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Ein Himmel ohne Sterne von Sphere

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KAPITEL 4

Die Zeit, in welcher Jack durch den Ozean der fremden Welt schwamm, nutzte der Rest von SG-1, um sich gegenseitig zu berichten. Daniels Ansicht nach hatte sich die Lage zwar etwas beruhigt, sah aber dennoch alles andere als rosig aus: Während die Replikatoren den Planeten in Schutt und Asche legten, hatten die Tzenk den Asgard den Krieg erklärt. Zwar vermochte die Mjölnir inzwischen wieder zu fliegen, konnte allerdings aufgrund der Replikatoren nicht die Sonne und aufgrund des ominösen Fischernetzes nicht das System verlassen.
Etwa eine knappe halbe Stunde seit dem letzten Kontakt mit Jack deutete Teal’c auf das kleinformatige Hologramm, welches er vor dem Cockpitfenster erzeugt hatte. „Major Carter. Soeben ist ein weiterer Frachter von der Oberfläche gestartet.“
„Er kommt auf uns zu“, stellte Sam mit zusammengekniffenen Augen fest.
Da sie ziemlich ausgelaugt gewesen war, hatte Daniel ihr den Sessel überlassen und sich mit dem Rücken an die Konsole hinter den Sitzen gelehnt. Jetzt blickte er auf und richtete seinen Blick zu besagtem Holo hin. Auf welchen der nicht unbedingt wenigen Punkte in der schematischen Darstellung sich die beiden bezogen, war für ihn nicht sofort ersichtlich.
Sam drückte die Taste des Funkgeräts. „Colonel, vermutlich wurden wir entdeckt“, sagte sie. „Wir müssen uns zurückziehen. Wenn Sie hier bleiben wollen, werde ich mich mit Ihrer Erlaubnis zuvor runterbeamen und Sie unterstützen.“ Sie deutete auf Daniel. „Ich brauche Ihren Anzug.“
„Negativ. Keiner von euch beamt hier runter“, befahl Jack. „Verschwindet und kommt mich später abholen.“
Daniels Hand verharrte regungslos am Kragen des Raumanzuges, den er eben noch hatte öffnen wollen.
„Sir, bei allem Respekt...“, widersprach Sam völlig zurecht.
„Sie können mich über Funk in die Technik einweisen“, unterbrach Jack sie jedoch.
„Verdammt, Jack, das ist doch...“, wollte Daniel widersprechen. Doch auch er wurde zu seiner Verärgerung dabei unterbrochen.
„Das gegnerische Schiff erhöht seine Geschwindigkeit“, meldete Teal’c.
„Teal’c! Führe den Befehl aus!“, beharrte Jack, dem natürlich klar war, wer als Pilot fungierte.
In dem kurzen Moment, in dem Teal’c zögerte, nickte Sam.
Damit war es entschieden. Daniel musste mit ansehen, wie der Planet hinter der Fensterkante verschwand, als das Frachtschiff herumschwenkte und in den freien Raum hinausflog.
„Das andere Schiff kann mit uns nicht mithalten. Wir kehren zur Mjölnir zurück“, erklärte Sam tonlos.
Fingen jetzt alle an, Gefahren zu unterschätzen, fragte sich Daniel. „Verzeihung, aber warten dort nicht zwei andere Schiffe auf uns? Die müssten doch unsere Tarnung inzwischen ebenfalls durchschauen!“
„Nein“, erklärte Sam. Es hatte eine entfernte Ähnlichkeit mit Triumph, was Daniel da in ihren Augen sah. Allerdings schien es so zu sein, als ob dieser Triumph auf halbem Wege von Sorge aufgefressen worden wäre.
Sie deutete auf das Holo, welches nun eine Karte der Sonnenumgebung zeigte. „Die beiden Replikatorenschiffe sind dort nicht zu sehen. Aller Wahrscheinlichkeit nach können sie auch uns nicht orten. Der einzige Vorteil, den sie davon haben, so nahe an der Sonne zu stehen, besteht darin, dass sie die Mjölnir etwas früher entdecken, wenn sie die Sonne verlässt. Aber das hat sie gar nicht vor. Die Mjölnir wird lediglich ein Stück aus der Sonne herausfliegen und uns dort einschleusen. Die Replikatoren können so schnell gar nicht schauen, wie das passiert.“
„Na dann...“ Das war natürlich eine gute Nachricht. Was Daniel jedoch überhaupt nicht gefiel, war die Tatsache, dass er so schnell wie irgend möglich hier her gekommen war, um Sam und Jack in Sicherheit zu bringen. Ungeachtet dessen, dass es auf Jacks ausdrücklichen Wunsch geschah, kam es für Daniel einem Versagen gleich, ihn jetzt einfach so zurückzulassen.
Andererseits war Jack nun einmal ein Sturkopf und wenn er es sich in den Kopf gesetzt hatte, die Informationen alleine zu beschaffen, dann würde er mit eben diesem sturen Kopf auch durch die Wand rennen, um das auch durchzuziehen. Weder Daniel noch irgendwer anders hätte ihm das ausreden können.
Ob Jacks Schädel sich jedoch auch in der Praxis als dick genug erweisen würde – das blieb die Frage.


* * *


Wenn Jack den Fischschwarm früher bemerkt hätte, dann wäre er trotzdem nicht mehr in der Lage gewesen, ihm auszuweichen.
Diese Welt begann ihn zu nerven. Sie hatte ihn schon wieder auf den Leim geführt gehabt. Flüssig gleich Wasser – wie naiv er gewesen war.
Das Zeugs war hier unten zwar dünnflüssiger als weiter oben. Zäher als Wasser blieb es allemal.
Aber er wollte sich lieber nicht beschweren. Wenn er drüber nachdachte, war er direkt dankbar, dass er nicht in das andere Extrem gerutscht und in eine Flüssigkeit geraten war, die so dünn war, dass sie seinen Bewegungen gar keinen Widerstand mehr entgegengesetzt hätte. Dann wäre er wohl überhaupt nicht vorwärts gekommen.
Das einzig vorteilhafte an der aktuellen Umgebung war, dass er hierin wieder sehen konnte. Mit Sicherheit drang kein einziger Lichtstrahl durch die braune Pampe über ihm, doch die Sensoren des Anzugs schienen darauf nicht angewiesen zu sein. Jack war ein großer Fan von Nachtsichtgeräten und ähnlichen Spielzeugen, entsprechend beeindruckte ihn die Schärfe des Sensorbildes ungemein, welches der Anzug direkt in seine Augen projizierte.
Doch um zu sehen, musste man hinsehen und das tat Jack reichlich spät. Der Fischschwarm war riesig. Als guter Schwimmer hätte er ihm auf der Erde vielleicht ausweichen können. Nicht jedoch hier.
Grund zur Sorge hatte er eigentlich keine. Selbst ein ausgewachsener Wal hätte Jack höchstens kurzzeitig den Status eines alttestamentarischen Propheten verleihen können – den Schutzschirm könnte auch er nicht knacken.
Er regte sich völlig unnötig auf.
Dann waren die Fische heran. Sie waren etwa Unterarm-lang. Schmal und silbrig und mit einem spitz zulaufenden Kopf. Ihre Form wirkte angenehm irdisch.
Doch sie zeigten nicht das normale Verhalten eines Fischschwarms, der einen mehr oder minder großen Bogen um einen Taucher machte. Dieser Schwarm kam schnurstracks auf ihn zu. Jeder einzelne Fisch schien unbedingt zu ihm – und nur zu ihm – kommen zu wollen.
Jack ertappte sich dabei, wie sein Blick zu den Statusanzeigen des Schutzschirms wanderte.
Der erste Fisch stieß mit seiner spitzen Nase gegen Schirm. Wich wieder zurück.
Und schwamm weiter.
Das gleiche mit den anderen Fischen: Jeder von ihnen stupste ihn kurz an und setzte seinen Weg fort.
Eine ganze Weile ging das so. Jack konnte nicht verstehen, was die Tiere sich davon erhofften. Dennoch hörte das Ganze erst auf, als auch der letzte Fisch an seinem Schirm entlang gestrichen war.
Jack schüttelte den Kopf und schwamm weiter. Er ließ den Schwarm hinter sich, folgte dem Unterseekabel, welches am Meeresgrund entlang lief. Während der restliche Boden reichlich langweilig wirkte, war das Kabel mit allen möglichen weit abstehenden Pflanzen bewachsen, die sich langsam in der Strömung wiegten.
Allmählich begann er sich doch zu fragen, ob sein Vorgehen klug war. Eigentlich war ihm die Situation zu heiß. Er wollte sein Team keinesfalls hier unten haben. Carter konnte ihn durchaus auch aus der Ferne anleiten. Andererseits – bei dem neuen Staubsauger, den er vor kurzem hatte kaufen müssen, war auch eine Bedienungsanleitung dabei gewesen. Trotzdem war er nicht in der Lage gewesen den Beutel einzusetzen...
Er hatte Daniel zur Hilfe rufen müssen, welcher natürlich Teal’c mitbrachte, dem allerdings der Sinn einer solchen Saug-Apparatur völlig schleierhaft war. Zu dritt waren sie schließlich in der Lage gewesen, das Problem zu lösen. So lange wie sie dafür gebraucht hatten, war es kein Wunder, dass keiner von ihnen Carter in den Vorgang eingeweiht hatte. Nur leider würde so eine außerirdische Kommunikationsanlage noch schlimmer als ein Staubsauger sein.
Allmählich wurde das Meer flacher und kam der Grund näher. Das Kabel versank im Boden, den Jack als Sand identifiziert hätte, wenn dies die Erde gewesen wäre. Hier wagte er lieber kein Vermutungen mehr anzustellen.
Bald hätte Jack auf allen Vieren krabbeln können, doch er zog es vor, weiter zu schwimmen. Auf diese Weise war er flacher und konnte länger unter der Oberfläche bleiben.
Doch schließlich blieb ihm nichts anderes übrig, als sich aufzurichten. Ein wenig kam er sich vor wie ein armer Wasserbewohner, welchem die Evolution eingeflüstert hatte, dass es an Land doch so viel schöner wäre.
Von der meterdicken Schicht Polyschwefelsäure war am Ufer nicht mehr als ein dünner Film übrig. Dieser legte sich jetzt über seinen Schirm, zerriss aber schnell und klatschte dorthin zurück, von wo er gekommen war.
Jacks Augen suchten nach potentiellen Bedrohungen zu Land oder zu Luft, jederzeit bereit sich wieder in die braune Flüssigkeit herab gleiten zu lassen. Doch Gefahr war nicht zu erkennen.
Vor ihm lag die Stadt. Kaltes Grauen stieg bei dem Anblick in Jack auf. Die beeindruckende Skyline hatte gelitten. Allein von seiner Position aus konnte er unzählige Trümmerhaufen eingestürzter Häuser erkennen. Irgendwo im Hintergrund schaffte es etwas, in dieser alles erstickenden Atmosphäre zu verbrennen und dabei eine schmutzigrote Rauchfahne gen Himmel zu schicken. Er war sicher, dass dies nur der Anfang war. Bald würde dieser ganze, verfluchte Planet noch weit trostloser aussehen. Es würde nicht viel übrig bleiben. Vielleicht hatte Jack sich geirrt: Kein Volk hatte verdient, dass so etwas mit seiner Heimat geschah.
Er verscheuchte den Gedanken und sah sich weiter um.
Der Himmel – war schwarz.
Erst jetzt realisierte Jack, dass es Nacht geworden war. Der Asgardanzug vermittelte ihm ein Bild, das dem bei Tageslicht kaum nachstand und sogar das unnatürliche blaue Leuchten dieser Sonne imitierte. Was ihm allerdings auffiel und was selbst die beste Bildaufbereitung nicht änderte, war die Tatsache, dass der Himmel nun mal ein Nachthimmel war.
Ein Nachthimmel ohne Sterne.
Als er auf der Hülle des Asgardschiffes gestanden hatte, war es für ihn lediglich ungewohnt gewesen, keine entfernten Sonnen um sich herum zu sehen. Hier, auf der Oberfläche eines Planeten, wirkte es einfach nur falsch. Als hätte ein Künstler sein Werk nicht vollendet, als hätte ein Riese die gewaltige Käseglocke zertrümmert, welche die Welt überspannte.
Jacks Augen zuckten suchend zur Seite. War da nicht doch ein Stern?
Nein. Das kleine Licht bewegte sich, war wohl nur ein Raumschiff. Die Erkenntnis ließ ihn die Leere über seinem Kopf als noch leerer erscheinen.
Jack war mit seinem kleinen Teleskop ein alter Sterngucker. Dennoch bemerkte er an sich selbst, dass er zu Hause oftmals gar nicht mehr nach oben blickte, weil er einfach wusste, was da oben war. Nur was wäre, wenn auch dort auf einmal sämtliche Sterne einfach erlöschen würden?
Es war nicht schwer das Gebäude zu finden, auf welches das Kabel zugelaufen war, bevor es im Boden verschwand. Keine hundert Meter vom Ufer entfernt und noch ein ganzes Stück vor dem Rand der Stadt befand sich ein kleines, würfelförmiges Häuschen.
Erneut sah sich Jack um. Dann watete er vollends aus dem Chemieozean heraus, der praktisch keinen Wellengang zeigte. Sobald er trockenen Boden unter den Füßen hatte, spurtete er los, über freies Gelände, der Deckung des Häuschens entgegen.
Diesen Teil schaffte er ohne Probleme.
Als er vor Ort war, musste er feststellen, dass die einzige Tür keinen Öffnungsmechanismus aufwies.
Einen Moment spielte Jack mit dem Gedanken die Tür mit der Asgardwaffe einfach zu zerstrahlen. Doch es war Nacht. Das Leuchten würde man noch sehr weit sehen können. Dann besann er sich eines Besseren. Er schleppte schließlich weit mehr Hightech mit sich rum, als nur eine Waffe. Vielleicht war er auf die Holzhammer-Methode gar nicht angewiesen. „Hey, Klugscheißer! Wie komme ich durch die Tür?“
„Der Öffnungsmechanismus wird durch den codierten Identifizierungsimpuls des Wartungspersonals entriegelt“, erklärte ihm sein persönlicher Freund.
„Per Funk also?“, vergewisserte er sich.
„Ja.“
„Und kannst du den Code knacken?“
„Ja.“
„Und du wirst das sicher nicht tun, bevor ich dich nicht ausdrücklich da drum bitte?“
„Das ist die korrekte Verfahrensweise.“
Jack seufzte. Es bringt nichts, sich mit einem Computer zu streiten! erinnerte er sich. Trotzdem bedauerte er, dass die Maschine nicht über ein Schienbein verfügte, in welches man sie unauffällig treten konnte. „Dann bitte,“ ließ Jack unter Aufbringung all seiner Geduld verlauten, „öffne die Tür.“
Es machte Klick und die Tür glitt beiseite.
Jacks Arm mit der Waffe schnellte nach oben.
Es hätte nicht viel gefehlt und er hätte Carter erschossen.
Carters Hologramm.
Die unscharfe Projektion flackerte ein wenig und hob langsam die Hände. „Hallo, Sir.“
Jack ließ den Arm wieder fallen. Mit einem Hausbesuch hatte er nicht unbedingt gerechnet. Es war schon toll, was die Technik von Thors Schiff alles ermöglichte. Offenbar war sein Team in der Zwischenzeit erfolgreich dorthin zurückgekehrt.
„Ich dachte mir, dass Sie irgendwie einen Weg hier rein finden. Inzwischen habe ich die Zeit genutzt, um mich hier umzusehen.“ Carter tat, als sei es das selbstverständlichste auf der Welt, dass sie hier stünde.
Jack raffte sich auf und betrat das Häuschen. Hinter ihm glitt die Tür diensteifrig wieder zu.
„Sie sollten damit anfangen diese Verblende zu öffnen...“

Jack wusste nicht, wie er es hätte schaffen sollen, wenn Carter nicht – zumindest virtuell – vor Ort gewesen wäre. Bereits so war es schon schwer genug.
Die Übertragung von Carters Hologramm auf den Planeten und den Bildern, die Carter im Gegenzug zu sehen bekam, lief über eine Reihe von Sonden, welche die Asgard im All positioniert hatten. Dies ging natürlich auf Kosten der Bildqualität, so dass Carter viele Dinge nicht wirklich gut erkennen konnte. Auch war es ihr unmöglich herumzulaufen. Zwar konnte sie ihr Hologramm projizieren wohin sie wollte, aber das war auf die Dauer sehr umständlich. Des Weiteren musste sie sich erst einmal in die fremde Technik hineindenken. Entsprechend dauerte es eine Weile, bis sie zurecht kam.
Und auch Jack hatte seine Probleme. Er benötigte für sein Vorhaben ein Stück Asgardtechnik. Ein Stück Technik, welches sich in seinem Anzug befand und er angeblich nicht für sein Überleben benötigte. Glücklicherweise war das betreffende Teil an einer Stelle über seinem Rücken verbaut, wo er besonders gut hinkam...
Es hatte ihn einiges an Verrenkungen gekostet, bis er dieses Ding dort herausgepult hatte. Das so wichtige Gerät erwies sich als ein graues, gummiartiges Oval. Als er es in die Anlage der Tzenk einsetzte und das Ding damit zwangsläufig den Bereich seines Schutzschirms verließ, verfärbte es sich in der heißen Luft schwarz. Doch Carter meinte, das hätte nichts zu bedeuten.
Irgendwann war es dann geschafft. Angeblich stellte das kleine Gummi-Dings eine drahtlose Verbindung zwischen dem hiesigen Netzwerk und seinem Anzug her, welcher über die Sonden schließlich Thors Schiff anfunkte. Nachdem er lediglich mit ein paar Kabeln herumgefuhrwerkt hatte, die ganz offensichtlich nicht für diesen Zweck gedacht gewesen waren, fiel es Jack allerdings nicht sonderlich leicht, das auch zu glauben.
„Das haben Sie gut gemacht, Sir.“
Jack zögerte. Einen Moment wusste er nicht, in welche geistige Schublade er diese Bemerkung stecken sollte. Ob es daran etwas zu interpretieren gab. Schließlich meinte er ein wenig ratlos: „Danke.“
So falsch schien die Antwort nicht gewesen zu sein, denn Carter lächelte.
„Wie lange wird das dauern?“, kehrte Jack wieder auf festes Terrain zurück.
Illusionen, dass sein Eindringen oder die Manipulationen nicht bemerkt worden waren, machte er sich keine. Das einzige, was ihn zur Zeit schützte, war die Tatsache, dass die Tzenk andere Probleme hatten oder sein Tun vielleicht auf die Replikatoren schoben. Dennoch wollte er hier so schnell wie möglich wieder raus.
„Nun ja, Sir. Es würde lange dauern, wenn wir nach den relevanten Daten suchen würden“, antwortete Carter. „Daher tun wir das nicht.“
„Tatsächlich?“ Wozu hatte er das dann eben getan?
„Wir überspielen statt dessen eine Reihe von Programmen, welche diese Arbeit für uns übernehmen werden“, beeilte sich Carter, ihm nahe zu bringen. „Sobald sie die Informationen gefunden haben, suchen sie nach einer Schnittstelle zum öffentlichen Netz, auf welches wir noch immer ohne Weiteres Zugriff haben.“
Jack übersetzte das in seine Sprache. „Also so eine Art Virus?“
„Es ist nicht dazu gedacht, irgendwelchen Schaden anzurichten...“
Ein leises Knirschen ertönte. Carter redete weiter, doch Jacks Aufmerksamkeit war dahin. Es war ein sehr leises Geräusch, aber von der Art, die einem durch Mark und Bein gingen.
„Ich kann mich nicht mehr bewegen!“, entfuhr es ihm.
Mit einem Mal schien es, als befinde er sich in einer Ritterrüstung, die vollkommen starr und unbeweglich gebaut war. Reflexartig spannte er die Muskeln an. Sie reagierten, doch pressten seine Glieder lediglich noch fester gegen den Anzug, der auf einmal hart wie Stahl war.
„Das Material des Anzugs verhärtet sich, wenn starker Druck auf ihm lastet“, erklärte Carter mit gerunzelter Stirn. Allzu alarmiert war sie noch nicht. „Ist Ihr Schirm noch aktiv? Wenn nicht, dann verhindert der Anzug gerade, dass die Atmosphäre Sie zerquetscht.“
„Computer! Sofort den Schirm wieder aufbauen!“, bellte Jack.
„Befehl nicht durchführbar. Das System erwartet noch immer den Transportprozess.“
„Was?!“, fauchte er.
„Oh, Mann!“, kam es neben ihm von Carter.
„Wer muss sich hier aufregen?“, fuhr er sie an. Sie war auf dem Raumschiff in Sicherheit. Er nicht.
„Vor jedem Transportvorgang erhalten die Anzüge ein kurzes Funksignal, damit sie ihren Schild abschalten. Das ist nötig, weil man auch durch einen Anzugs-Schutzschild nicht beamen kann. Ich fürchte, die Tzenk haben dieses Signal abgefangen, als ich vorhin weggebeamt wurde und reproduzieren es jetzt, um Ihren Schirm abzuschalten!“
WasWasWas? Jack ging das zu schnell.
Wie in Zeitlupe sah er, wie die Tür sich öffnete und ein dünnes, bleistiftlanges Rohr hereingerollt kam.
Dann war da ein gleißender Blitz.
Dass daraufhin Dunkelheit folgte, war ihm schon nicht mehr bewusst.


* * *


Die holographische Umgebung zerstäubte in Myriaden bunter Pixel. Sam hielt sich nicht lange mit den Details dieser Störung auf und blickte auf das Holodisplay an der Front der Brücke. Es zeigte eine schematische Darstellung des Gebäudes, in dem sich O’Neill aufhielt. Deutlich war sein Lebenszeichen mit einem grünen Punkt markiert.
Ein grüner Punkt, der inzwischen von mehr gelben Punkten umströmt wurde, als sie auf die Schnelle hätte zählen können.
Sam stürmte von der Kommunikationsplattform herab, genau auf Thor zu.
„Warum hat mir das niemand gesagt!“, fuhr sie ihn an. Es war ihr völlig egal, wen sie dabei vor sich hatte. „Und jetzt sag mir nicht, ich hätte nicht danach gefragt!! Das Bild ist für jeden hier zu sehen, ihr müsst bemerkt haben, wie die Tzenk angerückt sind. Es ist vollkommen selbstverständlich, dass jemand auf so etwas achtet und mich über die Gefahr in Kenntnis setzt!“
Thor sah sie an und senkte dann kaum merklich den Kopf. „Das ist wahr“, gab er zu.
„Und was jetzt?“, schnauzte sie unbeeindruckt. „Er ist noch am Leben. Wollen wir warten, bis sich das ändert?“
„Darf ich dich daran erinnern, dass wir die Sonne nicht so ohne weiteres verlassen können.“ Thor sprach leise und beschwichtigend.
„Sam an Daniel und Teal’c“, rief sie ihrem Anzug zu. „Kommt sofort auf die Brücke.“ Inzwischen bereute sie, die beiden weggeschickt zu haben, damit sie sich etwas Ruhe gönnten. Dann erst wandte sie sich wieder Thor zu. „Die kürzeste Zeit, die euer Schiff im Hyperraum verbringen kann, sind zehn hoch minus elf Sekunden“, knallte sie ihm die Daten seines eignen Schiffes vor. „Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Hyperraum-Fischernetz derartig schnell reagiert, um uns daran hindern zu können, an den Replikatoren vorbei und direkt in die Umlaufbahn des Planeten zu springen?“
„Zweifellos sehr gering“, bekannte Thor. „Jedoch funktioniert der Hyperantrieb noch nicht.“
„Was?!“ Statt dass ihre Wut verraucht wäre, kam sie jetzt erst in Schwung. „Ihr doktert schon wie lange an eurem Schiff herum und habt das immer noch nicht hinbekommen?“
„Da dieses eine Antriebssystem uns zur Zeit sowieso nicht weit bringen würde...“
„Hermiod!“, rief Sam zu selbigem herüber. „Wie lange braucht Ihr Team noch dafür?“
Der Asgard kam zu ihnen herübergestapft und erreichte sein Ziel zeitgleich mit Daniel und Teal’c, die inzwischen auf der Brücke eingetroffen waren.
„Das ist schwer zu sagen. Vielleicht fünf Minuten, vielleicht noch eine Stunde“, erklärte Hermiod ruhig. „Es würde jedenfalls weit schneller gehen, wenn wir nicht durch Nachfragen an der Arbeit gehindert würden.“
„Ich jedenfalls bin für Möglichkeit A“, schaltete sich Daniel prompt ins Gespräch ein. „Fünf Minuten – das müsste doch machbar sein, finden Sie nicht?“
Hermiod warf Daniel einen Blick zu, der durchaus als anschauliches Beispiel für das Erreichen des absoluten Temperaturnullpunktes hätte dienen können. „Doktor Jackson?“, fragte er nur, immer noch mit seiner überheblichen Ruhe.
„Ja?“, erwiderte dieser irritiert.
„Es dauert, so lange, wie es dauert“, bekundete Hermiod salbungsvoll.
„Das ist nicht genug“, wurde Sam wieder aktiv und funkelte Hermiod drohend an. „Und wenn ihr aussteigt und schiebt – ihr werdet keine Stunde brauchen!“
Zum ersten Mal war es von Vorteil, dass Hermiod nichts von Menschen und ihrer Selbstbeherrschung hielt. Denn tatsächlich zeigte sich auf seinem starren Gesicht für einen kurzen Moment Unsicherheit. Dann ging er.
Wenn er klug war, machte er sich ans Schieben.

Diejenigen, die am Besten mit Asgard-Technik umgehen können, sind Asgard.
Dies war der einzige Grund, aus dem Sam noch auf der Brücke stand und nicht in den Eingeweiden des Hyperantriebs herumkroch. Es waren bereits über fünfzehn Minuten verstrichen, dennoch bemühte sie sich ruhig zu bleiben.
Auf dem Display konnten sie beobachten, wie der Punkt, welcher das Lebenszeichen des Colonels markierte, abtransportiert wurde. Die Aktion lief wie geschmiert, die Tzenk schienen genau zu wissen, was sie wollten. Schließlich erreichte die Ansammlung von Punkten ein Gebäude, welches anscheinend das Ziel darstellte.
„Oh, oh“, kommentierte Daniel.
Um die dreidimensionale Darstellung des Gebäudes hatte sich soeben eine grün leuchtende Blase gelegt, welche das Gebäude vollständig – sogar gegen den Boden – von der Außenwelt abschnitt. Kurz darauf bildeten sich weitere grüne Wände, welche nun auch den Raum einschlossen, in dem sich O’Neill befand.
„Stellen die grünen Flächen Schutzschirme dar?“, sprach Sam ihre Befürchtung aus.
Thor saß nicht etwa gemütlich in seinem Sessel, wie er es sonst so häufig wie möglich tat, da ihn das Stehen anstrengte. Er stand die ganze Zeit schon neben ihnen, was deutlich machte, dass auch ihn die Situation nicht kalt ließ. „Ja“, antwortete er. „Aber das stellt für uns kein Hindernis dar.“
„Ihr könnt also durch eine derartige Schutzvorrichtung beamen?“ In Teal’cs knapper Frage schwang Überraschung mit.
„Nein“, negierte Thor. „Aber wir können die beiden Schirme mit einem Präzisionsschlag zerstören.“
„Ein Präzisionsschlag?“, wiederholte ein Daniel, welchem Sam seine Skepsis deutlich ansah. „Was versteht ihr darunter?“
„Wir führen dem Schild mit unseren Waffen mehr Energie zu, als er verkraften kann, wodurch er schließlich zusammenbricht“, erklärte Thor bereitwillig. „Bevor die Energie in das Innere des Schildes eindringt und alles darin vernichtet, beamen wir O’Neill heraus.“
Sams Blick wanderte wie automatisch zurück zum Holodisplay. Noch immer hätte sie Probleme gehabt, die vielen Lebenszeichen der Tzenk zu zählen, die in unmittelbarer Nähe des Colonels umherwuselten. Sie hatte eine Wut im Bauch, die nicht nur auf das Versagen der Asgard zurückzuführen war. Ihr Zorn richtete sich auch auf die Tzenk, die O’Neill gefangen genommen hatten. Die Sam gejagt hatten, die versucht hatten, alle an Bord der Mjölnir zu töten. Sie hatte keinen Grund Thor zu widersprechen. Nicht den geringsten.
Trotzdem hörte sie sich sagen: „Das erscheint mir etwas brutal, findest du nicht?“
Thor war ein netter Kerl, sie mochte und respektierte ihn. Dennoch kam er aus seiner Asgard-Haut nicht heraus. „Die Wahl unserer Mittel ist durchaus angebracht“, erwiderte er kalt. „Colonel O’Neill stellt einen wichtigen Baustein in der Evolution eures Volkes dar. Dies könnte auch für die Asgard eines Tages von entscheidender Bedeutung sein. Der Hohe Rat der Asgard hält es daher für essentiell, dass O’Neill auch weiterhin die Möglichkeit erhält, sein Erbgut auf natürliche Weise weiterzugeben.“
Einen kurzen Augenblick war Sam sprachlos.
Der kurze Augenblick dehnte sich zu einem ausgewachsenen Augenblick.
„Der Hohe Rat der Asgard?“, echote sie.
Was bildeten diese Asgard sich ein, wer sie waren?
„Auf natürliche Weise?“, schloss sich Daniel ihrer Entrüstung an.
Thor erwiderte Daniels entsetzten Blick aus unergründlichen Augen. „Natürlich sind wir darauf nicht angewiesen. Wir sind inzwischen mit künstlichen Befruchtungen sehr erfahren. Fehler, wie so genannte jungfräuliche Empfängnisse oder Kinder mit zu den vermeintlichen Eltern unpassender Augenfarbe, würden uns heute nicht mehr unterlaufen. Ich kann dir versichern, dass von unseren Aktionen niemand etwas bemerken würde. Es würde intakte Familien und gesunden Nachwuchs geben.“
Sam traute ihren Ohren nicht. Zwar hatten sie schon immer vermutet, dass die Asgard mehr getan hatten, als die Menschen vor den Goa’uld zu schützen und währenddessen einige hübsche Götterhologramme zu projizieren. Zwar glaubte sie nicht, dass die Asgard ihnen je ernsthaften Schaden zugefügt hatten. Dennoch fand sie die Selbstverständlichkeit, mit welcher Thor das völlig beiläufig vorbrachte, einfach nur unverschämt. Er schien auch ganz offensichtlich gar nicht zu begreifen, wie man damit ein Problem haben konnte. Was ihn anging, war ihr Vorgehen absolut normal und ebenso harmlos.
„Allerdings würden wir, was O’Neill angeht, den natürlichen Weg vorziehen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Menschen selbst am Besten wissen, wie sich ihr Erbgut optimal kombiniert.“
Sam wurde schlecht. Auf einmal fühlte sie sich angesprochen. „Soll das eine Aufforderung sein?“, krächzte sie.
„Keineswegs“, erwiderte Thor darauf sofort klipp und klar, begann sie dann jedoch von oben bis unten zu mustern, als sähe er sie gerade zum ersten Mal. „Allerdings wäre es durchaus sinnvoll, O’Neill auf diese Option hinzuweisen.“
Sie räusperte sich. Es kostete sie einiges an Anstrengung die Muskeln ihres Gesichts zu einem Grinsen zu verziehen. „Vergessen wir das ganz schnell, okay?“
„Okay“, wiederholte Thor, das ungewohnte Wort sorgfältig betonend. Die Gedankenblase über seinem Kopf war jedoch ganz deutlich zu lesen. Menschen sind ein seltsames Volk, stand darin geschrieben.
„Ihr nennt euer Vorgehen einen Präzisionsschlag“, erklärte Teal’c mit gehobener Augenbraue. Er ging über Thors Aussagen hinweg, als würden sie ihn nicht interessieren. „Ich kann in diesem Vorgehen keine Präzision erkennen“, verkündete er abweisend.
Doch es interessierte Teal’c sehr wohl, wie Sam schnell erkannte. Der Grund, warum er es nicht zeigte, war, dass er ihr und Daniel mit seiner Frage Gelegenheit verschaffen wollte, sich wieder zu fassen.
„Führen wir zu wenig Energie zu, bleibt der Schild bestehen und wir bekommen möglicherweise keine zweite Chance“, antwortete Thor auf den Einwand. „Führen wir zu viel Energie zu, wird alles vernichtet, bevor wir O’Neill herausholen können. Es ist dabei sehr wohl Präzision erforderlich.“
Sam atmete noch einmal tief durch. „Einen Moment, Thor“, warf sie ein. Teal’c hatte ihr tatsächlich genug Zeit verschafft, um sich etwas auszudenken. „Ihr wollt doch von uns lernen, oder?“
Thor kniff die Augen leicht zusammen. „Euer unkonventionelles Vorgehen und eure primitiven Mittel haben sich schon öfters als sehr erfolgreich erwiesen.“ Das war nicht unbedingt ein Ja, kam dem für Sams Zwecke aber nahe genug.
„Wenn ihr uns beobachtet habt, dann wisst ihr, dass wir die von dir genannten Mittel gewöhnlich nicht einsetzen. Wir gehen anders vor“, machte sie deutlich. „Beame uns runter, anstatt auf den Schild zu schießen. Wir befreien Colonel O’Neill und ihr kommt uns danach holen.“
Es war nicht unbedingt so, dass sie nicht schon des Öfteren gerne mit schwerem Geschütz gekämpft hätten. Ganz im Gegenteil. Dass sie es dem zum Trotz nicht taten, lag ganz allein daran, dass sie einfach kein schweres Geschütz zur Verfügung hatten. Genau darin bestand zur Zeit das Dilemma der Erde.
Aber das musste Thor ja im Moment nicht unbedingt wissen.
Außerdem wusste Sam, seit sie mit nur fünf Personen zwei Goa’uld-Mutterschiffe zerstört hatten, dass man eine Schwäche auch zu einer Stärke machen konnte.
Thor dachte einen Moment nach. „Einverstanden“, lenkte er dann ein. „Allerdings“, fügte er sogleich hinzu, „wird euch eine Division Asgard-Krieger begleiten.“
„Eine Division Asgard-Krieger?“
„Major Carter“, erwiderte Thor ruhig. „Du hast mich genau verstanden. Wieso wiederholst du andauernd meine Worte?“ So unschuldig wie das klang, war die Frage womöglich sogar ernst gemeint.
„Entschuldige, Thor“, erklärte sie ihm, wobei es ihr schwer fiel, ernst zu bleiben. „Aber ich denke, wir regeln das alleine.“ Die Tatsache, dass sie bereits den Begriff Asgard-Krieger für einen Witz hielt, behielt sie lieber für sich.
„Du begreifst nicht. Das ist keineswegs ein Angebot. Es ist Bedingung. Die Division wird gewährleisten, dass ihr diesmal auch tatsächlich mit O’Neill zurückkehren werdet.“

Menschen waren ungeduldig. Es schien ein wichtiger Bestandteil ihres Wesens zu sein. Thor wusste das. Auf einem rein intellektuellem Level konnte er diese Ungeduld sogar nachvollziehen. Jedoch blieb es eine Tatsache, dass Ungeduld die Reparaturen nicht eine einzige Sekunde schneller ablaufen ließ.
Gerade eben war Hermiod auf die Brücke zurückgekehrt. Er hatte die beiden Menschen und den Jaffa keines Blickes gewürdigt, als er ihm mitgeteilt hatte, dass seine Techniker gerade die letzten Einstellungen vornahmen. Thor hatte diese Entwicklung begrüßt und danach mitgeteilt, dass Hermiod die Division führen würde. Kurz darauf hatte dieser ihn um ein Gespräch unter vier Augen gebeten.
Im Gegensatz zu Thor gehörte Hermiod der jüngsten und letzten Generation der Asgard an. Seit der Perfektionierung der Klontechnik, mit welcher sie effektive Unsterblichkeit erlangt hatten, war die Zeugung von Nachwuchs weder notwenig noch erwünscht gewesen. Daher hatten sie es unterlassen und in der Folge war ihre Bevölkerung über Jahrtausende hinweg praktisch konstant geblieben. Bis zum Ausbruch des Krieges.
Plötzlich starben nicht nur Körper, sondern erloschen mit ihnen auch Bewusstseine. Auf einmal war es notwendig geworden, nicht länger Klone, sondern Nachwuchs zu züchten. In dieser Zeit war Hermiod geboren worden.
Doch die Phase war nicht von Dauer gewesen. Zwar hatten sie zuvor sehr genau registriert, wie die Qualität der neuen Körper mit jeder Generation abnahm. Jedoch hatten sie im Gegensatz zur fallenden Lebenserwartung es nur als sekundär angesehen, dass auch ihre reproduktiven Fähigkeiten abnahmen. Vierhundert Jahre nach Hermiods Geburt wurde es ihnen trotz größtem technischen Aufwand vollends unmöglich, eine erfolgreiche Befruchtung durchzuführen. Unglücklicherweise war wegen des Krieges die Forschung auf diesem Gebiet nahezu zum Erliegen gekommen, so dass sich daran bis heute nichts geändert hatte.
Obwohl Hermiod also mit vierzehnhundert Jahren vergleichsweise jung war, wäre es dennoch falsch gewesen, ihn auch als unerfahren zu bezeichnen. Er war im Gegenteil sehr gut für seine Aufgabe qualifiziert – und das wusste er auch. So wie bei allen anderen seiner Generation hatte es nie Schwierigkeiten gegeben, ihn in die vorhandene Gesellschaft zu integrieren. Dennoch vermutete Thor, dass Hermiod jetzt sehr wohl Probleme bereiten würde.
Die Menschen behaupteten, dass Asgard über keinerlei Mimik verfügten. Es traf zu, dass sie keine derart übertriebenen Gesichtsverrenkungen wie die Menschen zeigten. Dennoch konnte Thor seinem Artgenossen durchaus ansehen, was er dachte.
Hermiod würde sich nicht darüber beschweren, dass Thor ihn dem Kommando eines Menschen unterstellt hatte. Es gab keinen Asgard, welcher sich einer Notwendigkeit nicht gebeugt hätte. Was Hermiod jedoch anzweifeln würde, war, ob es auch tatsächlich notwendig war.
„Ich halte dein Vorgehen für einen Fehler“, begann er frei heraus. „Die Menschen waren schon einmal nicht im Stande O’Neill zurückzuholen. Es ist unwahrscheinlich, dass dies jetzt anders ist.“
Thor waren anfangs genau die gleichen Zweifel durch den Kopf gegangen. Inzwischen hatte sich dies jedoch gelegt und er war zu einem Befürworter dieser Taktik geworden. „Es wäre ein Fehler, wenn ich sie ohne deine Begleitung losschicken würde.“
Hermiod nahm das Argument vorerst hin. „Du vertraust den Menschen sehr.“ Hermiod brauchte gar keinen besonderen Klang in seine Stimme legen, Thor erkannte auch so, dass dies als Vorwurf gemeint war.
„Dieses Vertrauen ist gerechtfertigt. Ohne Major Carters Unterstützung wäre Othalla heute nicht mehr bewohnt. Das SG-1 Team hat mehrfach bewiesen, wozu es fähig ist.“ Thor kam nicht umhin sich einzugestehen, dass er diese Gruppe von Menschen sogar geringfügig bewunderte.
„Das mag sein oder auch nicht.“ Hermiod zeigte sich noch immer wenig beeindruckt. „Es geht mir allerdings mehr um die Menschen an sich. Du scheinst sehr von ihnen überzeugt zu sein. Vielleicht ist dies kein Wunder, wenn man bedenkt, dass du auf unzähligen Welten immer noch als Gott verehrt wirst.“
Thor war über diese Unterstellung von mangelnder Objektivität keineswegs verärgert. Hermiod hatte jedes Recht, das zu vermuten und seine Vermutung auch zu äußern. „Es ist wahr, dass ich mehr Kontakt als jeder andere Asgard mit den Menschen pflege“, gab er das Offensichtliche zu. „Dies beeinflusst jedoch in keinster Weise mein Urteilvermögen. Es gibt mir im Gegenteil die Möglichkeit die Menschen besser einzuschätzen als jeder andere. Wie dir vielleicht aufgefallen ist, handelt es sich dabei keineswegs um ein triviales Unterfangen.“
Thor kannte die Menschen länger als deren „gesicherte Geschichtsschreibung“ heute zurückreichte. Schon damals hatten ihn diese Wesen auf schwer zu definierende Weise beeindruckt. Es war ein Fehler gewesen, der Galaxis, welche sich später Milchstraße nennen würde, nicht mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Ansonsten hätten sie durchaus verhindern können, dass parasitäre Lebensformen, welche sich Antikertechnik angeeignet hatten, sich teilweise auch dieses Volkes bemächtigten.
Damals hatte Thors eigenes Volk in seiner Blüte gestanden. Es war auf der Höhe seiner Zivilisation gewesen. Die Asgard waren vital und kraftstrotzend gewesen. Fehler hatten sie sich leisten können.
Doch die Zeiten hatten sich geändert. In den letzten Jahrhunderten hatte Thor erkennen müssen, sich nicht mehr der Möglichkeit verschließen zu können, dass es ihnen eines fernen Tages nicht mehr möglich sein könnte, den Verfall ihrer Körper aufzuhalten. Dann würden die Asgard sterben. Ein anderes Volk würde ihr Erbe antreten müssen. Und wenn ein Volk dazu in der Lage war, dann die Menschen.
„Es sind Primitive in Geist, Wissenschaft und Biologie“, bekundete Hermiod im krassen Gegensatz dazu seine eigene Einschätzung der Menschen.
Thors Ansichten wurden von vielen seiner Artgenossen geteilt, die wie er in diesem jungen Volk die fünfte Spezies sahen, auch wenn die zugehörige Allianz der vier Spezies längst der Vergangenheit angehörte.
Dennoch traf Thor die von Hermiod vertretene Einschätzung zu seinem Leidwesen nicht zum ersten Mal an. Tatsache war, dass es auch Asgard gab, welche in der Menschheit lediglich einen potentiell für ihr Klonprogramm nützlichen Genpool sahen. Eine Kuriosität oder eine Art aussterbende Tierart, die durchaus schützenswert, aber nicht ernst zu nehmen war. Es schien so, dass sich nicht nur die Menschen weiterentwickeln müssten, bis alle Asgard die Menschheit als ähnlich gleichgestellt ansehen würden, wie einst die Antiker oder die anderen Mitglieder der ehemaligen Allianz.
„Die Spezies Mensch hat ein großes Potential“, hielt Thor seinem Gegenüber entgegen. „Sowohl der einzelne Mensch, als auch das gesamte Volk. Seit ewigen Zeiten machen sie fast genauso viele Fortschritte wie Rückschritte. Aber wenn sie es erst einmal schaffen, ihr Potential voll auszuschöpfen – dann werden sie selbst uns eines Tages überflügeln.“
Letzteres war natürlich alles andere als Fakt und das wusste er auch. Nichtsdestotrotz war er davon überzeugt.
„Ich sehe dieses Potential nicht“, erwiderte Hermiod lakonisch.
„Dann kennst du die Menschen nicht gut genug.“
Er hatte Hermiod nicht überzeugen können, das sah er ihm an. Es war bedauerlich, aber nicht zu ändern.
Die Argumente waren ausgetauscht, die Standpunkte blieben dieselben. Auch an den Befehlen würde Thor nichts ändern. Sein Chefingenieur würde die Befehle ausführen. Selbst, wenn er dabei skeptisch blieb, würde er es ohne weitere Umschweife tun.
Verabschiedungen waren sinnlose Floskeln und daher unter Asgard nicht üblich. Hermiod ging ohne einen weiteren Kommentar. Es war alles gesagt.


* * *


Das gleißende Licht, welches beim Transportvorgang zu sehen war, verschwand und wurde ersetzt durch den Anblick eines geräumigen, leeren Korridors. Wie Sam wusste, befand sich dieser Gang in einem Hochhaus, welches dem Gebäude, in dem Colonel O’Neill gefangen gehalten wurde, unmittelbar benachbart war.
Misstrauisch beäugte sie die 50 Asgard, welche sich hinter ihr den langen Gang entlang aufgereiht hatten. Sie alle trugen Schutzanzüge und die Hälfte von ihnen zusätzlich die langen, schrecklich eleganten Strahlengewehre, welche sie zuvor schon in Aktion gesehen hatten. Angehörige eines Volkes, welches kein Schamgefühl kannte und ohne Kleidung auch nicht fror, eines Volkes aus Wissenschaftlern und Technikern, in voller Kampfmontur zu sehen, war durchaus ein ungewöhnlicher Anblick.
Dennoch hätte Sam in der jetzigen Situation lieber eine Horde Wikingerkrieger bei sich gehabt. Riesen mit Schwertern oder Äxten, wie die Asgard ihre Götterhologramme gestalteten. Brutale, aber disziplinierte und erfahrene Krieger und nicht einen Haufen besserwisserischer Technokraten, die mit ihrer eigenen Hightech nicht umgehen konnten und von denen sie nicht wusste, wie sie sich in einer Gefahrensituation verhalten würden.
„Ihr wartet hier“, wies sie Hermiod an. Einem Asgard etwas zu befehlen, daran würde sie sich gewöhnen müssen. Vermutlich war sie der erste Mensch überhaupt, dem ein solches Privileg zuteil wurde.
Die Karte des Gebäudes, welche die Sensoren der Sonden geliefert hatten, war in einer Ecke ihres Sichtbereichs eingeblendet. Entsprechend hatte sie nichts auswendig zu lernen müssen, um zu wissen, wo es jetzt lang ging. Ein kurzer Druck auf den Öffnungsmechanismus und die Tür glitt beiseite. Zusammen mit Daniel und Teal’c schlüpfte sie in den dahinter liegenden Raum, an dessen Decke das leere Holo einer blauen Fläche flackerte. Schnell hockten sie sich an die gegenüberliegende Wand und spähten vorsichtig aus den Fenstern.
Unter ihnen bot sich ein rechteckiges, dreistöckiges Gebäude dar. Darüber spannte sich die Blase des Schutzschirms, welcher ihnen solchen Kummer bereitete. Sein gleichmäßiges, grünes Licht strahlte nach allen Seiten ab und sorgte dafür, dass sie auch ohne die Finessen des Asgardanzuges die nächtliche Umgebung gut hätten erkennen können.
Rings um das Gebäude wirkte alles wie ausgestorben. Nirgendwo war ein Tzenk zu sehen. Niemand ging ein und aus, es gab kein Eingang, der bewacht wurde – wozu auch, wenn man einen Schutzschirm hatte?
„Okay, einfach rein schleichen scheidet wohl aus“, begann Daniel aufzuzählen. „Ich glaube auch nicht, dass die Rüstungen haben, die wir jemandem abnehmen und unauffällig eindringen können.“ Das war ihr nicht gerade eine Hilfe. „Die Frage ist also“, schloss er, als ob er damit Neuigkeiten verbreiten würde, „wie kommen wir rein?“
„Wäre es Ihnen lieber gewesen, wenn ich Thor gesagt hätte, er sollte einfach aus allen Rohren feuern?“, fragte Sam etwas gereizt.
Daniel sah sie erschrocken an. „Nein“, erst jetzt schien ihm klar zu werden, wie seine Worte für sie geklungen haben mussten und er wiederholte: „Nein...“ Dann starrte er stumm aus dem Fenster.
„Sind das dort unten die Trümmer von Replikatoren?“, fragte Teal’c.
Sam kniff die Augen zusammen. „Scheint so.“ Tatsächlich erschien der Boden außergewöhnlich unregelmäßig.
Doch Teal’c sprach gewöhnlich nichts aus, was für jeden zu sehen und ganz offensichtlich auch noch nutzlos war. Er sagte nie so etwas wie Schönes Wetter heute oder Warst du beim Friseur? Warum machte er also gerade jetzt eine solche Feststellung?
„Teal’c!“ Sie begann über beide Ohren zu grinsen. „Du bist genial.“
Auf den Zügen des Jaffa spiegelten kaum wahrnehmbare Zeichen der Zufriedenheit.
„Was? Wie?“ Natürlich kapierte Daniel nicht, was los war. Wie auch?
„Replikatoren durchdringen jeden Schutzschirm“, erinnerte Sam ihn also. „Das ist eine Eigenschaft, die bereits ein einzelner Baustein entwickelt. Wenn dort unten“, sie deutete in die Richtung der Straße, „noch genug intakte Replikatorteile herumliegen und wir sie vor dem Schild aufhäufen, dann bildet sich eine Öffnung, durch die wir eindringen können!“
Daniel starrte sie groß an. „Und Sie glauben, wir können da einfach so reinspazieren?“, kam sofort die Erwiderung.
Das glaubte sie nicht, aber schließlich war sie noch am Denken.
„Wir brauchen ein Ablenkungsmanöver“, stellte Teal’c fest.
Sam nickte knapp und blickte zurück zur Tür. „Kommt mit.“
Geduckt, damit ein zufälliger Beobachter sie nicht durchs Fenster sehen konnte, eilten sie zurück in den Korridor, wo noch immer die Asgard warteten. Unruhig traten sie von einem Fuß auf den anderen.
Mit einem Mal hatte Sam Mitleid mit diesen Wesen. Sie waren keine Kämpfer. Die Zeit, in der die Evolution das von ihnen verlangt hatte, war in den Tiefen der Vergangenheit verloren gegangen. Jetzt hatten die Replikatoren ihnen eine Art von Krieg aufgezwungen, den die Asgard von sich aus nie geführt hätten. Ein Krieg, der nicht nur mit Raumschiffen ausgetragen wurde, sondern auch von Mann zu Mann.
Sie erklärte Hermiod ihren Plan und die Notwendigkeit eines Ablenkungsmanövers. „Sie werden sich den Tzenk nicht zu erkennen geben“, schärfte sie ihm ein. Sie hatte keine Lust auf ein Tontaubenschießen mit tönernen Asgard. „Ihre Leute platzieren in den Nachbargebäuden die Sprengsätze und verschwinden wieder.“
Hermiods Blick nach zu urteilen war er nur mäßig begeistert, während er das von ihr Gesagte zur Kenntnis nahm, ließ sie aber ausreden. „Ihr Plan hat einen Nachteil“, stellte er schließlich fest. „Wir haben keine Sprengsätze bei uns.“
Sam fragte sich nicht, warum dem so war. Sie hatte gelernt, es zu akzeptieren.
Wortlos griff sie in ihre SG-Weste und reichte dem kleinen Männchen zwei etwa fünf Zentimeter große Würfel. Es waren Bomben aus Asgard-Produktion. Auch Daniel und Teal’c reichten ihre Ausrüstung an die selbsternannten Kämpfer weiter.
Erstaunt nahm Hermiod die Werke seines eigenen Volkes entgegen. Er tat so, als wäre es ganz natürlich, aber Sam stellte fest, dass es Hermiod in Wahrheit die Sprache verschlagen hatte.
„Die Gebäude sehen aus, als wären sie beschädigt. Seien Sie also vorsichtig. Wenn die Häuser einstürzen, werden sich die Tzenk hinter dem Schutzschirm verstecken statt rauskommen, um nachzusehen“, erklärte sie Hermiod. Der sah sie nur an und schien dabei nicht die Absicht haben zu blinzeln. Also redete sie weiter: „Niemand von Ihnen sollte eine Bombe alleine legen, das ist zu riskant. Sie sollten aber auch nicht alle zusammen gehen, sonst sind Sie zu träge.“ Es schien ihr wichtig, das dem Asgard zu sagen, dem vermutlich jede Erfahrung in diesen Dingen fehlte. Die Details würde sie jedoch ihm überlassen.
„Wir werden Ihren Wünschen nachkommen“, stellte Hermiod fest, als sie geendet hatte.
Sam hörte das mit den Wünschen sehr genau. Wäre Hermiod ein Mensch gewesen, hätte sie dies als Anlass nehmen können, ihn auf die eine oder andere Tour in die Schranken zu weisen. Doch er war kein Mensch und alles, was sie sagen konnte, würde diesen Unterschied nur deutlicher zutage treten lassen. Sollte er also rummaulen, soviel er wollte – solange er tat, was sie verlangte.
Statt einer Erwiderung wandte sie sich also in bester Asgardmanier von ihm ab und suchte mit den zwei Jungs den nächsten Lift nach unten auf.

Die Asgard waren immer noch mit dem Legen der Bomben beschäftigt. Wartend starrte Daniel durch eines der Fenster im Erdgeschoss hinaus auf die Straße. Dort lagen derart viele Trümmer von Replikatoren, dass Daniel sich die Schlacht besser nicht vorstellen wollte, aus der sie hervorgegangen waren. Auf der anderen Straßenseite spannte sich der Schirm auf, den sie vorhatten zu durchdringen.
Eben dieses Vorhaben bereitete ihm jedoch Kopfzerbrechen.
Sie waren nicht verschwunden, seine Gewissensbisse. Den Teil von ihm, der sich nicht mit der unmittelbaren Lage beschäftigte, beruhigte das. Der restliche Teil von ihm – nun, der machte sich eben Gewissensbisse.
„Sie haben erzählt, dass die Asgard-Strahler die Tzenk töten“, wandte er sich schließlich an Sam, nachdem er eine Weile rumgedruckst hatte. „Was also tun wir, wenn wir auf Widerstand stoßen?“
Er klang dabei recht naiv, wie er fand. Was sollte man schon tun?
Zu seiner Erleichterung empfand Sam das offenbar nicht so. „Sie haben recht“, bestätigte sie ihn in seinen Zweifeln. „Die Tzenk sind in Panik“, stellte sie fest. „Das gilt aber nicht für uns. Wir haben es nicht nötig, ihnen mit den gleichen Mitteln zu antworten, die sie einsetzen.“
Nachdenklich nahm sie etwas in die Hand, das Daniel bei all dem Asgard-Spielzeug längst vergessen hatte. Mit leisem Zing sprang die Zatwaffe auf und schloss sich gleich darauf wieder. „Eine Zat betäubt nicht jeden mit dem ersten Schuss“, erklärte Sam. „Den Asgardwaffen passiert so etwas bestimmt nicht, die sind da gründlicher. Daher halte ich Zats für schwächer. Möglichweise sind sie schwach genug, um einem Tzenk keinen dauerhaften Schaden zuzufügen.“
Erleichtert atmete Daniel auf. Die Zats waren eine der wenigen Erfindungen der Goa’uld, für die er dankbar war. Mit ihnen musste man keine Handlanger mehr töten, bloß weil man mal durch eine Tür gehen wollte, die unglücklicherweise bewacht wurde.
„Was aber tun wir, wenn sich auch diese Waffen als tödlich für die Tzenk erweisen?“, warf Teal’c mit ernster Miene ein.
Sams Gesichtsausdruck verhärtete sich. „Dann tun wir, was notwendig ist.“
„Major Carter“, erklang Hermiods Stimme über Funk. „Alle notwendigen Vorbereitungen wurden getroffen.“
„Dann los“, befahl Sam. Sämtliche Zweifel waren vergessen, jetzt wurde gehandelt.
Kaum waren die Worte verklungen, donnerte schon die erste Explosion auf. Tiefrote Flammen schlugen aus dem Erdgeschoss eines Gebäudes. Krachend wurde das gesamte Obergeschoss eines weiteren Hauses gesprengt. Trümmer flogen in alle Richtungen davon, prallten staubend gegen den grünen Schutzschirm und glitten daran herab.
Im gleichen Moment setzte sich SG-1 in Bewegung, verließ das Gebäude und betrat die trümmerbedeckte Straße. Eine weitere Detonation ertönte, doch Daniel konnte nicht sehen, was sie anrichtete. Er war mit Händen und Füßen damit beschäftigt, Replikatorteile zusammenzukehren und vor sich herzuschieben, der leuchtenden Kuppel des Schutzschirms entgegen.
Schnell türmte sich ein kleiner Berg aus den so völlig harmlos wirkenden Modulen auf, welche von den Explosivwaffen der Tzenk schwarz gefärbt worden waren. Der Schirm begann zu flimmern und auszubleichen, als die Replikatortrümmer mit ihm interferierten.
Mehr.
Sie bewegten sich über offenes Gelände. Die Nacht würde sie kaum schützen, wenn sich ein Tzenk die Mühe machte, wirklich hinsehen zu wollen.
Der Schirm gab nach und die aufgetürmten Repliaktorbausteine gerieten ins Rutschen, glitten durch den Schirm hindurch und schlitterten ins Innere. Doch der abgeflachte Haufen konnte den Schirm nicht offen halten und so verschloss dieser sich wieder.
Mehr.
Sie schaufelten weiter, bis sie schließlich einen Wall errichtet hatten, der an die zwei Meter Breite erreichte. Über seinem höchsten Punkt hatte sich ein Schlitz im Schutzschirm gebildet, der gerade hoch genug war, dass man sich hindurch schieben konnte.
Sam machte den Anfang und kroch vorsichtig durch die Öffnung. Es funktionierte tadellos. Teal’c folgte.
Für einen kurzen Moment glaubte Daniel, dass der Haufen ins Rutschen geriet. Vermutlich war Teal’c versehentlich dagegen gestoßen.
Auch Daniel ließ sich auf die Knie herab, streckte Arme und Kopf durch den Schirm.
Er hätte es besser wissen müssen: Teal’c war ein Muskelprotz, aber wer ihn für ungeschickt hielt, kannte ihn nicht. Er stieß niemals versehentlich gegen etwas.
Auch Daniel hatte die Module nicht berührt. Dennoch gerieten sie in Bewegung.
„Verdammt!“
Unter ihm wirbelten wie von einer Windhose getrieben auf einmal Bausteine umher, setzten sich zusammen und nahmen Gestalt an. Plötzlich saß unter seinem Bauch ein Käfer, den Daniel mit einer ausladenden Reflexbewegung fortwischte.
Hätte er es besser nicht getan. Mit dem kleinen Replikator schleuderte er auch eine Menge der Bauteile davon, welche den Schutzschirm offen hielten. Wie von der Gewalt eines Hammerschlags getroffen, presste es ihn zu Boden, als sich der Schirm des Gebäudes ein Stück weit schloss. In einer Ecke von Daniels Sichtfeld blinkte etwas rot. Es war die Belastungsanzeige seines eigenen Schutzschirms.
Sie stand auf 116 Prozent.
Mit einem Mal wusste er auch, wo sich der Projektor für seinen Schirm befand. An seinem linken Schulterblatt war es schlagartig heiß geworden. Es vibrierte und brummte wie verrückt. Sein Schirm und der Schirm des Gebäudes kämpften miteinander. Wenn der Gebäudeschirm die volle Aufmerksamkeit der Asgardwaffensysteme benötigte, um zerstört zu werden, dann hätte er sicherlich durch Daniels Schirm geschnitten wie eine Rasierklinge durch Papier, wären da nicht die verbliebenen Replikatorteile gewesen, auf denen Daniel lag.
„Wo ist der Käfer?“, rief er, wagte es aber nicht, mit den Beinen zu strampeln, denen sich das Wesen in diesem Augenblick vielleicht schon wieder näherte.
„Fortgerannt“, kam es hastig von Sam. „Warten Sie, wir helfen Ihnen.“
Zwei Armpaare griffen nach seinen Händen und zogen.
Unter ihm gerieten die Replikatorbausteine ins Rutschen. Der Schirmprojektor brüllte auf. Irgendwo im Anzugmaterial seines Beines begann sich etwas zu bewegen, was sich im normalen Betrieb nicht bewegen sollte. Ein seltsames Gluckern erklang von irgendwoher.
„Halt!“, schrie er seinen vermeintlichen Helfern zu.
Die Belastungsanzeige stand nun auf 135 Prozent. Dabei hatten die Asgard-Ingenieuere sicher nicht aus Spaß die 100-Prozent-Marke dorthin gesetzt, wo sie war. Daniel würde nicht warten müssen, bis die Energievorräte seines Anzugs erschöpft waren. Der Schirm konnte jederzeit zerschnitten werden.
Er konnte jederzeit zerschnitten werden.
Dies wäre durchaus ein angemessener Zeitpunkt gewesen, in Panik zu geraten.
Doch Zivilist hin, Weltraumäffchen her. Darauf kam es nicht an.
Auf einmal von einer kalten Klarheit erfüllt, erkannte er, dass er nur eine Chance hatte.
Und er nutzte sie.
Gestützt auf Hände und Knie stemmte er sich nach oben, brachte ein wenig, nur ein ganz wenig Abstand zwischen seinen Körper und die Bausteine. Ein paar Zentimeter, mehr brauchte er nicht. Getrieben von den Kraftverstärkern verschob er die Fronten des Kampfs der beiden Felder ein Stück ins feindliche Gebiet.
Das Dröhnen des handtellergroßen Projektors an seiner Schulter wurde unerträglich. Daniel hatte das Gefühl, dass die Hitze sich inzwischen in seine Haut einbrannte.
Doch noch hielt sein Schirm.
So schnell es eben ging, wuchtete Daniel seine Beine herum, schob sie seitlich über den Hügel. Nur keine weiteren Bausteine verschieben! Erst das eine Bein. Dann das andere. Er rollte zur Seite.
Und lag im Inneren.
Das Schreien des Projektors erstarb.
Was auch immer sich an seinem Bein bewegt hatte, hörte damit auf.
Nur sein Herz pochte noch wie wild.
Daniel öffnete die Augen. Seine Freunde waren besorgt über ihn gebeugt.
Sam half ihm auf die Beine, lächelte und legte ihm die Hand auf die Schulten. Erneut überschnitten sich zwei Schutzschirme, wenn auch diesmal in friedlicher Koexistenz.
Sam bemerkte wohl seinen unbehaglichen Blick und zog die Hand wieder fort. „Alles okay?“, fragte sie.
Vorsichtig nickte er und rieb sich die schmerzende Schulter.
„Wie sind Ihre Energiereserven?“
Er blickte auf die Anzeige. „42 Prozent“, las er ab. In Anbetracht der viel dringenderen Probleme hatte er kaum bemerkt, wie die Vorräte dahin geschmolzen waren.
„Das reicht aus“, versuchte sie ihn aufzumuntern „Bleiben Sie einfach etwas im Hintergrund.“
Daniel nahm das als Kompliment. Früher war es selbstverständlich gewesen, dass er sich zurückhielt. Heute musste man ihn um so etwas bitten.
„Dort ist das Fenster“, erinnerte Sam an den Plan.
Keine Zeit zum Ausruhen. So war das nun einmal.
Teal’c hob seine Zatwaffe und schoss dreimal. Die Scheibe und ihr Rahmen – nicht mehr und nicht weniger – lösten sich auf.
„Wir können aus dem Stand dort hinein springen“, erklärte Sam. „Das Problem ist lediglich, das Ziel zu treffen. Ich gehe zuerst. Ihr folgt, so gut es geht.“
Daniel nickte nur matt.

„...Schesch. Du kannst diese Intrigengeschichten wegen mir deinem Friseur erzählen“, erklang O’Neills Stimme in Teal’cs Helm. „Ich kenne da zufällig einen sehr guten.“
Nachdem sie ohne größere Probleme in das Gebäude eingedrungen waren und es keinen störenden Schutzschild mehr zwischen ihnen und O’Neill gab, war Kommunikation wieder möglich.
„Andererseits seht ihr Kerle mir nicht so aus, als würdet ihr einen Friseur brauchen...“
„Jack, können Sie mich hören?“, wiederholte Daniel Jackson neben ihm.
„Lalalala-la-lah,“ sang O’Neill schräg. „Ich hör dir nicht zu!“
„Er ist durchaus in der Lage uns zu hören, Daniel Jackson“, sah sich Teal’c genötigt zu erklären. „Er will lediglich den bei ihm anwesenden Tzenk nicht unsere Anwesenheit preisgeben.“
„Was hast du gesagt?“, höhnte O’Neill dem Tzenk entgegen, den Hohn gut verborgen hinter seiner harmlosen Art. Allmählich begann sich Teal’c zu fragen, ob es wirklich O’Neill war, um den er sich Sorgen sollte oder nicht viel mehr um den Kreislauf des vormaligen Diplomaten, der anscheinend verzweifelt, aber vergeblich versuchte, O’Neill auf seine Seite zu ziehen.
Teal’c beschloss vorerst, das Gerede von O’Neill aus seinem Aufmerksamkeitsbereich auszublenden. Dies erhöhte sein Maß an Konzentration ungemein. Dennoch überraschten ihn die Ereignisse.
Ein guter Krieger war eigentlich auf alles vorbereitet. Er rief sich die Besonderheiten seines Gegners in jeder freien Sekunde zurück ins Gedächtnis. Auf diese Weise hätte ihn nichts überraschen sollen.
In der Realität war Teal’c sehr wohl verblüfft, als er die beiden Wesen an der Decke kleben sah.
Dennoch reagierte er instinktiv und blitzschnell. Ehe die beiden Wachen auch nur mit einem der Schläuche ihres Körpers zucken konnten, hatte er sie bereits einmal mit der Zat getroffen. Mit lautem Klatschen schlugen die zwei massigen Leiber zu Boden.
Die einst so beeindruckenden Geschöpfe lagen genauso flach wie leblos vor ihnen und versperrten den Korridor. Nicht ohne eine gewisse Befriedigung bemerkte Teal’c, dass sie sich nicht zu verfärben begannen, also noch immer lebten.
Es waren die ersten Tzenk, auf die sie seit ihrem Eindringen gestoßen waren. Offenbar hatte die Aktion der Asgard tatsächlich Aufmerksamkeit erregt, denn bisher hatten sie keinen Feindkontakt gehabt. Zwar hatten die Sensoren der Mjölnir zuvor schon nur vergleichbar wenig Lebewesen im ersten Stockwerk des Gebäudes angezeigt, aber ganz offensichtlich hatte ihre Zahl inzwischen noch weiter abgenommen.
„Das könnte glatt ein Spaziergang werden“, kommentierte Major Carter.
Teal’c machte seinem Unverständnis durch Heben der Augenbraue Luft.
„Das sind nur Projektilwaffen.“ Major Carter deutete auf zwei Objekte, die zwischen den verknoteten Körperteilen der Tzenk steckten. „Sie explodieren nicht beim Aufschlag, was in einem geschlossenen Raum auch besser so ist. Aber damit kratzen sie unsere Schirmfelder nicht mal an.“
„Und da sind Sie sich sicher?“, hakte Daniel Jackson nach.
Im gleichem Moment heulten Alarmsirenen auf und enthoben Major Carter einer Antwort. „Weiter“, meinte sie nur.
Sie stiegen so gut es ging über die Bewusstlosen hinweg und erreichten endlich die in den Karten verzeichnete Rampe, welche ins Erdgeschoss führte.
Nachdem sie zwei weitere Tzenk ausgeschaltet hatten, erreichen sie eine Tür. Dahinter befand sich der Vorraum zu dem Raum, in der Colonel O’Neill festgehalten wurde. Dort befand sich auch die Steuerung für die beiden Schutzschirme, wovon einer das Gebäude gegen Eindringlinge von außen schützen sollte und der andere dafür sorgte, dass O’Neill drinnen blieb. Dort würden sich bestimmt mehr als zwei Tzenk aufhalten.
Er und Major Carter postierten sich an den Seiten der Tür, Daniel Jackson ein wenig abseits. Teal’c nickte Carter zu, sie öffnete die Tür und sprang zeitgleich mit ihm ins Innere des Raumes. Ehe auch nur einer der Anwesenden reagieren konnte, gingen bereits drei von ihnen zu Boden. Auch ein Alarm konnte den unerfahrenen Kämpfern keine Reaktionsschnelligkeit schenken. Dann erst schwenkten die ersten Leiber herum und suchten die ersten Waffen ihr Ziel.
Mit einem kurzen Blick identifizierte Teal’c diese als simple Projektilwaffen und blieb stehen, wo er war. Kugeln hämmerten in schneller Folge auf seinen Schirm ein, konnten ihm jedoch nichts anhaben. Statt dessen brachen weitere Tzenk zusammen, getroffen von den zuckenden Blitzen ihrer Zat’nic’itel.
Den Tzenk mit der anderen Waffe sah er zu spät. Auch keiner seiner Gefährten hatte zuvor versucht, ihn unter Beschuss zu nehmen. Die Explosion sprengte ein Stück der Wand neben Teal’c weg und hätte ihn um ein Haar von den Beinen geworfen.
Dann sackte auch der letzte Tzenk in sich zusammen und der Kugelhagel versiegte.
„Teal’c, öffne bitte die Tür“, kam es professionell von Major Carter.
Es gab eine Tür, welcher der gegenüberlag, aus der sie gekommen waren. Doch diese war nicht gemeint, sondern die dick gepanzerte Tür zu seiner Rechten.
Während Major Carter sich an den Kontrollen zu schaffen machte, welche die Schirme steuerten und Daniel Jackson seine beiden Augen auf die verbliebenen Türen richtete, vergewisserte sich Teal’c, dass die Panzertür tatsächlich verschlossen war. Daraufhin widmete er sich dem Display der Asgardwaffe an seinem Arm. Nach einigem Suchen fand er eine Einstellung, die er dem Problem für angemessen hielt. Ein breit gefächerter, blauer Strahl schoss aus der Waffe. Das Material der Tür verschwand einfach Schicht um Schicht, als würde er es mit einem irdischen Radiergummi aus der Existenz tilgen.
„Carter an Thor. Wir sind in Kürze soweit.“
„Verstanden“, erklang verzögerungsfrei Thors Stimme, der, wenn alles korrekt funktioniert hatte, sich wieder im Orbit der Sonne befand.
Die Tür wurde allmählich dünner und enthüllte schließlich einen grünen Schutzschirm. Kurz darauf schaltete sich dieser ab. Ein weiterer Alarm ertönte und mischte sich mit dem vorhandenen zu einer äußerst unangenehmen Geräuschkulisse.
„Jetzt, Thor!“
Teal’c trat mit gezogener Waffe in den Raum hinter der Panzertür. Der Alarm klang hier erträglicher. Umgeben von vielerlei hastig aufgestellten Gerätschaften schwebte O’Neill etwa einen halben Meter über dem Boden.
Das Wesen, das Teal’c für Schesch hielt, sprang mit einem Satz zwischen Teal’c und O’Neill und versperrte ihm den Weg.
„Das ist nicht richtig“, erklang Carters Stimme hinter ihm. „Thor hätte uns längst rausbeamen müssen.“
Tatsächlich dauerte das Drücken des Knopfs, welcher den programmierten Vorgang im Asgardschiff auslöste, länger als Hypersprung und Beamen zusammen.
„Irgendetwas ist schief gelaufen!“

Noch immer blieb das helle Licht des Transports aus. Daniel starrte Schesch entgegen. Dieser hatte den Großteil seiner Schläuche entwirrt und sich zu einer fast vier Meter breiten Wand zwischen ihnen und Jack aufgetürmt.
„Wenn ihr vorbei wollt, müsst ihr mich töten!“
Es klang tapfer, doch das Beben des Körpers war nicht zu übersehen.
Irgendwie hatte Daniel erwartet, dass Schesch bewaffnet sein würde, wie es sich für einen in die Enge getriebenen Bösewicht nun mal so gehörte. Doch wozu hätte Schesch in einem Raum mit einem zur Bewegungslosigkeit verdammten Gefangenen, den jedwede Beschädigung seines Schutzanzuges auf der Stelle getötet hätte, eine Waffe benötigt?
„Jack, geht es Ihnen gut?“, vergewisserte er sich.
„Ich weiß nicht“, kam die Antwort zurück. „Der Plan läuft nicht so gut, oder?“
„Eher nicht“, gab Daniel zu.
„Nun, dann geht es mir nicht gut“, stellte Jack fest. Hätte Daniel es nicht besser gewusst, hätte er geglaubt, dass der Führer ihres Teams die Lage nicht ernst genug nahm.
„Schesch“, wandte sich Daniel an selbigen. „Wir haben bisher niemanden getötet. Und wir werden auch dich nicht töten.“ Natürlich hätte er einfach schießen können. Doch hier hätte er nicht behaupten können, dass Reden nichts half. „Du weißt, dass wir uns nicht gegenseitig bekämpfen müssen!“, drang er in ihn.
„Ihr habt uns eure Hilfe verweigert“, kam die heftige Erwiderung. „Irgendwie müssen wir uns Mittel beschaffen, um den Fortbestand unserer Zivilisation zu sichern.“
„Dein Plan ist fehlgeschlagen!“, machte Daniel ihm unmissverständlich klar und wedelte demonstrativ mit seiner Zat. „Aber vielleicht gibt es einen anderen Weg. Es gibt eine Möglichkeit euer Volk zu retten!“
Schesch sackte einen Moment in sich zusammen, fing sich dann aber wieder. „Was für eine Möglichkeit?“
Natürlich ist er interessiert, schoss es Daniel durch den Kopf. „Lass uns zuerst durch.“
„Was für eine Möglichkeit?“
Teal’c, der bisher die Tür bewacht hatte, drehte sich um. „Lass – uns – durch“, betonte er jedes einzelne Wort.
Ein ziemlich ekliges Gurgeln erklang. Dann faltete sich Scheschs Körper wie eine Ziehharmonika zusammen – auch wenn ein solches Instrument sich bei diesem Vorgang gewöhnlich nicht verknotete.
„Was für eine Möglichkeit?“, wiederholte Schesch matt.
Doch Daniel sah ein, dass er seine Kompetenzen erneut überschritten hatte. Er musste das mit Jack abstimmen, ehe er weiter sprach, selbst wenn er sich dabei ziemlich mies vorkam. „Bitte gedulde dich“, vertröstete er den Tzenk daher und eilte zusammen mit Sam zum schwebenden O’Neill.
Sam blickte die Anlage kurz an, kniff die Augen zusammen und stieß dann nicht gerade feinmotorisch mit dem Stiefel gegen ein Stativ, auf dem irgendein Projektor montiert war. Lampen begannen zu flackern und erloschen. Langsam sackte Jack zu Boden.
„Na endlich“, schimpfte dieser, immer noch der Alte. „Und jetzt bringt gefälligst den Klugscheißer in meinem Anzug wieder zur Vernunft! Der Kerl weigert sich noch immer den Schirm aufzubauen.“
Daniel ertappte sich dabei, wie er Jack eine ganze Weile anstarrte. Dessen Anzug war noch immer hart wie Stahl. „Wir könnten Sie auch so lassen und wenn jemand fragt, sagen wir, Sie wären eine Wachsfigur.“ Diesen kurzen Moment der Schadenfreude konnte er sich einfach nicht verkneifen.
„Ein Merchandising-Artikel für Wurmloch X-trem... “, kam Teal’cs tiefe Stimme aus dem Hintergrund.
Ob Sam wegen Teal’cs Vorschlag grinste oder sie ihre eigenen Vorstellungen hatte, würde wohl ihr Geheimnis bleiben.
„Jetzt holt mich hier endlich raus, mir schlafen sämtliche Glieder ein!“, fuhr Jack ihn an, blickte dann zu Sam hinüber und räumte schnell ein: „Nun, ja. Nicht sämtliche Glieder...“ Er verdrehte die Augen. „Jetzt machen Sie schon, Carter!“
Diese zuckte zusammen und ihr Grinsen erstarb. „Ja, Sir.“ Daraufhin machte sie sich an Jacks Anzug zu schaffen.
Nach einer ganzen Reihe konzentrierter Handgriffe baute sich Jacks Schirm wieder auf, dehnte sich blitzschnell aus, um den Druck in seinem Inneren auf Erdenmaß zu reduzieren und stieß dabei Sam von ihren Füßen.
Jack schüttelte sich, als sein Anzug plötzlich wieder nachgiebig wurde, ersparte sich deutlich hörbar jeden dummen Spruch und half Sam, sich wieder aufzurichten.
Draußen erklang das Knattern von Schüssen. Daniel, Sam und Jack sahen sich kurz an und eilten dann zu Teal’c, welcher noch immer an der ehemaligen Panzertür stand.
Die Schüsse machten zwei Dinge deutlich: Erstens waren sie hier nicht allein. Noch immer befanden sich Tzenk im Gebäude. Doch der zweite Punkt wog fast schwerer: auf wen schossen die Tzenk? Waren die Replikatoren zurückgehrt? Daniel hatte jetzt wirklich keine Lust auf die Viecher.
Die Frage wurde beantwortet, als er Zischen hörte, das sich zu dem Knattern und dem Knallen von Explosionen gesellte. Schneller, als er schauen konnte, öffnete sich die Tür zu seiner Seite und rollten mehrere Tzenk durch den Raum mit den Schutzschirmkontrollen. Wie gewaltige Flummibälle hüpften sie über ihre bewusstlosen Kameraden hinweg und verschwanden durch die gegenüberliegende Tür.
Erneut das Zischen. Blaue Strahlen zuckten von Tür zu Tür. Daniel wusste, dass sie auflösen würden, was sie trafen. Und wen sie trafen – treffen sollten – war keine Frage.
Stille.
Gemächlichen Schrittes trat Hermiod in den Türrahmen.
„Commander Thor lässt euch ausrichten, dass er sich verspätet“, war alles, was er sagte.

„Hermiod, was hat das zu bedeuten?“, sprach Sam das aus, was auch Daniel durch den Kopf ging. „Wo ist Thor? Was haben Sie hier zu suchen? Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt!“
„Die Mjölnir wird in ihren Aktionen durch weitere Zugstrahlen der Tzenk behindert“, stellte der Asgard fest. „Dies hat sowohl unsere Position, als auch die Ihre geschwächt. Als der Schirm deaktiviert wurde, bin ich daher mit meiner Division hier eingedrungen. Sämtlicher Widerstand wurde konsequent niedergeschlagen. Gerade wird der Schutzschirm wieder aktiviert und bleibt so lange aktiv, bis sich Commander Thor bei uns meldet. Damit hat sich unsere Position eindeutig verbessert.“
Bei dem Wort konsequent lief Daniel ein Schauder über den Rücken. Vermutlich lebte im Gebäude und seinem Umfeld kein einziger Tzenk mehr. Über die Notwendigkeit ließ sich diskutieren, aber was Daniel wirklich erschreckte, war die kompromisslose Kälte, mit der Hermiod diesen Sachverhalt vortrug.
Bei einem Menschen – bei ihm selbst und jedem, den er bisher beobachtet hatte – löste derartige Gewalt stets irgendeine Art von Reaktion aus. Nicht unbedingt eine schmeichelhafte, aber irgendeine.
Doch an Hermiod und dessen Artgenossen, die nun allmählich hinter ihm auftauchten, ging es vorüber.
Dass die Asgard alles andere als zimperlich waren, wussten sie, seit eines ihrer Schiffe drei komplette Goa’uld-Pyramiden buchstäblich von der Oberfläche Cimmerias getilgt hatte. Doch dazu hatten die Asgard nur ein paar Knöpfe drücken müssen. Jemanden zu erschießen, war dagegen etwas anderes.
Zumindest für einen Menschen.
An den Asgard ging es vorüber. Für sie schien es einerlei zu sein, wie sie töteten.
„Ich befahl, dass Sie sich den Tzenk nicht zu erkennen zu geben sollen!“, ereiferte sich Sam. Sie ließ es nicht auf sich beruhen und schien es persönlich zu nehmen, dass Hermiod sie nicht zuvor gefragt hatte. Kein Wunder, denn nach Hermiods Aktion hätten sie genauso gut gleich den so genannten Präzisionsschlag durchführen können.
„Ihr nennt euch zivilisiert!“, donnerte Schesch von hinten. „Ihr schwingt große Reden über den Schutz von Zivilisationen. Jetzt sehe ich, wie weit es mit eurer Moral wirklich ist!“
Langsam wandte sich Hermiod dem Tzenk zu. „Der Tod deiner Artgenossen ist bedauerlich“, bekannte er.
Er ließ sich viel Zeit, bis er fortfuhr. „Diese Entscheidung ist keineswegs leichtfertig getroffen worden. Auch wir haben schwere Verluste zu beklagen, nur von wenigen Opfern konnte das Bewusstsein geborgen werden. Unser Volk steht vor seiner Ausrottung. Wir können Verluste nicht so problemlos wie ihr wegstecken. Die zurückliegenden Ereignisse treffen uns härter als euch.“
Schesch stülpte mehrere Hautlappen nach außen, die in wilde Wallung gerieten. „Soll das heißen, dass unsere Leben weniger wert als die euren sind?“
„Das soll heißen, dass wir in einer anderen Situation möglicherweise anders gehandelt hätten“, schnappte Hermiod, ohne jedoch die Frage dabei wirklich zu beantworten.
Im selben Moment wurde Daniel bewusst, dass auch er Schesch noch eine Antwort schuldig war.
Er wies den Anzugcomputer an, Außenlautsprecher und Übersetzer abzuschalten und bat die Anwesenden, es ihm gleich zu tun. Schesch sollte nicht hören, was sie da beredeten. „Sam, vielleicht ist es an der Zeit, dass Sie über Ihre Entdeckung berichten.“
Ein klein wenig entspannte sich ihre düstere Mine. An Jack gewandt begann sie: „Sir, wie Sie wissen, war es uns die ganze Zeit über ein großes Rätsel wie ein vergleichsweise kurzlebiger Stern hierher in den Leerraum gelangen kann. Ich und die Asgard haben eine Reihe von Messungen durchgeführt und festgestellt, dass der Stern um einen unsichtbaren Punkt kreist. Jedes normale, nicht-leuchtende Objekt, das dafür in Frage kommt, hätten wir jedoch schon früher entdeckt. Daher vermuten wir, dass es sich um ein Wurmloch handelt.“
Jack sah ziemlich gequält aus, als er meinte: „Soll das heißen, dass während ich hier in Lebensgefahr geschwebt bin, Sie in aller Ruhe mit Ihren Wurmlöchern gespielt haben?“
Sam schoss die Röte ins Gesicht. Im Versuch, das zu verbergen starrte sie auf den Fußboden. „Ich habe mir sehr wohl Sorgen um Sie gemacht, Sir...“
Jack erkannte sehr schnell, dass er etwas zu weit gegangen war. „Das weiß ich doch, Carter“, erklärte er hastig.
Schon zum zweiten Mal an diesem Tag hatte man Sam aus der Fassung gebracht. Sie schluckte, konnte sie sich dann jedoch vergleichsweise schnell wieder für das Thema begeistern: „Dieses Wurmloch ist etwa zwanzigmal so groß wie der Abstand zwischen unserer Sonne und dem Neptun, Sir. Kein Stern und kein schwarzes Loch erreicht auch nur annährend eine solche Ausdehnung! Aber gerade diese Größe ist das Glück der Tzenk. Ihr Stern ist nämlich so hell, dass ihre Heimat eine große Entfernung zu ihm braucht, damit es dort nicht zu heiß wird. Trotzdem ist das Wurmloch noch groß genug, dieses Sonnensystem zu verschlucken, ohne es dabei zu zerreißen. Nach dem darauf folgenden Transport und der Ankunft auf der anderen Seite, wird das System dann allmählich auf eine weitläufige Umlaufbahn gezwungen.
Das Wurmloch unterscheidet sich aber auch in anderer Hinsicht von den Stargate-Wurmlöchern, wie wir sie kennen. Nicht nur, dass es ein natürliches Phänomen ist. Die Physik dahinter ist auch eine völlig andere. Es ist keine Zerlegung der Materie für den Transport nötig und...“, sie machte eine kurze Pause, „und das ist das Entscheidende: es funktioniert in beide Richtungen!“
Jack sah sie an. Eben noch das Leiden in Person, blickte er nun überaus ernst, starr und nachdenklich drein.
Sagen tat er jedoch nichts.
„Sehen Sie denn nicht, was das bedeutet“, fragte Daniel, als ihm das Schweigen schließlich zu lange dauerte. „Die Tzenk brauchen keinen Hyperantrieb, um vor den Replikatoren zu fliehen! Sie können das Wurmloch benutzen und in die Galaxie zurückkehren, aus der sie ursprünglich stammen.“ Eine bessere Lösung konnte es kaum geben. Ihr Konflikt mit den Tzenk wäre auf der Stelle zu Ende. Das Überleben der Tzenk wäre gesichert und diese würden endlich die Sterne in Natura sehen können.
„Ich sehe sehr wohl, was das bedeutet, Daniel. Danke der Nachfrage“, erklärte Jack grimmig. Mehr ließ er nicht verlautbaren, doch sein Gesicht sprach Bände: Er würde diese Information nicht an Schesch weiterreichen.
„Sie sind wütend auf die Tzenk, weil sie uns angegriffen haben“, stellte Daniel fest. „Aber es geht hier nicht nur um uns und unsere Rache.“
„Sie haben Recht, ich bin wütend“, schnappte Jack. „Es ist nämlich nicht so, dass diese Kerle irgendeine Ahnung gehabt hätten, was mit mir passiert, wenn sie dieses Funksignal aussenden und sie mir diese Schockgranate reinwürgen. Es war reines Glück, dass ich es überlebt habe und nicht als Krüppel geendet bin!“
Daniel gab sich selbst keine Gelegenheit diese Worte auf sich einwirken zu lassen. „Es ist Ihnen völlig egal, dass die Tzenk sterben werden, wenn wir ihnen nicht helfen, oder?“, hielt er Jack entgegen. „Es ist Ihnen vermutlich sogar recht.“
Dies war eine Seite an seinem Freund, an die er sich nie würde gewöhnen können. Wenn ihm ein Volk nicht gefiel, entwickelte Jack sehr schnell eine Verschont mich mit euren Problemen-Mentalität.
Einen Moment starrten sie sich gegenseitig an. „Um ehrlich zu sein“, erklärte Jack dann, „ist es mir nicht egal. Ich habe nicht vergessen, wer es war, der diese Insektenplage über den Planeten gebracht hat!“ Erleichtert atmete Daniel auf.
„Aber es geht tatsächlich nicht nur um uns. Die Tzenk werden kaum die einzigen sein, die dieses Wurmloch benutzen!“ Entsetzen breitete sich in Daniel aus, als ihm klar wurde, auf was Jack abzielte. „Ich habe nicht vor, den Replikatoren den Weg in eine weitere Galaxis zu zeigen, Sie etwa?“
Nein, das hatte er nicht vor.
Die Hoffnung auf ein Happy End zerbrach mit lautem Klirren.
Entsetzt stellte Daniel fest, in seinem Übereifer beinahe das Todesurteil über eine ganze Galaxie gesprochen zu haben.
Nein, sie würden den Tzenk das Wurmloch nicht zeigen. So grausam das war, die Tzenk würden sterben müssen, damit eine ganze Galaxie weiter leben konnte.
„Bereitmachen zum Transport“, erklang Thors Stimme mit einem Mal aus den internen Lautsprechern.
Daniel sah zu Schesch hinüber, dem er Hilfe versprochen hatte. Er wusste, dass dieser ihn zur Zeit nicht hören konnte. Dennoch flüsterte er: „Es tut mir leid.“
Dann wurde es hell.


weiter: Kapitel 5

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