Stürmische Zeiten by Bastet-X
Summary: Ein Hurrikan bringt SG-1 in eine prekäre Lage.
Categories: Stargate SG-1 Characters: Asgard, Daniel Jackson (SG-1), Jack O’Neill (SG-1), Multi-Chara, Other Character, Samantha Carter (SG-1)
Genre: Angst, Drabble, Friendship
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 2 Completed: Ja Word count: 28893 Read: 8629 Published: 19.10.11 Updated: 19.10.11
Story Notes:
Diese Geschichte entstand im Rahmen einer Challenge nach einer Idee von Wördchen.

1. Kapitel 1 by Bastet-X

2. Kapitel 2 by Bastet-X

Kapitel 1 by Bastet-X
Stürmische Zeiten


Als O'Neill den neuesten Einsatzbefehl in der Hand hielt, blieb er unwillkürlich stehen. Nur gelegentlich warf er einen Blick auf den meist für mehrere Wochen im voraus angefertigten Plan für die Erkundung weiterer Planeten. Meist kam doch etwas dazuwischen und warf den sorgfältig aufgestellten Plan durcheinander. O'Neill persönlich hielt ihn für reine Makulatur, um den Anschein eines Konzeptes bei der Erforschung zu bewahren.
Doch dieses Mal wünschte er sich, er hätte ihn genauer angesehen. Für die nächste Woche war eine Expedition nach P4X-964 geplant. Das allein beunruhigte ihn nicht. Was ihn so aus der Fassung brachte war die Tatsache, daß er für diese Mission mit einem gewissen Doktor Hamilton und seinem Team eingeteilt war.
Er konnte sich noch sehr gut an diesen Hamilton erinnern. Er war eine Nervensäge, und seine Leute waren es auch. Einer wie der andere. Auf ausdrücklichen Wunsch von General Ryan hatte er sie begleitet und war bei einer anscheinend todlangweiligen Mission mit einem Haufen kleiner schlecht gelaunter Energiewesen aneinander geraten. Es gab viele Dinge, die O'Neill widerspruchslos tat, ob sie ihm nun gefielen oder nicht, Wissenschaftler zu hüten, zählte nicht dazu. Auf gar keinen Fall war er gewillt, mit diesem Hamilton ein weiteres Mal auf eine Mission zu gehen!
Den Blick noch immer ungläubig auf den Einsatzbefehl gerichtet schlug er den Weg in Richtung von General Hammonds Büro ein. Fast wie allein brachten ihn seine Schritte dort hin. Vorsichtig klopfte er an.

"Ja?" der General sah von seinen Papieren auf.
"General Hammond, ich bin wegen der Mission nach P4X-964 hier..."
"Also haben Sie den Befehl endlich gelesen. Ich habe eigentlich schon letzte Woche deswegen mit Ihnen gerechnet."
"General?" Jack sah ihn mißtrauisch und mit hochgezogenen Augenbrauen an. Wenn er ganz genau wußte, daß es O'Neill nicht paßte, warum hatte er ihn dann dafür eingeteilt?
"Es tut mir leid Jack, aber diese Sache steht nicht zur Diskussion. Sie starten am Dienstag um 0700. Sie und SG-1 werden das Team von Doktor Hamilton beim Aufbau einer Wetterstation unterstützen"
"Ach kommen Sie schon General! Kann das nicht SG-17 machen? Die brauchen sowieso etwas Übung." Da es auf dem direkten Weg nicht geklappt hatte, mußte er den Boss entweder überzeugen oder anderweitig erweichen.
Aber Hammond winkte ab. "Es tut mir leid Colonel, aber dafür sind Sie selbst verantwortlich. Doktor Hamilton hat ausdrücklich darum gebeten, daß Sie ihn begleiten. Nach dem Vorfall auf N4C-862 meinte er, daß er sich bei Ihnen sehr gut aufgehoben fühlte, und daß er sich auf gar keinen Fall noch einmal auf einen anderen Planeten begibt, ohne daß Sie dabei sind. Und da er unser bester Mann für diese Sache ist...."
O'Neills Widerstand gegen diese Mission begann vorübergehend zu schwinden. Es schmeichelte ihm, daß man ihn für kompetent hielt und sich die Leute bei ihm sicher fühlten, wenn es ihn auch überraschte, so etwas gerade von Hamilton zu hören. Trotzdem verlor er nicht aus den Augen, daß man versuchte ihm einen Job schmackhaft zu machen, von dem er genau wußte, daß er ihm nicht gefallen würde.
"General...." begann er noch einmal. Aber Hammonds Geduld näherte sich ihrem Ende.
"Colonel O'Neill, muß ich Sie daran erinnern, daß Hamilton General Ryan als einflußreichen Fürsprecher für das Stargateprojekt gewinnen konnte. Ich schlage vor, Sie reißen sich zusammen und sind ein paar Tage nett zu ihm. Sie können wegtreten."
Unter diesen Umständen gab es kein Entrinnen. Der Colonel beschloss, den Auftrag als persönliche Beleidigung und als Erpressung aufzufassen, ihn jedoch trotzdem gewissenhaft durchzuführen und dabei Haltung zu bewahren. Niemand hatte von ihm verlangt, daß er gute Laune dabei hatte. Überhaupt pflegte er das Gerücht, daß er launisch und von Zeit zu Zeit etwas ungerecht war, mit großer Sorgfalt. Denn es erlaubte ihm, gelegentlich ungestraft aus der Rolle zu fallen.
"Ja, Sir." antwortete er nur knapp, machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Büro seines Vorgesetzten.


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Die Oberfläche des Planeten P4X-964 war geeignet, ein Frösteln bei jedem auszulösen, der sie betrat. Irgendjemand hatte diesen Ort Hoth getauft, nach dem Eisplaneten aus den Star Wars-Filmen. Er hatte nur eine geringe Landmasse. Der größte Teil seiner Oberfläche bestand aus Wasser, beziehungsweise aus Eis. Es war egal, wohin man auch sah, alles vermittelte einem den Eindruck, als sei jedes Leben bereits vor langer Zeit unter dem Eis begraben worden. Allein in der Äquatorgegend gab es größere Flächen mit offenem Wasser. Zusätzlich wies die Atmosphäre einige angeblich interessante Anomalien auf, deren Verständnis dazu beitragen sollte, das Wetter auf der Erde besser zu begreifen. Darum war Doktor Hamilton mit diesem Auftrag betraut worden und darum saß O'Neill nun hier fest.
Welche Richtung man auch einschlug, es war nichts außer schroffen Felsen und Schnee zu sehen. Das Licht einer orangenen kraftlosen Sonne spiegelte sich gleißend auf dem Eis wieder. O'Neill hatte seine Sonnenbrille aufgesetzt, kaum daß er durch das Tor getreten war.
Im Laufe der Zeit wurden die Felsen durch die Wechselwirkung von Sonne und Frost regelrecht auseinandergesprengt und bildeten überall scharfe Kanten und Grate. Er konnte nicht sagen was er für gefährlicher hielt: die Felsen oder das Eis.
Die kleine Gruppe, die sich aus den Mitgliedern von SG-1 und einem Team von Wissenschaftlern um Doktor Hamilton zusammensetzte, hatte den Zielpunkt beinahe erreicht. Obwohl er nur wenige Meilen vom Gate entfernt lag, schien es eine Ewigkeit zu dauern, bis sie ihn erreichten. Das Gelände war tückisch und unwegsam und das zusätzliche schwere Gepäck machte sie langsam.
O'Neill sah auf die Uhr. "Es wird in ein paar Stunden dunkel. Wir sollten uns beeilen. Ich möchte nicht nachts hier draußen herumstolpern."
Hamilton, der sich gerade mit einer sperrigen Kiste abmühte, sah mit gerötetem und sichtbar genervtem Gesicht auf. "Es würde schneller gehen, wenn Sie uns helfen."
"Aber Doktor, Sie wissen doch, was man über mich sagt: ich habe nicht das geringste Verständnis für wissenschaftliche Angelegenheiten. Ich würde Ihre wertvolle Ausrüstung sicher nur kaputt machen."
Es war eine offensichtliche Ausrede und sie wußten es beide. Aber Hamilton wußte auch, daß der Colonel ihn niemals absichtlich in Gefahr bringen würde. Es mußte also seiner Meinung nach noch genug Zeit geben, um den Zielpunkt vor Einbruch der Nacht zu erreichen. Dennoch machte O'Neill es ihm recht schwer. Er fragte sich, ob er mit ihm die richtige Wahl getroffen hatte. Vielleicht hätte er doch nicht auf die Begleitung durch den Colonel bestehen sollen.


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Zwei Stunden später hatten sie das kleine Plateau erreicht, auf dem die Station eingerichtet werden sollte. Auf der abgerundeten Spitze eines kleinen freistehenden Berges gelegen, hatten die Geräte die beste Position für den Empfang der Wetterdaten.
Hamilton und seine beiden Assistenten verankerten die Geräte im Boden und schalteten sie ein. Er zog ein Laptop aus der Tasche und schloß es an einen der schwarzen Kästen an, die sie auf der Oberfläche dieses Planeten zurück lassen wollten.
Major Carter sah ihm über die Schulter. "Rufen Sie die ersten Daten ab?"
"Ja, Major. Wir dachten, wir nutzen die Gelegenheit und sammeln Daten über die Atmosphäre, so lange die Flugsonden noch in der Luft sind, die der General zur Aufklärung hierher geschickt hat."
Carter lachte. "Er war sicher nicht begeistert, daß Sie militärisches Equipment für diesen Zweck einsetzen."
"Nein, wirklich nicht, aber so können wir mit der Auswertung des ersten Datenpakets schon jetzt beginnen. Später kommt in regelmäßigen Abständen jemand von uns hierher und lädt die inzwischen gesammelten Daten für die Auswertung herunter."
"Wenigstens ist es eine unbemannte Station. Stellen Sie sich vor, Sie sollten hier aushalten, um das Wetter zu beobachten." Sie lächelte ihn gutmütig an.
"Ich glaube das würde Ihrem Colonel sicher gefallen." Er sah zu O'Neill hinüber, dessen Gesicht deutliche Missbilligung ausdrückte. Offensichtlich paßte es ihm nicht, daß Carter sich mit Hamilton verstand. Aber der Doktor wußte es zu schätzen, daß er die kleinen Gemeinheiten, die ihm deswegen sicher auf der Zunge lagen, dieses Mal für sich behielt. "Das hier ist noch eine der angenehmeren Gegenden", fuhr er fort. "Wir befinden uns auf einem Teil der Landmasse, die dem Äquator am nächsten liegt und wir haben gerade Sommer."
"Meinen Urlaub würde ich hier trotzdem nicht verbringen."
Hamilton nickte. Er sah auf seine Daten hinunter und stieß einen überraschten Pfiff aus.
"Colonel!" rief er O'Neill zu sich. "Sie wollten doch so schnell wie möglich wieder zurück?"
"Darauf können Sie wetten. Aber wir werden hier über nacht unser Lager aufschlagen müssen, denn es wird bald dunkel und in diesem Gelände können wir nachts nicht zum Tor zurückmarschieren."
"Das würde ich mir an Ihrer Stelle noch einmal überlegen." Vorsichtig drehte er das Laptop so herum, daß der Colonel einen Blick darauf werfen konnte.
Die Darstellung zeigte eine Reihe farbiger Linien, die wie die Höhenlinien auf einer Landkarte angeordnet und mit Zahlen versehen waren. Er wußte, daß es sich um eine Wolkenformation handelte, so viel verstand er gerade noch davon. Aber die wahre Bedeutung dessen, was er da sah, begriff er nicht. Er sah Carter fragend an.
"Das ist ein Sturmsystem, Colonel."
"Wow!" entfuhr es Daniel. Er rückte die Brille zurecht. Es war ein untrügliches Zeichen seiner Nervosität.
"Ein ziemlich großes sogar", fuhr Hamilton fort. "Erinnern Sie sich noch an den Hurrican Andrew? In seinem Inneren wurde ein unglaublich niedriger Druck gemessen, was ein unmittelbarer Ausdruck seiner Kraft war. Das hier", er zeigte auf den Bildschirm, "könnte nach den Luftdruckanzeigen sein großer Bruder sein. Und er kommt direkt auf uns zu."
O'Neill erinnerte sich noch sehr gut an Andrew und auch daran, daß seine Windgeschwindigkeiten beinahe nicht mehr meßbar waren, weil er viele Wetterstationen zerstörte. Es gab auf diesem Planeten keine Möglichkeit Schutz zu suchen, Sonnenuntergang oder nicht, sie mußten von hier verschwinden.
"Wann wird er hier sein?" fragte er.
Hamilton zeigte in den Himmel, wo sich in der Nachmittagssonne bereits dicke graue Wolken näherten. "Colonel, begrüßen Sie Andrews Bruder, Aaron."
"Aaron?"
"Ein einfacher Sturm bekommt normalerweise keinen Namen, aber dieser hier ist ein Killer und da er der erste auf diesem Planeten ist, den wir kennenlernen, beginnt sein Name mit einem doppelten A."
"Ich dachte Hurricans bilden sich nur in den Tropen, wenn das Meer eine bestimmte Temperatur hat", bemerkte Daniel.
"Da haben sie recht. Aber vergessen sie nicht, daß das hier nicht die Erde ist. Aaron muß sich über der offenen Wasserfläche in der Äquatorgegend gebildet haben. Verglichen mit den Temperaturen auf dem Rest des Planeten sind das die Tropen. Der Weg, den er über den Ozean genommen hat, war verdammt weit. Er hatte genug Zeit unglaublich viel Energie aufzunehmen. Die Konvektion an der Innenseite seines Auges sprengt die Skala. Glauben Sie mir, Sie möchten sicher nicht hier sein, wenn er diese Gegend erreicht."
"Na schön," entschied sich O'Neill. "Packen Sie Ihre Sachen und dann verschwinden wir hier."


****************


O'Neill sah auf die Uhr, als sie endlich abmarschierten. Es dauerte genau 48 Minuten, bis sie so weit waren. Für einen bunten Haufen Wissenschaftler war es eine durchaus bemerkenswerte Leistung. Hamilton hatte sich beinahe überschlagen bei dem Versuch, die Ausrüstung sturmsicher zu machen und die Daten zu sichern, die er für ach so wichtig hielt. Der Colonel war eigentlich etwas überrascht, daß er so widerspruchslos gehorchte und sich sichtlich beeilte. Es gab ihm zu denken, was die Stärke des zu erwartenden Sturmes anging.
Sorgenvoll sah er zum Himmel hinauf. Er konnte nicht wirklich etwas von dem erkennen, was dort vielleicht auf sie zu kam. Als einziges sichtbares Zeichen des drohenden Unheils flackerte Wetterleuchten am westlichen Himmel.
In der nun langsam einbrechenden Dunkelheit tasteten sie sich über ein Schneefeld. Immer wieder traten sie in Spalten und O'Neill war sich sicher, daß er in dieser Finsternis auf keinen Fall ohne einen gebrochenen Knöchel davon kommen würde.
Als er das erste Mal hinfiel, streckte er reflexartig die Arme aus um den Sturz abzufangen. Dabei griff er in einen Brocken gesplitterten Eises. Er spürte keinen Schmerz, als sich die scharfen Klingen aus Eis durch seine Handschuhe und in seine Haut schnitten, aber als der nächste Blitz die Szene erleuchtete, bemerkte er das Blut, das auf das Eis tropfte und dort gefror.
Danach war O'Neill vorsichtiger. Noch einige Male war er versucht, sein Gleichgewicht mit Hilfe der Hände wieder herzustellen, aber er ließ es sein. Die dicke Daunenjacke, die er trug und der Rucksack fingen das meiste ab.
Als ob all dies nicht schon schwierig genug war, begann nun auch die Temperatur merklich zu fallen. Ein schneidender Wind kam auf und trieb die ersten einzelnen Flocken vor sich her. Die Luft wurde kälter und kälter, bis es schmerzte sie zu atmen. O'Neill wies die Anderen an, sich etwas vor das Gesicht zu halten und die Luft nicht ohne Schutz einzuatmen.
Je mehr ihnen der Planet Hoth und sein Wetter entgegen setzten, desto langsamer wurden sie. Ohne ein Peilgerät, welches das Tor in Form einer Naquadaquelle ausmachen konnte, hätten sie ewig durch das Eis tappen können, ohne auch nur zu wissen, in welche Richtung sie gingen.
O'Neill war erleichtert, als er schließlich die markante Bergflanke erreichte, die sich oberhalb eines Gletschers hinzog. Sie war mit Geröll übersät und mit betonharten Eisbrocken, die eine Lawine vor einiger Zeit hinterlassen hatte. Es war gefährlich dieses Gebiet zu überqueren, aber sie hatten keine andere Wahl. Den Berg zu umgehen kostete sie einen weiteren Tag, den sie nicht hatten, und direkt unter ihnen erstreckte sich ein Tal, das mit zahllosen Gletschern gefüllt war.
Der Wind hatte sich etwas gelegt, aber das Wetterleuchten nahm weiter zu. Unheimlich und bedrohlich begann es sie einzukreisen. Immer wieder schossen Blitze nieder. Jeder einzelne schien im Boden einzuschlagen. Lautlos und lauernd, wie ein Tier, näherte sich Aaron.
"Passen Sie auf, wo sie hintreten", ermahnte O'Neill die kleine Gruppe unnötigerweise. "Wie viel Zeit haben wir noch?"
Hamilton sah zweifelnd in die Wolken. "Ich habe nicht die geringste Ahnung. Es kann jeden Moment losgehen oder aber noch ein paar Stunden dauern. Aber wenn es einmal so weit ist, wird er schnell und hart zuschlagen. Sehen Sie sich das an... das ist einfach phantastisch...."
"Ja, ja... " bremste er die Begeisterung des Wissenschaftlers. "Wir sehen es uns lieber zu hause im Discovery Channel an." Dabei zeigte er auf die Tasche, die den Laptop mit den Daten enthielt. "Wir werden das Geröllfeld zügig durchqueren, so lange wir noch einen Rest an Licht haben. Ich möchte nicht, daß er uns hier überrascht. Es ist eine gefährliche Stelle. Danach ist das Gelände auf der letzten Meile relativ eben. Wenn wir hier durch sind, haben wir es so gut wie geschafft. OK?"
Sie nickten ihm zu.
"Also los. Ich zuerst, dann Hamilton, dann Sie und Sie, Daniel, Carter und Teal'c zum Schluß." Er drehte sich um und begann damit, sich seinen Weg durch das riesige Feld aus Eis und Gesteinsschutt zu suchen. Die Zeit drängte. Er fühlte es.
Aber jeder Schritt, den er machte, verdeutlichte ihm nur, wie wahnwitzig es war, unter diesen Umständen zum Stargate marschieren zu wollen.
Plötzlich bemerkte O'Neill, daß irgendetwas nicht stimmte. Er blieb stehen und sah sich um. Auch die anderen schienen es zu spüren. Sie sahen sich verwundert an. Einen Moment lang konnte er nicht sagen, was es war, aber dann wußte er es.
Die Luft selbst schien zu Eis geworden zu sein, so kalt fühlte sie sich an. Der Wind hatte sich von einer Sekunde zur anderen völlig gelegt. Es herrschte Totenstille. Ein Drücken auf den Ohren, wie in großer Höhe, verriet ihm, daß der Luftdruck schnell sank. Der Himmel über ihnen färbte sich im schwindenden Licht in einem schwachen schmutzigen Gelb und gab ihm das Gefühl, daß dies das letzte Licht war, das er für lange Zeit sehen sollte. Rundherum flackerten gespenstische Blitze und erleuchteten das Land bis zum Horizont. Erst jetzt hörten sie zum ersten Mal Donner. Es klang weniger wie ein Gewitter, als vielmehr wie das Knurren eines hungrigen Tieres. Beim nächsten Blitz war ein Teil des Landes, das sie eben noch sahen, verschwunden und wenige Sekunden danach ein weiterer Teil. Es dauerte einen Moment, bis ihnen klar wurde, daß sich ihnen eine riesige dichte Wand aus Schnee näherte.

Wie ein gewaltiger Schlag traf Aaron sie. Der Schnee wehte O'Neill ins Gesicht und begann augenblicklich zu gefrieren. Er taumelte unter den Böen zurück, kam wieder auf die Füße und versuchte seinen Weg fortzusetzen. Wenigstens sorgten die Blitze dafür, daß sie sich in der Dunkelheit nicht verloren.
Vorsichtig tastete er sich vorwärts. Der Rand des Geröllfeldes mußte bald erreicht sein. Ein paar mal strauchelte er und klopfte sich den Eispanzer von der Kleidung, der ihn behinderte. Schließlich aber erreichte er den Rand der Bergflanke. Hier wehte der Wind noch heftiger, wenn auch der Untergrund nicht mehr ganz so gefährlich war. O'Neill sah sich um, und stellte im Licht der Blitze fest, daß sich die Gruppe etwas auseinander gezogen hatte, daß sich aber alle tapfer voran kämpften.
Er wollte nicht auf das offene Feld hinaus gehen, bevor die anderen zu ihm aufgeschlossen hatten. Es war lebenswichtig, daß sie zusammen blieben. Wenn auch nur einer von ihnen verloren ging, hatte er praktisch keine Überlebenschance.
Noch während er den Gedanken formulierte und sich die Frage stellte, ob ihm diese Möglichkeit Sorgen machen sollte, sah er plötzlich eine der Gestalten wanken und stürzen. Er konnte nicht erkennen, wer es war, nur daß sie zu einem dunklen Haufen zusammensank, dann hörte das Flackern der Blitze auf.
Einige Sekunden später erhellte sich der Himmel wieder, aber dieses Mal war die Person verschwunden. Der Schreck fuhr O'Neill in die Glieder. Hatte sie sich aufgerichtet und war weitergestolpert? Hatte er sich geirrt bei dem was er sah? Unsicher machte er eine paar Schritte zurück.
"Bleiben Sie hier und rühren sie sich nicht!" schrie er Hamilton an. Anders war eine Verständigung nicht mehr möglich.
Er kämpfte sich an ihm und seinen Leuten vorbei, bis er auf Daniel und Teal'c traf. Eigentlich war es offensichtlich, wer fehlte, aber er stellte die Frage dennoch und fürchtete sich gleichzeitig vor der Antwort, die er längst kannte.
"Wo ist Carter?"
Teal'c beugte sich nah an O'Neill heran. "Sie ist abgerutscht. Ich konnte sie nicht mehr festhalten!" Es wurde immer schwieriger gegen Aarons Toben anzubrüllen.
Schockiert und für einen Moment völlig betäubt, sah O'Neill eine Schleifspur im Schnee, die schnell zugeweht wurde und bereits jetzt kaum noch zu sehen war. Ohne auch nur ein Wort zu sagen ging er der Spur nach, aber Daniel Jackson bekam ihn noch an der Jacke zu fassen und hielt ihn fest.
Wortlos hielt er ihm ein Seil hin. Der Colonel erkannte den gutgemeinten Vorschlag und zwang sich, wieder rational zu denken. Er nahm eines der losen Enden und band es sich um die Hüfte, was kein einfaches Unterfangen in Dunkelheit und Schneetreiben war. Dann tappte er der Spur im Schnee folgend vorwärts. Das Gefälle war nicht zu groß. Sie konnte unmöglich weit gekommen sein.
Schon nach wenigen Metern stieß er auf eine Schneewehe. Er versuchte sie zu umgehen und wollte seitlich an ihr vorbei. Er machte einen Schritt nach vorn, aber sein Fuß trat ins Leere. Die Schneewehe zerfiel unter seinem Fuß zu weißem Staub, löste sich geräuschlos und stürzte in eine scheinbar bodenlose Spalte direkt vor ihm. Allein das Seil bewahrte ihn davor, ebenso wie Sam, in diesem Loch zu verschwinden.
Er legte sich auf den Bauch und versuchte in der Tiefe etwas zu sehen. Im Flackern der Blitze konnte er ihre ganze Ausdehnung oder ihre Beschaffenheit nicht erkennen. Ihr Grund war unter diesen Umständen nicht zu sehen. Wenn Carter wirklich hinein gefallen war, dann konnte sie inzwischen tot sein.
"Carter!" brüllte er. "CARTER!" Aber er konnte seinen eigenen Schrei beinahe selbst nicht hören. Und sogar wenn sie ihn hörte, wäre er niemals in der Lage gewesen, eine Antwort von ihr zu verstehen.
Verzweifelt versuchte er etwas zu erkennen. Er mühte sich ab, die winzige Taschenlampe, die zur Standardausrüstung gehörte, aus der Jacke zu kramen. Unter diesen Bedingungen nützte sie nicht viel, aber er mußte es wissen. Mit nassen und vereisten Handschuhen schaltete er sie nach einigen Versuchen ein und leuchtete in die Spalte. Er war nicht so dumm, denn Versuch zu machen, die Handschuhe auszuziehen. Jede der feuchten schweren Schneeflocken gefror augenblicklich beim Auftreffen auf ein Objekt. Seine Hand wäre sofort an der Taschenlampe festgefroren.
Carter entdeckte er nicht, noch konnte er den Boden der Schlucht sehen, aber er fand etwas anderes, was ihm als Beweis genügte. An einem der scharfkantigen Vorsprünge hatte sich ein Teil von Carters zerfetztem Rucksack verfangen. Er gab keinen Zweifel mehr wo sie sich befand. Jetzt mußte er sie nur noch hier heraus bekommen. Doch damit ergab sich auch gleich das nächste Problem. Er war für mehr Menschen als nur Carter verantwortlich, aber er würde den Teufel tun und einen seiner Leute hier zurücklassen!

Vorsichtig kroch er vom Rand aus zurück zu den Anderen.
"Ich werde mich abseilen und sehen, ob ich sie mit herauf bringen kann. Wir dürfen keine Zeit verlieren! Vielleicht ist sie verletzt. Außerdem können wir uns hier nicht mehr lange aufhalten." Er winkte Hamilton zu sich heran. "Ist es das? Ist DAS Aaron?"
Der Wissenschaftler mußte sich eng an O'Neill drängen um ihm zu antworten. "Ich fürchte nicht! Das sind nur die ersten Ausläufer. Ich denke, es wird noch viel schlimmer werden."
Der Colonel nickte. Wie hätte es auch anders sein können? Konnte nicht ein einziges mal etwas glatt gehen?
Er nickte Teal'c und Daniel zu, die ihm signalisierten, daß sie bereit waren. Vorsichtig ließ er sich über den Rand gleiten. Mißtrauisch sah er das Seil an, an dem er hing. Unter normalen Umständen hätte er ihm vertraut, aber das scharfkantige Eis war der Tod jeder noch so guten Ausrüstung.
Stück für Stück glitt er hinab und versuchte gleichzeitig nach unten zu sehen und sich auf die Wand vor sich zu konzentrieren, an der entlang er sich abseilte. Es dauerte nicht lange bis er in der verwinkelten Schlucht den Boden fand. Obwohl es nicht mehr als zwanzig Meter sein konnten, war es ihm hier unten nicht möglich den Eingang am oberen Ende zu sehen.
Vorsichtig leuchtete er mit der Taschenlampe herum. Der kleine Lichtkegel riß kaum einen Bruchteil der Schlucht aus der Dunkelheit. Noch einmal sah er nach oben. Er war genau dort herunter gekommen, wo er den Fetzen von Carters Rucksack gefunden hatte. Sie mußte doch irgendwo sein!
Während er seinen Blick langsam sinken ließ, bemerkte er auf einem eisbedeckten Vorsprung einige Meter entfernt etwas Dunkles. Hektisch stolperte er vorwärts und berührte den Fleck. Es war unzweifelhaft Blut und es begann bereits zu gefrieren. O'Neill sah sich um und entdeckte einen Eisblock, den eine Lawine mitgebracht haben mochte. Er stieg hinauf und leuchtete auf den Vorsprung, den er von unten nicht einsehen konnte und da war sie.
Carter lag bewußtlos und mit einer Platzwunde irgendwo am Kopf auf dem Eis. Vorsichtig schüttelte er sie "Carter?" Sie antwortete nicht.
Er zog ein Messer aus der Tasche und befreite sie von den Gurten des Rucksackes. Er zog den Verschluß ihrer Jacke auf. Erst danach zog er einen seiner eigenen Handschuhe aus. Hier unten war es wärmer, wenn man es so nennen konnte. Die Temperatur lag immernoch unter dem Gefrierpunkt aber es war für diesen kurzen Moment nicht gefährlich.
Vorsichtig legte er eine Hand auf ihren Hals und begann einen Puls zu suchen. Er atmete erleichtert auf, als er ihn fand. Dann tastete er ihren Schädel, ihren Hals, Rippen und Beine ab, um eventuelle Verletzungen aufzuspüren. Seine Hände waren klamm und gefühllos und so konnte er nicht besonders viel feststellen, aber dennoch genügte es, um sich Sorgen zu machen. Er mochte sich irren, aber der leichte Blauschimmer, der sich unter Carters linkem Auge zu bilden begann, konnte Zeichen eines Schädelbruches sein. Ihr Brustkorb auf der gleichen Seite knirschte unter der Berührung und gab dem Druck nach. Es gefiel ihm ganz und gar nicht, denn wenn dem so war, dann hatte sie sich vielleicht nicht nur eine oder zwei Rippen gebrochen, sondern gleich eine ganze Reihe. Und das bedeutete wiederum, daß sie sie mit ihren Möglichkeiten nicht hier heraus holen konnten. Das Seil würde die gebrochenen Rippen und die Lunge quetschen und zu weiteren Blutungen führen. Selbst wenn sie Carter sofort durch das Tor bringen konnten, war ihr Überleben dann fraglich. Aber das Tor war noch eine Meile entfernt und der Weg dorthin dauerte Gott weiß wie lange. Nein, in diesem Fall kam nur eine professionelle Rettung in Frage oder gar keine.
Es mußte eine Entscheidung getroffen werden, und O'Neill traf sie. Schweren Herzens. Er zog an dem Seil, das ihn mit der Oberfläche verband und ließ sich hinauf ziehen.
Oben angekommen, beugten sich Daniel und Teal'c zu ihm.
"Sie ist verletzt, aber am Leben. Wir können sie nicht herausholen. Das wäre ihr Tod."
Er schwieg einen Moment und sah nach unten. Er wollte die beiden nicht ansehen, damit sie seine Zweifel nicht erkannten. "Wir müssen uns trennen", stellte er fest. Es war etwas, was sie nur in ganz seltenen Fällen von ihm hörten. Normalerweise bestand er darauf, daß sie in Situationen wie diesen zusammen blieben und normalerweise hatte er auch Recht damit.
"Teal'c, du und Daniel bringt Hamilton und seine Leute durch das Tor. Ich bleibe bei Carter."
"Aber O'Neill..."
"Jack, Sie..." fielen ihm die beiden gleichzeitig ins Wort.
Aber der Colonel beendete die Diskussion sofort mit einem entschiedenen "Nein! Es gibt keinen anderen Weg. Dort unten ist es lange nicht so kalt wie hier oben. Wir werden es ein paar Stunden lang aushalten können. Sie bringen unsere Wissenschaftler auf die Erde und kommen dann mit Verstärkung zurück, um uns zu holen."
Sein Befehl klang vernünftig. Warum hatten sie dann aber das Gefühl, ihn und Carter im Stich zu lassen?
"Nun geht schon!" brüllte er sie an und war dabei absichtlich barsch. "Wenn ihr euch nicht beeilt, werdet ihr noch festfrieren!"
Teal'c schien die Logik dieser Anordnung einzuleuchten. Denn er nickte nur und ging zu Hamilton hinüber um ihn über ihre geänderten Pläne zu informieren. Aber Jackson rührte sich nicht von der Stelle.
"Ich bleibe hier, Colonel."
"Nein, das werden Sie nicht. Sie gehen, das ist ein Befehl!"
"Ich bin keiner Ihrer Soldaten."
"Wenn ich hier mein eigenes Leben aufs Spiel setze, dann ist das meine Sache, aber ich bin nun mal auch für Sie verantwortlich, ob Ihnen das gefällt oder nicht und ich sage, Sie gehen!"
"Und ich sage, ich tue es nicht! Hören Sie, Jack. Sie brauchen mich. Wie glauben Sie, sollen die Rettungsmannschaften Sie finden, wenn sie ankommen? Wir haben den Eingang zu dieser Spalte nur durch Zufall gefunden und das Funkgerät wird dort unten nicht funktionieren. In nur einer Stunde wird der Sturm das Aussehen der ganzen Gegend verändert haben. Jemand muß hier sein, ab und zu an die Oberfläche kommen und den Funkkontakt halten. Sie können nicht beides tun, Sie können nicht hier oben warten und gleichzeitig bei Carter sein", fügte er eindringlich hinzu.
Schließlich nickte O'Neill und gab widerwillig sein Einverständnis.
Die eigentlichen Vorbereitungen dauerten nicht lange. Das Seil, das als Sicherung für den Weg hinunter diente, wurde an einem stabil erscheinenden Felsen befestigt. Ein weiteres wurde zum abseilen doppelt gelegt. Alle Anwesenden überprüften ihre Vorräte und gaben dem Colonel so viele Batterien wie möglich, außerdem überließen sie ihm ein paar Vorräte und einige Brennstofftabletten, die zwar keine Wärme spendeten aber dafür vielleicht etwas Licht. Teal'c verabschiedete sich und machte sich auf den Weg. O'Neill hatte vollstes Vertrauen in seine Fähigkeiten. Wenn jemand in der Lage war, die Meile bis zum Tor unter diesen Umständen zurück zu legen, dann war es der Jaffa.
Trotzdem beschlich ihn bei diesem Abschied eine dunkle Vorahnung.
O'Neill wandte sich wieder dem Seil zu, das bereits mit einem dünnen Eispanzer überzogen war. Im dichten Schneetreiben und in flackernder Dunkelheit versuchte er wieder in die Spalte hinabzusteigen. Es erforderte seine volle Aufmerksamkeit.
Daniel sah zu, wie O'Neill abstieg und vertraute danach sein Leben ebenfalls jenem dünnen Seilen an. Er zog sich nur wenige Meter tief in die Spalte zurück. Gerade genug, um Aarons Zorn zu entkommen, aber immer noch weit genug oben, um die Funktion des Funkgerätes zu gewährleisten. Dort blieb er in den Seilen hängen und fragte sich, wie lange es wohl dauern mochte, bis Teal'c mit ihren Rettern zurück kam.
Jack fürchtete sich vor dem Moment, da er den Grund der Schlucht erreichte. Viel lieber wollte er sicher sein, daß es Carter gut ging. Aber er konnte nicht sicher sein. Im Gegenteil. Er hatte nicht die geringste Ahnung was ihn erwartete. Es ist ein furchtbares, ohnmächtiges, kaum zu beschreibendes Gefühl, wenn man jemanden, den man sehr mag, tot auffindet oder zusehen muß, wie er stirbt. Er war sich nicht sicher, ob er fähig war, das zu ertragen, noch einmal.
O'Neill verdrängte diesen Gedanken schnell wieder. Noch war sie nicht tot. NOCH nicht! Und wenn er etwas dazu zu sagen hatte, dann blieb es auch dabei. Er hielt den Atem an, als er erneut auf den Vorsprung sah. Ein paar Sekunden lang beobachtete er Carter nur im schwachen Schein seiner Taschenlampe. Aber dann sah er eine Arterie an der Seite ihres Halses pulsieren und war sich sicher, daß sie lebte. Siehst du, es ist alles in Ordnung mit ihr. Es ist nicht so schlimm, dachte er. Es wird schon werden. Wir haben es schließlich immer geschafft.
Erst jetzt gewann er die Herrschaft über sich einigermaßen zurück und war in der Lage, darüber nachzudenken, was er tun konnte, um ihr Überleben zu sichern.


****************


Es löste Unruhe aus, als das Stargatecenter das Rückkehrsignal von SG-1 erhielt. Eigentlich hätte es General Hammond nicht wundern sollen. War es nicht immer SG-1, die in die schlimmsten Schwierigkeiten gerieten? Er fragte sich nur, wie sie das jedes Mal anstellten. Auf diesem Planeten gab es nun wahrhaftig nichts gefährliches. Gut, er war etwas unwirtlich, aber es gab schlimmere Orte als diesen.
"Iris öffnen!" befahl er.
Mit einem Kreischen öffnete sich der Schutzmechanismus des Tores und gab den Blick auf den wabernden Ereignishorizont frei. Es dauerte nicht lange, und ein paar vermummte Gestalten taumelten hindurch. Das Tor blieb noch einige Sekunden lang offen, dann schloß es sich.
Verblüfft und besorgt erkannte der General, daß es unmöglich alle Mitglieder der Expedition sein konnten. Er zählte sie nach. Drei von ihnen fehlten. Sofort machte er sich auf den Weg in den Torraum.

Teal'c zog gerade die Kapuze vom Kopf und mit ihr auch eine durchnäßte Mütze. Hinter ihm schälten sich Hamilton und seine Leute aus ihrer Ausrüstung.
"Was ist passiert?" fragte Hammond knapp und sachlich, auch wenn er es vor Ungeduld kaum aushielt.
"Major Carter hatte einen Unfall. Sie ist in eine Spalte gestürzt. Colonel O'Neill und Daniel Jackson sind bei ihr geblieben, bis wir mit einer Rettungsmannschaft zurückkehren. General, ich wünsche an dieser Aktion teilzunehmen."
"Wärmen Sie sich erstmal auf und ziehen Sie trockene Sachen an. Danach melden Sie sich bei Doktor Frasier und lassen sich untersuchen. Es wird eine Stunde dauern, bis wir den Rettungstrupp losschicken können. Wenn Sie bis dahin das OK vom Doktor haben, sind Sie dabei."
"Ich fürchte so einfach ist es nicht, General", mischte sich nun Hamilton ein. "Major Carter hat sich nicht ohne Grund verletzt. Wir sind überraschend in einen Sturm geraten. Sie sollten sich ansehen, was wir mitgebracht haben, bevor Sie weitere Entscheidungen treffen." Dabei klopfte er vorsichtig auf die wasserdichte Tasche mit dem Laptop, das die Wetterdaten enthielt.
Hammond nickte kurz angebunden. "Treffen Sie alle nötigen Vorbereitungen für eine Rettungsaktion", wies er die anwesenden Soldaten im Torraum an. "Und Sie," wandte er sich an Hamilton "haben dreißig Minuten Zeit, sich ihre Argumente zurecht zu legen und sie mir vorzutragen. Wir treffen uns in einer halben Stunde im Konferenzraum."

Es dauerte weniger als die veranschlagte halbe Stunde, bis sich Teal'c, General Hammond und Doktor Hamilton im Konferenzraum trafen. Irgendwie hatten sie es in Rekordzeit geschafft sich umzuziehen und aus Doktor Frasiers eisernem Griff entlassen zu werden. Nur die Tatsache, daß beide dicke Pullover trugen, wies darauf hin, daß sie bis vor kurzem noch bis an die Knie in Schnee und Eis gestanden hatten.
"Also, was ist denn nun genau passiert?" fragte Hammond.
"Wir sind auf dem Planeten von einem schweren Sturm überrascht worden. O'Neill befahl den Rückzug. Wir hätten dort sonst nicht überleben können. Auf dem Weg zurück rutschte Major Carter ab und fiel in eine Spalte. Wir können sie ohne entsprechende Ausrüstung nicht retten, ihre Verletzungen sind zu schwer", antwortete Teal'c ihm.
"Wie ich schon sagte, könnte das allerdings schwierig werden", meldete sich nun Hamilton. "Ich wünsche mir ebenso sehr wie alle hier, daß wir SG-1 gesund wieder zurück bekommen, aber lassen sie mich ihnen die Daten zeigen." Er hatte seinen Computer mit dem Wandmonitor verbunden und zeigte nun verschiedene Bilder, um zu veranschaulichen, was er erklärte. "Als wir auf Hoth ankamen, haben wir Ihre Flugsonden für die Sammlung eines ersten Paketes von Wetterdaten genutzt, die wir heruntergeladen und mitgenommen haben. Mein erster Blick darauf hat den Colonel veranlaßt, den Rückweg anzutreten." Er schaltete den Monitor auf die graphische Darstellung eines Sturmsystems um. "Das ist der Zyklon Aaron. Er näherte sich uns unbemerkt und erreichte uns schließlich, bevor wir unsererseits das Tor erreichen konnten. Wir haben die Daten noch nicht auswerten können, aber wir glauben, daß es sich um so eine Art Superhurrican handelt. Seine Windgeschwindigkeiten liegen weit über dem, was wir von der Erde kennen. Ich schätzte, wir können durchaus mit dreihundert Stundenkilometern und sogar noch viel mehr rechnen. Ich wage es kaum, eine Prognose zu stellen. So etwas habe ich noch nie gesehen. So etwas hat auf diesem Planeten noch niemand gesehen." Er schwieg einen Moment ehrfürchtig. "Wie wir selbst erlebt haben, führt er schwere Niederschläge mit sich. Durch die niedrigen Temperaturen überzieht er deshalb jede Oberfläche innerhalb kürzester Zeit mit einer dicken Eis- oder Schneeschicht. Die statische Aufladung in der Atmosphäre ist durch Aarons Dynamik so groß, daß pausenlos Blitze niederschießen."
"Und was heißt das nun? Soll ich die Sache abblasen? Wollen Sie das damit sagen?"
"Aber nein, das will ich natürlich nicht. Ich möchte nur, daß Sie sich im klaren darüber sind, was Sie auf der anderen Seite erwartet", fuhr Hamilton fort.
"Die Unglücksstelle ist kaum mehr als eine Meile vom Stargate entfernt", bemerkte Teal'c. "Wenn wir uns beeilen, können wir sie vielleicht erreichen, bevor das Zentrum dieses... Dinges sie trifft." Er weigerte sich, einer so seelenlosen Gefahr wie einem Sturm einen Namen zu geben.
"Theoretisch trifft das zu. Tatsächlich bewegt sich der Sturm mit nur etwa zwanzig Meilen in der Stunde vorwärts. Aber sie haben selbst erlebt, mit welcher Kraft er bereits jetzt zuschlägt. Eine Rettungsmission müßte nicht nur mit erheblichen Schwierigkeiten rechnen, sondern auch sehr schnell sein. Sonst sitzen da draußen bald mehr als nur drei ihrer Leute fest."
Das alles schmeckte Hammond nicht. Wie jeder gute Offizier ließ er nie jemanden zurück, wenn es nicht absolut notwendig war. Er hatte immer gewußt, daß er eines Tages in eine Lage wie diese kommen würde. Eine Lage, in der er gezwungen war, zwischen dem Leben der ihm unterstellten Truppen und dem Leben befreundeter Menschen zu wählen. Er hielt Hamilton für kompetent, aber es fehlte dem General an der nötigen Vorstellungskraft, um aufgrund seiner Ausführungen eine Rettungsmission abzusagen.
"Wir schicken ein MALP durch das Tor", entschied er sich. "Dann werden wir sehen was wir tun können." Es war keine wirkliche Entscheidung. Es war nur ein Aufschub. Er war dankbar dafür, aber der Gedanke, daß er sie trotzdem irgendwann treffen mußte, quälte ihn.


****************


Seit zwei Stunden hing Daniel nun schon in den Seilen. Der Wind und die Kälte waren am Anfang noch erträglich, jetzt waren sie es nicht mehr. Er spürte seine Beine und auch seine Hände nicht länger. Selbst wenn man ihn in diesem Moment angefunkt hätte, hätte er wahrscheinlich nicht antworten können, weil er nicht mehr in der Lage war die entsprechenden Tasten zu drücken.
Trotzdem versuchte er seine Position zu halten. Der gesunde Menschenverstand sagte ihm, daß er sich längst hätte abseilen müssen, so lange er noch fähig dazu war. Aber er wollte es nicht. Er wollte nicht aufgeben, wollte die einzige Verbindung zur Erde nicht aufgeben, die ihnen vielleicht noch blieb. Es konnte nicht mehr lange dauern. Unter normalen Umständen sollten sie das Tor längst erreicht haben, aber bei diesem Wetter....? Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie lange er noch warten mußte. Immerhin hatte er es bis jetzt ausgehalten, oder nicht? Kam es da auf fünf weitere Minuten an? Sicher nicht. Und dann noch ein paar Minuten, und dann nochmal fünf... Und so summierte sich die Zeit, die er entgegen besseren Wissens an der Oberfläche blieb.
Aarons Toben wurde immer lauter und fordernder. Zusammen mit der Kälte löschte sein Brüllen bald jeden klaren Gedanken aus und ließ ihn vor sich hin dämmern.
In das ewige Grollen des Donners und das Heulen des Windes in der Schlucht mischte sich ein dumpfer Unterton, der Daniel aufhorchen ließ. Ein stetiges, lauter werdendes Lärmen, das er nicht identifizieren konnte. Er klammerte sich fester an das Seil und hätte schwören können, daß er eine feine Erschütterung spürte. Wie seine Glieder, schien auch sein Denkvermögen eingefroren zu sein, denn es war ihm nicht möglich irgendwelche Schlüsse aus diesen Tatsachen zu ziehen.
Entschlossen stemmte er die Füße in das Eis und schob sich so gut es ging über den Rand der Spalte. Sofort schnitt ihm der eisige Wind ins Gesicht. Ohne die Schutzbrille, die er trug, hätte er unmöglich etwas sehen können.
Das ständig zunehmende Donnern wurde lauter, und noch immer konnte er nicht feststellen was die Ursache dafür war. Das Schneetreiben nahm ihm die Fernsicht, obwohl das Land immerwieder vom Flackern der Blitze erhellt wurde.
Doch plötzlich rastete etwas in Jacksons Gehirn förmlich ein und ließ ihn in letzter Sekunde den Kopf einziehen. Er sah die Lawine nicht, die den Berghang herunter kam, aber sie rollte mit dem Gewicht und dem Geräusch eines Güterzuges über ihn hinweg. Er spürte wie ihn Schnee und betonharte Eisbrocken zu erschlagen drohten und wie ihr Gewicht ihn nach unten zurück in die Spalte drückte. Das Seil an seinem Geschirr lockerte sich unter dem Gewicht und gab nach. Daniel begann in die Tiefe zu fallen. Geistesgegenwärtig griff er nach dem entsprechenden losen Ende und hielt es mit aller Kraft fest. Bereits nach wenigen Metern gelang es ihm so, seinen Fall zu bremsen.
Links und rechts von ihm fielen schwere Eisblöcke in die Tiefe. Er konnte nur hoffen, daß Carter oder O'Neill nicht von ihnen getroffen wurden.
Einen kurzen Moment danach war alles vorbei. Es wurde still. Die Lawine hatte den Eingang zur Schlucht versperrt und Aaron ausgeschlossen. Nun waren sie vor dem Sturm zwar sicher, aber sie hatten ein neues Problem. Sie waren gefangen, ohne Funkkontakt nach außen und es war fraglich, ob es Daniel möglich war, sich durch das Lawinenfeld hindurch nach oben freizugraben.


*********************


"Das MALP ist so weit, General. Wir können auf Ihr Zeichen beginnen."
"Gut, wählen Sie den Planeten an."
Langsam setzte sich das Stargate in Bewegung. Für Hammond persönlich war das alles ein Alptraum. Er war Profi genug, um seine Ängste beiseite schieben und kühlen Kopf bewahren zu können, aber er war nicht aus Stein und er war auch nicht dumm. Selbst wenn man es ihm nicht ansah, machte er sich ernsthafte Sorgen.
Das Stargate war bereit und öffnete sich mit einem Knall. Der Durchgang zu dem Planeten war etabliert. Langsam kroch das MALP die Rampe hinauf und verschwand im Ereignishorizont.
"MALP erreicht P4X-964 in drei... zwo... eins.... Ankunft."
"Lassen Sie sehen."
Ein dunkles Bild erschien auf dem Monitor. Ab und zu flackerten ein paar Blitze, aber die Zeit war jedes mal zu kurz, damit die Kamera sich an die Lichtmenge gewöhnen und brauchbare Bilder liefern konnte.
"Umschalten auf Nachtsicht."
Das Bild bekam einen grünen Schimmer. Tatsächlich waren nun Umrisse in der Umgebung zu erkennen. Aber mit jedem Blitz, der aufzuckte, verschwand die Darstellung für ein paar Sekunden, bis die Kamera die Überdosis Licht kompensierte.
"Versuchen Sie, mit Jackson und O'Neill Kontakt aufzunehmen."
"Jawohl, Sir. Stargatecenter an SG-1, können Sie mich hören? Stargatecenter an SG-1, Doktor Jackson, Colonel O'Neill, hören Sie uns?"
Sie warteten einen Moment gespannt, aber sie bekamen keine Antwort.
"Versuchen Sie es weiter", sagte der General, dann wandte er sich an den Techniker, der an dem Rechner direkt zu seiner Rechten saß. "Wie sind die Bedingungen am Tor?"
"Schwierig."
"Geht es auch etwas genauer?"
"Ich wäre gern genauer, aber das MALP übermittelt nicht mehr Daten. Die Meßinstrumente sind bereits vereist."
"Schon nach so kurzer Zeit?"
"Ja, Sir. Ich versuche, die Kamera auf das DHD zu richten. Sehen Sie das Rucken auf dem Bildschirm? Das ist kein Computerfehler. Das ist die Mechanik der Kamera, die einzufrieren beginnt."
Atemlos betrachtete Hammond das Bild. Hamilton stand neben ihm und schwieg. Der Schnee schien vielmehr flüssiges Eis zu sein als irgend etwas anderes. Fast waagerecht trieb ihn der unbarmherzige Wind vor sich her.
"Sir, sehen sie sich das an...." sagte der Techniker.
Er hatte das DHD ins Bild geholt. Es war dem General nicht entgangen, daß er dazu das MALP etwas drehen mußte, weil die Kamera der Bewegung inzwischen nicht mehr folgte. Das Rückwahlgerät war unter einer Schneewehe fast völlig begraben. Was davon noch sichtbar war, war von einer mehrere Zentimeter dicken Eisschicht bedeckt.
Plötzlich schwankte das Bild. Die Kamera zog Streifen über den Monitor und schaltete sich schließlich ab.
"Was ist passiert?" fragte Hamilton.
"Ich schätze wir haben das MALP verloren. Es sendet noch an uns, aber nur noch wenige Parameter sind meßbar. So wie es aussieht, wurde es vom Wind umgeworfen."
"Vom Wind...?" Hammond war sprachlos.
"Ja Sir, trotz seines großen Gewichtes und seines niedrigen Schwerpunktes. Ich bin kein Meteorologe, aber wenn Sie mich fragen Sir, dann ist da draußen die Hölle los!"
Hammond nickte resignierend. Sein Entschluß stand fest. Es gab gar keine andere Möglichkeit. Trotzdem sträubte sich alles in ihm, es laut auszusprechen, denn er hatte das Gefühl Carter, Jackson und O'Neill damit zum Tode zu verurteilen.
"Wie lange geht das noch so weiter?" fragte er stattdessen.
"Die Bedingungen werden sich frühestens in dreißig Stunden wieder bessern."
Der General nickte. "Halten Sie das Tor so lange offen wie das MALP noch halbwegs funktioniert und versuchen sie weiterhin SG-1 zu erreichen. Bereiten Sie alles vor. Die Rettungsaktion startet in dreißig Stunden."
Es gab keine andere Alternative. Wenn er jetzt jemanden nach P4X-964 schickte, dann wäre es sein Todesurteil, und zwar auch deshalb, weil er keine Chance hatte, mittels DHD zurückzukehren. Es mochte die einzige logische Schlußfolgerung sein, aber dennoch hat man immer das Gefühl Verrat zu begehen, wenn sich die Logik auf so grausame Weise gegen die eigenen Freunde richtet.
"Ja, Sir", antwortete der diensthabende Offizier knapp. Auch er wußte, was es mit diesem Befehl auf sich hatte.
"Es tut mir leid, General. Ich wünschte, ich hätte mich geirrt", sagte Hamilton.
Hammond sah ihn genau an. Sein Bedauern war ehrlich. Er nickte kurz und ging dann. Er brauchte jetzt unbedingt ein paar Minuten für sich.


*********************


Daniel schüttelte entschlossen den Kopf, einerseits, um seine Gedanken wieder klar zu bekommen, zum anderen, um den Schnee loszuwerden, mit dem ihn die Lawine überschüttet hatte.
Vorsichtig sah er an den Seilen entlang, an denen er hing, aber über ihm war nichts als Dunkelheit. Irgendwo unten erhellte etwas die Schlucht. Wahrscheinlich war es O'Neill, der Licht gemacht hatte.
"Jack?" rief er. "Jack, alles in Ordnung bei Ihnen?"
"Ja, wenn man es so nennen kann. Und bei Ihnen?"
"Ich sitze fest. Die Lawine hat meine Seile eingeklemmt. Ich bin ein Stück gefallen und das verflixte Gurtzeug hat sich verheddert. Ich komme keinen Meter mehr vorwärts." Wieder einmal verfluchte sich Daniel dafür, daß er nie Carters Angebot angenommen hatte, ihm das Klettern richtig beizubringen. Er konnte leidlich mit der Ausrüstung umgehen, aber um Probleme wie dieses zu bewältigen, oder auch nur zu beschreiben welcher Art es war, dazu reichte sein Wissen nicht aus.
"Wo sind Sie Daniel?"
"Ich bin hier." Er hörte, wie sich etwas unter ihm bewegte und sah dann direkt in eine Taschenlampe. Reflexartig hob er die Hand und schirmte seine Augen ab.
"Oh, Sie haben noch ein paar Meter bis nach unten", bemerkte O'Neill.
"Ich weiß. Geben Sie mir lieber einen Tip, wie ich Sie unbeschadet hinter mich bringen kann."
"Tja, ich schätze, da sind die Auswahlmöglichkeiten recht begrenzt." Er leuchtete etwas herum. "Wie wäre es hier?" fragte er.
"Jack, dort sind es sogar noch zwei Meter mehr, wenn ich herunterfalle."
"Stimmt, aber die Wand ist dort glatt und ohne Vorsprünge, auf die Sie treffen könnten, wenn Sie fallen, und die Lawine hat nur Schnee abgeladen und keine Eisblöcke. Sie hätten mal die Dinger sehen sollen, die neben mir und Carter herunter gekommen sind. Von denen wiegt jeder einzelne mindestens eine Tonne!"
"Na, das ist ja sehr beruhigend." Eigentlich war der Sarkasmus in seiner Stimme nicht zu überhören, trotzdem gelang es Jack.
"Ja, das finde ich auch. Werfen Sie zuerst Ihre Ausrüstung herunter."
Daniel befreite sich von seinem Rucksack und Jack zog ihn aus dem Weg.
"Und jetzt versuchen Sie an der Wand Halt zu finden und ein paar Meter nach links zu klettern, bis ich stop sage."
Daniel tat gehorsam, was man ihm sagte. Sein Körper gehorchte zwar, aber jede seiner Bewegungen war verlangsamt und unpräzise. Obwohl er nicht fror, mußte er annehmen, daß er an den Folgen einer Unterkühlung litt. Immer wieder versuchte er seitwärts zu klettern und immer wieder rutschte er ab. Er konnte kaum genug Kraft und Geschicklichkeit aufbringen um zu tun, wozu O'Neill ihn anwies, doch schließlich schaffte er es, an der eisglatten Wand im Halbdunkel einen unsicheren Halt zu finden.
"Und jetzt nehmen Sie ihr Messer und schneiden die Seile durch, eins nach dem anderen."
"Sind Sie verrückt?"
"Wollen Sie da oben hängen bleiben?"
Nein, das wollte er sicher nicht. Jack hatte recht. Aufschieben nützte nichts. Nur mit wenig Begeisterung zog er sein Messer hervor und zog es über das erste Seil. Er konnte es kaum sehen aber er fühlte wie es mit einem peitschenden Geräusch unter der Klinge davonsprang. Jedes einzelne der drei Seile war in der Lage sein Gewicht zu halten, trotzdem war ihm nicht wohl dabei, als er sie durchschnitt. Wie weit war es bis nach unten? Er konnte es wirklich nicht sagen. Er erinnerte sich an seinen ersten Sprung von einem Drei-Meter-Brett im Schwimmbad. Von oben sahen die drei Meter bedeutend höher aus, als sie es in Wirklichkeit waren.
Das zweite Seil zerriß. Er hatte sich immer auf Jack verlassen können. Wenn er sagte, daß dort unten eine dicke Schneeschicht lag, dann war es auch so. Und dennoch... es war jedes einzelne Mal eine ziemliche Überwindung für ihn, sich auf ein Seil wie dieses zu verlassen und sich ihm anzuvertrauen und nun sollte er es absichtlich zerstören?
Vorsichtig setzte er das Messer am dritten Seil an. Seine Füße gruben sich in das Eis an der Wand. Er hatte kein Gefühl mehr in den Zehen. Auch wenn er glaubte sicher zu stehen, mußte das also nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen.
"Nun machen Sie schon. So hoch ist es nun auch wieder nicht."
"Ja doch", gab Daniel gereizt zurück. Im selben Moment begann er das Gleichgewicht zu verlieren. Bevor sein Ausrutscher zu einer ernsten Gefahr für ihn werden konnte, zog er das Messer entschlossen über das Seil und ließ sich rückwärts fallen.
Es war ein unangenehmes Gefühl zu fallen, aber nicht halb so unangenehm wie der Aufschlag. Der Schnee war nicht weich und puderig wie der auf der Erde, sondern scharfkantig und bröckelig. Daniels Aufprall war darum ziemlich hart. Er sank in der zähen Masse ein, die über ihm zusammenschlug wie Treibsand. Einen Moment lang verlor er die Orientierung und geriet in Panik, aber dann packte ihn ein Arm und zog ihn heraus.
"Na Daniel, noch alles dran?"
"Ich glaube, da muß ich erstmal nachsehen."
"Fein, kommen Sie mit, ich brauche Sie bei Carter."
"Wie geht es ihr?"
"Sie ist wieder zu sich gekommen." Er senkte die Stimme etwas. "Aber es geht ihr nicht besser. Wir müssen sie so schnell wie möglich hier herausholen."
"Da oben geht es jedenfalls im Moment nicht." Daniel zeigte nach oben, wo sie in die Spalte gelangt waren. "Wir müssen wohl oder übel darauf vertrauen, daß man uns rettet."
"Haben Sie irgendwas mit dem Funkgerät aufgeschnappt?"
"Nein, nicht das geringste." Er konnte sehen, wie sich O'Neills Gesicht verschloß. Das war etwas, was er eindeutig nicht hören wollte, aber es war trotzdem nichts als die Wahrheit. "Aber da oben konnte man sein eigenes Wort nicht verstehen", fuhr er fort und hoffte, daß es ihn etwas beruhigte. "Aaron hat einen derartigen Lärm veranstaltet, daß man über mir einen Senkrechtstarter hätte landen können und ich hätte es nicht bemerkt. Sie lassen uns schon nicht im Stich."
"Nein, das werden sie nicht. Es ist ja auch nicht so, daß sie nicht wüßten, wo wir sind. Richtig?"
"Richtig."

Stunde um Stunde verging. O'Neill und Jackson leisteten Carter Gesellschaft und versuchten sie wach zu halten, aber häufig gelang es ihnen nicht. Sie hatten alle nur möglichen Kleidungsstücke dazu benutzt, um sie zu wärmen.
Eine weitere genauere Untersuchung hatte ergeben, daß sie sich neben ihren offensichtlichen Verletzungen noch zwei Finger gebrochen hatte.
Vorsichtig versuchten sie, sie auf die Seite zu drehen, um eine Unterlage unter ihren Körper zu bekommen. Nach nur wenigen Versuchen waren sie nahe daran aufzugeben. Sie schrie vor Schmerzen auf, aber es war ihnen auch klar, daß sie sehr schnell an einer Unterkühlung leiden und vielleicht daran sterben würde wenn sie nichts taten. Also nahmen sich beide zusammen und führten die Sache zuende, auch wenn es ihnen in der Seele weh tat, Carter so leiden zu lassen.
Hier unten in der Spalte konnten sie es wagen, die Handschuhe auszuziehen und sobald sie damit fertig waren Carter einzupacken und ihre Wunden zu verbinden, fiel Daniel auf, daß Jacks Hand schlimm verletzt war. Die ganze Zeit hatte er angenommen, daß es Carters Blut war, das er an den Händen und in den durchweichten Handschuhen hatte, aber nun erkannte er, daß es sein eigenes war.
"Wie haben Sie denn das angestellt?"
"Das? Ach, das ist nichts, ich bin nur hingefallen."
"Zeigen Sie mal her."
"Nein, es ist nichts."
"Nun kommen Sie schon. Sie können die Hand ja nicht einmal mehr öffnen."
"Ich sagte, es ist nur ein Kratzer! Ich habe versucht, mich an einem Eisbrocken festzuhalten."
Daniel wußte sehr gut, wie das Eis auf diesem Planeten beschaffen war. Wenn es von der richtigen Art war, konnte man ebenso gut in eine Rasierklinge fassen.
"Zeigen Sie her, ich verbinde es."
"Kümmern Sie sich lieber um Carter."
"Für Carter haben wir getan, was wir konnten. Jetzt sind Sie dran." Der Klang seiner Stimme duldete keinen Widerspruch. Er zog das Verbandszeug aus einer Tasche und griff nach Jacks Hand, ohne auf Erlaubnis zu warten.
Wort- und widerstandslos ließ er sich verarzten. Er hatte mehrere tiefe Schnitte in der Handfläche. Das Blut war bereits gestockt und so konnte er unmöglich sagen wie groß der Schaden war.
Teilnahmslos und stumm ließ er Daniel arbeiten und starrte dabei Carter an. Zu gern hätte Jackson gewußt, was ihm durch den Kopf ging. Zeitweilig, besonders immer dann, wenn Carter wieder bewußtlos wurde, kam er ihm verwirrt, traumatisiert und auf gewisse Weise auch gehetzt vor. Kehrte sie dann ins Bewußtsein zurück, so tat er es auch. Dann war er ruhig, stark und zuversichtlich, freundlich und manchmal sogar witzig. Er konnte sich nicht erinnern, wann er Jack jemals so gesehen hatte.
Daniel kramte in seinem Rucksack herum. Dann hielt er O'Neill ein Kleidungsstück hin. "Hier, ziehen Sie das an."
Er sah ihn verständnislos an.
"Ihre Jacke ist durchgeweicht. Sie sind keine Hilfe, wenn Sie es Aaron so leicht machen." Jacks Jacke war völlig durchnäßt. Sie war klamm und kalt und die Feuchtigkeit begann in der Kälte zu gefrieren. Schon bildeten sich feine Eiskristalle auf dem Stoff, und das Gewebe wurde hart. Es war eine Herausforderung, sie unter diesen Umständen zu öffnen und auszuziehen.
Während er sich umzog, schien wieder etwas Leben in ihn zu kommen und auch Carter rührte sich wieder.
"Sam, wie geht es Ihnen?" fragte Daniel.
"Wie sehe ich denn aus?"
Daniel grinste. "Das wollen Sie sicher nicht wissen."
"Ah, so schlimm also..." aber auch sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln.
"Wie lange sind wir schon hier?"
"Etwas mehr als fünf Stunden." Jack mußte nicht auf die Uhr sehen. Er zählte die Minuten und mit jeder Minute hatte er mehr Zweifel.
"Dann müssen sie bald kommen", hauchte Sam und schlief wieder ein.
"Ja, das müssen sie wohl", flüsterte Jack. Vorsichtig kroch er zu ihr und sah sie genau an. Er maß ihren Puls und beobachtete, wie sie atmete.
"Wie sieht es aus?" fragte Daniel.
"Sie zeigt langsam Anzeichen eines Schocks. Ihr Puls wird schneller und flacher. Ihre Atmung ist schwach und oberflächlich. Sie hat auf beiden Augen ein Veilchen. Ich weiß nicht genau, was das bedeutet, aber ich würde auf einen Schädelbruch tippen", antwortete er sachlich. "Was glauben Sie wohl, wie es aussieht?"
O'Neill war schon lange Soldat. Er hatte viele Menschen überleben, aber auch viele sterben sehen. Er verstand gerade genug von Medizin, um seine eigene Haut und die seiner Kameraden im Notfall retten zu können. Auch wenn es ein Soldat nie zugab, so hatte er doch großen Respekt vor den Sanitätern und Ärzten. Sie waren Herz und Moral einer Truppe und jeder, der in einen Kampf zog, wußte ihre Dienste zu schätzen. So war es auch O'Neill ergangen. Obwohl er es nie jemandem erzählte, hatte er von ihnen viel gelernt. Geduldig und freundlich hatten sie ihm erklärt, wie er diesem oder jenem Kameraden besser hätte helfen können oder wie er verschiedene Hilfsmittel effektiver einsetzen konnte.
Doch nun sah er, wie ihm die zur Verfügung stehenden Mittel langsam ausgingen. Die Zeit lief ihm davon und all sein Wissen und seine Erfahrung nützten ihm nichts bei dem Versuch, den einen Menschen zu retten, der ihm so viel bedeutete.

"Daniel, wir müssen etwas unternehmen", stellte O'Neill bedächtig fest und sah den jungen Wissenschaftler scharf an. "Ich fürchte, es dauert sonst zu lange."
"Und wie haben Sie sich das vorgestellt?"
"Haben wir denn wirklich gar keinen Empfang? Wir müssen irgendwie wieder die Chance auf Funkkontakt bekommen. Gibt es denn überhaupt keinen Weg hier heraus?"
"Jedenfalls nicht den gleichen, den wir gekommen sind."
Daniel nahm seine eigene Taschenlampe, quetschte sich an einem Eisblock vorbei, den die Lawine in die Schlucht gespült hatte und leuchtete so weit er konnte in die Tiefe der Spalte. "Ich schätze, der Sturm hat uns etwas vom Weg abgebracht. Das hier sieht nicht wie das Geröllfeld aus, für das ich es an der Oberfläche gehalten habe. Ich habe eher das Gefühl, daß wir in einer Gletscherspalte sind." Er sprach nicht aus, daß man in diesem Falle vielleicht an der falschen Stelle nach ihnen suchte. Aber O'Neill war nicht dumm, er konnte diesen Schluß durchaus selbst ziehen, auch ohne daß es laut ausgesprochen wurde.
Daniel kniete sich hin und berührte den Boden. "Das Eis ist glatt. Vielleicht wurde diese Schlucht zeitweilig von Wasser durchflossen. Wenn das stimmt, muß es irgendwo geblieben sein. Vielleicht ist das ein Weg nach draußen."
"Worauf warten wir dann noch? Wir sollten nachsehen."
"Nein Jack, ich glaube nicht, daß es eine gute Idee ist, wenn wir beide gehen. Ich habe von solchen Gängen gehört. Sie können sich endlos verzweigen und ein echtes Labyrinth bilden. Wer weiß wie lange wir für unsere Suche brauchen würden. Und einer muß schließlich bei Carter bleiben."
O'Neill schüttelte den Kopf. Alles lief schief. Sich zu trennen war eine Entscheidung gewesen, mit der er nicht glücklich war, und dennoch hatte sie sich als die einzig richtige erwiesen. Die Tatsache, daß die Rettungsmannschaft noch nicht hier war, bedeutete daß sie Schwierigkeiten hatten, sie zu finden. Sie mußten ihnen entgegen kommen und auf sich aufmerksam machen.
Auch dieses Mal sträubte sich alles in ihm, als es daran ging, daß einer von ihnen allein gehen sollte. Aber es gab keinen anderen Weg.
"Ich werde nicht lange weg sein," stellte O'Neill fest. Er sah sich nach den Sachen um, die er mitzunehmen gedachte.
"Vielleicht ist es besser, wenn ich gehe," wandte Daniel vorsichtig ein. Er hatte den Colonel sorgfältig beobachtet. Er war mit seinen Gedanken vollständig bei Carter. Sein Gesicht war verkrampft und jeder einzelne Muskel seines Körpers schien angespannt zu sein. Daniel konnte sich nicht vorstellen, daß er in diesem Zustand fähig war, allein ein Netz gefährlicher Gletscherspalten zu untersuchen. Aber natürlich wollte er es ihm nicht allzu deutlich sagen. Jack haßte es, wenn man ihn durchschaute und tat in diesem Fall meist ziemlich genau das Gegenteil von dem, was man von ihm erwartete.
Außerdem schien er auf eine Weise mit Carter verbunden zu sein, die er so noch nie zuvor bemerkt hatte. Als sie damals in der Antarktis tagelang festsaßen, hatte sich Sam um O'Neill gekümmert und ihn am Leben erhalten. Nun waren die Rollen vertauscht. Er hatte das Gefühl, daß es vielleicht wichtig war, daß sie diese Zeit miteinander verbrachten.
"Ihre Hand ist verletzt. Sie können nicht richtig zugreifen. Jedes Stolpern könnte gefährlich werden. Wenn schon jemand geht, dann werde ich es wohl sein."
O'Neill sah die Richtigkeit dieses Argumentes ein, aber es machte ihn unzufrieden, daß Daniel recht hatte. Trotzdem war seine Gegenwehr nicht bestenfalls halbherzig.
Mit wenigen Handgriffen hatte Daniel die Dinge verstaut, die er brauchte: eine Taschenlampe, ein paar Batterien, eine Essensration und das Funkgerät. Ohne lange zu zögern, begann er über den glatten Boden davonzuschlittern.


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Vorsichtig und ungeschickt versuchte O'Neill eine der Brennstofftabletten anzuzünden. Seine Finger waren kalt und steif und die Handfläche schmerzte. Nach einigen Versuchen gelang es ihm und er nutzte den kleinen Feldkocher, der in jede gute Ausrüstung gehörte, um Wasser zu erwärmen.
Neben seiner Wärme hatte diese kleine Flamme auch einen psychologischen Effekt: sie beruhigte und machte zuversichtlich. Jack wußte all das und dennoch funktionierte es auch bei ihm. Das Licht der Taschenlampe schien ebenso kalt zu sein, wie das Eis um sie herum. Es konnte mit dem einer echten Flamme nicht mithalten.
Aus einer Tüte schüttete er etwas Suppe in das Wasser und brachte sie nur unter Schwierigkeiten zum Kochen. Entweder begann die Temperatur nun auch hier unten zu sinken, oder es kam ihm nur so vor. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn Aarons Auswirkungen langsam auch hier zu spüren gewesen wären. Die Oberfläche war im Moment sicher kein Ort um sich dort aufzuhalten.
Er füllte die heiße Suppe in seine Feldflasche. So blieb sie länger warm und ließ sich besser trinken. Dann versuchte er Carter zu wecken.
"Carter?" fragte er. "Carter?" Vorsichtig legte er seine Hand auf ihre Schulter.
Sie schlug die Augen auf
"Hier, trinken Sie das."
"Was ist das?"
"Das wollte ich die Army auch schon immer fragen." Er grinste. Jack konnte selbst kaum glauben, wie selbstsicher er klingen konnte, wenn es sein mußte.
Vorsichtig nahm sie ein paar Schlucke, aber schnell wurde sie kurzatmig dabei, was er mit Besorgnis sah. Mit einer kompletten Reihe gebrochener Rippen konnte sie auf dieser Seite nicht atmen und wie bei jeder Fraktur, so würden auch diese Brüche bluten. Er konnte nicht genau sagen, welche Verletzungen sie hatte. Wahrscheinlich füllte sich in diesem Moment der Raum zwischen Brustwand und Lunge langsam mit Blut und vielleicht hatte sie noch eine Reihe weiterer innerer Verletzungen, von denen er nichts wußte.
Es war wichtig, daß sie etwas trank, um den Verlust ein wenig auszugleichen, aber viel mehr als das brauchte sie professionelle Hilfe, und zwar schnell, denn trotz allem, was er tat, konnte er förmlich zusehen, wie der Blutverlust sie mehr und mehr in einen Schockzustand fallen ließ.
"Wo ist Daniel?" fragte sie.
"Er versucht einen besseren Standort für das Funkgerät zu finden."
"Ich habe Kopfschmerzen."
"Ich weiß." Ja, das konnte er sich vorstellen. Er wußte wie sich ein Schädelbruch anfühlte. "Ist schon gut, Carter. Wir haben noch etwas Schmerzmittel."
"Nein, es macht mich müde."
Eine Mischung aus Kälte und Beruhigungsmitteln (und nichts anderes waren die Medikamente, die zu seiner Verfügung standen), konnte durchaus lebensbedrohlich werden aber unter diesen Umständen hielt er sie nicht für die schlechteste Lösung. Vielleicht verlangsamte das die Blutungen und zögerte Sams Verfall hinaus. Aber es war schwierig, die Waage zwischen dem, was gut für sie war, und dem, was gefährlich wurde, zu halten. O'Neill war sich dessen bewußt, aber er konnte nicht mit ihr darüber reden. Er mußte stark sein, zuversichtlich, all das, was er im Moment nicht war, damit sie nicht mehr beunruhigt war als nötig.
"Das wird schon wieder, Carter. Machen Sie sich keine Sorgen."
"Und was, wenn nicht?"
"Sie wissen, wo wir sind, und sind sicher schon auf dem Weg hierher."
Sie gab ein verkrampftes Lachen von sich.
"Nicht so wie in der Antarktis, was?"
"Nein, dieses Mal ist es nicht hoffnungslos." O'Neill grinste. Doch bereits in der selben Sekunde unterdrückte er den Impuls wieder, als ihm klar wurde, daß diese Aussage vielleicht eine Lüge war.
Beide schwiegen eine Zeit lang.
"Ich bereue nichts", sagte sie dann.
"Hmm?" Jack wußte nicht genau, was sie meinte.
"Als wir in der Antarktis im Eis eingeschlossen waren, so wie hier." Sie hielt einen Moment inne, um zu Atem zu kommen. Besorgt registrierte O'Neill die bläuliche Färbung ihrer Lippen. "Als wir dachten, es wäre zuende."
"Sprechen Sie nicht mehr davon, Carter. Es wird nicht wieder so weit kommen." Es war ihm unangenehm mit ihr darüber zu reden. Viel lieber hätte er den Gedanken daran weit von sich geschoben.
"Ich habe damals oft darüber nachgedacht, über uns beide, und ich bereue nichts. Wir hatten... eine gute Zeit."
Eine gute Zeit. Ja, so konnte man es nennen. Die Zeiten waren auch für ihn wieder besser geworden, als er schon nicht mehr damit gerechnet hatte. Das Stargateprogramm war sein Leben, sein einziges Leben.
Er sah sie an und wollte ihr antworten, aber sie war bereits wieder eingeschlafen.

O'Neill sah nicht auf die Uhr. Die Zeit verlor langsam aber sicher an Bedeutung. Längst hatte er es aufgegeben sich auszurechen, wann ihre Rettung wohl eintreffen würde. In seiner Verzweiflung und seiner Angst wünschte er sich, dass Daniel hier wäre. Dann hätte er wenigstens einen Grund sich zusammenzureißen. Sams Zustand verschlechterte sich in den letzten zwei oder drei Stunden so rasant, daß er das Schlimmste befürchten mußte und er wand sich bei dem Gedanken, dem allein entgegen treten zu müssen.
Er kroch zu Sam in das kleine Lager, das sie aus Schlafsäcken und Kleidung errichtet hatten, um sie zu wärmen. Erschreckt stellte er fest, daß ihr Körper kalt war. Also hatten alle ihre Mühen nichts genutzt.
Vorsichtig schmiegte er sich an sie. Er wagte es kaum sie zu berühren, aus Angst ihr weh zu tun, aber sie brauchte unbedingt etwas Wärme und es gab keine andere Wärmequelle hier unten als seinen eigenen Körper.
Aber es war mehr als das. Es war beruhigend und tröstlich, neben ihr zu liegen. Er hatte längst vergessen, wie sich so etwas anfühlte.
Sie spürte die Bewegung und erwachte.
"Jack?" flüsterte sie.
"Ja?"
"Es ist gut, daß du da bist."
Er schwieg, weil ihm keine Entgegnung darauf einfiel. Er wußte daß es vielleicht der einzige Augenblick war, der ihm blieb um zu klären, was ihm am Herzen lag. Was hatten sie zu verlieren? Das Eis hatte keine Ohren. Nichts von dem was sie hier sagten, würde jemals nach außen dringen, aber er ließ die Zeit ungenutzt verstreichen. Es war nicht seine Art, über so etwas zu reden.
Er hatte in seinem Leben eine Menge Dinge gehabt, gute Dinge, aber die meisten gingen ihm mit der Zeit verloren. Also hatte er aufgehört, angenehme Dinge oder Menschen zu einem Teil seines Lebens zu machen. Stattdessen genoss er sie aus professioneller Distanz. So war es auch mit Sam. Er hatte ihre Freundschaft und die Chance sie jeden Tag zu sehen und mit ihr zusammen zu sein. Meistens war er damit zufrieden und er dachte nicht daran etwas zu tun, was diesen Zustand ändern konnte. Aber heute mußte er sich fragen, ob es richtig war.
Einige Zeit verging bis sie erneut sprach.
"Glaubst du wirklich, daß sie uns finden?"
"Sicher." Ganz sicher sogar, die Frage war nur wann.
"Die Frage ist nur wann."
Er grinste. Sie lagen eben doch auf einer Wellenlänge.
Wieder schwiegen beide und dämmerten schließlich, eingehüllt von etwas Wärme und einer überwältigenden Erschöpfung, in einen Schlaf, der eher einer Ohnmacht glich.


*********************


Daniel hatte sich so weit von seinem Ausgangspunkt entfernt, daß er nicht einmal mehr eine wage Vorstellung davon hatte, wo er war oder wieviel Weg er zurück gelegt hatte.
Labyrinth war als Wort nicht annähernd geeignet, um diesen Irrgarten zu beschreiben, in dem er sich bewegte. Wohin er sich auch wandte, war er umgeben von glitzerndem blauem Eis. Es war durchzogen von Spalten und Gängen, die in alle Richtungen führten. Manche waren groß genug, damit er aufrecht darin stehen konnte, andere waren nur wenige Zoll breit.
Unter sich hörte er Wasser plätschern. Das Geräusch brach sich in den Gängen. Anfangs glaubte er noch, ihm folgen zu können, aber inzwischen wußte er es besser. Wie ein Irrlicht, hatte ihn das Wasser immer tiefer in den Leib des Gletschers gelockt.
Uralt und riesig, enthielt er ein dreidimensionales Netz von Spalten, dessen Ausdehnung seine Vorstellungskraft überstieg. Manche von ihnen mußten einige hundert Meter tief sein. Er hatte geglaubt, O'Neill sei nicht in der Lage dazu, sie zu erkunden, aber ob er selbst dazu in der Lage war, diese Frage hatte er sich nicht gestellt. In den letzen Stunden hatte ihm das Eis Wunder von unglaublicher Schönheit aber auch von unvorstellbarer Gefährlichkeit gezeigt, Dinge die nie ein Mensch vor ihm gesehen hatte. Er hatte das Gefühl, der Gletscher hätte ihm einen kleinen Teil seiner Geheimnisse offenbart, gerade genug, um ihm vor Augen zu führen daß er hier nicht hin gehörte und daß es keinen Ausweg gab, denn jeder Weg, den er nahm, führte ihn nur noch tiefer in das Eis.
Wieder nahm er das Funkgerät heraus und prüfte, ob er eine Verbindung herstellen konnte.
"SG-1 an Stargatecenter." Er wartete.
"SG-1 an Stargatecenter. Kommen."
Aber er bekam keine Antwort. Er hörte Aaron noch immer heulen. Er schien sich nicht abgeschwächt zu haben, was seine Hoffnung schwinden ließ.
Er befand sich wahrscheinlich noch tiefer unter der Oberfläche als dort, wo er mit seiner Erkundung begonnen hatte. Selbst wenn sie nach ihnen suchten, konnten sie ihn hier unten unmöglich erreichen.
Mißmutig ließ er das Funkgerät sinken und verstaute es wieder in der Tasche. Es war längst Zeit für den Rückweg. Zweifelnd drehte er sich um. Sein Kompaß wies ihm zwar die Richtung aber es war höchst unwahrscheinlich, daß er den Weg zurück ohne weiteres fand. Immerhin war es statistisch gesehen wenigstens möglich. Und da jeder noch so lange Weg immer mit dem ersten Schritt beginnt, entschloß er sich, es zumindest zu versuchen.
Er hörte ein leises Donnern. Von den Fußsohlen aufsteigend, fühlte er ein feines Vibrieren in seinem Körper. Das Gletschereis ächzte unter einer Erschütterung. Dieses Mal dauerte es nicht lange, bis er begriff, daß es sich um eine weitere Lawine handelte. Wenn das so weiter ging, würde sie der Sturm für immer hier unten begraben.
Daniel ging in Deckung. Obwohl er nicht ernsthaft glaubte, daß er so weit unten in unmittelbarer Gefahr schwebte, ging er auf Nummer sicher. Schon zu viele Überraschungen hatte er im Laufe der Zeit erlebt und auch dieses Mal sollte es nicht anders sein.
Das Eis um ihn herum war scharfkantig und spröde wie Glas. Die Vibration schien es an einigen Stellen zum Schwingen zu bringen und destabilisierte es. Unter seinem eigenen Gewicht zersprang es und stob ihm wie eine Wolke aus Granatsplittern entgegen. Ein Stück weiter oben stand der Gletscher unter einer unsichtbaren Spannung, die sich über die Jahre durch seine talwärts gerichtete Bewegung aufgebaut hatte. Weit über Daniel verursachte die Erschütterung der Lawine eine Entladung dieser Spannung. Auf einer Länge von beinahe einhundert Metern lösten sich Überhänge aus Eis, Geröll und Schnee und begannen in die Tiefe zu stürzen.
Es gelang Daniel gerade noch rechtzeitig eine Hand hochzureißen, um sein Gesicht vor den Splittern zu schützen, als er bemerkte, wie das dumpfe Grollen zu einem konkreten, deutlich vernehmbaren und recht nahen Poltern wurde. Er sah nach oben, aber die Taschenlampe drang nicht weit genug in die Dunkelheit vor, um ihm zu zeigen was dort passierte.
Geistesgegenwärtig sprang er zur Seite und versuchte dem drohenden Unheil auszuweichen. Es gelang ihm beinahe. Einige Eisblöcke verfehlten ihn nur um Haaresbreite. Tonnenschwer zerplatzten sie bei ihrem Aufprall auf dem Boden. Jackson wurde von den Trümmern in der engen Spalte hart getroffen, denn es gab nichts wohin er fliehen konnte.
Etwas traf ihn am Kopf. Warmes Blut rann ihm über das Gesicht und in die Augen, so daß er die Gefahr nicht mehr sehen konnte. Doch selbst wenn er es gekonnt hätte, wäre es ihm nicht möglich gewesen ihr zu entkommen. Der nächste Treffer schlug ihm die Taschenlampe aus der Hand.
Er hörte einen weiteren großen Brocken heranrauschen. Direkt vor ihm schlug er auf dem Boden auf und explodierte förmlich. Die Bruchstücke trafen Daniel wie eine Faust und preßten ihn an die Wand. Er bemerkte noch, daß er sich nicht mehr bewegen konnte, dann verlor er das Bewußtsein und damit auch das Zeitgefühl.


*********************


Jack erwachte plötzlich aus seinem unruhigen Schlaf und wußte sofort, daß etwas nicht stimmte. Wie war es nur möglich, daß er in dieser Lage überhaupt in den Schlaf gekommen war? Er fühlte sich nicht erfrischt, sondern höchstens noch verwirrter.
Sein Blick fiel auf Carter. Sofort kniete er sich neben sie. Es ging ihr sehr schlecht. Er konnte sehen, wie schwer ihr das Atmen fiel. Ihre Lippen und Fingernägel waren nun vollständig blau und ihre Haut hatte diese ungesunde fahlgelbe Farbe, die typisch für einen Sterbenden ist.
Ihre Atemzüge waren verkrampft und mechanisch. Sie hatte nicht mehr genug Kraft, um zu sprechen, aber ihr Blick war klar.
Wortlos sah er ihr in die Augen. Es gab so viel, was er sagen wollte, so viel, was noch gesagt werden mußte, aber seine Verzweiflung machte ihn hilflos und sprachlos, wie schon zuvor. Es wäre ganz egal gewesen, was er sagte, es hätte niemals das Richtige sein können. Also ließ er es.
Er spürte, wie ihm die verbleibenden Minuten und Sekunden davon liefen, ohne daß er sie mit etwas füllen konnte, was es ihm oder ihr leichter gemacht hätte. Vielleicht entsprang dieses Gefühl seinem Wunsch etwas zu tun, irgendetwas, und wenn es auch noch so nutzlos war.
Ein tiefer Schrecken saß Jack in den Gliedern, ein Schrecken darüber, daß all dies tatsächlich geschah. Das Gefühl der Unwirklichkeit hatte ganz und gar von ihm Besitz ergriffen. Es machte ihn stumm, handlungsunfähig und es brach seine Fassade der Selbstsicherheit auf.
Er bemerkte, wie sich ihr Körper spannte. O'Neill griff nach Carter. Trotz ihrer Verletzungen richtete er sie ein wenig auf und für ein paar Sekunden fiel ihr das Atmen tatsächlich leichter.
In ihren Augen konnte er Dankbarkeit lesen, doch langsam aber stetig entglitt ihr Leben seinen Händen. Die Zeit lief ab. Ihr Brustkorb hob und senkte sich immer langsamer und schon begann das Bewußtsein aus ihren Augen zu schwinden. Sie schenkte ihm einen letzten verwunderten Blick, so als wäre ihr eine plötzliche Erkenntnis zuteil geworden. Er fragte sich, was sie wohl sah.
Noch einmal atmete sie tief ein und aus, wie ein Mensch der im Schlaf seufzt, dann schloss sie die Augen und es war vorbei. Fassungslos sah er, wie sich ihr Gesicht auf diese seltsame Art veränderte, die niemand wirklich begreifen kann. Sam schlief nicht. Sie war fort. Anders konnte er es nicht beschreiben.
Ihr Körper in seinen Armen wurde schlaff und schwer. Er hatte das Gefühl, etwas tun zu müssen, als ob es irgendetwas gäbe, was er noch nicht versucht oder was er nur vergessen hatte.
In seiner Verzweiflung drückte er sie fest an sich. Dieser stumme Schrecken, der ihn beherrschte, sorgte dafür, daß er nur langsam begriff. Hier war niemand sonst außer ihnen und er konnte sich nicht länger zusammennehmen.
"Ich liebe dich", flüsterte er ihr ins Ohr.
Es gab sonst nichts zu sagen. Im Inneren wußte er immer, daß sie ihm mehr bedeutete, als gut für sie beide war, aber er hatte diesem Gefühl nie gestattet Gestalt anzunehmen, aus Angst das zu verlieren, was er bereits besaß. Er hatte diese drei Worte nie ausgesprochen, noch hatte er sie je gedacht, und dennoch wußte er, daß er sie immer mit sich herumgetragen hatte.
Als sein Sohn damals starb, war auch ein Teil von ihm gestorben. Neue Freunde und eine neue Aufgabe halfen ihm, ein zweites Leben zu beginnen. Aber er hatte sich geirrt, nicht das Stargateprogramm machte dieses Leben aus, sondern sie, und genau jenes Leben endete hier, auf einer fernen Welt, umschlossen von Eis. Etwas Wichtiges war unwiederbringlich zerbrochen. Er glaubte nicht, daß er in der Lage dazu war, ein weiteres Mal neu zu beginnen.
Zögernd ließ er Sam los. Sorgfältig und sanft legte er sie zurück auf den Boden und deckte sie zu. Er kroch ein Stück von ihr fort und betrachtete sie.
Dann begann er mit steifgefrorenen Händen seine Jacke zu öffnen und zog sie aus. Er faltete sie ordentlich und mit Bedacht zusammen und legte sie neben sich auf das Eis. Der Jacke folgte eine weitere, die er darunter trug, und danach sein Uniformoberteil und die Stiefel, bis er nur noch in T-Shirt, Hose und Socken dort saß.
Er lehnte sich an die Wand der Schlucht, so daß er Sam jederzeit sehen konnte, während er die Kälte ihre Arbeit tun ließ. Mit jeder Sekunde entriß sie seinem Körper Unmengen von Energie und brachte ihn selbst dem Vergessen näher. Er wurde müde und hörte auf zu zittern. Der Schmerz war unerträglich... aber nicht mehr lange... nicht mehr lange...
Der Kältetod ist nicht die schlechteste Art zu sterben, dachte er, und während er das dachte, verlor er das Bewußtsein.



*********************


Daniel kam für einen kurzen Moment wieder zur Besinnung. Verwirrt fragte er sich wo er war und warum er sich so elend fühlte. Es war dunkel und kalt. Wasser lief an seinem Hals hinunter und unter seine Kleidung. Nein, kein Wasser, erinnerte er sich. Wasser ist kalt, aber das hier ist warm.
Er konnte nicht sagen, was passiert war. Die letzte Erinnerung, die er besaß, brachte ihn auf ein Gespräch mit Jack, in dessen Folge er allein irgendwo hingegangen war. Aber er wußte nicht mehr wohin oder warum.
In wilder Folge stürzten Bilder auf ihn ein: eine unförmige Darstellung auf einem Computer, Schnee, Wasser, glitzerndes Eis, Carters Gesicht....Er war nicht in der Lage sie zu ordnen und sich klar darüber zu werden, was sie bedeuteten.
Er versuchte sich zu bewegen, aber etwas lastete mit einem derartigen Gewicht auf ihm, daß es ihm unmöglich war. Er hatte das Gefühl eingeklemmt und gefangen zu sein. Er konnte nicht einmal sehen was es war, das ihn festhielt. Panik stieg in ihm auf und entlud sich in einem gequälten Schrei.
Die Angst verwirrte ihn nur noch mehr und machte es ihm endgültig unmöglich seine Gedanken zu ordnen und überlegt vorzugehen. Mit all seiner Kraft versuchte er sich zu befreien. Ohne Rücksicht auf sich selbst schlug er um sich und verletzte sich dabei an dem scharfkantigen Eis nur noch mehr, ohne daß er irgendeine Wirkung damit erzielte.
Schon nach wenigen Minuten drehte sich alles um ihn. Er keuchte vor Erschöpfung, denn er hatte ständig das Gefühl nicht genug Luft zu bekommen. Sterne begannen vor seinen Augen zu tanzen, dann wurde zu seiner Überraschung alles in ein weißes Licht getaucht und er verlor erneut das Bewußtsein.


*********************


Epilog

Lange nachdem ihr schwarz vor Augen geworden war, konnte sie noch immer hören. Sie verstand nicht alles, aber sie konnte die Töne, verbunden mit einem seltsamen Nachhall noch immer wahrnehmen, so wie Rufe in einem Tunnel.
Danach folgte eine Zeitspanne, die mit einer stillen Dunkelheit erfüllt war. Sie schien nur einen Moment und gleichzeitig eine kleine Ewigkeit zu währen, dann wurde sie in helles weißes Licht getaucht.
"Carter?" hörte sie eine Stimme flüstern. "Carter!"
Das war ihr Name! Schlagartig brachte er sie ins Bewußtsein zurück und sie schlug die Augen auf. Das Licht blendete sie.
Sie hob mit einem Stöhnen langsam die Hand an ihr Gesicht, wie es erwachende Menschen meistens tun. So schnell wie ihr Bewußtsein zurückgekehrt war, so langsam reagierte nun ihr Körper.
"Carter."
Sie legte den Kopf zur Seite. Neben ihr saß O'Neill und lächelte sie an.
"Da sind Sie ja wieder."
"War ich weg?"
"So könnte man es nennen."
Sie stutzte und sah ihn dann ungläubig an, als sie sich langsam erinnerte.
"War ich... tot?
Ein Schatten huschte über sein Gesicht. "Nur ein bißchen", sagte er ernst. Aber sofort kehrte sein vergnügtes Lächeln zurück. "Aber die Götter hatten andere Pläne."
"Die Götter?"
"Ja Carter. Die Asgard. Wir sind auf Thors Schiff", flüsterte er.
"Aber wie... warum...?" Dann war dieses helle Licht das sie sah vielleicht der Asgard-Beamstrahl.
"Fragen Sie mich bloß nicht, Carter. Es wird Ihnen nicht gefallen. Es ist irgendwas da unten, etwas, das ihnen gehört, etwas, von dem niemand erfahren sollte. Sie hätten uns sterben lassen, um ihre Anwesenheit geheim zu halten."
"Aber nicht Thor, stimmts?"
"Nein. Aber ich wünschte, er hätte nicht bis zur letzten Sekunde gewartet..."
Eigentlich hatte Thor sogar länger als bis zur letzten Sekunde gewartet, weil er, wie er sagte, immer noch auf eine Intervention durch das Stargatecenter hoffte, und so sehr O'Neill diese kleinen grauen Kerlchen auch mochte, so sehr wollte er ihnen dafür doch am liebsten ihre dürren Hälse umdrehen.
Seine Verzweiflung hatte ihn dazu gebracht, etwas zu tun, was aus einem Affekt heraus geschah und was ihm im Nachhinein und bei genauerer Betrachtung absurd vorkam. Carter wußte nicht, wozu ihr Tod ihn getrieben hatte und sie würde es nie erfahren. Thor hatte es ihm versprochen. Ein Schauer lief ihm den Rücken hinunter und er zog die Decke fester um seine Schultern. Seine Körpertemperatur hatte sich wieder normalisiert, aber jeder, dem die Kälte einmal bis in die Knochen gekrochen war, konnte ein Lied davon singen, wie schwer es war, dieses Gefühl wieder loszuwerden.
"Wo ist Daniel?"
"Keine Sorge, es geht ihm gut. Er schläft noch."
"Aha." Sie zögerte und schwieg eine Zeit lang, weil sie nicht wußte, wie sie beginnen sollte. "Was sie da unten zu mir gesagt haben..."
O'Neill schreckte aus seinen Gedanken auf. Das konnte sie unmöglich gehört haben! Er wollte nicht, daß sie es wußte. Es machte alles nur noch komplizierter. Er wußte doch nicht einmal selbst, was er davon halten sollte. War es sein Ernst oder war es nur ein Gefühl, das im Angesicht des Todes Gestalt angenommen hatte und das einer näheren Betrachtung nicht stand hielt?
"Hören sie..." begann er. "Ich habe nichts gesagt. Ich war bewußtlos, genau wie sie."
Sie kannte ihn lange genug, um zu wissen, daß das so nicht stimmte, denn er sah ihr dabei nicht in die Augen, sondern auf den Boden.
Sie nickte nur. Sie verstand was er ausdrücken wollte, aber es enttäuschte sie auf gewisse Weise.
"Sie haben recht. Es wäre auch viel zu schwierig." Sie hatte beschlossen, ihn aus der Reserve zu locken und zur Rede zu stellen. Wenn es auch nicht zu dem erwünschten Ergebnis führte, so war es ihr wichtig, daß er wenigstens zugab, woran sie sich erinnerte.
Ich liebe dich... hallten die Worte noch immer wie durch einen langen Tunnel in ihrem Verstand wieder. Es war das letzte, was sie hörte und woran sie sich erinnerte und es hatte ihr einen unglaublichen Frieden und Wärme geschenkt. Sie konnte es sich nicht eingebildet haben.
"Schwierig ist gar kein Ausdruck", antwortete er zu ihrer und seiner Überraschung. Er hatte nicht gedacht, daß er es tatsächlich aussprechen konnte.
"Einer von uns müßte seinen Job aufgeben."
"Oder sich woanders hinversetzen lassen."
"Wir müßten uns eine Menge derber Witze anhören", stellte sie scheinbar ungerührt fest aber ein Lachen steckte ihr bereits im Halse bei dem Gedanken daran.
"Ja," er nickte nachdenklich. "Aber weißt du was?" fuhr er fort. Er hob den Blick und sah ihr geradewegs in die Augen. "Ich mag es schwierig." Und langsam begann sich ein Grinsen über sein Gesicht auszubreiten.

weiter: Teil 2
Kapitel 2 by Bastet-X
Author's Notes:
Obwohl ich Fortsetzungen hasse, konnte ich dieses Mal nicht widerstehen. Es hat mir keine Ruhe gelassen, dass das Ende des ersten Teiles auf gewisse Weise etwas von einer Seifenblase hat, die einfach so zerplatzt.
TEIL 2


"Der Durchgang zu Planet P4X-964 ist etabliert, General."
Hammond nickte. "Sie können jetzt gehen"
"Sind Sie sicher? Ich meine, wenn...."
"Es ist schon gut. Es wird nicht lange dauern."
Der Techniker schwieg. Er konnte seinem General nur schwer widersprechen. Er stand auf und ging. Leise schloß er die Tür hinter sich.
Hammond verweilte einen Moment im Kontrollraum. Freundlich und ruhig schimmerte die Oberfläche des Ereignishorizontes, wie ein blauer Sommerhimmel, der nichts von einer Gewitterwolke weiß. Und doch hatte sich dieses Tor als der größte Schatz erwiesen, den die Menschheit besaß und gleichzeitig als ihre größte Bedrohung.
Aber heute war er in erster Linie deshalb hier, weil diese Bedrohung plötzlich persönlicherer Natur war. Auch wenn der normale Dienstbetrieb weiterging, war deutlich zu spüren, daß sich die Menschen in den Gängen leiser unterhielten als sonst. Die Begeisterung der SG-Teams bei ihren Missionen war kühler Sachlichkeit und Professionalität gewichen und der gesamte Dienst verlief ungewohnt reibungslos und ohne Beschwerden.
Langsam ging General Hammond die Treppe in den leeren Torraum hinunter und die Rampe hinauf. Vor dem aktivierten Stargate blieb er stehen. Er war allein und er würde es bleiben, bis er diesen Raum wieder verließ. Hammond hatte sich diesen einsamen Moment von seinen Leuten erbeten, nicht befohlen, und aus Respekt waren sie seinem Wunsch nachgekommen. Noch immer waren alle sprachlos und fassungslos. Niemand redete darüber, jeder tat so, als hätte es auf Dauer keine Bedeutung.
"Das Leben geht weiter." Wie oft hatte er diesen Satz in den letzten Wochen gehört? Und er machte die Dinge heute genauso wenig leichter wie beim ersten Mal.
Er hatte keine Minute länger gezögert als nötig. Der Sturm Aaron brauchte etwas mehr als 32 Stunden, bis er so weit über das Gebiet hinweg gezogen war, daß eine Rettungsmission vertretbar wurde. Doch schon die ersten Untersuchungen zeigten, daß sich das Angesicht des Planeten in dieser Zeit radikal verändert hatte.
Hammond schüttelte den Kopf in stummer Trauer. Bei Gott, sie hatten es wirklich versucht! Tagelang suchten sie alles ab, aber das Eis hatte Daniel Jackson, Jack O'Neill und Samantha Carter für immer unter sich begraben. Schon nach einigen Tagen wich die wage Furcht um ihre Freunde der schmerzhaften Erkenntnis, daß die Rettungsaktion sich in eine Leichenbergung wandelte. Aber all ihre Mühen waren vergebens. Sämtliche SG-Teams und jede ihnen zur Verfügung stehende Technik waren nicht in der Lage, die Vermissten zu entdecken. Wenn sie wenigstens ihre Körper gefunden hätten... Dann wäre es für alle leichter zu akzeptieren gewesen.

Drei Wochen war das nun her und es war Zeit einen Schlußstrich zu ziehen. Er beugte sich vor und nahm die Blumen auf, die vor ihm auf der Rampe bereit lagen.
Und was sollte aus Teal'c werden? Er wußte es nicht, denn der Jaffa hatte sich noch nicht entschieden, ob er bei einem anderen SG-Team weitermachen oder zu seiner Familie zurückkehren wollte.
Hammond ließ die Blumen in die blaue wabernde Oberfläche sinken. Als er einen Moment innehielt, bemerkte er, wie sie vom Ereignishorizont sanft hineingezogen wurden. Unwillkürlich hatte er das Gefühl, daß sie jemand auf der anderen Seite entgegen nahm, obwohl er es besser wußte.
SG-1 existierte nicht mehr und so sollte es bleiben. Nie wieder würde eines der Teams diese Bezeichnung tragen. Der Planet mit dem Namen Hoth und der Bezeichnung P4X-964 wurde nun offiziell als Grabstätte von SG-1 geführt. Wie das Meer, so gab auch das Eis nichts wieder heraus, was es einmal in Besitz genommen hatte.
"Für Ihre Freundschaft und für Ihre Treue, für Ihre Zuverlässigkeit und für Ihre Willensstärke, für Ihre Hilfe und für alles, was Sie sonst noch für uns getan haben, danke ich Ihnen. Sie hinterlassen eine nicht zu schließende Lücke... in unseren Diensten... und in unseren Herzen. Ruhen Sie in Frieden."
Hammond nahm die Hand von dem Strauß und überließ es dem Wurmloch, seine Wünsche und seine Blumen an ihr Ziel zu tragen, Lichtjahre entfernt, in das ewige Eis.


****************


Lichtjahre entfernt, allerdings nicht im ewigen Eis, versuchte ein verschlafener Jack O'Neill ohne Kaffee langsam zu sich zu kommen. Man hätte meinen können, daß ein paar Wochen Entzug das Problem beseitigt hätten, aber so war es nicht. Kaffee war den Asgard unbekannt und das machte ihn in den Morgenstunden zu einem ausgesprochen schlechten Gesprächspartner.
Noch immer hatte er sich nicht an sein neues Leben gewöhnt. Aber wenigstens war er am Leben, auch wenn es dabei verdammt knapp zugegangen war.
Zusammen mit Carter und Jackson hatte er auf dem Planeten P4X-946 während eines Sturmes festgesessen. Er konnte sich nicht erinnern, wann er jemals eine solche Kälte erlebt hatte. Der Sturm, den der Wissenschaftler Doktor Hamilton in seiner Begeisterung Aaron getauft hatte, entpuppte sich als rachsüchtiger Dämon. Es war O'Neill zuvor nie in den Sinn gekommen, daß etwas Unbelebtes wie Wind eine so schwarze Seele haben könnte, aber bei Aaron hatte er zum ersten Mal in seinem Leben Zweifel was das anging. Der Planet schien alles daran zu setzen, sie zu vernichten und jede Spur von ihnen auszulöschen, und beinahe wäre es ihm gelungen.
Carter verletzte sich beim Sturz in eine Gletscherspalte lebensbedrohlich. Daniel ging allein los, um eine Funkverbindung zum Stargatecenter zu errichten und kam dabei fast um und er selbst...? Er blieb bei Carter,... bis zum Ende.
Die Welt im Herzen des Gletschers war geprägt von unsagbarer Kälte und einem so tiefen Blau, daß er die Farbe des Eises sein ganzes Leben lang nicht mehr vergessen würde. Diese so irreal erscheinende Umgebung hatte ihn gleichermaßen bedroht, wie auch mit einer geradezu berauschenden Faszination erfüllt. So kam es, daß er eine gewisse Zerrissenheit empfand, wenn er an diesen Ort dachte, ohne genau sagen zu können, was dieses Gefühl hervorrief.
Er wollte nicht mehr daran denken. Jetzt war er hier, auf der Asgard-Heimatwelt, auf Othalla, in Sicherheit.
Thor hatte keine Diskussion darüber zugelassen, wie es weiter ging. Er handelte gegen den ausdrücklichen Befehl des Asgard-Oberkommandos, als er ihnen das Leben rettete. Eigentlich hatte er die Anweisung, alles zu tun, um ihre Aktivitäten auf diesem Planeten geheim zu halten. Das schloß auch die Tatsache ein, daß einzelne Menschen vielleicht bei dem Versuch diesen Ort zu erforschen umkamen. Daß es sich dabei vielleicht um Freunde handelte, war lediglich ein bedauerlicher Umstand.
Thor, als Oberbefehlshaber der Asgard-Flotte, nahm sich das Recht heraus zu retten, was von SG-1 noch zu retten war und holte sie an Bord. Er begründete es den anderen Asgard gegenüber damit, daß sie ihnen vielleicht im Kampf gegen die Replikatoren nützlich wären. Diese Ausrede war so dünn, daß sie selbst für den Dümmsten durchschaubar war, aber dennoch widersprach ihm niemand.
Natürlich setzte er danach voraus, daß Jackson, Carter und O'Neill ihm dankbar waren und mit ihnen tatsächlich zusammenarbeiteten. Auf der Erde erfuhr niemand etwas von ihrer Rettung. Es mußte ein Geheimnis bleiben, ebenso wie die Anwesenheit der Asgard auf P4X-964.
Das Leben auf Othalla war ebenso anstrengend wie ereignislos. Zu Beginn war alles neu und er kam sich dumm vor, weil er die einfachsten Dinge neu erlernen mußte. Alles hatte hier eine andere Funktionsweise, als er es gewohnt war. Selbst das Licht wurde auf andere Art eingeschaltet. Langsam kam er sich überflüssig vor und vermißte die Erde, auch wenn keiner der beiden anderen dieses Gefühl zu teilen schien. Carter fand schnell eine Aufgabe. Es gab tausend Dinge, über die sie sich mit den Asgardwissenschaftlern austauschen konnte und selbst Daniel entdeckte in seinem Sprachschatz etwas, wovon die kleinen Grauen noch nichts wußten und womit er sich beschäftigen konnte. Aber für ihn schien sich einfach keine nützliche Verwendung finden zu lassen.
Es war noch dunkel auf Othalla, als er sich vor dem Fenster seines stillen Quartiers niederließ. Diese Welt war auf ihre Weise atemberaubend, hochtechnisiert und glitzernd. Sie hatte so gar nichts mit der Art von Landschaft gemeinsam, die er normalerweise liebte.
Die Nächte auf diesem Planeten waren angenehm lang, aber das war auch kein Wunder, denn der Tag hatte hier dreißig Stunden. Es brachte seinen Rhythmus etwas durcheinander, aber nach mehreren Wochen gewöhnte er sich nun langsam daran.
Er ging zurück ins Bett. Auch wenn der Morgen bereits dämmerte, hatte er noch ein paar Stunden, bevor er sich mit Thor traf und die wollte er nutzen.

Von den ersten Tagen einmal abgesehen, hatte Thor nur noch wenig Zeit für Jack. Er hatte eine Aufgabe, die ihn völlig in Anspruch nahm. O'Neill verstand das. Obwohl er vorher nie darüber nachgedacht hatte, war Thor nicht einfach irgendwer. Er war der Oberbefehlshaber der Asgard-Flotte.
Aber heute hatte er sich etwas Zeit für ihn genommen. Sam kam vor einigen Tagen mit der Nachricht in sein Quartier, daß er ihn sprechen wolle. Seitdem fragte er sich, was er wohl auf dem Herzen hatte. Er versuchte betont lässig zu wirken, während er auf dem Weg zu ihm war, aber er platzte vor Neugier.
Die Asgard auf Othalla hatten sich an den Anblick der Menschen gewöhnt und auch O'Neill störte sich nicht mehr daran, daß die meisten Leute wesentlich kleiner und grauer als er selbst waren.
Thor hatte ihm die Nachricht zukommen lassen, daß er sich an einem bestimmten Ort mit ihm treffen wollte, den er nicht kannte. Er war nicht schwer zu finden. Ein paar freundliche Asgard schienen zwar einen Moment lang etwas irritiert zu sein als er sie danach fragte aber dann zeigten sie ihm den Weg.
Thor erwartete ihn bereits. Er begrüßte ihn und bat ihn in einen Raum, der offensichtlich als technische Kontrollstation verwendet wurde.
"Wie geht es Dir O'Neill?"
"Oh, mir geht es gut."
"Wirklich?''
"Aber natürlich. Ich habe alles was ich brauche, und jede Menge... Zeit."
"Du langweilst dich?"
"Nein ich..., versteh mich nicht falsch, euer Planet ist toll, aber ich... naja..."
"Du langweilst dich."
"Ja, ich habe hier keine Aufgabe. Es gibt nichts, was die meisten Asgard nicht besser können als ich."
"Das habe ich erwartet. Aber ich glaube, ich habe etwas für dich. Darf ich Dir unsere neueste Errungenschaft vorstellen: die O'Neill II."
Er schaltete einen der Monitore auf die Vogelperspektive einer Werft um. Wahrscheinlich war es nur eines von vielen Docks, denn dahinter konnte Jack die Umrisse von weiteren Schiffen sehen, die sich aus dem Dunst erhoben. Vor ihm befand sich ein wunderbares silberglänzendes Schiff. Sein elegantes Äußeres wies es als atmosphäretauglich aus und verlieh ihm eine gefällige Form. Er war beeindruckt, aber dieser Zustand war noch steigerungsfähig, wie er feststellte, als er kleinere Fahrzeuge um es herumschwirren sah, die ihm einen Größenvergleich lieferten.
"Wow!" entfuhr es ihm.
"Ich habe mir schon gedacht, daß sie Dir gefallen würde."
Es war mehr als einfaches Gefallen. Er kannte Carters Erzählungen über die Vorgängerin der O'NeiII II. Sie war riesig. Es hatte ihn immer gewurmt, daß er sie nie mit eigenen Augen gesehen hatte, und natürlich auch, daß sie einen so sinnlosen Tod sterben mußte.
"Es ist das beste, was die Asgard-Technologie zu bieten hat", sagte Thor.
O'Neill war noch immer sprachlos und konnte die Augen kaum von der silbernen Hülle abwenden, die in der Sonne glitzerte. Erst einige Sekunden später gelang es ihm, den Mund wieder zu schließen und rational zu denken.
"Ist das eine gute Idee?"
"Was meinst du?"
"Carter hat mir erzählt was mit Nummer Eins passiert ist. Die Replikatoren waren ganz scharf darauf. Die einzige Chance, sie daran zu hindern, das Schiff zu übernehmen, war, es mitsamt den Käfern zu sprengen."
"Das ist richtig."
"Das war ein teurer Köder."
"Auch das ist korrekt. Trotzdem müssen wir unsere eigene Entwicklung vorantreiben. Wir haben viele Feinde und die schlafen nicht. Wenn wir nicht schneller sind, werden sie technologisch eines Tages zu uns aufschließen, und wir werden verloren sein." Er hielt einen Moment inne. Jack wußte, daß das Volk der Asgard nicht sehr zahlreich war und wenn sie sich ihrer Haut in den vergangen Jahrhunderten nicht mit Technologie erwehrt hätten, würden sie beide heute hier nicht stehen und sich unterhalten
"Und wenn uns keine anderen Optionen mehr zur Verfügung stehen," fuhr Thor fort, "dann mag uns die O'Neill II auch dieses Mal als Köder dienen. Auch wenn es ein hoher Preis ist und ich nicht annehme, daß dieser Trick ein zweites Mal klappen wird."
"Das wäre dann ein weiterer ziemlich teurer Köder, oder?"
"In der Tat."
Beide schwiegen, versunken in den Anblick vor ihnen.
"Sie ist eine wirkliche Hoffnung für uns im Kampf gegen die Replikatoren. Ich wollte, daß du es verstehst."
"Warum sollte ich es nicht verstehen?"
"Weil sie der Grund dafür ist, daß ihr beinahe gestorben wärt. Die neuen Systeme für dieses Schiff basieren auf einem elektromagnetischen Prinzip. Diese Art von Technologie benutzen wir seit Ewigkeiten nicht mehr. Vielleicht verschafft uns das einen Vorteil, aber diese Systeme werden nicht auf Othalla entwickelt, sondern auf Planeten, die möglichst weit von dem von ihnen befallenen Raum entfernt sind. Kaum jemand weiß davon. Auch in unseren Datenbanken gibt es keine Aufzeichnungen darüber, damit sie den Replikatoren nicht zufällig in die Hände fallen, wenn sie eines unserer Schiffe übernehmen."
Jack konnte nicht verbergen, daß er wegen dieser Sache noch immer verärgert war. Aber zumindest konnte er ihre Entscheidung nun wenigstens verstehen, wenn er auch nach wie vor nicht damit einverstanden war. Er beschloß ganz sachlich beim Thema zu bleiben und sich nicht zu einer Grundsatzdiskussion hinreißen zu lassen.
"Diese Art von Technologie ist ziemlich einfach lahmzulegen. Mit einem EMP bekommt man jede Elektronik klein", warf Jack ihm vor.
Thor sah ihn überrascht an. "Ein EMP?"
"Ein elektromagnetischer Impuls. Man kann ihn künstlich erzeugen, aber er ist auch ein Nebeneffekt bei Kernwaffenexplosionen. Die genaue Funktionsweise kenne ich nicht, aber ich weiß, daß es funktioniert."
"Wir kennen diesen Effekt, aber wir wären nie auf die Idee gekommen, ihn als Waffe oder auf andere Art für unsere Zwecke einzusetzen. Er würde vielleicht den Replikatoren schaden, aber auch unsere Schiffe lahmlegen."
"Das ist richtig, aber er schadet den Asgard auf den Schiffen nicht, die sie anschließend wieder in Betrieb nehmen können."
"Es käme auf einen Versuch an. Möglicherweise macht dieser EMP die Replikatoren wenigstens zeitweilig kampfunfähig, während unsere Schiffe unbeschädigt bleiben."
"Und denk daran. Sie können diese Art von Technik zwar assimilieren, aber sie können sich nicht dagegen abschirmen oder sie für sich einsetzen ohne sich selbst außer Gefecht zu setzen... jedenfalls nicht daß ich wüßte. Da müßt ihr Carter fragen, sie kennt sich damit besser aus.
"Das ist vielleicht eine primitive aber effektive Lösung, O'Neill."
"Danke." Er grinste und fügte dann hinzu. "Dumm genug für euch?"
Thor nickte. "Dumm genug."
O'Neill hätte schwören können, daß der Asgard lächelte.


****************


Sam und Jack bemühten sich immer noch, möglichst normal miteinander umzugehen. Es war ein schwieriges Unterfangen, denn beide wußten, daß seit diesem Tag im Bauch des Gletschers nichts mehr normal war.
O'Neill hatte zwar zugegeben, daß er sie liebte, aber schon bald darauf bekam er Angst vor der eigenen Courage und während die Tage vergingen, redeten sich beide ein, daß es nichts als eine Schwäche im Angesicht des Todes war. Außerdem war sich zumindest O'Neill sicher, daß er in absehbarer Zeit auf die Erde zurückkehren konnte. Sobald das neue Schiff in Dienst gestellt wurde, war das Geheimnis kein Geheimnis mehr und er nahm an, daß er dann gehen konnte. Es betrachtete sich nicht als Gefangenen, aber sie waren auch nicht nur einfach Gäste.
Jedenfalls war es für alle Beteiligten einfacher, wenn es nicht zu romantischen Verwicklungen zwischen ihnen kam. Zurück auf der Erde würde es die Dinge wesentlich komplizieren. Er war kein Mann, der Probleme scheute, aber es gab noch andere Überlegungen, die er anstellte. O'Neill war zwanzig Jahre älter als Carter. Er hatte eine Ehefrau und wurde wieder geschieden. Er hatte ein Kind und verlor auch dies. Er war als Partner für eine Frau wie Carter einfach eine Zumutung. Es gab tausend Ausreden dafür, nicht auf sie zugehen zu müssen, und er fand sie alle. Jedes Mal, wenn sich herausstellte, daß einer dieser Umstände als Entschuldigung für sein Verhalten nichts taugte, trat ein anderer an seine Stelle.
So schleppte sich die Zeit dahin, in der er sie beobachtete und sich für sie freute, weil sie bei den Asgard eine Aufgabe hatte und weil sie die Anerkennung fand, die sie verdiente. Aber es blieb bei einer gewissen nicht zu überbrückenden Distanz, die unmerklich von ihm ausstrahlte.
Er war froh, daß Sam von ihrer Arbeit so in Anspruch genommen wurde. Sie schien nicht zu bemerken, daß er sich in ihrer Gegenwart ungeschickt und mürrisch verhielt. Sie tat so, als hätte es jenen Augenblick, in dem er es zum ersten und einzigen Mal aussprach, nie gegeben und er war ihr dankbar dafür, weil sie ihn nicht zwang sich dazu zu bekennen, bevor er so weit war... wenn er es jemals war. Er konnte eben nicht aus seiner Haut.
Er wußte nicht, ob sie mit Daniel darüber sprach. Er wollte es auch nicht wissen, aber Daniels unauffälliger neugieriger Blick, wenn er die beiden zusammen sah, war Jack nicht entgangen. Falls es sich so verhielt, war er jedenfalls recht geschickt darin, es zu überspielen.
In den letzten Wochen hatten sie sich immer seltener gesehen. Jeder von ihnen war beschäftigt. Jackson und Carter hatten das Quartier gewechselt und auch O'Neill würde bald aus Zeitgründen in die Nähe der Werft übersiedeln. Trotzdem bemühten sie sich darum, sich alle paar Tage zu treffen, um den Kontakt zueinander nicht komplett zu verlieren.
O'Neill betätigte den Türmelder an Carters Quartier. Wenige Sekunden später öffnete sich die Tür und sie lächelte ihn an.
"Colonel, kommen Sie herein." Sie schloß die Tür hinter ihm. Daniel war bereits anwesend. "Wie ich höre, hat Thor ihnen einen neuen Job verpaßt."
"Oh ja, er hat mich gebeten, an der O'Neill II mitzuarbeiten und sie bei der Entwicklung neuer Taktiken zu unterstützen."
"Sie?"
"Wundert Sie das?"
Carter war einen Moment lang perplex. Sie war tatsächlich überrascht.
"Nun, entschuldigen Sie, Sir, aber ich hätte nie gedacht, daß Sie mal technischer Berater für die Asgard sein würden."
"Ich auch nicht." Er lächelte. "Aber im Ernst: technisch kann keiner von uns es mit ihnen aufnehmen. Ich liefere nur die Ideen, die Umsetzung überlasse ich ihnen."
Nun lächelte auch Sam. Es war wirklich dumm von ihr. Wer O'Neill nicht so gut kannte, neigte leicht dazu ihn zu unterschätzen. Selbst ihr passierte das von Zeit zu Zeit, obwohl er sie schon häufiger mit seinen Antworten überrascht hatte. Sie wußte nicht, ob es ein Merkmal seines Charakters war, daß er sich so verhielt, oder vielleicht Taktik, denn gelegentlich erleichteres es einem das Leben schon sehr, wenn andere einen unterschätzten.
Er kam herein und ließ sich neben Daniel nieder. Einige Zeit lang sah er stumm auf seine Hände hinab.
"Ich bin eigentlich nur hier, um Euch zu sagen, daß ich wegen dieses neuen Jobs in Zukunft vielleicht nicht mehr so viel Zeit haben werde. Ich werde in ein anderes Quartier umziehen, das in der Nähe der Werft liegt."
"Auf der anderen Seite des Kontinents..." fügte Daniel hinzu.
"Ja, so kann ich mehr Zeit in die Arbeit investieren." Was er nicht sagte war, daß ihn diese Arbeit davor bewahrte, sich Gedanken über seine Zukunft machen zu müssen und über die Einsamkeit, die er mit sich herumschleppte.
"Was machen Sie denn nun genau?" fragte Daniel interessiert, um das Gespräch in Gang zu halten.
"Ich gehe mit ihnen Angriffs- und Verteidigungsstrategien durch, entwickle und erprobe neue Vorgehensweisen und helfe ihnen von Zeit zu Zeit beim Bau der O'Neill II."
"Das haben Sie vorhin schon erwähnt. Ich will nicht unhöflich sein, aber wie können Sie denen bei so etwas helfen?"
Jack begann hinterlistig zu grinsen. Offensichtlich gefiel ihm dieser Teil besonders gut. "Indem ich Fehler einbaue." Carter und Jackson sahen ihn verständnislos an, was ihn nur noch fröhlicher machte. "Das Schiff ist wirklich gut, zu gut, wenn sie mich fragen. Ich habe Thor vorgeschlagen hier und da absichtlich fehlerhafte Systeme oder Materialien zu verwenden, damit es zwar gut genug ist, um das Interesse der Replikatoren auf sich zu ziehen, aber schlecht genug, daß es sie in ihrer Entwicklung nicht so sehr voran bringt, wenn sie es einnehmen."
"Und die Asgard haben dem zugestimmt?" fragte Sam verblüfft. Sie hatte in den letzten Wochen eher die Erfahrung gemacht, daß die kleinen Grauen gewissenhaft bis zur Perfektion waren. Sicher widersprach es all ihren Grundsätzen, absichtlich etwas fehlerhaftes zu konstruieren.
"Ich glaube, sie sind verzweifelt genug, alles zu versuchen. Außerdem haben Sie gute Vorarbeit geleistet, Carter."
"Ich?"
"Ja, Sie haben ihnen bewiesen, daß auch etwas nicht ganz Perfektes funktionieren kann. Wir haben Kampferfahrung und sind geschickt im Improvisieren. Das scheint ihnen als Qualifikation zu genügen. Außerdem sollte etwas, das meinen Namen trägt, auch einige meiner hervorstechendsten Eigenschaften aufweisen, finden Sie nicht?"
Daniel grinste und Sam hätte beinahe angefangen zu kichern. Sie sah eine Sekunde lang zu Boden, um ihm nicht offen ins Gesicht zu lachen. Ein Vergleich zwischen einem Colonel der Air Force und einem Kriegsschiff voller Fehler schien im ersten Augenblick unangebracht zu sein, aber in diesem speziellen Fall paßte es nur zu gut.
"Wenn das so ist," meinte sie trocken, "werden sich die Käfer wohl die Zähne an ihr ausbeißen."
"Na das will ich doch schwer hoffen."


****************


Es gab Tage, an denen Hamilton seinen Job haßte. Heute war so ein Tag.
Es war jetzt drei Monate her, daß er den Zusammenstoß mit einem mörderischen Hurrican namens Aaron überlebte, der drei von vier Mitgliedern von SG-1 das Leben gekostet hatte. Er hatte diesen Tag nicht vergessen, ebenso wenig wie die Wochen danach. Auch wenn er nicht verantwortlich dafür war, fühlte er sich dennoch schuldig, denn er war es, der den General darum bat ihm SG-1 zur Begleitung abzustellen. Er war es, der Aaron zuerst entdeckte und seine zerstörerische Kraft richtig einzuschätzen wußte und er war es auch, der dem General andeutete, daß er SG-1 nicht retten konnte.
Er schuldete O'Neill mehr als jemals zuvor. Hamilton war sich sicher, daß er ohne ihn auch diesen Ausflug nicht überlebt hätte und niemand war in der Lage, ihn davon abzubringen. Und nun stand er schon wieder vor einem Problem, das ihn an diese Tage erinnerte und ihn nicht vergessen ließ.
Der Planet P4X-946 hatte sich zu einem Alptraum entwickelt. Nachdem Carter, Jackson und O'Neill beim Aufbau einer Wetterstation auf so tragische Weise ihr Leben verloren, hatte ihn der Gedanke daran, daß ihr Opfer nicht umsonst war, etwas getröstet. Die Wetterdaten, die ihre Instrumente über Stürme wie Aaron sammelten waren höchst wertvoll und würden in Zukunft vielleicht vielen anderen Menschen das Leben retten. Die Daten wurden nicht, wie es unter Meteorologen üblich war, nach einem halben Jahr sondern bereits nach drei Monaten heruntergeladen und zur Auswertung gebracht.
Hamilton war bisher heilfroh gewesen, daß er dazu keinen Fuß auf den Planeten setzen mußte. Wenn alles glatt gegangen wäre, hätte das auch eines der SG-Teams für ihn übernehmen können. Aber nichts lief glatt, wenn es um diesen Planeten ging.
Noch einmal überprüfte er die Telemetrie der Flugsonde. Vom Kontrollraum aus konnte er alles genau überwachen. Er war auf niemanden angewiesen und konnte somit sicher sein, daß es kein Bedienfehler war, auch wenn er sich wünschte, er könnte jemandem die Schuld dafür geben.
"Haben wir immer noch kein Signal?" fragte er den Techniker neben sich.
"Nein, Sir. Ich habe die Kanäle noch einmal überprüft. Nichts, absolut nichts. An der Sonde liegt es nicht. Wir empfangen ihre Telemetrie, das heißt sie sendet ordnungsgemäß. Sie folgt unseren Anweisungen, also empfängt sie auch. Der einzige Grund, warum sie nichts aufschnappt, kann also nur der sein, daß die Instrumentenstation nichts übermittelt."
Mürrisch kaute Hamilton auf einem Stift herum, während er nachdenklich immer wieder neue Befehle ausprobierte. Es gab eine Menge weiterer Ursachen, die als Fehler in Frage kamen. Obwohl er alles versuchte, wurde ihm schließlich klar, daß man die Daten nicht auf herkömmliche Weise sicherstellen konnte. Er war lediglich in der Lage das Problem einzukreisen und was er dabei herausfand, gefiel ihm nicht. Es sah in der Tat so aus, als läge der Fehler bei der Meßstation. Also mußte er den General wohl oder übel um eine weitere Mission nach P4X-946 bitten, um das Problem zu beheben, denn dies war eine Aufgabe, die er nicht an ein SG-Team abgeben konnte.

Zögernd klopfte der Doktor an General Hammonds Bürotür.
"Herein!" hörte er seine resolute Stimme. "Ah, Doktor Hamilton... was gibt es denn?" fragte der General freundlich. Er wußte, daß sich der Wissenschaftler unnötige Vorwürfe wegen der Sache auf P4X-946 machte und war deshalb besonders geduldig mit ihm.
"Wir haben ein Problem mit der Wetterstation", stellte Hamilton fest. Er haßte diesen Planeten aus tiefstem Herzen und er haßte den Gedanken daran, dorthin zurückkehren zu müssen beinahe ebenso sehr. "Wir erhalten kein Signal von den Instrumenten. Wenn SG-17 versucht die Daten aus einem beschädigten Speicher zu laden, könnten sie unbrauchbar werden."
Der General sah ihn ruhig und nachdenklich an. Er ahnte, worauf es hinaus lief, aber es wollte ihm kein Weg einfallen, wie er ihm diesen Besuch ersparen konnte. Er persönlich war für die Beendigung des Projektes eingetreten, aber die Daten waren einfach zu wertvoll und zu beeindruckend, als daß man seiner mehr oder weniger sentimentalen Bitte nachgegeben hätte. Hamilton holte tief Luft und stellte fest: "Ich muß dorthin und es selbst machen."
"Sind Sie sicher?" fragte Hammond, aber diese Frage bezog sich weniger auf den Umstand daß er selbst dort erscheinen mußte, sondern vielmehr auf die damit verbundene seelische Last.
"Ob ich sicher bin?" Er setzte sich und schüttelte zweifelnd des Kopf "Natürlich bin ich sicher. Ich bin ein Profi. Das wollten sie doch hören, nicht?" fragte er verärgert.
"Sie wissen, was ich meine."
"Ja, das weiß ich." Seine Stimme klang nun wieder etwas versöhnlicher. "Ich komme damit klar."
"Gut, wann soll es los gehen?"
"Ich habe die atmosphärischen Daten der Flugsonde ausgewertet. In den nächsten zwei Tagen sind keine größeren Störungen durch das Wetter zu erwarten. In etwa acht Stunden geht auf Hoth die Sonne auf. Wir können es wahrscheinlich innerhalb eines Tage hin und wieder zurück schaffen, einschließlich Reparatur. Ich schlage vor, daß wir uns morgen früh Ortszeit auf den Weg machen."
"Wie Sie meinen. Da SG-17 für diese Mission sowieso eingeplant war, werde ich Sie damit beauftragen. Geht das in Ordnung?"
"Ja." Hamilton stand auf und machte sich auf den Weg zur Tür. Mitten in der Bewegung hielt er inne und drehte sich noch einmal um. Er hatte offensichtlich Zweifel bei dem, was er sagte, aber er tat es dennoch. "Was ist mit Teal' c? Vielleicht möchte er mitkommen? Er wird sicher nicht mehr so schnell die Gelegenheit haben dieses... Grab.... zu besuchen."
"Wir werden ihn fragen."

Ein wenig später schloß Teal'c sorgfältig die Tür hinter sich.
"Sie wollten mich sprechen, General Hammond?"
"Ja, Teal'c, bitte setzen Sie sich."
Hammond wußte nicht, wie er beginnen sollte. Der Jaffa hatte sich nach wie vor noch nicht endgültig entschieden, wie er sein Leben weiterführen wollte. Zeitweilig half er aus, wenn einem der SG-Teams ein Mann fehlte. Ein anderes Mal verschwand er für ein paar Tage nach Chulak, ohne daß Hammond wußte, was er dort trieb. Vielleicht war es zu früh, um ihn mit seinen Erinnerungen zu konfrontieren, aber sie mußten schließlich irgendwie weiter machen, auch ohne SG-1 und das erforderte klare Verhältnisse.
"Wie geht es Ihnen", fragte er.
"Gut, danke."
Aber diese Antwort kam zu schnell und klang viel zu einstudiert, um wirklich ehrlich zu sein.
"Ich hätte einen Auftrag für Sie. Ich weiß nur nicht, ob Sie ihn annehmen möchten."
Teal'c richtete sich unmerklich etwas auf. Er war noch nie vor einer Aufgabe zurückgeschreckt, egal wie unmöglich sie auch schien. Wenn er eines von SG-1 gelernt hatte, dann war es, niemals zurückzuweichen, und wenn die Lage noch so aussichtslos war.
"Worum geht es?" wollte er wissen.
"Es geht um eine Mission, die sie nach P4X-964 zurückführen würde, nach Hoth."
"Ich verstehe."
"Ich möchte, daß Sie gut darüber nachdenken. Es geht um mehr, als nur einen bloßen Besuch auf diesem Planeten. Ich möchte, daß Sie für sich selbst klären, ob Sie bei uns bleiben oder nach Chulak zurückkehren möchten. Ich könnte es verstehen, aber ich möchte auch, daß Sie wissen, daß ich es sehr schätzen würde, wenn Sie bei uns blieben."
Teal'c war vom ersten Tage an klar gewesen, daß dieser Moment einmal kommen würde. Er hatte sich schon längst den Kopf darüber zerbrochen, was er tun sollte, viel mehr als der General wahrscheinlich ahnte.
In seinem Inneren stritten zwei tiefe Sehnsüchte miteinander. Die eine zog ihn zurück in seine Heimat, zu seinem Volk, für das es noch viel zu tun gab. Eigentlich, so sagte er sich, existierte hier nichts mehr, was ihn noch hielt. Die andere ermahnte ihn, daß hier sehr wohl noch etwas war, was seine Aufmerksamkeit verdiente. Sie waren es wert, daß er für die Tau're kämpfte. Seine eigenen Leute hatten aus ihm einen Helden und Heiligen gemacht und in seinem Namen ein Paar Fußstrapfen geschaffen, die er niemals angemessen ausfüllen konnte. Aber hier konnte er etwas bewegen und außerdem war er es O'Neill, Carter und Jackson schuldig.
"Ich habe diese Entscheidung bereits getroffen, General Hammond." Im Herzen wußte er es längst, es ging nur noch darum, es auszusprechen.

Vorsichtig suchte sich Hamilton seinen Weg durch das Eis. Wortlos setzte er einen Fuß vor den anderen. Alles, woran er dachte, war lediglich der Meter vor ihm. Es mußte so sein, denn wenn er sich vor Augen geführt hätte, daß irgendwo unter seinen Füßen vielleicht die Leichen von SG-1 lagen, hätte er keinen weiteren Schritt mehr tun können.
Der Tag war klar und kalt, die Sonne strahlte unbarmherzig auf die Oberfläche herab, so daß an einen Einsatz ohne den notwendigen Sonnenschutz trotz der Kälte nicht zu denken war. Ein strahlender Himmel erstreckte sich über ihnen von Horizont zu Horizont, ohne den geringsten Makel. Eine frische Schicht sauberen weißen Schnees bedeckte den Boden und ließ alles weich und hell erscheinen. Es schien ganz so, als wolle der Planet sie seine Vergangenheit vergessen machen, aber für Hamilton war er trotz des tadellosen Wetters ein Wolf im Schafspelz, ein Betrüger, der sie nur in Sicherheit wiegen wollte, um später heimtückisch über sie herzufallen.
Er wußte daß es Unsinn war, einem leblosen Stein im All solche Absichten zu unterstellen, aber er konnte nicht anders, als die Tragödie, die sich hier ereignet hatte, persönlich zu nehmen.
Der Mann vor ihm blieb stehen und beinahe wäre er gegen ihn gestoßen, weil er in seine eigenen Gedanken versunken war.
"Wir sind da Doktor", sagte Teal'c zu ihm.
Als er aufblickte, sah er in die erwartungsvollen Gesichter von SG-17. Sie warteten darauf, daß er seine Aufgabe erledigte und daß sie wieder zurückkehren konnten. Hamilton nickte nur und ging an ihnen vorbei zur Meßstation.
Nur die Antenne war noch zu sehen. Sie ragte etwa einen Meter hoch aus dem Schnee. Er kannte den Aufbau der Instrumente von allen am besten und begann zielsicher im Schnee zu wühlen. Nach kurzer Zeit schon hatte er die Speichereinheit gefunden. Er zog seinen Computer aus der Tasche und schloß ihn an.
Auf den ersten Blick schien es kaum Daten zu geben, was Hamilton ziemlich verblüffte. Doch auch nach verschiedenen Diagnosedurchläufen, konnte er nicht sehr viel mehr finden als das, was er bereits hatte.
Hektisch grub er die übrigen Geräte mit den Händen aus dem Schnee aus und überprüfte sie. Einige davon hatte er selbst entworfen, um sie den extremen Bedingungen auf Planeten wie diesem anzupassen. Aber ganz offensichtlich war es ihm nicht gelungen, denn die meisten von ihnen waren beschädigt und unbrauchbar. Irgendwann in den letzten drei Monaten mußten die Temperaturunterschiede Risse verursacht haben, die sich zuerst mit Wasser und später mit Eis füllten. Es war egal wie er es drehte und wendete, sie mußten die Station neu errichten und die wenigen Daten, die sich im Speicher befanden, waren wahrscheinlich wertlos, weil sie von den fehlerhaften Instrumenten verfälscht sein konnten. Hamilton sah sich darin bestätigt, was er über diesen Ort dachte. Das schöne Wetter schien ihn zu verhöhnen. Es würde mindestens eine Woche dauern, alles neu zu errichten... wenn das Wetter mitspielte.


****************


Nach einem langen Tag anstrengender Arbeit zog sich Sam in ihr Quartier zurück. Nach all der Zeit gelang es ihr immer noch nicht, mit den Asgardwissenschaftlern mitzuhalten. Wieviel Zeit mochte inzwischen vergangen sein? Ihrem Gefühl nach konnte es nicht so viel sein, aber das mochte täuschen, denn die langen Tage und Nächte auf Othalla verzerrten ihre Wahrnehmung in dieser Hinsicht.
Die Asgardtechnologie war der auf der Erde um Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende, voraus. Dinge, die vor kurzem für sie noch ein interessantes Forschungsgebiet dargestellt hätten, wurden von ihnen unter nur einem einzigen Begriff zusammengefaßt und beduften im täglichen Umgang keiner weiteren Erklärung. Zumindest galt das für die Asgard. Für Sam war es nur ein weiterer Punkt auf einer langen Liste von Dingen, die sie hinnehmen und glauben mußte ohne sie zu begreifen. Natürlich erwartete sie nicht, daß sie nach so kurzer Zeit schon hinter das Geheimnis ihrer Technologie kam, aber zumindest hatte sie sich ein ansatzweises Verständnis erhofft.
Wie auch immer, an diesem Tag würde sie sich nicht weiter den Kopf darüber zerbrechen. Thor hatte sich zu einem Besuch angemeldet. Sie freute sich auf ihn, denn genau wie O'Neill bekam sie ihn kaum noch zu Gesicht. Beide sprachen nur ungern über das Projekt, an dem sie arbeiteten und ließen sich kaum mehr als ein Wort darüber entlocken. Meistens wechselten sie schnell das Thema, wenn das Gespräch darauf kam. Was Sam besonders seltsam daran fand war die Tatsache, daß sie sich unabhängig voneinander so verhielten.
Bei diesem Gedanken stieg ein leiser Groll in ihr auf. Lange Zeit hatte sie nicht gewußt, woher dieses Gefühl kam, aber irgendwann war ihr klar geworden, daß sie eifersüchtig war, eifersüchtig darauf, daß O'Neill trotz seiner mangelnden Fähigkeiten an einem so wichtigen Projekt mitarbeiten durfte, während sie selbst sich den mitleidigen und geduldigen Blicken ihrer Asgardlehrer ausgesetzt sah.
Außerdem hatte es O'Neill auf eine für sie nicht ganz nachvollziehbare Weise geschafft, eine Art von Beziehung zu den Asgard, und besonders zu Thor, aufzubauen. Ihr selbst war nichts in dieser Hinsicht gelungen. Die meisten waren still und zurückhaltend, befassten sich mit wissenschaftlichen Dingen oder mit einer so hochentwickelten Kunst, daß ihr dafür das grundlegende Verständnis fehlte. Es schien keine Gemeinsamkeiten, keine Berühungspunkte, zwischen ihnen zu geben, und das gab ihr mit fortschreitender Zeit das Gefühl, nur Ballast zu sein.
Thor kündigte sich an und Sam öffnete ihm die Tür. Die Asgard liebten hohe Räume, die sie häufig völlig angemessen als Hallen bezeichneten. So war wenigstens kein Problem entstanden, als es darum ging, für die verhältnismäßig großen Menschen passende Quartiere zu finden. Sie bat ihn herein.
"Hallo Thor, es ist schön Dich zu sehen."
"Es ist auch schön, dich wiederzusehen, Major Carter."
"Bitte komm herein und erzähle, was es für Neuigkeiten gibt."
"Das Projekt, an dem wir arbeiten, schreitet voran. Colonel O'Neill hat sich als äußerst hilfreich erwiesen."
So weit sie es beurteilen konnte, sah Thor sie forschend an. Sam hatte in den letzten Monaten gelernt, in ihren Gesichtern zu lesen, aber es gelang ihr nicht immer. Häufig interpretierte sie einen Ausdruck falsch, was sie gelegentlich in peinliche Lagen gebracht hatte.
"Das ist gut. Es fällt mir zwar schwer, mir den Colonel in dieser Position vorzustellen, aber ich freue mich über seinen Erfolg", sagte sie rein reflexartig.
Thor musterte sie stumm einen Moment lang. "Ich bemerke Spannungen zwischen Euch in der letzten Zeit."
Jetzt war Sam verlegen. "Ach ja? Das kommt Dir sicher nur so vor."
"Ich habe den Eindruck, daß es Eure Effizienz beeinträchtigt."
Sam war drauf und dran, ihm zu widersprechen, aber dann fiel ihr auf, daß er tatsächlich recht hatte. Es belastete und beeinträchtigte sie.
"Vielleicht ist das richtig...", gab sie zu und setzte sich nachdenklich. "ich schätze es sind noch immer die Nachwirkungen dieser Nacht im Eis." Sie blieb einen Moment still sitzen. Plötzlich schoß ihr eine Frage durch den Kopf, die sie schon immer stellen wollte, aber irgendwie war sie bisher entweder nicht dazu gekommen oder der Zeitpunkt erschien ihr jedes Mal unpassend. Aber nun hatte sie die Gelegenheit dazu, denn sie war mit Thor allein. "Wann hast Du Dich eigentlich entschieden, uns zu retten? Als ich starb, oder erst als es Colonel O'Neill auch schlechter ging?" Wie groß war das Risiko, das er eingegangen war, wie lange hatte er gewartet und warum war es gerade zu diesem Zeitpunkt geschehen?
Thor durchquerte den Raum und nahm vor dem großzügig geschnittenen Fenster platz, das ihm einen wunderbaren Blick auf die Stadt mit ihren schillernden Lichtern bot, während sich der orangene Himmel darüber wie an jedem Abend in ein tiefes Rot färbte. Er schien sich auf ein längeres Gespräch einzustellen.
"Die Frage nach dem Wann war nicht so schwierig zu beantworten wie die Frage nach dem Ob. Ob ich Euch helfen sollte oder nicht, konnte ich mir schon lange vorher überlegen. Ich habe es mir, trotz meiner Sympathie für euch, nicht leicht gemacht. Hätte ich auch nur die geringste Gefahr für das Projekt gesehen, hätte ich mich vielleicht im Interesse meines Volkes anders entscheiden müssen. Wann der richtige Zeitpunkt gekommen war, Euch zu helfen, war danach einfach. Colonel O'Neill hat mir diese Entscheidung abgenommen."
Sam sah ihn entgeistert an. Diese Version der Geschichte war ihr neu. Sie traute ihren Ohren nicht.
"Wie bitte!" Empörung machte sich auf ihrem Gesicht und in ihrer Stimme breit. O'Neill hatte das entschieden? Aber wie? Und warum? "Was hat er getan?"
Aber Thor sprach nicht mehr weiter.
"Was hat er getan?" fragte sie noch einmal energisch.
"Das solltet ihr untereinander klären. Ich bin nicht deshalb hierher gekommen", wechselte er das Thema.
"Und warum sonst bist du hier?"
"O'Neill ist uns eine große Hilfe beim Bau des neuen Schiffes, was aber die technische Umsetzung seiner Ideen angeht, so gibt es Fragen, die er uns nicht beantworten kann. Wir hatten gehofft, daß deine vereinfachte Sicht der Dinge uns vielleicht weiter helfen könnte."
"Vereinfachte Sicht?"
"Bitte versteh mich nicht falsch, aber es ist eine Tatsache, daß sich dein Kenntnisstand auf Grundlagen beschränkt, die für unsere Wissenschaftler nicht mehr völlig präsent sind. Du hast die Fähigkeit, sie in Frage zu stellen und... kreativ mit ihnen umzugehen."
Sam schüttelte lächelnd den Kopf. Thor hatte ihr eben nichts anderes gesagt, als daß sie keine Ahnung hatte und ab und zu falsche Schlüsse zog. Aber sie wußte auch, wie er es meinte. Denn die Fähigkeit altbekannte und bewährte Erkenntnisse umzustoßen und neu zu durchdenken, oder sie aus einer anderen Sicht zu betrachten, erforderte ein nicht unerhebliches Maß an geistiger Beweglichkeit. Es war also Ansichtssache, ob diese Bemerkung eine Beleidigung oder eine Anerkennung war. Sie beschloß, es als letzteres zu verstehen.
Sie hatte O'Neill schon geraume Zeit nicht mehr gesehen, aber so wie es schien, würde sich das nun ändern. Es wäre doch gelacht, wenn sie nicht herausbekam, worauf Thor vorhin angespielt hatte.


****************


Langsam begann Hamilton die Sache persönlich zu nehmen. Er spielte abwesend mit dem Bleistift, den er aus Nervosität wie immer zwischen den Fingern hin und her wandern ließ und konnte nicht glauben was er sah. Wie konnte das passieren?
Er hatte vor Wochen die Anlage auf Hoth noch einmal persönlich überprüft. Er hatte sie verstärkt und verbessert, noch einmal erprobt und regelmäßig in Augenschein genommen, bis er sicher war, daß alles richtig funktionierte. Erst dann hatte er die Instrumente mit ruhigem Gewissen auf diesem unwirtlichen Planeten zurückgelassen, damit sie in Ruhe weitere drei Monate lang Daten sammeln konnten. Wie war also eine Anzeige wie die möglich, die gerade über seinen Schirm flackerte?
Er konnte es noch nicht mit Gewißheit sagen, aber es sah ganz so aus als wären die Geräte auch dieses Mal wieder ausgefallen und langsam nahm er es dem Planeten übel, daß er seine Bemühungen immer wieder auf so hinterhältige Weise durchkreuzte.
Das bedeutete einen weiteren Aufenthalt auf P4X-964.

Auch dieses Mal schien sich der Planet über ihn lustig zu machen, denn er empfing ihn mit tadellosem Wetter. Die wenigen Wolken leuchteten in strahlenden Pastellfarben am morgendlichen Himmel. Es war ein wunderbarer Anblick - und er haßte ihn dafür. Inzwischen wurde es zu einem durchaus vertrauten Gefühl. Es kam ihm so vor, als würde der Griff Hoths sich noch immer fest um seinen Hals legen, so als würde er ihn daran erinnern wollen, wem sein Leben gehörte, das er nur mit der Hilfe Teal'cs noch einmal vor dem ewigen Eis retten konnte. Immer wieder zwang er ihn, hierher zurück zu kommen und sich seinen Erinnerungen zu stellen.
Noch einmal nahm er den Fußmarsch zur Instrumentenanlage auf sich, noch einmal grub er sie aus dem Schnee aus um dann festzustellen, daß er ein weiteres Mal einen Fehler bei der Konstruktion begangen haben mußte.
Er befreite sich von den Handschuhen und strich mit den Fingern über die Oberfläche. Das Gerät in seiner Hand war von innen heraus zerstört. Obwohl die Ränder merkwürdig ausgefranst aussahen, fand er Eis im Inneren. Es war also Wasser eingedrungen, das dann zu Eis gefror und sich ausdehnte. Dabei sprengte es das Gehäuse und vernichtete die Daten.
Hamilton konnte nicht einmal vermuten, was für Umstände das waren, die so etwas verursachten, denn die Informationen, die er hierzu gebraucht hätte, waren zerstört. Das normale Wetter, wenn man es auf einem Planeten wie diesem so nennen konnte, war es jedenfalls nicht. Darauf war er vorbereitet, aber was war es dann....?
Teal'c sah ihm über die Schulter. Er sagte nichts, ein Blick genügte, um zu verstehen.
"Wir werden unsere Ausrüstung wohl noch einmal überarbeiten und neu aufbauen müssen", stellte Hamilton fest und erhob sich.
Teal'c schüttelte nur den Kopf. "Es gibt Orte, die man in Ruhe lassen sollte. Haben Sie jemals daran gedacht, diese Forschungen aufzugeben? Vielleicht sollten wir einfach nicht hier sein."
Sicher hatte Hamilton daran gedacht. Er wußte genau, was der Jaffa meinte. In dieser Hinsicht verstanden sie sich wortlos. Es war als wolle man sie hier nicht haben, aber laut antwortete er: "Das ist keine Option." Er war Forscher, und Emotionen sollten Forschungen nicht im Wege stehen.


****************


Alle wichtigen am Bau beteiligten Personen waren auf der Aussichtsplattform der Werft versammelt. Hinter ihnen erhob sich die riesige O'Neill II langsam aus dem Dock. Träge und vorsichtig entfernte sie sich vom Boden. Obwohl sie beinahe eine Meile von ihr entfernt waren, warf sie einen so gewaltigen Schatten, daß er den größten Teil der Werft verdunkelte.
O'Neill hatte alles versucht, um für den Stapellauf des Schiffes, das seinen Namen trug, Champagner zu besorgen, aber es war ihm weder gelungen den Asgard zu erklären was Champagner war noch wofür er ihn brauchte. Aber irgendwann fand er etwas, das wenigstens eine Spur von Alkohol enthielt, wenn es auch für seinen Geschmack ungenießbar war. Schließlich ließen sie sich sogar überreden, dieses kleine Treffen zu arrangieren, damit sie nicht ganz ohne den Segen ihrer Erbauer in Dienst gestellt wurde.
Thor konnte sich daran erinnern, wie sehr die Menschen auf der Erde schon früher an ihren Schiffen hingen und daß sie verschiedene Rituale mit ihnen durchführten. So ließ er O'Neill gewähren, als er vor ein paar Tagen eine rötliche alkoholische Flüssigkeit mit an Bord brachte, um das Schiff, das sich nun in der Testphase befand, zu taufen.
Als Jack die Augen von seinem Schiff abwandte, erblickte er Daniel.
"Hallo Daniel, schön, daß sie da sind. Sie haben sich länger nicht mehr gemeldet. Ich wußte nicht, ob Sie es einrichten können."
"Das würde ich mir um nichts in der Welt entgehen lassen!" antwortete er lachend.
"Haben Sie viel zu tun?"
Daniel drehte sich um und ließ seinen Blick über die ebenmäßige silberne Hülle der O'Neill II schweifen. "Jedenfalls nicht so etwas."
"Ja, sie ist schon etwas Besonderes. Ach übrigens, Carter hat sich schon gefragt, wo Sie sind." Er sah sich suchend nach ihr um.
"Wir werden sie schon finden", meinte Daniel und sie machten sich auf den Weg zu ihr. "Wie weit sind Sie inzwischen?"
"Oh, es läuft gut. Ich kümmere mich um die Ideen und sie um die Umsetzung. Gemeinsam versuchen wir, den Asgard ein paar taktische Tricks beizubringen, aber das ist nicht so einfach. Sie sind gut, wirklich gut... aber sie denken zu viel um die Ecke."
"Ich meinte eigentlich mehr das Schiff."
"Ach so, wir haben die Tests abgeschlossen. Unter kontrollierten Bedingungen hat sie sich gut gemacht. Wir werden in den nächsten Tagen sehen, was sie wirklich drauf hat."
Daniel blieb stehen und hielt ihn am Arm fest. "Soll das heißen, daß sie sie einsetzen wollen."
"Richtig."
"Finden Sie das nicht ein bißchen früh? Ich meine, ich verstehe ja nicht viel von Raumschiffen, und schon gar nicht von denen der Asgard, aber sollten Sie mit einem Einsatz nicht warten, bis das Schiff wenigstens einmal im offenen Raum war? Bisher hat sie diese Werft noch nicht einmal verlassen, geschweige denn Othalla."
Im selben Moment löste sich die O'Neill II endgültig von der Werft. Sie neigte sich etwas, um sich in den Wind zu drehen und stieg dann auf. Zuerst langsam, dann immer schneller und ohne das geringste Zögern. Schließlich stieß sie durch die Wolken und verblaßte zu einem schwachen glänzenden Schimmer, der schon nach Sekunden nicht mehr zu sehen war.
"Glauben Sie mir Daniel, sie ist so weit und ich werde den Replikatoren den Hintern versohlen!"
"Sie? Ich dachte das Schiff braucht kein Personal."
"Braucht sie auch nicht, aber ich werde trotzdem mitfliegen, genau wie noch ein paar andere."
Den wahren Grund dafür verschwieg ihm Jack. Er hatte aufgehört, mit ihm über die technischen Besonderheiten des Schiffes zu sprechen, sobald er selbst daran mitarbeitete. Er verstand diese Geheimhaltung nur zu gut und so sprach er nicht aus, daß die Waffe, die sie an Bord hatten, auf dem EMP-Effekt beruhte und nach ihrem Einsatz organisches Personal nötig war, um das Schiff wieder in Gang zu setzen und die Replikatoren von Bord zu befördern. Jedes einzelne Mal wenn er mit diesen Elektrokäfern zusammen getroffen war, war er entweder rückwärts gestolpert oder gerannt. Dieses Mal würde es anders sein. Dieses Mal würde er es ihnen zeigen.

Später am Abend verließen die Gäste die Halle. Daniel war schon vor einiger Zeit gegangen und so waren es nun nur noch Carter und O'Neill die in der relativen Dunkelheit vor dem Gebäude auf eine Transportmöglichkeit warteten. Einzelne kleinere Schiffe bewegten sich lautlos zwischen den erleuchteten Gebäuden Othallas hindurch.
Carter hatte lange auf eine solche Gelegenheit gewartet. Jack war gut gelaunt und sie waren allein. Seit Wochen schon war es ihr nicht gelungen, mit ihm auch nur eine einzige Stunde zu zweit zu verbringen. Sie nahm ihren Mut zusammen. Wenn sie ihn jetzt nicht zur Rede stellte, dann würde sie es wahrscheinlich nie mehr tun.
"Jack?"
"Hmm."
"Wir müssen reden."
Sofort warf er ihr einen mißtrauischen Blick zu. Sie wußte, daß er etwas ahnte und sie kannte ihn gut genug, um zu bemerken, daß es in seinem Hirn jetzt rund ging, auf der Suche nach einem Ausweg aus dieser Situation.
Und sie hatte Recht damit. Anfangs fühlte er sich unwohl dabei, mit ihr zusammen zu arbeiten, aber von Tag zu Tag normalisierte sich das Verhältnis zwischen ihnen scheinbar, so lange bis er glaubte, daß es wieder in klaren und geordneten Bahnen verlief, wie früher. Aber wie es aussah, hatte er sich geirrt.
"Reden? Worüber?"
"Über unsere Rettung aus dem Eis."
"Was gibt es da noch zu reden."
"Ich finde da gibt es eine Menge. Fangen wir doch damit an, was Sie auf Thors Schiff zu mir gesagt haben...."
"Ach Carter, Sie wissen doch... das war...."
"Was? Ein Versehen?"
"Eine extreme Situation, und in extremen Situationen sagt man manchmal Dinge die... die...." Er suchte nach dem richtigen Wort. Er wollte nicht 'bereuen' oder 'nicht beabsichtigt' sagen, aber es wollte ihm auch kein anderer Begriff dafür einfallen.
"Ich verstehe." Sie verschränkte die Arme und sah ihn gekränkt an. "Und was ist mit der Rettung?"
Er war irritiert. War es nicht das, worüber sie gerade sprachen. Er wußte nicht worauf sie hinaus wollte.
"Wie war das mit unserer Rettung? Wann genau hat Thor uns herauf geholt? Und warum?"
"Aber das wissen Sie doch, Carter..."
"Nein, das weiß ich nicht. Ich kenne Ihre Version der Geschichte, aber ich weiß auch, daß das nicht alles ist."
Sie bluffte. Ihre kleine Ansprache war eine Herausforderung, obwohl sie nicht genau wußte, was an der Sache denn nun eigentlich faul war. Sie drückte sich vage aus um ihm das Gefühl zu geben, daß sie es ohnehin wußte und er es darum auch nicht mehr zu leugnen brauchte.
O'Neill tat etwas, womit sie gerechnet hatte. Er schob die Hände in die Hosentaschen und sah sie ausdruckslos an, eine Geste absoluter Abwehr. Er wollte nicht darüber reden und wurde langsam wütend, weil sie nicht aufhörte nachzubohren.
"Meine Version der Geschichte ist die einzige Geschichte."
Er blieb dabei, also war es nun Zeit für ihren letzten Joker.
"Da hat Thor aber etwas anderes erzählt."
Eine Sekunde lang hatte er seinen Gesichtsausdruck nicht unter Kontrolle. Sie sah deutlich Ärger aufblitzen, sie konnte nur nicht sagen, worauf er sich richtete.
"Ich wußte doch, daß dieser kleine graue Zwerg nicht dicht halten würde!" fluchte er.
"Also..." fuhr sie fort. "Wie war es wirklich?"
Aber O'Neill konnte es nicht aussprechen. Er wollte nicht, daß sie es wußte. Was er damals in größter Not für sich entschieden hatte, kam ihm nun dumm und unüberlegt vor.
"Lassen Sie es gut sein, Carter", bat er sie. "Vergessen wir es einfach. Es war kein guter Tag, für keinen von uns."
Er drehte sich um und wollte gehen. Wohin, das wußte er selbst nicht, nur weg. Aber sie hielt ihn fest.
"Thor sagte, sie hätten ihm die Entscheidung abgenommen, wann er eingreifen sollte. Ist das wahr?"
Sie hatte lange darüber nachgedacht und war zu einer Erkenntnis gelangt, die ihr einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Trotz aller Schwierigkeiten und Gefahren, trotz aller Unannehmlichkeiten und Ängste, die sie damals ausstanden, half Thor ihnen erst in dem Moment, als es kein Zurück mehr gab, keinen Ausweg und keine andere Rettung mehr. Wenn O'Neill diesen Moment willentlich festgelegt hatte, dann mußte er es auf eine Art getan haben, die ebenso endgültig war.
Wenn es stimmte, was sie vermutete, dann war er vielleicht bereit gewesen, ihr das größte Geschenk zu machen, das ein Mensch einem anderen machen konnte: sein eigenes Leben. Aber wenn es sich so verhielt, dann mußte sie es wissen. Sie mußte wissen, ob sich all die Schwierigkeiten der letzten Monate gelohnt hatten: das Ausweichen, Gespräche die sich auf Belanglosigkeiten beschränkten, Zweifel darüber, ob sie das richtige tat oder fühlte, Zurückweisungen jeglicher Art und Unterhaltungen die schmerzhaft und ungeschickt waren wie die, welche sie gerade führten.
"Stimmt das?" fragte sie ihn noch einmal.
"Ja", sagte er, drehte sich um und wollte gehen.
Sam war sich im klaren darüber, daß sie wahrscheinlich nie wieder näher an die Wahrheit heran kommen würde und war bereit, es dabei zu belassen. Sie wußte nicht genau, wie er es getan hatte, aber wenigstens war sie sich nun sicher, daß er es getan hatte.
"Wovor fürchtest du dich?" fragte sie ihn.
Er antwortete überraschend offen. "Davor, zu verliere,n was ich schon habe."
"Und das wäre?"
"Dich."
"Wir werden schon einen Weg finden..."
"Nein, so meine ich das nicht. Oder doch... genau das meine ich." Zögernd fuhr er fort. "Ich habe immer geglaubt, daß mir Deine Freundschaft reicht, aber mir wurde klar, daß ich nicht ewig so weiter machen kann. Ich bin nicht zufrieden damit, wie es läuft, aber es wird genügen müssen. Es würde alles nur noch schwieriger dadurch. Sobald wir wieder auf der Erde sind, wird...."
"Wir werden wahrscheinlich nie wieder dorthin zurückkehren."
"Ich denke aber doch, daß wir das werden und dann wird es erst richtig kompliziert."
"Du machst dir zu viele Sorgen. Laß es doch einfach auf dich zukommen. Ganz langsam. Vielleicht kommt es gar nicht so weit."
Er sah verlegen zu Boden und begann zaghaft zu lächeln. "Ganz langsam..."
"Ja, warum nicht? Vielleicht ist es am Ende einfacher, als wir beide denken."
Er nickte nachdenklich. Schon einmal waren sie an diesem Punkt angelangt, damals, gleich nach ihrer Rettung, an Bord von Thors Schiff. Und dennoch war es ihm gelungen, diesen kleinen Schritt vorwärts einfach zu ignorieren. Stattdessen machte er zwei Schritte zurück. Sein Verstand sagte ihm, daß es einfach lächerlich war, immerhin war er nicht mehr Fünfzehn, und trotzdem hatte ihn etwas zögern lassen und zwar schon seit er sie kannte.
"Ganz langsam...."
"Ganz langsam."


****************


Wie ein kranker Wal kroch die O'Neill II mit nur einem Viertel ihrer Kraft durch den offenen Raum. Unter dem Schutz einiger schwer bewaffneter Kreuzer der schleppte sie sich auf Nebenrouten auf den sicheren Hafen zu.
Während ihrer frühen kurzen Testflüge war alles gut gegangen, aber beim ersten Langstreckentest, der sie weit weg in ein entlegenes Gebiet führte, kam es zu einer Reihe schwerer Systemfehler, die ohne die Möglichkeiten einer Werft nicht behoben werden konnten. Im Grunde handelte es sich dabei um eine Erscheinung die man auf der Erde "Kinderkrankheiten" genannt hätte. Jedes noch so gute System beinhaltete, besonders wenn es neu war, eine Unmenge von einzelnen Komponenten, von denen man nie sicher sein konnte, wie sie miteinander interagierten. Selbst wenn man solche Neuheiten in ein bereits funktionsfähiges erprobtes System integrierte, konnten die Auswirkungen fatal sein, und sie waren es um so mehr, je mehr Neuerungen an dem Umbau beteiligt waren.
So war es auch im Falle der O'Neill II. Die mit Hilfe der Menschen konstruierten Anteile waren von denen der Asgard so verschieden, daß es mehr als nur ein wenig abstraktes Denken erforderte, um einen Weg für ihre Integration in die Schiffssysteme zu finden. Der Antrieb ließ sich nicht mit Vollast anfahren, die Schilde wiesen Löcher auf, der Bordcomputer führte ein Eigenleben und der Energiepegel der Waffen schwankte besorgniserregend. Alles in allem schien dieser erste Flug nur knapp an einem Desaster vorbeigekommen zu sein.
Trotzdem hatte sich auf der Brücke ein zufrieden grinsender O'Neill einen Platz gesucht und genoß diesen Flug. Carter hatte ihm mehr als einmal erklärt, warum es eigentlich unmöglich war, daß die von ihnen entwickelten Einzelteile zusammen funktionierten. Im Labor war es kein Problem, aber man konnte schließlich nicht jede Situation im Labor vorhersehen. Doch all das beunruhigte O'Neill nicht. Er war immer davon überzeugt gewesen daß sein Schiff keine Probleme haben würde und weniger als das war für ihn nicht akzeptabel.
Bedächtig bewegte sich die O'Neill II nun schon seit Tagen am Rande des Asgardterritoriums. Jack gab nicht vor zu wissen, wie sie zu steuern war. Er war einfach nur froh hier zu sein und genoß seine vorübergehende Stellung als Boss.
Doch auch die größte Begeisterung läßt irgendwann einmal nach, wenn sich nichts ereignet und so begann er langsam aber sicher damit, sich zu langweilen. Der Geleitschutz durch die bis an die Zähne bewaffneten Kriegsschiffe gab ihm ein sicheres Gefühl, doch sie hatten sich mit der Zeit weit von jedem Außenposten entfernt und die Bedrohung war allgegenwärtig. Es blieb ihnen nichts anderes übrig als sich durch diese gefährdete Zone zu bewegen. Es war der kürzeste Weg zurück, wenn es vielleicht auch nicht der sicherste war.
"Carter, wann haben wir die Anzeigen das letzte mal überprüft?"
"Es ist noch keine fünf Minuten her."
"Überprüfen Sie sie noch einmal."
"Colonel, Sie wissen, daß sie nicht einwandfrei funktionieren. Seit zwei Tagen haben wir dieses diffuse Echo auf dem Schirm und können nicht herausfinden, wo der Fehler liegt. Eine Überprüfung wird uns auch dieses mal nicht weiter bringen."
"Ich weiß", Sagte er und druckste dabei etwas herum. "Machen Sie's trotzdem. Ich hasse es, wenn etwas auf einem Schirm erscheint, was da nicht hingehört. Ich komme mir verfolgt vor, wenn ich so etwas sehe."
Carter verdrehte die Augen und nahm wie angeordnet einen weiteren Scan vor. Wie immer erschien am äußeren Rand ein verschwommenes zerstreutes Echo, so als würde etwas den Scan reflektieren. Aber es war kein Schiff, denn dafür bot die Darstellung ein viel zu zerfressenes Bild. Es war auch kein Trümmer- oder Asteroidenfeld, denn dann hätte es sich schon in konstantem Abstand mit ihnen mit bewegen müssen. Langsam fragte sie sich ob es nicht einfach nur eine Unsauberkeit beim Einbau der Schirme war. Ohne darüber nachzudenken, strich sie mit der Hand über die glatte Fläche vor ihr, die die Funktion eines herkömmlichen Monitors erfüllte, aber der leuchtende Fleck ließ sich nicht wegwischen.
"Nichts Sir, es ist alles wie in den vergangenen Tagen. Das Echo ist immer noch da."
"Was ist mit den anderen Schiffen?"
"Sie gleichen ihre Scans routinemäßig mit uns ab, und nicht eines von ihnen hat irgendwo etwas geortet. Es muß sich um eine Fehlfunktion handeln... noch eine..."
"Also ich weiß nicht. Vielleicht leide ich an Verfolgungswahn, aber ich hasse es, etwas auf einem Schirm zu haben, ohne zu wissen was es ist. Ich hasse es wirklich", wiederholte er. "Ich weiß immer gern, womit ich es zu tun habe."
"Ich verstehe, Sir", antwortete sie ihm, ohne wirklich zuzuhören und natürlich hörte O'Neill den unterschwelligen Zweifel in ihrer Stimme.
Zu Beginn ihrer Probleme mit dem Scanschirm, hatte er es einfach nur der Liste der zu überprüfenden Teile hinzugefügt und es danach sofort wieder vergessen, aber dann war er immer und immer wieder auf dieses Problem gestoßen und hatte nun die Nase voll davon. Und da es Carter und den Asgard scheinbar nicht möglich war, es zu beseitigen, beschloß er, der Sache selbst auf den Grund zu gehen.
"Es reicht", sagte er. "Schalten Sie den Antrieb ab und übermitteln Sie den anderen Schiffen, daß wir einen Maschinenschaden haben."
Auch wenn er nicht in der Lage war sie zu fliegen, hatte er bei diesem Flug die Kommandogewalt über die O'Neill II.
"Aber Sir..."
"Carter, tun Sie, was ich sage!"
Das leise Summen, das die Brücke erfüllte, schwoll ab und die Anzeigen, die über den Status des Antriebes Auskunft gaben, begannen zu sinken.
Der Asgardnavigator stellte diese Entscheidung nicht in Frage, er übermittelte die Nachricht ohne Widerrede und registrierte die Antwort.
"Sie fragen, wie lange wir brauchen, um sie wieder in Gang zu setzen."
O'Neill dachte einen Moment lang nach. "Sagen Sie ihnen, daß wir nicht wissen ob wir es überhaupt können. Vielleicht ist es besser, uns abschleppen zu lassen."
Einen entsprechenden Schlepper hier draußen zu finden würde schwer werden und eine gute Kommunikation war hier auch nicht gewährleistet. Um Hilfe zu holen mußte sich wenigstens eines der Kriegsschiffe aus dem Verband lösen und nach Othalla fliegen.
Und genau so geschah es. Thor, der sich um die Kreuzer kümmerte, zog den einzig logischen Schluß. Binnen Minuten scherte eines der Schiffe aus und änderte die Richtung. Die beiden verbleibenden hingen in ein paar Meilen Entfernung bewegungslos neben der O'Neill II im Raum.
Fast eine Stunde lang geschah nichts. Carter ging einer der zahllosen Fehlermeldungen nach und Jack begann erneut sich zu langweilen.
"Wollen sie mir nicht erklären, was das alles soll?" fragte sie ihn schließlich.
"Es war nur ein Test. So eine Art 'Irrer Ivan'. Ich wollte nur sehen, ob wir allein sind."
"Wir sind seit etwas über einer Stunde hier. Unsere Eskorte hat sich um ein Drittel reduziert und unser Antrieb funktioniert offensichtlich nicht. Wenn es irgendjemand auf dieses Schiff abgesehen hätte, dann würden wir beide jetzt sicher nicht dieses Gespräch führen und..."
Sie wurde von einem Heulen unterbrochen, das die Asgardentsprechung eines Alarmtones war.
"Was ist los?" blaffte O'Neill.
Carter war schon dabei, die Herkunft des Alarmes zu ermitteln. Die Asgard unterschieden eine Reihe verschiedener Dringlichkeitsstufen, die sie mit verschiedenen Tönen kennzeichneten. Der von eben klang ziemlich dringend und daß er ihn selbst bei schweren Fehlfunktionen noch nie gehört hatte, trug nicht unbedingt zu seiner Beruhigung bei.
"Carter?"
"Die Scanner haben etwas aufgeschnappt, aber sie können es nicht identifizieren."
"Haben wir Informationen von der Eskorte?"
"Nein, Sir. Sie können unsere Beobachtungen nicht bestätigen."
"Wieder nur ein defekter Scanner?"
Sie zögerte einen Moment, während sie fieberhaft die Anzeigen hin und her schob und versuchte, sich ein Bild zu machen.
"Carter, ist es ein Defekt?" fragte er noch einmal eindringlich.
"Ich fürchte nein, Sir", gab sie schließlich zu und ließ die Hände sinken. "Das Echo auf dem Schirm... es bewegt sich."
O'Neill nickte grimmig. "Manchmal hasse ich es, wenn ich recht habe."
Wie von Zauberhand begann das schattengleiche Echo der Scans sich zu verändern und zu einer Vielzahl einzelner Punkte zu verdichten.
Ohne Aufforderung schaltete einer der Asgard das Bild einer Außenkamera auf den Hauptschirm. Ein ganzer Schwarm kleiner wendiger Schiffe hielt direkt auf sie zu.
"Was zum Teufel ist das?" preßte O'Neill hervor.
"Ich weiß es nicht, Sir. Schiffe dieser Bauart befinden sich nicht in den Datenbanken."
O'Neill biß die Zähne zusammen. Das war sein Schiff und wenn sie versuchen sollten es anzugreifen, würden sie ihr blaues Wunder erleben, egal um wen es sich dabei handelte!
Was er sah, bedurfte keiner weiteren Erklärung. Es war geradezu unglaublich mit welcher Frechheit sich die kleinen Schiffe an den Kreuzern vorbeibewegten und mit welcher Leichtigkeit sie durch die Löcher in den Schilden der O'Neill II schlüpften.
Trotz ihrer Bewaffnung und ihrer imposanten Ausmaße, waren die Kreuzer der Asgard keine Gegner für sie. Sie waren zu schwerfällig, um den geschickten schnellen Manövern der kleinen Flugkörper folgen zu können und ihre Waffen waren stark, aber aufgrund ihrer Bauart nicht präzise genug, um im vollen Flug ein so kleines Ziel zu treffen.
So erfolglos wie sich ein Mensch gegen einen Schwarm Insekten wehrte, so wertlos war auch ihre Verteidigung.
Ein metallischer Schlag traf das Schiff. O'Neill sah sich fragend um.
"Sie heften sich an die Hülle und versuchen sie zu durchdringen. Wir verzeichnen strukturelle Schäden auf den Decks 2, 3, 5, 7 und.... es werden immer mehr. "
"Nun, dann Sie das?"
"Sie haben versucht sich zu tarnen und uns unbemerkt zu folgen, aber wir haben sie entdeckt. Wir wußten nur nicht genau, was es war, was wir da sahen. Wie auch immer..." O'Neill erhob sich zügig und schickte sich an, die Brücke zu verlassen. "Sie bleiben hier Carter und tun was ich Ihnen sage, wenn ich es Ihnen sage."
"Jawohl, Sir." Ohne es zu bemerken, waren beide in den Kommandoton zurückgefallen, der Soldaten fast immer auszeichnete und den sie niemals wieder ablegten, sobald sie ihn einmal verinnerlicht hatten.

Mit kühler Distanz sah sich O'Neill das Schauspiel genauer an. Er entfernte sich nicht weiter von der Brücke als notwendig, gerade so weit, daß er sehen konnte womit er es zu tun bekam.
Es war genau so, wie er es schon angenommen hatte: die kleinen flinken Schiffe waren gefüllt mit Replikatoren, die sich sofort über die Systeme der O'Neill II hermachten, sobald sie in sie eingedrungen waren.
Angewidert verzog er das Gesicht. Zweifellos lagen die Asgardkreuzer, die sie begleiteten, machtlos in sicherer Entfernung neben ihnen und waren nicht in der Lage, ihnen zu helfen. Natürlich hatten die Replikatoren sie ignoriert, denn die O'Neill II war ein weitaus lohnenderes Ziel, trotz ihrer zahlreichen Fehler. Er erkannte, daß sein Plan bis jetzt aufgegangen war, auch wenn es ihn etwas überraschte, daß die Replikatoren ihnen folgten und sie beobachteten, um sicher zu gehen, daß es keine Falle war. Für so schlau hatte er die kleinen Biester nicht gehalten
"Carter?"
"Ja, Sir?"
"Wie sieht es aus, wie viele von den Dingern haben wir uns eingefangen?"
"Etwa drei viertel von ihnen haben sich uns angeheftet, insgesamt über einhundert. Ein paar scheinen in einiger Entfernung zu warten."
"Sie kommen nicht näher?"
"Nein, sie bewegen sich nicht."
Er dachte einen Moment darüber nach. Es wäre besser alle auf einmal zu erwischen, aber er sah keinen Weg, wie er das anstellen sollte. Andererseits machte das keinen Unterschied. Ihr Zögern und ihr Abwarten zeigten ihm, daß die List, die die Asgard seit ihrer Zusammenarbeit mit den Menschen immer wieder unter Beweis stellten, langsam Wirkung erzielte. Sie griffen nicht mehr wahllos an und das war schon ein Fortschritt, der ihnen immer wieder dringend nötige Ruhepausen verschaffte.
Wenn einige der Käfer bei diesem jetzigen Zusammenstoß entkamen, dann konnte es ihnen nur recht sein, weil sie nichts anderes berichten würden, als daß die Fallen der Asgard immer ausgeklügelter wurden. Vielleicht würde sie das zu noch mehr Vorsicht und Zurückhaltung ermahnen und etwas in die Defensive drängen.
"Carter, EMP ausführen. Danach das Notprotokoll, wie besprochen."
"Sind Sie sicher, Sir?"
"Carter, sie fressen mein Schiff! Wann sonst, wenn nicht jetzt?"
Er sah die elektromagnetische Schockwelle weder, noch hörte er sie. Ihre Reichweite war begrenzt, aber für ein Schiff dieses Ausmaßes genügte sie völlig. Er sah, wie die Replikatoren von den Wänden fielen, reglos liegen blieben und in ihre Einzelteile zersprangen, dann fiel das Licht aus.
Einen kurzen Moment lang war die O'Neill II tot. Es wurde still und dunkel. Doch schon weniger als eine Minute danach aktivierte Sam die Notbeleuchtung. Es war eine der längsten Minuten, die O'Neill je erlebt hatte und sobald er wieder sehen konnte, verzog er das Gesicht zu einem grimmigen Grinsen.
Sein Kommunikator funktionierte nicht mehr und so kehrte er zu Fuß auf die Brücke zurück, wobei er eine gewisse Schadenfreude nicht unterdrücken konnte, während er die Bestandteile der zerlegten Replikatoren unter seinen Füßen knirschen hörte.
"Wie sieht es aus, haben wir irgendeine Kommunikation nach draußen?"
"Noch nicht, Sir. Aber wir arbeiten daran. Sie wissen ja, daß die entsprechenden Verbindungen erst wieder hergestellt werden müssen. Das ist der Nachteil beim Einsatz des EMP. Wir können die Technik zwar reaktivieren, aber es dauert seine Zeit, eine Zeit in der wir höchst verwundbar sind."
"Ich weiß, ich weiß" Er winkte ab. Schließlich hatte er an diesem Schiff mitgearbeitet. Niemand wußte so gut über seine Fähigkeiten bescheid, wie er selbst. "Ich gehe wie vereinbart auf das oberste Deck und fange mit den anderen an, die Überreste dieser Wanzen aus dem Schiff zu befördern. Und sie stellen mir eine Verbindung zu den anderen Schiffen her. Ich will wissen was da draußen vorgeht. Es sind schließlich noch ein paar von diesen Quälgeistern übrig."
"Ja, Sir."

Deck um Deck überprüften O'Neill und die Asgard das Schiff, um auch nicht einen Baustein der Replikatoren zu übersehen. Im wesentlichen fand die Beseitigung ihrer Überreste mit Hilfe von Besen und Luftschleuse statt. Obwohl es eigentlich eine langweilige Aufgabe war, wurde es O'Neill nicht müde, sich über ihren Erfolg zu freuen.
Selbst die hochentwickelte Asgardzivilisation wurde nicht mit ihnen fertig, aber ihm war es gelungen, einem Menschen von der Erde, einem, der nicht das geringste von Technik verstand. Doch noch bevor sich sein Ego deswegen zu weit aufblähen konnten, wurde er jäh auf den Boden der Tatsachen zurück geholt.
Das Schiff war bereits zu zwei Dritteln gereinigt und seine Aufmerksamkeit ließ langsam nach, als er plötzlich bemerkte, wie sich die einzelnen Teile der Replikatoren langsam wieder zusammenfügten. Wie von einer unsichtbaren Hand geführt, entstanden nach und nach erst größere Teile und schließlich ganze Replikatoren.
Verdutzt blieb er wie angewurzelt stehen.
"Carter?" fragte er über das wieder funktionsfähige Kommunikationssystem. "Haben sie eine Verbindung nach draußen?"
"Ja, Sir, aber nur per Audio, warum?"
"Verbinden Sie mich mit Thor."
Es dauerte einen Moment, bis er ihn hörte.
"Thor, was geht dort draußen vor? Die Käfer regenerieren sich. Sollten sie nicht außer Gefecht sein?"
"Das habe ich befürchtet."
"Soll das heißen, du hast damit gerechnet?"
"Nein, aber die übrigen feindlichen Schiffe sind nicht geflohen als ihr den EMP eingesetzt habt. Selbst als wir Jagd auf sie machten, haben sie sich nie weit von euch entfernt. Ich fürchte sie haben etwas an Bord, was ihr einen Monsterkäfer nennen würdet, der die anderen steuert und koordiniert. Es hat wohl etwas gedauert, bis er nach dem EMP wieder die Kontrolle über sie übernehmen konnte."
Blitzartig schossen O'Neill Erinnerungen an einen solchen Bug durch den Kopf, riesig und intelligent und noch viel fremdartiger und abstoßender als es die kleineren Exemplare seiner Art ohnehin schon waren.
"Dann wird es wohl Zeit für Plan B..." überlegte O'Neill laut.
Er bekam lediglich ein Knacken als Antwort, als die Leitung zusammenbrach. Überall auf dem Schiff begannen die spinnenartigen Wesen ihr zerstörerisches Werk fortzusetzen. Wie es schien, war die Kommunikation eines ihrer vordringlichen Ziele.
Jack setzte sich Richtung Brücke in Bewegung. Er lief die Meile nicht mehr in der selben Zeit wie als Zwanzigjähriger, aber an diesem Tag war er schneller als jemals zuvor. Er mußte es sein, denn das Funktionieren seines Planes hing ganz wesentlich davon ab, wann er ihn in die Tat umsetzte. Solange die Schäden noch nicht zu groß waren, war noch alles möglich.
Völlig außer Puste und schnaufend wie eine alte Dampflok erreichte er den Kommandoraum, wo Carter hektisch versuchte die noch funktionierenden Anteile unter ihrer Kontrolle zu halten.
"OK, Carter, jetzt kommt es drauf an. Schalten Sie die O'Neill II ab und starten Sie sie mit den Sekundärsystemen neu."
Sie hatte ernsthafte Bedenken, das konnte er deutlich sehen. Ihm wäre es auch lieber gewesen wenn ihr erster Testflug anders gelaufen wäre, Plan B war zumindest für heute noch nicht vorgesehen, aber schließlich wurde das Schiff für genau diesen Fall gebaut und er hatte nicht vor, es sich praktisch unter den Händen von ein paar wildgewordenen Elektroasseln zerlegen zu lassen.
Jeder auf der Brücke war angespannt, als Carter den entsprechenden Stein auf der Anzeige verschob. Die ständigen geradezu organischen Geräusche des Schiffes verstummten innerhalb weniger Sekunden. Es war absolut dunkel. Jeder noch so geringe Energiefluß in dem stählernen Körper kam zum Erliegen, bis nur noch eine Handvoll Schaltkreise auf der Brücke funktionierten.
O'Neill verspannte sich, bis seine Schultern schmerzten. Unwillkürlich hielt er den Atem an, als Carter ihre Hand zu einer der wenigen noch leuchtenden Anzeigen bewegte und das Schiff mit dem Kaltstart eines noch nie zuvor getesteten Systems ins Leben zurückzurufen versuchte.
Aber es tat sich nichts. Geradezu panisch überprüfte sie die wenigen Daten, die sie zur Verfügung hatte und nahm ein paar Einstellungen vor. Schon konnte sie die ersten Käfer hören, die sich ihren Weg zur Brücke bahnten.
"Es sind schon erste Anteile des Sekundärsystems beschädigt, aber jetzt müßte es funktionieren."
Sie versuchte zuversichtlich zu klingen. Sie legte die Hand auf die Anzeige und schloß die Augen. Wenn es jetzt nicht klappte....
Aber es funktionierte. Gehorsam sprangen die Maschinen des Schiffes an. An die Stelle der fehlerhaften Originalkonfiguration trat nun eine, die auf den ersten Blick fehlerfrei und leistungsfähig, wenn auch deutlich einfacher und auf das Wesentliche begrenzt war. Für einen Außenstehenden mochten die Ersatzsysteme des Schiffes unübersichtlich und mit einer Menge überflüssigem Ballast angefüllt sein, aber auf den zweiten Blick mußte man erkennen, daß dieser Teil auf einer weit weniger entwickelten Technik beruhrte und nur wenige, aber entscheidende Neuerungen enthielt. Die Replikatoren interessierten sich für diesen Teil des Schiffes nicht und dies gewährleistete selbst bei stärkerem Befall ein reibungsloses Funktionieren, jedenfalls eine Zeit lang. Für die Menschen war vieles davon ein alter Hut, aber die Asgard hatten ihre Kenntnisse auf einzigartige Weise weiterentwickelt und vervollkommnet. Für kurze Zeit wurde es somit möglich auf praktisch jedes System zuzugreifen und weitere Maßnahmen in Angriff zu nehmen.
Es war nur die Frage wie lange es funktionierte. O'Neill war gleichermaßen über die Haltbarkeit seines Schiffes besorgt wie auch über die Anpassungsfähigkeit der Replikatoren. So beschloß er, Nägel mit Köpfen zu machen.
"Schilde aktivieren."
Carter folgte seinen Anweisungen. Während er sich aufbaute, konnte er zusehen, wie die Replikatoren, die bereits auf die Brücke vorgedrungen waren, ihre Funktion einstellten und schließlich in ihre Einzelteile zerfielen, als bestünden sie aus einer Handvoll Lego-Bausteine, die ein Kind achtlos hingeworfen hatte.
"Was machen die anderen Schiffe."
Ohne eine Antwort schaltete Carter den Hauptschirm auf die entsprechende Außenansicht, gerade noch rechtzeitig um zu sehen, wie die feindlichen Schiffe beidrehten und sich zurückzogen.
O'Neill konnte es sich nicht verkneifen von einem Ohr zum anderen zu grinsen. Der Schild beruhte auf dem selben Prinzip wie der EMP. Statt eines einfachen Impulses, war es den Asgard gelungen eine Art stehenden Effekt zu erzeugen. Er hatte keine Ahnung wie er funktionierte. Nicht einmal Carter schien es vollständig begriffen zu haben. Sie hatte ihm einmal gesagt, daß die Idee und die Grundlagen vielleicht von ihnen stammten, daß diese Art von Technologie aber mit der, die sie von der Erde kannte, nichts mehr gemeinsam hatte, aber das störte ihn nicht. Nur das Ergebnis zählte. In Gang gesetzt durch ein hoffnungslos veraltetes und eigentlich inkompatibles System, hatte der neue Schild die Verbindung des Monsterkäfers zu den Anderen, die ihr Unwesen auf seinem Schiff trieben, getrennt und da sie nun keine Anweisungen mehr erhielten, kehrten sie in den Zustand zurück, den sie vor ihrer Reaktivierung innehatten: sie zerfielen zu Einzelteilen.
Stolz richtete sich Jack auf. Eigentlich hatte er geglaubt, der EMP würde genügen, aber nun war er froh, daß er gemeinsam mit den Asgard diese zweite Überraschung für die Käfer entwickelt hatte, seinen Plan B. Obwohl sie nie zuvor in diesem Modus getestet wurde, funktionierte die O'Neill II einwandfrei. Er hätte gern noch seine neuen Waffen an den Käfern ausprobiert, aber sie entfernten sich zu schnell, als daß er sie noch hätte erreichen können.
"Na also, geht doch." Stellte er fest. Er wußte schon immer, daß sein Schiff ihn nicht im Stich ließ, wenn es darauf ankam.


****************


Es waren bereits einige Wochen vergangen, seit die O'Neill II zu einer Überholung in die Docks der großen Werft von Othalla zurückgekehrt war. Seitdem hatte sie sich keinen Meter mehr bewegt. Doch heute war ihr großer Tag. Die Asgard hatten sie gründlich instand gesetzt, ihre Kinderkrankheiten beseitigt und die Schäden ausgebessert, die die Replikatoren hinterlassen hatten.
Wieder einmal saß O'Neill vor dem Fenster seines Quartieres und sah der Morgendämmerung zu. Wieder einmal hatte er das Gefühl, daß ihm die Zeit davon lief, aber dieses Mal war es anders. Das Glas war nicht halb leer, es war halb voll!
Die Zeit ihres Lebens auf Othalla neigte sich ihrem Ende. Noch einmal rief er sich das Gespräch mit Thor vor einigen Tagen ist Gedächtnis.
"Es ist nicht länger ein Geheimnis, welche Art von Technologie wir entwickelt haben", hatte er ihm anvertraut. "Es steht Euch darum frei, nun zur Erde zurückzukehren. Aber natürlich würden wir uns glücklich schätzen, wenn ihr euch zum Hierbleiben entscheiden würdet."
Das Angebot war verlockend. Auch wenn er sich nach der Erde sehnte, hatte er sich an diesen Ort und an seine neue Aufgabe gewöhnt. Manchmal wunderte er sich über sich selbst. Noch vor einem halben Jahr hätte er es nicht für möglich gehalten, daß diese Entscheidung schwierig für ihn sein würde.
Er war immerhin Soldat der Air Force, so wie Carter. Es war ihre Pflicht zu ihrer Einheit zurückzukehren, ob sie es nun wollten oder nicht. Alles andere konnte mit etwas bösem Willen als desertieren ausgelegt werden, und auch General Hammond, der ihnen sicher immer helfen würde, egal worum es ging, hatte bereits mehrmals bewiesen, daß er nicht den geringsten Humor hatte, wenn es darum ging, daß man ihn vor vollendete Tatsachen stellte.
"Meinst du, ihr kommt allein klar?" hatte er Thor halb im Scherz gefragt.
"Wir werden es sehen", antwortete der ihm jedoch völlig ernst. "Diese Art von Trick wird nicht ewig funktionieren. Du hattest Recht mit deiner Vermutung. Sie konnten die EMP-Technologie nicht assimilieren, darum mag ihre abschreckende Wirkung noch eine Weile anhalten, aber letzten Endes ist es nur ein Aufschub."
Diese Aussage machte die Entscheidung nicht einfacher. Er hatte ein schlechtes Gewissen bei dem Gedanken daran, die kleinen Grauen einfach so im Stich zu lassen.
"Wir sind ja nicht aus der Welt, Thor", beruhigte er den Asgard. "Du kannst uns jederzeit fragen, wenn ihr etwas braucht." Aber das war nur ein schwacher Trost und das wußte er auch, denn es war etwas völlig anderes ob man nur gelegentlich einen Tip gab oder ob man kontinuierlich an einer Sache arbeitete. Wenn er eines in den letzten Monaten verstanden hatte, dann das.
Und was wurde aus ihm und Sam? Sie konnten nicht einfach ins Stargatecenter zurückkehren und so tun als wäre nichts geschehen, und wenn sie offen zu dem standen, was zwischen ihnen war, dann konnten sie es erst recht nicht. Er konnte es drehen und wenden, wie er wollte, nichts würde jemals wieder so sein wie vorher.
Und dann war da noch Daniel. Hatte er das Recht, über ihn zu entscheiden? Es ging ihm gut hier. Aber genügte das, um auf Othalla zu bleiben?
Die Asgard lobten ihn in den höchsten Tönen. Sie fanden es bemerkenswert, wie schnell er Sprachen nicht nur erlernte, sondern auch begriff, und das ohne größere grammatische Kenntnisse, einfach durch Intuition. Schon nach wenigen Wochen unterhielt er sich mit ihnen in ihrer Muttersprache und lachte über ihre Witze, deren Übersetzung O'Neill nicht das geringste Schmunzeln abrang. Erfolglos versuchte er wegzuhören, wenn Jackson das tat, denn dann fühlte er sich völlig grundlos klein und minderwertig.
Er machte sich Sorgen und in diesen frühen Morgenstunden, in denen er oft aufgrund der langen Nächte wach lag und nichts mit sich anzufangen wußte, traten sie klarer und schwerer als gewöhnlich hervor.
Ein Schauer lief ihm über den Rücken, als noch einmal, wie ein Blitz, das Bild des Gletschers in seinem Geist auftauchte, mit dem alles begonnen hatte. Er unterdrückte den Gedanken daran. Er hatte das Kältegefühl von damals selbst nach über einem halben Jahr noch nicht überwunden. Nach wie vor brauchte er nachts eine zweite Decke, weil er sonst nicht einschlafen konnte. Es war verrückt, aber die Kälte schien selbst jetzt noch nicht aus seinen Knochen gewichen zu sein.
Er seufzte tief und wie als Reaktion darauf spürte er hinter sich eine Bewegung.
"Jack?" murmelte Sam verschlafen.
"Ich bin hier."
"Komm wieder ins Bett. Es ist kalt."




Epilog

Hammond saß wie immer in seinem Büro über einigen Papieren, die keinen Aufschub duldeten. Es gab immer etwas, was so wichtig war, daß es auf jeden Fall schon gestern hätte bearbeitet werden müssen, aber Hammond hatte mit der Zeit ein gewisses Geschick darin entwickelt, Dinge gefahrlos und ohne größere Konsequenzen aufzuschieben. Es gehörte nun einmal zu diesem Job wie der Panzer zu einer Schildkröte, dennoch war ihm wie den meisten Leuten im Stargatecenter jede Ausrede recht, um dieser Art von Arbeit aus dem Weg zu gehen, nur daß er es niemals zugegeben hätte.
Aber eine Alarmsirene erlöste ihn. Im selben Moment klingelte sein Telefon.
"Ja?"
"Sir, wir haben eine unplanmäßige Aktivierung von außerhalb."
"Ich bin auf dem Weg."
Er legte den Hörer auf und eilte in den Stargateraum. Er kam gerade noch rechtzeitig um zu sehen, wie die geschlossene Iris zu flimmern begann und jemand hindurch trat.
Die Wachen im Torraum luden ihre Waffen durch und richteten sie auf die Ankömmlinge.
Vorsichtig hob Colonel O'Neill die Hände.
"Ganz ruhig Leute, ich bin's."
Dann traten hinter ihm Major Carter und Daniel Jackson durch das Tor.
General Hammond traute seinen Augen nicht. Einen Augenblick stand ihm der Mund vor Staunen offen, aber kurz darauf bekam er sich wieder unter Kontrolle. Obwohl er ernste Zweifel daran hatte, daß es sich bei den Personen dort unten um SG-1 handelte, hoffte er es inständig.
"Rufen Sie Teal'c und Hamilton aus. Ich will, daß sie hierher kommen", bat er den Techniker neben sich. Echt oder nicht, wenn es sich um SG-1 drehte, dann ging es auch diese beiden etwas an.
Der General versuchte Fassung zu bewahren, als er in den Torraum hinunter ging. Mit einem Rauschen schloß sich das Wurmloch, das hinter der Iris verborgen war. Er blieb vor den Dreien stehen.
"Wer sind Sie?" fragte er.
Jack, der nicht wußte, ob er amüsiert oder verärgert sein sollte über diesen Empfang, sah sich zu den Anderen um.
"Es ist auch schön, Sie wiederzusehen."
"Ich wiederhole mich ungern, also wer...."
"Schon gut, General. Regen Sie sich ab. Wir sind es. Carter, Jackson und O'Neill. Live und in Farbe." Er schob die Hände in die Hosentaschen.
Noch immer im Zweifel, aber von der schnoddrigen Art des Colonels schon fast überzeugt, versuchte sein Hirn einen Zusammenhang herzustellen zwischen dem, was er wußte, und dem, was er sah. Aber es fiel ihm keine logische Erklärung dafür ein.
"Aber wie...? Ich meine, woher...? Wo zum Teufel waren Sie die ganze Zeit?"
"Wissen Sie, General, das ist eine verdammt lange Geschichte und ich schätze, ein Teil davon wird Ihnen nicht gefallen."
"Das kann ich mir sehr gut vorstellen." Er nickte resolut. "Aber Sie werden viel Zeit für Erklärungen haben, sobald Doktor Fraiser ihre Identität bestätigt hat." Mit einem Handzeichen wies er die Wachen an, die drei auf die Krankenstation zu begleiten, aber in diesem Moment flog die Tür auf und Hamilton stürzte herein. Ihm folgte Teal'c, der das breiteste Grinsen aufgesetzt hatte, das jemals bei einem Jaffa gesehen wurde.
Er war kein Mann großer Worte, aber sein Gesicht sprach Bände. Er konnte seine Freude kaum beschreiben, Freude darüber, seine Freunde und Partner zurück zu haben, und Freude darüber, daß seine Arbeit, die er für die Tau're leistete, von Zeit zu Zeit belohnt wurde. Manchmal schien es ihm, als hätten sie alles Glück dieser Welt auf ihrer Seite und den Segen sämtlicher Götter. Wie konnte er falsch damit liegen, wenn er für ihre Sache kämpfte?
Wenn auch sein Verstand eine Täuschung in Betracht zog, sein Gefühl hatte längst entschieden, daß dies die echten Mitglieder seines Teams waren und nicht die Ausgeburten einer Kriegslist.
Er trat einen Schritt vor und reichte Jack die Hand.
"O'Neill."
"Teal'c, mein Freund." Unvermittelt und lachend schloß er ihn in die Arme und klopfte ihm auf den Rücken. Sie hatten nie viele Worte gebraucht um sich zu verstehen und so war es auch dieses Mal.
Hamilton war da ganz anders. Er plapperte aufgeregt vor sich hin. Die Fragen sprudelten nur so aus ihm hervor, geradewegs wie sie ihm in den Sinn kamen. Selbst wenn er in dieser Situation eine Antwort bekommen hätte, wäre er sicher nicht in der Lage gewesen, sie irgendwie zu verarbeiten. Eine Last, die er nie als solche erkannt hatte, wälzte sich von einer Seele. Er war unendlich erleichtert. Ihr vermeintlicher Tod hatte ihn stärker und länger bedrückt, als er es selbst vor sich zugeben wollte. Was nun an ihre Stelle trat, war eine Euphorie, die einem Drogenrausch glich.
"Hamilton..." ermahnte ihn O'Neill. Sofort verstummte der Doktor. "Kommen Sie wieder runter." Eine Sekunde lang sah er den Wissenschaftler ernst an, aber dann begann er zu lächeln. "Versuchen Sie immer noch, auf Hoth Wetterdaten zu sammeln?"
Er schnaubte verächtlich. "Versuchen ist genau das richtige Wort."
"Versuchen sie es damit", sagte er und zog einen glatten Flußkiesel aus der Tasche, auf dessen Oberfläche die typischen Runen der Asgard zu sehen waren.
"Was ist das?"
"Das ist so eine Art Modem. Es stellt eine Verbindung zwischen einem Computer ihrer Wahl und einem Geschenk her, das die Asgard für Sie auf der Oberfläche von Hoth zurückgelassen haben."
"Äh, die Asgard? Für mich? Ein Geschenk?" Zögernd nahm er den Stein entgegen.
"Sie entschuldigen sich für den Ärger, den Sie Uhnen verursacht haben und hoffen, daß Sie die kleine Wetterstation als Entschädigung annehmen."
Plötzlich ging Hamilton ein Licht auf. "Ich wußte es! Ich wußte, daß es nicht mit rechten Dingen zugehen konnte! Und ich habe mir ein halbes Jahr lang den Kopf darüber zerbrochen, wo der Fehler in der Konstruktion lag! Eine Wetterstation der Asgard sagen Sie? Hmm, wie das wohl funktioniert...." Ganz in Gedanken musterte er den Stein.
"Sie werden es schon herausfinden."
"Soso, die Asgard....", warf der General ein. "Sie haben wirklich eine Menge zu erklären."
"Mehr als Sie denken, General", antwortete er mit einem verschwörerischen Seitenblick auf Sam. "Mehr als sie denken."

Ende
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