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Schöne Bescherung von Nyada

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All the times that I cried
keeping all the things I knew inside
It's hard, but it's harder to ignore it
If they were right, I'd agree
but it's them they know not me
Now there's a way and I know that I have to go away
I know I have to go
Ronan Keating feat Cat Stevens – Father and son



Patrick Sheppard räusperte sich leise, aber bestimmt, was die hagere Krankenschwester mit dem streng zurückgebundenen, schwarzen Haar jedoch nicht im Geringsten zu interessieren schien- im Gegenteil, sie wandte sich noch intensiver der Betrachtung ihres Boulevardblattes zu. Ihre blassblauen Augen zuckten hinter dicken Brillengläsern, wanderten von links nach rechts, sprangen dann rasch zurück zum Anfang der nächsten Zeile. Begierig sog die Krankenhausangestellte, deren Namensschild preisgab, dass sie auf den Namen Valerie Sanchez hörte, den neusten Klatsch und Tratsch in sich auf, hob hier und da eine ihrer schmal gezupften Augenbrauen oder zog sie zusammen, verformte empört den Mund oder murmelte ein leises ‚Das darf doch nicht wahr sein’ oder ‚Nein, wirklich?’.

„Entschuldigen Sie bitte“, versuchte Patrick ein weiteres Mal die Aufmerksamkeit der Krankenschwester für sich zu gewinnen und klopfte gegen die Glasscheibe, die Flur und Schwesternzimmer voneinander trennte, woraufhin die junge Frau tatsächlich einen Moment von ihrer Zeitung aufblickte.

„Kann ich Ihnen helfen, Sir?“, fragte sie; ihre Stimme klang entgegen ihres zierlichen Körperbaus kräftig und tief und Patrick entnahm dem leicht schnarrenden Unterton, dass Valerie Sanchez alles andere als erfreut über die abendliche Störung war.

Patrick kniff die Lippen zusammen und in ihm regte sich auf einmal der Wunsch, der jungen Frau, deren Augen wieder auf die Zeitschrift in ihren Händen zurückfielen, eine Predigt über patientenorientiertes Auftreten zu halten, aber er besann sich in allerletzter Sekunde eines Besseren und schenkte der Krankenschwester ein, zugegeben, gezwungen freundliches Lächeln.

„Ich bin auf der Suche nach Teyla Sheppard“, erklärte er sein Anliegen. „Würden Sie mir die Freundlichkeit erweisen und mir ihre Zimmernummer nennen?“

Schwester Sanchez’ Blick fiel auf den üppigen Blumenstrauß in Patricks Händen, den er auf die Schnelle im Erdgeschoss im hiesigen Krankenhauskiosk erstanden hatte.

„Die offizielle Besuchszeit ist schon vorbei“, sagte sie, „tut mir leid.“

„Oh, das ist nicht schlimm. Ich werde erwartet“, trumpfte Patrick auf, woraufhin der Blick der Krankenschwester wieder auf den Blumenstrauß fiel, ehe er an ihm herauf- und schließlich wieder herabwanderte.

„Gehören Sie zur Familie?“, wollte die junge Frau wissen, während sie ihn weiter von oben bis unten musterte. Sie hob ihre schmale linke Augenbraue, als sie ihre Betrachtung abgeschlossen hatte und ihm in die Augen sah. „Andernfalls dürfte ich Ihnen nämlich keine Informationen geben, Sir.“

Patrick lächelte.

„Valerie“, sprach er sie an und nun hob sich auch noch ihre rechte Augenbraue, weswegen er nachhakte: „Ich darf Sie doch Valerie nennen, oder?“ Als sie nickte und er die Röte in ihre Wangen kriechen sah, konnte Patrick ein selbstgefälliges Schmunzeln nicht zurückhalten. Zweiundsiebzig Jahre, sagte er zu sich selbst, und er hatte es immer noch drauf, eine Frau zum Erröten zu bringen.

Ihr eine Reihe seiner weißen Zähne präsentierend, lehnte er sich gegen den Rahmen des, in die Wand eingelassenen, Sichtfensters und wiederholte, wie sehr er ihr verbunden wäre, würde sie ihm nun die verlangte Zimmernummer nennen. Sein Lächeln verfehlte seine Wirkung nicht, denn schon im nächsten Augenblick hatte Valerie ihre Zeitschrift gegen eine Krankenakte eingetauscht.

„Mrs. Emmagan-Sheppard liegt in Zimmer 103“, teilte sie Patrick mit, der kurz die Stirn runzelte, da er aus Valerie Sanchez’ Aussage schloss, dass sein Sohn es wohl immer noch nicht fertig gebracht hatte, seiner Frau seinen Namen aufzuerlegen, so wie es sich gehörte. Das war wieder einmal typisch für John, dachte Patrick mürrisch, rief sich aber sogleich zurecht. Er aus einem freudigen Grund hier und nicht, um seinem Sohn vorzuwerfen, Versprechen nicht einhalten zu können.

Er bedankte sich bei Valerie und schenkte ihr ein allerletztes Lächeln, welches die junge Frau bis tief unter ihren schwarzen Haaransatz erröten ließ und sie scheinbar so sehr in Verlegenheit brachte, dass sie sich rasch abwandte und Patrick sich selbst überließ, was sich für diesen aber keinesfalls als ein Problem entpuppte. Er hatte sich Dank seiner beiden Söhne oft genug in diesem Krankenhaus aufhalten müssen und wusste, wie er sich zu orientieren hatte. Selbst die Neugeborenenstation, auf der er sich nunmehr befand, war ihm nicht fremd, hatten doch zumindest zwei seiner Enkelkinder hier das Licht der Welt erblickt.

Schmunzelnd machte sich Patrick auf den Weg in Richtung Zimmer 103, den Strauß Blumen noch immer in den Händen haltend, um das neuste Mitglied der Familie einer allerersten, großväterlichen Inspektion zu unterziehen. Johns Anruf war erst eine halbe Stunde her und trotz des starken Schneefalls, der mit den Ausläufern des Blizzards einhergegangen war, hatte Patrick sich sofort auf den Weg gemacht, als sein Sohn am Telefon verkündet hatte, dass das Baby da war.
Zuerst hatte Patrick nicht verstanden, was sein jüngster Sohn ihm zu sagen versuchte, denn Johns sonst so gefasste Stimme hatte sich am anderen Ende der Leitung überschlagen und es war deutlich herauszuhören gewesen, dass er ein breites Grinsen im Gesicht hatte. In diesem Moment schienen alle Vorbehalte vergessen zu sein, denn John redete vollkommen gelöst drauflos.

„O Dad, es ist echt unglaublich“, erklang es am anderen Ende, nachdem Patrick das Gespräch angenommen hatte. John plapperte ohne Punkt und Komma und Patrick brauchte ein paar Sekunden, bevor ihm schlagartig klar wurde, aus welchem Grund sein Sohn anrief.

„Moment, Moment“, hatte er versucht seinen Sohn zu bremsen. „Was sagst Du da, John?“ Spätestens an diesem Punkt war ihm die Aufmerksamkeit aller, die mit ihm im Kaminzimmer versammelt waren, sicher gewesen und während er versuchte Dave und Amanda mit einer Geste zu verstehen zu geben, dass sie ihm nicht das Telefon aus der Hand reißen sollten, wiederholte er Johns Worte: „Das Baby ist da?“

„Das Baby ist da?“, hatte Amanda wiederholt und nachdem einige Sekunde Ruhe geherrscht und jeder der Anwesenden die Nachricht zu verdauen versucht hatte, brach tosender Jubel im Kaminzimmer aus. Dave und Amanda lagen sich in den Armen, ebenso wie Emmett und seine Freundin, die man Patrick als Lexie Green vorgestellt hatte. Die gute, alte Mrs. Broderick klatschte in die Hände und umarmte dann stürmisch den brummigen Stallmeister Mr. Hopps. Johns Kollegen- Dr. Beckett und Mr. Dex, erinnerte sich Patrick- hatten beide ein breites Grinsen auf den Lippen und auf Daves Jüngster Graham verbarg ein Lächeln hinter seinen langen, blonden Ponysträhnen. Einzig und allein der kleine T.J. hatte nicht verstanden, warum die Erwachsenen sich so sehr freuten und einander in den Armen lagen.

Patrick hatte sie alle mit nur einer einzigen fahrigen Handbewegung zum Schweigen gebracht und dann in den Telefonhörer gefragt: „Es ist doch hoffentlich alles in Ordnung? Mit Teyla und dem Baby?“

„Teyla und dem Kleinen geht’s super“, war Johns Antwort gewesen. Dann hatte er laut gelacht. „Du solltest ihn sehen, Dad. Ein richtiger kleiner Prachtkerl. Teyla sagt, er sieht aus wie ich, aber ich finde, er sieht seiner Mom ähnlich.“

„Er?“, hatte Patrick wiederholt. „Es ist ein Junge?“

„Ein Junge, ja.“ Aus Johns Stimme war der Stolz geradezu herauszuhören gewesen. „Ein kleiner, kräftiger Junge. Dreiundfünfzig Zentimeter lang und siebeneinhalb Pfund schwer. Er… es… es ist wirklich unglaublich, Dad! Ich… ich weiß wirklich nicht…“

An diesem Punkt wurde Patrick bewusst, dass John mit Tränen in den Augen am Telefon hing und ihm von der Geburt seines Sohnes berichtete. Patrick erinnerte sich nicht daran, seinen Sohn jemals zu Tränen gerührt gesehen zu haben, nicht einmal damals, als er und Nancy geheiratet hatten. John hatte seine Emotionen stets für sich behalten, weswegen es Patrick so manches Mal schwer gefallen war, die Gefühlslage seines Sohnes richtig einzuschätzen.
Die Geburt seines Sohnes musste etwas in John ausgelöst haben. Eine Blockade schien überwunden worden zu sein, denn Patrick war sich sicher, dass John unter normalen Umständen eher gestorben wäre als vor seinem Vater in Tränen auszubrechen. Vielleicht war das ein Wink des Schicksals, überlegte sich Patrick, als er nun den Flur entlang ging, seinem Sohn und Enkel entgegen. Vielleicht bedeutete dies, dass endlich die Zeit gekommen war, ein vernünftiges Wort mit seinem Sohn reden zu können und mit der Vergangenheit aufzuräumen.
Patrick wünschte es sich so sehr.

Sein Herz begann auf einmal schneller zu schlagen und ein dicker Kloß in seinem Hals ließ Patrick schlucken. Langsamen Schrittes steuerte er auf den Raum 103 zu, dessen geschlossene Tür sich, nachdem er um die Ecke gebogen war, nun vor ihm auftat. Hinter ihr wartete sein Sohn auf ihn, mit seinem Enkel. Hinsichtlich dieser Vorstellung fing er an zu grinsen und versank so sehr in seinen eigenen Gedanken, dass er zuerst gar nicht merkte, dass er stehengeblieben war und durch ein, in die Wand eingearbeitetes Fenster schaute, hinter dem sich eigentliche Herzstück der Neugeborenenstation befand.
Patrick fand es komisch, fremde Babys durch eine Scheibe zu beobachten wie Tiere im Zoo, aber ehe er sich versah, hatten ihn die kleinen, zerknautschten Gesichtchen in ihren Bann gezogen und er klebte förmlich an der Glasscheibe und ließ den Blick über die vielen Neugeborenen schweifen.
Ein breites Grinsen zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als er in einer hinteren Ecke die wohlbekannte Silhouette eines Mannes ausmachen konnte, der es sich mit einem klitzekleinen Baby auf dem Arm im einem der Sessel gemütlich gemacht hatte. Er trug einen blassgrünen Patientenkittel, unter dem ein Gipsbein hervorblitzte, und lächelte das kleine Bündel Mensch verträumt an.

Als er John mit seinem Sohn im hinteren Bereich der Neugeborenenstation sitzen sah, erfüllte ein warmes Gefühl Patricks Brustkorb und ein Seufzen entkam ihm. Nur schwer gelang es ihm, sich zurückzuhalten und nicht in den Raum zu stürzen, aber das war auch gar nicht nötig, wie sich wenige Sekunden später herausstellte. Als Patrick den Blick auf seinen Sohn legte, sah John auf und seinem Vater direkt in die Augen. Einen Moment lang geschah nichts und die beiden Männer sahen einander nur an, dann, jedoch, lächelte Patrick zaghaft.
Was als Nächstes geschah, versetzte dem alten Mann einen Stich ins Herz. Seine Kehle schnürte sich zusammen und er glaubte, zum ersten Mal nach vielen, vielen Jahren in Tränen auszubrechen, ohne dass es ihn interessierte, was andere von ihm denken würden, wenn er es täte. Ihm war es egal, denn im Moment zählte nämlich nur eines.

Dass John sein Lächeln aus vollem Herzen erwiderte.


ooOOoo



Die Jahre hatten John gezeigt, dass es ihm nichts brachte, Teyla zu widersprechen, da sie meistens und in allem recht behielt, ganz gleich wie man es drehte und wendete. Ihr Gespür für das Richtige hatte sich viele, viele Male als eine Gabe entpuppt, auch wenn es manchmal an seinem männlichen Ego kratzte, seiner Frau gegenüber wieder einmal zugeben zu müssen, dass sie recht hatte, und einzugestehen, dass er im Unrecht war und sich geirrt hatte. Es war sein Schicksal, das Schicksal eines verheirateten Mannes, und wie oft war er deswegen von seinen Freunden aufgezogen worden. Besonders Ronon schien es Freude zu bereiten, es ihm unter die Nase zu reiben, da er der Einzige in seinem Freundeskreis war, der noch nicht unter der Fuchtel einer Frau stand. Noch nicht, pflegte sich John an dieser Stelle immer zu verbessern. Die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt!

Was seine Freunde jedoch nicht wussten, war, dass John das Gespür seiner Frau schätzte. Es hatte ihm und auch den anderen nicht nur einmal den Hintern gerettet und womöglich wäre er ohne es heute nicht hier und ihm würde nicht bewusst werden, dass Teyla wieder einmal recht gehabt und ihn eines Besseren belehrt hatte.

John Sheppard grinste und schaute auf das Bündel in seinen Armen herab. Vorsichtig schob er mit dem Finger die blaue Decke beiseite und sein Lächeln wurde größer, als das kleine, runde Gesicht seines Sohnes erschien, der still vor sich hin döste, nur ab und zu verließ ein seufzender Laut die knospenförmigen Lippen des Babys. Vollkommen fasziniert von den zarten Gesichtszügen des Kindes, gelang es John nicht die Augen von seinem Sohn zu lassen, der friedlich in seinen Armen schlummerte. Schon jetzt hatte er sein Herz an diesen kleinen Menschen verloren und sich bis über beide Ohren in ihn verliebt. Nie wieder wollte er ihn hergeben. Er hatte ihn auf die Welt geholt! Er war es gewesen, der den kleinen Kerl als Erstes gesehen hatte! Es war sein Sohn, er war der Vater dieses kleinen, nach Babypuder duftenden Wunders und es fühlte sich verdammt gut an!

„Hey, Du“, wisperte John beinahe lautlos. Er wagte es nicht, lauter zu sprechen, denn er wollte das Baby nicht wecken. Er wollte es weiter betrachten, seine Finger und Zehen zum wahrscheinlich zehnten Mal zählen und küssen und sich vergewissern, dass es real war, dass sein Sohn wirklich auf der Welt und in seinen Armen war. Dieser kleine, rosige, in allem perfekte Junge mit dem dunklen Haarschopf, den dunklen Augen, der kleinen Stupsnase und den hinreizenden Lippen durfte kein Traum sein! Es war schließlich sein kleiner Junge, sein Sohn.

Die mit dichten schwarzen Wimpern gesäumten Lider des Babys flatterten träge, als John den zarten Leib an seinen Brustkorb drückte und hin und her zu wiegen begann. Einen Moment lang befürchtete der Soldat, der Kleine würde aufwachen, doch das gerade einmal zwei Stunden alte Baby schlief seelenruhig weiter und bestätigte John in der Annahme, dass es wohl die Langschläferambitionen von seinem Vater geerbt hatte.
Was John zurück zu seinem ursprünglichen Gedanken führte, dass Teyla wieder einmal recht gehabt hatte. Mit einem versonnenen Lächeln auf den Lippen blickte er auf seinen Sohn herab. Der kleine Kerl ähnelte ihm wirklich sehr; dieselben dunklen, zerzausten Haare und Augen, die in ein dunkles Grün stachen, glaubte John zumindest, da sich bis jetzt noch keine Möglichkeit zur näheren Betrachtung ergeben hatte, weil sein Sohn die meiste Zeit geschlafen hatte. Selbst die Untersuchungen hatte er die meiste Zeit still über sich ergehen lassen und war prompt wieder eingeschlafen. Zuerst hatten John und Teyla sich gesorgt, dass etwas nicht stimmte, aber der Arzt konnte sie beruhigen; ihr Sohn mochte zwar zwei Wochen zu früh in einem unterkühlten Auto mitten im Nirgendwo auf die Welt gekommen sein, aber es ging ihm gut.
Und schließlich erfreute er doch noch alle mit klarem, zornigem Geschrei, als man ihn in die Arme seines frisch ernannten Patenonkels Rodney legte, welcher sich komischerweise als einziger nicht mit dem Gedanken anfreunden konnte, von nun an ein Teil des Leben dieses schreienden Etwas zu sein.

An dieser Stelle und hinsichtlich an der Erinnerung musste John schmunzeln und so bemerkte er die, in seinem Augenwinkel aufgetauchte Gestalt erst, als diese sich an der Glasscheibe, die Flur und Neugeborenenstation voneinander trennte, die Nase platt drückte. Als John aufsah, musste er zu seiner Überraschung feststellen, dass es sich um seinen Vater handelte, der von draußen hereinblickte und lächelte, als sich ihre Blicke trafen. Er hatte ihn angerufen, pflichtbewusst wie er war, und ihm von der Geburt seines Enkelsohnes berichtet. Patrick Sheppard hatte sich erfreut gezeigt, aber John hätte nie damit gerechnet, dass er persönlich hier erschienen würde. Dave, sicherlich. Amanda, auf jeden Fall. Aber sein Vater? Er hatte es nicht einmal in Erwägung gezogen.

Patrick lächelte und es war das wohl aufrichtigste Lächeln, das John je gesehen hatte. Es war ehrlich gemeint, es war kein maskenhaftes Lächeln, so wie John es von seinem Vater kannte. Nein, es war nichts dergleichen, es war ein von Herzen kommendes, absolut ehrlich gemeintes Lächeln.
Und genau aus diesem Grund erwiderte John es. Er lächelte zurück, er schenkte seinem Vater das wohl erste Lächeln seit vielen Jahren… und es fühlte sich gut an. Es zerriss ihm nicht das Herz, wie er befürchtet hatte, im Gegenteil, es schien eine Tür in seinem Herzen zu öffnen, eine neue Tür, die John bisher verborgen war und von der er nicht wusste, dass es sie gab.

Getrieben von dem Wunsch, zu erkunden, was sich hinter dieser neuen Tür befand, deutete John auf die Tür. Sein Vater schien erst nicht zu verstehen, was er von ihm verlangte, dann, jedoch, näherte er sich langsam der Tür, drückte die Klinke herunter und betrat den kleinen Vorraum der Neugeborenenstation, wo er sich kurz mit einer Säuglingsschwester unterhielt, auf John deutete. Dieser musste unwillkürlich grinsen, als sein Vater, der es gewohnt war, Maßanzüge zu tragen, mit einem dieser unvorteilhaften Patientenkittel ausstaffiert wurde. Die Skepsis stand Patrick ins Gesicht geschrieben, als er mit gerunzelter Stirn die Station betrat, verflüchtigte sich dann aber binnen eines Wimpernschlags und wich einem Lächeln.

„Hey“, sagte Patrick leise.

„Dad?“, empfing John seinen Vater und bemühte sich nicht einmal darum, zu verbergen, dass sein Auftauchen ihn überraschte. „Was machst Du hier?“

„Na, was mache ich hier wohl?“, wiederholte Patrick fast flüsternd. „Ich bin hier, um meinen Enkel zu sehen? Du meine Güte, ist er das?“ Er reckte den Hals, um einen Blick auf das schlafende Baby in Johns Armen werfen zu können.

John nickte, was seinem Vater als Antwort genügte.

„Er ist so klein“, staunte Patrick.

„Ja, merkwürdig, nicht wahr? Das haben Babys so an sich, Dad.“ John war nicht einmal bewusst, dass er in der Gegenwart seines Vaters gescherzt hatte, bis Patrick leise lachte und die Arme ausstreckte.

„Darf ich?“

John sah die ausgestreckten Arme seines Vaters vor sich und zögerte für einen Augenblick, erinnerte sich dann aber, dass sein Vater ihn und Dave großgezogen hatte und wissen musste, wie man mit einem so kleinen Menschen umzugehen hatte. Vorsichtig übergab er daher seinen Sohn den fähigen Händen seines Vaters, der den Kleinen auch sogleich zärtlich an sich drückte, etwas, das er mit Torren nie getan hatte, da ihm John dazu nie die Möglichkeit gegeben hatte.

Patrick lächelte, begann das Baby in seinen Armen zu wiegen und es einer eingehenden Betrachtung zu unterziehen. John hatte seinen Vater noch nie so erlebt, wie in diesem Moment- einfühlsam, zärtlich, väterlich, beschützend. Er war für dieses Baby, seinen Enkelsohn, alles, was er für John, seinen Sohn, nicht gewesen war, aber aus irgendeinem Grund stimmte diese Tatsache den Soldaten nicht traurig.

„Er sieht aus wie Du, John“, meinte Patrick schließlich zu ihm.

Der Soldat schmunzelte.

„Das sagt Teyla auch.“

„Besonders die Haare…“ Sein Vater ließ den Satz unbeendet, aber John wusste, worauf er hinauswollte. Er beugte sich vor und strich über den samtweichen, dunklen Haarflaum seines Sohnes.

„Gott, ja, die Haare“, seufzte er. „Der arme kleine Kerl. Ich hatte gehofft, dass ihm wenigstens das erspart bleibt.“

„Er hat aber auch viel von Teyla“, fuhr Patrick fort und fuhr mit der Fingerkuppe an der kleinen Stupsnase des Babys entlang. „Das ist ihre Nase.“ Sein Finger wanderte zu dem kleinen Grübchen, dass das Baby am Kinn vorzuweisen hatte. „Und das hier“, lächelte er, „hat er von Deiner Mutter.“

John erinnerte sich an das Grübchen am Kinn seiner Mutter, doch dass auch sein Sohn dieses besaß, fiel ihm erst jetzt auf, als sein Vater ihn darauf hinwies. Dass sein Vater seine Mutter ins Gespräch gebracht hatte, stimmte John traurig und er senkte den Kopf, starrte auf den gelben Linoleumboden und seine Schuhspitzen.

„Sie hätte sich gefreut“, murmelte er leise. „Über das Baby, meine ich.“

Patrick ließ sich auf den Sessel neben dem seines Sohnes sinken. „Ja, das hätte sie ganz sicher. Sie hat sich immer gefragt, wie es wohl sein würde, eine Großmutter zu sein.“ Er seufzte leise, blickte dann seinen jüngsten Sohn an. „Sie wäre stolz auf Dich gewesen, John. Und... Du sollst wissen, dass ich… dass ich es auch bin. Ich bin auch stolz auf Dich, sehr stolz.“

Die Worte seines Vaters trafen den Soldaten unerwartet und sie überraschten ihn so sehr, dass er zuerst nichts erwidern konnte und seinen Vater einfach nur anstarrte, was Patrick als Zeichen, fortzufahren, zu deuten schien.

„Ich habe Dir das nie gesagt“, sprach er weiter, „aber ich bin stolz auf Dich, John, auch wenn… ich mich… in Vergangenheit nicht so… verhalten habe.“

„Dad.“ Mehr brachte John nicht über die Lippen; zum einen versagte ihm die Stimme, zum anderen fiel ihm sein Vater ins Wort.

„Es ist wahr“, beharrte Patrick. „Ich bin stolz auf Dich und habe mich in Vergangenheit… wie ein Idiot verhalten. Ich habe alles damit rechtfertigt, dass Du an allem Schuld bist, dabei… war alles meine Schuld. Wahrscheinlich war ich einfach nur zu… feige, mir einzugestehen, dass ich Dich die ganze Zeit über… beneidet habe.“

„Beneidet?“, echote John und Patrick nickte.

„Du hast das getan, wozu ich nie den Mumm gehabt habe“, sagte er. „Du hast Dich von mir nicht verbiegen lassen und bist gegangen. Einfach so.“ Er hielt für einen kurzen Moment inne, um auf seinen schlafenden Enkelsohn zu blicken. Ein selten gehörtes Seufzen verließ Patricks Lippen. „Weiß Du, John“, fuhr er fort, „ein Teil von mir hätte Dich damals am liebsten in der Luft zerrissen. Der andere Teil, jedoch… war stolz auf Dich, weil Du das getan hast, was ich in meinem Leben nie tun durfte, nämlich weglaufen.“

„Ja, eine meiner herausragendsten Eigenschaften“, meinte John mit einem traurigen Lächeln. „Vor Dingen wegzulaufen, die mir Angst machen.“

„Ich habe Dir Angst gemacht?“, wiederholte Patrick und senkte den Kopf, als er den gequälten Ausdruck im Gesicht seines Sohnes bemerkte. „Natürlich habe ich das. Wie hätte es auch anders sein können“, seufzte er.

„Wir beide haben unsere Fehler, Dad.“ Nun war John an der Reihe zu seufzen. „Ich laufe weg und Du…“

„…und ich mache anderen Leuten Angst“, beendete Patrick seinen Satz. „Dabei will ich das gar nicht. Damals dachte ich wirklich, ich täte gut darin, Dein Leben und das von Deinem Bruder zu planen, weil ich wollte, dass es euch gut ergeht und ihr euch euer Leben nicht durch irgendeine banale Dummheit selbst verbaut.“

„Banale Dummheit?“, echote John. „Das war mein Wunsch, zur Air Force zu gehen, für Dich also? Eine banale Dummheit?“

Sein Vater hob die Augenbrauen.

„Du musst schon zugeben, John, dass es nicht unbedingt eine deiner besten Ideen gewesen war. Verzeih mir, aber ich dachte damals wirklich, dass Du den größten Fehler Deines Lebens begehst und ich wollte Dich davor bewahren.“

„Was Du mir auch lautstark zu verstehen gegeben hast“, erinnerte sich John. „Bei mehr als nur einer Gelegenheit.“

„Und Du verstehst immer noch nicht, warum ich das getan habe?“ Als John ihm nicht antwortete, seufzte Patrick zum wiederholten Male, ehe er den Blick seines Sohnes bannte und mit fester Stimme sagte: „Weil Du mein Sohn bist und ich Dich über alles liebe, Jonathan.“

Weil Du mein Sohn bist und ich Dich über alles liebe. Diese allessagenden Worte kamen einem Paukenschlag gleich und John fühlte sich wie betäubt, als sie in seinem Kopf wiederzuhallen begannen. Seit dem Tod seiner Mutter hatte er seinen Vater nicht ein einziges Mal so etwas wie ‚Ich liebe Dich’ oder ‚Ich bin stolz auf Dich’ sagen hören. Nicht ein einziges Mal. Und nun, nach über dreißig Jahren, hatte er gleich beides innerhalb weniger Minuten aufeinander folgend zu hören bekommen und wusste nichts damit anzufangen, wenngleich er sich in den letzten Jahren nichts sehnlicher gewünscht hatte, als solche Worte von seinem Vater zu hören.

„Ich habe in der Vergangenheit viele Fehler gemacht“, fuhr Patrick fort. „Viele, viele Fehler und ich bin heute hierher gekommen, um Dich wissen zu lassen, dass ich ab dem heutigen Tag bemühen werde, nicht mehr alles so engstirnig zu sehen. Und, um mich bei Dir zu entschuldigen.“

„Entschuldigen“, wiederholte John lahm.

Patrick nickte.

„Ja, ich will mich bei Dir für all das, was ich in der Vergangenheit falsch gemacht habe, entschuldigen. Ich weiß, dass Du guten Grund hast, meine Entschuldigung nicht anzunehmen und falls Du es nicht tust, verstehe ich das. Aber ich bitte Dich, es Dir zu überlegen. Wir beide wissen, dass mir nicht mehr allzu viele Jahre bleiben-“

„Dad…“

„Nein, John, nein.“ Patrick schüttelte entschlossen mit dem Kopf. „Lass mich das jetzt bitte hier zu Ende bringen, sonst werde ich mich später selbst dafür hassen. Ich möchte… ach, was sag ich da… ich will, dass Du weißt, wie furchtbar leid mir alles tut. Ich hätte Dich nie so bevormunden dürfen und Dir vertrauen sollen. Es fällt mir schwer, dass zu sagen, aber…Du hattest in allem recht.“

„Hatte ich?“

„Ja, hattest Du. Du hattest in allem recht und ich hätte nie an Dir zweifeln dürfen. Ich spreche damit, die Geschehnisse von vor fünf Jahren an, und ich will Dir sagen, dass ich mich in Bezug auf Dich, Dein Leben und Deine Familie geirrt habe.“ Kurzes Schweigen, dann: „Ich bin stolz auf Dich und auf das, was Du aus Dir und Deinem Leben gemacht hast, John. Ich hätte es nicht besser machen können.“

„Dad…“ John schluckte. Sein Vater hatte ihm gerade die wohl rührendste, emotionalste und herzergreifendste Ansprache gehalten, die er je gehört hatte, und irgendwie kam es John so vor, als hätte sich sein alter Herr wirklich aufrichtig bei ihm für alles entschuldigt. Was unmöglich wahr sein konnte, denn Patrick Sheppard hatte sich noch nie für etwas, was er getan hatte, entschuldigt.

„Und?“ Sein Vater sah ihn durch seine eisblauen Augen an, was John das Gefühl gab, auf einmal ins Rampenlicht gedrängt zu werden. „Verzeihst Du mir?“

Johns Blick hielt dem seines Vaters noch einige Sekunden stand, dann sah er auf seinen Sohn herab, der friedlich in Patrick Sheppards Armen schlief und von alldem nichts mitbekam. Die zarte Brust des Babys hob und senkte sich nieder, ein einfacher Akt, der von der Natur so eingerichtet worden war. Es war ein simpler Automatismus, der über Leben und Tod entscheiden konnte und unter anderen Umständen sicherlich keinerlei besonderen Beachtung wert gewesen wäre. Aber genau in diesem Moment fesselte die sich stetig hebende und senkende Brust des Babys Johns Aufmerksamkeit und sagte ihm, was er zu tun hatte.
Er tat es nicht für sich oder für seinen Vater, der um Vergebung bat. Er tat es für seine Kinder, für Torren und seinen kleinen Bruder, die etwas Besseres verdient hatten als er. Er tat es für seine Söhne, nur für seine Söhne.

„Ich…“ Ein letzter, kurzer Blick auf das schlafende Baby, dann: „Ja… ich verzeihe Dir, Dad. Alles. Ich verzeihe Dir alles.“

Und mit diesem Satz begann etwas Neues. Die Tür in Johns Herzen wurde geschlossen, dafür öffnete sich eine andere, als sein Vater seinen freien Arm um seine Schultern schlang und ihn zu sich zog. Es mochte das Ende ihrer jahrelangen Fehde sein, aber gleichzeitig der Beginn von etwas Wunderbarem.

„Fröhliche Weihnachten, John“, hörte der Soldat seinen Vater flüstern, seine Stimme ein warmes Vibrieren an seinem Ohr.

„Fröhliche Weihnachten, Dad“, erwiderte er, über die Schulter seines Vaters aus dem Fenster hinauf in den Nachthimmel blickend. Hoch droben am Himmelszelt funkelte ein Stern mit all seiner Kraft, verkündete nicht nur die Geburt eines neuen Lebens, sondern pries auch den Fortbestand des Altbewährten. John schloss die Augen, lehnte sich weiter in die Umarmung seines Vaters.

Fröhliche Weihnachten, sagte er zu sich selbst und verspürte zum ersten Mal seit Jahren eine tiefe, innere Zufrieden- und Geborgenheit. Er war daheim. Er war daheim.

TBC
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