrheit in dem Satz Jeder ist sich selbst der Nächste steckte.
Jack wollte diesen Satz weniger auf den Egoismus beziehen, sondern viel mehr auf die Unfähigkeit eines jeden zu sehen, was wirklich in dem Gegenüber vor sich ging. Genauso wenig wie man das völlig ergründen konnte, konnte man auch nicht wirklich Einfluss auf ihn nehmen oder ihm helfen. Man konnte es versuchen, aber letztlich war jeder völlig auf sich allein gestellt.
Jack hatte gesehen, was eine Zeit lang in Daniel vorgegangen war. Wahrscheinlich hatte er sich von seinen Selbstzweifeln nie richtig erholt. Er hatte gesagt, dass er keinen Sinn mehr im Leben sehen würde. Dies mochte daran gelegen haben, dass er einfach nichts mehr zu tun wusste oder aber auch, dass er ernsthafte Probleme mit seiner Weltanschauung bekommen hatte. Jack wusste es nicht. Genauso wenig wusste er, ob in diesem Augenblick vielleicht einer seiner anderen Freunde ähnliche Gedanken hegte.

In der Düsternis konnte Jack nur Sams Silhouette erkennen, die sich gegen die zerfallende Halle abhob. Sam stand vor der vor der Wand, an der er die Plakette für Daniel angebracht hatte.
Jack blieb hinter dem Geländer der Treppe stehen, die hinauf in die Halle führte, und betrachtete Sam für einen Moment lang. Entweder hatte sie sein Kommen nicht bemerkt oder sie reagierte nicht darauf.
Wenn Daniels Tod sie erschüttert hatte, so hatte sie dies ihm nicht gezeigt. Völlig gefasst schien sie es hingenommen zu haben. Allein die Tatsache, dass sie jetzt hier stand bewies, dass es ihr doch nahe ging. Der Verlust musste sehr schmerzhaft für sie sein.
Er kam hinter dem Geländer vor und trat zu ihr in die Halle. Einen kurzen Moment sah sie zu ihm auf, dann wandte sie sich wieder ab, starrte jedoch nicht auf die Platte sondern auf die Wand. Er fragte sich, was ihr Gesichtsausdruck bedeutete – ob er überhaupt etwas bedeutete. Kein Alter oder nicht, Sam hatte war nicht mehr die selbe. Sie schien sich in sich selbst zurückgezogen zu haben und er hatte in letzter Zeit immer das Gefühl gehabt, sie nie wirklich zu erreichen.
„Ich dachte es wäre gut, wenn etwas von ihm die Zeit überdauert“, erklärte Jack mit Blick auf die Platte.
Schweigen.
„Ich komme oft hier her“, bekannte sie irgendwann.
Jack hatte davon nichts bemerkt. Kein Wunder, denn sie gingen noch immer ihre eigenen Wege, wie sie es schon vor Daniels Tod getan hatten.
Er überlegte, wie seine Beziehung zu Sam im Moment aussah. Vernachlässigt. Alles war so selbstverständlich geworden, dass sie sich schlicht vernachlässigt hatten. Doch nun war Daniel fort und nichts war mehr selbstverständlich.
Vorsichtig legte er seinen Arm um ihre Schulter. Sie war verkrampft und dieser Krampf schien sich auch nicht in der Zeit zu lösen, in der seine Hand auf ihrer Schulter lag. Aber vielleicht musste das auch nicht passieren. Sam schien es recht zu sein, dass seine Hand da war. Auch wenn sie sich davon nichts anmerken ließ, so glaubte er auf diese Weise nun doch zu ihr vorzudringen.
Lange standen sie noch gemeinsam vor der Platte, bevor sie sich wortlos trennten.

Es dauerte lange bis er Teal’c endlich fand. Er reparierte eines der Kühlungsventile. Jack war sich sicher es vor Kurzem erst repariert zu haben. Er konnte nicht sehen, was Teal’c in dem dunklen Loch in der Wand tat, in das er sich tief hineinlehnte, aber er war sich ziemlich sicher, dass eine Reparatur völlig überflüssig war. Egal.
„Teal’c!“ rief er, denn dieser schien ihn nicht zu bemerken.
Schwerfällig zog Teal’c seinen Oberkörper aus der Luke hervor. „O’Neill?“ fragte er desinteressiert.
„Daniel ist tot.“
Teal’cs Gesicht blieb ausdruckslos. Einer der wenigen verblieben grünen Scheinwerfer strahlte es an und verlieh ihm beinahe dämonische Züge.
Jack wartete lange auf eine Reaktion. Erst, als Teal’c sich wieder der Luke zuwenden wollte, fragte er ungläubig „Interessiert dich das überhaupt nicht?“
Teal’c kam wieder hervor. „Nein.“
„Moment, langsam.“ Jack schnitt eine Grimasse. „Wie bitte?“ Er glaubte seinen Ohren nicht zu trauen.
„Welchen Teil an der Aussage Es interessiert mich nicht muss ich dir erklären, O’Neill?“ fragte Teal’c ruhig zurück.
„Was du mir erklären musst?!“ platzte Jack hervor. „Warum ist es dir egal?“
„Es ist so“, war die lakonische Antwort.
Jack schwieg. Was sollte er da machen? Offenbar war es wichtiger Teal’c das zu sagen, was er sagen wollte, als er gedacht hatte. Nach einigem Zögern kam er dann darauf zu sprechen.
„Hör zu, Teal’c.“ Teal’c stand immer noch abwartend neben der Luke mit dem perfekt funktionierenden Ventil. „Weswegen ich eigentlich gekommen bin, ist, um dir zu sagen, dass ich dir gegenüber nicht ganz ehrlich war“, eröffnete er ihm.
Sie hatten es nicht gewusst. Sie waren so mit ihren eigenen Problemen beschäftigt gewesen, dass sie es nicht bemerkt hatten. Schalt die verdammte Maschine aus, Harlan. Er hatte geglaubt, dass die Sache damit erledigt sei, dass Harlan es nicht wagen würde, Teal’c noch einmal zu duplizieren – jetzt, wo sie dahinter gekommen waren.
Er hatte sich das so lange eingeredet, bis er es selbst geglaubt hatte, doch es stimmte nicht.
Die Erinnerung an die Wahrheit blitze vor seinem inneren Auge wieder auf. Er, Carter und Daniel hatten sich von den Anderen abgesetzt. Die anfängliche Faszination der beiden über die Duplizierung ihres Geistes hatte sich gelegt. Sie hatten zusammen sein wollen. Zusammen hatten sie versucht die Erkenntnis zu verdauen, dass es für sie kein Zurück mehr gab.
Sie standen vor dem Labor. Jack sah sich selbst, wie er zum Eingang des Labors starrte und Harlan darin verschwinden sah. Er hatte gewusst, was er vorhatte. Und er hatte seine Freunde angesehen und gewusst, dass sie es auch wussten. In diesem Augenblick hatten sie gemeinsam eine düstere Entscheidung getroffen.
Sie wollten nicht allein sein. Sie wollten Teal’c bei sich haben. Also ließen sie Harlan gewähren. Die Erinnerung an diese Übereinkunft verdrängten sie so schnell es ging. Es war einfach nicht geschehen...

Teal’c schwieg. „Als ich vor langer Zeit sagte, wir hätten keine Ahnung gehabt, dass Harlan deine Herstellung vollenden wollte, war das gelogen. Wir wussten es ganz genau, aber wir ließen es geschehen.“
„Ich weiߓ, erwiderte Teal’c schlicht.
„Woher denn das?“ fragte Jack ein wenig verblüfft.
„Von Harlan.“
Jack schluckte. Warum hatte er ihn nie darauf angesprochen? „Der Grund, warum ich dir das ausgerechnet jetzt sage, ist folgender...“ fuhr er fort, „Weißt du, wir haben schon damals geahnt, dass es schwer würde die Ewigkeit so alleine zu bestreiten. Aber wir wollten nicht alleine sein. Also haben wie zugelassen, dass du doch noch zu uns gestoßen bist.“
Da Teal’c nichts sagte, redete er einfach weiter. „Ich möchte nur, dass du weißt, wie wichtig du uns damals warst und dass du uns noch immer... wahnsinnig wichtig bist. Ich könnte mir nicht vorstellen, wie das Leben aussehen würde, wenn auch du eines Tages nicht mehr da wärst. Okay?“
Jack wollte auf jeden Fall vermeiden, dass noch jemand eine Dummheit begehen würde und deshalb sagte er das. Er wollte Teal’c das Gefühl geben, gebraucht zu werden. Früher hätte er ein derartiges Bekenntnis kaum über sich gebracht. Dafür fühlte er sich jetzt, wo es endlich heraus war, umso erleichterter.
Als er eine Weile geschwiegen hatte fragte Teal’c schließlich „Ist das alles?“
„Ja.“
„Gut“, antwortete Teal’c und lehnte sich kommentarlos wieder in die Luke.

Jack lag neben Sam auf seinem harten und unbequemen Bett, das ihm längst nicht mehr kalt vorkam. Die letzten Ereignisse hatten sie beide wieder ein Stückchen zusammenrücken lassen – wenn auch nur ein sehr kleines Stückchen.
Er lag auf dem Rücken und starrte an die Decke. „Was hast du?“ fragte sie irgendwann, ob besorgt oder nur interessiert, vermochte er nicht genau zu sagen.
„Ich habe mit Daniel geredet, bevor er...“ Er seufzte und drehte sich zur Seite. „Du weißt schon.“ Er schwieg eine Weile und dachte nach. Daniels letzte Worte geisterten durch sein Hirn. „Ich konnte ihn nicht aufhalten“, gestand er.
Immer wieder fragte er sich, ob es doch irgendwie möglich gewesen wäre, ob er nur etwas hätte sagen müssen, was ihm damals nicht eingefallen war. Schließlich war man hinterher immer klüger. Doch wäre das überhaupt in Daniels Sinn gewesen? Was tut eine Pflanze, Jack?
Was taten sie schon! Sie überlebten – und sorgten dafür, dass es auch so blieb.
„Mir fiel kein Argument ein, dass ihn davon hätte überzeugen können, sich für das Leben zu entscheiden.“ Jack schüttelte den Kopf und sah sie dann verzweifelt an. „Das macht mir Angst.“

Jack sah die kleine Metallmarke an, die er immer noch um den Hals trug. Jonathan O’Neill stand da drauf. Das war nicht er, nicht wirklich. Jonathan hatte er immer nur auf dem Papier geheißen, niemand hatte ihn so genannt. Jonathan O’Neill war längst tot. Auch wenn er die Marke damals für sich gemacht hatte, so hatte er letztlich nicht seinen Namen, sondern den des Anderen auf das Metallblättchen geschrieben.
Daniel war tot. Er wäre es vielleicht nicht gewesen, wenn er sich völlig mit seiner Existenz abgefunden hätte. Jack riss mit einem kräftigen Ruck das Kabel durch, an dem die Marke über einen unermesslichen Zeitraum hinweg an seinem Hals gebaumelt hatte und warf sie achtlos auf zu dem anderen Müll auf seinem Tisch, der sich in seinem langen Leben dort angesammelt hatte.


* * *


Teal’c hatte den Tod von Daniel zwar mitbekommen, aber er war über diesen genauso selbstverständlich hinweggegangen, wie man normalerweise über alle möglichen Nichtigkeiten des Alltags hinwegging.
Das hatte er natürlich nicht realisiert. In jüngster Zeit hatte sich sein Zustand weiter verschlechtert. Er kämpfte dagegen an, wie er es sich vorgenommen hatte und war davon überzeugt, dabei auch Erfolg zu haben. Doch diese Überzeugung war nicht mehr Wert als der Glaube eines Träumers wach zu sein. Mit der Zeit hatten sich die Halluzinationen eher gehäuft anstatt weniger zu werden.
Es fiel ihm in letzter Zeit schwer zu meditieren. Immer, wenn er versuchte seinen Geist zu leeren, wurde er von einer seltsamen Unruhe erfasst, die eine normale Meditation unmöglich machte. Inzwischen hatte er jedoch einen anderen Weg gefunden, um Abstand von der Welt zu gewinnen. Er konzentrierte sich dazu auf ein Bild, das ihn selbst zeigte, wie er auf einer großen, grauen Fläche stand, die sich zu allen Seiten bis in die Unendlichkeit ausdehnte und so sein ganzes Universum ausfüllte.
Vielleicht war die Ähnlichkeit mit der endlosen Wüste von 740215 dabei kein Zufall und dieser Planet hatte doch einen tieferen Eindruck bei ihm hinterlassen, als er sich hatte eingestehen wollen. Aber dieser Ort hier stellte keinen Planeten dar. Im Prinzip war diese triste Umgebung das Abbild seiner eigenen Seele, so wie er sie haben wollte und so wie sie lange Zeit über auch ausgesehen hatte.
Am liebsten hätte Teal’c wieder die Leere in seinem Kopf gehabt, die für ihn lange Zeit über so normal gewesen war. Doch Leere hatte per Definition nichts, an dem man sich festhalten konnte. Nichts, auf das man sich konzentrieren konnte. Mit dem Bild der endlosen Fläche hatte er etwas, das dieser Leere so nah wie möglich kam und ihm dabei gleichzeitig Halt bot. Es war etwas, das er sich vorstellen konnte, auf das er sich zu konzentrieren vermochte. Wenn er ganz fest an diese Welt dachte, dann verschwanden eventuelle Halluzinationen und sich aufbäumende Gefühle sanken wieder ins Unbewusste zurück.
Das vermittelte ihm das Gefühl seinen Wahnsinn unter Kontrolle zu haben. Doch das war für Teal’c nur eine Illusion unter vielen. Allerdings eine, die er nicht durchschaute.
Immer, wenn er sich bei klarem Verstand fühlte, versuchte er zu ergründen woher seine geistige Verwirrung kam. Ob er selbst in der Lage war, sich objektiv genug zu betrachten, um das beurteilen zu könnten, wusste er nicht, aber er versuchte es dennoch, da er hoffte durch ein Verstehen der Ursachen besser gegen die Wirkungen kämpfen zu können.
Auf Chulak gab es das Märchen von einem König, der einen Vulkan zuschütten lies, um den darin hausenden Dämon, der regelmäßig sein Volk heimsuchte, zum Schweigen zu bringen. Teal’c fragte sich, ob er nicht das gleiche getan hatte. Im Gegensatz zu seinen Freunden, die alle auf die eine oder andere Art und mehr oder weniger erfolgreich versucht hatten, sich mit ihrem Schmerz auseinander zu setzen, hatte er schlicht geleugnet, dass es einen Schmerz gab, den es zu verarbeiten galt. Er hatte ihn nicht einmal zu den Akten gelegt, er hatte geleugnet überhaupt Akten zu haben.
Einst hatte er seine innere Zufriedenheit gefunden, als er geglaubt hatte, sich erfolgreich von allen Gefühlen getrennt zu haben. So paradox dies erscheinen mochte, in seiner scheinbaren Gefühllosigkeit war er glücklich gewesen.
Dabei hatte er sich der Fähigkeit Gefühle zu empfinden vermutlich nie wirklich entledigen können. Wenn sich jemand von jemandem entledigt hatte, dann waren es seine Gefühle, die sich ihm und seiner Kontrolle entzogen hatten.
Über einen ewigen Zeitraum hatte er in absoluter Inaktivität verharrt, da er keinen Grund mehr dafür gesehen irgendetwas zu tun oder auch nur zu denken. Doch er hätte wissen müssen, dass man ein Hirn nicht davon abhalten konnte zu denken, denn der Großteil seiner Aktivität lief immer unbewusst ab.
Indem er sich von seinen Gefühlen und Gedanken löste, hatte vermutlich gerade dieser unbewusste Teil seines Verstandes die Instanz verloren, die ihm sonst Dinge zum nachdenken lieferte und seine Gedanken in die richtigen Bahnen lenkte. Länger als es eine ganze Dynastie von Psychologen es hätte beobachten können, hatte er nichts als sich selbst gehabt, mit dem er sich beschäftigen konnte und hatte sich dabei an irgendwelchen Ideen oder alten Schuldgefühlen festgefressen.
Jetzt hatte Teal’c leider erkennen müssen, dass sein Unterbewusstsein zudem Mittel und Wege hatte sich bemerkbar zu machen, selbst wenn er ihm nicht zuhören wollte – vor allem wenn er nicht zuhören wollte. Lange hatte die Kruste gehalten, doch schließlich war sein Dämon wie im Märchen wieder hervorgebrochen und all die fixen Ideen, die er ohne es zu wissen gezüchtet haben musste, hatten sich in Form von Halluzinationen und Erscheinungen manifestiert.
Anfangs gelang es ihm noch sie zurückzudrängen und wieder in seine sterile Ruhe zurückzukehren, doch mit jedem mal wurden sie stärker und mit jedem mal musste er die erschreckende Feststellung machen, dass er ihnen immer mehr zuhörte, ihnen immer mehr glaubte, sich hineinsteigerte... und wahnsinnig wurde.
In Teal’cs Versuchen dem Wahnsinn zu entkommen, war sein graues Universum einer seiner Zufluchtsorte. Wo er doch genau hätte wissen müssen, dass er nirgends vor sich selbst sicher war. Gerade eine Vorstellungswelt war immer nur so stabil, wie die Person, die sie sich ausdachte.
Wie sich der Gedanke an den kleinen Kieselstein, der vor ihm auf der grauen Fläche lag, in sein Bewusstsein hatte schleichen können, wusste er selber nicht. Er wusste nur, dass er ihn nicht loswerden würde, weil allein der Gedanke an ihn Grundlage seiner Existenz war – ein Gedanke, den er ebenfalls nicht loswerden würde. Erst recht nicht, wenn er krampfhaft versuchte sich seiner zu entledigen.
Also stellte sich Teal’c einfach vor, wie er seinen Fuß auf den Stein stellte. Es gab ein leises, knirschendes Geräusch, als sich der harte Stein in die spröde Fläche bohrte. Teal’c konnte sehen, wie sich von seinem Fuß aus ein haarfeiner Riss über die Ebene ausbreitete und lautlos der Unendlichkeit entgegen strebte.
Automatisch lenkte er seine Aufmerksamkeit von dem Riss weg, hoch zum nicht-existenten Himmel. Inmitten des Grau hing eine Sonne, die dort nicht hingehörte und sich langsam zu verdunkeln begann. Es war die Sonne von Chulak. Dort gab es keine Sonnenfinsternisse. Nur den Aberglauben, dass die Welt untergehen würde, wenn sie sich einmal doch verdunkeln sollte.
Teal’c empfand nichts bei diesen Ereignissen. Sie störten ihn lediglich, waren nicht gut. Daher öffnete er seine Augen und löste sich wieder aus seiner Traumwelt.
„Was ist nur aus dir geworden, Teal’c?“ fragte Bra`tac verbittert.
Teal’c sah nicht hin. Er konzentrierte sich vielmehr auf die Schalter-Platine, die er sorgfältig gegen die Wand seines Raumes gelehnt hatte. Die Welt ist im Gleichgewicht, dachte er, nur der Mensch ist es nicht.
Seltsam, dass er gerade jetzt daran dachte. Bra’tac hatte es ihn einst gelehrt.
„Einst zitterten selbst die mächtigen unter den Systemlords, wenn sie deinen Namen hörten. Vor Wut... und vor Angst“, brabbelte die Halluzination vor sich hin. „Aber du hast dich verändert, Teal’c. Du bist nicht mehr der Krieger von damals, das Vorbild aller freiheitssuchenden Jaffa.“
Er musste Bra’tac nicht ansehen, um zu wissen, wie er aussah. Schließlich war er in seinem Kopf. Er war alt geworden. Sein Gesicht war eingefallen und er war deutlich abgemagert. Die Rüstung lastete schwer auf ihm. Trotzdem stand er kerzengerade vor ihm und in seinen Augen brannte das Feuer, dass auch einmal in Teal’c gebrannt hatte.
„Einst haben wir einen Unterschied gemacht. Es mag weniger gewesen sein, als wir uns gewünscht hatten, aber wir haben etwas verändert. Was dagegen machst du heute?!“
Je wütender und je gefühlvoller Bra’tac wurde, desto kühler schien Teal’c zu werden. Es kam oft vor, dass er Halluzinationen hatte. In den meisten Fällen berührten sie ihn kaum. Ihre Anwesenheit sowie die Unlogik der Argumente, die sie vorbrachten, waren zwar lästig – aber mehr auch nicht.
Doch hin und wieder kam es vor, dass es die Erscheinungen waren, die kalt und gefühllos wurden. Dann konnten sie etwas in ihm berühren. Vielleicht lag es nicht einmal an dem was sie sagten, aber was immer es war, traf auf Resonanz und alles krampfte sich in Teal’c zusammen. Dann wurde er... emotional.
„Was bist du eigentlich?“ rief die Illusion und versuchte ihn mit ihrer Verachtung zu provozieren. „Ein Krieger? Oder ein altes Weib. Ein Krüppel, der auf den eigenen Tod wartet?“
Teal’c drehte die Platine gedankenverloren in den Händen und betrachtete sie genau. Er hatte sie bei einer seiner Reparaturen aus einem Rechnerknoten ausgebaut. Sie war kaputt gewesen, leider konnten sie an den molekularen Schaltkreisen nichts reparieren. Es war schon schade, was im SGC alles kaputt ging, nachdem es so lange gehalten hatte...
„Ich verschwende meine Zeit! Er hat ja nicht einmal mehr irgendwelche Interessen. Nicht einmal den Tod sucht er“, brauste Bra’tac. Wütend wollte er sich abwenden, kam aber dann doch zurück und sagte mühsam beherrscht: „Ich sage dir etwas, Teal’c. Leben nur um des Lebens willen bedeutet nichts
Teal’c dachte an die seltsame Kreatur, die ihm erschienen war, als die Illusionen begonnen hatten. Sie war noch öfter aufgetaucht. Immer, wenn er sie sah, wurde er unruhig. Eine seltsame Abneigung und Verachtung gegenüber diesem Ding, die er nicht erklären konnte, erfüllte ihn. Seine Gesichtszüge hatten sich seit ihrem ersten Erscheinen verändert. Wie als ob sie von Anfang an irgendein Ziel gehabt hätten, ein Vorbild, dem sie ähnlich sein wollten. Aber er hatte nie rausgefunden, wem oder was dieses Ding ähnelte.
„Du hast einfach aufgegeben, wie ein schleimiger Targ und alles im Stich gelassen, was es Wert gewesen wäre, dafür zu sterben. Sieh mich an! Ich sterbe. Während ich meine Zeit an dich vergeude sieche ich dahin. Meine Printa hat mich verlassen und ich bin zu alt für eine neue. Aber habe ich aufgegeben? “
Die Platine hatte etwa die anderthalbfache Fläche seiner Hand und war vielleicht zehn Zentimeter dick. Er betrachtete die farbigen Interferenzmuster auf ihrer Oberfläche, die sich änderten, wenn man sie anders ins Licht hielt. Irgendetwas hatte diese Platine mit der Schlage zu tun. Er wusste nur nicht was. Deshalb hatte er die Platine auch nicht entsorgt, sondern mitgenommen, um darüber nachdenken zu können.
Trotz der farbigen Streifen spiegelte sie noch ein klares Bild der Umgebung wieder. Sie war auch ein wenig durchsichtig, so dass er hinter ihr die Konturen Bra’tacs erkennen konnte, der sich gerade voller Enttäuschung von ihm abwandte und versuchte vor seinem Tod soviel Entfernung wie möglich zwischen sich und Teal’c zu legen. Dieser zweifelte jedoch nicht daran, dass Bra’tac das noch öfters tun würde. „Ich schäme mich dafür, dass ich dich einst meinen vielversprechendsten Schüler nannte!“
Teal’c schrie auf und ließ die Platine los, als wäre sie glühend heiß. Sie fiel zu Boden und zerbrach in Myriaden kleinster Splitter.
Er bekam Angst. Das Spiegelbild auf der Oberfläche! Voller Entsetzen starrte er auf den Fußboden. Das Ding, die Schlage. Er hatte sein Spiegelbild auf der Platine gesehen. Die Schlange trug seine Gesichtszüge! Entstellt und verzerrt, aber dennoch seine.
Zitternd machte er sich daran die Splitter zusammenzukehren. Vielleicht konnte er sie wieder zusammenfügen, vielleicht... Teal’c fürchtete nicht die Schlange, sondern die Erkenntnis, die sie mit sich brachte. Er wollte nicht hören, dass seine Abneigung gegen die Schlange eine Abneigung gegen sich selbst war.
Während er auf den Knien rutschte und krampfhaft daran glaubte, die zersplitterte Platine wieder zu reparieren zu können, vernahm er ein leises Lachen. „Das machst du sehr gut, mein treuer Diener“, erklärte Apophis selbstgefällig. Teal’c sprang auf die Beine und fuhr herum. Der Goa’uld saß in seinem damals noch recht schlichten Thron und betrachtete ihn herablassend.
„Du hast deine Familie verraten und in meiner Obhut gelassen“, erzählte dieser wie nebenbei. „Dann bist du wie zum Spott kurz wieder vorbeigekommen. Es kann lange dauern, aber das Leben eines Jaffa ist lang“, fuhr er mit Teal’cs Stimme fort. „Du hast deinem Sohn versprochen, dass du zurückkommen würdest.“ Apophis neigte sich ein Stückchen Teal’c entgegen. „Bist du zurückgekommen?“ Er lehnte sich wieder zurück. Seine bedrohlich tiefe Stimme war nun kalt wie Eis. „Du hast dein Wort gebrochen. Und wozu das alles? Um alles zu verraten, wofür du das getan hast. Alle deine Ideale sind hier in diesem Targ-Loch zur Hölle gefahren.“
Teal’cs Atem ging schneller. Sein Schädel dröhnte wie eine schwingende Glocke, doch er blieb ruhig. Gefährlich ruhig.
Seine Aufmerksamkeit wurde von der Wand, die er feindselig anstarrte, durch den beißenden Geruch verbrannten Fleischs und brennender Häusern abgelenkt. „Chulak brennt, Teal’c“, sagte Apophis. „Sieh die Leichen all derer, die sich gegen die Götter erhoben.“
Teal’c sah sie. Tausende. Diener aller falschen Götter, die es gab. Aller Kasten, die es gab. Alle tot. Und alle starrten sie ihn an. Hätten sie laut geschrieen Du hast uns verraten! Du hast falsche Hoffnungen in uns geweckt und uns dann im Stich gelassen! hätte ihr Vorwurf nicht deutlicher sein können.
„Das ist nicht wahr“, presste Teal’c zwischen den Zähnen vor.
Der Parasit verzog das Gesicht seines Wirtes zu einem sardonischen Grinsen. „Woher willst du das wissen? Du warst nie hier... Heute hat der Wind der Geschichte ihre Asche unwiederbringlich verweht.“
„Lügner!“ schrie Teal’c.
Apophis sprang auf. „Und mit jedem Tag, den du nicht hier warst, hat unsere Göttlichkeit heller erstrahlt!“ schrie er zurück.
Teal’c stürzte sich auf ihn. Er schlug ins Leere, kugelte sich über den Boden, wie als ob er mit einem unsichtbareren Gegner kämpfen würde und hörte selbst dann nicht auf, als er längst erkannt hatte, dass sein Apophis gar nicht real war.
Schließlich sprang er auf die Füße. „Zeig dich mir, Schol’wa !“ tobte er.
Und der Gerufene erschien. Das Ding. Die widerliche Schlange mit seinem Gesicht.
Mit einem Mal schien Teal’c kleiner zu werden. Entsetzt starrte er vor sich hin, versuchte sich gegen seine eigenen Gedanken abzuschirmen. Er zog sich in seine Fantasiewelt zurück, floh gerade an den Ort, aus dem seine Halluzinationen stammten.
Der Riss hatte sich aufgeweitet und der graue Boden sich aufgewölbt. Nichts war so, wie es sein sollte. Die Welt ist im Gleichgewicht... Er stand dicht am Kraterrand seines Vulkans. Unter seinen Füßen rutschte das poröse, graue Gestein den Abhang hinunter. ... nur der Mensch ist es nicht. ...ich bin es nicht!
Teal’c wollte fort. Er versuchte sich den Vulkan wegzudenken. Er glaubte fortrennen zu können, nach unten, in die Ebene. Der Unendlichkeit entgegen und weg von hier. Irgendwo anders hin. Das Bild von den Wäldern und Feldern Chulaks, blitzte kurz auf, wie eine weitere heile Welt, in die er sich hätte retten können, aber auch sie änderte nichts daran, dass er sich einfach nicht vom Kraterrand lösen konnte. Teal’c wusste ohne hinsehen zu müssen, dass im Krater die Finsternis und das Chaos brodelten. Sein Chaos.
Während der Vulkan erbebte lag Teal’c inmitten des Raumes in den Tiefen der Station von Altair am Boden und weinte über seine Unfähigkeit nicht einmal die Welt seines eigenen Geistes kontrollieren zu können.


* * *


Natürlich gewöhnte Jack sich daran. Das Leben ging auch ohne Daniel weiter. Das er lernte, sich damit abzufinden, nachdem er lange genug getrauert hatte, war eine völlig natürliche Sache. Doch irgendwie hinterließ es einen bitteren Nachgeschmack, da er sich schon an so viele unangenehme Dinge gewöhnt hatte.
Letztlich hatte Daniels Tod Jacks Lebensrhythmus nicht verändert, denn Daniel war in letzter Zeit nicht Teil davon gewesen. Dies war einmal anders gewesen. Gerade in der Zeit nach ihrem Besuch auf ´215, nach dem Daniel nicht immer nur die ganze Zeit im Archiv rumgehangen war, hatten sie ziemlich viel Zeit miteinander verbracht, in der sie ihr Interesse an endlosen Schachspielen wieder belebt hatten.
Von Dauer war das natürlich nicht gewesen und so waren sie sich bald wieder aus dem Weg gegangen, um alleine sein zu können. Das wurde für sie alle manchmal so selbstverständlich, lief so routiniert und ohne Nachdenken ab, dass man fast vergaß, dass man hier nicht so allein war, wie es den Anschein hatte. Und tatsächlich hatte Jack einige Zeit nach Daniels Tod versucht einfach so weiterzuleben, wie er es bisher getan hatte. Er hatte versucht den Soldaten in sich wieder zu finden, der es gewohnt war Leute zu verlieren. Der Soldat, der sich sagte Was soll ich denn tun? Er ist weg! ...und mir bleibt nicht anderes übrig als weiterzumachen.
Doch es hatte nicht funktioniert. Wahrscheinlich hätte es das auch früher nie wirklich getan. Es ging schließlich nicht um irgendjemanden, sondern um Daniel. Sie waren ein Team gewesen. Niemand konnte sich wirklich vorstellen, was sie hier wie damals zusammen durchgemacht hatten. Was jeder dem anderen bedeutet hatte. Erkonnte einfach nicht darüber hinweggehen. Im Gegenteil: Er hätte alles dafür gegeben, Daniel wieder bei sich zu haben. Obwohl er oft Ruhe und Einsamkeit gesucht hatte, war es ihm unglaublich schwer gefallen, sich damit abfinden, dass er jetzt wirklich ein Stückchen mehr allein war, als in der Zeit davor.
Manchmal versuchte er darüber mit Sam zu reden. Aber sie redete ja nicht und er hatte trotz aller Bemühungen nichts daran ändern können. Jack glaubte, dass sie ihre eigenen Probleme hatte. Seit sie daran gescheitert war, sie hier fortzubringen, hatte sie viel von ihrer alten Selbstsicherheit verloren und mit der Zeit begann er zu fürchten, dass durch Daniels Tod alles irgendwann zu viel für sie werden würde.
Zusammen mit Harlan hatte er daher den Naquadareaktor und die beiden funktionsfähigen Prototypen an die Energiequelle angeschlossen. In ihnen verfeuerten sie das Naquada, das immer noch in der Station lagerte. Auf diese Weise entlasteten sie ein wenig die geothermischen Systeme.
Die Idee dazu war allerdings nicht der Sorge um diese Systeme entsprungen, sondern lag in Jacks Besorgnis um Sam. Er wollte sie aufmuntern. Vielleicht war dies genau der falsche Weg dahin – indem er sie an ihre Reaktoren erinnerte, riss er vielleicht nur alte Wunden auf. Aber er ging das Risiko ein. Er wollte ihr zeigen, dass sie nicht umsonst geschuftet hatte, dass die Reaktoren doch noch einen wichtigen Zweck erfüllten.
Sam hatte gelächelt, doch dieses Lächeln hatte ihre Augen nicht erreicht. Sie hatte gesagt, dass es eine gute Idee sei. Sie hatte gesagt, dass sie sich freuen würde. Sie hatte gesagt, dass sie es zu schätzen wüsste, wenn er sich Sorgen um sie machte und versuchte sie aufzumuntern. Was Sam aber dachte, hatte er nie herausbekommen.
Vielleicht war es das gleiche Phänomen, dass er schon bei Harlan beobachtet hatte: das er es einfach verlernte andere Leute einzuschätzen. Wie sollte er auch jemanden einschätzen können, wenn seine eigenen Gefühle lange Zeit einfach nur so dahingedümpelt waren? Noch dazu, wenn er den Großteil dieser Zeit allein verbracht hatte, so dass Mimik eines anderen schon aus Prinzip ungewohnt wirkte.
Aber Jack glaubte nicht, dass der Grund allein bei ihm lag. So schlecht stand es um ihn auch noch nicht. Sam wollte einfach nicht, dass die Welt um sie herum mitbekam, was sie fühlte. Deshalb war ihr Gesicht so ausdruckslos. Er hatte oft das Gefühl, dass ihre Mimik nur noch ein Spiel mit den künstlichen Muskeln ohne Bezug zu ihrem Inneren war. Das Pokerface, das sie beim Pokern früher aufgesetzt hatte, war nichts dagegen – es hatte ihn nicht so aufgewühlt.
Das einzige, was vielleicht Aufschluss darüber geben konnte, was in ihr vorging, waren ihre Augen. Für Jack waren die Augen der Spiegel der Seele. Sie waren wahrscheinlich das einzige, an dem ein normaler Sterblicher erkannt hätte, dass er es nicht mit einem anderen Sterblichen zu tun hatte, sondern mit etwas anderem.
Er hatte ihre blauen Augen geliebt, sie hatten ihn an den Himmel der Erde erinnert. Jetzt waren sie wie zwei dunkle, unergründliche Seen von denen es unmöglich zu sagen war, was sich unter ihrer Oberfläche verbarg. Jack hätte es niemals gewagt, in einen solchen See hinabzutauchen, denn er fürchtete, dass er aus der endlosen Tiefe nicht mehr hervor ans Tageslicht kommen würde.
Sein Instinkt sagte ihm, dass dort irgendwo in ihr, wohlbehütet und gegen sich selbst und die Außenwelt abgeschirmt ein tiefer, alles verzehrender Schmerz war. Ein Schmerz, der im laufe der Zeit wie ein Krebsgeschwür gewachsen war. Ein Ort, an dem sich alle Qualen ihrer Welt versammelt hatten. Vielleicht würde sie davon irgendwann überwältigt werden – doch sie ließ ja niemanden an diesen Schmerz heran, der ihr helfen könnte mit ihm fertig zu werden. Vermutlich nicht einmal sich selbst.
Manchmal begegnete er Teal’c, der durch die Station geisterte und mit einem Eifer, den er vorher noch nie bei ihm beobachtet hatte, die Station reparierte. Doch Teal’c war schon immer ein verschlossener Einzelgänger gewesen. Man musste nicht immer verstehen warum er etwas tat oder nicht tat.
Wieder ging die Zeit ins Land. Ob es nun tausend, zehntausend oder gar hunderttausend Jahre waren, vermochte Jack dabei nicht zu sagen. Unnötig zu erwähnen, wie unwichtig das auch gewesen wäre.
Dummerweise wiederholte er den Fehler zu glauben, dass sich nichts verändern würde.

Teal’c war fort. Es dauerte eine ganze Weile, bis er es bemerkte, denn es war nichts ungewöhnliches, wenn er ihn lange Zeit über nicht sah. Es war auch nicht das Fehlen von Teal’c, das ihm aufgefallen war, sondern die Tatsache, dass das Sternentor wieder an seinem Platz auf der steinernen Treppe stand.
Das letzte eingerastete Symbol, war das von Altair gewesen. Der Ursprungsort. Das bedeutete, dass bei der letzten Wurmlochverbindung jemand rausgewählt hatte und das nicht etwa, wie es eigentlich hätte sein müssen, die letzte Verbindung das eingehenden Wurmloch von 740215 gewesen war. Jemand musste diese Welt also verlassen haben und war nicht wieder zurückgekehrt.
Sofort machte er sich auf die Suche nach Sam. Als erstes fand er allerdings Harlan. Zusammen hatten sie die Station durchsucht und tatsächlich Sam gefunden. Von Teal’c hatte jedoch jede Spur gefehlt.
Jetzt, wo sie wussten wer das Tor benutzt haben musste, hatte Jack erraten können wohin es die letzte Verbindung aufgebaut hatte. Chulak. Teal’c war in seine Heimat zurückgekehrt. Das interne Logbuch des DHD, das Sam untersuchte, bestätigte seine Vermutung.
Es wäre sinnlos gewesen ihm zu folgen. Selbst, wenn sie ihn gefunden hätten, selbst wenn sie den Besuch dort überlebt hätten, so wäre das einzige Ergebnis gewesen, Teal’cs Leiche zu finden. Es war schon so lange her, dass ihm längst die Energie ausgegangen war. Sie hatten einfach zu lange gebraucht.
Doch diesmal konnte er nicht behaupten, es nicht geahnt zu haben. Er hatte es geahnt. Er hatte sich zuletzt sogar mehr Sorgen um Teal’c gemacht, als um Sam.
Anfangs hatte er noch geglaubt, dass er ihn einfach nur unregelmäßig sehen würde. Doch dann hatte er gemerkt, dass Teal’c richtiggehende Phasen von besessener Reparatur einerseits und völliger Isolation andererseits hatte. Dies war es, was ihn misstrauisch gemacht hatte.
Auch die Tatsache, dass viele Einrichtungen, die Jack begutachtete, schlampig repariert oder sogar durch unsachgemäßes Herumschrauben beschädigt erschienen, war ihm anfangs nicht weiter aufgefallen. Es wäre durchaus möglich gewesen, dass es sich dabei nur um normale Schäden handelte, aber mit der Zeit war es ihm dann doch merkwürdig vorgekommen. Er hatte Teal’c schon länger im Verdacht gehabt, dass er Dinge „reparierte“, die es gar nicht nötig hatten. Stammten die Schäden vielleicht von ihm, der nicht mehr wusste, was er da anrichtete?
Die Station zu reparieren war ihnen allen in Fleisch und Blut übergegangen. Sie waren äußerst vertraut damit und vertraute Vorgänge beruhigten. Jack erschien das Leben immer so einfach, wenn er Dinge reparierte. Die Probleme waren leicht zu überblicken und meistens auch leicht zu beheben.
Wenn er jetzt daran zurückdachte, war Jack sich sicher, was er damals allenfalls vermutet hatte: Wenn Teal’c Fehler bei so einfachen und vertrauten Abläufen machte, musste es ihm sehr schlecht gegangen sein. Er musste große Probleme gehabt und versucht haben mit diesen selber fertig zu werden. Die dafür nötige Kraft und Stabilität hatte er in der vertrauten Reparatur gesucht. Nur offensichtlich hatte es ihm nicht geholfen.
Jack erinnerte sich an Teal’cs Reaktion auf Daniels Tod. Hatte seine scheinbare Gleichgültigkeit damit zu tun gehabt, dass er viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt war, als das die Außenwelt für ihn noch eine Bedeutung gehabt hätte? Normalerweise wäre er nie einfach über den Tod von Daniel hinweggegangen, er hätte genauso getrauert wie er und Sam. Wahrscheinlich hätte er ein Jaffa-Totenritual abgehalten... Doch er hatte nicht einmal mit der Schulter gezuckt. War seine Reaktion der Aufschrei einer gequälten Seele gewesen, den Jack damals nur nicht hatte hören wollen?
Vielleicht war er zu langsam gewesen. Wenn er sich früher Sorgen gemacht und entsprechend reagiert hätte, wäre es vielleicht anders gekommen. Aber Jack hatte seine Zeit gebraucht. Erst lange Zeit nachdem er ihm von Daniels Tod berichtet hatte, hatte er Teal’c erneut aufgesucht.
Er hatte gewusst, dass der Jaffa ihn nicht sehen wollte. Prinzipiell war das normal, sie alle hatten solche Phasen. Aber gerade die Tatsache, dass diese bei Teal’c so oft vorkamen, war ja der Grund, warum er ihn eben nicht allein ließ.
Das Pendel, dass über Ewigkeiten an der Decke seines Raumes gehangen hatte, war verschwunden. Die Schur hatte in mehrere Stücke zerrissen auf dem Boden gelegen, das Gewichtstück war nirgends zu sehen gewesen. In einer Ecke des Raumes hatten die Splitter einer Platine gelegen, die sorgfältig in der alten Platinenform angeordnet waren und so fast den Eindruck erweckt hatten, als wäre diese noch ganz. Die Wände hatten große Dellen aufgewiesen, die aussahen, als hätte Teal’c sich mit voller Wucht gegen sie geworfen.
Dieser hatte in Meditationshaltung am Boden gesessen. Sein Atem ging heftig und unregelmäßig. Auf einmal hatte er die Augen aufgerissen und O’Neill damit direkt fixiert. Die sanfte Ernsthaftigkeit, die darin sonst zu lesen gewesen war, war verschwunden. Er starrte ihn mit flackerndem Blick an, blinzelte dabei kein einziges Mal.
Wenn er Teal’c früher aus seiner Meditation geweckt hatte, war er immer noch ein wenig abwesend erschienen. Jetzt war er völlig wach und Jack glaubte zu spüren, dass in diesem Moment Teal’cs Universum nur aus ihnen beiden bestand. Er glaubte nicht, dass Teal’c meditiert hatte, dazu war sein Zorn zu offensichtlich – ein Zorn, der sich jetzt auf ihn zu richten schien.
„Die Sonne hat sich verdunkelt“, sprach Teal’c dann mit Grabesstimme, die Jack völlig fremd vorkam. „Die Felder verdorren. Der Berg hat sich aufgetan.“ Jack schluckte. Teal’c fantasierte. Damit hatte er nicht gerechnet.
„Hey, Teal’c! Ich bin’s. Komm zu dir“, hörte er sich sagen.
Doch Teal’c setzte seine apokalyptischen Äußerungen fort. „Die Ozeane kochen. Das Land bebt.“ Und dann erhob er sich. Wie ein Riese, der sich bisher zusammengekauert hatte, wuchs er vor ihm in die Höhe. Jeder Muskel seines Körpers schien gespannt zu sein. Die Arme hoben sich ein Stück vom Körper ab, wie als ob er gleich zupacken wollte, seine Beine waren gespannt wie Federn.
Teal’c war ihm noch nie so groß und mächtig vorgekommen wie in diesem Moment. Jack konnte durch die Ärmel der Kleidung seine großen Muskeln sehen und erinnerte sich daran, dass Teal’c immer noch um einiges stärker als er war. „Das Volk stirbt.“ Teal’c starrte ihn an und es schien so, als ob er Jack die Schuld für den Untergang seiner fiktiven Welt gab.
Und in diesem Augenblick beschloss dieser lieber zu gehen. Er hatte gesehen, dass man mit Teal’c im Moment nicht reden konnte. Er war nicht ansprechbar gewesen. Was hätte es gebracht, wenn er darauf gewartet hätte, bis er sich auf ihn gestürzt hätte? Jack war gegangen, um Teal’c die Möglichkeit zum Abkühlen und ihm zum Überlegen zu geben.
Händeringend versuchte er eine überzeugende logische Begründung zu finden, die ihn zu dem gleichen Ergebnis geführt hätte, wenn er in diesem Moment nachgedacht hätte. Vielleicht war es ja wirklich sinnvoll gewesen, zu gehen, aber er wusste genau, dass der wahre Grund für sein Weggehen nicht in der Vernunft lag. Keine seiner vorgeschobenen Begründungen entsprach der Wahrheit.
Er hatte nicht nachgedacht. In Wirklichkeit hatte er Angst bekommen. Er, Jack O’Neill, früher Colonel in der Air Force und Kommandant von SG-1 hatte Angst vor Teal’c bekommen. Vor seinem Freund, seinem Bruder, dem Jaffa, welcher der Erde seine Treue geschworen hatte.
Jetzt im Rückblick ergab alles einen Sinn. Das ewige Leben hatte Teal’c in den Wahnsinn getrieben. Der Grund für sein seltsames Verhalten war gewesen, dass er den Verstand verloren hatte. Und Jack hatte daneben gestanden und es geschehen lassen.
Er wusste, dass Teal’c unglaublich willenstark war. Wenn er es nicht geschafft hatte, dagegen anzukämpfen, dann glaubte er nicht, dass er dabei noch etwas hätte tun können. Er hätte in ihm keine Kräfte mobilisieren können, die Teal’c nicht selber aufzubringen vermocht hätte.
Aber er hatte es nicht einmal versucht. Er hatte ihm nicht geholfen. Er war gegangen und war nicht wiedergekommen. Früher wäre ihm das nicht passiert. Colonel Jonathan O’Neill hätte seinem Freund geholfen. Notfalls hätte er sich mit ihm geprügelt, aber er hätte nicht zugelassen, dass er so einfach dem Wahnsinn verfiel.
Doch die Zeit hatte ihn verändert. Er war nicht mehr der Typ, dessen Namen auf der Marke gestanden hatte, die er die ganze Zeit über um den Hals getragen hatte. Früher hatte allein schon der normale Alltag für ihn mehr neue Situationen bereitgehalten, mit denen es galt fertig zu werden, als hier unten.
Früher war er mit nichts weiter als den spärlichen Daten eines MALPs vor Augen durch das Stargate zu anderen Planeten aufgebrochen und hatte sich den Situationen, die ihn dort erwartet hatten, gestellt. Hier war immer alles gleich. Es gab nichts Neues, nichts Unbekanntes. Er war es einfach nicht mehr gewöhnt, mit Situationen wie einem wahnsinnigen Teal’c fertig zu werden.
Doch diese Entschuldigung ließ er nicht gelten. Ganz egal, was man durchgemacht hatte, man half seinen Freunden. Es wäre seine Pflicht gewesen. Doch Jack O’Neill, der Android, hatte nichts dergleichen getan. Jetzt war Teal’c tot. Und er war schuld.

Eine Leitung war undicht geworden, so dass Wasser aus ihr heraus rinnen konnte. Es sammelte sich in einem kleinen Becken auf der Oberseite der Metallverkleidung eines Notfall-Generators, der sich unter dem Rohr befand.
Jack hatte die undichte Stelle nicht gesehen. In diesem Abschnitt der Station waren alle Lampen ausgefallen und es war stockfinster. Aber es hatte das Tropfen gehört und das Wasser in der Vertiefung gefunden. Es roch ein wenig nach Schwefel, doch Jack verspürte den seltsamen Drang sich darin die Hände zu waschen.
Teal’c...
Wenn er nicht gewesen wäre und Teal’c überredet hätte mit ihnen auf die Erde zu kommen, dann wäre er auch nicht hier gelandet. Letztlich war Jack dafür verantwortlich, dass Teal’c mit ihnen hier gestrandet war.
Jack erinnerte sich noch an ihre erste Begegnung. Hilf mir, hatte er ihn im Angesicht des Todes beschworen. Wir können diese Leute retten.
Der höchste Krieger des herrschenden Goa’uld hatte ihn angestarrt. Das haben schon viele gesagt hatte er mit seiner tiefen Stimme geantwortet und dann seine Entscheidung getroffen. Aber du bist der erste, dem ich es zutraue!
Teal’c hatte ihnen geholfen. Sie waren mit all den von dutzenden Welten entführten Menschen von Chulak entkommen. Und er hatte Teal’c überzeugt mit ihnen zu kommen und nicht etwa als Schol’wa auf Chulak zu bleiben.
Teal’c...
Sie waren Freunde geworden, Brüder. Wenn es jemanden gegeben hätte, dem er blind und ohne irgendeine Frage zu stellen sein Leben anvertraut hätte, dann wäre es Teal’c gewesen. Er wäre mit ihm durch die Hölle gegangen. Er hätte ihn nie im Stich gelassen und er wusste, dass dies auch für Teal’c galt.
Teal’c hatte ihm geholfen und er hatte Teal’c geholfen. Ich habe diesem Mann erzählt, dass auf unserer Welt, jeder Mensch Rechte hat. Nur weil er nicht auf diesem Planeten geboren ist, bedeutet das noch lange nicht, dass sie ihm diese Rechte vorenthalten können!
Nicht nur im Kampf waren sie Seite an Seite gestanden. Er hatte Teal’c gezeigt, wie man sich unter Menschen bewegte. Teal’c hatte ihn an seiner Weisheit teilhaben lassen, die er in seinem damals 98 Jahre dauernden Leben erlangt hatte. Inzwischen eine lächerliche Zahl, aber Teal’c war ihm früher ein guter Ratgeber gewesen und Jack hoffte, dass er das auch für Teal’c gewesen war.
Teal’c...
Jetzt wäre es wieder an Jack gewesen zu helfen. Wenn dies nicht die Hölle war, was dann? Doch er hatte versagt. Hilf mir! Es schien ihm so, als wäre es Teal’c gewesen, der diese Worte gesprochen hatte.
Er machte sich Vorwürfe. Wieder war ein Mensch gestorben, weil er sich eine Verfehlung zu schulden hatte kommen lassen. Doch wenn jemand wusste, dass Selbstvorwürfe niemanden mehr lebendig machten, dann war es Jack. Ansonsten wäre Charlie längst wieder am Leben gewesen.
Aber das änderte nichts daran, dass er versagt hatte. Hilf mir!! Er hatte nicht geholfen. Er hatte gehofft, dass alles von selbst wieder so würde, wie es Ewigkeiten gewesen war. Und nun stand er hier, Jack O’Neill, und wusch sich seine Hände in Unschuld.

Doch immer, wenn man glaubte, dass es nicht noch schlimmer kommen könnte, kam es schlimmer...

Sam war tot.
Nach Teal’cs Verschwinden verbrachte Jack viel Zeit damit durch die Station zu streifen und nach Ungewöhnlichkeiten Ausschau zu halten. Es gab ihm ein wenig das Gefühl, die Situation unter Kontrolle zu haben. Er hatte sie nicht unter Kontrolle.
Er fand Sam im Labor. Sie lag auf dem Operationstisch, auf dem damals Daniel gelegen hatte. Sie atmete nicht mehr. Das war kein Zeichnen von Leben, aber Jack spürte, dass sie tot war.
Von der Liege führte ein schwarzes Kabel zu einer Buchse an der Wand. Es war vorher nicht da gewesen. In die Liege war eine milchig-weiße Platte eingelassen gewesen, die immer aufgeleuchtet hatte, wenn das Feld aktiv war, mit dem sie eine Narkose simulierten. Jetzt hatte sich die Platte grau verfärbt.
Durchgebrannt stand der Gedanke in Jacks Gehirn. Sam musste das Gerät überlastet und so ihre Funktionen zu einem dauerhaften Stillstand gebracht haben. Natürlich hatte sie sich dabei keinen Fehler erlaubt. Bei etwas so wichtigem wie ihrem eigenen Tod hätte sie nie etwas falsch gemacht...
Es war vorbei. Jack stand an der Liege, sah auf sie hinab und wartete auf den Schmerz, den die Frau verdiente, die er vor einer Ewigkeit einmal geliebt hatte. Er wartete auf die schneidende Trauer, die sich durch ihn hindurchwühlen und ihn vor lauter Verzweiflung zusammenbrechen lassen würde. Doch nichts geschah.
Jack wartete geduldig. Manchmal dauerte es schließlich eine Weile bis sich ein Gefühl einstellte. Manchmal musste man die Situation erst realisieren. Aber der Schmerz kam nicht, würde nie kommen. Zu einem derartigen Gefühlsausbruch war er längst nicht mehr fähig.
Wie gerne wäre er in die Knie gesunken und hätte um sie geweint, zwischen den Schluchzern um Luft gerungen. Den Schmerz und die Wut über diese grausame Welt einfach hinausgeschrieen. Aber alles, was er empfand, war ein dumpfes Gefühl der Bedrückung. Das Gefühl etwas verloren zu haben – doch keinen Schmerz.
Er betrachtete sie, wie sie dort auf der Liege lag. Er hatte in seinem Leben schon viele Tote gesehen und wusste, wie sie aussahen, wenn sie eine Zeit lang gelegen hatten. Die Haut wurde blass und das Fleisch eingefallen. Das Blut folgte dem Ruf der Schwerkraft und sammelte sich in den tieferen Regionen des Körpers.
Doch Sams Gesicht zeigte davon keinerlei Anzeichen. Selbst im schummrigen Licht des Labors sah es immer noch so lebendig aus, als könne sie jeden Moment die Augen öffnen und sich von der Liege erheben, als ob sie nur geschlafen hätte.
Jack wusste, dass sie nie wieder aufstehen würde. Er dachte an die glückliche Zeit, die sie zusammen verbracht hatten. All das war jetzt vorbei. Er hatte auch Sam verloren.
Sie lag völlig entspannt da, die rechte Hand mit der kleinen Multifunktionsfernbedienung an ihrer Seite. Doch der Finger auf der tödlichen Taste erschien nicht verkrampft, sondern locker. Auch ihr Gesicht war völlig entspannt. Es schien fast so, als läge darauf ein sanftes Lächeln. Es war lange her, seit er sie zuletzt so zufrieden gesehen hatte. Sie war glücklich gewesen, als es zu Ende ging. Er hoffte, dass sie endlich ihren Frieden gefunden hatte.

Jack blieb bei ihr. Er konnte nicht weg. Er konnte sie nicht einfach hinter sich lassen, als hätte sie ihm nichts bedeutet. Sie war die letzte der alten Familie gewesen. Der letzte Rest von dem, was ihn hier draußen im Nirgendwo an Menschlichkeit erinnert hatte und gleichzeitig den letzten Rest Menschlichkeit in seinem Herzen am Leben gehalten hatte.
Auf eine gewisse Weise hatten sie sich immer gegenseitig gestützt. Sie alle. Allein durch ihre Anwesenheit sich Mut gemacht und das Gefühl gegeben, nicht völlig verlassen zu sein. Vielleicht hatte in der gegenseitigen Hilfe ihr letzter Lebenssinn gelegen. Ein Sinn, der nun genauso tot war, wie die Frau, die er geliebt hatte.
Lange Zeit hoffte er, dass er es doch noch schaffen würde, eine Träne für sie zu vergießen, doch nicht einmal das war ihm vergönnt. Daniels Tod hatte er nicht verhindern können, den Wahnsinn von Teal’cs hatte er nicht bemerken wollen und nun war er nicht einmal mehr in der Lage Sam zu betrauern, denn da war nichts weiter als dieses Gefühl der Bedrückung, das sich wie ein großes Gewicht auf ihn zu legen schien und das Atmen schwer machte. Aber Jack wollte auch gar nicht mehr atmen. Mit Sam war ein Teil von ihm gestorben. Auch er hörte zu atmen auf.
Während auf anderen Planeten Generationen kamen und vergingen, Gesellschaften entstanden und zerfielen, blieb Jack neben Sam stehen und wachte über sie. Es war das einzige, was für ihn zählte. Wäre der Planet unter ihm auseinander gebrochen, er wäre nicht von ihrer Seite gewichen.
Mit der Zeit konnte er beobachten, wie die Staubschicht im Labor dicker wurde. Langsam und schleichend zwar, wie der Zerfall der Station und seines Lebens, aber dennoch sichtbar. Dabei legte er sich nicht nur auf die Einrichtung des Labors, sondern begann auch Sam zu bedecken. Ihren Körper, ihr Gesicht. Doch er wagte nicht den Staub fortzuwischen, hätte dies doch bedeutet, sie noch einmal zu berühren. Genauso scheute er davor zurück sich ihr ein Stückchen zu nähren, um den Staub wenigstens von ihrem Gesicht zu pusten.
Der Staub hüllte sie ein wie ein Leichentuch. Und er legte sich auch auf Jack. Er stand völlig still und regungslos. Leblos wie Sam. Niemand hätte auf den ersten Blick zu sagen vermocht, ob in ihm überhaupt noch Leben war. Unter dem grauen Schleier des Staubes sah er aus wie eine Statue: Der Unsterbliche auf Totenwache für seine Gefährtin. Der vermeintlich Unsterbliche...
Irgendwann erschien Harlan und schreckte Jack aus seinen Gedanken auf. Dieser hatte völlig vergessen, dass es außerhalb dieses Raumes überhaupt noch eine Welt gab. Lange Zeit hatte es einfach nur ihn und seine Vergangenheit mit Sam gegeben.
Jack wurde bewusst, dass sie inzwischen völlig von Staub bedeckt war. Harlan indessen begann mit seinem üblichen Gejammer, das er schon beim Tod von Daniel und Teal’c abgespult hatte. Jack vermochte sich nicht darüber zu ärgern, aber er konnte es sich schlicht nicht anhören.
Wortlos und ohne Harlan auch nur eines Blickes zu würdigen drehte er sich um und verließ das Labor. Der Staub von Jahrtausenden wehte von seinem Körper hinab und vereinigte sich mit dem Staub des Bodens, durch den er hindurchstapfte.
Jack sah nicht zurück. Er brauchte keinen Blick über die Schulter, um sich von Sam zu verabschieden oder ein letztes Bild von ihr in seine Erinnerung aufzunehmen. Er hatte sich lange genug von ihr verabschiedet. Dieser Lebensabschnitt war nun endgültig vorbei. Was nun kam wusste er nicht. Im Moment wollte er es auch gar nicht wissen.
Seine Füße trugen ihn zum Schacht im Herzen der Station. Er fand sich an der gleichen Stelle wieder, an der Daniel damals gestanden hatte, nur das er das Geländer noch vor sich hatte. Er starrte hinunter auf den Boden des Schachtes. Es wäre so einfach.
Wieder versank er in sich selbst. Leere bereitete sich in seinem Kopf aus. Er starrte vor sich hin und wartete auf etwas, ohne genau zu wissen worauf.
Irgendwann hörte er Harlan neben sich. Er wusste nicht wie lange er schon dort stand. Er hätte kurz nach ihm hier eintreffen können und Jack hätte ihn nicht bemerkt. „Es tut mir sehr leid um deine Freundin“, erklärte Harlan sanft.
Jack sagte nichts. Er konnte darauf nichts sagen, starrte nur hinab in die Tiefe.
Harlan stand neben ihm und sah genau wie er hinunter in den Schacht, als versuche er zu verstehen, was es war, dass Jack da unten suchte. Die Zeit verging und Harlan blieb neben ihm, starrte hinab in die Unendlichkeit, wie als ob er das Leid mit Jack teilen wollte.
Für Jack war das Schweigen und die Einsamkeit etwas normales, alltägliches geworden und obwohl er sie selbst gewählt hatte, war die Stille, die nur vom Flüstern der Station unterbrochen wurde, immer ein Feind für ihn gewesen. Jetzt, wo Harlan schweigend neben ihm stand, kam ihm zum ersten Mal seit langem diese Stille wieder angenehm vor.
„Harlan?“ fragte er plötzlich aus einem Impuls heraus. Er lauschte dem Klang seiner Stimme nach, dem Echo, dass sie warf. Bis gerade eben hatte er gedacht, sie nie mehr zu hören.
„Mmmh?“ antwortete Harlan.
„Wie lange ist es jetzt her – seit wir hier her kamen?“ hörte Jack sich fragen. Eine leise Erleichterung erfüllte ihn über sein wieder aufkeimendes Interesse an der Umwelt.
„Das weiß ich nicht“, gestand Harlan betrübt.
Jack glaubte ihm. Seit er von ihm hatte wissen wollen, was mit den tragbaren Energiequellen geschehen war, war Harlan immer ehrlich zu ihm gewesen. Er vertraute ihm inzwischen. „Ich hatte immer gedacht, dass du irgendwo noch eine Uhr versteckt hättest und manchmal nach ihr sehen würdest“, überlegte er laut.
„Das hatte ich auch... Aber ich habe einmal zu lange nicht nach ihr gesehen. Sie funktioniert nicht mehr. Das ist jetzt schon sehr lange her.“
Jack nickte. „Und die Welt da draußen? Altair?“ fragte er.
Harlan seufzte. „Oh, wir können immer noch nicht raus. Radioaktive Strahlung, Unwetter, sehr, sehr gefährlich.“ Sehr schien ihn das allerdings nicht zu stören.
Mit einem mal wurde Jack bewusst, dass er doch nicht ganz alleine war. Harlan war hier. Er war ihm noch geblieben. Als einziger.
Früher hatte er ihn nicht leiden können und irgendwie hatte er sich so an diese Einstellung gewöhnt gehabt, dass er nicht gemerkt hatte, wie sehr er den kleinen Mann zu schätzen gelernt hatte.
„Harlan“, hörte er sich sagen. „Ich glaube ich habe in all den Jahren nie einen Zweifel daran gelassen, dass ich dich nicht leiden könne.“ Er zögerte kurz. „Das tut mir leid“, gestand er dann.
„Com-traya!“ freute sich Harlan und umarmte Jack. Er hatte sich in all der Zeit wirklich kaum verändert. Jack fragte sich, ob er bereuen sollte, was er gerade gesagt hatte.

Teal’c. Daniel Jackson. Samantha Carter. Drei Namen auf drei Metallplatten an der Wand. Seine Leute, seine Familie. Alle tot.
Neben den Schildern war an der Wand nun noch auf jeder Seite Platz für eine weitere Plakette. Für ihn und Harlan. Diese Erkenntnis erschreckte ihn. Jack hatte die Größe der Platte von Daniel damals nicht bewusst so gewählt, dass noch vier weitere daneben passen würden.
Der Mensch ist nicht dazu geschaffen ewig zu leben. Einst hatte er das zu Harlan gesagt. Die drei Plaketten bewiesen die Behauptung, die er damals aufgestellt hatte. Wenn seine Freunde es nicht geschafft hatten, würde es keiner schaffen. Sie waren die Besten gewesen. Intelligenz, Willensstärke, geistige Flexibilität und noch so vieles mehr. Das alles waren Dinge, die sie ausgezeichnet hatten. Dinge, die man hier unten brauchte.
Doch es hatte nicht gereicht. Das Beste war nicht genug. Kein Mensch konnte unendlich leben.
Wann würde es also ihn treffen? Würde er ewig leben können? Oder würde er vorher wie Teal’c den Verstand verlieren, sich in eine andere Welt flüchten, weil er diese hier nicht ertragen konnte. Oder würde er einfach nur so schrullig werden wie Harlan?
...und weiter bis in die Unendlichkeit. Das hatte Harlan gesagt. Er war auch der einzige, dem er das zutraute. Aber vielleicht war Harlan auch kein Mensch mehr. Vielleicht durfte man nicht „normal“ sein, wenn man unsterblich sein wollte.
Immer öfters begann sich Jack zu fragen, ob die einzige Alternative, die er hatte, entweder darin bestand freiwillig abzutreten oder darauf zu warten auf die eine oder andere Weise verrückt zu werden.
Vielleicht hatte es bei seinen Freunden auch damit angefangen, dass sie sich bewusst oder unbewusst diese Frage gestellt – und dann entschieden hatten. Daher machte ihm nicht nur der Gedanke an sich Angst, sondern auch die Tatsache, dass er ihn in Betracht zog.

Der Raum wirkte leer. Obwohl der Tisch durchaus für eine gewisse Füllung sorgte, fehlte etwas wichtiges.
Jacks Blick haftete an den leeren Stühlen, die um den Tisch des Gemeinschaftsraums herumstanden. Sie standen für Lücken, Löcher in seinem Universum, die sich nicht mehr schließen würden.
Schon früher hatte Jack hier alleine gesessen, doch nie war ihm der Raum ihm derartig trostlos und verlassen erschienen wie heute. Er dachte daran, wie es gewesen war, als dort noch seine Freunde gesessen hatten. Die Vorstellung von ihnen, wie sie sich hier zusammenfanden, einfach alle Sorgen vergaßen und fröhlich waren, erschien ihm so lebendig. Er konnte jeden einzelnen von ihnen förmlich vor sich sehen, hörte ihre Stimmen, glaubte wieder die tiefe innere Verbundenheit zueinander zu spüren.
Jahrhunderte hatten sie an diesem Ort verbracht. Nicht immer waren sie dabei fröhlich gewesen. Auch viele ernste Gespräche hatten sie hier geführt. Führen können. Damals...
Jack fühlte sich einsam. Irgendwie bemerkte man oft erst wie wichtig einem etwas war, wenn es fort war. Die eben noch so lebendige Erinnerung an seine Freunde verschwand wieder und wich der Realität der leeren Stühle, von denen er sich so sehr wünschte, dass sie besetzt gewesen wären.
„The same procedure as last year, Mr. O’Neill?” fragte er in den Raum hinein, als ihm bewusst wurde, was er gerade tat.
Doch da war niemand, der auf seinen Sarkasmus irgendwie hätte reagieren können. Es gab kein Grinsen von Sam, keinen irritierten Blick von Teal’c. Da war Nichts. Nicht einmal ein Butler. Der Raum konnte ihm nicht antworten.
Er hätte alles dafür gegeben noch einmal mit wenigstens einem der so vertrauten Freunde zu reden, bei ihnen nach Rat und Beistand zu suchen. Unglücklicherweise lag nur der Grund dafür gerade in der Tatsache, dass er dies nie wieder würde tun können...


* * *


Er fragte sich, wie Harlan es geschafft hatte die ganze Zeit zu überstehen ohne sich merklich zu ändern. Sie alle hatten sich verändert, er sah es an sich selbst. Nur Harlan nicht. Er konnte sich das nur so erklären, dass Harlan bereits seine Hölle durchquert hatte. Fünfeinhalbtausend Jahre völlig allein. Damals hatte er sich verändert. Die Person, die er vorher gewesen war, war sicherlich ganz anders gewesen. Doch er hatte diese Zeit überlebt. Sie hatte ihn geprägt und von da an hatte ihn wohl nichts mehr beeindrucken können.
Früher wäre es eine Horrorvision für ihn gewesen mit Harlan alleine zu sein. Heute war er froh drum.
Manchmal unterhielten sie sich. Dabei kam es weniger auf das an, was sie sagten, sondern einfach das sie etwas sagten. Es war besser, als mit sich selbst oder den Wänden zu reden. Das meinte zumindest Harlan, der das eine ganze Weile praktiziert hatte. Jack hingegen bezweifelte dies manchmal.
Harlan hatte auch erzählt, dass er Wallace irgendwann besser gekannt hatte, als sich selbst. Jack wunderte das nicht und er überlegte, ob dies auch für Harlan und ihn einmal gelten würde.
Das Stargate stand immer noch offen. Sie hatten es seit Teal’cs Fortgehen nicht wieder versiegelt. Das Tor stand da und wartete mit seiner unendlichen Geduld darauf, dass wieder jemand kommen würde, um es zu benutzen. Die Stargates waren für die Ewigkeit gebaut, niemand wusste genau wie alt sie waren und irgendwie hatte Jack das Gefühl, dass es noch hier stehen würde, wenn er längst zu Staub zerfallen war.
Sie beide hofften, dass eines Tages jemand zu ihnen kommen würde. Jack verstand inzwischen, warum Harlan sie damals dupliziert hatte. Inzwischen hätte auch er keine Skrupel mehr das Selbe zu tun. Vielleicht kamen ja irgendwann neue Freunde, die mit ihnen den Rest der Ewigkeit verbrachten.
Aber selbst, wenn sie sich als Feinde herausstellen sollten oder nur mal kurz vorbeischneiten, so würden sie doch wenigstens Abwechslung bringen.
Doch dieser Tag sollte nie kommen.

Was Jack immer vorausgesehen hatte, war eingetreten. Die Dämmerung war vorbei und die Nacht war angebrochen. Eine Nacht, die keine Hoffnung auf einen neuen Morgen ließ.
Alle Lampen waren Opfer ihres Alters geworden und sie hatten keine Möglichkeit mehr neue zu basteln. Die letzte Birne leuchtete ausgerechnet in einem der unteren Korridore. Als sie noch funktionierte, hatte Jack sich unter sie gestellt und zur Decke hoch gesehen, wo die kleine Sonne in trübem Licht erstrahlte. Vielleicht war es das letzte Licht, dass er zu sehen bekam. Er genoss die Helligkeit.
Irgendwann hatte er gehört, wie langsam ein helles Sirren aus dem Ultraschallbereich heran gekrochen kam und wie die Lampe zu flackern begann, fast wie eine Kerze im Wind. Und dann, mit einem leisen Knacken, war die Lampe erloschen.
Jetzt gab es nur noch das diffuse Licht einiger flimmernder Computermonitore, kleiner, beleuchteter Displays und den bunten Kontrolldioden. Doch auch dies würde irgendwann... na ja. Wenigstens konnte er jetzt nicht mehr den Wänden beim rosten zusehen.
Aber er brauchte kein Licht, um sich hier zurechtzufinden. Schon oft hatte er Dinge erledigt ohne hinzusehen. Wenn etwas kaputt war, dann meldete es der Stationscomputer, der teilweise immer noch funktionierte, oder er merkte es auch ohne Licht. Es gab schließlich noch andere Sinne. Er hörte es, wenn etwas nicht stimmte oder er roch es. Und dann konnte er sich den Rest ertasten.
Er hatte die Station von Anfang an als schwächstes Glied angesehen. Er hatte gedacht, dass sie eines Tages am Versagen der Station scheitern würden. Doch das war wohl zu pessimistisch gewesen, denn die Station war nicht das Problem. Das Problem waren sie selber gewesen. Während seine Freunde es nicht überlebt hatten, funktionierte die Station noch immer. Die Tatsache, dass sie ursprünglich für viel mehr Bewohner ausgelegt war, musste Jack und seine Gefährten bisher gerettet haben, denn es hatte immer gereicht, nur einen Bruchteil von ihr funktionsfähig zu halten. Fünf Leute hatten viel geringere Ansprüche als tausend. Würden hier immer noch alle von Hubalds Anhängern wohnen, hätten sie es nicht geschafft.
Doch wie lange würden sie noch durchhalten können? Nach Sektion 3 hatten sie nun auch die Sektionen 4 und 5 aufgegeben. Gerade bei Sektion 5 hatten sie sich das lange überlegt. Sie hätten ihn bestimmt noch eine Weile halten können, doch der Aufwand hätte in keinem Verhältnis zum Nutzen gestanden.
Durch die Stilllegung der beiden Sektionen, die sie dann ausgeschlachtet hatten, würden sie sie mit der Erhaltung der beiden letzten Sektionen – 1 und 2 – wenigstens in nächster Zeit keine Probleme mehr haben. Der Vorteil an der traurigen Tatsache, dass sie nur noch zu zweit waren, war außerdem, dass die Energieerzeugung nicht mehr auf Volllast laufen musste – auch wenn „Volllast“ nur ein winziger Bruchteil von dem war, was die Anlage früher einmal hatte leisten können.


* * *


Meter um quälte sich der Lift nach oben. Jack fürchtete, dass der Motor jeden Moment seinen Geist aufgeben könnte, schließlich war er seit Ewigkeiten nicht mehr benutzt worden.
Eigentlich war die Bezeichnung „Lift“ für diese Apparatur viel zu gut, nur Jack fiel leider kein besseres Wort ein. Es war ein quadratischer Metallrost von ziemlich genau einem Quadratmeter Größe, der einen Schacht von gleichen Ausmaßen ausfüllte – einen Schacht, der vielleicht hoch zur Oberfläche führte. Unter dem Rost war ein Elektromotor angebracht, der sich an zwei an den Wänden verlaufenden Schienen langsam nach oben zog.
Der Schacht war stockdunkel. Jack hatte seine rechte Hand an die Wand gelegt und konnte so fühlen, wie sie langsam an ihm vorbei glitt. Er hatte inzwischen aufgehört zu schätzen, wie hoch er nun schon war. Manchmal sah er hinab zu seinen Füßen, wo er wusste, dass er bei Licht durch den Rost hindurch den Boden des Schachtes hätte sehen können. Er war jetzt auf jeden Fall so hoch, dass es seinen Tod bedeutet hätte, wenn sich der Motor plötzlich aus den Schienen löste oder ins Leere griff.
Er spürte, wie der Einfluss der Energiequelle langsam abebbte. Er kannte dieses Gefühl. Innerhalb der Station gab es das auch. Wenn man sich in die tiefste Ecke zurückzog war dort der Energiefluss kaum, aber doch fühlbar schwächer. Dies beeinträchtigte einen jedoch nicht, selbst wenn man schwer schuftete. Jack hatte genug Zeit gehabt, das auszutesten.
Hier allerdings würde es ihn bestimmt beeinträchtigen, denn die Reichweite der Quelle erstreckte sich bestimmt nicht bis an die Oberfläche.
Er hatte also doch Recht gehabt! Die Altairaner waren doch nicht so dumm gewesen, alle Ausgänge zu versiegeln. Aber offenbar war dieser Schacht ein Geheimnis gewesen. Ein letztes Hintertürchen Hubalds falls etwas Unvorhergesehenes passieren sollte und geheim gehalten, um seine Anhänger vor Dummheiten zu bewahren.
Er glaubte nicht, dass Harlan davon gewusst hatte. Der Zugang war hinter einem schweren, metallenen Schrank für Ersatzteile verborgen gewesen. Irgendwann war der Schrank leer gewesen und einer von ihnen hatte ihn weggeschafft, vermutlich um aus seinen Metallplatten neue Rohre für das geothermische System zu formen.
Aber damals waren die Fugen der Tür noch so dicht an der Wand gewesen, dass man bei der düsteren Beleuchtung sie nicht gesehen hatte. Doch mit der Zeit hatte sich das Metall verzogen und die gute Wertarbeit zerstört. Jack hatte die Tür damals geöffnet und den Lift gefunden. Doch er hatte ihn nie benutzt.
Damals hatte Sam noch gelebt. Sogar Teal’c. Jack war sich sicher, dass mindestens Sam den Lift gesehen haben musste, doch sie hatte sich ihm gegenüber dazu nie geäußert – genau wie er. Keiner von ihnen hatte das Bedürfnis mehr gehabt, hoch zur Oberfläche zu gehen. Er war sich nicht sicher, warum. Vielleicht war es Trägheit oder Furcht gewesen. Oder der Gedanke, der sich inzwischen tief in ihnen verwurzelt hatte, dass man die Station nicht verlassen durfte und konnte.
Also warum war er jetzt hier?
Er hatte nicht darüber nachgedacht. Er war an dem Ort vorbeigekommen, von dem er wusste, dass dort in der Dunkelheit der Lift lag. Und diesmal hatte er ihn benutzt. Was ihn auf einmal dazu getrieben hatte, wusste er nicht.
Jack hatte sich überlegt, dass er vielleicht nur die Welt sehen wollte, auf der er lebte. Dass er diese Sache nicht unerledigt lassen wollte. Doch die Welt in der er lebte, war nicht der Planet da draußen, sondern immer die Station da unten gewesen.
Mit einem Ruck setzte der Motor aus. Das Gitter, auf dem er stand, verharrte in der tödlichen Höhe und überließ ihn der Dunkelheit. Na lustig, dachte er. Das war ja so klar.
Er konnte sich mit den Füßen und dem Rücken gegen die Schachtwände stützen und sich nach oben schieben. Das hatte er natürlich zu Anfang ausprobiert, aber gehofft, es sich ersparen zu können.
Doch bevor er damit anfing, glomm hinter ihm ein schwaches, rotes Leuchten auf. Er drehte sich um und erkannte, dass er gar nicht stecken geblieben war. Er war oben angekommen.
Vor ihm erstreckte sich ein kurzer Korridor, der an einem mächtigen, runden Schott endete. Da die Lampen nicht die ganzen Jahrtausende über durchgeleuchtet hatten, funktionierten einige von ihnen noch und tauchten den Gang in ein unheimliches, rotes Licht.
Er verließ den Lift. Dabei bemerkte er, das die Tür zum Lift noch in der Wand steckte. Er glaubte nicht, dass sie den Schacht noch einmal verschließen würde.
Seine Schritte klangen dumpf. Das Metall, aus dem der Gang bestand, schimmerte bläulich. Ein solches Material gab es unten nicht. Der Korridor war sicherlich mit einem dicken Mantel davon ausgekleidet.
Es war interessant seit langem mal wieder seinen eigenen Schatten zu sehen. Erst recht, da er gleich von mehreren Lampen erzeugt wurde. Jack kratzte sich am Oberschenkel.
Er hielt inne. Wann hatte es ihn zuletzt gejuckt? Doch dann wusste er es plötzlich. Es gehörte zu dem Wissen, dass ihnen Harlan damals mit auf dem Weg gegeben hatte: Er mochte zwar nicht mehr schmecken können, aber dafür hatte er einen anderen Sinn bekommen, der ihm weitaus mehr nutzte. Er konnte radioaktive Strahlung spüren.
Das Jucken erinnerte ihn ein wenig an die Einschläge in einem Geigerzähler, aber dies war wohl kein passender Vergleich, denn er spürte nichts von der normalen, allgegenwärtigen Strahlung die ihm auch nichts ausmachte. Das er es jetzt spürte bedeutete wohl, dass er in einen Bereich kam, in dem die Strahlung für ihn langsam gefährlich wurde.
Dem Körper machte radioaktive Strahlung wenig aus, aber seinem Gehirn dafür umso mehr. Eine Weile würde nichts passieren, doch mit der Zeit wurde die Wahrscheinlichkeit für eine Kettenreaktion größer, die ihm das Hirn förmlich verbrennen würde. Da er inzwischen keine Energie mehr von der Quelle erhielt, begann er sich gleichgültig zu fragen, was ihn wohl früher umbringen würde: die Strahlung oder der Energiemangel.
Er erreichte das Schott. Daneben befand sich eine Taste. Sie leuchtete blau. Blau war gut, es bedeutete „bereit“ – auf der Erde wäre sie wahrscheinlich grün gewesen. Er drückte die Taste. Sie knirschte ein wenig, wie als hätte sich feiner Staub in die Ritzen gesetzt.
Dann begann es hinter den Wänden zu rumoren. Mit einem lauten Wummern nahm ein uralter Motor seinen Dienst wieder auf und zog das Schott zur Seite. Es war wie ein riesiges Zahnrad mit stumpfen Zähnen, das schwerfällig zur Seite rollte. Es war einen guten Meter dick.
Hinter dem Schott befand sich ein lang gezogener Schleusenraum. Jack zögerte nicht und tat ein. Auch hier gab es die roten Lampen. Hinter ihm schloss sich das Schott wieder. Langsam ging er zum nächsten Schott. Hier gab es keine Taste. Das Schott blieb verschlossen.
Er sah sich um. Am Boden befanden sich mehrere Abflussschlitze, die wohl in eine Kanalisation führten. Die Wände waren gespickt mit kleinen Düsen. Reinigungsdüsen sprach Harlans eingeimpftes Wissen. Sie sprühten Ankömmlinge ab und reinigten sie von radioaktiven Rückständen. Die Flüssigkeit verschwand in den Abflüssen.
Das Schott hatte sich früher bestimmt automatisch geöffnet, aber schließlich war es schon ein Wunder gewesen, dass sich überhaupt das erste geöffnet hatte. Er konnte nicht erwarten, dass der andere Motor auch funktionierte. Obwohl sein Leben nicht mehr lange dauern würde, wenn sich herausstellen sollte, dass er hier feststeckte, behielt er die Ruhe. Als relativ Unsterblicher lernte man Geduld zu haben.
Und tatsächlich begann es auch am Außenschott irgendwann zu dröhnen und der zweite Motor begann lautstark das Schott wegzurollen. Er kam nicht weit. Er hatte noch nichtmal die halbe Strecke zurückgelegt, da blieb er stecken. Der Motor heulte, er dröhnte und knurrte. Dann erstarb das Geräusch.
Die Öffnung war groß genug, dass Jack bequem durchkam. Dahinter erstreckte sich ein weiterer Gang, der jedoch leicht abwärts führte. Damit das Wasser nicht zum Schott kommt, flüsterte etwas in ihm. Welches Wasser?
Hinter ihm ertönte noch einmal der Motor und versuchte das Schott wieder zu schließen. In seinen Versuchen es aufzureißen hatte es sich aber anscheinend so festgefahren, dass er es jetzt auch nicht mehr schließen konnte. Der Motor gab auf.
Hier waren schon weitaus mehr Lampen ausgefallen. Die Juckreize wurden jetzt häufiger. Der Gang endete in einem weiteren Schacht aus dem gleichen blauen Metall wie die Korridore. Er war jedoch rund. Am Boden befand sich ein grobes Metallgitter, das ebenfalls in die Kanalisation führte.
Er sah nach oben. Im Schacht glühten nur zwei Lampen, die untere flackerte. Wenn er genau hinsah konnte er sehen, dass der Schacht in einer Luke endete. An seiner Wand waren Leitersprossen eingelassen. Sie wirkten erstaunlich stabil. Er belastete sie vorsichtig und stellte fest, dass sie sein nicht zu vernachlässigendes Gewicht trugen.
Er kletterte nach oben. Es waren an die fünfzehn Meter, eine Höhe, die auch für ihn tödlich war, aber das kümmerte ihn nur am Rande. Dann erreichte die Decke. Es war wirklich eine Luke. Sie hatte zum Öffnen ein großes Handrad. Dies war nicht unbedingt die intelligenteste Lösung, denn Jack brauchte schließlich eine Hand, um sich an der Leiter festzuhalten.
Das Rad bewegte sich keinen Millimeter. Einen Moment glaubte Jack die Kraft seines Roboterarms würde nicht ausreichen, doch dann gab der Mechanismus knirschend nach und ließ sich daraufhin mehr oder weniger leicht drehen.
Schließlich erreichte er den Anstoß. Jack hob die Luke ein wenig an. Sie war leichter als er erwartet hatte, vermutlich hatte der saure Regen im Laufe der Zeit ihre Dicke ziemlich reduziert.
Welches Wasser? Dieses Wasser! Draußen groß es in Strömen. Er stieß die Luke vollends auf und stecke seinen Kopf aus der Luke. Das Kribbeln überzog jetzt seinen ganzen Körper, wie als ob er in einem Ameisenhaufen liegen würde. Harlan hatte Recht gehabt, als er von der Strahlung hier oben geredet hatte.
Ein Gewitter tobte. Das Grollen des Donners ließ sich nicht mehr in einzelne Schläge differenzieren, war eine ständige, laute Geräuschkulisse. Es war düster. Das Licht stammte hier nicht von der Sonne, sondern von unzähligen Blitzen, die oft in schneller Folge durch die schwarzen Wolken zuckten und die Landschaft stroboskopartig erhellten.
Der Wind wechselte ständig die Richtung und peitschte den Regen gegen Jacks Körper. Innerhalb von Sekunden war er völlig durchnässt. Er hörte wie das Wasser den Schacht hinunterplätscherte. Er umklammerte fest den Rand der Luke, um nicht abzurutschen.
Er sah zum Himmel. Die Wolkendecke war so dicht, dass er nicht mit Sicherheit zu sagen vermocht hätte, ob es Tag oder Nacht war. Die Wolken waren schwarz und erschienen irgendwie dreckig.
Zum ersten mal seit dem Tod von Sam zog er wieder Luft in seine künstlichen Lungen. Wie, um sich von seiner Menschlichkeit und vielleicht auch ein wenig von seinem Leben zu verabschieden hatte er es sich abgewöhnt gehabt. Die Luft war kalt und feucht. Es roch nach Schlamm. Das Kribbeln schien jetzt auch seine nur rudimentär vorhandenen Lungen zu erfüllen. Es fühlte sich nicht gut an, deswegen hörte er auch gleich wieder damit auf.
Jack ließ seinen Blick über die Landschaft schweifen. Es war eine einzige, schlammige Fläche.
Schon bevor die letzten Pflanzenwurzeln zu Staub zerfallen waren, hatte die Erosion durch den ständigen Regen ihr zerstörerisches Werk begonnen. Sie hatte jeden Hügel abgetragen und mit den Schlammmassen der Hügel die Täler zwischen ihnen gefüllt. Jetzt war alles flach wie die Oberfläche eines großes Sumpfs.
Die Altairaner hatten den Schacht damals wie ein Rohr im Boden mit diesem blauen Metall ausgekleidet. Dieses Rohr hatte seine alte Höhe behalten und so sah Jack aus einer Höhe von fast drei Metern auf das herab, was einmal fruchtbare Erde gewesen war. Drei Meter Erde waren im Laufe der Zeit einfach weggespült worden.
Die riesige Fläche wurde durchzogen von tiefen Rinnen, die sich das Wasser gegraben hatte, das nicht mehr vom völlig durchnässten Boden aufgenommen werden konnte. Das Regenwasser, das sie führten, sammelten sich wie ein Netz aus Adern auf der Haut eines Ungeheuers in immer größeren Rinnen. Ganze Ströme entstanden auf diese Weise. Jack folgte ihrem Verlauf. Dann sah er links von sich, wo das ganze Wasser hinkam. Es war ein riesiger See voller brauner Brühe.
Nein, ein See war immer etwas Tiefes. Dies hier war bestimmt nicht tief, es war nur eine ganz flache Senke. Deswegen war der See auch so groß. Er war nichts weiter, als eine riesengroße Pfütze.
Und er drehte sich weiter. Hinter sich sah er noch mehrere Rohre der Station aus dem durchnässten Boden ragen. Lüftungsschächte zur Kühlung. Einige von ihnen waren in sich zusammengefallen, zwischen ihnen vermoderte undefinierbarer Schrott. Und da waren die drei Ausgänge, von denen sie gewusst hatten. Einer davon war groß genug um ganze Maschinenblöcke in die Tiefe zu schaffen.
Das blaue Metall war inzwischen so matschig-braun wie die Erde. Die Korrosion hatte auch ihm schwer zugesetzt. Die früher sicherlich glatte Oberfläche war rau geworden und erschien ziemlich porös.
Der Donner grollte weiter. Jack drehte sich zur anderen Seite. Dort lag zu seiner Überraschung eine riesige Stadt. Oder besser die Ruine einer Stadt. Durch den ständigen Regen und die Dunkelheit konnte er sie kaum erkennen. Sie begann rechts von ihm und zog sich dann scheinbar schnurgerade weiter bis sie sich im Regen verlor.
Es mussten einst gewaltige Wolkenkratzer gewesen sein. Harlan hatte ihm von den Städten seines Volkes erzählt. Bei einigen Gebäuden hatte man ihre Höhe schon in Kilometern gemessen. Doch jetzt zeugten davon nur noch die Trümmer. Die Häuser waren in sich zusammengefallen, ihr Schutt füllte die Straßen dutzende von Metern hoch. Nur noch einige Stummel erhoben sich kaum der Rede wert über die Haufen aus zermahlenem Beton und korrodiertem Metall. Einige Stützstreben ragen aus ihnen hervor wie anklagend dem Himmel entgegen gestreckte Hände.
Und in Richtung Stadt lag noch etwas anderes. Vielleicht hundert Meter von dem Luk entfernt lag eine Gestalt im Matsch. Es musste einer von Harlans Leuten gewesen sein. Das künstliche Fleisch war zu Staub zerfallen. Bis auf seine Metallteile hatte er sich völlig aufgelöst. Das früher silber-graue Material hatte sich schwarz verfärbt. Seine Form erinnerte fatal an ein menschliches Gerippe. Im Tod sind wir alle gleich. Zum Glück lag der Tote mit dem Gesicht im Matsch.
Er musste schon lange hier liegen, ein Teil von den Überresten war von Schlamm bedeckt, aber er war nicht darin versunken, was nach dieser Zeit eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Vielleicht war er verschüttet gewesen und wurde erst jetzt wieder vom Regen freigelegt.
Ein furchtbarer Verdacht stieg in Jack auf. Was wäre, wenn Teal’c zwar das Stargate geöffnet hatte, aber dann nicht hindurch gegangen war? Vielleicht war er statt dessen durch die Tür, die Jack unten geöffnet hatte, so wie er hier auf die Oberfläche gekommen – um zu sterben.
Nein, Teal’c war größer und kräftiger gewesen... Aber konnte er das aus dieser Entfernung beurteilen?
Eine Windböe erfasste den Regen und trug ihn zur Seite, so dass er für einen kurzen Moment im zuckenden Licht der Blitze die Stadt besser erkennen konnte. Eines der vielen Gräber der untergegangen Zivilisation. Es ging ein Reiz von ihr aus. So wie er ohne zu überlegen den Lift betreten hatte, spürte er, wie er gerne hinab gesprungen und auf sie zu marschiert wäre. Vielleicht hätte er sie sogar noch erreicht.
Wieso war er hier?
Jack fürchtete den Tod nicht und er hing auch längst nicht mehr am Leben. Die Ruinen würden auch sein Grab werden. Vielleicht würde er dort sogar seine verlorenen Gefährten finden. Sie alle waren diesen Weg gegangen, wieso also nicht auch er? Der Mensch ist nicht dazu geschaffen ewig zu leben...
Warum war er hier? Er war hier, um sein Leben zu beenden – das wurde ihm jetzt klar. Es war nicht das Ergebnis einen langen Kampfes mit sich selbst. Er hatte nie in seiner Verzweiflung beschlossen, dass es keinen anderen Weg für ihn gab. Er war nicht bewusst mit dieser Absicht hierher gekommen. Seine Füße hatten ihn geführt, nicht sein Verstand.
Jack starrte in den Regen. Er war es leid. Das Leben hatte sich zu einem Feind von ihm entwickelt. Immer der nur gleiche Trott. Immer nur die Aussicht auf das Versagen der Station.
Auch Harlan konnte nichts daran ändern, dass er sich verlassen fühlte. Im Stich gelassen nicht nur von seinen Freunden, sondern auch von der Welt wie er sie kannte. Zurückgelassen in einem Universum für das er als angeblich Unsterblicher ein Fremdkörper war, etwas unnatürliches, unwillkommenes. Er gehörte nicht in diese dunkle Welt, deren Feindseligkeit er förmlich spüren konnte.
Es nagte an ihm. Schon seit langem. Da war nichts mehr in seinem Leben außer dem Gefühl fehl am Platz zu sein. Was sollte er also noch hier? Sein Blick wanderte zurück zu der Gestalt am Boden. Wer immer es war, er hatte diese Frage definitiv mit „nichts mehr“ beantwortet. Was tut eine Pflanze, Jack?
Sie produziert Sauerstoff und das tut sie nur, weil sie ihn selber zum atmen braucht. Ihre ganze Existenz dient nur der Sicherung dieser Existenz.
Das Argument hatte ihn damals so überrumpelt, dass er nichts dagegen hätte sagen können. Doch Daniel hatte etwas übersehen. Eine Pflanze produzierte immer mehr Sauerstoff, als sie selber benötigte. Es gab einen Überschuss, der in der Umwelt verblieb. Die Pflanze tat nichts weiter, als ihr Leben zu erhalten, aber ohne es zu wissen, ohne es zu wollen, ermöglichte ihre bloße Existenz das sauerstoffatmende Leben auf einem ganzen Planeten. Dadurch bekam eine auf den ersten Blick sinnlose Existenz ihren Sinn. Die Pflanze war sich ihrer Bedeutung und ihres Werts, der sich daraus ergab, nur nicht bewusst.
Jack kletterte nicht aus der Luke. Er sah nicht nach, ob im Matsch vielleicht ein goldenes Tattoo lag, er ging nicht hinaus in diese tote Welt.
Selbstmord. Er hatte dieses Wort bisher nie in den Mund genommen, wie als ob er versucht hätte die Handlung der anderen zu decken. Denn in diesem Wort steckte bereits eine Wertung: SelbstMORD. Moral war immer relativ, das hatte er inzwischen erkannt, aber dennoch erschien ihm dieser Ausweg nicht richtig. Er hatte schon mit dem Gedanken an Selbstmord gespielt, als Charlie gestorben war. Aber er hatte es nicht getan.
Jack vermochte es nicht zu erklären, erst recht nicht rational, aber der spürte, dass dies nicht sein Weg war. Er fürchtete den Tod nicht, wenn das Ende eines fernen Tages kam, würde er sich nicht gegen sein Schicksaal stellen. Aber er würde nichts tun, um es zu beschleunigen.
Jack sah noch einmal zur Stadt. Das verlockende Flüstern war verschwunden. Jetzt war da nur noch das Rauschen des Regens und das Grollen des Donners.
Jack zog die Luke wieder hinter sich zu.

Harlan war am Verzweifeln, doch Jack schien das nicht zu bemerken.
Er spürte mit jeder Faser, dass die Station starb. Harlan war beim Bau von Anfang an dabei gewesen. Er kannte sie in- und auswendig. Dies war seine Welt. Er hatte alles getan, um sie über die Zeit am laufen zu halten. Nicht nur aus bloßer Notwendigkeit heraus, sondern einfach aus dem Grund, weil sie seine Heimat war. Er liebte die Station. Der Gedanke, dass sie zerfiel machte ihn krank.
Er hatte soviel Arbeit in sie gesteckt, so viele Mühen auf sich genommen. In der Station steckte so viel von ihm selbst, sie war sein Schatz, sie war das einzige, was er in der Phase der Einsamkeit noch gehabt hatte. Und jetzt lag sie in ihrem langen, langen Todeskampf, an dessen Ausgang trotz ihrer Bemühungen kein Zweifel bestand.
Doch es war nicht nur die Station, die ihn verzweifeln ließ. Harlan fürchtete sich vor nichts – nicht einmal dem Tod – bis auf eine Ausnahme: Er hatte panische Angst vor der Einsamkeit. Er würde den Tod der Station verkraften, er würde es verkraften seinen eigenen Tod kommen zu sehen, aber er wollte nie mehr einsam sein.
Die Zeit der Einsamkeit kam ihm heute völlig irreal vor. Sie war wie ein längst vergessener Feind aus den Tiefen der Vergangenheit, der wieder am Horizont erschien. Drei seiner Freunde hatten ihn verlassen, einfach so. Und jetzt war nur noch Jack übrig. Er fürchtete, dass auch er ihn eines Tages verlassen würde.
Jack hatte ihm gesagt, dass er den Tod von Daniel damals nicht vorhergesehen hatte. Wie sollte er, Harlan, dann erkennen, was in Jack vorging? Dieses Problem beschäftigte ihn lange Zeit und irgendwann hielt er es nicht mehr aus. Vielleicht machte er dadurch alles kaputt, aber er hatte Jack gefragt, ob er manchmal mit dem Gedanken spielte seiner Existenz ein Ende zu setzen.
Ohne irgendwie von der Frage beeindruckt zu sein oder auch nur darüber nachzudenken hatte dieser einfach geantwortet „Nein.“ Eine Weile hatte das Harlan beruhigt, aber letztlich war er so schlau wie vorher geblieben. Er wusste nicht, was wirklich in Jack vorging. Vielleicht überlegte Jack es sich irgendwann anders.
Harlan hatte keinen Schimmer, was er dann tun würde...


* * *


Wenn die Zeit früher für ihn keine Bedeutung gehabt hatte, dann wurde sie nun zu etwas völlig abstraktem.
Jack wusste, dass es etwas wie Vergangenheit gab. Er wusste, dass es einen Planeten mit dem Namen Erde gab und dass er früher einmal nicht mit Harlan allein gewesen war. Doch dies alles war nur noch ein Echo aus einem anderen Leben. Das war nicht wirklich er gewesen. Es lag so weit zurück, dass es keinen Bezug mehr zu ihm hatte.
Außerdem merkte er, wie sein Gedächtnis nachließ. Es lag nicht am Alter, sondern schlicht daran, dass jeder Speicher begrenzt war. Sein Hirn musste jetzt ständig entscheiden, was er sich merken sollte und was er vergaß.
Er wusste auch noch, dass es Zukunft gab. Zukunft war etwas, das noch nicht war und das irgendwann kommen würde. Nur lag sie in so weiter Ferne, dass auch sie für ihn kaum eine Bedeutung hatte.
Mit was er aber ernsthafte Probleme hatte, waren nicht Vergangenheit oder Zukunft, sondern die Gegenwart. Es gab eine gewisse Zahl von Dingen, die er jetzt tat. Reparieren, Worte mit Harlan austauschen und Nichtstun. Er hing mal hier und mal dort rum, ging durch Korridore und Hallen und schaffte es zusammen mit Harlan irgendwie die Station betriebsfähig zu halten. Neben diesen Tätigkeiten gab es hier nicht viel zu tun und dieses Wenige hatte er schon öfters getan, als er zählen konnte. Alles kannte er inzwischen auswendig, nichts davon war mehr etwas besonderes. Viel mehr noch: es war alles eins.
Es kam vor, dass er sich fragte, ob er das, was er gerade zu tun glaubte, wirklich tat oder ob er nur einer Erinnerung davon nachhing, die so genau und so real war, dass er sie nicht von der Realität unterscheiden konnte. Die Realität selber indessen nahm er kaum noch wahr. Sie war einfach für ihn nicht mehr von Interesse, weil sie ihm nichts Neues mehr bot. Es geschah nichts mehr von Bedeutung, egal wie viel Zeit auch verging. Selbst ein „Notfall“ mit der Station konnte ihn nicht mehr aus seiner Routine reißen.
Doch zu seinen Erinnerungen stand er nicht viel besser, als zur Wirklichkeit. Auch sie kannte er zur Genüge, er hatte sie oft genug vor seinem inneren Auge ablaufen lassen und sie langweilten ihn. Außerdem hatte er genau wie mit der Realität auch mit seinen Erinnerungen Probleme sie einzuordnen.
Wenn er versuchte sich zu erinnern, was er unmittelbar vorher, also vor dem jetzt, getan hatte, war dieser Versuch zum Scheitern verurteilt. Er glaubte sich zwar die Dinge zu merken, die er tat, aber da sie sich nicht voneinander unterschieden, konnte er sie nicht auseinander halten und folglich weder zählen noch in eine zeitliche Reihenfolge bringen. Alles, Realität und Erinnerung, verschwammen, flossen ineinander und wurden zu einem untrennbarer Einheitsbrei.
Manchmal versuchte er diesen Brei noch zu entwirren. Er dachte über seine Situation nach oder hing zumindest der Erinnerung an den einen oder anderen Gedankengang nach, der sich dann eine Ewigkeit gebetsmühlenartig wiederholen konnte.
Aber manchmal war dann auch wieder Leere in seinem Schädel. Er brachte es hin und wieder fertig an überhaupt nichts zu denken. Was hätte das auch sein sollen. Er hatte nicht nur alles getan, was man hier tun konnte, er hatte auch alles gedacht. Und so verloren sich nicht nur die Geschehnisse im Nebel der Zeit, sondern auch die Zeit selber.

Er hörte das Rauschen von Wasser, das sich eine Etage über ihm abgekühlt hatte und wieder kondensiert war. Es sammelte sich und floss blubbernd durch ein Rohr ganz in seiner Nähe ab. Das Geräusch war immer da. In der sekundären Turbinenkammer im hinteren Teil von Abschnitt 42 in Sektion 2 hörte es sich immer gleich an. Nirgendwo anders konnte man dieses Geräusch sonst hören.
Im vorderen Teil von Abschnitt 42 dagegen war von diesem Rauschen nichts mehr zu hören. Hier gab es nur das laute Wummern des Verdichters. Der Korridor, der um den Verdichter herumführte, war mit Abdeckplatten ausgelegt, die man für Wartungs- und Reparaturarbeiten öffnen konnte. So erreiche er die Stromkabel, die unter anderem auch den Verdichter versorgten. Er verwendete eines dieser Kabel um einen anderen Verdichter, nämlich den in Abschnitt 12, zu versorgen. Der Verdichter hier kam auch mit einem Kabel weniger aus.
Die Abdeckplatte am Boden vor der Vorderfront des Verdichters hing ein wenig durch. Wenn man auf ihr stand konnte man das rote Leuchten einer einfachen Halbleiterdiode sehen, das aus einem der Seitenkorridore im angrenzenden Abschnitt 40 kam. Es war eine von insgesamt fünf roten Dioden in der Station. Nein, falsch. Es waren acht Dioden. Wobei fünf der acht die gleichen waren, wie die anderen fünf...
Es waren fünf und es waren acht. Gleichzeitig.
Natürlich konnte es nicht gleichzeitig sein, das wusste er schon, nur machte seine Erinnerung keinen Unterschied zwischen dem Zeitpunkt, an dem es fünf Dioden und an dem es acht gewesen waren. Rein von der Logik her betrachtet mussten es früher acht und jetzt fünf sein. Anders ging es nicht. Wie gut, dass er noch seinen Verstand hatte, um sich die Dinge herzuleiten, die er vergaß!
Er kannte die genaue Reihenfolge, in der die Bauteile der Station ausfielen. Er hatte sie vergessen. Begrenzter Speicher, unnötiges Wissen. Sein Gehirn bot nicht genug Platz für alle Erinnerungen. Es war auch nicht wichtig. Gehörte die Diode in Abschnitt 40 überhaupt noch zu den acht, die leuchteten?
Sie hatte geleuchtet, aber tat sie das jetzt noch? Er konnte sich genau erinnern, wie es aussah, wenn man von der durchhängenden Abdeckplatte in Abschnitt 42 zu ihr hinüber blickte. Natürlich konnte sie aber auch inzwischen längst aus sein. Er konnte sich Abschnitt 42 genauso gut dunkel vorstellen. Dunkle Abschnitte waren alle gleich: Man sah sie nicht. Es gab viele dunkle Abschnitte. Gehörten auch die Abschnitte 40 bis 42 dazu? Wenn er auf der durchhängenden Abdeckplatte gestanden hätte, hätte er es sagen können. Von dort unten hatte er ein Kabel verwendet um den Verdichter in Abschnitt 12 zu versorgen. Doch er stand nicht auf dieser Abdeckplatte. Er griff fester zu.
Seine Finger umschlossen zwei Rotorblätter. Es rauschte, wie es nur im hinteren Teil von Abschnitt 42 in Sektion 2 rauschte. Er versetzte die große Turbine, von der er wusste, dass sie in der Dunkelheit über ihm hing, in Bewegung. Sie begann sich zu drehen. Die Drehung wurde auf einen Generator ein Stockwerk über ihm übertragen. Seine Achse stand nicht mehr ganz gerade, weil er bei jeder seiner Umdrehungen ein schabendes Geräusch machte.
Die Turbine wurde normalerweise von relativ kaltem, aber dafür umso schnelleren Wasserdampf in Bewegung gesetzt. Es waren sogar insgesamt zwei Turbinen hier, eine primäre und eine sekundäre. Man konnte die sekundäre Turbine aus ihrer Kammer ziehen und in die entstehende Öffnung kriechen, um an die primäre Turbine zu kommen... Offensichtlich hatte er das getan.
Hier konnte man das Rauschen und Blubbern hören, dass nur hier zu hören war. Zu diesem Geräusch mischte sich das Knirschen eines Sandkorns, dass im Getriebe der Turbine zermahlen wurde. Manchmal geriet trotz aller Filter so etwas in den Wasserkreislauf. Das beschädigte die Turbinen. Doch nicht jetzt. Jetzt war sie offenbar in Ordnung. Warum war er dann überhaupt hier?
Er griff nach dem Messgerät an der Achse der Turbine. Er erinnerte sich nicht, es dort hin gehängt zu haben, aber eine Überraschung, dass es sich tatsächlich dort befand, war es nicht. Es war immer dort. Natürlich. Er hängte er immer dort auf, wenn er hier war.
Unendlich langsam kroch er mit dem Messgerät in der Hand aus der Kammer der sekundären Turbine in Abschnitt 42 und schlurfte hinüber zu Abschnitt 40. Dort leuchtete eine rote Diode. Es war eine von insgesamt vier, die noch in Betrieb waren. Er hob die Hand und fand darin eines der Messgeräte, dass die Belastbarkeit von Turbinen testete. Wie es das tat hatte er wohl vergessen. Es hatte ihn nie interessiert. Im Licht der Diode konnte er ihr Display ablesen. Die Turbine war in Ordnung.
Er drehte sich um und ging zurück. Das Messgerät hielt er so fest umschlossen, dass seine Hand zu schmerzen begann. Ein guter Trick. So würde er auf dem Rückweg nicht vergessen, was er zu tun hatte. Er zählte die Schritte, die er von der Diode in Abschnitt 40 zum hinteren Teil von Abschnitt 42 benötigte. Hier ließ ihn seine Erinnerung nicht im Stich. Wenn man wie ein Maulwurf im Dunkeln lebte, musste man sich einfach auf diese Art orientieren.
Er erreichte sein Ziel. Aus der Kammer konnte er das Rauschen und Blubbern hören, dass aus dem nahen Rohr kam. Weiter hinten in diesem Abschnitt wurde dieser Ton bereits vom Wummern des Verdichters übertönt. Nachdem er eines seiner Stromkabel entwendet hatte, um den Verdichter in Abschnitt 12 zu betreiben, war es ein wenig leiser geworden, allerdings nicht viel.
Er ging weiter und stieß dabei gegen die sekundäre Turbine, die in den Gang hineinragte. Er erinnerte sich an den Schmerz in seiner Hand und bemerkte darin das Messgerät.
Zurück in Abschnitt 40 sah er noch einmal auf das Display. Er hatte sich also korrekt erinnert. Die primäre Turbine war stabil genug, um weiterzuarbeiten. Hatte er sie repariert oder nur überprüft? Er tat beides so oft. Die sekundäre Turbine fuhr auf ihren Schienen zurück in die sekundäre Turbinenkammer in Abschnitt 42, Sektion 2. Die Turbine konnte man auch in den Gang hinausziehen und in ihre Kammer klettern, um an die primäre Turbine zu gelangen, wenn man sie reparieren oder mit einem dieser kleinen Messgeräte überprüfen wollte. Aber das würde er irgendwann später einmal tun...

Schritte, die nicht von ihm stammten. Es gab viele, von denen sie kommen konnten, doch von diesen vielen kam nur einer wirklich in Frage. Harlan. Mit ihm war er alleine hier. Nur er konnte es sein. Er konnte ihn in der Dunkelheit nicht sehen, aber er hörte, wie er auf ihn zukam. Sie stießen zusammen.
Orientieren konnten sie sich beide ohne Probleme, denn die Station war dunkel. Doch wenn ein unvorhergesehenes Hindernis in den Weg kam, konnten sie das natürlich nicht wissen und stießen dagegen. Er fluchte und stand auf, wie er es ständig tat. Es war immer das gleiche. Sie brauchten sich nicht einmal mehr dafür zu entschuldigen, dafür war es zu selbstverständlich. Aber fluchen, das musste er immer. Es war immer der gleiche Fluch. Er kannte sehr viele Flüche und hatte eine große Auswahl, welchen er diesmal verwenden sollte.
Harlan ging an ihm vorbei, ohne ihn auch nur zu streifen. Diesmal war er zur Seite getreten und so hatte Harlan ihn einfach passieren können.
Harlan lachte. Er wusste nicht, warum Harlan das tat. Er hatte ihn schon oft lachen gehört, war aber nie dahinter gekommen, was das sollte. Er dachte darüber nach und beschloss ihn danach zu fragen. Doch Harlan war nicht da. Das musste etwas mit der Zeit zu tun haben und deswegen verzichtete er darauf, weiter darüber nachzudenken, warum Harlan nicht da war. Oder nie da gewesen war. Oder nicht mehr da war. Oder da sein würde. Oder... Oder aber die Zeit! Die Erinnerung an alles...
Probleme, die mit der Zeit zu tun hatten, bereiteten ihm Kopfschmerzen. Eigentlich war er ja der Ansicht, dass er von diesem Thema besonders viel hätte verstehen müssen. Warum das allerdings offenbar nicht der Fall war, verschloss sich ihm. Er lachte. Das Geräusch klang seltsam. Nicht ungewohnt, er kannte es genau. Aber seltsam. Alles klang seltsam, wenn man nur den Laut hörte ohne ihn mit einem Sinn verbinden zu können.
Er hatte nach Harlan gesucht, um ihn zu fragen warum er ständig lachte. Manchmal lachte Harlan, wenn sie sich begegneten. Die Station war groß, aber irgendwann fand er ihn. Er beschloss ihn zu suchen, drehte sich um und stieß gegen Harlan. Er fluchte, während er sich am Geländer nach oben zog. Harlan kicherte. Er ging zur Sektion 1 um dort einmal nach dem Rechten zu sehen.


* * *


Lange Zeit lebte er einfach so vor sich hin. Dabei war das noch übertrieben: Er lebte nicht, er einfach da. So wie eine Sonne da war, weil sich dort vor langer Zeit einmal Atome gesammelt hatten.
Doch das war nicht schlimm. Ein Stern hatte auch seine Daseinberechtigung. Ihn aber deswegen oder aus einem anderen Grund irgendwie bewerten zu wollen, wäre rein subjektiv gewesen.
Irgendwann tönte ein Master Alarm durch die dunklen Korridore der Station. Der auf einen Bruchteil der alten Größe zusammengeschrumpfte Computer der Station plärrte Warnungen einem maroden Lautsprecher. Es dauerte eine Weile, bis er erkannte, dass dies nicht seiner Erinnerung entstammte, sondern jetzt war.
Er setzte sich in Bewegung. Das Plärren verlor sich in den langen Gängen von Sektion 1. Schnell, aber nicht hektisch, bewegte er sich durch die Dunkelheit zur Energiequelle. Sie drohte sich zu überladen. Der Master Alarm besagte das. Er kannte es zur Genüge, denn es war schon oft vorgekommen. Es war bedrohlich, aber sie wurden damit fertig. Ständig.
Die Energiequelle lag auf ihrer Halterung am Boden. Das rote Licht, das aus ihren Schlitzen strahlte, war wegen der beginnenden Überladung heller als sonst. In dieser grellen Beleuchtung konnte er sehen, dass Harlan hier war und an dem Problem arbeitete. Auch er selbst wusste genau was er zu tun hatte. Es war völlig normal, alles war schon da gewesen.
Was jedoch nicht normal war, das war der weiße Überschlagsblitz, der plötzlich durch den Raum fuhr, genau durch Harlans Brust hindurch.
Harlan ging zu Boden und Jack stürzte zu ihm hin. Im verlöschenden, roten Licht konnte er die große Wunde sehen, die genau bei seinen Energiesystemen lag. Harlan war so gut wie tot.
„Harlan“, sagte er. „Du kannst mich doch nicht hier alleinlassen.“
Der kleine Mann brachte ein Lächeln zustande. „Das hab ich Wallace damals auch gesagt.“ Dann stellte er seine Funktion ein.

Jack blieb neben Harlan knien. Das Leuchten der Quelle war erloschen, die Energiezufuhr versiegt. Er würde sterben.
Sterben gehörte zu den Dingen, die in der Zukunft lagen. Fern und unerreichbar. Es war nicht jetzt... hatte er zumindest geglaubt. Doch da hatte er sich wohl geirrt. Der richtige Zusammenhang war ihm abhanden gekommen.
Zeit! Ihre Eigenschaft war es immer gewesen, dass etwas, das in der Zukunft lag, irgendwann – aber unaufhaltsam – zum jetzt wurde. Man musste das nur einmal begreifen, dann war es ganz logisch.
Die Energiequelle funktionierte nicht mehr – das Lagerfeuer war es erloschen, wie er es immer hatte kommen sehen. Was er jedoch nicht geahnt hatte, war, dass er dabei alleine sein würde. Er hatte sich immer davor gefürchtet, allein zu sterben. Er hatte gehofft, dass seine Freunde bei ihm sein würden. Das Sam bei ihm wäre, wenn es soweit kam.
Zum ersten Mal wurde ihm bewusst, dass Harlan bei einem Master Alarm immer den gefährlicheren Teil des Jobs gemacht hatte. Sie hatten das immer so gemacht und er hatte das nie in Frage gestellt. Er hatte überhaupt in letzter Zeit sehr wenig in Frage gestellt.
Nach Harlans Einsatz wäre es Jack bestimmt möglich gewesen, die Energiequelle zu reparieren – noch war Brennholz da, noch konnte er das Feuer am Leben halten. Doch er wollte nicht allein sein. Er wollte nicht völlig einsam in der dunklen Station leben, wo die einzigen Schritte, die er hörte, nur von ihm stammten. Auf diese Art würde er nicht auf sein Ende warten.
Nein. Wenn das Ende kam, würde er sich nicht dagegen stellen. An diesem Entschluss hielt er fest. Seine Freunde hatten den Tod gesucht. Er würde das nicht tun müssen, denn der Tod würde von selbst zu ihm kommen. Er fürchtete ihn nicht. Er würde nicht vor ihm davonlaufen.
Jack sank neben Harlan auf die Seite. So hatte es immer sein sollen. Ein alter Mann, der wusste, dass er sterben würde, aber keine Angst davor hatte.
Seine Gedanken drifteten zurück in die Vergangenheit. Die Welt dort war ihm zuletzt so unglaublich fern erschienen, dass er an der Realität seiner Erinnerung gezweifelt hatte. Er hatte sich weit von der Wirklichkeit entfernt, doch nun, im Angesicht des Todes, kehrte er zu seinen Wurzeln zurück und wie als ob sein Hirn noch einmal seine letzte Kraft aufbringen wollte, begann sich die Verwirrung, die ihn umfangen hatte, zu lösen.
Erst jetzt, wo er bereit war zu sterben, verwandelte er sich vom dahinvegetierenden Unsterblichen wieder zurück zum Menschen. Dabei reiste er mit seinen Gedanken nicht nur zurück in die Vergangenheit, sondern auch zurück in seiner geistigen Entwicklung. Und so war plötzlich wieder der Gedanke an den Anderen in seinem Kopf, für den bisher kein Platz mehr gewesen war.
Er hatte ihm längst verziehen, dass er sein Leben gelebt hatte. Doch wie es nun tatsächlich ausgesehen hatte, das hatte er sich nie gefragt. Selbst damals nicht, als die Erinnerungen noch frisch gewesen waren. Er hatte nie erfahren, ob das Leben seinen Wünschen und denen des anderen entsprochen hatte.
Vielleicht war er eines Tages nicht auf der Erde zurückgekehrt. War auf einem anderen Planeten gefallen. Oder aber er war gealtert, friedlich in Rente gegangen, hatte sich mit seiner Frau versöhnt und Sam geheiratet. Er hatte seinen Lebensabend an seiner Holzhütte an dem kleinen See verbracht, an dem man ewig fischen konnte, ohne je Stress mit einem anbeißenden Fisch zu bekommen.
Doch was war inzwischen aus der Menschheit geworden? Jack hatte früher nie derart langfristig gedacht. Erst heute eröffnete sich ihm diese Perspektive und er war frei genug, darüber nachzudenken. War die Menschheit überhaupt in der Lage so lange zu leben, wie er es getan hatte? War vielleicht das eingetreten, was viele Pessimisten befürchtet hatten und sie hatte sich selbst ausgelöscht?
Erschwerend kam noch hinzu, dass sie da draußen schließlich nicht nur Freunde gehabt hatten. Schon auf ihrer ersten Reise damals waren sie den Goa’uld auf die Füße getreten und das hatten diese ihnen nie verziehen. Hatten die Goa’uld sich inzwischen in ihren Bruderkriegen ausgelöscht? Aber selbst, wenn das der Fall war, so gab es im Universum bestimmt noch andere Wesen, die über die Erde hergefallen konnten, um sie in einen Schlackeklumpen zu verwandeln.
Genauso gut war es möglich, dass die Erde Alliierte gefunden hatte, mit denen sie sich zu verteidigen vermocht hatte. Die Möglichkeit bestand, dass die Menschheit durch die Stargates und mit Raumschiffen konsequent ins All vorgestoßen war und endlich in dem Ozean schwamm, in dem sie sich vorher allenfalls die Füße gekühlt hatte. Die Menschen waren seit Jahrtausenden zahlenmäßig das dominante Volk in der Milchstraße gewesen. Sie könnten sich alle unter einer gemeinsamen Führung zusammengefunden haben.
Nirgendwo war das Universum weiter weg als hier. Vielleicht war es voll von Menschen, die friedlich mit all den anderen Wesen des Universums zusammen lebten ohne das er etwas davon mitbekam.
Jack hätte in seinem langen Leben gerne ein wenig Weisheit erworben. Er hatte über das Leben und das Universum nachgedacht, Theorien darüber aufgestellt, sich selbst von ihrer Richtigkeit überzeugt, nur um sie dann wieder zu verwerfen. Sehr viel Zeit hatte er dafür gehabt, aber letztlich war er nur so schlau wie vorher geblieben. Ob es vielleicht doch eine Kraft oder einen Gott gab, der alles lenkte oder es die Naturgesetzte waren, die in ihrer quantenmechanischen Unvorhersehbarkeit das Universum zusammenhielten – wenn er ehrlich zu sich war, wusste er es bis heute nicht. Aber vielleicht war ja gerade das die größte Weisheit: Ich weiß, das ich nichts weiß.
Seine Energie neigte sich dem Ende zu, schon konnte er sich nicht mehr bewegen. Es tat nicht weh, wenn man sich nicht dagegen wehrte.
Sein Leben war hart gewesen. Er hatte viel durchmachen müssen, aber es war auch schön gewesen. Er bereute es nicht, dass er damals die Station nicht verlassen hatte. Aber wenn er noch zu lange hier gelebt hätte, dann hätte sich das vielleicht geändert. Deswegen ging er jetzt.
Er spürte, wie Dunkelheit ihn umfing. Es war nicht das Fehlen von Licht, sondern eine Dunkelheit des Geistes. Die Welt um ihn herum schien schrumpfen. Bald würde darin kein Platz mehr für ihn sein, dann wäre da nur noch die Dunkelheit. Wir haben bereits länger gelebt, als es uns zugestanden hätte.
Das Universum wurde kleiner und kleiner, verwandelte sich in einen Punkt. Und irgendwann war dann da nichts mehr. Kein Universum. Keine Dunkelheit. Kein Jack O’Neill...


weiter: Epilog

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