Ihr Element

Es war so dunkel, dass Elizabeth die Hände kaum vor Augen sehen konnte. Trotzdem huschte sie wie ein Gespenst durch die dunklen Gänge. Sie kannte den Weg inzwischen auswendig, jede Biegung und Besonderheit der Strecke waren ihr vertraut. Nur noch wenige Schritte trennten sie von der letzten Tür. Sie blickte sich noch einmal um, - wie jedes Mal - um sicher zu gehen, dass ihr niemand gefolgt war. Sie umklammerte das Bündel in ihrer Hand fester, dann öffnete sie die Tür und schlüpfte mit einer flinken Bewegung hindurch.

Ein kühler Lufthauch empfing sie und Elizabeth atmete tief ein. In ihrem Büro und in den endlosen Gängen der Stadt vergaß sie ab und an, dass sie sich mitten auf dem Ozean befand – und das, obwohl sie sich als Kind immer gewünscht hatte, *auf* dem Meer zu leben. Sie schüttelte den Kopf bei dem Gedanken daran, *das* vergessen zu haben, während sie ihren Weg fortsetzt. Obwohl ihr die Lichter der Stadt die Orientierung erleichterten, war sie dankbar dafür, dass diese weit genug entfernt waren, und sie dennoch den Schutz der Dunkelheit genießen konnte.


***


Elizabeth war am Ende des Piers angelangt. Hinter einem der Aufbauten erspähte sie die Leiter, die ihr bei ihren nächtlichen Ausflügen als Orientierungspunkt diente. Sie warf einen letzten prüfenden Blick in die Richtung, aus der sie gekommen war, bevor sie das Bündel fallen ließ und aus ihren Schuhen schlüpfte. Sie begann mit raschen Bewegungen, sich ihrer Kleidung zu entledigen und diese wenigstens ansatzweise ordentlich auf einen Haufen zu legen. Einen Moment später war sie nackt. Eine Brise strich über ihren Körper und sie bekam eine Gänsehaut. Sie genoss es jedes Mal, den Wind auf ihrer Haut zu spüren, aber heute hatte sie nicht die Muße, diesen Moment zu auszukosten. Mit drei raschen Schritten hatte sie den Rand des Piers erreicht und sprang.

Das salzige Wasser des Ozeans umfing sie. Elizabeth ließ sich einfach sinken, und mit jedem Zentimeter Tiefe fühlte sie sich irgendwie leichter. Sie war wieder in ihrem Element. Im Ozean. Hier gab es nur sie und das Meer.
Sie liebte die Geräusche, die das Wasser übertrug. Es war zwar nicht wie daheim auf der Erde, aber inzwischen löste auch das Summen der Stadt ein geborgenes Gefühl in ihrem Bauch aus. Sie schob alle Gedanken beiseite, blendete die Ereignisse der letzten Tage und Stunden aus, und spürte einfach.

Sie er- lebte.

Die Gedanken und Sorgen waren wie weggeblasen, als Elizabeth nach einer guten halben Minute prustend aus dem Wasser auftauchte und sich die Haare aus den Augen wischte. Nun begann sie zu schwimmen. Mit jedem kräftigen Zug kribbelte es in ihrer Schultermuskulatur. >Ich mache eindeutig zu wenig Sport