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Der Jungbrunnen von Hyndara71

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Caine hockte vor dem letzten ausgehobenen Grab und starrte in die flache Grube hinunter.
Solange hatte er sein Leben jetzt schon in den Dienst der Gerechtigkeit gestellt, so lange kämpfte er einen einsamen und erbitterten Kampf gegen jeden Kriminellen, der in seiner Umgebung auftauchte. Doch die Niederlage, die ihm ein schmieriger kleiner Frauenprügler wie Mike Sheridan beigebracht hatte, schien all das geleistete in Frage zu stellen. Welchen Sinn hatte es denn, wenn er all seine Kraft und Zeit investierte, nur damit die Gesetzesbrecher am Ende frei kamen? Irgendwo in der Beweiskette mußte es eine Lücke geben ...
„Ich weiß nicht, Horacio", sagte sein Begleiter zögernd zu ihm. „Das hier ist Calleighs Fall. Wir sollten unsere Finger davon lassen."
„Eben nicht." Horacio richtete sich wieder auf und nahm mit einer bedeutungsschweren Geste seine Sonnenbrille ab. „Wir helfen Calleigh, die vielleicht aufgrund ihres Geschlechtes ein falsches Bild vom Täter hat. Und wir verteidigen unser Revier. Du weißt, wie schnell die Typen vom FBI sind, wenn es um spektakuläre Fälle mit Serienmördern geht, Eric."
Eric Delko seufzte schwer, kreuzte dann die Arme vor der Brust und zuckte mit den Schultern. „Dann tu, was du nicht lassen kannst."
Seit er mit Erics Schwester verheiratet gewesen war, fühlte Horacio sich gerade mit dem Jüngeren verbundener als mit den anderen Tatortermittlern. Immerhin teilten sie beide einen bestimmten Schmerz miteinander, und in ihren Herzen lebte sie weiter ... für immer.
Horacio trat soweit zurück, wie es dank der Verwehungen möglich war und betrachtete das gesamte Areal noch einmal sorgsam.
Nichts!
Es war einfach, als würde der Killer seine Opfer hier nur abladen, um sich ihrer zu entledigen. Und die Tatsache, daß sie, einmal abgesehen von verschiedenen Beruhigungsmitteln und Drogen, absolut nichts an den Leichen der Frauen gefunden hatten, machte es nicht leichter. Der Mörder ging mit soviel Bedacht vor, daß Horacio sich seiner größten Herausforderung gegenüber sah. Zumindest dürfte dieser Täter um einige Klassen zu groß für Calleigh Duquesne sein, wie er beschlossen hatte.
Horacio zog den Umschlag mit den Tatortfotos aus seinem Sakko, nachdem seine Sonnenbrille endlich wieder auf seiner Nase saß, und betrachtete diese noch einmal eingehend.
Es gab kein Muster. Wer auch immer diese zwölf Frauen getötet hatte, hatte sie weder sexuell noch körperlich gefoltert, sondern es ihnen, ganz im Gegenteil, so bequem wie möglich zu tun versucht. Abgesehen von gewissen Ligaturen durch Fesselungen und kleinen Einstichstellen war nichts zu finden gewesen.
Was wollte dieser Killer? Normalerweise ging es doch immer darum, Frauen zu beherrschen, sich sexuell an ihnen zu vergehen, sie zu verstümmeln und zu entmenschlichen. Aber hier ... ?
Eine helle Kinderstimme schrie, gefolgt von der deutlich dunkleren eines Mannes.
Einen Moment lang wollte Horacio schon weitermachen mit seinen Betrachtungen, dann aber ging ihm auf, daß ihm zumindest die Männerstimme vage bekannt erschien.
„Welcher Vater schleppt denn sein Kind mit zum Jogging?" fragte Eric verblüfft, der von seinem Standort aus eine bessere Sicht auf den Strand hatte.
Das Kind schrie wieder. Ob vor Vergnügen oder aus Angst war nicht wirklich differenzierbar.
Horacio trat neben Eric, der noch immer das Treiben am Strand beobachtete, und sah nun ebenfalls hinunter.
Und tatsächlich, da liefen ein dunkelhaariger Mann und ein kleines Kind, letzteres in einem grünen Joggingdress, nahe der Wasserlinie entlang. Soweit er das von hieraus sehen konnte, war der Mann hochgewachsen, auf jeden Fall um einiges größer als das Kind, das sich erstaunlich gut hielt.
„Verrückte Leute gibt's!" Eric schüttelte verständnislos den Kopf.
In diesem Moment spurtete das Kind plötzlich los und rannte dem Mann im wahrsten Sinne des Wortes schlichtweg davon. Der begann wieder zu rufen, beschleunigte seine Schritte.
War das nicht ... ?
Horacio nahm sich die Brille wieder ab und beobachtete den Mann, der jetzt den Strand hinauflief, dem Kind nach.
Er mochte sich irren, aber er war sich ziemlich sicher, daß er hier gerade Mike Sheridan beobachtete. Jedenfalls sah der Mann ihm erstaunlich ähnlich. Nur was wollte jemand wie Sheridan mit einem Kind? Wurde er auf seine alten Tage etwa noch zum Pädophilen?
Horacio setzte seine Sonnenbrille wieder auf und lächelte verächtlich auf den vermeintlichen Frauenprügler hinunter. Das Kind war währenddessen hinter der künstlichen Düne, die die Ferienhäuser verbarg, verschwunden. Der Mann tat es ihm endlich nach.
Vielleicht hatte er jetzt doch endlich das gegen Sheridan in der Hand, was er brauchte, um diesen feigen Mistkerl wieder hinter Gitter zu bringen.
„Eric, ich glaube, da wartet Arbeit auf uns. Komm mit."
XOXOXO
Vashtu wollte gerade zur Straße hinauf, um auf den Bus zu warten, mit dem sie in die Innenstadt fahren wollte, um dort John und Jordan zu treffen, als es hinter ihr hupte. Sie zuckte unvermittelt zusammen und drehte sich um, um zur Seite springen zu können, wenn der Fahrer zu aufdringlich wurde. Dann aber riß sie überrascht die Augen auf.
Eine dunkelblaue, sehr teure Limosine mit getönten Scheiben fuhr im absoluten Schrittempo hinter ihr, holte jetzt auf und hielt, als sie auf Höhe des hinteren Fonts war. Die Tür öffnete sich ebenso leise wie der Motor lief.
„Dr. Uruhk, steigen Sie doch ein. Ich kann Sie schnell dorthin bringen lassen, wohin Sie möchten." Dave Sheppard beugte sich vor und winkte ihr mit einer Hand.
Vashtu betrachtete den Wagen, dann beugte sie sich vor und sah in das Innere hinein. Alles war mit hellem Leder bezogen. Der Wagen schien sogar noch neu zu sein, jedenfalls roch er so.
„Mr. Sheppard, dafür, daß Sie der Ausrichter dieser Veranstaltung sind, machen Sie sich ziemlich rar, denken Sie nicht?" fragte sie.
Der Unternehmer nickte mit einem leichten, ironischen Lächeln und sah damit das erste Mal John zumindest ansatzweise ähnlich. „Touché, Dr. Uruhk."
Vashtu sah auf zur Bushaltestelle und zögerte.
Wenn sie ehrlich war, sie hatte noch nie gern die öffentlichen Verkehrsmittel auf der Erde benutzt, es sei denn ganz zu Anfang, als sie noch mit ihrem Skateboard zum Cheyenne-Mountain gefahren war. Wie lange war das jetzt schon her? Fast ein ganzes Leben, wie es ihr erschien. Soviel war geschehen, seit Johns Anwesenheit auf Atlantis sie aus der Stasis geweckt hatte wie diese Prinzessin Dornröschen aus einem Märchen, das sie Jordan schon einige Male vorgelesen hatte. Das Kleine schien gerade diese Geschichte sehr zu mögen, vielleicht wegen der unübersehbaren Parallelen zur Realität ... ?
„Ich würde gern mit Ihnen sprechen, Dr. Uruhk", wandte Sheppard sich wieder an sie und riß sie aus ihren Gedanken.
Was sollte es? Immerhin war das hier Johns Bruder. Außerdem, wenn es sich um das Gespräch handeln sollte, vor dem John sie schon gewarnt hatte, brachte es nichts, schob sie es noch länger auf. Besser die Fronten jetzt klären als sie noch mehr verhärten lassen.
Vashtu stieg in den Wagen und war froh, daß sie heute einen Hosenanzug trug. Auch wenn sie nicht gerade groß war mußte sie hier den Kopf deutlich einziehen und sich bücken, um in den Wagen zu gelangen.
Das Innere der Limosine war durch einige kleine Autolampen erhellt und, wie sie ja schon gesehen hatte, mit hellem Leder bezogen. Außerdem verfügte der Wagen über eine Klimaanlage, die beinahe zu hoch eingestellt war, zumindest nach der feuchten Schwüle draußen.
Dave Sheppard saß ihr gegenüber auf dem Rücksitz, musterte sie jetzt noch einmal von Kopf bis Fuß, ehe er sich zurücklehnte. Der Wagen fuhr so leise an, daß Vashtu es kaum wahrnahm.
„Ich habe über Sie Erkundigungen eingezogen", begann er schließlich.
Ja, das hätte sie sich fast denken können nach dem, was John da angedeutet hatte.
Dave schlug die Beine übereinander und legte seine Hände auf den oberen Oberschenkel. „Interessant. Ihre Akte liest sich wie ein Flickenteppich, der mehr oder weniger hastig zusammengestückelt wurde. Mehr als die Hälfte selbst Ihrer privaten Angaben werden unter Verschluß gehalten, wußten Sie das?"
„Es ist erforderlich", antwortete Vashtu endlich.
Dave neigte leicht den Kopf. „Dennoch aber halten Sie es ebenso für erforderlich, Ihr Kind wegzugeben, Dr. Uruhk? Trotz der Tatsache, die sogar in Ihrer psychologischen Bewertung steht, daß Sie dieses Kind abgöttisch lieben? Welche liebende Mutter gibt freiwillig ihr Kind auf?"
„Ich gebe Jordan nicht auf, ich ermögliche dem Kind eine Zukunft dort, wo diese Zukunft stattfinden wird." Vashtu hörte selbst, wie ihre Stimme immer kühler wurde angesichts der Vorwürfe, die Dave Sheppard da gegen sie erheben wollte.
Und so sah sie es auch. Atlantis und auch Vineta mochten eines Tages wieder verlassen werden von den Menschen, die jeweiligen Sternensysteme sich selbst überlassen. Sie war damals zur Atlantis-Crew gekommen, sie hatte sich der Erde angeschlossen. So schwer es ihr auch fallen mochte, aber sie würde gehen und Vineta verlassen, wenn sie das geregelt hatte, was sie regeln mußte. Welche Chance hätte Jordan in einem solchen Fall? Sollte das Kind den gleichen Eingliederungsprozeß mitmachen, den sie durchlebt hatte? Vielleicht würde für Jordan das ganze sogar noch schwerer dadurch, daß es in Vineta Freunde und Gleichaltrige hatte, mit denen es aufwuchs. Je eher sich ihr Kind also an die Erde gewöhnte, desto leichter würde ein eventueller Abschied aus dem Medusenhaupt fallen, sollte Vineta irgendwann wirklich aufgegeben werden müssen.
„Sie machen nicht viele Umstände", setzte sie noch hinzu und lehnte sich zurück. „John sagte mir, daß es Ihnen bitter aufstößt, daß er und ich ein Kind miteinander haben."
Dave schüttelte leicht den Kopf. „Mich stört es nicht, daß Sie ein Kind haben, Dr. Uruhk. Im Gegenteil sehe ich dieses Kind für mich als Chance an. Mich stört die Tatsache, daß Sie John der Vaterschaft bezichtigen, obwohl sie beide sich nachweislich eineinhalb Jahre nicht gesehen haben zu besagtem Zeitpunkt."
Er hatte also nicht nur in ihre Akte Einblick genommen, sondern auch in die von John und auch von Jordan.
„Ich denke, der Vaterschaftstest hat das eindeutig geklärt", entgegnete sie kühl. „Selbst ich kann einen genetischen Fingerabdruck nicht verändern, Mr. Sheppard. Es gab einen Kontakt während dieser eineinhalb Jahre. Und dieser eine Kontakt reichte."
„Natürlich ..." Daves Stimme klang gönnerhaft. Er musterte sie wieder, zuckte dann mit den Schultern. „Lassen wir das ganze jetzt auf sich beruhen. Sie und auch John behaupten, dieses Kind stamme von ihnen beiden, eine Vaterschaftsuntersuchung hat zumindest bestätigt, daß mein lieber Bruder nicht an sich halten konnte. Jetzt geht es dann also um die Schadensbegrenzung."
Vashtu runzelte die Stirn. „Jordan ist für Sie ein 'Schaden'?" echote sie und fühlte, wie in ihrem Inneren etwas brach. Sie wußte auch was: Die Hoffnung, die beiden Brüder doch noch irgendwie wieder an einen Tisch setzen zu können und sich für ihre Geschwisterschaft auszusprechen. Im Moment mußte sie John mehr als nur recht geben. Dave war in ihren Augen ein Schwein.
„Oh, ich bin sicher, Sie lieben Ihr Kind. Sie vergessen, ich durfte sie drei als Vorzeigefamilie schon bewundern, wenn auch dankbarer Weise nur kurz."
Vashtu beugte sich vor. Ihr Blick wurde kalt. „John hatte mich vorgewarnt, Mr. Sheppard. Er sagte mir, daß Sie versuchen würden, alles in den Dreck zu ziehen was er und ich aufgebaut haben. Ich habe das nicht glauben wollen. Inzwischen aber ..."
„Dr. Uruhk, es ist mir vollkommen gleichgültig, ob Sie sich in den Kopf gesetzt hatten, sich auch noch von mir schwängern zu lassen oder auf sonstetwas spekulieren. Es geht jetzt darum, das Ansehen MEINER Familie zu wahren. Haben Sie das verstanden?"
„Lehnen Sie sich nicht zu weit aus dem Fenster, Mr. Sheppard." Vashtus Stimme klirrte wie Eis.
Dave nickte. „Ich bin natürlich bereit, Sie zu entschädigen. Jordan wird die besten Schulen besuchen, oder selbstverständlich auch mittels Privatlehrer unterrichtet werden, ganz wie Sie es wünschen. Ansonsten aber werden Sie auf dieses Kind verzichten für eine angemessene Aufwandsentschädigung. Sagen wir ... Fünfzehn Millionen? Oder besser zwanzig?"
„Wie bitte?" An ihrem Hals schwoll eine Ader und sie mußte sich beherrschen, nicht sofort auf ihren Gegenüber loszugehen.
Dave lächelte wieder. „Entschuldigen Sie, ich vergaß. John wird Ihnen sicherlich bereits gesagt haben, daß zu diesem Deal auch der Chefsessel bei Genelab gehört. Allerdings fällt es schon recht schwer, Ihnen den Doktor abzunehmen, wenn es nicht einmal eine publizierte Arbeit gibt. Womit haben Sie promoviert?"
„Lassen Sie sich eines gesagt sein, Mr. Sheppard", knurrte Vashtu mühsam beherrscht. Ihre Fingernägel hinterließen weiße Halbmonde in ihren Handflächen und sie zitterte vor Anspannung. „Wenn Sie sich noch einmal erdreisten, mein Kind, meine Arbeit oder auch mich zu beleidigen, werden Sie das bitter bereuen. Ich will kein Geld von Ihnen, ist das klar? Und ich werde sicher nicht nach Genelab gehen. Dort wo ich bin bin ich glücklich ... MIT meinem Kind und MIT John! Und das sind Gefilde, von denen Sie nicht einmal zu träumen wagen, Mr. Sheppard. Also lassen Sie es lieber, ehe etwas passiert, was Sie bereuen würden. Und jetzt lassen Sie mich auf der Stelle aus diesem Wagen!"
„Nicht genug?" Dave hob eine Braue. Im nächsten Moment aber wurde er leichenblaß, als er ihr ins Gesicht sah.
„Das ist die letzte Warnung, Mr. Sheppard. Kommen Sie mir nicht mehr zu nahe!" zischte die Antikerin und starrte ihren Gegenüber mit kalten, gelben Wraithaugen nieder.

Sie hatte es geschafft! Sie wußte nicht genau wie, aber sie hatte sich befreien können.
Julie taumelte im Patientenkittel zur Tür, rüttelte kurz an ihr, ehe ihr aufging, daß diese in den Raum hinein öffnete. Langsam zog sie sie einen Spaltweit auf und sah hinaus.
Vor ihren Augen tanzte die Welt und sie konnte nur unscharf sehen. Das Blut in ihren Adern schien sich in flüssiges Feuer verwandelt zu haben, das jeden Atemzug und jede Bewegung schmerzen ließ.
Julie wußte nicht genau, was man ihr gegeben hatte, ebensowenig wie sie wußte, wie lange sie sich schon hier befand. Sie hoffte nur noch, irgendwie heraus zu kommen aus dieser Hölle. Zurück zu Mike und ihn um Verständnis bitten, daß sie nicht wieder zurückkehren konnte in die Klinik und ihre Arbeit damit dann auch noch verlor.
Dazu mußte sie aber zunächst einmal ein Telefon finden. Mike mußte sie abholen, denn, das war Julie klar, sie selbst würde nicht weit kommen, so sehr, wie der Boden unter ihren Füßen wankte.
An der Wand entlang, sich am kühlen Putz abstützend und daran entlanghangelnd taumelte Julie weiter.
Mike würde sicher Verständnis haben, wenn er sie in ihrem jetzigen Zustand sehen würde. Er liebte sie ja ... irgendwie. Und vielleicht hatte die Klage, die sie beide eingereicht hatten, wirklich Erfolg gehabt und sie waren die Polizei und vor allem diesen Caine endlich los.
Der Gang war leer. Aber das war er immer, fiel ihr ein. Zimmer 113 lag in einem nicht genutzten Seitenflügel, wohin sich kaum jemand verirrte. Professor Hehnenburgh hatte für sich und Dr. Shriner ausbedungen, daß nur sie beide hierher kamen, sonst niemand, es sei denn auf direkte Anweisung.
War das die Falle gewesen? Weil Ruth sie angewiesen hatte, Zimmer 113 zu säubern?
Julies Gedanken glitten wieder ab.
Der Atem wurde ihr plötzlich knapp und sie blieb, sich an die Sicherheit versprechende Wand pressend, stehen und japste.
Mike mußte sie abholen. Aber Mike haßte die Everglades. Würde er kommen, wenn sie ihn bat? Sie hoffte es.
Julie tappte endlich weiter, halbblind, weil ihr Blickfeld immer mehr verschwamm.
Was hatte man mit ihr getan?
Wenn sie nur erst hier heraus wäre und in Mikes Armen. Er würde sie trösten können, er würde ihr sicher helfen. Er liebte sie doch ...
Julie taumelte um die Ecke in den belebteren Teil der Klinik hinein. Zumindest sollte dieser Teil belebter sein, aber er war es nicht. Noch immer war sie allein auf dem Gang.
Wo war noch einmal das Schwesternzimmer, damit sie endlich ein Telefon erreichte? Lange würde sie nicht mehr durchhalten ...
„Halt! Stehenbleiben!"
Der Gang war ein Fluß, und dieser Fluß riß Julie mit. Sie taumelte weiter, stöhnte vor Schmerz und Schwäche. Und irgendwo vor ihr ... war ein Schatten.
„Ich sagte stehenbleiben!"
Wie sollte sie anhalten, wenn sie selbst nicht wußte, wie sie sich aus der Strömung des Ganges befreien konnte? Außerdem war sie doch Schwester Julie. Wieso sollte sie anhalten? Es war Dienstende und sie wollte nach Hause, sie wollte zu Mike ...
Der Schuß dröhnte in ihren Ohren, als sie schon zurückgeschleudert wurde.
Julie kam auf den Knien auf und freute sich, daß die Schmerzen so plötzlich vergangen waren. Erst dann ging ihr auf, daß ihr Körper sich eigenartig taub anfühlte.
„... helfen ..."
Sie brach nach hinten weg. Ihre Augen starrten leer zu der leise flackernden Leuchtstoffröhre hinauf, während ihr Körper die Metastasen, die er in den letzten zweiundsiebzig Stunden gebildet hatte, zurückbildete. Sie fühlte den letzten Atem nicht mehr, der ihre Lungen in sich zusammenfallen ließ, während sie wieder zu der Schwester Julie wurde, die sie bis vor drei Tagen gewesen war ...
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