A long way home by Jolli
Summary: Als Rodney ein Gefangener der Replikatoren wird, trifft er zum ersten Mal seit Langem wieder auf Elizabeth. Zwar scheint diese von den Replikatoren beeinflusst zu werden, doch Rodney hofft noch immer einen Weg zu finden, um sie zu retten. Aber kann er ihr wirklich noch trauen?
Categories: Stargate Atlantis Characters: Elizabeth Weir, Rodney McKay
Genre: Friendship, Romance
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 1 Completed: Ja Word count: 12343 Read: 2401 Published: 16.02.11 Updated: 16.02.11
Story Notes:
Short-Cut: Als Rodney ein Gefangener der Replikatoren wird, trifft er zum ersten Mal seit Langem wieder auf Elizabeth. Zwar scheint diese von den Replikatoren beeinflusst zu werden, doch Rodney hofft noch immer einen Weg zu finden, um sie zu retten. Aber kann er ihr wirklich noch trauen?
Spoiler: 3x05 Progeny, 4x01 Adrift, 4x02 Lifeline, 4x10 This Mortal Coil
Charaktere: McKay, Weir
Kategorie: Friendship, Romance
Rating: PG-13
Disclaimer: Stargate Atlantis und alle vorkommenden Charakter sind Eigentum von MGM Television Entertainment.
Feedback: Gerne - Jolli

1. Kapitel 1 by Jolli

Kapitel 1 by Jolli
A long way home


Stille. Nichts weiter als Stille, egal, wie sehr man seine Ohren angestrengt hätte. Die Laute, die verraten hätten, dass es hier noch so etwas wie Leben gab, waren nicht zu hören, doch es tat gut, dieses beruhigende Nichts. Es war die Erlösung von dem erschreckenden Wirr-Warr an Gedanken. Ja, man hielt es kaum für möglich, aber Gedanken konnten tatsächlich laut sein; zu einem nahezu unerträglichen Lärm werden.
In Rodneys Kopf herrschte Chaos. Nichts war noch greifbar, alles war aufgewühlt, wie der Meeresboden, dessen Sand von den Wellen aufgewirbelt wurde und sich dann nur langsam legte. Erinnerungen, die weit verdrängt worden waren; Gedanken, die er hartnäckig zu unterdrücken versucht hatte, sie alle waren hochgekommen, ohne, dass er es hätte verhindern können.
Er hatte gekämpft, ja; und am Anfang hatte es tatsächlich so ausgesehen, als zeige sein Widerstand Erfolg, aber mit jedem Mal, wo er sich dieser Tortur hatte aussetzen müssen, hatte er mehr und mehr seiner Kräfte einbüßen müssen und so hatte er angefangen diesen Kampf zu verlieren. Immer mehr Dinge traten zu Tage, die er verzweifelt zu verbergen versuchte und nur ein kleiner Teil blieb eisern in ihm verschlossen, weil er wusste, dass er dieses Wissen mit seinem Leben verteidigen musste.
Es war alles ein dummer Zufall gewesen. Sie hatten nicht gemerkt, dass ihre Position entdeckt worden war und dann war alles so rasend schnell gegangen. Die Schüsse, die Explosionen. Rodney konnte sich nicht einmal erinnern, wieso er das Bewusstsein verloren hatte, doch als er wieder zu sich gekommen war, war er hier gewesen, in dieser Zelle, die ihm so erschreckend vertraut war.
Nur für einen kurzen Moment hatte er sich damals einzureden versucht, dass es sich um ein Missverständnis handelte, dass er sich eigentlich auf Atlantis befand, doch diese Illusion war schnell zerstört worden.
Er war ein Gefangener der Replikatoren, nicht wissend, auf welchen Planeten sie ihn verschleppt hatten. Diese Maschinen schienen eine Unmenge dieser Antiker-Städte zu besitzen, da war es schwer zu sagen, in welcher er sich befand.
Am Anfang hatte er auch noch gehofft, dass die Anderen einen Weg finden würden, um ihn zu befreien, bis sich der verräterische Gedanke in ihn hineinfraß, dass er im Grunde in den Weiten des Alls verschollen war. Wo sollten ihn die Anderen da suchen?
Allmählich war ihm klar geworden, dass er selbst einen Weg finden musste, wie er entkommen konnte. Dies hatte ihm neue Kraft gegeben und auch einen Punkt, auf den er seine Konzentration richten konnte, um sich von der Angst nicht zerfressen zu lassen. Gleichzeitig jedoch war es ein Fehler gewesen, denn je mehr Szenarien darauf hinausliefen, dass sie nur in einer Niederlage enden würden, desto mehr wurde dem Kanadier klar, dass es kein Entkommen gab.
Er war verloren. Wenn nicht ein Wunder geschah, gab es keine Aussicht auf Rettung für ihn. Alles woran er sich klammerte, war der Grundsatz, nicht nachzugeben.
Die Replikatoren kamen immer wieder. Meistens war es immer derselbe - Simius hieß er, wie er irgendwann erfahren hatte.
Manchmal kamen aber auch andere, doch sie taten alle das Gleiche. Sie bohrten ihre Hand direkt in seinen Kopf, doch der seelische Schmerz, der ihr hartnäckiges Suchen nach seinem Wissen auslöste, stellte den physischen weit in den Schatten.
Am Anfang hatte er sich gezwungen keine Schwäche zu zeigen, aber irgendwann hatte er die Schreie nicht mehr zurückhalten können. Mittlerweile war er aber in die Phase gelangt, in der er zu resignieren begann; in der er nicht einmal mehr die Kraft hatte zu schreien, sondern nur noch die Qual erduldete. Er ließ diese gefühllosen Maschinen gewähren, ließ sie seine schmerzhaftesten Erinnerungen wecken, nur damit sie nicht an die Informationen herankamen, die sie auf keinen Fall erfahren durften.
Er wusste nicht einmal, wie viele Tage er nun schon hier festsaß. Zu lange, wie ihm längst klar wurde. Er hielt es kaum noch aus. Alles, was er sich wünschte war, dass seine Bemühungen nicht vergebens waren. Wenn er nicht gerettet wurde, so musste er sein Wissen wenigstens mit in den Tod nehmen.
Doch genauso war ihm klar, dass sie nicht nachgeben würden, bis sie hatten, was sie wollten. Den Tod würden sie ihm erst gewähren, wenn sie erfahren hatten, wo sich Atlantis befand.
In der Zeit der Ungewissheit, wenn sie ihn in Ruhe ließen, hatte er die Möglichkeit, sich wieder zu erholen und wieder Ordnung in das Chaos seiner Gedanken zu bringen, aber mit jedem Mal wurde es schwerer. Dennoch zwang er sich dazu, denn er wusste, würde er nicht vorsichtig genug sein, würden sie vielleicht doch noch an die Koordinaten herankommen.
Lange Zeit saß er einfach nur da, mit geschlossenen Augen in einer Ecke gekauert und konzentrierte sich allein auf seine Atmung. Dies half am Besten, um sich zu beruhigen und neue Kraft zu schöpfen.
Doch seine Muskeln spannten sich vor Nervosität an, als er hörte, wie sich nicht weit von ihm die Tür öffnete. Jemand war eingetreten. Ob Simius oder ein anderer, der Replikator würde sein Werk mit Härte durchziehen.
Rodney machte sich nicht die Mühe, die Augen zu öffnen. Er wartete und lauschte, hörte, wie sich das Kraftfeld der Zelle deaktivierte und nur eine Sekunde später glitt die Zellentür zur Seite, um den Neuankömmling eintreten zu lassen.
Dies war der Moment, in dem Rodney aufsah. Er wollte dem Replikator mit Entschlossenheit ins Gesicht sehen, um ihm zu zeigen, dass er auch diesmal keine Chance haben würde, sich das zu holen, was er wollte.
Doch dieses Mal war es anders. Dieses Mal gelang es dem Kanadier nicht, seinen Trotz zu bewahren, mit dem er sich bisher immer erfolgreich widersetzt hatte. Stattdessen zeichnete sich umgehend ein Ausdruck der Überraschung, vielleicht sogar des Entsetzens auf Rodneys Gesicht ab, als er der Person entgegenblickte, die eingetreten war.
Doch es ging alles viel zu schnell. Viel zu schnell, als dass er hätte etwas sagen können. Viel zu schnell, um irgendwie zu reagieren. Viel zu schnell, um verhindern zu können, dass das Vertrauen, dass er einst in diese Person gesetzt hatte, ihn dazu verleitete die Mauer seines Widerstandes bröckeln zu lassen.
Er wollte etwas sagen, schreien, sie aufhalten, aber es war zu spät. Das entsetzliche Chaos brach über ihn herein, lähmte ihn in dem Schock, die Bilder zu sehen, die sie einst miteinander verbunden hatten, als Elizabeth Weir ihre Hand in seinen Kopf bohrte.

Man konnte nicht sagen, dass er willentlich so dalag. Er war in dieser Position zu sich gekommen, wie schon so viele Male davor auch, doch diesmal fand er einfach nicht mehr die Stärke dazu, sich aus dieser Position zu lösen.
Er lag einfach so da, zusammengekrümmt auf dem Boden und starrte unentwegt einen Punkt an der Wand vor ihm an, ohne ihn wirklich zu sehen. Nur ab und zu blinzelte er, und nur das leichte Heben und Senken seiner Brust verriet, dass er noch am Leben war.
Ihm war elend zumute. Mehr noch, als das unerträgliche Pochen in seinem Kopf, das seinen Schädel zu platzen zu lassen drohte, quälte ihn der Schmerz des Verrats. Bisher hatte ihm sein Hass Kraft gegeben.
Immer wieder vergegenwärtigte er sich das Feindbild, das er in den Replikatoren sah. Ihr Handeln war ihm begreiflich, der Feind traktierte den Feind, so lautete ein ungeschriebenes Gesetz.
Aber nun war alles anders. Einen Feind konnte man hassen, aber was tat man, wenn ein Freund zu einem Feind wurde? Ohne es zu verhindern, hatte sich in seinem Kopf eine automatische Reaktion abgespielt, in der irrsinnigen Illusion vor ihm würde die Elizabeth Weir stehen, die er einst gekannt hatte; ein Mensch, der wusste, was Respekt, Ehre und Mitgefühl bedeutete.
Er hatte gelernt ihr zu vertrauen, nicht sich gegen sie zu widersetzen. Er hatte keine Zeit gehabt, sich auf den Schreck ihres plötzlichen Auftauchens vorzubereiten, diese vertraute Offenheit abzuschalten und war somit zu einem leichten Opfer für ihre Manipulation geworden.
Es blieb ihm allein der Trost, dass er sein Geheimnis trotz allem bewahren konnte. Zumindest glaubte er das, aber mehr denn je wünschte er sich, dass diese Folter endlich aufhören würde, jetzt, wo sie seine Erinnerungen gegen ihn einsetzten, die Person zum Feind machten, für die er einst ohne Zögern sein Leben riskiert hätte.
Er wusste, dass er nicht mehr den Menschen in ihr sehen durfte. Viel zu viel Zeit war verstrichen, als dass noch etwas von der Person übrig geblieben sein konnte, die er einst gekannt hatte. Hinzu kam die erschreckende Tatsache, dass alles dafür sprach, dass dies eine rein künstlich erschaffene Kopie war, die niemals auch nur etwas annähernd Menschliches annehmen konnte.
Die wahre Elizabeth Weir war tot. Diese erschreckende Erkenntnis hatte ihn längst eingeholt und es war schwer genug für ihn gewesen, diesen Verlust zu verarbeiten. Jetzt wollte er nicht auf diese Weise wieder damit konfrontiert werden.
Alles in ihm verkrampfte sich, als er das ihm so bekannte Geräusch der Kammertür hörte. Es war das erste Mal seit einer scheinbaren Ewigkeit, dass der Kanadier sich regte, wenigstens für einen kurzen Moment die Augen schloss, um sich für das Kommende zu sammeln.
Er suchte nach seinem inneren Widerstand, versuchte zu verdrängen, wer die Person war, die das Kraftfeld der Zelle in jenem Augenblick deaktivierte.
Er zwang sich dazu sich aufzustützen, zog sich mühsam hoch, um wenigstens aufrecht sitzen zu können. Er hatte es längst aufgegeben, den Replikatoren anderweitig Probleme zu machen, weil er lieber seine Kraft auf den mentalen Widerstand setzte.
Sein Blick verfinsterte sich. Er wollte nicht anders als sonst reagieren, sich genauso trotzig widersetzen, aber er konnte nicht. Er sah auf, blickte ihr direkt ins Gesicht, in die Augen, in die er einst so viel Vertrautes gesehen hatte und auf einmal überkam ihn unsagbare Angst vor dem Schmerz und dem Verrat. So sehr, dass er nicht verhindern konnte zu zittern und erschrocken die Augen zusammenzukneifen, als er beobachtete, wie sich ihre Hand seinem Kopf näherte.
Er wusste, dass er einen kläglichen Anblick bieten musste, dass selbst seine Gedanken so durcheinander waren, dass sie leichtes Spiel mit ihm haben würde. Er hatte jetzt schon verloren, das wusste er, dabei hatte er Atlantis doch nur schützen wollen, genau wie sie das einst getan hatte.
Doch dann geschah etwas, womit er niemals gerechnet hatte. Obwohl er seine Augenlider krampfhaft zusammenkniff, konnte er Elizabeths Hand regelrecht auf sich zukommen fühlen. Doch war da wirklich ein Zögern? Oder kam ihm dieser quälende Moment nur wie eine Unendlichkeit vor?
Tatsache war, dass der Schmerz ausblieb. Stattdessen spürte er plötzlich die fast schon sanfte Berührung von weicher Haut auf seiner Wange, die auf erschreckende Weise fast schon beruhigend wirkte. Eine Geste mit klarer Botschaft, die ihn dazu brachte zögerlich die Augen zu öffnen und verwirrt zu ihr aufzusehen.
Es war das erste Mal, dass er den Mut zusammennahm, ihr wirklich in die Augen zu sehen, vielleicht sogar wirklich den Menschen noch einmal in ihr wieder zu finden. Hätte er nicht gewusst, dass dies eine Maschine war, er hätte den Unterschied nicht erkannt. Weil es keinen Unterschied gab, äußerlich. In ihrem Inneren war sie jedoch längst zu einer gefährlichen Killermaschine umprogrammiert worden.
Zumindest glaubte er das.
"Ich habe nicht vor, Ihnen etwas zu tun", brach sie völlig unerwartet ihr Schweigen und machte es Rodney damit unmöglich auch nur annähernd die Situation zu begreifen. Diese Worte klangen so unglaubwürdig in Anbetracht dessen, was sie bereits getan hatte und doch suchte sein Verstand automatisch nach der Freundschaft, die sie einst miteinander verbunden hatte. Was, wenn ihr erst jetzt klar geworden war, wer hier vor ihr saß? Was, wenn tief in ihr doch noch etwas von der Elizabeth übrig geblieben war, die er einst gekannt hatte?
Hoffnung wollte in ihm aufkommen, bis ihm klar wurde, was hier wirklich gespielt wurde und sein Blick wandelte sich augenblicklich von Überraschung in grimmigen Zweifel.
"Moment", entgegnete er leicht eingeschnappt. "Das ist nicht real, oder?"
Wie oft trieben diese Maschinen dieses Spiel noch mit ihm? Die Grenzen, Realität und Traum verschwimmen zu lassen, zählte zu den gefährlichsten und zugleich erfolgreichsten Waffen der Replikatoren. Alles, was man dem entgegenbringen konnte war ein ständiges Misstrauen. Naivität wurde schnell zum Verhängnis.
"Es ist die Wirklichkeit, glauben Sie mir", versicherte ihm Elizabeth ruhig und fast wäre der Anflug eines Lächelns über ihr Gesicht gehuscht, so, als wäre ihr sein trotziger Argwohn durchaus vertraut.
Rodney wollte ihr nicht glauben, versuchte seine Ablehnung aufrecht zu erhalten und doch spürte er in sich den Wunsch, sich auf die Situation einzulassen. So lange hatte er geglaubt, sie verloren zu haben und nun keimte auf einmal neue Hoffnung auf.
"Aber müssten Sie jetzt dann nicht Ihre Hand in meinen Kopf stecken?", hakte er deshalb verwirrt nach.
Sie zögerte, doch sie bewegte sich nicht. Allein ihre Augen zuckten für einen kurzen Augenblick, als fühle sie sich ertappt, aber weniger von ihm, als von der Tatsache, dass er Recht hatte und sie sich einen gefährlichen Schritt nach vorne gewagt hatte.
"Ich bin nicht gekommen, um Sie auf diese Weise zu verhören", erklärte sie dann ernst.
"Nein? Wieso dann?"
Rodney verstand die Welt nicht. Noch immer spürte er in sich die Furcht, dass sich diese Situation einfach wieder in ein Desaster verwandeln konnte. So lange sie vor ihm stand und mit ihm sprach, konnte sie ihm nicht diesem grausamen Verhör unterziehen, aber wie lange würde es dauern, bis sich das Blatt wieder wenden würde?
"Ich will mich erinnern", entgegnete sie plötzlich und Rodney spürte, wie sich alles in ihm zusammenzog, als er ihr fassungslos ins Gesicht sah. Da war etwas in ihrer Stimme, das ihn stutzen ließ, ein Hauch von Verzweiflung; etwas, was er niemals von einem Replikator erwartet hätte.
Elizabeth wandte sich ab und begann ein paar Schritte auf und ab zu gehen, so, als könne sie ihn nicht länger ansehen und zum ersten Mal gelang es dem Kanadier, seine Anspannung wieder etwas zu lösen, jetzt, wo er die Gefahr nicht mehr unmittelbar wahrnahm.
"Als ich Ihren Verstand erforscht habe, habe ich Bilder gesehen…Gefühle", begann sie leise zu erklären, noch immer mit nachdenklichem Blick auf den Boden. "Einerseits waren sie mir vertraut und gleichzeitig so fremd."
Rodney senkte den Blick. Er konnte nur zu gut begreifen, was hier vor sich ging. Für die Replikatoren musste es schwer gewesen sein, einen menschlichen Verstand so weit umzuprogrammieren, dass sämtliche Erinnerungen vollständig gelöscht wurden. Ein Mensch, der in seinem Leben so viel erlebt hatte, baute in sich auch ein beachtliches Unterbewusstsein auf, das sie wohl kaum vollständig auslöschen konnten. Vielleicht hatten sie es auch nicht auslöschen wollen.
Das hieß aber längst nicht, dass er sich sofort auf diese Strategie einlassen musste. Nur weil eine Maschine fehlerhaft programmiert war, bedeutete das nicht, dass er ihr gleich vertraute.
Aus dem Augenwinkel heraus erkannte er, wie sie inne hielt und sich ihm zuwandte, ehe sie leise fragte: "Wir waren Freunde, richtig?"
Der Kanadier spürte einen Stich in seiner Magengegend, als diese Worte genau seinen wunden Punkt trafen. Nur langsam wagte er es aufzusehen, unsicher, wie er reagieren sollte. Ja, er und Elizabeth waren befreundet gewesen, aber dieser Mensch war längst tot, auch wenn diese Maschine die Illusion erweckte, so zu sein wie sie.
"Ich weiß nicht, was die Ihnen erzählt haben, aber es war sicher nicht die Wahrheit", entgegnete er schließlich und bemühte sich, seine eigene Unsicherheit möglichst gut zu verbergen. Auch wenn sie ein Replikator war, hatte sie zumindest das Recht darauf zu erfahren, wer der Mensch einst war, den sie verkörperte.
"Sie kommen von der Erde und waren die Leiterin der Atlantis-Expedition. Vor etwa einem Jahr wurden Sie mit einem Nano-Virus infiziert. Es ist uns gelungen die Naniten unschädlich zu machen, aber wir mussten sie reaktivieren, als Sie schwer verletzt waren."
Er seufzte leise und ließ den Kopf sinken, als er leise hinzufügte: "Dabei ist einiges außer Kontrolle geraten."
Er war die Mission immer und immer wieder in seinem Kopf durchgegangen und hatte sich überlegt, was anders hätte laufen müssen, um diese Katastrophe zu verhindern; angefangen mit den Zweifeln, ob er damals auf Sheppard hätte hören sollen.
Immerhin hatte er die Naniten reaktiviert, weil er sich geweigert hatte tatenlos zuzusehen wie Elizabeth starb und hatte sie damit gleichzeitig diesem Schicksal ausgesetzt, mit dem Resultat, dass er sie ebenso verloren hatte. Sein eigensinniges Handeln hatte nichts besser gemacht.
"Sie machen sich Vorwürfe", stellte Elizabeth plötzlich fest, nachdem sie ihn schier endlose Sekunden lang beobachtet hatte.
Rodney schluckte schwer, bevor er sich traute aufzusehen.
"Ich war derjenige, der die Naniten aktiviert hat", gestand er fast schon flüsternd. Derjenige, der diese ganze Katastrophe erst in Gang gesetzt hatte. Sie mochte sich vielleicht nicht bewusst daran erinnern, aber im Unterbewusstsein musste doch sicher so etwas wie Wut in ihr schlummern.
Seltsamerweise schwieg sie, ohne irgendwie zu reagieren. Sie schien einfach nachzudenken, vielleicht sogar seine Worte zu nutzen, um nach diesen Erinnerungen zu suchen, die eigentlich in ihr hätten existieren müssen, aber selbst wenn Rodney bezweifelte, dass dieses Handeln Erfolg versprach, schien sie aus diesem verdrängten Bewusstsein heraus zu sprechen, als sie schließlich erwiderte: "Sie haben es getan, um mir das Leben zu retten."
Für einen Moment klang dies tatsächlich wie eine Absolution, dieses Verständnis ausgerechnet von demjenigen zu hören, der ihn eigentlich mit Vorwürfen hätte strafen müssen. Trotzdem half das dem Kanadier keineswegs darüber hinweg, wenn er bedachte, dass dies nicht der wahre Mensch war, der ihm diese dringend benötigte Absolution hätte erteilen können.
"Trotzdem…", schüttelte er hartnäckig den Kopf, in Gedanken noch immer an jenem Tag, als alles aus dem Ruder gelaufen war. "…es hätte nicht passieren dürfen. Wenn ich einfach mehr Zeit gehabt hätte…"
Er brach mitten im Satz ab, so, wie er auch damals in seinen Bemühungen unterbrochen worden war, vielleicht doch noch die Dinge zum Guten zu wenden. Die Zeit war sein schlimmster Gegner gewesen. Schon mehr als einmal hatte er sich mit diesem Gegner gemessen und nicht selten war er als Gewinner aus dieser Schlacht hervorgegangen.
Doch diesmal nicht. Dieses eine Mal hatte er versagt.
"Und wenn Sie diese Zeit noch einmal bekommen würden?"
Rodney sah verwirrt auf und beobachtete, wie Elizabeth wieder zu ihm zurück kam, ehe sie sich vor ihn setzt und ihm mit einem Blick ins Gesicht sah, der fast schon etwas Verschwörerisches hatte.
"Mir war von Anfang an klar, dass ich anders war, als die anderen. Nicht so wie sie, mehr…"
Sie stutzte, als sie nach den richtigen Worten suchte und Rodney reagierte eher instinktiv, als er selbst entgegnete: "…menschlich?"
Sie nickte eilig.
"Ja! Ich entdeckte Dinge, die mich beunruhigten; dass es in meinem System Bereiche gab, die den Anderen nicht zugänglich waren. Ich war in der Lage, den anderen Dinge zu verheimlichen."
Rodney hörte ihr fassungslos zu. Er fing an, in seinen Gedanken die Puzzleteile zu einem Bild zusammenzufügen und scheute sich dennoch davor, dieses Bild wahrzunehmen, aus Angst, es könne ihn trügen. Was war, wenn sie die Wahrheit sagte?
"Ich fing an, dem nachzugehen", fuhr sie fort. "Und ich fand heraus, dass in meinen Zellen ein Unterprogramm existierte, an das ich nicht herankam."
"Inwiefern?"
Rodney konnte nicht verhindern, dass seine Neugier wuchs. Sein Misstrauen wich der unglaublichen Tatsache, dass ihre Worte einen Sinn ergaben und zum ersten Mal nahm er in sich wieder den Gedanken wahr, dass vielleicht ein Teil von Elizabeth überlebt hatte.
"Ich bin nicht sicher, aber…ich glaube es soll dazu führen, dass die Naniten den Körper mit organischen Zellen regenerieren und sich danach selbst unschädlich machen."
In ihren Augen schien etwas zu leuchten, etwas, das aussah wie Aufregung und zugleich die Hoffnung, er könne ihr nun doch noch glauben.
"Aber wer soll dieses Unterprogramm geschaffen haben?", fragte er verwundert.
"Sie!", kam die Antwort schnell und entschlossen aus ihrem Mund und entlockte dem Kanadier ein fassungsloses: "Ich?"
"Das ist die einzig logische Erklärung."
Er musste zugeben, dass dies genau seine Absicht gewesen war. Er hatte Elizabeth helfen wollen, ohne eine Gefahr durch die Naniten zu erschaffen, aber dazu war überhaupt nicht die Zeit geblieben, er hatte die Naniten reaktivieren müssen, bevor er überhaupt annähernd so weit war, ein solches Programm zu entwickeln.
Nein, es war unmöglich sein Werk und je mehr er sich dessen bewusst wurde, dass das alles überhaupt keinen Sinn ergeben konnte, desto klarer wurde ihm, dass dies alles nur ein geschickter Plan sein konnte. Die Replikatoren versuchten, ihm eine Falle zu stellen. Bisher hatten sie bei ihm auf Granit gebissen und nun kannten sie seine Schwachstelle, um diese als letzten Angriffspunkt zu nutzen.
"Nein, nein, nein, nein", schüttelte er energisch den Kopf. "Abgesehen davon, dass dies technisch wohl kaum so einfach ist, kann ich mich nicht erinnern, dass ich so etwas programmiert hätte", gab er entschlossen zurück.
"Ich weiß nicht wie es entstanden ist, ich weiß nur, dass es da ist", ließ sich Elizabeth nicht beirren, doch Rodneys Misstrauen hatte längst wieder Oberhand gewonnen.
"Es sei denn, es ist eine Lüge", gab er mit finsterem Blick zurück und beobachtete zufrieden, dass Elizabeths Blick tatsächlich etwas Verwundertes annahm, so als wäre ihr klar geworden, dass die Taktik nicht aufging.
"Sie glauben mir nicht?", gab sie verdutzt zurück.
"Nein, weil es voraussetzen würde, dass Sie die echte Elizabeth wären und das kann nicht sein, weil die längst tot ist."
Im gleichen Moment, als diese Worte über seine Lippen kamen, erschrak er gleichermaßen wie sie selbst. Die Respektlosigkeit, mit der er ihr diese Tatsache entgegen geschleudert hatte, machte ihm erst wieder klar, dass er diesen Verlust selbst noch nicht verarbeitet hatte. Bisher hatte er einen solchen Satz nicht ausgesprochen; nein, noch nicht einmal zu denken gewagt. Er war so lange davongerannt und nun sagte er es einfach, ohne darüber nachzudenken.
Und das Schlimmste war es, dabei sogar in ihr Gesicht zu sehen, in dem sich mit einem Mal Schrecken und Fassungslosigkeit widerspiegelte, so als hätte er soeben ihr Todesurteil ausgesprochen. Ja, es wirkte sogar fast so, als höre sie diese Nachricht zum ersten Mal.
"Wer sagt das?", brachte sie schließlich schockiert ein paar Worte heraus, nachdem sie erst mal einen Moment gebraucht hatte, um sich zu fassen.
Rodney schwieg, wandte sich nur trotzig ab. Einerseits, weil er ihr nicht mehr ins Gesicht sehen wollte, andererseits, um keine Zweifel aufkommen zu lassen. Wenn er ihr verriet, woher er dies wusste, verriet er damit auch die einzigen Replikatoren, die ihnen einst so etwas wie Loyalität gezeigt hatten.
"Sie denken, ich will Sie in eine Falle locken", stellte Elizabeth nun wieder etwas ruhiger fest, aber die Enttäuschung war nicht schwer aus ihrem Tonfall herauszuhören und Rodney wagte es sogar vorsichtig aufzusehen, um tatsächlich zu beobachten, wie sie sich betrübt abwandte.
"Naja, Sie hätten auch allen Grund dazu", fügte sie leise hinzu und ein sarkastisches Lächeln huschte über ihr Gesicht, ehe sie leise seufzend zu Boden sah.
Es war das erste Mal, dass Rodney sich wieder dazu durchrang, sie wirklich anzusehen und die Zweifel zuließ, die in ihm aufkamen. War sie wirklich eine so gute Schauspielerin, oder war das tatsächlich Traurigkeit in ihren Augen?
Seit er Elizabeth gekannt hatte, hatte er stets genau diesen Ausdruck in ihrem Blick gefürchtet. Er hatte ihre Stärke bewundert und ihre Entschlossenheit. Sie hatte nie aufgegeben und war trotzdem ein Mensch geblieben, der für Alles und Jeden Verständnis aufbrachte. Sie war kein Mensch gewesen, der nach Hilfe verlangte, auch wenn sie diese zweifellos des Öfteren nötig gehabt hatte. Mit ihrem Stolz hatte sie sich durch alle Lagen durchgekämpft, aber auch, wenn sie nie ein Wort des Jammers verloren hatte, so war ihr sicher bewusst gewesen, dass sie nicht alle Kämpfe alleine bestehen konnte.
Rodney war immer bereit gewesen, ihr diese Unterstützung zu geben, selbst, wenn es bedeutet hätte, das eigene Leben zu riskieren und nun saß er hier und zum ersten Mal bat sie ihn offen um Hilfe. Und er weigerte sich?
"Wir sind auf Replikatoren getroffen, die Duplikate von uns erschaffen haben, um einen Weg zum Aufstieg zu finden", antwortete er leise, nachdem eine lange Pause entstanden war.
Elizabeth hob erstaunt den Blick, einerseits überrascht darüber, dass er ihr nun doch antwortete, andererseits wissend, von wem er sprach.
"Die Trajaner", konterte sie nachdenklich und überraschte damit den Kanadier.
"Sie kennen Sie?"
"Eine Untergrundbewegung", bestätigte Elizabeth nickend. "Oberoth hat sie zu Feinden erklärt, nachdem er erfahren hat, dass sie gegen seine Anweisungen verstoßen haben. Seiner Meinung nach steht der Weg zum Aufstieg dem Streben nach Dominanz in der Galaxie im Wege. Deshalb lässt er sie verfolgen und vernichten."
Sie beobachtete einige Sekunden lang stumm einen imaginären Fleck am Boden, als helfe ihr das, alles zu kombinieren, ehe sie den Blick hob und den Kanadier wieder direkt ansah.
"Ich weiß, das klingt alles so, als ob ich es mir zurecht legen würde, aber seien Sie doch mal ehrlich, glauben Sie wirklich, Oberoth hätte nicht längst Schritte eingeleitet, um die Trajaner in die Irre zu führen?"
Auf erschreckende Weise klang das alles logisch. Was, wenn die Trajaner gelogen hatten, ohne es zu wissen? Was, wenn Oberoth ihnen nur etwas vorgemacht hatte? Was, wenn Elizabeth tatsächlich noch lebte; sie womöglich direkt vor ihm saß?
"Wenn ich ehrlich bin, dann weiß ich überhaupt nicht mehr, was ich noch glauben soll", gab er fast schon flüsternd zurück, nicht fähig seine eigene Verzweiflung zu verbergen. In ihm tobte ein Kampf zwischen der Angst, direkt in eine Falle zu laufen und dem Wunsch, den Menschen in ihr sehen zu können, dem er einst bedingungslos vertraut hatte.
"Wirklich, ich wünschte mir, es wäre alles so, wie Sie es sagen, aber…"
"Sie brauchen Beweise."
Er nickte. Immer mehr tat sich in ihm der Drang auf, ihr glauben zu können. Sie könnte diejenige sein, die ihm helfen konnte, zu entkommen. Wenn sie die Wahrheit sagte, dann hätte er endlich die Chance, seinen Fehler wieder gut zu machen und Elizabeth nach Atlantis zurück zu holen. Alles was er brauchte, war etwas, was seine letzten Zweifel besiegen konnte, doch worin lag dieser Beweis?
Elizabeth dachte lange nach, schien alle Optionen abzuwägen, bis sie entschlossen nickte.
"Dann werde ich es Ihnen zeigen."
Und mit diesen Worten streckte sie ihm eine Hand entgegen.
Rodney merkte, wie ihm flau zumute wurde. Er musste nicht lange darüber nachdenken, um zu wissen, was diese Geste zu bedeuten hatte. Wenn er diese Hand ergreifen würde, würde sie ihn unweigerlich fortziehen, in eine Traumwelt, die er nicht kontrollieren konnte. Er war schutzlos. Bisher hatte er sich diesem Vorgang immer unter Zwang stellen müssen, aber zum ersten Mal bot sie ihm einen Weg an, die Grenze zwischen Realität und Traumwelt ohne den grässlichen Schmerz auf sich zu nehmen. Zum ersten Mal würde sie nicht in seinen Gedanken herumwühlen, sondern ihn mitnehmen, in ihre Gedankenwelt, als letzter Ausweg, ihn zu überzeugen.
Er zögerte. Um diese Hand zu ergreifen brauchte er den Mut, ihr vertrauen zu können. Wenn sie ihn ausnutzte, würde er keine Chance haben, sich zu widersetzen, aber wenn sie die Wahrheit sagte, dann war es das Risiko wert.
Der Kanadier holte tief Luft und schloss einen Moment die Augen. Er dachte daran, was ihm einst die Freundschaft zu ihr bedeutet hatte und daran, dass er ihr einst bedingungslos vertraut hatte. Ein Vertrauen, das bisher noch nie enttäuscht worden war.
Und so hob er seine Hand und legte sie in die ihre, ehe er in eine undurchdringliche Dunkelheit fiel.

Sie saß lange da und beobachtete ihn, ohne das die Zeit zu vergehen schien. Zeit war etwas Relatives, wenn man unsterblich war. Es hatte sie viel Kraft gekostet, diesen Weg zu riskieren. Jeder kleinste Fehltritt brachte alles zum Einsturz, was sie aufzubauen versuchte. Sie bewegte sich buchstäblich auf dünnem Eis. Ein winziger Fehler und sie stürzte in den Abgrund. Dies durfte auf keinen Fall passieren.
Sie nahm sich Zeit für einen tiefen Atemzug, wenn man dies bei einem solchen Körper so nennen konnte. Ihre Hand war kalt. Wärme durch diesen Körper strömen zu lassen war eine Sache von Systemaktivierungen, die mittlerweile völlig reibungslos funktionierten. Aber es war eine interessante Erfahrung einen Körper zu spüren, der dieses Vorgehen nicht kannte, dessen organisches Gehirn alles steuerte, was in ihr selbst einprogrammiert war.
So vieles ging ihr durch den Kopf, während sie ihn beobachtete, wie er vor ihr lag, schwach und wehrlos. Das dämmrige Licht der Zelle zeichnete sich leicht in seinen dunklen Haaren wieder und sein Gesicht war frei von jeder Sorge oder Angst. Er schlief, ohne zu registrieren, was um ihn herum vorging. Die Reise, auf die sie ihn mitgenommen hatte, hatte ihn erschöpft und wenn Elizabeth ehrlich war, dann war sie erstaunt darüber, dass er überhaupt zu diesem Schritt bereit gewesen war.
Ein innerer Gedanke ließ sie sich aus ihrer regungslosen Haltung lösen. Es war Zeit zu gehen. Es würde dauern, bis Rodney wieder zu sich kommen würde, bis dahin gab es noch viel zu tun.
Lautlos erhob sie sich und verschloss die Zelle wieder hinter sich. Jeder Handgriff saß mit geübter Präzision, die ihr selbst unheimlich war. So wie sie sich selbst auch unheimlich war. Sie nahm keine Verwunderung wahr, als sie einen Fuß nach draußen auf den Gang setzte und sich schon Sekunden später einer weiteren Gestalt gegenübersah. Er hatte sein Kommen schon lange vorher angekündigt. Manchmal fragte sie sich, ob sie seine Schritte noch sensibler als andere wahrnahm.
"Wie weit bist du?", fragte Oberoth geradeheraus und musterte sie mit kaltem Blick.
"Ich denke, es ist mir gelungen sein Vertrauen zu gewinnen", antwortete sie gehorsam, aber ohne eine Spur von Einschüchterung. Es gab keinen Grund, sich vor Autorität zu fürchten, solange es nichts gab, was man falsch gemacht hatte.
"Er hat keinen Verdacht geschöpft?", hakte der Anführer der Replikatoren nach, was Elizabeth mit einem Kopfschütteln beantwortete.
"Nein."
"Gut."
Oberoth war zufrieden, auch wenn er das nicht zeigte, aber Elizabeth nahm es sehr deutlich wahr, so wie sie jede seiner Gefühlsregungen deutlich spüren konnte, wenn man es so bezeichnen wollte.
"Wir gehen vor wie geplant."
Elizabeth nickte ergeben.
"Verstanden."
Für einen kurzen Moment schien es, als habe Oberoth alles gesagt, was nötig war. Er setzte bereits an zu gehen, doch dann überlegte er es sich plötzlich anders und entschloss sich trotz allem, noch einmal seinen Befehl zu verdeutlichen.
"Und wenn du fertig bist…", begann er und fixierte Elizabeth mit kalten Augen. "…töte ihn."
Elizabeth antwortete nicht. Das brauchte sie nicht. Ein untergebenes und entschlossenes Nicken genügte, ehe sie sich abwandte und ging.

Rodney konnte nicht leugnen, dass die Erfahrung aufregend gewesen war. So sehr er sich auch darum bemühte, Bilder zu ergreifen, sie blieben ihm fern. Es war eine völlig neue Erfahrung gewesen nicht selbst das Opfer dieser Erforschung zu sein, sondern sich auf die Gedanken eines anderen einzulassen.
Aber da waren keine Bilder gewesen, keine Gefühle, nur ein Berg an Gedanken, die sich irgendwie mit den seinen verknüpft hatten. Es war schwer zu beschreiben, auch schwer zu begreifen, aber eines hatte er gesehen: sie hatte die Wahrheit gesagt.
Sie besaß tatsächlich dieses versteckte Programm in ihrem System, sie war tatsächlich zum Teil ein Mensch und all das genügte ihm zum Beweis. Mochten die Replikatoren auch versuchen, ihre Erinnerungen umzuprogrammieren, es lag in seiner Hand, dies ungeschehen zu machen. Es ging nicht mehr darum, selbst zu entkommen. Seine Aufgabe war es nun, auch Elizabeth hier raus zu holen.
Er hörte, wie jemand eintrat und sah auf. Elizabeth war gekommen.
Sie kam recht zögerlich näher, so, als wüsste sie noch immer nicht genau, ob sie ihn wirklich überzeugt hatte. Vor dem Gitter blieb sie stehen und wartete einen unsicheren Augenblick lang, ehe sie vorsichtig fragte: "Glauben Sie mir jetzt?"
Rodney seufzte leise. Er war es nicht gewohnt, diese Verunsicherung bei ihr zu sehen. Sie war immer eine so starke und entschlossene Frau gewesen.
Ohne ein Wort zu sagen rappelte er sich auf und legte die letzten Schritte bis zum Gitter zurück, sodass er ihr direkt gegenüberstand.
"Ich weiß nicht, ob ich Ihnen wirklich helfen kann", gestand er ehrlich. "Das ist kein Problem, das ich einfach so aus dem Stehgreif heraus lösen kann. Schon gar nicht unter diesen Bedingungen."
Wenigstens rang er sich dazu durch, ehrlich zu sein. Trotz des Wirr-Warrs an Gedanken glaubte er den Kern des Problems erkannte zu haben, aber es ging hier nicht um eine einfache Angelegenheit, sondern um eine komplexe Umprogrammierung, die Zeit beanspruchen würde.
"Ich erinnere mich womöglich nicht an viel", entgegnete Elizabeth ruhig, während sie ihm in die Augen sah. "Aber aus dem, was ich in Ihren Gedanken gesehen habe, weiß ich, dass Sie sich vor solchen Hürden noch nie gescheut haben."
Rodney schwieg. Das Verrückteste war, dass sie Recht hatte. So ausweglos die Situation auch schien, er hatte gelernt, es wenigstens zu versuchen, anstatt die Flinte von Anfang an ins Korn zu werfen.
"Ich weiß nicht, wie", gestand er leise, mit einer Spur von Hilflosigkeit.
Grund genug für Elizabeth zu handeln. Mit einem leisen Zischen glitt die Zellentür zur Seite und ließ damit die letzte Trennung zwischen ihnen verschwinden.
"Kommen Sie mit!", forderte sie ihn entschlossen auf, ehe sie sich einfach umwandte und Richtung Tür lief.
Im ersten Moment starrte Rodney ihr nur völlig fassungslos nach, ohne recht zu realisieren, dass sie ihn gerade eben tatsächlich frei gelassen hatte. Es gab nichts mehr, was ihn hindern konnte, diese Zelle zu verlassen.
"Wo sind die Wachen?", raunte er völlig verwirrt, als er sich endlich dazu durchrang sich aus seiner Starre zu lösen und zu Elizabeth nach draußen auf den Gang zu treten. Das alles war fast zu schön, um wahr zu sein. Leere Gänge, niemand, der sie aufhalten würde.
"Das ist jetzt nicht wichtig", entgegnete ihm Elizabeth mit gesenkter Stimme, aber mit einer deutlichen Aufregung, die klar verriet, dass sie sich über das Ausmaß ihres Handelns durchaus bewusst war. Würden sie scheitern, würde das vermutlich auch für sie ernste Folgen haben.
"Wir dürfen jetzt keine Zeit verlieren. Kommen Sie!"
Damit huschte sie eilig den halbdunklen Gang hinunter, dicht gefolgt von Rodney, dem noch immer nicht ganz wohl in seiner Haut war.

Das Labor, in das sie ihn führte, war ebenso wenig bewacht, wie alles andere in diesem Komplex der Stadt. Rodney konnte nicht leugnen, dass ihn dies alles ziemlich stutzig machte. Er hatte gelernt, dass immer etwas faul war, wenn solche Aktionen völlig reibungslos über den Tisch gingen.
Seine einzige Erklärung bestand darin, dass er noch immer nicht das Kommunikationssystem der Replikatoren entschlüsselt hatte und Elizabeth vielleicht durchaus in der Lage dazu war, die anderen auf eine falsche Fährte zu locken.
Tatsache war, dass sie sich darum bemühte, ihre Position möglichst geheim zu halten und so viel wie möglich über die Aktivitäten um sie herum zu erfahren, damit sie rechtzeitig gewarnt waren, falls die Flucht entdeckt worden war.
Indessen schlug sich Rodney mit den Konsolen des Labors herum, um sich auf diese Weise Zugang zum Unterprogramm zu verschaffen, das irgendwo in Elizabeths System schlummerte.
Sie waren unterwegs an einem Lagerraum vorbeigekommen, wo man Rodneys Ausrüstung hin gebracht hatte und so war er mittlerweile wieder mit allem ausgestattet, was er brauchte, um seine Arbeit voranzutreiben.
Doch wie er bereits befürchtet hatte, war das alles andere als einfach. Die Replikatoren waren so komplex programmiert, dass es schwer war, das herauszufiltern, was er für seinen Plan brauchte, doch zum Glück ließ ihn sein Ehrgeiz nicht im Stich. Alles, was er zu tun hatte, war, sich daran zu erinnern, was er damals versucht hatte, als es darum ging, Elizabeths Leben zu retten. Diese Arbeit musste er beenden, das war sein Ziel.
"Was passiert, wenn ich es nicht schaffe?", wagte er es plötzlich leise Zweifel aufkommen zu lassen, während er vorsichtig von einer Steuerkonsole aufsah und Elizabeths besorgten Blick auffing, die einige Schritte von ihm entfernt stand.
"Ich habe nichts zu verlieren", entgegnete sie ihm ruhig. "Der einzige Grund, warum ich noch lebe, ist, dass Oberoth glaubt, durch mich an die Informationen von Atlantis heranzukommen. Sobald er alles hat, was Sie wissen, wird er uns beide töten."
Momente wie diese waren es, in denen Rodney zuließ, den Menschen in ihr zu sehen; zu vergessen, was sie einst voneinander getrennt hatte. Er sah die Zweifel, er sah die Angst. Er wusste, dass sie nicht minder nervös war, weil hier ebenso sein Leben, wie das ihre auf dem Spiel stand und ob sie Erfolg hatten, oder scheiterten, lag allein in seiner Hand.
"So weit wird es nicht kommen", gab er entschlossen zurück und zum ersten Mal seit Langem spürte er wieder, was für ein schönes Gefühl es war, ihr Lächeln zu sehen, das sie ihm schenkte, weil sie an dieser Aussage keine Zweifel hatte. Auch wenn die Replikatoren versucht hatten, ihre Erinnerungen zu vernichten, so wusste sie trotzdem, dass sie sich bisher immer auf ihn hatte verlassen können.
Rodney ermahnte sich zur Konzentration. Er durfte sich auf keinen Fall noch weiter ablenken lassen. Zeit war kostbar. Den Replikatoren würde nicht ewig verborgen bleiben, was geschehen war.
"Wie weit sind Sie?", fragte Elizabeth nach einiger Zeit der Stille.
Rodneys Blick war stur auf die Konsolen gerichtet, auf deren Tasten seine Finger eilig hin und her huschten. Je näher er der Lösung kam, desto schneller wurde er.
"Es dauerte nicht mehr lange", versicherte er beiläufig. "Ich muss nur noch…"
"Zu spät!"
Rodney fühlte, wie sich alles in ihm zusammenzog, als er erschrocken aufsah und Elizabeths entsetzten Gesichtsausdruck erfasste.
"Sie haben bemerkt, dass ich Ihnen geholfen habe."
Rodney merkte, wie ihm das Herz vor Aufregung bis zum Hals schlug.
Nicht schon wieder, dachte er vor Schreck wie erstarrt. Er war schon einmal so kurz vor dem Ziel gewesen, er wollte nicht schon wieder versagen.
"Wir müssen weg!", riss ihn Elizabeths Aufforderung aus der Erstarrung und er sah, wie sie bereits Richtung Tür eilte, doch Rodney wollte nicht aufgeben, nicht so kurz vor dem Ziel und sein Verstand setzte glücklicherweise wieder schnell genug ein, um ihm eine Lösung zu offenbaren.
"Warten Sie!", rief er und griff bereits zu seinem PDA, um auf diese Weise so viele Daten wie möglich darauf zu laden. Wenn sie fliehen mussten, gut, aber dann würde er seine Arbeit um jeden Preis fortsetzen wollen, wenn sie wieder in Sicherheit waren.
Er merkte, dass Elizabeth recht nervös von einem Bein auf das andere trat, aber sie wartete dennoch geduldig, bis er mit der Übertragung fertig war. Dann ließ er alles stehen und liegen und hetzte mit ihr zusammen aus dem Labor.
Er hatte keine Ahnung, wohin sie liefen, aber es schien, als hätte Elizabeth bereits einen Plan.
"Wo gehen wir hin?", fragte er aufgeregt, während er sich bemühte, mit ihr Schritt zu halten.
"Zu den Jumpern", kam die Antwort über die Schulter hinweg, noch ehe sie die Treppe zum Hangar hinauf hasteten.

Es blieb keine Zeit für lange Erklärungen. Rodney ließ sich ohne jeden Protest in den Co-Pilotensitz fallen, während Elizabeth die Heckluke schloss und nahezu gleichzeitig die Triebwerke des Jumpers aktivierte. Es gab nicht viel, in dem sich diese Art von Replikatoren-Jumper von den Antiker-Fluggeräten unterschied, die er kannte. Trotzdem war es nicht schwer zu erraten, dass diese Jumper ebenso auf Replikatoren sensibilisiert waren, wie die atlantischen Jumper auf das Antiker-Gen.
Niemals hätte der Kanadier daran gedacht, dass er sich irgendwann einmal auf Elizabeth Weirs Flugkünste einlassen musste, wo sie doch zu jenen Menschen gehört hatte, bei denen die Gentherapie nicht angeschlagen hatte. Nun steuerte sie aber den Jumper zielsicher und in größtmöglicher Eile aus dem Hangar hinaus und dem wolkenverhangenen Himmel entgegen, so, als hätte sie in ihrem Leben noch nie etwas anderes gemacht.
"Wohin fliegen wir?", fragte er nervös, während er sich dazu durchrang, sich wieder aus seiner verkrampften Haltung zu lösen und etwas bequemer in den Sitz zu sinken.
"Das Sicherheitsprotokoll macht es schwer, den Jumper ohne Erlaubnis in den Gateraum zu bringen. Nicht weit von hier gibt es ein Spacegate", erklärte sie bereitwillig, ohne ihre Konzentration damit beeinflussen zu lassen.
Rodney atmete tief durch. Das klang nach einer akzeptablen Option, auch wenn es ihm lieber gewesen wäre, wenn sie den Planeten auf andere Weise hätten verlassen können. Je mehr Lichtjahre zwischen ihnen und den Replikatoren lagen, desto besser.
Der Replikatoren-Jumper schien zudem einiges schneller zu sein, wie Rodney es bisher gewohnt war, oder hatte es in Anbetracht der Aufregung nur den Anschein danach?
Tatsache war, dass ihm keine Zeit blieb, sich über die gelungene Flucht zu freuen, denn nicht lange, nachdem sie in den Orbit gelangt waren, erschien eine Warnanzeige auf der Frontscheibe des Jumpers.
"Was zum…", begann er und warf einen erschrockenen Blick auf die roten Punkte, die nicht weit von ihrer Position angezeigt wurden.
"Wir werden verfolgt", bestätigte Elizabeth seinen Verdacht, doch ihr Tonfall zeigte keinerlei Überraschung. Ihr musste klar gewesen sein, dass die Replikatoren sie nicht so ohne Weiteres entkommen lassen würden.
"Können Sie den Jumper nicht tarnen?", hakte er nervös nach und wandte sich instinktiv um, als könne er die Verfolger dadurch sehen, obwohl das durch das geschlossene Heck gar nicht möglich war.
"Das hätte keinen Sinn", schüttelte Elizabeth den Kopf. "Die Schiffe verfügen über Sendersignale, die von anderen Replikatoren erfasst werden können, selbst im Tarnmodus. Ich kann das nicht abschalten."
Ohne zu Zögern sprang der Kanadier auf und setzte dazu an, im hinteren Teil des Jumpers zu verschwinden.
"Ich kann es versuchen", erklärte er sofort und wollte sich an die Arbeit machen, doch eine unerwartete Erschütterung schleuderte ihn zurück in den Sitz.
"Zu spät", widersprach Elizabeth zähneknirschend und fixierte die Anzeigen vor sich, um die Situation in den Griff zu bekommen. Die Replikatorenschiffe hatten sie schneller eingeholt, als sie erwartet hatte.
"Festhalten!"
Rodney blieb gerade noch die Gelegenheit, sich an die Lehne seines Sitzes zu krallen, als der Jumper bereits ein gewagtes Ausweichmanöver startete. Trotz der Trägheitsdämpfer, spürte man die steile Rechtskurve, ehe eine ebenso scharfe Linkswende erfolgte. Taktik genug, um sich aus dem Zielkurs der Verfolger zu winden. Zumindest für ein paar Minuten. So viel Zeit brauchten die großen Kampfschiffe, um dem neuen Kurs des wendigen Jumpers zu folgen.
"Wow", brachte Rodney heraus, als er es wieder wagte zu atmen, aber noch immer mit kreidebleichem Gesicht aus dem Fenster starrte. "Ich wusste gar nicht, dass Sie so gut fliegen können."
"Das ist weniger Können, als Programmierung", winkte Elizabeth ab, ohne sich abzuwenden. Sie wusste, dass dieses Manöver ihnen nur eine kurze Verschnaufpause gönnte, doch ihre Verfolger hatten längst wieder begonnen, das Feuer auf sie zu eröffnen.
Zum Glück gab es jedoch ein Licht am Ende des Tunnels und auch, wenn man es nur schwach in der Ferne erkennen konnte, war es greifbar nah.
"Wir sind gleich da, wählen Sie das Gate an!", wies sie den Kanadier an und ließ den Jumper ein paar kleine Kurven fliegen, um dem Beschuss zu entgehen.
Rodneys Blick wanderte nach draußen in die Weiten des Alls, wo ihnen tatsächlich aus einiger Entfernung die schwachen Konturen des Gates entgegen strahlten. Dies war ihre Rettung. Die Replikatorenschiffe waren zu groß, um ihnen folgen zu können.
Erleichtert streckte er eine Hand nach dem DHD aus, aber mit einem Mal zögerte er. Die Schiffe verfolgten sie längst nicht mehr. Auf dem Monitor sah er eine Flotte von Jumpern näher kommen. Schiffe, die ihnen folgen konnten, falls er tatsächlich Atlantis anwählte, doch das Risiko mussten sie eingehen. Sie konnten notfalls den Schild rechtzeitig aktivieren, falls sie ihnen zu dicht auf den Fersen waren.
Wieder wollte er dazu ansetzen, die Koordinaten einzugeben, aber ein ungutes Gefühl hielt ihn zurück. Dies war die letzte Hürde. Wenn er sich womöglich doch in Elizabeth getäuscht hatte, dann verriet er hiermit die so lange und verzweifelt gehüteten Koordinaten nach Atlantis.
Ihm war gar nicht bewusst, wie lange er tatsächlich so mit sich haderte, erst Elizabeths aufgeregte Stimme ließ ihn in die Realität zurückkehren.
"Machen Sie schon!", forderte sie ihn energisch auf, als das Gate immer näher kam. Dies war seine letzte Chance, wenn er jetzt nicht handelte, würden sie den Ereignishorizont verpassen.
Er atmete tief durch, schloss für einen winzigen Moment die Augen. Er musste es riskieren.
Und so huschte seine Hand eilig über das DHD, sodass sich nicht weit von ihnen das Gate aktivierte und ihnen den schimmernden Fluchtweg offenbarte.
Rodney presste instinktiv die Lippen aufeinander, als sie sich dem Gate in hoher Geschwindigkeit näherten. Er hoffte nur, dass Elizabeth wusste, wie sie den Jumper möglichst schnell auf der anderen Seite zum Stehen brachte.
Dann geschah plötzlich etwas, was ihn aus allen Wolken fallen ließ. Im letzten Moment, kaum, dass sie den Ereignishorizont passiert hätten, wich Elizabeth in einer scharfen Wendung aus, sodass sie direkt am Gate vorbeischossen.
"Was soll das?", rief er entsetzt und beobachtete voller Schrecken, wie die roten Punkte auf der Anzeige im Gate verschwanden. Elizabeth reagierte nicht, starrte nur stur geradeaus in die Finsternis des Alls, als ob sie ihn nicht gehört hätte.
Da merkte der Kanadier, wie es ihm wie Schuppen von den Augen fiel; wie sich alle Puzzleteile zu einem völlig neuen Bild zusammenfügten, das er nie hatte sehen wollen.
"Sie haben mich reingelegt", stellte er fassungslos fest und zum ersten Mal sah sie ihn wieder an, aber in ihren Augen lag nichts mehr von dem, was ihm so vertraut gewesen war. Er hatte sich geirrt. Von Anfang an. Er war ihr direkt in die Falle gelaufen.
"Es tut mir leid, Rodney."
Das war alle, was sie sagte, ehe ihre Hand blitzschnell nach vorne schoss und sich in seine Stirn bohrte. Rodney wusste noch nicht einmal, ob er noch Zeit gehabt hatte einen Schrei auszustoßen, ehe ihn die unbarmherzige Dunkelheit mit sich fortriss.

Unendliches Chaos schien ihn verschlingen zu wollen. In seinem Kopf dröhnten Schreie, zuckten Blitze auf. Die Bilder rasten so schnell, dass er keines fassen konnte und eine unsichtbare Kraft schien ihn zu packen und zu erdrücken. Er konnte kaum atmen, brachte keinen Ton heraus. So musste es sein, wenn der Tod seine Hände nach einem ausstreckte.
Und doch gab es etwas, was ihn noch in dieser Welt hielt, eine Kraft, die nicht von ihm ausging.
Es war schwer zu sagen, wie lange er in diesem undurchdringlichen Durcheinander gefangen war. Erst als er langsam wieder anfing seinen Körper wahrzunehmen und das schmerzhafte Pochen in seinem Kopf wahrnahm, das seinen Schädel platzen lassen wollte, da wurde ihm klar, dass er dabei war, in die Realität zurückzukehren.
Und mit diesem Moment, brach eine Welle von Gedanken über ihn herein. Vorwürfe, Verrat, Schmerz, Angst, das Bewusstsein, versagt zu haben. Er hatte es gesehen. Alles war geplant gewesen, von Anfang an und nun wollten die Replikatoren die Stadt überrennen, die er so verzweifelt zu beschützen versucht hatte. Ein kleiner Fehler, ein fataler Ausgang.
Er nahm seinen Herzschlag wieder wahr, dann seine Atmung und irgendwann wurde er sich auch wieder seines Körpers bewusst. Als er einen vorsichtigen Versuch unternahm, sich zu regen, fühlte er wie all seine Glieder schmerzten und er konnte nicht verhindern ein leises Stöhnen von sich zu geben.
Er hätte schwören können, dass ihr Angriff seinen Tod beabsichtigte. Dass er noch lebte, hieß aber noch lange nicht, dass er Glück im Unglück gehabt hatte. Lieber war er tot, als mit dem Verrat und den Vorwürfen weiterleben zu müssen.
Als er glaubte, sich wieder einigermaßen unter Kontrolle zu haben, wagte er es vorsichtig zu blinzeln und leicht den Kopf anzuheben, doch das gab er schnell wieder auf, da er plötzlich unendlich schwer wirkte. Zwei Atemzüge dauerte es, bis er einen erneuten Versuch wagte und allmählich die verschwommenen Konturen seiner Umgebung wahrnahm.
Sie kam ihm so vertraut vor, kombinierte sich mit seinen letzten Wahrnehmungen und gab ihm sogleich eine Antwort darauf, wo er sich befand.
Dies war das Heck des Jumpers und wie es schien lag er auf einem der Seitenbänke. Ein unangenehmer Verdacht überkam ihm, als er spürte, wie sich seine Nackenhaare sträubten und er rang sich dazu durch, langsam den Kopf zu drehen, bis er sie sah.
Sie saß ihm direkt gegenüber, auf der anderen Bank und beobachtete ihn schweigend. Gegen alle Vernunft schreckte der Kanadier auf und saß mit einem Mal kerzengerade da, obwohl er glaubte unter dem Schmerz in seinem Schädel sterben zu müssen.
Aber er gab keinen Mucks von sich, starrte sie einfach nur an, voller Angst und gleichzeitig voller Hass. Er hatte ihr vertraut und sie hatte ihn verraten.
"Sie haben mich in eine Falle gelockt", machte er sich seiner inneren Anspannung Luft, indem er aussprach, was ihn fast wahnsinnig machte. "Sie haben mein Vertrauen ausgenutzt, um an die Koordinaten nach Atlantis zu kommen."
"Das war mein Auftrag, ja", bestätigte sie gelassen mit einem ruhigen Nicken, aber Rodney wusste, dass sie diese Gelassenheit nicht aufrecht erhalten würde, wenn ihr klar wurde, dass er ihr längst einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte.
"Ha! Sie haben sich getäuscht", rief er siegesgewiss und fuchtelte dabei aufgeregt mit den Armen herum. "Ich habe überhaupt nicht Atlantis angewählt."
Doch die von ihm erwartete Reaktion blieb aus. Kein schockierter Blick, keine Wut, die in ihr aufkam, nur ein ruhiges "Ich weiß."
Dem Kanadier entglitten sämtliche Gesichtszüge, als ihm alle Worte im Hals stecken blieben. Er hatte geglaubt, dass er ihr einen Schritt voraus war, dabei hatte sie ihn längst durchschaut. War das der Grund, weshalb er noch am Leben war? Sie hatten noch nicht von ihm, was sie wollten.
"Hören Sie, Rodney", begann Elizabeth leise und erhob sich langsam. Für Rodney jedoch Grund genug, erschrocken zurückzuzucken und sich ganz an die Wand zu drängen. Ihm war klar, dass er keine Chance hatte. Er würde nicht entkommen können, er war ihr wehrlos ausgeliefert. Aber sein innerer Instinkt machte ihm die trügerische Illusion, zwei Zentimeter mehr Abstand könnten ihn retten.
Elizabeth hielt inne, offenbar, weil sie sich dessen bewusst wurde, dass sie ihn durch ihre plötzliche Bewegung verschreckt hatte. Und das war auch gar nicht schwer zu erkennen, wenn man bedachte, dass man die Furcht deutlich in seinen Augen lesen konnte.
"Ich weiß, Sie haben allen Grund, mich zu hassen", fuhr sie leise seufzend fort, hielt sich aber davor zurück, näher zu kommen. "Und ich verstehe auch, wenn Sie mir nun kein Wort mehr glauben. Aber nicht alles, was ich gesagt habe, war eine Lüge."
In seiner aufkommenden Nervosität, begannen seine Augen automatisch hin und her zu huschen, in dem hilflosen Bemühen, vielleicht doch noch einen Ausweg zu finden. Und allein dieser Tatsache war es zu verdanken, dass sein Blick durch das Cockpit hinaus und durch das Frontfenster fiel. Doch was er sah, war nicht die Unendlichkeit des Alls, sondern die karge Landschaft einer Wüstenebene.
"Wo sind wir?", rutschte es ihm instinktiv heraus.
"Auf einem unbewohnten Planeten, in einem anderen System", antwortete Elizabeth ohne zu zögern und verwirrte den Astrophysiker damit nur noch mehr.
"Wieso?", brachte er mühsam hervor und starrte sie völlig verdattert an. Nichts von dem was sie tat, ergab noch einen Sinn für ihn. Einerseits zog sie ihn ins Vertrauen, dann verriet sie ihn. Auf der einen Seite schien sie ihn töten zu wollen und dann rettete sie ihn. Das alles war ihm unbegreiflich.
"Weil ich möglichst viel Abstand zu den anderen Replikatoren gewinnen musste, damit sie das Signal nicht orten können", erklärte sie ernst, wagte es dann aber doch ein paar Schritte näher zu kommen, obwohl sie sein Unbehagen spürte.
"Auf Sie mag das alles wie Verrat wirken, das weiß ich. Und ich gebe auch zu, dass es einst als solcher gedacht gewesen war. Aber es war die einzige Möglichkeit, ungehindert mit einem Jumper entkommen zu können."
Rodney merkte, wie es ihm schwer fiel herunterzuschlucken, aber sein Blick fing den von Elizabeth auf und versuchte nach dem Hass und dem Verrat zu suchen, der ihn so verletzt hatte. Doch zu seinem Erstaunen fand er nichts dergleichen.
Stattdessen begann er, ihre Wort zu kombinieren, sie mit allem zu ergänzen, was er bisher herauszufinden geglaubt hatte.
"Sie haben das alles so geplant?", brachte er schließlich heraus und beobachtete, wie sie langsam nickte.
"Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die anderen mich wieder finden und Umprogrammierungen vollziehen werden. Alles, was mir noch bleibt, ist Ihre Hilfe."
Und mit diesen Worten griff sie nach dem PDA, das auf der Bank gelegen war und streckte es ihm ohne ein weiteres Wort entgegen.
Rodney konnte nicht glauben, was hier geschah. Nach allem was passiert war, fiel es ihm umso schwerer, das zu begreifen, was sie ihm klarzumachen versuchte. Doch welchen Grund sollte selbst jetzt noch haben, ihn zu belügen? Wollte sie tatsächlich versuchen, ihm doch noch die Koordinaten zu entlocken? Oder sagte sie wirklich die Wahrheit?
Sie hatte ihm einst die Antworten gezeigt, nach denen er gesucht hatte. Hatte er sich damals denn wirklich so täuschen lassen? Oder hatte sie wirklich nur diesen einen Ausweg gesehen, um entkommen zu können?
"Dann ist es Ihnen wirklich ernst?", hakte er vorsichtig nach und sah zu ihr auf. "Sie arbeiten nicht für die Replikatoren?"
"Ich bezweifle, dass sie mir je wirklich getraut haben", antwortete Elizabeth mit einem Nicken. "Und wenn Sie sich dafür entscheiden, kein Risiko einzugehen, dann verstehe ich das."
Rodneys Blick wanderte wieder zurück auf das PDA, während er sich nachdenklich auf die Unterlippe biss. Was hatte er denn zu verlieren? Mochte er auch auf dieses ganze Spiel hereingefallen sein, eines war sicher und das war, dass dieses Unterprogramm existierte. Er hatte es gesehen, er war dabei gewesen es zu vollenden. Wenn er jetzt zu Ende brachte, was er angefangen hatte, dann konnte er Elizabeth und sich selbst wirklich noch retten. War es nicht das gewesen, was er eigentlich immer gewollt hatte?
Er sog die Luft tief ein und ließ sie dann langsam wieder entweichen. Jetzt hatte er die Chance, die vielen Fehler wieder rückgängig zu machen. Und so rang er sich dazu durch, das PDA entgegen zu nehmen und es sich auf die Knie zu legen.
Konzentrier dich, redete er sich ein. Du kannst es hinkriegen.
Er sah nicht auf, während er arbeitete, aber er spürte Elizabeths Erleichterung. Sie schien tatsächlich all ihre Hoffnung in ihn zu setzen. Im Grunde saßen sie jetzt beide in einem Boot. Sie konnten es schaffen. Aber wenn er scheiterte, war das ihr beider Ende.
"Wie sieht's aus?", fragte er nach einer Weile, um die drückende Stille zu durchbrechen, die sich breit gemacht hatte und ihn nur noch mehr unter Anspannung setzte. Er wusste, dass Elizabeth sich sowohl darum bemühte, ihre Deckung zu wahren, als auch in Erfahrung zu bringen, in wieweit die anderen ihr bereits auf die Schliche gekommen waren.
"Noch nichts", entgegnete sie. "Aber ich bezweifle, dass es lange dauern wird, bis sie mein Signal aufspüren."
Für einen kurzen Moment nahm sich der Kanadier die Zeit langsam seinen nervösen Blick zu heben und banger Ahnung nachzuhaken: "Und dann?"
"Ich nehme an, sie werden mir befehlen, zuerst Sie und dann mich selbst zu vernichten."
War Sheppard nicht immer so stolz darauf, zu behaupten, er könne seinen kanadischen Teamkollegen zur Höchstleistung bringen, indem er ihm den Druck von Leben und Tod aussetzte? Wenn ja, dann musste Rodney gestehen, dass er da gar nicht so Unrecht hatte, denn mehr denn je wurde ihm klar, dass er so schnell wie möglich arbeiten musste und legte deshalb noch an Geschwindigkeit zu. Er war fest entschlossen, diese Sache zu Ende zu bringen, schließlich fehlte nicht mehr viel. Und wenn er das Programm erst mal aktiviert hatte und die Naniten, dem neuen Befehl folgten, dann konnten die anderen Replikatoren sie auch nicht mehr aufspüren, geschweige denn, sie zu einer Handlung zwingen.
"Ich habe es gleich geschafft", verkündete er selbst schon ganz aufgeregt. Doch seine Freude währte nicht lange, als er sah, wie Elizabeth energisch den Kopf schüttelte.
"Sie haben uns entdeckt", stellte sie entsetzt fest. Und noch bevor Rodney auch nur irgendwie reagieren konnte, hechtete sie zur Heckluke, um diese zu öffnen.
"Wo wollen Sie hin?", rief Rodney erschrocken.
Es kam ihm wie ein furchtbares Dejà-vu vor. Schon damals hatte er sie nicht aufhalten können, als sie direkt in ihr Unglück gerannt war.
"Je weiter ich von Ihnen weg bin, desto besser für Sie."
Das war alles, was sie erwiderte, ehe sie bereits aus dem Jumper stürzte und hinaus in die Wüste rannte, ohne dass Rodney noch etwas tun konnte. Er starrte ihr einfach nur fassungslos hinterher, wissend, dass es jetzt um alles oder nichts ging. Spätestens jetzt war ihm bewusst, dass er es hier mit keinem Trick zu tun hatte. Eine solche Bereitschaft, selbst ein Risiko einzugehen, um ihn zu schützen, hieß nur, dass die wahre Elizabeth noch in ihr schlummerte. Und an ihm lag es nun, sie zu wecken.
Alles, was er tun musste, war die Nerven zu behalten; die naheliegende Gefahr ignorieren; einfach nur handeln. Und dann…
"Ich hab's."
Die Worte kamen instinktiv über seine Lippen, als er den Bildschirm anstarrte, um sich ein zweites Mal zu vergewissern, dass er sich nicht getäuscht hatte. Aber seine Augen spielten ihm keinen Streich, das neu programmierte Programm war dabei zu starten und sich umgehend auf Weirs Zellen zu übertragen.
Ohne noch weiter zu zögern, sprang er auf und hechtete aus dem Jumper.
"Elizabeth, ich hab es geschafft!", rief er freudestrahlend, obwohl er von Weir keine Spur sehen konnte. Allein ein paar Fußspuren waren im Sand erkennbar und so hastete er diesen so schnell er konnte hinterher, direkt über eine Düne, hinter der sich ihm ein Anblick bot, der seiner Freude umgehend einen Dämpfer verpasste.
Elizabeth lag regungslos am Boden, so als…
So als hätte sie jemand einfach abgeschaltet, schoss es Rodney durch den Kopf. Nein, das durfte nicht sein! Die Replikatoren durften nicht schneller gewesen sein, als er!
Ohne noch weiter Zeit zu verschwenden, stolperte die Düne wieder hinunter und rannte zu ihr.
"Elizabeth?"
Sein Herz raste vor Aufregung und Angst, als er sie packte und auf den Rücken drehte, ohne dass er eine Reaktion ihrerseits bewirkte.
Bitte, lass das nicht alles umsonst gewesen sein, flehte er in Gedanken, während er hilflos auf sie hinab sah, nicht wissend was er tun sollte. Sein Blick wanderte hinauf zum Himmel, als fürchte er, dort oben irgendwo die Replikatorenschiffe entdecken zu können.
"Oh nein", murmelte er leise und schüttelte den Kopf. "Diesen Kampf gewinnt ihr nicht."
Und so packte er Elizabeths regungslosen Körper und machte sich auf, sie zum Jumper zurück zu tragen. Noch hatte er nicht vor, aufzugeben.

Es war anders als sonst. Nicht so, wie es sich stets angefühlt hatte, wenn sich ihr System wieder in Gang setzte. Ihre sonst so klar strukturierten Gedanken, deren versteckte Winkel sie mit all ihrer Kraft zu hüten versucht hatte, waren auf einmal völlig wirr und nicht mehr klar zu fassen. Zu viele Bilder wollten auf einmal auf sie eindringen, ihr Dinge offenbaren, die ihr neu und zugleich vertraut waren.
Sie nahm einen Geruch wahr, der Assoziationen weckte. Bilder eines Bewusstseins, das so lange in ihr verborgen gewesen war und sich nun langsam wieder seinen rechtmäßigen Platz zurückeroberte. Sie spürte ihren Herzschlag, etwas was sie schon lange nicht mehr so intensiv wahrgenommen hatte. Aber er wurde stärker, je mehr der kleine Funken an Hoffnung in ihr an Intensität zunahm, bis er zu einem lodernden Feuer wurde.
Jener Moment war es, als sie die Augen öffnete und gegen das grelle Licht blinzeln musste, das ihr entgegen schien.
"Dr. Weir?"
Wie lange war es her, dass jemand sie so genannt hatte? Monate der Ewigkeit.
Ein Schatten schob sich zwischen sie und das Licht. Jemand beugte sich über sie.
"Dr. Weir, hören Sie mich?", vernahm sie erneut die sanfte Frauenstimme und nun erst setzte sich ihr Verstand schwerfällig in Bewegung, um die Stimme mit einem Namen zu verbinden, der ihr aber erst wirklich in den Sinn kam, als aus dem verschwommenen Schatten, die deutlichen Züge eines Gesichts wurden.
"Dr. Keller", krächzte sie mühsam durch die trockene Kehle hindurch und beobachtete sogleich das erleichterte Lächeln im Gesicht der Ärztin. Es war unheimlich, zu spüren, dass sie diese Frau eigentlich so gut hätte kennen müssen, aber ihre Erinnerungen noch kein klares Bild zulassen wollten. Doch eines vergegenwärtigte ihr die Situation unmissverständlich als sie ihre Umgebung aus dem Augenwinkel heraus erfasste: sie war auf Atlantis.
"Wie fühlen Sie sich?", erkundigte sich Keller dienstbeflissen, während Elizabeth die Kraft dazu aufbrachte, sich etwas aufzusetzen.
"Etwas durcheinander", gab sie zu. "Aber…gut."
"Das freut mich zu hören", entgegnete Keller zufrieden lächelnd.
Elizabeth atmete tief durch. In ihrem Kopf herrschte ein einziges Chaos. So etwas war sie schon lange nicht mehr gewohnt und es machte auch unmöglich, zu begreifen, wie sie überhaupt hierher gekommen war. Alles woran sie sich noch verschwommen erinnern konnte war, dass sie durch die unendliche Wüste gelaufen war und dann hatte sich plötzlich alles zu drehen begonnen und eine unsichtbare Kraft hatte sie zu Boden gezogen.
Sie war sich sicher gewesen, dass dies ihr Ende gewesen war. So musste es sich anfühlen, wenn das System schlichtweg deaktiviert wurde.
Und nun lag sie auf einmal hier, ohne zu wissen wie es dazu gekommen war.
"Was ist passiert?", fragte sie deshalb verwirrt.
"Dr. McKay hat ein Notsignal gesandt, das die Langstreckensensoren erfassen konnten", erklärte die Ärztin bereitwillig und versetzte Elizabeth damit nur noch mehr in Erstaunen.
"Dann…bin ich…?", begann sie fassungslos, schaffte es aber nicht, ihre Frage wirklich auszusprechen. Doch das brauchte sie auch gar nicht, um Keller klar zu machen, was sie wissen wollte.
"Ja", bestätigte diese lächelnd. "Die Naniten haben Ihren Körper wieder vollkommen regeneriert und sich danach selbst deaktiviert. Sie stellen keine Gefahr mehr dar."
Elizabeth konnte gar nicht beschreiben, wie glücklich und erleichtert sie war. All das, was sie für immer verloren geglaubt hatte, war nun wieder zum greifen nah.
"Ich kann Ihnen gar nicht sagen, was für ein wunderbares Gefühl es ist, wieder hier zu sein", stammelte sie, noch immer völlig überwältigt. Niemand mehr, der jeden ihrer Schritte, jeder ihre Handlungen, jeden ihrer Gedanken genauestens überwachte. Niemand mehr, der sie zu Handlungen zwang, gegen die sie sich nicht wehren konnte. Sie war zurück. Zurück unter Freunden.
"Es ist auch schön, dass Sie wieder zurück sind", bestätigte Keller lächelnd.
Was für ein schönes Gefühl es doch war, diese Worte von jemandem zu hören. Nach allem was geschehen war, hatte Elizabeth nicht nur befürchtet alle Menschen zu verlieren, die ihr etwas bedeutet hatten, sie hatte auch sich selbst verloren.
Aber nun hatte diese Hölle endlich ein Ende gefunden. Und das hatte sie nur einem zu verdanken.
"Und Rodney?", fragte sie mit einem Mal, als ihr wieder in den Sinn kam, dass auch er der Gefahr ausgesetzt gewesen war. "Wo…?"
Sie brauchte die Frage nicht zu Ende zu führen, um Keller dazu zu veranlassen, einen Schritt beiseite zu treten, damit Elizabeth ein Blick auf das Nachbarbett gewährt wurde, wo Rodney seelenruhig schlief.
"Das Ganze hat ihn ziemlich mitgenommen", erklärte Keller, als sie sich ihr wieder zuwandte. "Und Sie auch. Also sollten Sie sich auch besser ausruhen."
Elizabeth nickte nur wortlos, ohne ihren Blick von Rodney abzuwenden. Auch wenn die langsam wieder kehrenden Erinnerungen, all das zu verdrängen versuchten, was in den letzten Stunden geschehen war, so hatte sie nicht vergessen, was sie getan hatte. Sie war gezwungen gewesen, sein Vertrauen aufs Spiel zu setzen und hätte ihn auf diese Weise beinahe verloren. So oft hatte sein Leben in ihrer Hand gelegen und es hatte all ihre noch verbliebene Willensstärke gefordert, sich dazu zu ermahnen, dieses Leben zu schützen, anstatt es zu zerstören, wie es ihr befohlen worden war. Sie hatte Angst gehabt, ihn durch ihren gewagten Plan zu verlieren, aber die Tatsache, dass sie nun hier lag und wieder sie selbst war, verdeutlichte ihr, dass ein Stück ihrer Freundschaft noch immer Bestand hatte.
Sie wandte sich erst wieder ab, als sie spürte wie Keller ganz kurz nur ihren Arm drückte und ihr schließlich ein Lächeln zuwarf.
"Willkommen zu Hause", sagte sie leise, ehe sie sich abwandte, um zu gehen, damit sie sich ausruhen konnte. Und diese Worte strömten durch ihren Körper, wie der tiefe Atemzug, den sie nahm und der ihr die Erleichterung vergegenwärtigte.
Ja, sie war wieder zu Hause.

Es dauerte noch einige Zeit, bis auch Rodney sich dazu durchrang, den Schutz seiner eigenen kleinen Traumwelt zu verlassen, um in die Realität zurückkehren. Er hatte nicht gemerkt, wie das Erlebte nicht nur an Nerven, sondern auch an seinen Kräften gezerrt hatte. Tagelange Folter durch die Replikatoren, das Ständige Auf und Ab an Hoffnung und Misstrauen, die Tatsache, dem Tod so knapp entkommen zu sein, sein krampfhaftes Bemühen, eine Lösung zu erarbeiten und die Angst, Elizabeth trotz allem womöglich doch noch zu verlieren. Am Ende hatte er sich einfach der Dunkelheit ergeben, kaum, dass er sicher gewesen war, dass die Rettung nahe war.
Jetzt wieder hier aufzuwachen, in der sicheren Obhut von Atlantis, ließ viele seiner Sorgen unverzüglich vergessen. Alle, bis auf eine.
Automatisch wandte sich sein Kopf um und tatsächlich erhielt er eine Bestätigung für seine zögerliche Hoffnung.
Elizabeth Weir saß nur wenige Schritte entfernt von ihm auf der Kante ihres Bettes und schenkte sie ihm sogleich ein erleichtertes Lächeln, als sie sah, dass er zu sich gekommen war.
"Hey", begann sie leise, was er mit einem leisen Krächzen erwiderte. Er war noch immer recht durcheinander. Nach all den Sorgen, die er sich um sie gemacht hatte, konnte er noch immer nicht recht begreifen, ob er wirklich erfolgreich gewesen war.
"Wie geht es Ihnen?", fragte sie schließlich, um der Stille keine Chance zu lassen, während Rodney ein paar Mal schlucken musste, um seine Stimme wieder zu finden.
"Mir?", gab er dann recht verdattert zurück. Er hatte um ihr Leben gebangt und sie fragte, wie es ihm ging?
"Wie…es…ich dachte, Sie wären…", stammelte er unbeholfen, weil er keinen Gedanken richtig fassen konnte. Doch zum Glück erlöste ihn Elizabeth schnell aus dieser unangenehmen Lage, indem sie selbst erwiderte: "Mir geht es gut."
Und mit ernstem Blick fügte sie hinzu: "Dank Ihnen."
"Dann hat es funktionier?", hakte der Kanadier sofort nach und fühlte wie eine Lawine von Steinen von seinem Herzen purzelte, als er sah, wie sie nickte. Er hatte in all der Zeit gehofft, aber nie die Gewissheit gehabt. Die Befürchtungen, am Ende womöglich doch versagt zu haben, hatten ihn nie losgelassen. Bis jetzt.
Elizabeth rutschte langsam aus ihrem Bett, ehe die wenigen Schritte bis zu ihm zurücklegte und sich dann vorsichtig auf seine Bettkante setzte.
"Da ist etwas, was ich Ihnen gerne sagen würde", begann sie leise und Rodney spürte, wie sich ein mulmiges Gefühl in ihm breit machte. Er war so froh gewesen, sie gerettet zu haben, aber er sah es nicht gern, wenn ihr Gesicht so nachdenklich und ernst wirkte.
"Es tut mir leid, zu welchen Mitteln ich greifen musste, um das alles zu tun", fuhr sie dann vorsichtig fort.
Ja, er gab zu, es hatte Momente gegeben, da hatte ihn ihr scheinbarer Verrat tief getroffen. Enttäuschung konnte oft mehr weh tun, als jeder Schlag, den sie ihm hätte versetzen können. Je mehr er sich vergegenwärtig hatte, wie viel ihm ihre Freundschaft einst wert gewesen war, desto schlimmer war es, sich einzugestehen, dass aus dieser Freundschaft womöglich Feindschaft geworden war.
"Ist schon gut", winkte er dennoch ab. "Wahrscheinlich hätte ich das gleiche getan."
Die Antwort war schneller gekommen, als er wirklich darüber nachgedacht hatte. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich recht unwohl in seiner Haut und er hoffte, dass er dies alles schnellstmöglich wieder vergessen konnte. Er wollte nicht, dass sie sich Schuldgefühle machte, so wenig wie er wollte, dass das Thema zu sprechen kam, was er bis dahin zu verheimlichen versucht hatte. Aber dafür schien es zu spät zu sein.
"Und da ist noch was", ergriff Elizabeth erneut das Wort. "Als ich Zugang zu Ihren Gedanken hatte, da habe ich nicht nur Bilder gesehen, sondern auch…Gefühle."
Der Kanadier war nicht fähig, sie anzusehen, fixierte stattdessen nur einen unsichtbaren Punkt auf seiner Bettdecke, während er merkte, wie ihn die Nervosität schüttelte. Innerhalb weniger Sekunden wurde ihm heiß und kalt zugleich, weil er sehr genau wusste, worauf sie hinaus wollte. Er hatte immer verhindern wollen, dass es soweit kommen würde. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Geheimnis auf diese Weise aufgedeckt wurde.
"Sie hätten es mir nie gesagt, oder?"
Vorsichtig wagte er es den Kopf zu heben und sein hilfloser Blick traf den ihren. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
Er war völlig überfordert mit der Situation. Er konnte nicht sagen, wann es geschehen war. Irgendwann war es einfach passiert. Aus der tiefen Freundschaft zwischen ihnen war der Wunsch entstanden, dass mehr daraus werden könnte. Doch er hatte nie gewagt, auch nur irgendwelche Andeutungen zu machen. Zu groß war die Angst gewesen, dass er damit alles kaputt machen könnte. Er hatte nie daran geglaubt, dass sie seine Gefühle erwidern konnte. Hätte er sie ihr gestanden, wäre ihre Freundschaft womöglich daran zerbrochen. Und so hatte er geschwiegen, hatte es genossen einfach jeden Tag in ihrer Nähe zu sein.
Bis zu jenem Tag, als alles anders geworden war.
Und nun? Jetzt, da sie es gesehen hatte; jetzt, da sie es wusste, wie würde sie jetzt reagieren? Er suchte verzweifelt nach Worten. Irgendetwas, das ihm als Ausrede dienen konnte. Er wollte, dass es einfach wieder so werden würde wie früher. Aber es gab nichts, was seine Gefühle noch geleugnet hätte, dafür hatte Elizabeth sie zu deutlich gesehen.
Und dann geschah etwas, womit er nie gerechnet hätte. Noch ehe er sich versah, beugte sie sich ihm zu und gab ihm Kuss.
Die Kälte wich ganz der Hitze, die in ihm aufstieg und sein Gesicht zweifellos verräterisch rot färbte, während seine Augen sie nur fassungslos anstarrten. War das vielleicht doch alles nur ein Traum?
"Ist…ist das so etwas wie ein Retterkomplex?", stammelte er verwirrt, als es ihm wieder möglich war, seine Sprache zu finden. Tat sie das vielleicht wirklich aus reiner Dankbarkeit?
Aber Elizabeth grinste nur vieldeutig, ehe sie verschwörerisch erwiderte: "Vielleicht hatte ich vorher einfach auch so meine Geheimnisse."
Geheimnisse, die sie ihm in einem weiteren Kuss verdeutlichte. Und diesmal schaffte es der Kanadier, die Situation rechtzeitig zu realisieren, um diesen Kuss zu erwidern und seine Arme um sie zu schlingen.
So lange schien es her zu sein, dass er sie als für immer verloren geglaubt hatte und nun schien das Schicksal eine 180 Grad-Wende gemacht zu haben. Eine Wende, die sie beide durch Höhen und Tiefen, durch Gefahr und Hoffnung geführt hatte, um sie am Ende wieder zusammenzubringen und sie zu den glücklichsten Menschen zu machen. Ein langer Weg, der sie nach Hause geführt hatte.

ENDE
Diese Geschichte wurde archiviert am http://stargatefanfic.de/viewstory.php?sid=792