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Über dem Abgrund von Shendara

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Vorwort

Abyss schrie für mich nach einem (Slash-)Epilog und wer bin ich, um mich einer solchen Macht in den Weg zu stellen?
Über dem Abgrund


"Daniel."

Der Name, noch im Schlaf geflüstert, schien noch immer im Raum wiederzuhallen, als Jack es endlich schaffte, den Traum hinter sich zu lassen und in die Realität zurückzukehren. Etwas, das sich in den letzten Tagen mehr und mehr zu einem Kraftakt entwickelte, der es kaum noch wert wahr.

Der Schlaf brachte die Träume. Wachsein bedeutete, neben der Erschöpfung auch noch mit den Erinnerungen fertig werden zu müssen.

Und der Ungewissheit.

War Daniel wirklich da gewesen? Oder war es nicht doch nur seine Einbildung gewesen, die ihm vorgegaukelt hatte, das zu sehen, was er sich am sehnlichsten wünschte?

Er hatte keine Ahnung. Wie auch? Bei Daniels "Abschied" vor einer Woche im SGC war er körperlich am Ende gewesen Und geistig? Alles, nur nicht wirklich da. Wie konnte er sich da sicher sein, sich nicht auch dieses "Treffen" nur eingebildet zu haben?

Und wenn er schon bei diesem Gedankengang war - wie konnte er sich überhaupt sicher sein, dass Daniel in Wirklichkeit nicht längst tot war? "Andere Ebene", "nicht körperlich" - alles Schlagworte, doch wie viel davon stimmte wirklich? Er hatte keinerlei Beweis dafür, dass Daniel wirklich aufgestiegen war, genauso wenig wie er einen Beweis dafür hatte, dass Daniel ihn in der Zelle besucht ihm aber seine Hilfe verwehrt hatte.

Verwehrt. Der Bastard hatte es abgelehnt ihm zu helfen und ihn damit zu tausend und mehr Toden und dem sicheren Wahnsinn verurteilt.

Oder?

Daniel war fast von Anfang an bei ihm gewesen und hatte versucht - und es auch geschafft - ihn vor dem Durchdrehen zu bewahren. Bis auf das eine Mal, an dem er von einer erneuten Frage/keine Antwort/Tod/Wiederbelebungs-Session zurückgekommen und kein Daniel in der Zelle gewesen war. Der eine Zyklus, währenddessen er sich sicher war, sich Daniels frühere Besuche nur eingebildet zu haben.

Aber beim nächsten Mal war er wieder da gewesen. Zusammen mit der Nachricht, dass sein Team (sein Team: Carter, Teal'c, ... Quinn? Verdammt, es war noch immer schwer, das vertraute Jackson durch Quinn zu ersetzen - es war einfach so falsch) es geschafft hatte und er eine Chance auf Flucht hatte.

Oh ja, er kannte die Einsatzberichte. Teal'cs Idee hatte ihm das Leben gerettet - doch war die Idee, den Standort von Ba'als Basis an die Systemlords zu verraten wirklich Teal'cs Meditation entsprungen? Oder hatte nicht vielleicht doch Daniel etwas nachgeholfen? Das würde Daniels Abwesenheit erklären. Es würde erklären, warum Daniel über den Plan Bescheid gewusst hatte... außer natürlich, Daniel war mittlerweile ein solches Wunderwesen, dass er wusste, was überall im Universum gleichzeitig vor sich ging.

Jack bezweifelte Theorie Nummer zwei und klammerte sich mit aller Kraft an Nummer eins fest.

Daniel war da gewesen; er hatte ihm geholfen, nicht dem Wahnsinn zu verfallen; er hatte Teal'c die Idee zugesteckt (wie war egal, die Hauptsache war nur, dass Daniel ihn doch nicht im Stich gelassen hatte, allen Regeln zum Trotz) und er hatte Jack rechtzeitig Bescheid gesagt, damit er bereit war, sobald die Energie ausfiel.

Verdammt, Daniel war da gewesen! Es musste einfach so sein!

Warum nur verlangte ein verräterischer Teil seines Gehirns nun, dass er einen Beweis dafür fand? Wollte er sicher gehen, nicht den Verstand zu verlieren? Wollte er mit absoluter, hundertprozentiger Sicherheit wissen, dass Daniel in den Momenten für ihn da gewesen war, in denen er ihn am allerdringensten gebraucht hatte? Wollte er einen Beweis dafür, dass Daniel wirklich noch da war und doch nicht tot? Oder...

"Jack."

Daniels Stimme ließ ihn herumwirbeln. "Daniel?" Leise, zögernd... er war sich nicht sicher, ob er wirklich sah, was er sah und hörte, was er hörte. Was, wenn das nur ein weiterer, noch hinterhältigerer Alptraum war?

"Ich bin's wirklich." Ein leichtes Lächeln, wesentlich entspannter als bei ihrem letzten Treffen.

"Warum?"

"Um dich vor deinen eigenen Gedanken zu retten", kam die lakonische Antwort. "Jack..." Das Lächeln verschwand, wurde von einem leichten Kopfschütteln abgelöst. "Ba'al hat es vielleicht nicht geschafft, aber wenn du so weitermachst, hast du dich in einer Woche selbst um den Verstand gebracht."

Sag mir etwas, was ich noch nicht weiß. Früher hätte er den Gedanken ausgesprochen. Früher, hätte ihn die Sorge, die Daniel jetzt zeigte, zu einer sarkastischen Entgegung getrieben - obwohl sie doch beide wussten, dass Jack nichts dagegen hatte, wenn sich jemand um ihn sorgte. Früher. Jetzt war er einfach nur froh, dass Daniel da war. Und dafür, dass er sich sorgte, hätte Jack ihn umarmen und küssen können.

Auch etwas, das der Vergangenheit angehörte. Jack seufzte, als ihm wieder einmal klar wurde, was er - was sie beide - alles verloren hatten. Tot oder körperlos, tot oder abwesend... der Effekt war immer der Gleiche und langsam aber sicher zerstörte er ihn.

"Hör' auf damit!"

Der Befehl - und nichts anders war es - riss ihn aus seinen morbiden Gedanken. "Kannst du jetzt auch noch Gedanken lesen, oder was?", schnappte er zurück, noch bevor sein Gehirn Daniels Worte überhaupt richtig registriert hatte. Alte Reflexe sterben nicht und wenige Minuten in Daniels Gesellschaft reichten voll und ganz aus, um sie wieder aus der Versenkung zu holen.

"Nein." Eine kurze, klare Antwort und doch wusste Jack, was genau dahinter steckte. Er telegraphierte seine Gedanken schon wieder in die Welt hinaus. Toll. Wenn er schon soweit war...

"Ich weiß nicht", sagte er plötzlich, ohne vorher bewusst darüber nachgedacht zu haben. "Seit Tagen denke ich darüber nach - aber außer, dass ich mich im Kreis drehe, erreiche ich nichts." Tränen. Er spürte Tränen auf seinen Wangen. Er konnte sich nicht einmal erinnern, wann er das letzte Mal geweint hatte. Er zwang sich dazu, den Kopf zu heben und Daniel auch wirklich anzusehen; musste ein paar Mal blinzeln, bevor das Bild vor seinen Augen nicht mehr verschwamm. "Sag' mir nur eins, bevor du wieder dorthin verschwindest, wo auch immer du hinverschwindest: Warst du wirklich da? Oder hab ich es mir nur eingebildet?" Bin ich einfach nur durchgedreht? Bin ich jetzt noch immer wahnsinnig, weil ich dich sehe? Oder bist du wirklich gekommen, um mir zu helfen? Damals und jetzt.

"Was glaubst du?" Die Frage war nicht spöttisch, sondern ernst gemeint. Jack starrte Daniel nur stumm an, unfähig, die Worte richtig interpretieren zu können. Er wollte nur eine einfache, klare Antwort. Ja oder Nein. Zu mehr war sein Gehirn nicht mehr fähig. Daniel schien das nach einigen Sekunden zu erkennen, denn er atmete heftig aus - oder erweckte zumindest den Anschein, auszuatmen, immerhin waren die Chancen dafür, dass Daniel noch immer Sauerstoff zum Leben brauchte, mehr als gering - und kam einen Schritt näher. "Ja."

Kurz, simpel - und genau das, auf das Jack gehofft hatte. "Danke", hauchte er, nicht sicher, für was er sich eigentlich bedankte. "Ich vermisse dich." Wieder ging sein Mundwerk mit ihm durch und wieder war es ihm egal. Wenn er sich in Daniels Gegenwart nicht gehen lassen konnte, in wessen dann?

"Ich vermisse dich auch." Daniels Stimme klang belegt und seine Augen glänzten verdächtig feucht. "Wenn ich eine Wahl gehabt hätte..."

"Ich weiß."

"Aber ich wollte nicht..."

"Sterben, ich weiß", vollendete Jack. Und er verstand. "Es ist besser so. Du bist zwar weg und es tut weh, so, als ob du wirklich... du weißt schon..."

"Tot", schlug Daniel vor, weil Jack es noch immer nicht über sich brachte, es wirklich auszusprechen.

"Yeah, genau, wärst, ... aber immerhin weiß ich jetzt sicher, dass du da draußen bist und auf uns aufpasst." Er fand sogar die Kraft, leicht zu lächeln. "Kein einfacher Job."

"Nicht wirklich, nein." Auch Daniel lächelte leicht. "Aber einer muss es ja machen."

"Ich könnte mir niemand besseren vorstellen."

"Das will ich auch hoffen."

Für einige Minuten herrschte Stille, beide in Gedanken. Es war schließlich Daniel, der das Schweigen brach - mit der unvermeidlichen Ankündigung, dass er gehen musste. Natürlich. Es konnte nicht ewig dauern, Jack wusste das. Was nichts daran änderte, dass der kleine Funken Hoffnung, dass Daniel diesmal bleiben konnte, erlosch.

"Ich möchte vorher noch etwas versuchen, okay?" Mit einem Nicken gab Jack sein Einverständnis, unsicher, was er zu erwarten hatte.

Zwei Schritte und sie standen sich direkt gegenüber, nahe genug, damit sie den Atem des jeweils anderen hätten spüren können. Aber da war nichts - was wohl Jacks Frage, ob Daniel noch Luft brauchte oder nicht, auch beantwortete.

"Ich bin stärker geworden."

Ein seltsamer Kommentar und Jack brauchte einen Moment, bevor er die Bedeutung verstand. "Berühren?", brachte er hervor, auch wenn er seine eigene Stimme nicht wieder erkannte.

"Ja. Aber ich kann nicht garantieren, dass..."

"Versuch' es einfach." Er konnte mit der Enttäuschung leben, sollte es nicht klappen. Ja, genau. Und du wärst auch noch einmal bereit, als Tok'ra Sklave herzuhalten, nicht wahr?

Er wusste nicht genau, was er erwartet hatte - eine Berührung am Arm, eine Umarmung, was auch immer. Oh, er bekam eine Umarmung. Und das Beste daran war, dass er sie spüren konnte. Oh mein Gott...

Weitere Gedanken wurden unterbunden, als er Daniels Lippen auf den seinen spürte und den Kuss instinktiv erwiderte. Anders, als jeder Kuss zuvor (zugegeben, er hatte bis jetzt auch noch niemals ein überirdisches Wesen geküsst) war es irgendwie realer als alles zuvor und verbannte die letzten Zweifel daran, ob Daniels Besuche nur Halluzinationen seines verzweifelten Verstandes waren.

Seine Phantasie war vielleicht gut, aber bei weitem nicht gut genug, um sich das hier vorzustellen.

Die Tränen kamen wieder, während er seine Arme um Daniels plötzlich feste Form schlang und er unterdrückte sie genauso wenig wie das leise Schluchzen, dass einen Weg aus seiner Kehle fand.

Geh' nicht, gefolgt von Ich liebe dich lag ihm auf der Zunge, doch er wusste, dass Ersteres unmöglich war und Daniel das Zweite schon längst wusste.

"Ich weiß", murmelte Daniel und in dem Moment war Jack sich sicher, dass er wirklich Gedanken lesen konnte. "Ich liebe dich auch." Ein letzter Moment Körperkontakt, ein letzter, kurzer Kuss und es war vorbei.

Jack stand alleine inmitten seines Schlafzimmer, während das erste Licht des neuen Tages seinen Weg durch die Vorhänge fand und den Raum sanft erhellte.

Alleine. Und trotzdem wusste er, dass er sich Daniels finales Ich finde einen Weg zurück nicht eingebildet hatte. Er durfte es sich einfach nicht nur eingebildet haben.

Immerhin waren diese fünf Worte - dieser Hoffnungsschimmer - alles, was es wert machte, weiter zu machen.

 

 

12.05.03

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