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Der Besuch (2) von Athor, emdol

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Vorwort


1) Nun gut, hier kommt der zweite Teil unseres DACH-Projektes und immer noch sind wir darauf gespannt, wie euch unsere Variante zusagt. *grins* Bei Gefallen wird gerne für Nachschub gesorgt, daher ist uns Feedback herzlich willkommen.

2) Lieben Dank an Antares fürs Betareaden.


Spoiler: Brief Candle, Meridian, Cold Lazarus
Staffel: Anfang 6. Staffel
Der Besuch (2)


Sara war froh. Endlich hatte sie Feierabend und war zu Hause. Der Tag hatte es in sich gehabt! Zuerst war da dieser kleine Möchtegerngangster, der sich statt für den Jugendknast, für das Resozialisierungsprogramm für jugendliche Straftäter im Boys and Girls Challenger Club entschieden hatte und nun mehrere Monate mit Sozialarbeit bei ihnen zubringen würde. Im Anschluss daran, hatte sie das Treffen mit dem Stadtrat gehabt, bei dem es wieder einmal um die zu bewilligenden Zuschüsse ging. Aber ohne die Unterstützung der Stadt funktionierte es nun einmal nicht und wenn sie erreichen wollten, dass die geplante Sporthalle jemals fertig gestellt wurde, dann war halt Klinkenputzen angesagt.

Sara seufzte. Sie hasste es, diese „Bettelgänge“ machen zu müssen. Jedes Mal blieb diese unangenehme Aufgabe an ihr hängen. Dann hatte ihr lieber Kollege plötzlich etwas gaaaanz Wichtiges zu erledigen. Denn eigentlich war es Rogers Aufgabe, sich um die Gelder zu bemühen. Schließlich war er der Leiter der Einrichtung. Doch wenn es wieder einmal soweit war, hatte er irgendeine fadenscheinige Ausrede parat. Als Krönung tröstete er Sara charmant mit dem Argument, dass sie es als Frau viel besser verstünde, die Herren auf ihre Seite zu ziehen und sie für ihr gemeinsames Projekt zu begeistern.

So hatte sie sich das Ganze nicht vorgestellt, als sie die Beförderung zu seiner Stellvertreterin angenommen hatte. Seitdem liebte es ihr Vorgesetzter, sie mit Aufgaben zu betrauen, die er selbst nur ungern erledigte. Wobei Sara wusste, dass dies nicht aus böser Absicht heraus geschah. Vielmehr entsprach es Rogers lockerer und sorglosen Art. Er mochte es gerne leicht und unkompliziert und manchmal beneidete Sara ihren Kollegen für seine jungenhafte Unbekümmertheit.

Gleichzeitig gab es aber auch viele gute Seiten an ihrem Job. Die gemeinnützige Arbeit machte Sara trotz der schlechten Bezahlung und des vielen Ärgers auch eine Menge Spaß. Manchmal konnten sie im Leben eines Jungendlichen wirklich etwas bewegen. Ihm oder ihr einen Schubs in die richtige Richtung geben. Und das war eine Belohnung, die sie für alle sonstigen Unannehmlichkeiten vollauf entschädigte. Doch das Wichtigste überhaupt war, dass Sara mit Kindern arbeiten konnte und das Gefühl hatte gebraucht zu werden. Sie fühlte sich nützlich.

**********

Der Inhalt ihres Briefkastens quoll bei dessen Öffnen Sara bereits entgegen. Mit einem Anflug von Ärger begann sie, die vielen unnötigen Werbebriefsendungen von ihrer restlichen Post zu trennen. Plötzlich stockte Saras Atem und ein kleiner Knoten des Unwohlseins formte sich in ihrem Magen. Die Handschrift auf diesem Kuvert hätte sie unter zig anderen auf Anhieb wiedererkannt! Jacks Schrift! Vor lauter Verblüffung vergaß sie darüber sogar, dass weitere Sortieren ihrer Post.

Schnell stürmte Sara ins Wohnzimmer. Achtlos warf sie den restlichen Stapel mit Briefen auf den Tisch, nur den einen in der Hand behaltend. Mit wackligen Knien ließ sie sich auf das Sofa fallen, ihre Augen unschlüssig auf den verschlossenen Umschlag geheftet. Ihr Herz hämmerte in einem lauten Stakkato und das Blut rauschte in ihren Ohren. Ein kleines Schwindelgefühl machte sich in ihr breit und ihr Mund fühlte sich auf einmal seltsam ausgetrocknet an.

Warum schrieb Jack ihr nach all den Jahren? Was wollte er von ihr? Es war doch wohl nichts Schlimmes passiert? Wollte sie den Brief überhaupt öffnen? Die Fragen jagten wild durch Saras Kopf. - Verwirrten sie! Ein bisschen entsetzte es sie auch, dass Jack nach der langen Zeit immer noch in der Lage war, sie aus der Fassung zu bringen. Und sei es, durch den bloßen Anblick seiner Handschrift.

Sich selbst zur Raison mahnend, versuchte Sara, einen kühlen Kopf zu gewinnen. Sie hatte nicht vor, sich erneut ihr Leben von Jack O’Neill durcheinander bringen zu lassen. Dann stöhnte sie leise. Ihr Verhalten war ja geradezu lächerlich, schließlich handelte es sich nur um einen Brief! ... Einen Brief, dessen Inhalt sie noch nicht einmal kannte!

Entschlossen riss sie das Kuvert auf und griff hinein. Zu ihrer Überraschung beförderte sie, zusammen mit einem einzelnen Blatt, noch einen weiteren, bereits leicht vergilbten, Umschlag zu Tage. Aufmerksam überflog sie die wenigen Zeilen der kurzen Nachricht:


Hallo Sara,

ich hoffe es geht dir gut.

Du wunderst dich sicher, dass ich dir schreibe. Doch als ich heute bei mir etwas aufgeräumt habe, ist mir dieser alte Brief in die Hände gefallen. Es ist schon länger her, seit ich ihn für dich geschrieben habe. Aber im Grunde genommen, ist das auch nicht so wichtig. Was zählt, ist allein sein Inhalt und an dem hat sich im Wesentlichen nichts verändert. Und ich denke, es ist an der Zeit ihn an dich abzuschicken. Das bin ich dir einfach schuldig.

Pass gut auf dich auf.

Jack

Eine tiefe Furche trat auf ihre Stirn. Angestrengt betrachtete sie den zweiten, eindeutig älteren Briefumschlag in ihrer Hand. Jacks Für Sara war auch heute noch gut lesbar, wenn auch die Handschrift etwas verblasst und verändert aussah. Doch sie brauchte kein Graphologe zu sein, um sagen zu können, dass es sich trotzdem ganz klar um die Schrift ihres Ex-Ehemannes handelte.

Dafür, dass der Brief – Jacks Notiz zufolge – so lange rumgelegen hatte, befand er sich in einem erstaunlich guten Zustand. Er musste ihn sehr sorgfältig aufbewahrt haben, denn sonst wäre er zerknitterter, ging es Sara verwundert durch den Kopf.

Wow, Sara schüttelte es unbewusst. Sie konnte nicht leugnen, dass eine gewisse Spannung Besitz von ihr ergriffen hatte. Ihre Finger zitterten, als sie den alten Umschlag aufriss und dann vorsichtig den darin liegenden Bogen Papier herauszog.

Mit angehaltenem Atem begann Sara zu lesen. In ihrer Vorstellung konnte sie Jacks Stimme hören, während ihr Blick über die von ihm geschriebenen Zeilen glitt. An mehreren Stellen musste sie innehalten, da ihre Gefühle sie zu überwältigen drohten. Die Geschehnisse von damals wurden wieder lebendig. Mehr als einmal brauchte sie Zeit, sich neu zu sammeln, um dann den Faden erneut wieder aufzunehmen. So dauerte es eine Weile, bis sie zum Schluss gelangte. Nachdem sie manche Stellen bereits zum wer-weiss-wie-vielten-Male gelesen hatte, ließ sie den Brief kraftlos in ihren Schoß sinken.

Sara fühlte sich wie betäubt. Erschlagen von der Offenheit, die aus dem Gelesenen sprach. Schockiert über Jacks Beschreibung seines damaligen Seelenzustandes. Natürlich hatte sie gewusst, dass er nach Charlies Tod Depressionen gehabt hatte. Aber sie hatte nicht die Spur einer Ahnung gehabt, wie nahe er daran gewesen war, Suizid zu begehen. Naja, vielleicht war sie nicht ganz so ahnungslos gewesen. Wenn sie ehrlich war, musste sie sich eingestehen, dass sie zu dem Zeitpunkt schon gewisse Befürchtungen gehabt hatte.

Doch nun fühlte sie sich erleichtert und sie war auch dankbar! Dankbar, dass er sie wenigstens heute ins Vertrauen gezogen hatte.

Sara kannte Jack gut genug, um einschätzen zu können, wie viel Überwindung es ihn gekostet haben musste, diesen Brief an sie abzuschicken. Es war das wohl offenste Bekenntnis, das sie je von ihm bekommen hatte. Der tiefste Einblick in sein Innerstes, den er ihr jemals gewährt hatte und es bedeutete ihr sehr viel. So lange hatte sie auf eine Erklärung von ihm gewartet und gerade dann, als sie es gar nicht mehr erwartete, tat er so etwas. Sie spürte, wie die Tränen über ihr Gesicht liefen. BASTARD! Er hatte es wieder getan. Endlich hatte sie ein wenig Seelenfrieden gefunden, dann spazierte er mal kurz durch ihr geordnetes Leben und plötzlich hatte sie das Gefühl, dass alles auf den Kopf gestellt wurde.

Genau wie damals, als dieser falsche Jack O’Neill bei ihr aufgetaucht war. Aber schlimmer noch als Jack wiederzusehen, war für sie die Begegnung mit ihrem Sohn gewesen. Oder viel mehr mit dem Wesen, das wie ihr Charlie ausgesehen hatte. Am schwersten jedoch war es, ihn abermals gehen zu lassen. - Sie beide gehen zu lassen! Auch wenn Jack ihr später ausführlich erklärt hatte, dass es sich bei diesen beiden Geschöpfen um ein außer Kontrolle geratenes Klonexperiment gehandelt habe, wurde sie das Gefühl nicht los, dass da mehr dahinter steckte. Sie hatte ihm seine Geschichte nicht wirklich abgekauft. Und sie wusste, dass Jack sich darüber im Klaren war!

***********

In den nächsten zwei Tagen fiel es Sara schwer, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Immer wieder schweiften ihre Gedanken zu dem Brief ab und noch immer war sie sich nicht sicher, wie sie auf das Schreiben reagieren sollte. Was erwartete Jack von ihr? Erwartete er überhaupt etwas? Eigentlich hatte er ihr ja ganz klar geschrieben, dass er nur wollte, dass sie die Zeilen erhielt. Er hatte keinerlei Bedingungen daran geknüpft. Doch sie kannte ihn und er kannte sie. Er wusste, dass sie nicht in der Lage sein würde, dieses Geschenk unkommentiert anzunehmen.

**********

Es klang vielleicht komisch, aber trotz der langen Zeit, die vergangen war, empfand sie es tatsächlich als Geschenk, dass Jack es nun doch noch geschafft hatte, ihr diese Art von Entschuldigung zukommen zu lassen. Sie fühlte sich befreit. Eine Last war von ihr genommen worden. Durch ihre fehlende Aussprache mit Jack hatte Sara trotz der Scheidung immer das Gefühl behalten, dass noch etwas zwischen ihnen stand. Natürlich war dies nach all den Jahren nicht mehr so präsent und drückend gewesen wie am Anfang ihrer Trennung. Aber trotzdem war es immer noch brodelnd im Hintergrund vorhanden gewesen. Dies nahm ihr die Chance einen ordentlichen Schlussstrich ziehen zu können. Doch jetzt war alles anders. Die Empfindung in ihrer Ehe versagt zu haben, war von ihr genommen. Endlich wusste sie mit Sicherheit, dass Jack verstanden hatte, warum sie gegangen war. Es war nicht, weil sie ihn nicht mehr geliebt hatte, sondern weil sie sein Verhalten ihr gegenüber nicht mehr ertragen konnte. Zum ersten Mal fühlte sie sich nicht nur geschieden, sondern frei.

Doch dieses Schreiben war nicht nur eine Absolution an Sara. Unbewusst hatte Jack ihr damit auch ein Angebot gemacht. Man konnte es durchaus als eine Art Probeballon werten. Der zaghafte Versuch, wieder mit ihr in Kontakt zu treten. Sara war sich nicht sicher, ob sie dieses Angebot annehmen sollte. Sie hatte gedacht, sie wäre über Jack O’Neill hinweg. Nur jetzt schien sich dieser Gedanke als bloße Theorie zu erweisen. Doch bei aller Unsicherheit war sie sich in den letzten Tagen immerhin darüber klar geworden, dass sie mit Jack sprechen wollte.

**********

So war sie drei Tage nach dem Erhalt des Umschlages nach der Arbeit zu seinem Haus gefahren. Das Grundstück und das Haus lagen im Dunkeln. Kein Licht brannte und auch die Einfahrt war leer. Alles machte einen verlassenen Eindruck. Sara wusste nicht, ob sie enttäuscht oder erleichtert sein sollte. Vielleicht war es ganz gut so. Ihrem aufgewühltem Inneren würde dieser kleine Aufschub gut tun. Langsam beschleunigte sie den Wagen und steuerte nach Hause. Morgen würde sie wiederkommen.

**********

Sara hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, Jack in nächster Zeit zu Hause anzutreffen, nachdem sie ihn auch an den darauf folgenden Tagen nicht angetroffen hatte. Sie war sich mittlerweile sicher, dass er sich wieder einmal auf irgendeinem Einsatz befand und aus Erfahrung wusste sie, dass diese sich hinziehen konnten. Sie hatte beschlossen, es noch zwei weitere Male zu versuchen. Dann wollte sie ihm eine kurze Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen, mit der Bitte, sich nach seiner Rückkehr bei ihr zu melden. Doch soweit kam es nicht mehr, denn an diesem Abend hatte sie Glück.

**********

Bereits von weitem sah Sara den parkenden Wagen in der Einfahrt. Beim Näherkommen konnte sie den Lichtschein, der durch die Fenster nach draußen fiel, erkennen. Kein Zweifel, heute war Jack zu Hause. Langsam fuhr sie ihr Auto an den Straßenrand und schaltete den Motor aus. Ihr Blick ruhte für einen Moment unentschlossen auf dem erleuchteten Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Noch hatte sie die Möglichkeit dies abzubrechen. Sara spürte, wie ihre Hände vor Aufregung feucht geworden waren. Es war eines gewesen, sich vorzustellen dieses Gespräch zu führen. Doch es nun auch in die Tat um zu setzten, stand auf einem völlig anderen Blatt.

Sara schalt sich selbst einen Feigling, gab sich einen Ruck und stieg aus. Sie war nicht so weit gekommen, um nun zu kneifen. Entschlossen wechselte sie die Straßenseite und ging die Treppenstufen zur Veranda hinauf. Dann stand sie vor Jacks Haustür. Ein Flattergefühl machte sich in ihrem Magen breit. Sara unterdrückte den Drang sich umzudrehen und so schnell sie konnte, zum Auto zurück zu laufen. Stattdessen atmete sie noch einmal tief durch und ergriff zaghaft den Türklopfer. Sie erschrak, denn das Geräusch welches sie auslöste, kam ihr unnatürlich laut vor.

Die Zeitspanne erschien Sara ewig und so wiederholte sie ihr Klopfen. Zuerst regte sich im Haus gar nichts, doch dann hörte sie ein leicht genervt klingendes: „Ja, schon gut. Ich komme doch schon!“ Auf ihr erneutes Klopfen hin wurde die Tür von innen mit einem lauten: „WAS?“, aufgerissen.
Jacks Minenspiel war sehenswert, wie Sara trotz ihres Unwohlseins halb belustigt feststellen musste. Es wechselte zwischen deutlicher Ungeduld, wer da die Dreistigkeit hatte, vor seiner Tür zu stehen, zu maßloser Verblüffung, als er Sara im dämmrigen Licht seiner Außenleuchte erkannte.

„Sara?“ Konfusion und Unsicherheit schwang in seiner Stimme, als er sie begrüßte.
“Hi, Jack. Habe ich dich geweckt?“ Sein zerzaustes Haar ließ diese Vermutung bei ihr aufkommen, auch wenn er ansonsten normale Kleidung trug.
„Hmm“, antwortete Jack ausweichend. „Ist irgendetwas passiert? Geht es dir gut?“
Seine erste Überraschung über ihr Erscheinen war einer wachsenden Besorgnis gewichen. Sara vermutete, dass er noch nicht lange wieder zurück war, denn der Brief schien ihm momentan völlig entfallen zu sein. Abwartend stand Jack in der Tür, blockierte den Eingang und machte nicht die leisesten Anstalten, sie ins Haus zu bitten.
„Der Brief, Jack. Können wir reden?“ Sanft brachte Sara den Grund ihres Besuches zur Sprache.
„Oh, der Brief!“, wiederholte Jack gedehnt. Das Ausdruck seiner Augen signalisierten ihr, dass die Erinnerung zurückgekehrt war. „Müssen wir darüber reden?“, fragend zog er die Augenbrauen nach oben und ein bittender Ausdruck trat in sein Gesicht.
„Ich denke schon, Jack. Kann ich reinkommen?“ Für einen Moment starrte er sie unschlüssig an, doch dann gab er mit einem Schritt zur Seite die Tür frei.
„Sicher.“ Wie zur Untermauerung seiner Einladung wies er mit der Hand in Richtung des Flures.
**********

Schweigend betrat Sara das Haus und schloss die Tür. Sie folgte ihm die wenigen Stufen hinunter in sein Wohnzimmer. Neugierig sah sie sich um. Obwohl er ihr nach diese Sache mit den Klonen seine Adresse und Telefonnummer gegeben hatte, war sie nie hierher gekommen. Sie musste zugeben, dass der Raum eine gewisse Behaglichkeit ausstrahlte. Ihr Blick glitt über die Wände und über die Auszeichnungen, zu denen noch einige neue hinzugekommen waren. Über die Poster von irgendwelchen Sterngebilden, die Jacks Liebe zur Astronomie verrieten. Und schließlich blieb er an der Wand mit den Photos seiner Kameraden, seiner Teamgefährten und den Bildern ihres Sohnes hängen. Mit einem Lächeln erkannte sie das zuletzt aufgenommene Familienbild, das Jack mit ihr und Charlie vor ihrem gemeinsamen Haus zeigte. Das gleiche Bild hing auch in ihrem Wohnzimmer.
„Schön hast du es hier!“, sprach Sara laut aus, was sie dachte.

„Danke.“ Jacks Blick war dem ihren gefolgt. „Kann ich dir etwas anbieten? Möchtest du einen Kaffee? Orangensaft? – Bier?“, versuchte Jack die unangenehme Stille, die zwischen ihnen entstanden war zu unterbrechen.
„Gerne“, sagte Sara und wandte sich ihm wieder zu.
„Gut! Also?“ Abwartend stand Jack da.
Verwirrt sah Sara ihn an: „Also was?“, fragte sie Jack irritiert.
„Was du trinken möchtest“, erinnerte Jack sie sanft.
„Oh! – Kaffee, wenn du hast.“
Saras Augen folgten ihm, als er kopfnickend in Richtung Flur davonlief: „Kein Problem! Setz dich. Ich bin gleich wieder da.“

Statt seiner Aufforderung nachzukommen, schaute Sara sich weiter um. Langsam ging sie zu der großen Fensterfront mit der eingelassenen Schiebetür, die zum Garten hinaus führte. Während sie Jack in der Küche herumwerkeln hörte, glitt ihr Blick über die Einrichtung, die einfach und ohne viele Schnörkel, praktisch aber geschmackvoll war. Irgendwie typisch männlich und gleichzeitig ganz Jack. Das Gebäude im Blockhausstil passte zu ihm. Es unterstrich, genauso wie die vielen Holzmöbel, Jacks Naturverbundenheit.

Von Sara unbemerkt war Jack zurückgekehrt. Das leise Klirren, mit dem er die Kaffeetasse auf dem Tisch abstellte und seine unvermittelte Frage, riss sie aus ihren Gedanken: „Merkwürdige Situation, nicht wahr?“
„Ja“, gab sie ihm Recht und ging langsam zur Couch hinüber, um dort Platz zu nehmen.

Somit saß sie Jack, der in einem der Sessel Platz genommen hatte, gegenüber. Aufmerksam hatte er ihre Bewegungen über den Rand seiner Kaffeetasse hinweg verfolgt. Und als sie die ihre ergriff, stellte er seine auf dem Tisch ab und rutschte unbehaglich bis an die äußere Sitzkante seines Polsters. Dann lehnte er den Oberkörper leicht nach vorne. Mit den Unterarme auf die Knie aufgelehnt, betrachtete er sie abwartend. Nur das unablässige Spiel seiner Hände, zeugte von seiner Nervosität. „Worüber wolltest du mit mir sprechen?“ Ruhig sah Jack sie an. Doch der äußere Anschein konnte Sara nicht täuschen. Sie wusste, dass dies nur eine gut errichtete Fassade war, die er gekonnt zur Schau trug.

„Ich glaube, ich wollte mich in erster Linie mal bei dir bedanken. Der Brief hat mir sehr viel bedeutet. - Danke!“ Für einen kurzen Moment sah sie ein Zucken über sein Gesicht laufen.

„Es ist in Ordnung. Wie schon geschrieben, dachte ich, Du hättest ein Recht darauf. Ich glaube, das war ich dir schuldig.“
Sara nickte verstehend und Jack hielt ihrem forschenden Blick stand. Sanft stellte sie fest: „Ich kenne zwar nicht die Umstände, Jack. Aber das muss ein ziemlich außergewöhnlicher Moment gewesen sein, wenn du dazu bereit warst, soviel von dir preiszugeben. Das entspricht nicht gerade dem Jack O’Neill, den ich kenne.“

„Ja, erschreckend nicht?“ Mit diesen Worten trat ein Grinsen auf sein Gesicht. „Nicht gerade das, was man von mir erwartet.“ Für einen Moment strahlte er sie lächelnd an und Sara wartete darauf, dass er in dem lockern Plauderton weitersprach. Doch stattdessen besann Jack sich und nachdenklich fuhr er fort: „Menschen ändern sich, Sara. Ich habe mich in den letzten Jahren verändert. Mein derzeitiger Job hat mich Dinge sehen lassen ... Glaube mir Sara, es gab Zeiten, da dachte ich, ich hätte bereits alle Abgründe der Menschheit gesehen. Aber es gibt noch viel mehr da draußen ...“ Der Tonfall und die Sicherheit mit der er diese Aussage machte, jagte Sara einen Schauer über die Haut. Erneut legte sich eine lastende Stille zwischen die beiden.

„Eine Frage hätte ich allerdings noch“, nahm Sara die Unterhaltung vorsichtig wieder auf. „Wieso jetzt, Jack? Man kann dem Umschlag ja deutlich ansehen, dass er schon ein paar Jährchen älter ist. Also, warum hast du dich gerade jetzt dazu entschlossen, ihn abzuschicken?“
„Ich weiß es nicht. Ich glaube, es kamen verschiedene Dinge zusammen: Dass ich den Brief jetzt wiedergefunden habe. Dass ich in letzter Zeit des Öfteren an dich denken musste. Der Tod Daniels ...“
„Warte mal“, unterbrach Sara ihn. „Daniel ist tot? Etwa der junge Mann, der mit in deinem Team war? Der Daniel aus dem Brief, der dein bester Freund war?“
Jack nickte. Trauer sprach aus seinem Blick. Aber auch ein Hauch von Schmerz und Verlorenheit. „Ja, er ist vor ein paar Wochen ...“

„Oh, du, ...“, unterbrach Sara ihn wütend. „Du verdammter Mistkerl!“, stammelte sie entrüstet weiter.
Irritiert sah Jack sie an. „Bitte?“
„Ich dachte, du hättest dies für mich, vielleicht sogar für uns gemacht. Dabei ging es hier nur um dich!“
„Sara, ich verstehe nicht?“ Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete Jack sie angestrengt. Er versuchte offensichtlich dahinter zu kommen, weshalb sie plötzlich, von dem was er gesagt hatte, so verärgert war.
Doch Sara war zu sehr mit ihrer Rage und ihrer Enttäuschung beschäftigt, um dies zu registrieren. Eilig stand sie auf und packte sich ihre Tasche, die sie neben sich auf das Sofa gelegt hatte. Sie war bereits auf dem Weg zur Tür als Jack sie einholte und am Arm zurückhielt. Stumm pendelte Saras Blick von der Stelle an der er sie festhielt zu ihm. Verlegen und abrupt, als ob er sich verbrannt hätte, ließ Jack sie los.
„Sara, bitte...“ Ein Flehen lag in seiner Stimme.

„Verdammt, Jack. Was hast du dir gedacht? Du kannst doch nicht einfach einen Menschen durch einen anderen ersetzen. Dein Freund ist tot und nun erinnerst du dich an die gute, alte Sara?“, fauchte sie ihn erbost an. Wieder einmal hatte er sie verletzt und es tat gut, die Wut darüber hinauszuschreien. Und gleichzeitig stimmte es sie traurig, dass es soweit gekommen war.

Es war wie früher, sie schafften es nicht, ruhig miteinander zu reden. Er konnte immer noch ihre schlimmste Seite zum Klingen bringen und Sara wollte dies nicht mehr. Sie konnte die Frau nicht leiden, zu der sie an seiner Seite geworden war. Sie atmete tief durch. Kontrolliert und mit fester Stimme fuhr sie leiser fort: „Ich kann das nicht noch einmal durchmachen. Ich danke dir für deine offenen Worte, Jack, aber lass mich in Frieden. Mein Leben ist endlich zur Ruhe gekommen und es gefällt mir, so wie es ist.“ Sara löste sich aus ihrer Starre und schnell ging sie die Stufen zu seiner Haustür hinauf. Eine Hand bereits auf der Klinke haltend, drehte sie sich nochmals zu ihm um: „Mach es gut, Jack.“ Still nickte sie ihm zu, dann öffnete sie entschlossen die Tür und trat nach draußen.

**********

Erst als Sara im Wagen saß, gestattete sie sich einen letzten Blick zurück zum Haus. Jack stand in der offenen Tür und schaute bewegungslos zu ihr herüber. Sie spürte, wie ihre Tränen aufzusteigen drohten. Unwirsch über ihre körperlichen Reaktionen, schüttelte sie energisch den Kopf, bekämpfte den inneren Drang, ihren Tränen freien Lauf zu lassen und startete den Motor. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, ihn aufzusuchen? Wie hatte sie glauben können, dass sich zwischen ihnen etwas geändert hatte? Sara seufzte schwer. Ohne sich ein weiteres Mal umzusehen fuhr sie davon.

ENDE

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