The Death Walks by Belanna
Summary: Colonel Sheppards Team schleppt ein gefährliches Virus in die Stadt ein und eine Hetzjagd nach dem Gegenmittel beginnt.
Categories: Stargate Atlantis Characters: Evan Lorne, Multi-Chara, Own Character, Radek Zelenka
Genre: Action, Angst, Friendship
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 3 Completed: Ja Word count: 75328 Read: 14404 Published: 14.02.11 Updated: 14.02.11
Story Notes:
Short-Cut: Colonel Sheppards Team schleppt ein gefährliches Virus in die Stadt ein und eine Hetzjagd nach dem Gegenmittel beginnt.
Spoiler: 1x13 Hot Zone, 2. Staffel
Charaktere: Zelenka, Lorne, OCs, Multi-Charakter
Kategorie: Action, Angst, Friendship
Rating: R-16
Author's Note: Mir hat die Folge "Hot Zone" der 1. Staffel besonders gut gefallen und inspirierte mich dazu, in einer FF einen weiteren Virus zu kreieren.
Zugegeben, ich bin auch ein großer Resident Evil Fan, was wohl auch ein wenig zu dieser Geschichte beitrug.
Diese Story dreht sich vermehrt um Personen, die eigentlich sonst mehr im Hintergrund stehen und auch nicht in das typische Helden-Schema passen. Einfache Menschen, die unbewusst in einer schwierigen Situation über sich hinaus wachsen und den Wert der Freundschaft, die sie verbindet erkennen. Außerdem war mir Radek Zelenka immer schon sympathisch und ich wollte mal was über ihn schreiben.
Falls die medizinischen Zusammenhänge dieser Story nicht immer korrekt sind, entschuldige ich mich dafür. Ich hab leider nicht das nötige Fachwissen. Aber ich hab' mich bemüht, alles plausibel klingen zu lassen.
Mein herzlichster Dank geht an Lenari, fürs Betalesen und all die Freunde, welche mir mit Rat und Tat zur Seite gestanden sind. Danke euch allen!
Widmung: -
Disclaimer: Alle Charaktere und sämtliche Rechte an Stargate Atlantis gehören MGM/UA, World Gekko Corp. und Double Secret Production. Diese FanFic wurde lediglich zum Spaß geschrieben und nicht um Geld damit zu verdienen. Jegliche Ähnlichkeiten zu lebenden und toten Personen ist zufällig und nicht beabsichtigt. Alle weiteren Charaktere sind Eigentum des Autors.
Feedback: Bitte gebt mir Feedback! Freue mich über jede positive Äußerung und werde auch negative Kritik annehmen, sofern sie konstruktiv ist. - Belanna@onlinehome.de

1. Kapitel 1 by Belanna

2. Kapitel 2 by Belanna

3. Kapitel 3 by Belanna

Kapitel 1 by Belanna
The Death Walks


Kapitel 1

Stille…
Kein Hauch bewegte die stickig, heiße Sommerluft.
Kein einziges Geräusch…
Hitzeschleier waberten wie dickflüssiger Nebel durch die leeren Straßen der Stadt.
Plötzlich hallte ein Geräusch durch die Stille. Ein so vertrautes Geräusch und doch war niemand da, der Notiz davon nehmen konnte.
Ein Wirbel, wie aus Wasser, schoss aus dem Ring der Vorfahren und bildete den blauschimmernden Ereignishorizont.
Dann kehrte die Stille zurück.
Vier Gestalten kamen aus dem Tor getreten und wurden von der Hitze willkommen geheißen.
"Hallo", rief John Sheppard durch die leeren Straßen, in die tote Stadt.
Ronon zog unter seinem Mantel seine Waffe hervor und beäugte misstrauisch den Marktplatz.
Das Stargate stand zentral auf einem großen, mit Kopfsteinen gepflasterten Platz. Rings um den Platz reihten sich kleine Geschäfte aneinander und unzählige Gassen führten weiter zu hohen Gebäuden, die wie Firmenkomplexe aussahen. Als hätte man alte, traditionelle Baukunst mit modernen Hochhäusern kombiniert.
"Hallo, ist hier jemand?", hallte ein weiteres Mal Colonel Sheppards Stimme durch die Straßen. Doch seine Frage wurde nur vom widerhallenden Echo seiner eigenen Stimme beantwortet.
"Seltsam ruhig für eine Stadt", hörten sie McKays Stimme hinter sich.
Der Wissenschaftler war dicht am Tor stehen geblieben.
Diese Stadt war im suspekt.
"Vielleicht erwarteten sie die Wraith oder die Wraith waren schon hier", spekulierte Teyla.
"Nein, glaub' ich nicht."
Die Blicke der anderen Teammitglieder richteten sich auf Rodney.
"Und warum glauben Sie das nicht?" Sheppard klang ein wenig genervt. Rodney war kein Soldat, ja noch nicht mal jemand, der in Videospielen, in denen er einen Soldaten steuerte, besonders lange am Leben blieb. Derartige Einschätzungen beruhten bei dem Wissenschaftler daher nur auf seinem Bauchgefühl.
"Vielleicht verstecken Sie sich vor uns? Ich finde, wir sollten zumindest mal nachsehen", beschloss der Colonel und trat zusammen mit Ronon auf den Marktplatz hinaus.
Rodney zögerte. Hier stimmte etwas nicht! Gut, von dem fehlen der Menschen mal abgesehen. Doch irgendetwas war falsch an diesem Szenario! Etwas, das Rodney nicht mit Worten beschreiben oder gar mit einem Finger hätte darauf deuten können. Aber es änderte nichts an der Tatsache, dass es falsch war!
"Einen Angriff der Wraith können wir wohl ausschließen", kam nach einiger Zeit von Ronon.
"Dem stimme ich zu. Hier ist alles noch so ordentlich aufgeräumt. Keine in der Eile umgestoßenen Gegenstände, keine Fallengelassenen Einkäufe." Teyla war neben einem der Läden stehen geblieben und öffnete die Tür.
"Ist jemand hier drin? Keine Angst, wir kommen als Freund und möchten Handel treiben."
Keine Antwort.
"Bitte, wir sollten gehen!", jammerte McKay fast flehend.
"Die Menschen sind aus gutem Grund nicht mehr hier! Etwas stimmt hier nicht, wir sollten auch nicht hier sein!" Während er sprach, war seine Stimme immer leiser geworden. Ängstlich hatte Rodney seine 9-Millimeter umklammert, als bot sie ihm allein dadurch Schutz, vor diesem namenlosen Etwas, welches die Stadt in diese unheimliche Stille getaucht hatte.


Das SG-Team war mit hohen Erwartungen an diesen Planeten hier her gereist. Man hatte ihnen von dem beachtlichen medizinischen Wissen erzählt, welches die Bewohner hier seit Generationen bewahrten und verbesserten. Carson war Tags zuvor mit lächelndem Gesicht förmlich durch die Krankenstation gehüpft, in freudiger Erwartung auf neuartige Medikamente, welche das Team mitbringen würde.
"Sieht so aus, als müssten wir Ihren Doktor enttäuschen." Ronon war bereits zurück zum Stargate getreten.
"So schnell sollten wir nicht aufgeben", meinte Sheppard und Rodney blickte ihn panisch an.
"Bitte nicht, wir sollten gehen!"
"Rodney, reißen Sie sich zusammen! Wovor haben Sie solche Angst, es ist doch niemand hier!"
"Genau deshalb", schrie McKay ihn an. Blickte sich nach allen Richtungen um und begann dann erneut zu sprechen, jedoch viel leiser: "Ich will nicht wissen, warum die Stadt nicht mehr bewohnt ist."
Sheppard seufzte resigniert. "Okay, ich gebe zu, eine menschenleere Stadt ist schon unheimlich. Wie aus einem schlechten Horrorfilm. Aber glauben Sie mir, ich hab' genügend von diesen Filmen gesehen, um zu wissen, was ich tun muss."
Ronon und Teyla blickten den Colonel verwundert an.
"Ja, glaubt mir, in Horrorfilmen ist es doch immer wieder das Gleiche. Der Mörder steht immer hinter einem. Noch Fragen?"
Teyla lächelte und schritt mit Ronon hinter Sheppard her.
"Keine Sorge, Rodney, wir gehen nur zu dem ersten Hochhaus da drüben und wenn da auch niemand ist, dann sind wir weg. Versprochen."
Rodney hatte seine Waffe so fest umschlossen, dass seine Fingerknöchel weiß hervorstanden. Angespannt schenkte er John ein Nicken.
Dieser schüttelte den Kopf und beobachtete die Umgebung.
Es stimmte schon, dass dieser Ort eine merkwürdig düstere Atmosphäre hatte. Auch John hatte es beim Anblick dieser leeren Straßen innerlich gefröstelt. Doch seine Neugier, warum hier keiner mehr war, trieb ihn voran. Von dem praktischen Nutzen guter Medikamente einmal abgesehen. Schließlich war auch Lieutenant Ford noch immer irgendwo da draußen in der Weite der Pegasus-Galaxie. Dass dem jungen Mann geholfen werden könnte, diese Hoffnung keimte immer noch in John und vielleicht war eines der hiesigen Medikamente ja dazu in der Lage.


Urplötzlich änderte sich etwas um sie herum. Es dauerte einige Sekunden, bis sie begriffen, was es war. Die Luft war mit einem Mal so dick und stickig, dass man sie hätte mit einem Messer schneiden können. Ein widerwärtiger Gestank schlug ihnen entgegen und ließ die Gruppe im ersten Moment würgen. Der Geruch war so stark, als wäre die Luft an sich faulig geworden.
"Was ist das für ein Gestank?" Sheppard hatte ihn schon einmal gerochen, diesen süßlichen Geruch, der einen schwindlig vor Übelkeit werden ließ.
"Tod", sagte Ronon leise. "Das ist der Geruch des Todes."
"Dort vorne!" Teylas Hand wies auf einen rotschwarze Klumpen, der unweit von einem der Gebäude am Boden lag.
Eilig traten sie zu dem, was wohl einst ein Mensch gewesen war. Verwesung hatte den gekrümmten Körper befallen und das Fleiß dunkel gefärbt. Fliegen schwebten in der sengenden Hitze über dem Kadaver. Kleine, weiße Maden quollen aus einer offenen Wunde. Der Gestank war schier unerträglich!
"Auch wenn man die Hitze berücksichtigt, muss der Tod dieses Mannes schon Wochen her sein." Teyla hatte sich gebückt und zeigte auf die Wunde am Bauch.
"Dieser Mann ist keinen natürlichen Tod gestorben."
Ronon bückte sich ebenfalls zu ihr herab. "Die Wunde an sich scheint von einem Messer zu stammen. Doch die Verletzungen drum herum…" Ronon deutete auf die zerrissene Bauchdecke, aus welcher die Innereien zum Teil herausgetreten waren. "Diese Verletzungen stammen vielleicht von einem Tier."
"Einem Tier?" Sheppard sah sich um. Er konnte sich nicht vorstellen, welches Tier, fast böswillig, den Leib dieses Mannes geschändet und seine Beute dann nicht einmal gefressen hatte. Als hätte es in den Innereien gewühlt und etwas Bestimmtes gesucht.
Rodney war abseits der Leiche in die Knie gesunken und hatte gerade eine zweite Begegnung mit seinem Frühstück.
Ronon stand auf und blickte nach rechts, eine Straße entlang. "Dort hat sich etwas bewegt!" Seine Waffe suchte nach der eben gesehenen Bewegung. Nur ein schwarzer Schatten, welcher sich hinter der Häuserfront gerührt hatte, aber zu deutlich, um Einbildung gewesen zu sein.
"Vielleicht ist die Stadt doch nicht so tot?"
John drehte sich zu McKay um. "Kommen Sie, Rodney, Ronon hat eine lebende Person gefunden."
Rodney erhob sich auf zittrigen Beinen.
Die Waffen im Anschlag ging es schnellen Schrittes auf das besagte Gebäude zu. Kaum hatten sie die Biegung erreicht, lähmte der auf sie wartende Anblick ihre Glieder.
Der Tod hatte sich durch die Stadt geschlichen und die Straßen mit Blut gefärbt.
Dutzende tote Körper lagen verwesend in ihrem geronnenen Blut. Ähnlich wie der erste Leichnam, waren auch diese schrecklich geschändet! Fehlende Gliedmaßen, tiefe Wunden, zersplitterte Knochen…
Rodney glaubte, sein Herz hätte einige Schläge übersprungen und ein eiskaltes Gefühl kroch durch seine Glieder!
Weg!
Das war der einzige, klare Gedanke, zu dem Rodneys Gehirn noch in der Lage war. Auch seine Begleiter schien der Anblick der verstümmelten Leichen gelähmt zu haben.
John ließ seine vor Schreck angehaltene Luft stoßweise entweichen. Der Gestank um sie herum war noch penetranter geworden, doch sie nahmen ihn kaum mehr war.
Wieder huschte ein schwarzer Schatten die Straße entlang. Blitzartig richteten sie ihre Waffen auf… ja auf was? Dieses Wesen hatte durchaus noch etwas von einem Menschen.
Kratzer zogen sich über seine Haut, entblößten hier und da rosa schimmerndes Fleisch und Muskelstränge. Der Statur nach war es ein Mann. Sein Kopf schwankte auf seinen Schultern, als hinge er nur noch am sprichwörtlichen seidenen Faden. Ein überbreites Grinsen zeichnete eine unnatürliche Mimik auf sein Gesicht. Sein rechtes Bein schien gebrochen, denn er zog das verdrehte Gelenk humpelnd hinter sich her.
Schockiert blickte das Team auf diesen Mann, der, medizinisch gesehen, Tod sein müsste oder zumindest nicht mehr in der Lage sein dürfte, sich aufrecht zu bewegen.
John schluckte schwer und versuchte seine Stimme wieder unter Kontrolle zu bringen. Er wollte den Mann fragen, ob man ihm helfen konnte oder in einfach nur bitten, er möge stehen bleiben und ihnen nicht näher kommen.
Ronon reagierte als Erstes auf die potenzielle Gefahr und schoss. Die erste Kugel traf wenige Zentimeter vor dem Mann auf die Straße.
Ohne Notiz davon zu nehmen, schlurfte er weiter voran.
Unwillkürlich huschte das Wort Zombie durch Sheppards Geist.
Ronons zweiter Schuss riss den Mann von den Beinen.
Anstatt sich vor Schmerz zu winden, setzte sich der Mann erneut auf und blickte grinsend auf seinen Peiniger. Mit anscheinend müheloser Leichtigkeit ließ er sich auf seine Hände fallen und zog sich somit über den Asphalt.
John hob wie in Trance die Waffe und feuerte auf den kriechenden Mann. Tot sackte der Körper auf der Straße zusammen und kleine Rinnsäle wässrigen Blutes ergossen sich über die dreckige Teerdecke.
"Wir sollten gehen." Ronon senkte seine Waffe und zog Teyla, welche immer noch den Leichnam betrachtete, hinter sich er.
John löste ebenfalls seinen Blick von diesem unwirklichen Szenario und sie traten aus dem Gebäudeschatten zurück in die Sonne.
"Rodney?"
Johns Blick wanderte suchend durch die Straßen.
Seit sie hinter der Ecke auf die Leichen gestoßen waren, hatte er Rodney nicht mehr bewusst wahrgenommen. Sich in Gedanken für dieses Verhalten ohrfeigend, lief er zusammen mit Teyla und Ronon zurück zum Stargate. Wie hatte der Anblick der Leichen ihn so aus der Bahn werfen können? Natürlich waren zerstückelte Leichen nicht gerade alltäglich Brot für einen Soldaten der Luftwaffe und doch…
Ein wirklich schlechter Horrorfilm!
Jetzt lag seine letzte Hoffnung darin, Rodney wäre bereits in Atlantis, auf ihre Rückkehr wartend.
Schuldgefühle nagten an Sheppard, denn er hätte auf den Wissenschaftler hören sollen.
Ja, nachher war man immer klüger.
Ihr Lauf zum Stargate wurde abrupt von einem Schuss gestoppt.
"Rodney!", rief Sheppard aufgeregt.
"Der Schuss kam von dort!" Ronon stürmte los.
Unweit des Tores standen mehrere Menschen zu einer kleinen Gruppe versammelt. Ihre Körper waren, wie nicht anders erwartet, ähnlich verunstaltet. Sie standen im Kreis um eine am Boden gekrümmte Gestallt.
Ihre Blicke richteten sich auf die Neuankömmlinge. Die Gestalt am Boden verlor jedwede Bedeutung und mit unerwarteter Schnelligkeit stürmten diese Monster auf sie zu.
Gleichzeitig eröffnete das Team das Feuer auf die Angreifer und einer nach dem anderen ging zu Boden. Viele von ihnen waren nicht sofort tot, sonder erhoben sich erneut. Konnten dem Kugelhagel jedoch auf Dauer nichts entgegensetzen.
John sprang als Erstes über die Leichen hinweg.
McKay lag reglos auf der Straße.
John war sichtlich erleichtert, als er den Puls des Kanadiers unter seinen zitternden Fingern spürte.
Rodney war allem Anschein nach nicht bei Bewusstsein. Mit seinen Händen umschloss er eine blutende Wunde an seinem Bauch. Kratzer von Fingernägeln zogen rote, teils blutige Kratzer über Rodneys Haut, als John ihn hoch zog und ihn sich über die Schulter warf.
McKay war überraschend schwer, was John das Kämpfen unmöglich machte.
"Rückzug zum Gate!", schrie er und seine Stimme brach jäh ab, als die nächsten halbtoten Gestalten in der Straße erschienen.
Diese hielten abgebrochene Holzscheite als eine Art Prügel in den Händen. Was auch immer mit diesen Menschen geschehen war, sie besaßen noch genügend Verstand, um die Ankömmlinge aus dem Ring der Vorfahren für ihre Feinde zu halten.
Wortlos bewegten sich ihre Lippen, ohne dass ein Wort aus ihrem Mund drang.
John wurde sich ein weiteres Mal der erdrückenden Stille dieses Ortes bewusst.
"Durchbrechen!", schrie er seinen Teammitgliedern entgegen und stürmte los.
Ronons und Teylas Waffen schossen ohne Unterlass. Sheppard drückte Ronon seine P-90 in die Hand. Der Weg war soweit frei, dass Sheppard zu laufen begann. Rodneys Gewicht auf dem Rücken, zusammen mit seinen Schuldgefühlen erdrückten ihn fast. Schwer atmend erreichten sie das Gate.
Ungeschickt gab Sheppard die Adresse ein. "Teyla, schicken Sie den ID-Code!"
Die Athosianerin nickte und ließ ihre Waffe schweigen.
Ronon hatte seine liebe Mühe die Wesen auf Abstand zu halten.
Sekundenbruchteile verschwendete er einen Gedanken darauf, ob die Wesen wohl noch imstande waren, Stargateadressen anzuwählen. Atlantis mochte ja über einen Schutzschild für das Tor verfügen, doch andere Welten hatten diesen Luxus nicht.
Von Weitem drang Sheppards Stimme zu ihm durch und er ließ die Waffe sinken und hechtete durch das Tor.


Kapitel 2

"Schild hoch!", schrie Sheppard dem im Kommandozentrum sitzenden Menschen zu.
Das dumpfe Geräusch von gegen das Schild prallenden Körpern war zu hören. Natürlich, so wusste John, waren es nicht wirklich ihre Körper, die dieses Geräusch verursachten. Zu gegebener Zeit würde er McKay mal genau danach fragen.
McKay!
John hatte den Wissenschaftler neben sich auf den Boden gelegt und tastete erneut nach dessen Puls. Rodneys Gesicht war blas und blutleer.
Als der Ereignishorizont hinter dem weißen Kraftfeld kollabierte, ertönte ein vertrautes Geräusch.
Der Colonel brauchte einige Sekunden, bis sein überreiztes Gehirn begriff, woher er dieses Geräusch kannte.
Die Türen schlossen sich automatisch und die Computer schalteten sich ab.
Quarantäne! Die Stadt schützt sich selbst!
Dr. Weir war, ebenfalls von dem Alarm erschrocken, zu ihnen getreten. Ihr sorgenvoller Blick haftete auf Rodney.
"Was ist passiert?"
"Dr. McKay scheint der Grund für die Quarantäne der Stadt zu sein", begann Teyla zu berichten.
Elizabeth nickte und betätigte ihr Mikro.
"Weir an Dr. Beckett, begeben Sie sich mit Ihrem Team in Schutzanzügen umgehend in den Gateraum, Rodney ist schwer verletzt!"
"War das nicht der gleiche Alarm wie damals bei dem Nanovirus?", drang Carsons Stimme aus dem Mikrofon.
"Ja, Rodney scheint mit irgendeinem Erreger infiziert worden zu sein!"
"Wie ist sein momentaner Zustand?", erkundigte sich der Arzt.
"Er hat eine blutende Wunde am Bauch und mehrere kleinere Kratzer überall am Körper. Sein Puls ist schwach, aber stabil. Seit wir ihn aus der Gewalt der Infizierten befreit haben, ist er jedoch ohne Bewusstsein."
John beendete seinen Bericht und hörte Carson nur noch einige Befehle rufen. Dann wurde die Verbindung unterbrochen.
"Was ist passiert?", fragte Weir erneut und ging neben Rodney in die Hocke.
"Die Stadt war wie ausgestorben. Erst fanden wir nur geschundene Leichen und dann griffen uns plötzlich… eine Art Zombies an."
"Zombies?", fragte Elizabeth und blickte Sheppard irritiert an.
"Sie sahen aus, wie etwas, was tot sein sollte, es aber nicht war!"
Rodney regte sich und ließ die, bis jetzt um seinen Bauch geschlungenen, Arme sinken, was zur Folge hatte, dass Blut in Strömen aus der Wunde floss! John zog eine der Mullbinden hervor und versuchte sie auf die Wunde zu drücken, doch Rodney hielt nicht still. Er hob seinen Kopf und blickte Elizabeth aus glasigen, blauen Augen an.
Sie lächelte ihm aufmunternd zu. "Ganz ruhig, Rodney, Carson kommt bestimmt gleich."
Ein unnatürlich wirkendes Lächeln, zog sich über Rodneys mit Blutspritzern beflecktes Gesicht.
Elizabeth wollte gerade nachfragen, wo Carson und sein Team so lange blieben, als sich Rodneys Hände um ihre Gurgel schlossen.
Immer noch grinsend, drückte dieser überraschend fest zu und schnürte Weir die Luft ab! John und Ronon gingen sofort dazwischen und versuchten Elizabeth von Rodney zu befreien. Mit Mühe gelang es ihnen und Ronon drängte McKay unsanft zu Boden. Dieser öffnete und schloss seinen Mund, als wenn er schreien wollte, doch kein Ton verließ seine Lippen. Stumm griff er nach Ronons Armen und bohrte seine Fingernägel in die weiche Haut.
Soldaten eilten herbei, um dem ehemaligen Runner mit dem anscheinend verrückt gewordenen McKay zu helfen.
Hustend rieb sich Elizabeth ihren Hals.
"Alles okay?" Johns Frage klang in dieser Situation geradezu lächerlich. Weir nickte jedoch.
"Aber mit Rodney definitiv nicht." Ihre Stimme klang schwach und noch einmal holte sie tief Luft.
Ronon und zwei Soldaten versuchten unterdes, McKay ruhig am Boden zu halten. Dieser schlug wild um sich, biss in den Arm eines der Soldaten und schlug seine Fingernägel tiefer in Ronons Haut.
Ronon stand auf, richtete seine Waffe auf McKay.
"Nein, nicht schießen", rief Weir ihm zu.
"Ich betäube ihn, sonst infiziert er noch mehr von uns!" Ronon hob demonstrative seinen Arm, um Weir die blutigen Kratzer zu offenbaren.
"Lassen Sie ihn los!"
Die Soldaten sprangen zur Seite und McKay richtete sich auf.
Bevor Ronon den ersten, sicheren Schuss abgeben konnte, rammte Rodneys Gewicht seine Beine und er kam ins Wanken.
Er trat einmal kräftig gegen den Kopf des Wissenschaftlers, doch dieser nahm den damit verbundenen Schmerz nicht war.
Ronon trat erneut zu, versuchte einen sicheren Stand zu bekommen und feuerte.
Anstatt McKay bewusstlos zu Boden zu schicken, machte in der Schuss nur wütender.
Rodney richtete sich auf und lief Ronon entgegen. Dieser feuerte erneut, doch wieder ließ sich McKay nicht davon beeindrucken. Ronon sprang zur Seite und mit einem kräftigen Tritt in Rodneys Brust kippte dieser und verlor den Halt.
Die Soldaten waren währenddessen wieder bei dem Wissenschaftler angelangt und drückten ihn erneut zu Boden.
"Wo bleibt Beckett?", rief einer der Soldaten.
"So kann der Arzt ihn doch eh nicht behandeln." Alle Augen richteten sich auf Ronon.
"Halten Sie ihn am Boden, wir fesseln ihn!" John trat zu Rodney, der sich unter den starken Armen der Soldaten wand.
Als Dr. Beckett eintraf, waren Rodneys Arme auf den Rücken gefesselt und seine Beine aneinander geschnürt.
John und ein Soldat hielten ihn in einer sitzenden Position am Boden fest.
Carson kniete vor seinen Freund und musterte diesen besorgt.
"Hat er sich auf die Zunge gebissen?"
Blut und Speichel rannen aus Rodneys geöffnetem Mund.
"Keine Ahnung, aber Ronon hat vorher nach ihm getreten", klärte Sheppard den Arzt auf.
Dieser warf dem Angesprochenen kurz einen finsteren Blick zu, wandte sich jedoch sogleich wieder an seinen Patienten, ohne Ronon eine Chance auf Rechtfertigung zu geben.
Während Carson notdürftig Rodneys Wunde versorgte, erkundigte er sich weiter.
"Was genau ist geschehen? Erzählen Sie mir von den Infizierten auf dem Planeten. Verhalten Sie sich genauso wie McKay?"
"Sie scheinen noch über genügend klaren Verstand zu verfügen, um sich zu wehren. Wenn ihr Versuch auch noch so primitiv, im Vergleich zu unseren Waffen, wirkte."
"Ja, und ihr Schmerzempfinden scheint blockiert zu sein", fügte Ronon Teylas Ausführungen hinzu.
"Es scheint, als ob er schreien wollte", kam es Beckett, als er Rodneys Blutdruck maß.
"Das hat er auch mit den Infizierten gemeinsam. Kein Ton kommt aus ihrem Mund. Der ganze Planet war still!" Sheppard senkte den Kopf. Totenstill
"So, halten Sie seinen Arm still, ich muss ihm Blut abnehmen."
Beckett gab die gewonnenen Proben an einen seines Teams weiter.
"Untersuchen Sie die gleich im Labor."
Der Angesprochene nickte und verschwand sogleich.
"Was machen wir derweil mit Rodney? Ich meine, die Stadt wird einen Infizierten nicht bis in die Krankenstation lassen."
Nach Becketts Worten, trat unschlüssiges Schweigen ein.
"Aber…", meldete sich Liz grübelnd zu Wort. Alle Blicke richteten sich sofort auf sie.
"Ich meine, die Stadt scheint den Virus zu kennen. Ich meine, es wäre nicht alles einfach abgeriegelt worden, wenn wir nicht etwas für den Hauptcomputer Bekanntes mit durch das Tor gebracht hätten."
Stummes Nicken.
"Da ist was dran", kam es von Carson. "Aber haben wir Zugriff auf diese Daten?"
"Ich befürchte nicht, denn beim letzten Mal war der Hauptcomputer blockiert. Wohl ein Schutzmechanismus, um zu verhindern, dass jemand die Quarantäne aufhebt."
Rodney versuchte erneut, den starken Händen der Soldaten zu entkommen und Beckett, der während Elizabeths Erklärung eine Beruhigungsspritze aufgezogen hatte, gab diese jetzt Rodney.
"Ich hoffe, die Dosis wird ihn ruhig stellen. Denn sonst weiß ich nicht, was ich noch mit ihm machen soll."
Carson atmete geräuschvoll aus. Natürlich war das medizinische Wissen, welches ihn hier erwartete, eine Verlockung gewesen. Nicht, dass er von den Antikern nichts gelernt hätte, im Gegenteil, doch nie hätte er zu glauben gewagt, dass ihn seine Arbeit mit so vielen gefährlichen, neuen Krankheiten in Berührung bringen würde. Er empfand großes Mitleid für den kanadischen Wissenschaftler, den er, trotz charakterlichen Unterschieden, seinen Freund nannte.
Nur mit einem Ohr hörte er den Gesprächen zu, die von den Anwesenden um ihn herum geführt wurden.
Weir hatte Dr. Zelenka über Funk gerufen und ihn gebeten, sich Zugang zu den medizinischen Dateien zu verschaffen.
"Ich werde es versuchen, Dr. Weir. Ich denke, der Hauptcomputer wird uns auf relevante Daten zugreifen lassen, wenn sie diese Situation betreffen. Zelenka Ende."
"Das Medikament wirkt nicht!", schrie ein Soldat, den Rodney mit einer Drehung auf seinem Rücken beförderte. Doch bevor McKay sich aufrichten konnte, traf Ronons Schlag ihn auf den Kopf. Schmerzlos, aber dennoch aus dem Gleichgewicht gebracht, fiel er zurück auf den Boden und wurde erneut nach unten gedrückt.
"Kann es sein, dass das Mittel eine Weile braucht, bis es wirkt?", erkundigte sich Ronon.
Carson schüttelte den Kopf. "Das dürfte nicht der Fall sein. Zur Vorsicht gebe ich ihm noch eine Spritze."
Doch bevor der Arzt auch nur die zweite Spritze an Rodneys Arm brachte, rammte ihn etwas von der Seite. Entsetzt versuchte er zu erkennen, wer ihn attackierte. Aus den Augenwinkeln bekam er mit, dass Ronon und Sheppard einen Soldaten packten und ihn ebenfalls zu Boden zwangen.
"Schnell, Doc. Der Mann wurde von Rodney gebissen!"
Leichter gesagt als getan, rappelte sich Carson mit dem Schutzanzug auf und gab die zweite Spritze dem Soldaten.
"Ich brauche noch weitere Beruhigungsspritzen!", schrie er seinem Assistenten zu.
"Warum hat mich keiner darüber informiert, dass Rodney jemanden derart verletzt hat?" Wut schwang in Becketts Stimme mit, als er seinen Blick auf Sheppard richtete.
"Ich wurde auch gekratzt", gestand Ronon und zeigte seinen Arm.
"Aber mir geht es gut."
Beckett überlegte kurz. "Das kann sich aber noch sehr schnell ändern. Wenn der Mann kurz nach Ihrem Eintreffen von Rodney angesteckt wurde, dann beträgt in Inkubationszeit dieses Virus nur circa 20 Minuten!"


Kapitel 3

In einem der wissenschaftlichen Labors ahnte Dr. Zelenka noch nichts von dem Ausmaß der Bedrohung für ihr aller Leben, welches das Erkundungsteam mit durch das Tor gebracht hatte.
Nun gut, die Quarantäne tat ihr Übliches zur allgemeinen Beunruhigung und er beneidete Dr. McKay keine Minute dafür, dass dieser zum Team von Colonel Sheppard gehörte. Denn schließlich war Rodney meist der Erste, der ein Opfer von gefährlichen Situationen aller Art wurde.
Und so hatte er kein Problem damit, in der vermeintlichen Sicherheit des Labors nach Antworten für Dr. Beckett zu suchen.
"Zatracený!", hörte man den tschechischen Wissenschaftler vor sich hin murmeln.
"Gibt es ein Problem, Radek?"
Ein korpulenter Wissenschaftler trat auf Radek zu und schenkte seinem Kollegen einen Schluck Kaffee nach.
Zu Beginn der Quarantäne waren kaum Wissenschaftler im Labor gewesen. Die meisten würden wohl in der Kantine auf eine baldige Lösung des Problems warten.
Radek war erst gar nicht ins Bett gegangen. Vor zwei Tagen hatte eines der Teams einen interessanten Gegenstand von einer Mission mitgebracht. Mit Rodney zusammen hatte er gestern noch bis spät in die Nacht an diesem gearbeitet.
So war der Wissenschaftler jetzt dankbar für die Tasse Kaffee und nahm einen großzügigen Schluck der heißen, braunen Flüssigkeit.
"Ich befürchte, das, was immer zur Auslösung der stadtweiten Quarantäne geführt hat, ist nichts für den Computer Bekanntes."
Der Tscheche schüttelte den Kopf und deutete mit einer hilflosen Handbewegung auf seinen Bildschirm.
"So unwahrscheinlich sich das anhört, aber Sie haben allem Anschein nach Recht."
Schweigen trat zwischen die Wissenschaftler, welche starr auf die unverständlichen Daten blickten.
"Nun, ich bin kein Arzt", erklang eine weitere Stimme hinter ihnen. "Aber wäre es nicht möglich, dass diese Daten vom Grundprinzip her stimmen und sich das Virus an sich verändert hat? Vielleicht ist es in Kombination mit einem anderen Virus mutiert."
"Eine logische Annahme, Frau Doktor", lobte Radek die Dame, welche mit fragendem Blick über den Rand ihrer Brille hinweg lugte.
"Das wäre zumindest eine Theorie, mit der Dr. Beckett etwas anfangen könnte."
Noch während Radek sprach, lud er die Daten auf eine Disc.
"Dr. Zelenka!", rief just in diesen Augenblick eine aufgebrachte Stimme.
Radek und seine beiden, noch in eine Virus-Mutations-Diskussion vertieften, Kollegen drehten sich erstaunt um.
Ein in Schutzanzug gekleideter Arzt stand in der Türe zum Labor und hielt Radek einen weiteren Anzug hin.
"Ich hoffe, Sie konnten Informationen beschaffen, die uns bei der Suche nach einem Heilmittel helfen werden. Es wurden bereits mehrere Leute in Atlantis infiziert!"
Radek schluckte und auch seine beiden Kollegen wirkten nach den Worten des Arztes recht blass.
"Was ist nun? Wir haben keine Zeit zu verlieren, Dr. Zelenka!"
Radek löste sich aus seinem vorübergehenden Entsetzen und hob demonstrativ die Disc.
"Dann beeilen Sie sich und ziehen Sie den Schutzanzug an!" rief der Mann aufgebracht.


Nie hätte der Tscheche geglaubt, dass diese Dinger noch unbequemer waren, als sie aussahen. Vielleicht war er auch einfach nur ein paar Zentimeter zu klein für die Standartgröße dieser Anzüge geraten. Er kam sich vor, als würde er in dem Gummimaterial versinken, während er dem Arzt in Richtung Krankenstation folgte.
Plötzlich stürmte eine weitere, schutzgekleidete Person auf den Gang. Der Mann war völlig außer Atem und sank vor seinem Kollegen zu Boden.
"Dave, was ist passiert!"
"Es… es ist…", begann Dave Spencer und holte noch einmal tief Luft.
In den letzten Minuten hatten sich die Ereignisse überschlagen! Viel zu schnell wurde aus der ohnehin schon gefährlichen Situation ein Desaster von unglaublichen Ausmaßen.
"Dave, erzähl schon, was ist los? Wo ist Carson?"
Der Angesprochene schloss für einen Moment die Augen. Als hoffte er damit, diesem albtraumhaften Geschehen ein Ende zu setzen.
"Carson wurde infiziert." Dr. Spencer sprach die Worte sehr leise, als wollte er sie ihres Sinnes berauben.
"Wie…?" Mehr brachten weder Radek, noch der junge Dr. Steffens heraus.
Carson infiziert?!
Radek brauchte einige Sekunden, bis diese Tatsache komplett zu ihm durchgedrungen war. Wie ein Schlag in den Magen wurde ihm die Bedeutung dieser Worte bewusst.
Dave erhob sich auf immer noch leicht zitternden Knien. Er schluckte schwer, um die Trockenheit aus seiner Kehle zu verbannen und holte die Blutproben hervor, welche er seit der Flucht aus dem Gateraum, fest in seiner linken Hand hielt.
"Ich konnte die Blutproben retten, bevor…" Wieder stoppte er in seiner Schilderung.
Jetzt löste sich auch Steffens langsam aus seiner Starre.
Im ersten Moment hatte er rot gesehen. Carson war aus gutem Grund der Chefarzt hier.
In der Theorie war Marc Steffens, an der Universität Jahrgangsbester gewesen und deshalb auch nach Atlantis eingeladen worden. Vielleicht lag es an seiner Jugend und der damit verbundenen, mangelnden praktischen Erfahrung, dass er sich das Lösen eines derartigen Problems allein nie zugetraut hätte. Auch wenn Carson ihn immer zu mehr Eigeninitiative angespornt hatte, war die Quarantäne doch zu dem wohl ungünstigsten Zeitpunkt ausgerufen worden.
Carsons eigentlicher Stellvertreter hatte sich erst gestern bei einem medizinischen Besuch auf dem Festland den Knöchel gebrochen und so war es nun an Steffens, das medizinische Team zu leiten.
"Bevor was?" Radeks Frage brachte Marc wieder zurück in die Realität.
"Das erzähl ich Ihnen auf dem Weg in die Krankenstation. Wir müssen so schnell wie möglich die Blutproben untersuchen!"


"Also Dave, was ist passiert?", fragte Dr. Steffens, während sie weiter durch die Gänge eilten.
"Ronon zeigte erst keinerlei Anzeichen einer Infizierung. Sheppard befahl, alle bisher infizierten zu fixieren, damit sie keine Gefahr für die im Torraum verbleibenden Personen werden."
Wieder stoppte Dr. Spencer und schluckte, um den Kloß in seinem Hals zu lösen.
"Bevor dieser Plan jedoch in die Tat umgesetzt werden konnte, griff Ronon Carson an. Er schlug ihn zu Boden und schaffte es, den Helm von Carsons Anzug zu öffnen. Wir versuchten unser Möglichstes, eine Infizierung von Dr. Beckett zu verhindern, jedoch griff ein weiterer betroffener Soldat dann Teyla an und…"
"Es war richtig von dir, mit den Proben zu fliehen", bestätigte Marc. "Du hättest es nicht verhindern können und so haben wir wenigstens Material, mit dem wir arbeiten können."
"Moment mal!", warf Radek ein. "Soll da heißen, das gesamte Personal, Dr. Weir eingeschlossen, ist bereits infiziert!?"


Kapitel 4

"Was soll das heißen, es ist kein Virus?!" Radek brüllte ungeniert durch die Krankenstation. Im Moment waren ihm die Blicke der Anwesenden egal, welche ihn überrascht musterten.
Ja, überrascht war er auch, als er Dr. Steffens Ausführungen gelauscht hatte. Der junge Arzt hatte zusammen mit seinem Kollegen - Radek glaubte, er hieß Spieker oder Spencer - gleich nach ihrer Ankunft auf der Krankenstation mit dem Studium der Daten begonnen.
Dann hatte Steffens einige Aufgaben an die anwesenden Ärzte und Schwestern verteilt und hatte ihnen sogleich die erste Einschätzung zu ihrer gegenwärtigen Situation gegeben.
"Bitte beruhigen Sie sich wieder!", versuchte Spencer den aufgebrachten Wissenschaftler zu besänftigen.
"Was mein werter Kollege damit sagen wollte, ist, dass der Ursprung, das was der Hauptcomputer erkannt hat, kein Virus ist."
Steffens nickte und zog Radeks Aufmerksamkeit wieder auf sich.
"Nicht nur, dass es kein Virus ist, es ist nicht einmal eine gefährliche Substanz. Hier sehen Sie." Dr. Steffens gab etwas in den Computer ein und präsentierte Radek mit stolz lächelndem Gesicht seinen neusten Fund. Eine Art Antiker-Beipackzettel.
"Das hier sind die Anweisungen für ein Antiker-Betäubungsmittel, dessen Wirkung für Antiker wohl einer Aspirin glich. Bei Menschen jedoch ist die Wirkung um ein vielfaches stärker. Was die betroffenen Infizierten uns bereits bewiesen haben. Deren Schmerzempfinden war gleich Null."
Halblaut grummelte Zelenka etwas auf Tschechisch, dann blickte er Steffens ernst an.
"Aber wenn es nicht gefährlich ist…"
"Oh, niemand hat behauptet, dass es das nicht sei", kam es sogleich von David Spencer.
"Die Bewohner des Planeten, welcher von unserem Team besucht wurde und von dem auch das Virus in seiner momentanen Form stammt, haben sich der Antikemedizin zwar bedient, aber eben aus einem, wenn es nicht richtig angewendet wird, harmlosen Betäubungsmittel ein Virus geschaffen."
Schweigen trat ein und Zelenka blickte von einem der beiden Ärzte zum anderen.
"Und warum sollten sie so etwas tun?"
"Tja, Dr. Zelenka, wir haben die Theorie, dass die Rebil nicht vorhatten, aus einem Betäubungsmittel eine biologische Waffe zu bauen, sondern versuchten, dem ursprünglichen Mittel etwas hinzuzufügen oder es einfach für Menschen verträglicher zu machen."
"Sie meinen also, Dr. Steffens, dass das Virus, welches unsere Leute befallen hat, kein Virus hätte werden sollen, als die Rebil-Ärzte daran arbeiteten?"
Steffens nickte.
"Und weiter?", fragte Radek neugierig.
"Nichts und weiter. Was Marc damit sagen will, ist, dass wir anhand dieser Daten kein Gegenmittel herstellen können!"
Radek wurde mit einem Mal kreidebleich. Dies war eine Option, die ihm nie in den Sinn gekommen wäre. Wie konnte es keine Heilung geben? Radek zweifelte an dem medizinischen Wissen, der beiden Ärzte und wünschte sich einmal mehr, Dr. Beckett wäre hier.
"Aber…", begann Radek erneut. "Sie haben doch Blutproben der Infizierten!" Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Tschechen. Ja, genau, darin musste die Antwort liegen. Mit etwas Anderem würde er die zwei Herren nicht durchkommen lassen.
Steffens seufzte resigniert. "Ja, Sie haben schon Recht, die Blutproben waren auch sehr aufschlussreich."
"Aber?", hakte der Tscheche postwendend nach.
"Aber", setzte Spencer die Ausführungen seines Freundes fort, "wir konnten anhand der Blutproben erkennen, dass eben ein harmloses Betäubungsmittel dem Virus zugrunde liegt. Denn die Infizierten reagieren in unterschiedlicher Geschwindigkeit auf das eindringen des fremden Organismus. Das ursprüngliche Mittel brauchte bei einem Antiker nur 20 Minuten, bis die gewünschte Wirkung eintrat. Da einige Faktoren im Körper - ich will Sie nicht langweilen, Dr. Zelenka, und diese näher ausführen - aber von diesen Faktoren ist es abhängig, wie schnell das Virus den Körper befällt. Ronon hatte mehr oder minder Glück, dass nicht auch sein Körper sofort auf das Virus reagierte, so wie es bei den Anderen der Fall war."
"Nein, nein, das kann nicht alles sein! Es muss doch eine Lösung geben!" Radek schrie erneut. Er konnte die Gelassenheit der Ärzte nicht verstehen. Nicht in so einer Lage!
"Natürlich gibt es eine Möglichkeit, auch für dieses Virus ein Gegenmittel zu entwickeln. Aber dies liegt nun mal außerhalb unserer Möglichkeiten."
"Außerhalb Ihrer Möglichkeiten vielleicht. Es wird doch außer Carson noch einen Arzt auf Atlantis geben, der so etwas hinbekommt!"
Steffens hob seinen Arm und gebot Zelenkas Redefluss somit Einhalt.
"Bitte, Doktor, es liegt weder an meinem noch an Davids medizinischem Wissen. Um ein Gegenmittel herzustellen, bräuchten wir eine Probe der Substanz, mit welcher das Betäubungsmittel in Berührung kam. Also im Grunde genommen sämtliche zusätzliche Bestandteile des Virus in ihrer Urform."
"Nicht nur, dass wir dazu die Forschungsaufzeichnungen der Rebil und die eben genannten Stoffe dazu benötigen, wir könnten ja nicht einmal das Stargate öffnen. Doch selbst wenn Sie eine Möglichkeit finden würden, die es uns ermöglicht, das Tor zum Laufen zu bringen, wir müssten uns immer noch durch eine Horde infizierter Personen kämpfen."
Wieder trat für lange Zeit Schweigen ein.
Dann begann Radek: "Könnten wir sie nicht mit einer Art Gas für bestimmte Zeit außer Gefecht setzen? Wenn ich zusammen mit den anderen Wissenschaftler eine Lösung für unser Torproblem finde, dann könnten wir…"
"Was? Was könnten wir?" Jetzt war es an Spencer, den Wissenschaftler anzuschreien.
"Sie sind kein Arzt, glauben Sie, dass es so einfach ist? Hä? Wenn es so einfach wäre, hätten wir das doch wohl schon in Erwägung gezogen! Sehen Sie es endlich ein, es gibt keine Lösung für dieses Problem!"
Steffens war aufgestanden und klopfte dem vor Wut und Verzweiflung schnaubenden David beruhigend auf die Schulter. Dann wandte er sich an Radek, welcher die Schultern hatte sinken lassen und wie ein Häufchen Elend im Raum stand.
"So Leid es mir tut, ich würde Ihnen auch gerne helfen, aber David hat Recht. Die Menge an Betäubungsgas, die wir benötigten, um Ihre, von dem Virus befallenen, Körper ruhig zu stellen, würde sie alle töten. Außerdem dürfen nach der Infizierung nicht mehr als 48 Stunden für den Betroffenen vergehen. Denn sonst wäre auch ein Gegenmittel unwirksam. Ich weiß einfach nicht, was wir sonst noch versuchen könnten."
"Können wir denn nicht einfach mit einem Jumper eine Mission starten? Das brächte doch den gewünschten, taktischen Vorteil für uns, wenn wir uns dem Planeten nähern. Schließlich müssen wir vom schlimmsten Fall ausgehen, dass wir dort keine gesunde Person mehr antreffen."
Radek war dankbar, wenigstens ein Zuspruch. Ein Arzt, der noch nicht aufgegeben hatte.
Alle Blicke richteten sich auf die ältere Dame. Ihr schneeweißes Haar und ihre leuchtenden blauen Augen stellten einen derartigen Kontrast dar, dass Radek für eine Sekunde annahm, sie hätte Linsen in ihren Augen.
"Wäre das möglich, Dr. Zelenka?", fragte Steffens, in dem offensichtlich neuer Mut erwacht war.
Radek schüttelte resigniert den Kopf.
"Der Antrieb des Jumpers ist auf Sublichtmotoren beschränkt. Um so eine Mission durchzuführen, bräuchten wir die Daedalus und die befindet sich nicht in Reichweite. Selbst wenn, wir könnten nicht mal einen Ruf senden. Die Quarantäne der Stadt würde nie zulassen, dass die Daedalus hier landet oder gar Leute aus der Quarantänezone beamt. Die Gefahr für die Besatzung des Schiffes wäre zu groß."
Die Niedergeschlagenheit aller anwesenden Personen war fast greifbar.
Gab es den gar nichts was sie tun konnten? Waren wirklich alle Möglichkeiten besprochen, alle Ideen ausgeschöpft?
"Was ist mit der Quarantäne? Die Personen, die noch in ihren Quartieren oder anderswo in der Stadt gefangen sind. Wenn wir die Quarantänemaßnahmen nicht beenden können, was dann?"
"Die Quarantäne wird beendet werden, keine Sorge." Spencer Stimme triefte voll Sarkasmus.
"In ein paar Tagen sind alle im Gateraum verhungert und verdurstet. Währenddessen können wir die Nichtinfizierten durch unser Personal in Schutzanzügen versorgen. Sind die infizierten Leichen dann einmal verbrannt, besteht weder für die Stadt, noch für ihre Bewohner eine Gefahr der Neuinfizierung."


Kapitel 5

"Xarann, bitte warte doch auf mich!"
Ein junges Mädchen eilte auf den Ring der Vorfahren zu. Sie hielt den Saum ihres blaubraunes Kleides fest in der Hand, um im Lauf nicht über das zu lange Gewand zu stolpern.
"Warte!", rief sie noch einmal.
Xarann, ein Mann von schlanker und hoch gewachsener Gestalt, stand lachend am Wahlgerät und gab die Symbole ein.
"Wenn du dich nicht beeilst, Schwester, dann geh' ich ohne dich!"
Schnaufend kam Migerie neben ihrem Bruder zum Stehen.
Sie waren die Kinder des Dorfsprechers und somit von ihrem Vater persönlich mit dieser heutigen Mission betraut worden.
Xarann, der seinen Vater schon oft auf Handelsmissionen begleitet hatte, war Tags zuvor mit vor Stolz geschwellter Brust durch ihr Dorf gegangen und hatte jedem verkündet, der es hatte hören wollte, dass er, erstgeborener Sohn von Darios, ab morgen für die Handelsmissionen ihres Dorfes alleine verantwortlich wäre. Von den Leuten war viel Zuspruch gekommen. Er sei ein fleißiger Bursche und ein kluger Mann, so hatten sie ihn gelobt.
Jetzt, da Xarann vor dem geöffneten Tor stand, nahm er sich fest vor, er würde die Verhandlungen zu einem guten Abschluss für beide Völker bringen.
Migerie hielt sich ängstlich am Arm ihres großen Bruders fest. Unwissend, aber doch neugierig, was für eine Welt auf der anderen Seite des Ereignishorizonts auf sie warten würde.


Ungewohnte Stille schlug den Otorun-Kindern auf der anderen Seite entgegen. Verwirrt richteten sie ihre Blicke über den menschenleeren Platz.
Xarann hatte die Welt der Rebil schon oft besucht, aber noch nie war ihm dieser Ort so fremd vorgekommen wie heute.
Die heiße Sommerluft war mit einem Geruch geschwängert, den Beide nicht kannten und doch war er so penetrant, dass ihnen Übel davon wurde.
Ängstlich klammerte sich Migerie noch fester an den warmen Körper ihres Bruders, der wiederum gar nicht verstand, warum keine Menschenseele ihre Ankunft erwartete.
"Hallo!? Hier ist Xarann, Sohn von Darios aus dem Volk der Otorun. Wir komme, um Handel zu treiben!" Die Stimme des jungen Mannes hallte in den leeren Straßen wider.
Keine Antwort.
"Bitte, Xarann, vielleicht haben die Wraith sie alle geholt", versuchte Migerie ihren Bruder zu überzeugen, diesen Ort schnellstmöglich wieder zu verlassen.
Natürlich zählte das Ausdünnen immer zur Erklärung Nummer eins, wenn ein Volk von der Bildfläche verschwand. Auch wenn Xarann noch Zweifel an dieser Theorie hatte, er würde nicht bleiben, um sein Leben und das seiner Schwester nur für eine Erklärung zu riskieren.
So schritt er also die wenigen Stufen, welche das Tor säumten hinab und gab die Adresse für die Rückkehr nach Otorun ein.
Wenn, so dachte er bei sich, das Volk der Rebil wirklich komplett von den Wraith vernichtet worden war, so wäre der Verlust nicht nur für seine Leute ein herber Schlag. Die Rebil waren führend, was Medizin anbetraf. Immer, wenn von der Ernte der Otorun etwas übrig blieb, so tauschten sie es hier auf Rebil gegen Medikamente, die im Winter viele Leben zu retten vermochten.
So sollte es auch heute wieder geschehen und doch würde Xarann mit leeren Händen Zuhause ankommen.
Das Stargate öffnete sich und noch in Gedanken schritt der junge Mann darauf zu.
"Xarann, sieh mal dort!"
Der Ruf seiner Schwester ließ ihn kehrt machen und er erblickte eine Gestalt. Der Kleidung nach zu urteilen eine Frau, welche sich schwerlich noch auf den Beinen hielt. Sie schien verletzt zu sein, denn Blut hatte ihr einst so schön besticktes, grünes Gewand an vielen Stellen rot gefärbt.
Migerie warf ihrem Bruder einen kurzen Blick zu, dann eilte sie der Frau entgegen. Auch Xarann, der noch einen Moment lang Bedenken hatte, dass der Angreifer noch in der Nähe sein könnte, lief zu der Verletzten.
"Sie ist nicht ansprechbar, wohl durch den hohen Blutverlust", stellte Migerie fest.
"Wir werden sie mitnehmen müssen. Wenn sie die einzige Überlebende eines Wraithangriffes ist, braucht sie unsere Hilfe."
Migerie zog die benommene Frau nach oben und half ihr zum Tor. Ein seltsam unnatürliches Lächeln zog sich über das Gesicht der Verletzten und ohne Vorwarnung biss sie in Migeries hilfreiche Hand.
Das junge Otorun-Mädchen schrie vor Schmerzen und stellte ihre Bemühung ein, der fremden Frau zu helfen. Tränen rannen über Migeries Wangen, als ihr Bruder ihr die Hand mit einem Tuch verband.
"Sie ist wohl ziemlich neben sich. Womöglich hielt sie dich für einen ihrer Peiniger", versuchte Xarann seine Schwester zu beruhigen.
Die Frau lag gekrümmt auf dem Asphalt und trotz ihres seltsamen Verhaltens, wollte Xarann sie hier nicht einfach liegen lassen.
Ein bekanntes Geräusch durchbrach die Stille der Stadt, als das Stargate sich abschaltete und die schimmernde, wasserähnliche Oberfläche verschwand.
"Bitte, gehen wir jetzt?", flehte Migerie.
Xarann sah sie mit einem liebevollen Lächeln an und strich ihr eine hellbraune Haarsträhne aus dem Gesicht.
"Da du verletzt bist, solltest du nach Otorun zurückkehren. Berichte Vater und den Anderen, was wir hier gesehen haben. Ich werde diese verwundete Frau nach Ranagarr bringen. Dort wird man sich besser um sie kümmern können, als wir das mit unserer begrenzten Medizin vermögen."
Migerie nickte ihrem Bruder zu und versuchte ein leichtes Lächeln.
Bevor sie durch das Tor trat, um nach nur wenigen Sekunden wieder auf dem Heimatboden von Otorun zu stehen, blickte sie noch einmal zu Xarann, der zusammen mit der Frau am Wahlgerät stand. Mit gemischten Gefühlen drehte sie sich wieder dem Ring der Vorfahren zu und schickte ein Stoßgebet gen Himmel, für die schnelle Genesung der armen Frau.


"Ivolt, Ivolt! Xarann von den Otorun ist durch den Ring gekommen und er hat eine verletzte Frau bei sich!"
Xarann war am Tor einer kleinen Gruppe Bauern begegnet, die mit geerntetem Getreide auf dem Weg in ihr Dorf waren. Sie halfen ihm sogleich, die Frau sicher ins Dorf zu geleiten und schickten einen Jungen als Botschafter voraus.
Ivolt, Führer der Ranagarr, trat aus seinem Zelt. Er war ein breitschultriger Mann von stattlicher Gestalt. Doch nicht nur Ivolt hatten die Rufe des Bauernjungen aus dem Zelt gelockt. Das halbe Dorf kam an, um zu sehen, was denn für diese Aufregung zur Mittagszeit sorgte.
"Schnell, wir bringen eine Verwundete ins Dorf", schrie der Junge erneut und gestikulierte wild mit den Armen.
Die Leute brachten sogleich eine Trage und man rief nach der alten Heilerin, die abseits des Dorfes ihr Zelt hatte.
"Du sagst, von den Rebil wäre nur diese eine Frau noch in der Stadt gewesen?" Gespannt lauschte das ganze Dorf Xaranns Geschichte.
"Ja, wenn ich es euch doch erzähle. Die Stadt, welche einst so voller Leben war, ist jetzt völlig ausgestorben. Nicht einmal ein Vogel wollte ein Lied singen und der Wind wehte nicht durch die Zweige wie sonst. Und über allem dieser entsetzliche Geruch, der einem die Innereien verknotete und würgen ließ."
"War die Frau bei Bewusstsein, als du sie fandest, Junge?" Die trockene Stimme der Heilerin erhob sich über das Stimmengewirr der neugierigen Anwesenden.
"Nicht direkt. Sie verfügte noch über genügend Kraft, um bis zum Ring zu gelangen. Doch sie schien sehr verwirrt und verletzte meine Schwester. Jedoch, als ich ihr sagte, ich würde ihr nichts tun, sondern ihr helfen wollen, beruhigte sie sich. Als ich jedoch mit ihr auf dieser Seite aus dem Tor trat, griff sie einige der Bauern an", schloss Xarann seien Bericht.
Die Heilerin sprach leise ein uraltes Gebet, während sie eine Salbe über die Wunden der Frau strich.
"Große Heilerin Ludora, sie hat uns jedoch kaum verletzt. Lediglich ein paar Kratzer.", berichtete einer der Bauern.
"Xarann hat bestimmt Recht und sie ist recht benommen. Wohl noch von dem Angriff, sodass sie unsere guten Absichten nicht gleich erkannte", spekulierte ein anderer.
Gemurmelte Zustimmung unter der Bevölkerung.
"Nun gut, wir werden die Frau in Ludoras Haus bringen und sie dort ruhen lassen. Ihr anderen.", Ivolt vollführte eine ausschweifende Handbewegung, "ihr geht alle wieder an eure Arbeit."
Langsam floss die Masse der Menschen auf dem kleinen Marktplatz auseinander.
Einer der Bauern kam auf Xarann zu.
"Kehrst du gleich in dein Dorf zurück?"
Der Angesprochene nickte stumm.
"Gut, wenn du willst, begleitet dich Namtar gleich. Er wollte eh in den nächsten Stunden zu euch, um über den Tausch von Getreide zu verhandeln."
Der Bauer blickte hoch in die Luft, in den strahlend blauen Himmel. Nicht eine Wolke trübte das klare Blau des Sommertages.
"Unsere Ernte dieses Jahr ist reichlich. Wir haben mehr als genug, auch für einen harten Winter. Aber viele befreundete Stämme hatten dieses Jahr nicht so viel Glück. Wir werden noch diese Stunde zu mehreren unserer Handelspartner reisen und großzügig mit ihnen teilen. Ich bin sicher, sie werden sehr erfreut über das sein, was wir ihnen mitbringen."


Kapitel 6

"Ratsherr Kemal, darf ich stören?"
Der junge Volksdiener Kilov stecke seinen Lockenkopf zur Tür herein.
Kilov hatte den undankbaren Ruf, stets der Überbringer schlechter Nachrichten zu sein.
Die anderen Ratsmitglieder warfen ihn deshalb meist, höflich aber bestimmt, wieder aus ihren Gemächern.
Da Kemal den Ratsvorsitz ihrer vom Volk gewählten Regierung darstellte, war er nun mal für die schlechten Nachrichten die letzte Instanz.
So wank er den jungen Mann mit einem aufgesetzten Lächeln zu sich.
Kilov schlich wie ein geprügeltes Tier über die handgefertigten Seidenteppiche, welche in Kemals Quartieren auf dem Boden lagen. Prunkvolle Wandteppiche und endlose Portraits der ehemaligen Ratsherren verliehen dem Raum etwas Erhabenes und Uraltes.
Kemal ruhte zu dieser Tageszeit, noch mit der morgendlichen Zeitung beschäftigt, in einem schweren, alten Lehnsessel. Zigarrenrauch zog sich wie dickflüssige Spinnweben durch die Luft und ließen Kilov einmal kurz husten.
Unruhig wippte der junge Mann auf seinen Zehenspitzen.
Da er seinen Bericht nicht von selbst begann, forderte ihn Kemal nach einer kurzen Musterung dazu auf: "Was hast du zu berichten, Kilov?"
Der Angesprochene erschrak förmlich und Kemal musste ungewollt über diese Naivität lachen.
"Besucher vom Planeten Ranagarr sind eingetroffen, um zu handeln."
Als Kilov diesem Satz nichts mehr hinzufügte, hob der Ratsherr irritiert die Augenbrauen. Anscheinend war der Lockenkopf Kilov allein wegen seines schlechten Rufes ohne Meldung zu erstatten von den anderen Ratsmitgliedern vertrieben worden, denn sonst würde er mit diesem Anliegen nicht Kemal selbst belästigen, denn er war nicht für die Handelsgespräche mit den Vertretern anderer Planeten verantwortlich.
Nicht, dass diese Aufgabe von zu geringer Bedeutung wäre, als dass sie das Ratsoberhaupt hätte führen können. Es gab jedoch einen gewählten Volksvertreter, dem die Aufgabe zuteil wurde, Atagra bei diesen Gesprächen zu repräsentieren.
Und diese Gespräche waren für Atagra lebensnotwendig. Denn der Planet war, was die Vegetation betraf, sehr unwirtlich und bot kaum die Grundlagen für das menschliche Leben.
Jedoch besaß der Planet andere Vorteile.
Die dichte Atmosphäre, mit ihren vielerlei Giften, welche für das wenige Grün auf Atagra verantwortlich waren, machte seinen Bewohnen das Verstecken im Untergrund leicht.
Auf Dauer würde der menschliche Organismus ein Leben an der Oberfläche auch nicht verkraften.
Die Wraith waren oft in den Orbit um Atagra eingetreten. Ihre Sensoren schafften es gerade durch die Atmosphäre, aber nicht bis in den Untergrund und fanden daher nie auch nur eine Spur von Leben.
So hatten die Atagra es geschafft, sich völlig autark zu entwickeln und ihre Technologie hätte es mit der der Wraith durchaus aufnehmen können. Jedoch nicht mit deren Anzahl.
Dennoch war Atagra ein sicherer Ort, um Kinder großzuziehen und in dieser grausamen Galaxie eine Art Paradies.
"Warum berichtest du mir diese Neuigkeit? Fures ist doch für die Handelsgespräche verantwortlich."
Kilov wippte einmal mehr auf seinen Zehenspitzen. Es schien Kemal, als suche der Junge nach den richtigen Worten.
Atagra war stets sehr vorsichtig, was Besucher von anderen Welten betraf. Denn würde einer dieser Handelspartner sie, wenn auch unabsichtlich, an die Wraith verraten, wäre dies das Ende einer weiteren Zivilisation. Daher war die Wahrung dieses Geheimnisses stets die oberste Priorität des für den Handel gewählten Volksvertreter. In diesem Falle, Fures' Interesse.
So fanden die Handelsgespräche seit Generationen auf der Oberfläche, in einem weitläufigen Höhlensystem, statt und nie hatte einer der Bauern Zweifel daran gehegt, dass die Atagra nicht mit ihrer ganzen Zivilisation in den Höhlen lebten.
"Die Sache ist die, Rastherr.", begann Kilov schüchtern.
"Einer der Bauern zeigt Symptome einer starken Verhaltensstörung. Er wurde aggressiv und verletzte unseren Mittelsmann, den Volksvertreter Fures."
Kemals Stirn legte sich in Falten und er ließ vollständig von der Morgenzeitung ab.
"Wie schlimm sind Fures' Verletzungen?"
Kilov druckste ein wenig um die Antwort herum.
"Die Ärzte behandeln ihn."
Der Ratsherr schüttelte irritiert den Kopf.
"Warum, um alles in der Welt, stört man mich dann zu so früher Stunde und auch noch mit solch Belanglosigkeiten? Die Bauern der anderen Welten sind primitiv und sie leiden unter den ständigen Angriffen der Wraith. Da ist es verständlich, dass ihr Verhalten gestört ist! Wenn Fures nicht ernsthaft verletzt und bereits in Behandlung ist, dann ist der Fall für mich erledigt."
Mit einer unmissverständlichen Handbewegung deutete Kemal dem Volksdiener zu verschwinden. Dieser verneigte sich leicht und schlich zum Ausgang.
Doch noch bevor Kilov die Quartiere des Ratsherrn verlassen konnte, stürmte ein Ratsmitglied, ohne anzuklopfen und mit sorgenvollem Gesicht, zur Tür herein.
Kilov, der nicht im Weg sein wollte, schlich schnellstmöglich durch die Tür auf den Gang.
"Ich verbitte mir dieses ungebührende Verhalten!", donnerte Kemal los.
"Bitte verzeiht, aber diese Angelegenheit duldet keine Sekunde Aufschub." Damit reichte ihm der untersetzte, grauhaarige Mann einige Unterlagen.
Kemal nahm, mit erneutem Stirnrunzeln, die ihm gereichten Unterlagen an und überflog den medizinischen Bericht.
Viele schwer verständliche Fachbegriffe reiten sich an 3D-Darstellungen und bunte Kalkulationsschemata.
Fragend blickte Kemal den ihm Gegenüberstehenden an.
"Was sagt mir dieser Bericht?"
Die Miene des Angesprochenen blieb steinhart, als er antwortete: "Volksvertreter Fures wurde von einem Gesandten des Planeten Ranagarr mit einer Art Virus infiziert. Unsere Mediziner untersuchen den Vorfall noch, aber seit dem Ausbruch bei Fures hat dieser bereits 9 weitere Menschen infiziert. Die Krankheit breitet sich rasendschnell unter dem Krankenhauspersonal aus. Wir haben das besagte Gebäude unter Quarantäne stellen lassen. Leider ist mindestens ein infizierter Arzt kurz nach dem Ausbruch mit einem Krankenwagen zu einer Unfallstelle gefahren. Wir verfolgen ihn jedoch bereits."


Nie hätte Kemal geglaubt, dass etwas so Kleines, wie ein Virus, sein ganzes Volk in derartige Gefahr bringen könnte.
Die letzte Meldung, welche er erhalten hatte, sprach von 63 bekannt gewordenen Fällen der Infektion. Bisher konnten die Ärzte noch nichts dagegen tun. Die Quarantänemaßnahmen hatten kläglich versagt und die Bevölkerung wurde über alle öffentlichen Medien gebeten, ihre Häuser nicht zu verlassen.
Eine dringende Ratsversammlung war einberufen worden und seit etwa 30 Minuten stritten die 12 hochrangigsten Ratsmitglieder über die weiteren Vorgehensweisen.
"Wir sollten die Garde bewaffnen und Sie an jeder Straßenecke postieren. Mit den Infizierten werden wir fertig!"
"Soll unsere Garde etwa auf Frauen und Kinder schießen? Möglicherweise finden die Ärzte noch eine Lösung!"
"Doch bis diese Lösung gefunden ist, infizieren sich ständig neue Leute mit dieser Seuche!"
"Ich finde auch, wir sollten mit Gewalt vorgehen, um die noch gesunde Bevölkerung zu beschützen!"
"Die Infizierten stellen nur einen kleinen Teil der Bevölkerung dar und wir sollten dafür sorgen, dass es so bleibt!"
"Meine Herren, glauben Sie wirklich, dass das Volk, welches diesen Rat gewählt hat, es duldet, wenn man ihre Familienmitglieder auf offener Straße tötet?"
"Ob infiziert oder nicht, der Einsatz der Garde würde auf größten Widerstand in der Bevölkerung stoßen!"
"Die Quarantäne hat bereits versagt, wenn wir die Garde jetzt nicht einsetzten, bleibt niemand zum Demonstrieren übrig!"
"Und wenn die Mediziner doch ein Heilmittel finden? Wie rechtfertigen wir dann das Töten unserer Bürger?"
"Wir hatten zu diesem Zeitpunkt keine andere Wahl, die Menschen werden das verstehen."
"Sicher? Wenn man Ihre Frau erschießt, anstatt abzuwarten, bis es Heilung gibt, würden Sie das verstehen?"
"Bitte, bitte, meine werten Herren", unterbrach Kemal die Meinungsverschiedenheiten.
"Wie erwartet, sind wir nicht einer Meinung."
Kemal schritt durch den Ratssaal. Der Marmorsaal mit seiner schweren, dunklen Holzeinrichtung wirkte heute noch kälter auf ihm, als es sonst der Fall war.
"Ich schlage vor, wir schicken die Garde aus, um alle nichtinfizierten Personen an Bord der Hashepsto in Sicherheit zu bringen."
Ein murmelndes Raunen ging durch den Raum, bis Kemal erneut seine Stimme erhob: "Die Hashepsto ist der sicherste Ort in ganz Atagra und wir geben den Ärzten somit genügend Zeit, ein Heilmittel für diese Krankheit zu entwickeln."


"Rasherr Kemal!" Ein Unteroffizier der Garde salutierte vor dem Ratsvorsitz. Kemal nickte ihm zu und erwartete seinen Bericht.
"303 Zivilisten befinden sich an Bord. Unter ihnen auch Wissenschaftler, Techniker und Politiker. Somit sind 130 Personen vermisst, von denen wir nach den letzten Meldungen 90 als infiziert bestimmen konnten."
Kemal nickte und der Offizier verschwand nach einem erneuten Salut von der Brücke.
Auf Atagra herrschte strenge Geburtenkontrolle.
Sie konnten ihre unterindische Heimat nicht nach belieben vergrößern. Die Energie, welche für die momentane Stadtgröße gebraucht wurden, war noch akzeptabel.
Nicht nur, dass ein Weiterwachsen der Stadt Energiemengen verschlungen hätte, die sie nicht im Stande waren, zu decken, nein, es hätte auch das Risiko enorm erhöht, durch die gestiegenen Energieemissionen vom Orbit aus mit Sensoren erfasst zu werden.
Ein Losverfahren entschied, ob eine Familie Kinder bekommen durfte oder nicht.
Rechnete man die Ärzte und Schwestern noch dazu, welche in Krankenhäuern, verteilt in der Stadt, arbeiteten, zählte die Einwohnerzahle nie mehr als 500 Personen.
Mit 130 Opfern konnten sie leben. Viel weniger, als befürchtet, aber doch zu viele, um Kemal eine weitere Amtsperiode zu bescheren.
"Lassen Sie mich durch!"
Kemal konnte auf den Gängen vor der Kommandobrücke reges Stimmengewirr hören.
Die Garde eskortierte gerade einen ihrer hochrangigsten Ärzte auf die Brücke der Hashepsto.
Kemal hoffte inständig, man möge ihm gute Nachrichten verkünden. Doch der Blick des Arztes belehrte ihn eines Besseren.
"Rastherr, ich überbringe schlechte Nachrichten."
Dr. Mulat reichte ein Klemmbrett weiter, auf dem ein mehrseitiger Bericht befestigt war.
Wieder zierten bunte Diagramme die medizinischen Fachbegriffe.
Kemal hatte sich nie sonderlich für Medizin interessiert. Ihm hatte man die Feinheiten der Politik bereits in die Wiege gelegt und er rühmte sich als stolzer Führer einer ganzen Nation.
Somit gab er kopfschüttelnd die Unterlagen an Dr. Mulat zurück.
"Medizin war nie mein Spezialgebiet", kommentierte er entschuldigend.
Der Arzt nickte und blätterte auf die letzte Seite des Berichts.
"Sehen Sie", bat er dem Ratsherrn an.
Dieser studierte die wenigen Sätze, die das Ergebnis der medizinischen Analyse darstellten.
"Die Vorfahren stehen uns bei!", flüsterte Kemal entsetzt.
"Gibt es keine Chance, dass Sie sich irren?", fragte er vorsichtig an.
Dr. Mulat schüttelte traurig seinen Kopf. Ihm schien dies alles noch viel näher zu gehen als dem Politiker.
Wenn man planetar alle Zusammenhänge betrachtete, so stockte auch Kemal das Blut in den Adern.
Vie viele Planeten wohl betroffen waren? Wie viele Hunderte oder gar Tausende von Menschen waren infiziert?
Eine Katastrophe, die sich über das gesamte All ausweiten könnte!
Und wenn erst einmal keine Menschen mehr übrig waren, würden die Wraith Jagd auf die letzte nichtinfizierte Nahrungsquelle machen. Wie die Hashepsto!
Kemal konnte dies nicht zulassen.
"Steuermann!", schrie er!
"Berechnen Sie einen Kurs nach Ranagarr!"
Dann wandte er sich an den Befehlshaber der Garde sowie an Dr. Mulat.
"Bringen Sie umgehend alle Ärzte und Schwestern sicher auf die Hashepsto. Wir werden die Ausbreitung der Seuche über die Planeten dieser Galaxie stoppen und wenn wir dafür jeden Infizierten einzeln töten müssen!"


Kapitel 7

"*Oh, proboha!", rief Radek Zelenka, als er durch die plötzliche Erschütterung, welche den Boden unter seinen Füßen zum Beben brachte, gegen die Wand geschleudert wurde und sein Trommelfell schmerzhaft auf das Dröhnen der gewaltigen Explosion reagierte, welche durch ganz Atlantis hallte.
Irgendjemand hatte das Feuer auf die Antiker-Stadt eröffnet!
Ohne Unterlass schlugen neue Geschosse überall in der Stadt ein.
(* Der Ausruf, Oh, mein Gott! auf Tschechisch)


Radek war gerade auf dem Weg zurück in sein Labor gewesen.
Die Schutzanzugteams hatten begonnen, Lebensmittel zu verteilen und die aufgebrachte Bevölkerung zu beruhigen.
Irgendwann war Radek die Lust vergangen, untätig auf der Krankenstation zu warten. Die Ärzte waren alle anscheinend mit schrecklich wichtigen Dingen beschäftigt, sodass sich Radek mit seinen aufgewühlten Gedanken alleingelassen vorkam.
Er wollte etwas tun, irgendetwas, ob es nun sinnvoll war oder nicht! Dieses Warten auf die Absolution machte ihn schier Wahnsinnig!
Als ob die immer noch andauernde Katastrophe nicht schon genug für einen Tag wäre, so lieferte ihnen hier ein Unbekannter die nächste.


Erneut warf eine Erschütterung den Wissenschaftler zu Boden. Schmerzerfüllt rieb er sich über seinen Kopf, verwarf aber den Wunsch nach einer Aspirin sofort wieder.
Ohne erneut zu stolpern, schaffte es Radek bis zur Labortür, welche er durch das Überbrücken der Stromkreise öffnete. Genau wie Dr. Petersen im letzten Jahr, als sie es zum ersten Mal mit einem außerirdischen Virus zu tun bekamen.
Dr. Iori Kinahi und Dr. Alexej Colao, die Kollegen, welche wegen der wenigen Schutzanzüge vor einigen Stunden im Labor zurückbleiben mussten, suchten Deckung unter einem der Schreibtische.
Die Angst stand beiden ins Gesicht geschrieben.
"Was geht hier vor?", wimmerte Colao.
Radek schüttelte seinen Kopf und unter einem gemurmelten: "Weiß noch nicht", begann er auf die Computertastatur einzuhacken.
Neugierig geworden, verließen seine wissenschaftlichen Kollegen ihren Unterschlupf und traten auf den Tschechen zu.
Erneut heulte eine Explosion durch die Gänge der Stadt.
"Die Wraith?", spekulierte Iori Kinahi sorgenvoll.
Colao erwiderte darauf nichts, sondern versuchte vielmehr Radeks Bemühungen, in den Hauptcomputer der Stadt zu gelangen, zu überblicken.
"Wir haben bereits versucht, die Sperre des Computers zu übergehen. Ich fand ein Programm, welches das Kraftfeld im Quarantänefall aktivieren sollte, wenn der Stadt ein Angriff droht."
Radek stoppte seine Bemühungen und sah seinen Kollegen über die Schulter hinweg an.
"Warum startete es dann nicht automatisch?"
Colao wirkte kurz ratlos. "Ich denke, ein ZPM reicht der Stadt wohl nicht als Energiequelle, um alle Quarantäneunterprogramme zu starten. Momentan werden…", Colao rief ein Programm über Radeks Laptop auf, "… genau 20 der 51 vorgegebenen Sicherheitsunterprogrammen im Quarantänefall befolgt. Der Rest bleibt wegen mangelnder Energie auf der Stecke."
"Haben Sie versucht, zu beeinflussen, welche Programme das Sicherheitssystem aktiviert?"
Alexej nickte. "Ja, doch es gelang mir nicht. Wann immer ich ein Unterprogramm deaktivieren wollte, um die Dominanz auf ein anderes Programm zu legen, bekam ich eine Warnmeldung. Sehen Sie!"
Colaos Finger flogen über die Tastatur und nach wenigen Sekunden erschien eine Warnmeldung auf dem Bildschirm.
"Der Computer sagt mir also, dass dieses Programm zu wichtig sei, um es zu deaktivieren. Andersherum, also wenn ich versuche, ein inaktives Programm zu starten, kommt diese sinnvolle Meldung. Zum Aktivieren dieses Programms ist die Energieleistung zu gering. Steigern Sie das Energieniveau, um den Vorgang, bla, bla, bla. Sie sehen also unser Dilemma?"
Eine weitere Detonation ließ die Erde erbeben.
Radek hoffte, dass die Wohnbereiche und die zentralen Orte, wie der Speisesaal, noch nicht oder bisher nur geringfügig getroffen wurden. Denn durch die Quarantäne hielten sich dort die meisten Expeditionsmitglieder auf.
Sie mussten diesen Angriff stoppen und zwar gleich!
"Sehen Sie eine Möglichkeit, die Kommunikation online zu bekommen?"
Hoffnungsvoll blickte Radek auf seine beiden Kollegen.
Von Iori kam nur ein Kopfschütteln. Die Angst hatte ihre Züge erstarren lassen und Radek glaubte nicht, dass sich die Dame noch auf das Wesentliche konzentrieren konnte.
Alexej, der wohl seinen ganzen Mut zusammengenommen hatte, um nicht ebenfalls in Panik zu verfallen, überlegte angestrengt.
Nicht, dass Radek diese Situation hier kalt ließ. Auch er wüsste jetzt gerne, Colonel Sheppard, Dr. Weir, ja sogar McKay hier, um all ihre Probleme zu lösen. So wie sie es immer taten.
Doch wir sind auf uns allein gestellt! , mahnte sich Radek in Gedanken.
Dann kam ihm eine Idee.
"Die Notfallsendeanlage im Lagerraum!"
Colao verneinte dies sogleich.
"Erstens wissen wir nicht, ob einer von uns heil dorthin kommt, zweitens, bis wir die Frequenz des Angreifers herausgefunden haben, ist von Atlantis nicht mehr viel übrig und drittens, was, wenn es wirklich die Wraith sind?"
Von Dr. Kinahi kam ein kurzes Wimmern.
Zelenka war sich bewusst, dass Dr. Colaos Aussagen durchaus alle ihren Sinn ergaben. Doch, was war die Alternative? Nichts tun und zu warten, bis sie alle starben?
Nein, nicht schon wieder! Nicht noch einmal nichts tun!
"Ich werde gehen, Sie können ja hier bleiben, wenn Ihnen danach ist."
"Bitte, seien Sie vernünftig, Radek, Sie könnten dabei umkommen!"
Radek schluckte und versuchte seine nächsten Worte so heldenhaft klingen zu lassen, wie irgend möglich. "Sterben müssen wir alle einmal."
Damit stürmte er aus dem Labor.


Radek kannte sich und seine Grenzen sehr gut. Er war weder stark, noch war er ein Held.
Wie die meisten Wissenschaftler hatte er den Großteil seines bisherigen Lebens in geschlossenen Räumen und vor Computern verbracht.
Diese Aktion hier stand nicht nur im krassen Kontrast zu dem, was er sonst in solchen Situationen tat, sondern auch zu seiner ganzen Lebenseinstellung an sich.
Im Gegensatz zu Rodney McKay hatte Radek nie den Wunsch verspürt, als mutig oder heldenhaft angesehen zu werden. Rodney dagegen erwartete besonders von Sheppard, dass dieser jede noch so kleine Tat seinerseits rühmte und den Rest des Tages verbrachte der Wissenschaftler dann stets damit, mit dieser Tat vor allen Andern zu prahlen.
Radek war da ganz anders und doch lief er jetzt, hier und heute, unter Einsatz seines Lebens, durch den Bombenregen eines feindlichen Schiffes.
Nicht viele Türen versperrten ihm den Weg in den Lagerraum.
Dieser hatte leider auch schon mal bessere Tage gesehen. Die Deckenverkleidung hatte einiges abbekommen und war an manchen Stellen bereits zu Boden gefallen.
Vorsichtig bahnte er sich einen Weg durch die Trümmer und die vielen Kisten.
Ein Stoßgebet gen Himmel schickend, der Sender möge noch intakt sein.
Radek schob eine handvoll Schutt vom Deckel der schweren Metallkiste. Diese ließ sich verhältnismäßig leicht öffnen, jedoch hatte der Tscheche dann seine liebe Mühe damit, den schweren Apparat draus hervorzuholen.
Schnaufend mobilisierte er noch einmal seine ganzen Kraftreserven, als der Notsender, leichter als erwartet, nachgab.
Verwirrt erkannte er neben sich Dr. Colao, welcher ebenfalls mit angefasst hatte. Ein Lächeln umspielte ihrer beider Lippen.
Endlich stand der Sender vor ihnen.
"Wir sollten es zuerst auf allen uns bekannten Standartfrequenzen versuchen", schlug Zelenka vor.


"Ratsherr Kemal", meldete sich eine verwunderte Stimme und der Ratsherr drehte sich in seinem Kommandosessel zu dem Kommunikationsoffizier um.
"Was gibt es?", fragte er streng.
Der junge Offizier schüttelte erst verwirrt den Kopf und überprüfte seine Daten erneut. Dann wandte er sich an den Ratsherrn: "Wir empfangen eine Nachricht. Sie wird nicht auf unseren Standartfrequenzen gesendet, stammt jedoch ohne Zweifel aus der Stadt unter uns."
Kemal überlegte. Die Möglichkeit, dass dort unten noch jemand war, der nicht unter der Seuche litt, bestand immer. Doch er würde kein Risiko eingehen.
"Weiterfeuern und die Nachricht ignorieren", befahl er der Crew.
"Ratsherr?", meldete sich Dr. Mulat.
Kemal gab ihm mit einer Handbewegung die Erlaubnis zu sprechen, doch ihm war klar, was der Arzt ihm sagen wollte und dies würde er nicht mit einer Antwort würdigen.
"Bitte, Ratsherr, überdenkt Eure Entscheidung. Ihr seht doch selbst, wie hoch entwickelt diese Kultur sein muss, wenn sie eine Stadt wie diese geschaffen hat. Vielleicht ist ihren Ärzten eine Lösung eingefallen, die wir nicht fanden."
Mulats Einwand schaffte es immerhin des Ratsherrn Aufmerksamkeit zu erwecken. Dennoch verwarf er diese Idee sogleich wieder.
"Unsere Sensoren melden, dass sich in der Stadt Infizierte befinden. Mehr brauch ich nicht zu wissen."
"Aber was könnte es schaden, ihren Ruf zu beantworten?"
Kemal überlegte. Wieder hatte der Doktor Recht.
Natürlich würde Kemal ein Heilmittel gegen diese Krankheit begrüßen. Sie könnten in den Untergrund zurückkehren, ohne dass die Wraith es merkten, und weiter ein friedliches Leben führen. Die Atagra wären nicht zu einem Leben auf der Flucht verurteilt.
Doch er hatte Mulats Bericht gelesen. Ein Gegenmittel herzustellen, dürfte auch außerhalb der Möglichkeiten dieser Welt liegen. Dennoch…
"Gut, ich will mit ihnen reden."


"Wir erhalten eine Antwort?"
Die Wissenschaftler waren gleichermaßen verblüfft, wie erfreut. Gespannt, was sie wohl jetzt erwarten würde, hielten sie unwillkürlich den Atem an.
"Hier spricht Ratsherr Kemal. Mit wem spreche ich?"
"Gott sei gepriesen, es sind nicht die Wraith", kam es von Dr. Colao.
Auch Radek verspürte Erleichterung, doch noch kannten sie den Grund nicht, weshalb dieser Ratsherr einen Angriff auf Atlantis gestartet hatte und selbst wenn, der Einzigen, der Radek es zutrauen würde, die Verhandlungen über die Einstellung der Aggressionen ihnen gegenüber zu einem Erfolg zu führen, wäre Dr. Weir.
Radek schluckte, dann begann er, immer in der Hoffnung, man möge die Panik und Ungewissheit nicht all zu deutlich in seiner Stimme hören.
"Ratsherr Kemal, hier spricht Dr. Radek Zelenka. Wissenschaftler hier auf Atlantis. Also, ich würde gerne erfahren warum… also, warum Sie uns angreifen."
Trotz Radeks Bemühungen, zitterte seine Stimme und in diesem Moment, hasste er sich dafür, nicht mutiger zu sein.
Statisches Rauschen, dann erneut die Stimme von Kemal.
"Diese Krankheit, unter welcher auch Ihre Leute leiden, wurde von einer fremden Welt mit durch unser Sternentor gebracht. Viele unserer Bevölkerung sind daran erkrankt. Wir konnten bisher kein Heilmittel entwickeln. Mein Chefmediziner hat jedoch die Möglichkeit geäußert, dass Sie uns in Ihrem Verständnis für Medizin voraus sein könntet."
Der Ratsherr schwieg und das statische Rauschen erfüllte wieder den Lagerraum.
Was sollten sie drauf antworten? Wenn ein Heilmittel die einzige Chance darstellte, dass dieser Kemal das Feuer auf sie nicht wieder eröffnete, so waren alle in der Stadt so gut wie tot.
Doch Radek wollte nicht aufgeben! Wenn dieses Volk hoch entwickelt genug war, um zu interstellaren Reisen fähig zu sein, könnte ihr Problem durchaus gelöst werden.
"Ratsherr Kemal, wir haben Blutproben der Betroffenen untersucht. Unsere Ärzte glauben, sie wären durchaus in der Lage, ein Gegenmittel herzustellen."
Colao blickte Radek verwirrt an.
Dieser deutete ihm lediglich, still zu sein.
"Wir wissen von welchem Planeten dieser Virus ausging und wir haben die Basis isoliert, auf welcher das Virus in seiner jetzigen Form aufgebaut wurde. Uns fehlen jedoch noch die genauern Informationen über die zusätzlichen Mittel, welche für das Virus verwendet wurden. Wenn wir also mit Hilfe Ihres Schiffes zu dem Planeten flie…" Radek wurde abrupt unterbrochen.
"Das können Sie sich sparen. Wir waren bereits dort und unsere Ärzte konnten die Bestandteile des Virus bereits studieren."
Radeks Miene erhellte sich schlagartig. Das klang wie gute Neuigkeiten! Die Ersten, die er heute gehört hatte.
"Rastherr Kemal, ich muss gestehen, dass das in meinen Ohren wundervoll klingt! Ihre und unsere Ärzte werden in Kooperation bestimmt ein Gegenmittel entwickeln können!"
"Das glaub' ich weniger, Dr. Zelenka."
Schlagartig war die gute Stimmung wieder auf dem Nullpunkt.
"Bis auf eine Komponente des Virus könnten wir alle anderen Synthetisch herstellen. Die fehlende Komponente jedoch liegt wohl auch außerhalb Ihrer Fähigkeiten."
Kemal schwieg kurz. Die nächsten Worte vielen ihm sehr schwer. Sie bedeuteten nicht nur den Untergang für die Rasse dieses Planeten, sondern auch für die seine.
"Da wir uns außerstande sahen, ein Gegenmittel herzustellen und die Seuche sich bereits über 15 Planeten ausgebreitet hat, blieb uns keine andere Wahl. Wir haben die infizierte Bevölkerung, von 3 Welten bereits ausgelöscht. Sie werden die 4. gesäuberte Welt sein. Ich bitte Sie nicht um Verständniss und Vergebung für unser Tun. Wir haben nur keine andre Wahl."
"Bitte, Ratsherr Kemal, geben Sie unseren Ärzten Ihre Informationen und ein paar Stunden Zeit. Ich bin sicher, sie finden eine Möglichkeit, den letzten Bestandteil des Virus zu…" Erneut wurde Radek mitten im Satz unterbrochen. Wäre diese Situation nicht so brenzlig gewesen, dann hätte Radek sich über Kemals Benehmen beschwert.
"Ihre Ärzte könnten alle Zeit der Welt haben und doch würde es an dem Ergebnis nichts ändern. Denn die Rebil haben Wraith-DNA zur Herstellung des Virus verwendet."


Kapitel 8

"Und?", fragende Blicke hafteten auf dem jungen Arzt.
"Im Grunde genommen…", begann Dr. Steffens und räusperte sich kurz. "Nun, es ist nicht direkt Wraith-DNA."
Als er diesem Satz nichts mehr hinzufügte, ahnte Radek Zelenka bereits, dass die unausgesprochenen Worte Dinge waren, die niemand hören wollte.
Vor wenigen Stunden war es ihm und Dr. Alexej Colao gelungen ein vorläufiges Einstellen der aggressiven Handlungen durch das Schiff des Ratsherrn Kemal auf Atlantis auszuhandeln.
Ihre Bitte, den Ärzten hier in der Stadt, die von Dr. Mulat gewonnenen Informationen und etwas Zeit zur Verfügung zu stellen, war nicht zuletzt von Mulat selbst unterstützt worden.
Kemal schien ihm sehr zu vertrauen oder es lag schlicht und ergreifend daran, dass sich auch Kemal insgeheim Heilung und einen Sieg über diese Krankheit erhoffte.
Letzten Endes war Radek der Grund egal, der Kemals Meinung nachhaltig geändert hatte. Wichtig war nur, dass sie im Moment sicher waren und die Forschungsergebnisse hatten wieder Hoffnung in allen geschürt.
Der sprichwörtliche Silbersreifen am Horizont.
Doch Marc Steffens Blick, welcher gesengt auf dem Bildschirm mit den Ergebnissen ruhte, versprach nichts Gutes.
"Anscheinend ist es den Rebil einst gelungen, einen lebenden Wraith für ihre Forschungsarbeit in die Finger zu bekommen. Sie benutzten jedoch nicht seine DNA, wie die Atagra-Ärzte glauben. Ihre Forschung und ihre Kenntnisse im Bezug auf die Wraith sind gering. Durch unsere hoch entwickelte Technologie und unser Wissen über die Wraith, das wir uns in den zahlreichen Begegnungen mit ihnen aneignen konnten, gelang es mir und meinen Kollegen herauszufinden, was die Rebil mit der ursprünglichen Wraith-DNA geschaffen haben.
Ihren Medizinern gelang es, einige DNA-Strängen zu isolieren. So konnten sie einige, der für die Wraith typischen, Eigenschaften isolieren und sie ihrem veränderten Antiker-Betäubungsmittel beifügen. Sie wollten sich diese Fähigkeiten zunutze machen und haben dabei übersehen, dass die Nukleotide der fremden DNA eine für den Menschen gefährliche Veränderung im Gehirn zur Folge haben."
"Sie reden von Veränderungen im Gehirn?", mischte sich Dr. Colao ein. Bisher hatte er, wie alle Anderen, stumm der Erklärung des Mediziners gelauscht. Stolz hätte er behaupten können, alle medizinischen Zusammenhänge begriffen zu haben, doch all diesen Berichten zum Trotz, hatte der Arzt noch mit keiner Silbe eine Heilungschance erwähnt.
Auch Radek, der sich zwischen all den Ärzten etwas deplaziert vorkam und lieber in irgendeiner Weise einen Betrag leisten wollte anstatt abzuwarten, hob fragend die Augenbrauen.
"Die Infizierten", begann dieses Mal Dr. Spencer, "zeigen ein sehr irrationales Verhalten. Sie sind, sobald sich der Wirkstoff in ihrem Blutkreislauf befindet und ins Gehirn gelangt, zu keinem klaren Gedanken mehr fähig. Je mehr Zeit nach der erstmaligen Infizierung vergeht, desto schlimmer werden die Auswirkungen. Immer mehr Bereiche im Gehirn schalten sich ab. Nach der von uns bereits genannten Frist von 48 Stunden ist es nicht möglich, den angerichteten Schaden noch zu reparieren. Dann werden unsere Leute im Torraum nur noch von den primitivsten Instinkten geleitet."
"Was bedeutet, dass sie übereinander herfallen und sich irgendwann gegenseitig töten werden. Wie Zombies."
"Gott bewahre", hörte man eine flüsternde Frauenstimme aus der Menge, der in weiß gekleideten Personen.
Entsetzen hatte sich auf allen Gesichtern breit gemacht. Die Hoffnungen, welche die neuen Daten vor wenigen Stunden noch dargestellt hatten, waren endgültig zerschlagen.
"Eine Frage." Radek zog kurz noch einmal alle Aufmerksamkeit auf sich.
Dr. Steffens nickte dem Tschechen zu.
"Sie haben mit keinem Wort erwähnt, ob Ihnen diese Daten bei der Entwicklung eines Heilmittels helfen können, oder nicht."
Steffens bewunderte den Wissenschaftler. Trotz dieser aussichtslosen Situation gab er nicht auf. Hinterfragte alles, was er nicht auf Anhieb verstand. Immer in der Hoffnung, er könnte noch etwas verändern.
Aber hier gab es nichts mehr, das man verändern könnte. Zumindest nicht im positiven Sinne.
"Rein theoretisch helfen uns die Daten durchaus. Wenn Sie uns jetzt noch einen Wraith liefern, dann sollten wir ein Gegenmittel in der verbleibenden Zeit, herstellen können."
Das hatte gesessen.
Natürlich hatte Radek mit einer Antwort in dieser Form gerechnet. Er war zwar kein Mediziner, aber sein IQ war dennoch hoch genug, um die Situation zu begreifen und alle Informationen diesbezüglich richtig einschätzen zu können.
Die Antwort passte ihm nur nicht.
"Ihnen ist klar, dass wenn ich diese Nachricht an den Ratsherrn Kemal weiterleite, nicht nur wir sterben werden, sondern die Bevölkerung jedes mittlerweile infizierten Planeten?"
Ein verächtliches Schnauben war zu hören. Dr. Spencer musterte den Tschechen mit wütendem Blick. "Selbstverständlich ist uns das klar! Glauben Sie etwa, uns lässt das kalt? Wenn Sie eine Idee haben, dann schlage ich vor, Sie nennen sie uns!"
Schweigen machte sich in der Krankenstation breit.
Radek konnte die Blicke der Anderen fast spüren. Sie alle warteten auf einen Vorschlag seinerseits.
Warum um alles in der Welt war McKay jetzt nicht hier? Das wäre ein großer Auftritt für den Kanadier geworden. Rühmte er sich doch immer damit, in bisher allen schwierigen Fällen zur Lösung beigetragen oder selbst eine brillante Idee gehab zu haben.
Warum nur kam es Radek so vor, als ob heute alles an ihm hinge? Als unterstütze ihn sonst niemand, da alle bereits aufgegeben hatten?
Ein Seitenblick auf Colao zeigte ihm, dass dieser ratlos den allem Anschein nach so faszinierenden Fußboden begutachtete.
Warum ich?, seufzte Radek in Gedanken.
"Wie viel Zeit haben wir", und mit diesen Worten klopfte er seinem wissenschaftlichen Kollegen auf die Schulter, "um uns eine Lösung einfallen zu lassen?"
Steffens und Spencer sahen einander verwirrt an.
"Wenn wir die Zeit der ersten Infektion nehmen, die vergangenen 9 Stunden abziehen und in diese Rechnung mit einbeziehen, dass wir mit den Tests und den Experimenten noch mindestens 12 Stunden brauchen, haben Sie grob einen Tag für eine Lösung, inklusive der Gefangennahme eines lebenden Wraith."


Kapitel 9

"Ein Virus?!"
Iori Kinahi blickte die beiden Männer mit großen Augen über den Rand ihrer Brille hinweg an.


Seit nunmehr 3 Stunden saßen die Wissenschaftler, welche seit Beginn der Quarantäne die einzigen im Labor waren, an der Lösung eines unlösbaren Problems.
Viel hatten sie darüber diskutiert, wie man als nächstes vorgehen sollte.
"Wir brauchen auf jeden Fall die Hilfe des Militärs, wenn wir auch nur den Hauch einer Chance haben wollen, einen Wraith zu fangen", hatte Colao von Anfang an klargestellt.
Dies war ein Fakt, den niemand hätte widerlegen können. Doch viel Spielraum ließ die stadtweite Quarantäne nicht.
"Wenn die Ärzte die eingesperrten Soldaten mit Schutzanzügen ausstatten, dann bekommen wir vielleicht auch Zugriff auf die Waffenkammern."
"Daran hab ich auch schon gedacht", kommentierte Radek Colaos optimistisch klingenden Redefluss.
"Doch wenn wir die Quarantäne nicht aufheben können, stecken wir dann den Wraith, wenn wir einen haben, in einen Schutzanzug und führen ihn brav in die Krankenstation? Wie stellen Sie sich das vor? Ein Wraith würde sich niemals kooperativ uns gegenüber verhalten. Sobald wir gezwungen wären, auf ihn zu schießen, wäre der Schutzanzug, würden wir ihn denn in so einen bekommen, nutzlos werden und keine Tür würde sich mehr für uns öffnen. Ich glaube kaum, dass ich Sie daran erinnern muss, das man nicht alle Türen von Hand öffnen kann."
Radeks ernste Worte ließen den dicklichen Wissenschaftler betreten schweigen.
Erst Dr. Kinahis Worte brachen die drückende Stille im Raum.
"Ja, ein Virus", bestätigte diese ihren beiden Kollegen.
"Versteh ich nicht so recht", gestand Colao ungeniert.
Iori lächelte kurz, wurde sich dann aber der mangelnden Zeit und dem Ernst der Situation schlagartig wieder bewusst.
"Ich meine einen Computervirus."
"Ein interessanter Ansatz, bitte erklären Sie uns Ihre Idee genauer", bat Radek.
Ein kleines Lächeln konnte sie sich doch nicht verkneifen, als Iori das Quarantäne-Sicherheitsunterprogramm des Hauptrechners der Stadt öffnete. Selten waren ihre männlichen Kollegen so an ihren Vorschlägen interessiert gewesen und ein klein wenig genoss sie diesen Moment.
"Wie Sie wissen, meine Herren, ist es uns nicht möglich Einfluss auf die laufenden Sicherheitsprogramme zu nehmen. Wenn wir ein virusähnliches Programm entwickeln, dass uns den Zugriff über das Unterprogramm geben würde, könnten wir bestimmte Teile der Stadt von der Quarantäne befreien. Die Zeit ist momentan unser größter Feind. Je weniger Arbeit wir damit haben, die Soldaten zu befreien und die Waffenkammern zu öffnen, desto mehr Zeit bleibt für die Gefangennahme des Wraith."
Die beiden Herren nickten tonlos, aber anerkennend, als Iori mit ihrer Präsentation fertig war.
"Wir werden das Militär so in einem Bruchteil der von uns geplanten Zeit über den momentanen Status aufgeklärt haben und sie werden mit Kemal einen Plan für unser Wraithproblem schmieden können! Hervorragend, Dr. Kinahi!", lobte Alexej.
"Auf die Gefahr hin das pessimistische Schlitzohr zu sein, selbst wenn es uns gelingen würde dieses Virusprogramm zu schreiben und es als Trojaner in den Hauptcomputer zu laden… Ich meine, wir haben nicht einmal Zugriff auf den Hauptrechner. Die Quarantänemaßnahmen schützen ihn und der Torraum ist voll von unseren Freunden, die gerade keine Skrupel hätten, uns anzugreifen und zu verletzen."
Wieder war es Radek, der den Bemühungen seiner Kollegen zum Trotz, ein plausibles Gegenargument einbringen musste.
Wie er es hasste, in solchen Momenten Recht zu haben.
Warum konnte es nicht einfach mal einen leichten Ausweg geben?
Radek ließ hörbar, seinen Atem entweichen.
"Solange uns nichts Besseres einfällt, möchte ich, dass Sie beide dieses Virusprogramm entwickeln. Ich werde mit Dr. Steffens reden. Vielleicht gibt es doch eine Möglichkeit, wie wir ungehindert in den Kontrollraum gelangen können."


"Ich habe Ihnen bereits gesagt", begann Dr. Steffens erneut, "alles was die Infizierten lange genug außer Gefecht setzen könnte, um so einen Plan wie den Ihren durchzuführen, würde sie gleichzeitig töten!"
Radek hob beschwichtigend die Hände und schenkte dem Doktor ein aufgesetztes Lächeln.
"Schon gut, ich habe Sie beim ersten Mal verstanden, als Sie mir diese Zusammenhänge geschildert haben. Ich dachte nur, weil Sie die verminderten Gehirnaktivitäten der Infizierten angesprochen haben, dass dort der Schlüssel zur Ausführung unseres Plans liegen könnte."
Die Worte des Tschechen brachten Marc zum nachdenken.
Ja, im Grunde genommen war der Wissenschaftler auf eine interessante Theorie gestoßen und erneut bewunderte Steffens seinen Gegenüber.
"Daraus könnte man was machen.", murmelte Marc und seine Aufmerksamkeit galt erneut den gesammelten, medizinischen Daten.
"Die Infektion schränkt sie zwar nicht in ihrer Bewegung ein, dennoch ist ihre Wahrnehmung gestört. Wenn Sie Rauchbomben einsetzen, sich dann leise und gebückt durch den Raum bewegen, dann könnte es klappen."
Freudig strahlte Steffens Dr. Zelenka an.
Dieser konnte das Lächeln jedoch noch nicht so recht erwidern.
Zu viele Dinge an diesem Plan konnten noch schief gehen.
"Sie sind nicht besonders optimistisch?", erkundigte sich Steffens, als er Radeks Zurückhaltung bemerkte.
Radek hob und senkte die Schultern. Er war weder Optimist, noch Pessimist.
"Ich bin realistisch, Dr. Steffens. Wenn der Rauch sich verzogen hat, ist die Person oder sind die Personen, welche in den Gateraum eindringen, so gut wie erledigt. Das wäre noch nicht einmal das schlimmste Szenario! Wenn sich auch nur ein Infizierter in direkter Nähe der Tür aufhält, wird er uns angreifen, bevor wir die Rauchbomben werfen konnten."
"Aber es ist ein Plan. Der einzige und beste, den wir haben. Wir sind es unseren Freunden im Torraum schuldig, es zumindest zu versuchen." Es gelang Marc nicht wirklich, Radeks Stimmung zu heben.
Dann wurde es dem jungen Arzt schlagartig bewusst!
Wie hatte er nur so blind sein können?
Seit er von Carsons Infizierung gehört hatte, war er doch stets in dem Glauben gewesen, alles würde von ihm und seiner Forschung abhängen.
"Sie glauben, alles was geschieht, läge in Ihrer Verantwortung?"
Eine Frage oder eher eine Feststellung? Radek wusste es nicht, doch er nickte.
"Sie können das Gegenmittel nur herstellen, wenn ich Ihnen einen Wraith bringe. Wenn ich unseren gefährlichen Plan nun einfach so genehmige, dann muss ich unter anderem Dr. Colao mit in den Gateraum schicken. Wie könnte ich einem Soldaten diesen Plan vorschlagen, mit dem Wissen, dass er nur daran teilnimmt und sterben könnte, weil ich keine bessere Idee hatte? Ich bin Wissenschaftler! In meiner Position sollte ich keine Entscheidungen treffen müssen, die über Leben und Tod bestimmen! Selbst wenn ich diese Entscheidung vor einem Gericht rechtfertigen könnte, mit meinem Gewissen lässt sich das nicht so einfach regeln!"
All die Sorgen, die Wut und die Verzweiflung übermannten Radek in diesem einen Augenblick.
Er fühlte sich so leer, so entsetzlich hilflos!
Marc Steffens konnte diesen Mann, der gerade wie ein Häufchen Elend vor ihm saß, nur zu gut verstehen. Ohne ein weiteres Wort darüber zu verlieren, stand er auf und umarmte den Tschechen.
Noch vor wenigen Stunden waren sie nichts weiter als flüchtige Bekannte gewesen. Man hatte sich hier und da mal getroffen, sich vielleicht sogar gegrüßt, doch mehr nicht.
Und jetzt, hier in diesem Augenblick, teilten sie so viel mehr!
Die Ungewissheit über das, was morgen sein würde, genauso wie die Bürde, welche das Schicksal auf ihren Schultern abgeladen hatte.
Nein, egal was kommen würde, sie würden es von jetzt an gemeinsam tragen.
Nicht an einem Menschen allein sollte so eine Entscheidung hängen. Im Grunde genommen sollte kein menschliches Wesen jemals so eine Entscheidung treffen müssen. Doch wie so oft gab es keine Wahl. Keinen Ausweg, der ihnen das noch Kommende abnehmen würde.
Nichts, nur ein geflüstertes Versprechen: "Wir stehen das gemeinsam durch!"


Kapitel 10

"Sie wurden über die Situation aufgeklärt?" Dr. Steffens musterte den Major.
Da ihnen die Zeit davon lief und die Stunde Null immer näher rückte, war die Entscheidung, Dr. Kinahis Plan zu versuchen, die einzige Option geblieben.
So hatte Marc ein Team zusammengestellt, welches in Schutzanzügen Militärangehörige aus der Quarantäne befreite. Diese Prozedur erwies sich als recht zeitaufwändig, da man die Leute erst finden und sie dann mit Schutzanzügen zum Kontrollraum bringen musste.
Radek und Alexej, welcher sich als Techniker für diese Mission freiwillig gemeldet hatte, warteten nun mit Marc zusammen, bis die ersten Soldaten ausgerüstet bereit standen.
Um sowenig Aufmerksamkeit wie möglich auf sich zu lenken, bestand die Gruppe nur aus zwei Soldaten und Dr. Colao.
Der Major, ein netter junger Mann, der unter dem Schutzanzug noch immer seine Freizeitkleidung trug, hörte auf den Namen Dwayne Kobschätzky.
Er hatte sich mit einem Wraith-Betäuber bewaffnet. Zwar mit dem Wissen, dass er mit dieser Waffe nicht viel gegen die Infizierten auszurichten vermochte, aber besser als gar nichts.
Der zweite Mann, war ein afroamerikanischer Lieutenant, der stets Firo gerufen wurde, sodass kaum einer seinen richtigen Namen kannte. Dieser Herr hatte es allerdings bereits in den Speisesaal geschafft, als sich die Stadt aus Sicherheitsgründen abriegelte. Er trug bereits die typischen Militärklamotten.
Colao nagte nervös an seinen Fingernägeln.
Ihm war klar, dass wenn etwas schief gehen würde, er im besten Fall nur infiziert, im schlimmsten Falle aber bereits von seinen früheren Freunden getötet werden könnte.
"Wird schon gut gehen", versuchte Steffens ihn aufzumuntern.
"Warten Sie es ab, Alexej, wenn wir erst ein Gegenmittel haben, werden Sie als Held gefeiert!", gab Radek zu bedenken und klopfte seinem Freund auf die Schulter.
"Können wir?" Die Stimme des Majors klang streng, aber siegessicher.
Noch einmal schluckte Alexej schwer, dann trat er hinter die beiden Soldaten, die, so hoffte er, wussten, was sie taten.
"Hier noch einmal der Plan. Firo wirft die Rauchbomben. Sie, Doktor, Sie bleiben dicht bei mir und wir bewegen uns gebückt, so schnell wie möglich Richtung Kontrollzentrum. Firo, Sie werden dann folgen. Wir halten die Infizierten so lange auf, bis Sie mit dem Überspielen des Virus fertig sind. Im besten Falle ist dann noch genügend Rauch vorhanden, dass wir noch unentdeckt sind und auf dem gleichen Weg wieder fliehen können. Wenn dies nicht so sein sollte, dann werden wir warten, bis unsere Leute hier draußen ein Gegenmittel für uns haben. Klar so weit?"
Major Kobschätzkys Stimme hätte keinen Widerspruch geduldet und so bejahten alle diesen Plan.
"Gut, die Herrn Doktoren dürfen sich dann zurückziehen."
Radek und Marc setzen sich die Helme ihrer Schutzanzüge wieder auf und verschwanden mit einem letzten, leicht besorgten Blick hinter dem sich schließenden Schott.


Mit einem schier überlauten Geräusch öffnete sich die Tür zum Gateraum für das Team und mit einem metallischen Klirren rollten die beiden Rauchbomben in die Mitte des Raumes.
Eine weitere wurde zielsicher die Treppe nach oben auf den Gang vor den Kontrollraum geworfen.
Gebückt schlichen sie sich an der Wand entlang, in den großen Raum.
Der weiße Rauch waberte wie Nebel durch die Luft und wäre Alexej nicht dich hinter dem Major durch die Tür gekommen, er hätte sich wohl nicht zurecht gefunden.
So folge er einfach dem bestens ausgebildeten Offizier und ohne einem Infizierten zu begegnen, erreichten sie den Treppenansatz.
Der Schutzanzug verschlang jedes ihrer Geräusche und Alexej hätte nicht einmal sagen können, ob er jetzt schlich oder einen Krach wie eine Elefantenherde verursachte.
Major Kobschätzky warf eine weitere Rauchbombe direkt in den Kontrollraum, um den sich dort befindenden Virusträgern die Sicht zu nehmen.
Mit einer Hand winkte der Soldat den Wissenschaftler an sich vorbei in den Kontrollraum.
Alexejs Herz klopfte wie noch nie in seinem Leben.
Nicht einmal der Angriff des feindlichen Schiffes vorhin oder die Ankunft eines Wraithschiffes hatten ihm so viel Angstschweiß fühlen lassen wie jetzt.
Seine Knie zitterten und für einen Moment fühlte er sich nicht wirklich imstande ihren Plan durchzuführen. Am liebsten hätte er kehrt gemacht und wäre zurück in das Labor gelaufen.
Nur Mut, die zählen alle auf dich!, sagte er sich in Gedanken, während er mechanisch einen Fuß vor den anderen setzte.
Unterhalb der Konsole blieb der Major stehen. Alexej nickte ihm kurz zu und schloss seinen mitgebrachten Laptop an. Die übergroßen Handschuhe, welche Teil des Schutzanzugs waren, erschwerten ihm seine Arbeit jedoch ungemein.
Plötzlich sprang der Major neben ihm auf, stieß ihn beiseite und warf eine Person mit sich zu Boden. Entsetzt erkannte Colao das Gesicht von Elizabeth Weir, die von Kobschätzky zu Boden gedrückt wurde.
Sie hatte den Soldaten trotz des Rauches bemerkt, als sie gegen ihn stieß.
Dwayne betete still, dass kein anderer Infizierter über sie beide stolpern würde oder seine Aktion gar erkannt hatte. Waren sie noch intelligent genug, nach den Eindringlingen zu suchen oder sie als solche zu erkennen?
Stumm wehrte er sich gegen Dr. Weirs Versuche, sich zu befeien und dabei behielt er den neben ihm knienden Wissenschaftler im Auge.
Ihre Mission musste erfolgreich sein, egal was aus ihnen drei hier wurde, das hatte er sich geschworen.
Von einem entfernten Winkel des Raumes aus, drang ein Schrei zu ihnen vor.
Firo?!
Der Lieutenant war auf den infizierten Ronon gestoßen, als er versuchte, den Treppenabschnitt zu sichern, um später seinen beiden Kameraden einen Fluchtweg offen zu halten.
Als Alexej den Schrei vernahm, stoppte er in seiner Tätigkeit. Das Blut schien in seinen Adern gefroren zu sein und wenn sein Herz jetzt unter der Anstrengung kollabiert wäre, es hätte ihn nicht gewundert.
Das Programm, welches ihnen die Kontrolle über bestimmte Teile der Stadt wiedergeben sollte, lief bereits. Noch ein paar zusätzliche Minuten und es wäre erfolgreich in den Hauptcomputer geladen worden.
Nur noch ein paar Minuten!
Dies waren Alexejs letzte klare Gedanken, bevor er von den Beinen nach hinten gerissen wurde.
Der Rauch hatte sich zum größten Teil gelichtet und sein roter Schutzanzug leuchtete förmlich im Raum.
Eine Faust traf ihn direkt in die Magengrube! Er röchelte und versuchte sich dem Einfluss seines Peinigers zu entziehen. Doch ein weiterer Schlag traf mit unglaublicher Härte auf seinen Brustkorb und schickte ihn zu Boden.
Die Luft blieb ihm weg!
Panisch blickte Alexej sich um, in der Hoffnung, der Major würde ihm noch zur Hilfe eilen.
Eine weitere Gestallt, durch den verbleibenden Nebel waren ihre Gesichter immer noch verhüllt, trat an ihn heran.
Wieder schlug und trat man auf den am Boden liegenden Mann ein, der hilflos versuchte, sich zu schützen!
"Hilfe!", schrie er verzweifelt in sein Funkgerät!
Infiziert werden, wäre eine Sache gewesen, doch so brutal zugerichtet zu werden, eine andere.
"Bitte helft mir doch!", schrie er in seiner puren Verzweiflung noch einmal!
Dann beugte sich die Person, welche bis vor kurzem noch nach ihm getreten hatte, in sein Blickfeld und riss ihm den Schutzhelm vom Kopf.
"Colonel Sheppard", flüsterte Colao leise.
Ein unnatürlich wirkendes Grinsen zog sich über Sheppards Gesicht, als dieser erneut ausholte und mit einem Schlag Alexejs Nase brach.
Blut lief dem Wissenschaftler über das Gesicht und der Schmerz ließ Übelkeit in ihm aufsteigen.
Die Realität verschwamm immer wieder vor seinen Augen und nichts hätte sich Alexej jetzt mehr gewünscht, als in die süße Schwärze der Bewusstlosigkeit abtauchen zu können.
Verschwommen nahm Alexej noch wahr, wie sich John Sheppard das Blut von seiner Faust leckte, die ihm gerade die Nase gebrochen hatte.
Mit dem nächsten Schlag, übermannte ihn der Schmerz wie eine Welle und spülte ihn in die Schwärze fort.


Kapitel 11

"Hat es funktioniert?" Marc Steffens blickte Radek Zelenka neugierig über die Schulter, als dieser versuchte, Zugriff auf den Hauptcomputer zu bekommen.
Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Tschechen.
"Ja, so wie es aussieht, konnte Alexej das Programm erfolgreich überspielen. Ich muss es nur noch starten und dann sollte es uns möglich sein, das Quarantänesicherheitsprogramm zu steuern."
Radeks schlanke Finger huschten blitzschnell über die Tastatur.
In freudiger Erwartung, dass nun alles Weitere so ablaufen würde, wie sie es planten.


"Dr. Steffens!", meldete sich eine Stimme über Funk.
Marc aktivierte sein Funkgerät. "Was gibt es?", hakte er nach.
"Wir haben einen Hilferuf von Dr. Colao aufgefangen. Anscheinend wurden sie entdeckt, denn bisher hat es keiner von ihnen zurück geschafft."
Radek unterbrach seine Arbeit und schluckte schwer. Kurz hatte er den Kloß in seinem Hals vergessen, der sich seit Alexejs freiwilligen Meldens für diese Mission dort gebildet hatte.
Das Wissen, dass sein Freund um Hilfe geschrieen hatte und er nichts hatte tun können, um ihm zu helfen, raubte ihm fast den Atem. Schuldgefühlte nagten an ihm.
Erst Marcs beruhigende Worte schafften es, Radeks aufgewühlte Gedanken wieder auf die Gegenwart zu konzentrieren.
"Dr. Colao wusste, was er tat, als er in den Kontrollraum ging. Sein Mut war ja auch nicht vergebens. Wir können die Soldaten befreien und uns auf die Suche nach einem Heilmittel machen. Wir werden ihn zurückholen."
Radek schüttelte jedoch verneinend den Kopf.
"So einfach ist das nicht. Er hat um Hilfe geschrieen, verstehen Sie? Da drinnen ist etwas ganz gewaltig schief gelaufen!"
"Das ist nicht Ihre Schuld. Wir brauchen Sie hier und Ihr Freund Dr. Colao wusste das. Reißen Sie sich zusammen."
Steffens hatte versuchen wollen, den Wissenschaftler aufzumuntern. Doch dieser hatte soviel Angst davor, einen Fehler zu machen, der möglicherweise jemandem das Leben kosten könnte, dass er all die anderen Leben, die von einem Heilmittel abhängig waren, kurzzeitig ganz vergaß.
Den ganzen Tag hinweg war es Radek Zelenka gewesen, der verzweifelt jedem, der dem Aufgeben nahe war, klar zu machen versucht hatte, wie viele Leben auf dem Spiel standen und jetzt verließ ihn sein Mut und seine Entschlossenheit wegen dieses Rückschlags?
Auch wenn dieser Alexej Colao ein Freund Radeks war, verdammt, auch alle anderen Personen im Torraum waren Freunde oder zumindest Bekannte des Tschechen.
Nicht nur er bangte um das Leben für ihn bedeutsamer Menschen.
"Ich bin Arzt, glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass trotz des anfänglichen Schreckens und des Hilferufes, Ihr Freund lediglich infiziert wurde. Ich weiß, das klingt im ersten Moment dennoch schrecklich, aber bedenken Sie, es bleiben uns noch 21 Stunden für ein Heilmittel. Das ist eine durchaus realistische Zeitspanne."
Aufmunternd legte Marc Radek die Hand auf die Schulter.
Ein Lächeln bildete sich auf Radeks Lippen.
Ja, der Arzt hatte vollkommen Recht.
Jetzt in Depressionen zu versinken, wo doch die Möglichkeit eines Heilmittels greifbar näher war, als jemals zuvor, wäre falsch gewesen.
Das war nicht drin!
Schließlich gab es in der Galaxie genügend Wraith und so dürfte es nicht schwer sein, einen von denen zu finden. Die Soldaten würden das schaffen, da war er sich sicher!
Bisher hatten sie stets eine Lösung gefunden und noch jedes Problem in den Griff bekommen.
Auch über die Wraith hatte sich ein beachtliches Wissen angesammelt, auf das sie zugreifen konnten.
Fehlten nur noch die Helden, wenn auch ohne Colonel Sheppard.
Dennoch hätte Radek nie an dem Können der anderen Soldaten hier gezweifelt.
John Sheppard war zwar der ranghöchste Offizier, der in Atlantis auf militärischem Gebiet das Sagen hatte, doch auch Rodney McKay hatte in seiner Abteilung das Sagen und trotz seiner überheblichen Arroganz, niemand wäre so genial wie er, glänzte auch stets der Rest der Wissenschaftler.
Jeder einzelne Mensch, welcher diese Mission in die weit entfernte Pegasus-Galaxie angetreten hatte, war einer der Besten unter den Besten.
Mit einem Anflug von Stolz und Siegesgewissheit klapperte die Tastatur unter Radeks Fingern.
"Ich aktiviere das Programm… jetzt!"
Marc beobachtete interessiert, wie sich Zahlenkolonnen auf dem Bildschirm aneinander reihten und dutzende von Informationen fast zeitgleich die Aufmerksamkeit des Wissenschaftlers beanspruchten.
Plötzlich öffnete sich eine Meldung, die alles überlagerte und die Unterprogramme, welche Radek gerade alle aufgerufen hatte, in den Hintergrund drängte.
"Nein, nein, nein!"
Erst klang Radeks Ruf entsetzt, dann verzweifelt!
Der Tscheche schlug die Hände vor den Mund und beobachtete mit, vor Schrecken geweiteten Augen, das Geschehen auf dem Bildschirm.
"Was ist los? Funktioniert es nicht?"
Marc erhielt keine Antwort.
"Radek, was ist passiert?", fragte er nach und in seiner Stimme klang Angst mit.
Sekunden der Anspannung dehnten sich förmlich zu Stunden.
Dr. Steffens hatte angespannt seinen Atem angehalten und beobachtete den kreidebleichen Dr. Zelenka mit immer weicher werdenden Knien.
Was war nur passiert?
Langsam ließ Radek seine Hände wieder sinken. Untätig saß er auf seinem Stuhl und starrte ohne Unterlass auf seinen Laptop. Unfähig das gerade Erlebte in Worte zu fassen.
In den wenigen Minuten, die er gebraucht hatte, um das Virenprogramm zu starten, hatte er ihre Lage von gefährlich zu vollkommen hoffnungslos rotieren lassen.
Sein ganzer Körper fühlte sich taub an und Dr. Steffens hektisch besorgte Stimme drang kaum zu ihm durch.
Vorbei.
Es war vorbei. Aus und vorbei!
"RADEK!"
Marcs Schrei ließ alle im Raum hellhörig werden.
Neugierig sammelten sich alle Anwesenden um die beiden Männer und den Computer.
Erst jetzt registrierte Radek, wie viele Augenpaare ihn gespannt anblickten und dass er die Situation noch keines Wortes gewürdigt hatte.
Es war vorbei und es war seine Aufgabe diese Nachricht zu verkünden.
"Das Programm hat nicht so funktioniert, wie wir es uns eigentlich gedacht hatten…"
"Spannen Sie uns nicht länger auf die Folter, raus mit der Sprache!", verlangte Dr. Spencer.
Radek schluckte seine Trauer hinunter und wischte so unauffällig wie möglich einmal über seine feuchten Augen.
"Das Programm sollte uns, sobald es erst einmal im Hauptrechner wäre, die Kontrolle über die einzelnen Quarantäneprogramme verschaffen, damit wir entscheiden können, welches Sicherheitsprogramm wir aktivieren. Um das zu erreichen, sollte unser Virus den Antiker-Computer davon überzeugen, dass die Kontamination auf den Kontrollraum beschränkt und keine Gefahr für den Rest der Bevölkerung darstellt. Uns ist jedoch ein Fehler unterlaufen."
Noch einmal pausierte Radek.
"Das von uns entwickelte Programm hat den Hauptcomputer fälschlicherweise suggeriert, die Seuche wäre eliminiert. Was zur Folge hat, dass die Quarantänemaßnahmen komplett aufgehoben wurden und nicht wieder initialisiert werden können. Wir haben gerade den Infizierten den Weg in die Stadt geöffnet."


Kapitel 12

Das hier war Irrsinn!
Mit seit Stunden wachsender Ungeduld schritt Evan Lorne durch sein Quartier.
Der Ausbruch der unbekannten Krankheit im Gateraum, welcher zur Quarantäne geführt hatte und welcher ihn und den Rest der Bevölkerung dieser Stadt in ihren Räumlichkeiten eingesperrt hatte, war schon Stunden her.
Die Ungewissheit, über den derzeitigen stand der Dinge machte in verrückt!
Vor endlos vielen Stunden, so schien es Lorne, war ein in Schutzanzug gekleideter Arzt gekommen und hatte mehrere Beutel mit Notrationen verteilt.
Dieser stand jedoch zu sehr unter Zeitdruck, als dass er dem Major all seine Fragen hätte beantworten können.
"Unser Außenweltteam hat einen Krankheitserreger einschleppt", hatte ihm der Arzt mit einer Gleichgültigkeit erzählt, als zitiere er nichts Bedeutenderes als den Wetterbericht. "Seien Sie unbesorgt, alle auf der Krankenstation arbeiten fieberhaft an einer Lösung. Im Handumdrehen ist die Quarantäne aufgehoben und alles wieder beim Alten."
So gern Evan den Worten des Arztes Glauben geschenkt hätte, er zweifelte doch sehr daran. Jetzt, da die letzte Meldung Stunden her war, schienen seine ersten Zweifel gerechtfertigt.
Wieder einmal aktivierte Evan sein Funkgerät und zum hundertsten Mal, so schien es dem jungen Soldaten, bekam er keine Antwort. Wenn sie sich wenigstens melden würden. Ihm wäre wesentlich wohler zumute gewesen, wenn er gewusst hätte, dass noch jemand da war, der nur zu beschäftigt war, um mit ihm zu reden. Aber nicht einmal das war der Fall.
Gedankenverloren schlenderte er, die Hände in den Hosentaschen, durch seinen Raum, auf den Schreibtisch zu.
Er hatte versucht zu lesen, seinen letzten Bericht zu überarbeiten und seinen Tetrisrekord zu verbessern. Alles hatte er versucht, um sich abzulenken, um die Zeit des untätigen Wartens hinter sich zu bringen. Nichts hatte funktioniert. Mehr als eine Stunde am Stück hatte er sich auf nichts Nebensächliches konzentrieren können.
Immer wieder waren seine Gedanken gewandert. Er hatte sich sämtliche Szenarien ausgemahlt, die passiert sein könnten. Eines schlimmer als das andere.
Doch ohne nähere Informationen waren diese Schreckensszenarien so unrealistisch wie ein Horrorfilm, dem sie entsprungen zu sein schienen.
Entweder hatte er deutlich zu viele dieser Filme gesehen oder die beklemmende Enge dieser vier Wände machte ihn paranoid!
Auch dieser Angriff, unter dem Atlantis vor einigen Stunden erbebt war, hatte ihm zu denken gegeben.
Wieso griff jemand Atlantis genau in diesem Moment an?
Wer griff Atlantis überhaupt an?
Als erstes waren ihm die Genii als Angreifer durch den Kopf gegangen. Denn sie hätten das beste Motiv gehabt.
Doch alsbald war ihm klar geworden, dass sie aus dem All beziehungsweise aus der Luft bombardiert wurden. Somit fielen die Genii aus und Evans Überlegungen tendierten weiter in Richtung der Wraith.
Die Wraith jedoch schloss er nach wenigen Minuten ebenfalls aus, denn sie hätten ihren Transporter benutzt und sicher keinen Menschen in dieser Stadt zurückgelassen. Dafür waren ihre Nahrungsvorräte, seit dem Erwachen aller, zu sehr geschrumpft und da er auch Stunden nach dem Einstellen des Feuers noch wohl behalten hier war, fiel ihm niemand mehr ein, den er als Bedrohung für Atlantis einstufen könnte.
Wieder drehte er aufgewühlt eine weitere Runde durch sein Quartier.
Warum kam den niemand, um sie hier rauszuholen? Man hatte diese Stadt angegriffen! Verdammt, dabei brauchten die Zivilisten doch Hilfe von den Militärs!
Bestimmt, so dachte er, war es Sheppard zu verdanken, dass wer auch immer sie unter Beschuss genommen hatte, sein Ziel noch einmal überdacht hatte.
Ja, Sheppard hatte diesen Typen bestimmt schon in den Hintern getreten und war jetzt sicher dabei mit Dr. Beckett zusammen ein Heilmittel für den besagten Virus zu finden!
Anders konnte es sich der junge Major nicht vorstellen.
Abrupt blieb Evan stehen. Hatte er sich das nur eingebildet?
Dieses leise Geräusch, war es von seinen überreizten Nerven produziert worden oder Teil der Realität?
Ein Geräusch so leise, dass er es im Nachhinein nicht zuzuordnen vermochte. Doch im ersten Augenblick war es ihm bekannt vorgekommen.
Wütend über den zu schnell entwichenen Gedanken, der im Bruchteil einer Sekunde dieses Geräusch benannt hatte, schlug er sich mit der Faust leicht gegen die Stirn.
Konzentrier dich!, rief er sich in Gedanken zur Ordnung.
Um den verlorenen Gedanken vielleicht doch wieder einzufangen, machte er einen Schritt rückwärts, um zu der Stelle zurück zu kehren, an der er ihm durch den Kopf gegangen war.
Erschrocken zuckte Evan zusammen!
Mit allem hätte er jetzt gerechnet, aber damit nicht!
Wieder rasten seine Gedanken!
Mit dem fast schon alltäglichen, surrenden Geräusch hatte sich die Tür seines Quartiers für ihn geöffnet.
War die Quarantäne etwa vorbei?
Anscheinend hatte man alle Probleme beheben können und das Warten war vorbei.
Sicher würde bald eine Durchsage von Dr. Weir kommen, die ihnen die Unbedenklichkeit für eine Rückkehr in die Stadt bescheinigte.
Gespannt trat Lorne auf den Gang hinaus.
Niemand war zusehen.
"Achtung!"
Wieder zuckte Evan Lorne kurz zusammen, als endlich eine Stimme durch die Lautsprecher der Stadt hallte. Nicht wie erwarten, die von Dr. Elizabeth Weir oder von Colonel Sheppard.
Nein, er brauchte einen Moment der Stimme ein Gesicht zu geben.
Dr. Zelenka!
Der Wissenschaftler mit dem leichten Akzent, der stets unter der Fuchtel von Dr. McKay stand.
Angespannt wartete Lorne, bis sich die Stimme des Wissenschaftlers erneut über die unheilvolle Stille der Stadt erhob.
"Die sich im Kontrollraum befindenden infizierten Personen haben durch einen fehlgeschlagenen Plan unsererseits Zugang zum Rest der Stadt erlangt. Bitte gehen Sie alle umgehend in Ihre Quartiere und verriegeln Sie die Türen!"
Eine andere Stimme, welche Evan nicht bekannt war, sprach, nun da Dr. Zelenka schwieg.
"Bitte beachten Sie, dass das Virus durch Körperflüssigkeiten übertragen wird! Zusätzlich ist zu erwähnen, dass nach der Infizierung bis zum Ausbruch der Krankheit mindestens 20 Minuten liegen. Die Infizierten sind nicht mehr in der Lage, klar zu denken. Sie benehmen sich irrational und extrem gewalttätig!"
"Bewahren Sie Ruhe, wir kümmern uns um das Problem", fügte eine weitere, unbekannte Männerstimme hinzu.
"Ach, und alle Militärangehörige sollten sich bitte umgehend im Jumper Hangar melden!", fügte Dr. Zelenka aufgebracht hinzu.
Dann wurde es wieder still.
Fürs Erste hatte Major Lorne genug gehört.
Die Situation hatte sich verschlechtert. Auch wenn er nicht geglaubt hatte, dass das noch möglich war.
Viele seiner unbeantworteten Fragen waren auch nach dem Funkspruch geblieben.
Selten hatte er einen Arzt oder Wissenschaftler so sparsam mit Erklärungen umgehen sehn, wie in diesem Moment.
Sonst redeten sie meist wie Wasserfälle und hatten stets das unglaubliche Geschick an den Tag gelegt, jeden mit ihren konfusen Erklärungen durcheinander zu bringen.
Warum mussten sie sich in dieser Situation nur so zurückhalten?
Liebend gern hätte er jetzt eine dieser langatmigen Reden gehört, die ihn meist peinlich berührt nachfragen lassen mussten, was die Wissenschaftler nun eigentlich damit sagen wollten.
Doch er würde seine Antworten bekommen! Wäre er erst einmal im Hangar, würden sich seine Fragen bestimmt alle beantworten lassen.
Evan lief zurück in sein Quartier und zog in Windeseile seine Stiefel an.
Ohne weitere Zeit zu verschwenden und sichtlich dankbar, dass er endlich aus seinem Quartier befreit an der Lösung ihres Problems mithelfen konnte, lief er mit langen Schritten zum Hangar.


"Gleich haben wir es geschafft!", flüsterte Marc, der zusammen mit Radek so leise wie möglich durch die Gänge der großen Stadt schlich.
Sie hatten die Soldaten in den Jumper Hangar geschickt, ohne vorher darüber nachzudenken, dass dieser Raum recht weit entfernt von der Krankenstation lag.
David Spencer, der den Zweien hatte Mut zusprechen wollen, vertrat die Theorie, dass die Infizierten nicht mehr in der Lage waren, die Transporter zu nutzen.
So schlichen die beiden Herrn Doktoren leise und zügig durch die Gänge zu einem der Transporter. Dieser vermochte sie zwar nicht in die unmittelbare Nähe des Hangars zu bringen, dennoch war es nach Radeks Berechnungen den Virusträgern nicht möglich in der kurzen Zeit, die sie seit dem Ausfall der Quarantäne hatten, zu Fuß bereits in diesen Teil der Stadt vorgedrungen zu sein, in dem die Shuttlerampe lag.
Sobald sie den Transporter benutzt hatten, würden sie sich in vorübergehender Sicherheit befinden.
Als die Männer gerade um eine weitere Ecke bogen, kam der Transporter am Ende des Ganges in Sicht.
Ein Grossteil der Anspannung wich aus ihren Körpern. Sie hatten es hier her geschafft, ohne Konfrontation mit einem Virusträger!
Als hinter ihnen ein Geräusch erklang, blieben sie sofort stehen!
Starr und unbeweglich hofften sie, sich das nur eingebildet zu haben, doch als sich das Geräusch wiederholte, ließ das Adrenalin in ihren Adern sie schwindlig werden.
Schritte!
Sie näherten sich unaufhaltsam!
Dann verstummten sie abrupt und ihnen wurde klar, dass die betreffende Person direkt hinter ihnen stand.
Ein Mitarbeiter aus dem Labor?
Ein Arzt oder eine Schwester, die sich entschlossen hatten, doch mitzukommen?
David?
Radeks Hände zitterten und ein Seitenblick zu Marc zeigte ihm, dass es dem Arzt nicht anders erging. Der hatte die Augen geschlossen und die Hände zu Fäusten geballt.
Sollte er sich umdrehen?
Radek hatte nicht den Mut dazu. Nicht in diesem Moment, nicht jetzt, nicht hier.
Nicht in der Lage, einen vernünftigen Gedanken zustande zu bringen, sah er sehnsüchtig den Gang hinunter zu dem Transporter.
Er war nicht mehr als 20 vielleicht 25 Schritte von ihnen entfernt und doch außerhalb ihrer Reichweite.
Wieder näherte sich die Person hinter ihnen Schritt für Schritt.
Radeks Herz klopfte bis zum Hals.
Sollten sie weglaufen?
Auch Marc verspürte ein Kribbeln, welches sich seine Wirbelsäule hinauf schlängelte und dafür sorgte, dass sich jedes noch so kleine Haar auf seinem Rücken aufrichtete.
Als die Angst ihn vollkommen übermannte, packte er Radeks Arm und zog ihn mit sich herum, öffnete mit allem verbleibenden Mut seine Augen und… hätte sie am liebsten gleich wieder geschlossen!
Vor einer Sekunde war noch der Gedanke renn durch ihre Köpfe gegeistert.
Jetzt war jede Flucht zwecklos.
Radeks Lippen formten stumm den Anfang eines alten Gebetes, als er Marcs Hand fest und zittrig in der Seinen spürte.
Wehrlos ergaben sie sich ihrem Schicksal, als der ehemalige Runner Ronon mit einem überbreiten Lächeln weiter auf sie zu schritt…


Kapitel 13

Sie wusste nicht genau, wo sie hier war.
Alles war so vertraut und doch…
Immer schwerer viel es ihr, einen klaren Gedanken zu fassen und festzuhalten.
Fetzen von Erinnerungen, Fragmente von Bildern, gepaart mit zahllosen Emotionen, welche sie nicht zuordnen konnte.
Für Sekundenbruchteile war alles klar, dann verschwamm alles und hinterließ nur Konfusion.
Je mehr sie versuchte, einzelne Dinge in ihrem Kopf zu ordnen und sich an den vagen Erinnerungen festzuhalten, desto eher entglitten sie ihr.
Erst hatte sie dieser Zustand frustriert, doch jetzt waren alle störenden Gedanken von einem Nebel des Vergessens und der Gleichgültigkeit verhüllt.
Doch etwas trieb sie an.
Ließ sie weiter durch die Gänge streifen.
Ihr Geist war leer, doch ihr Verlangen nach diesem namenlosen Etwas war so enorm.
Es trieb sie weiter.
Sie musste es finden!
Ihr Verlangen danach befriedigen!


Um niemanden zu verletzen und sich dennoch verteidigen zu können, hatte Evan Lornes erster Weg zur Waffenkammer geführt.
Auf seinem Weg hierher war er keinem weiteren Soldaten begegnet, was ihn stutzig machte.
Er griff, noch immer in Gedanken, nach einem Wraith-Betäuber.
Dies hier war die am nächsten gelegene Waffenkammer, von den Wohnquartieren aus gesehen, und trotzdem fehlte noch keiner der anderen Betäuber.
War er wirklich der Erste hier?
Evan blickte auf seine Armbanduhr. Er würde den Anderen noch 10 Minuten geben.
Selbst wenn sie nicht so schnell hierher gelaufen waren wie er, sollte diese Zeitspanne doch ausreichen.
Da er nicht wusste, wer von ihren Teammitgliedern alles infiziert worden war, wollte er sich nicht unbedingt ohne Rückendeckung wieder in die Gänge der großen Stadt begeben.
Zu hoch war das Risiko einem Infizierten in die Arme zu laufen.
Als die 10 Minuten verstrichen und er immer noch allein in der Waffenkammer wartete, nagten doch so einige Zweifel an ihm.
Zwar hatte er die Warnung, welche Dr. Zelenka und, so schätzte er, die Leute aus der medizinischen Abteilung ihnen gegeben hatten, noch im Hinterkopf.
Das Virus wird durch Körperflüssigkeiten übertragen und von der Infizierung, bis zum Ausbruch der Krankheit liegen nur 20 Minuten.
Noch einmal schweifte Evans Blick auf seine Uhr.
Vor nicht mehr als 7 Minuten hatte er sein Quartier verlassen.
Wenn bereits Bewohner von Atlantis neu infiziert worden waren, so hatte er, wenn er das 10 Minuten warten in der Waffenkammer dazu rechnete, noch knapp 3 Minuten bis sie sich den anderen Virusträgern anschlossen.
Selbst wenn ich den Rest der Strecke laufe, in 3 Minuten ist das nicht zu schaffen.
In seinem Kopf ging er den Plan der Stadt noch einmal durch.
Welcher Weg war der schnellste?
Welcher wohl der sicherste?
Die Infizierten können nicht mehr klar denken, fielen ihm die Worte des unbekannten Mannes wieder ein.
Nicht mehr klar denken…
Evan glaubte, dass sich dies wohl weitestgehend auf die Wahrnehmung der Betroffenen bezog.
Wenn er mit dieser Theorie Recht hatte, so wären sie wohl auch nicht imstande die Transporter zu nutzen.
Doch das war nur eine Theorie.
Mit einem erneuten Blick auf die Uhr, waren seine letzten 4 Minuten des imaginären 10-Minuten-Countdowns abgelaufen.
Weiteres Warten würde seiner Situation kaum dienlich sein.
Er musste wohl oder über allein da raus und hoffen, dass er die Infizierten frühzeitig erkennen würde.
Erneut wurde ihm die Menge seiner ungeklärten Fragen bewusst.
"Major Lorne an Krankenstation, hört mich jemand?"
Nichts.
Ob es nun daran lag, dass einfach keiner auf seien Ruf antworten konnte oder der Angriff vor einigen Stunden für Schäden gesorgt hatte, Evan wusste es nicht.
"Lorne an Dr. Zelenka, bitte antworten Sie!"
Nichts.
Warum überraschte ihn das nicht wirklich?
Wie er diese Ungewissheit hasste!
Als sich die Tür der Waffenkammer vor ihm öffnete, zielte er erst nach rechts, dann blitzschnell nach links.
Der Gang war sauber.
Schnellen Schrittes eilte er weiter.
Unweit der Krankenstation war ein Transporter und dieser war Lornes nächstes Ziel.
Zuerst hatte er noch vorgehabt, der Krankenstation selbst einen Besuch abzustatten, um dort mal nach dem Rechten zu sehen, verwarf den Gedanken aber wieder, da es im Grunde genommen nur Zeitverschwendung war.
Wenn es dort noch gesunde Personen gab, so hatten sie sich sicher verbarrikadiert und wenn nicht…
Mit gezückter Waffe sicherte Evan den nächsten Gang und wünschte sich einmal mehr, dass diese schreckliche Situation, in der sich die Stadt befand, bald enden möge.
Lorne huschte einen weiteren Gang entlang.
Seine Sinne aufs äußerste gereizt, einerseits, um selbst keinen Laut von sich zu geben und andererseits, um jedes noch so kleine Geräusch wahrzunehmen.
Was in einer so künstlichen Umgebung wie hier schwer war. Die zahllosen Gänge verschluckten die meisten Geräusche komplett. Viel zu viele Nebengeräusche, produziert von allerlei Gerätschaften der Antiker…
Die reinste Kakophonie verwirrender Töne, die einem nicht auffiel, hörte man nicht genau hin.
Doch der junge Soldat hatte eine gute Ausbildung durchlaufen.
Er zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass er einen Angreifer rechtzeitig entdecken würde, noch bevor der ihn attackieren konnte.
Nein, nie hatte jemand an seinen Fähigkeiten gezweifelt.
Evan Lorne war in seiner Ausbildung stets als besonders talentiert betitelt worden.
Sein Einsatz hier auf Atlantis hatte von vorneherein festgestanden.
Sie hatten nach den besten Soldaten verlangt und sein Name hatte ganz weit oben auf der Auswahlliste gestanden.
Ein Geräusch, gefolgt von einer verschwommenen Silhouette, welche in einem weiteren Gang zu erkennen war!
Evan zielte, bereit auch auf einen Freund zu schießen, sollte man ihn dazu zwingen.
Das Herz des Majors klopfte, während er darauf wartete, dass sich die schemenhafte Gestallt erneut zeigte.
Schritte, leise und gleichmäßig, doch sie kamen nicht auf ihn zu. Im Gegenteil, mit jeder verstreichenden Sekunde wurden die Schritte leiser.
Lorne nützte die Deckung, welche ihm die Gabelung des Ganges bot, und späte in den hell beleuchteten Gang.
Die Person hatte ihn wohl tatsächlich nicht bemerkt, denn sie hatte den Gang schon fast bis zum Ende durchschritten.
Eine zierliche Gestalt - dunkles, halblanges Haar…
Dr. Weir!
Lornes anfängliche Besorgnis schlug in freudige Hoffnung um.
Die Leiterin von Atlantis war anscheinend ebenfalls auf dem Weg zum Transporter, von dem sie nur noch ein kurzes Stück Weg trennte.
Weir würde ihm all seine Fragen beantworten können, da war er sich sicher.
Evan ließ seine Waffe sinken und lief auf die dunkelhaarige Frau zu, die ihn aus irgendeinem Grund immer noch nicht wahrnahm.
Sanft aber bestimmt legte er Elizabeth eine Hand auf die Schulter und wollte ihr gerade mit beruhigender Stimme mitteilen, dass er noch kein Infizierter sein, als sie sich umdrehte und zuschlug!
Die Faust traf Lornes Schulter, der trotz seiner Überraschung hatte ausweichen können.
Mit erhobener Waffe trat er eilig einige Schritte zurück.
Ohne von seiner Waffe Notiz zu nehmen, streckte Elizabeth ihre Arme aus und ihre Finger griffen nach ihm.
Ein überbreites Grinsen hatte ihr sonst so schönes Gesicht entstellt und ihre Augen musterten den Major mit einem derart gierigen Blick, dass es ihn fröstelte.
"Bitte, stehen bleiben!", versuchte er vergeblich, die anscheinend infizierte Frau Doktor von sich fern zu halten.
Schritt für Schritt näherte sie sich, dann schoss er.
Weir geriet ins Wanken, fand jedoch das Gleichgewicht verblüffend schnell wieder. Ihre Augen fixierten den Angreifer und sie spurtete los.
Noch immer verblüfft, dass sein Schuss so gar nichts bewirkt hatte, wich Lorne erneut aus. Doch Elizabeth war darauf vorbreitet.
Sie holte aus und traf den unvorbereiteten Major erneut auf die Brust.
Lornes Gedanken überschlugen sich!
Sie benehmen sich irrational und extrem gewalttätig, so hatte er die Beschreibung der Infizierten im Kopf und der Arzt, welcher ihm diese Einschätzung mitgeteilt hatte, lag richtig.
Dr. Weir versuchte weiterhin, ihn zu verletzen, doch ihre Schläge waren ungenau und unüberlegt. Sie traf kaum, denn sie schien die Bewegungen ihres Gegenübers nicht abschätzen zu können.
Erneut wich Lorne aus, hastete rückwärts einige Schritte von Elizabeth fort, um ein sicheres Schussfeld zu bekommen.
Noch einmal traf eine glühendblaue Ladung aus der Energiewaffe auf die zierliche Frau.
Wieder zeigte sich keine Wirkung und Weir stürmte erneut auf ihn zu und wieder wich er aus. Geschickt und ohne dabei auch nur ins Schwitzen zu kommen, hätte er dieses Spiel noch stundenlang weiterführen können.
Evan überlegte fieberhaft, was er als nächstes machen sollte.
Sie K.o. schlagen?
Was, wenn er sie zu schwer verletzte?
Nein, dieses Risiko wollte er nicht eingehen. Nicht, solange er eine derart überlegene Position einnahm. Weir war keine wirkliche Bedrohung für ihn und doch erhöhte jede weitere vergeudete Minute die Chance auf weitere, gefährlichere Gegner zu stoßen.
Ohne eine wirksame Waffe blieb ihm nur der Nahkampf. Welcher ein erhebliches Risiko für beide Seiten darstellte.
Ich würde mich infizieren, sobald ich mit ihrem Blut in Kontakt komme!
Als ob Elizabeth seine Überlegungen gehört hätte, blieb sie stehen.
Das unnatürliche Lächeln war nicht von ihrem Gesicht zu wischen.
Wieder reckte sie die Hände nach dem, was sie mehr als alles in der Welt begehrte.
Ihn, sein Blut und sein Fleisch!
Lorne gab ihr jedoch nicht die Chance, einen neuerlichen Angriff auf ihn zu starten.
Die einzige Möglichkeit, die ihm blieb, wenn er Dr. Weir nicht verletzen wollte, war die Flucht.
Zwar, so erkannte Evan aus den Augenwinkeln, nahm Elizabeth die Verfolgung auf. Jedoch chancenlos den durchtrainierten Mann je zu erwischen.
Evans Lauf stoppte unweit des Transporters.
Vor ihm erkannte er weitere Personen im Gang.
Ronon, Zelenka und ein ihm unbekannter, in einem weißen Kittel gekleideter, Mann.
Wenn Elizabeth infiziert war, so bestimmt auch Ronon, der sogar zum Team des Colonels gehörte, welches als erstes Kontakt mit dem fremdartigen Erreger gehabt hatte.
Den Gesichtsausdruck der beiden Herren zu schließen, hatten sie die Gefahr erkannt, welche sich ihnen in Form des ehemaligen Runners näherte.
Flucht schienen sie bereits ausgeschlossen zu haben, denn sie hielten ihre Augen krampfhaft geschlossen, während sie bewegungslos ihr Schicksal erwarteten.
Ronon, welcher derart auf sein Ziel in Form des Wissenschaftlers und des Arztes fixiert war, bemerkte den sich nähernden Angreifer nicht.
Ohne zu zögern, warf sich Evan mit all seiner Kraft gegen den stämmigen Körper Ronons.
Dieser stürzte, blieb jedoch nicht besonders lange liegen.
Niemand hätte Evan in Sachen Nahkampf einen stärkeren Schauer über den Rücken laufen lassen können als Ronon Dex.
Bevor Ronon sich erneut aufrichten konnte, trat Evan zu und beförderte in zurück auf den Boden.
Er hatte nicht die geringste Lust jetzt und hier herausfinden zu müssen, wer wohl besser im Nahkampf ausgebildet worden war.
So packte Evan die beiden Herren, die durch ihre geschlossenen Augen ihre eigene Rettung verpasst hatten, und zog sie ruckartig hinter sich her.
Verdutzt über das, was gerade geschah, öffnete Radek seine Augen und erkannte einen uniformierten Mann, welcher sie zum Transporter zog.
Ronon, den der Soldat offensichtlich zu Boden geschickt hatte, rappelte sich bereits wieder auf und begann seine Verfolgung.
"Laufen Sie schon!", hörte er die aufgebrachte Stimme des Soldaten.
Noch im Umdrehen erkannte Radek Elizabeth, welche ebenfalls den Gang entlang stürmte.
Zwei Infizierte, als ob Ronon nicht völlig ausgereicht hätte, um ihre Situation zu verschlechtern.
Das viele Adrenalin in Radeks Körper, die Tatsache, dass der Transporter nur noch ein paar wenige Schritte von ihnen entfernt lag, erschien ihm nach all den schrecklichen Ereignissen so völlig unreal. Wie in einem Traum. Diese Art von Traum, in der man wusste, dass man träumte und alles nach seinen Gunsten steuern konnte.
Die holen uns nicht mehr ein!
Euphorisch lief Radek weiter.
Lorne erreichte als Erstes die Transporterplattform.
Viel zu langsam öffnete sich die Kontrolltafel und ohne lange zu überlegen, wohin sie gehen sollte, tippte er einfach blindlings auf die Kontrollen.
Nichts?!
Die Tür des Transporters stand weiterhin offen!
Wahrscheinlich ein weiteres, von dem Angriff beschädigtes System.
Ronon verlangsamte seinen Schritt und Elizabeth holte zu ihm auf.
Sie waren gefangen!
Beute in einem Käfig!
Der Hoffnungslosigkeit erlegen, schloss Radek erneut seine Augen.
Marc griff nach dem Arm des Majors und ihre Blicke trafen sich.
Alles war umsonst gewesen. Sie hatten die Unterstützung des Militärs gewollt und jetzt war ein Soldat hier und er würde mit ihnen sterben!
Die Infizierung hatte einen Grad erreicht, an dem nur noch ein Instinkt im Kopf der betroffenen Personen vorherrschte.
Fressen!
Die Gier nach ihnen, als Nahrung!
Wie Zombies oder wie die Wraith! Das lief so ziemlich auf dasselbe hinaus.
Evan erkannte im Blick des Arztes dessen unausgesprochene Worte.
Wir werden hier sterben!
Sekunden, in denen Evan noch über einen Fluchtweg nachgedacht hatte, verblassten, als die Infizierten unmittelbar vor ihnen standen.
Der letzte Rest Hoffnung verschwand aus Evans Seele, als er die Augen schloss.
Ein leises, vertrautes Geräusch drang an Evans Ohr, als…


Kapitel 14

Ein zischendes Geräusch, das Gefühl, als ob man für Sekundenbruchteile das Bewusstsein verlieren würde…
Aber der erwartete Schmerz einer Attacke blieb aus.
Evan öffnete die Augen und brauchte einige Zeit, alle Fakten begreifen und richtig einordnen zu können.
Die Tür des Transporters war nach wie vor offen, doch keine Spur von den Virusträgern. Vor ihnen erstreckte sich ein heller, langer und vor allem leerer Gang.
Langsam dämmerte es Evan. Das Geräusch, welches er gerade noch vernommen hatte und in den wenigen Sekunden nicht zuzuordnen vermochte, war das Schließen der Transportertür gewesen.
Offenbar hatte es nur eine Verzögerung und keinen Totalausfall des Systems gegeben.
Die Erleichterung durchflutete ihn wie eine Welle und ließ ihn erneut schwindeln. Er war schon oft dem Tod entronnen und bei vielen Gelegenheiten war es auch sehr knapp gewesen.
Doch beinahe als Zombiefutter zu enden, war eine neue Erfahrung führ ihn gewesen.
So etwas erlebt man hoffentlich nur einmal im Leben, dachte er.
Der Mann im weißen Kittel hielt sich immer noch an Lornes Arm fest. Trotz des dicken Jackenstoffs konnte Evan das Zittern der Hände des Arztes spüren.
Mit einem Lächeln tätschelte er kurz die Hand des anderen Mannes und meinte dann überschwänglich: "Sie können Ihre Augen gerne wieder aufmachen, meine Herren. Wir sind in Sicherheit."
Gleichzeitig öffneten Marc und Radek ihre Augen und auch sie brauchten einige Zeit, um zu verarbeiten, dass der Soldat Recht hatte.
Marc spürte die Belastung, welche seinen Brustkorb zusammengeschnürt und ihm die Luft geraubt hatte, schlagartig von sich abfallen.
Ein unbeschreibliches Glücksgefühl durchströmte ihn.
Doch er konnte nicht aufhören zu zittern.
Seine Knie waren plötzlich wie aus Gummi und trugen sein Gewicht kaum noch.
Er gab dem Drang nach und sank zu Boden.
Seinen Kopf an das kalte Metal des Transporters gelehnt, vergrub er sein Gesicht in seinen Händen.
Evan kniete sich neben den Arzt, dem diese Situation und ihre knappe Rettung offensichtlich zu viel geworden war.
"Alles in Ordnung?", fragte er mitfühlend.
Zu oft vergas er, dass der Großteil des Personals dieser Mission aus Zivilisten bestand.
Einfache Menschen, für die Haushaltsunfälle oder mal ein Knochenbruch bei einem Treppensturz die einzigen Gefahren waren, mit denen sie sich normalerweise konfrontiert sahen.
"Hören Sie, jetzt wird alles gut. Ich bin bei Ihnen und wir begeben uns jetzt gemeinsam in Sicherheit."
Doch der Arzt schien ihn nicht zu hören.
"Wir leben noch!", flüsterte er immer wieder.
"Wir leben noch!"
Evan blickte zu Radek, welcher die Augen immer noch, oder schon wieder, geschlossen hatte und an die Wand gelehnt da stand.
In den letzten Stunden war so vieles passiert und das wenigste davon hatte Radek schon verarbeiten können.
Um ehrlich zu sein, er hatte im Moment auch keine große Lust dazu.
Die Infizierung der Kommandozentrale, der Angriff von Ratsherrn Kemal, die Begegnung mit Ronon eben…
Nein, darüber wollte er noch gar nicht nachdenken.
Lass es nicht an dich rann! Denk nicht darüber nach!
Würde er jetzt anfangen, all die Ereignisse Revue passieren zu lassen, würde er wohl daran zerbrechen.
Irgendwann, wenn alles wieder seinem gewohnten Gang folgte, würde er ein langes Gespräch mit Dr. Heightmeyer führen.
Die Gelegenheit, sich all die Geschehnisse noch einmal in Erinnerung zu rufen, um sie mit fachkundiger Hilfe zu verarbeiten.
Sie waren gerettet und nur darauf kam es jetzt an.
Weitermachen, so lautete die Devise.
Doch leichter gesagt, als getan.
Der Geist war willig, aber sein Körper gehorchte ihm noch nicht.
Hätte er nur einen Schritt von der Wand fort gemacht, er wäre wohl unter seinem eigenen Körpergewicht zusammengesackt.
"Wir müssen jetzt gehen!", hörte Radek die Stimme des Soldaten, welcher ihnen vor wenigen Sekunden das Leben gerettet hatte.
Sein Name, so vermutete der Wissenschaftler, war Lorne. Major Lorne, wenn ihn nicht alles täuschte.
Radek öffnete seine Augen und erkannte, dass es Marc wohl nicht viel besser erging. Dieser saß schluchzend auf dem Boden. Anscheinend waren über ihm die Ereignisse bereits zusammengebrochen. Radek wusste, dass ihm das noch bevor stand.
Denk nicht darüber nach!
"Hören Sie mir zu, wir befinden uns noch nicht in Sicherheit! Wir sind den Infizierten fürs Erste entkommen, doch wenn wir noch lange hier warten, kommen sie wieder!"
Der Major hatte natürlich Recht.
Das wussten Marc und Radek gleichermaßen.
"Reißen Sie sich zusammen!", schrie sie der junge Soldat an.
Wenn er mit Höflichkeit und seinen aufmunternden Worten nichts erreichen konnte, versuchte er es eben mit dem Befehlston.
Sie mussten hier weg und zwar sofort!
Unsanft packte Evan Radek am Arm und warf ihn förmlich aus dem Transporter. Dann zog er den Arzt auf die Beine und schleppte ihn hinter sich her.
"Wir gehen jetzt zum Hangar!", verkündete Evan in einem Ton, der den Zivilisten hoffentlich seine Zuversicht demonstrierte und ihnen auch jedweden Möglichkeit des Einspruchs nahm.
Niemand sprach ein Wort, während sie schnellen Schrittes ihr Ziel anstrebten.
Marcs erste Welle der puren Erleichterung war abgeflaut. Er hatte zwar die Ereignisse immer noch nicht richtig verdaut, aber zumindest hatte er in die Realität zurück gefunden.
Sie durften ihre Mission jetzt nicht gefährden.
Gedanken konnten sie sich später machen.
Auch Radek schien seine anfängliche Starre überwunden zu haben und sein Gehirn arbeitete bereits fieberhaft an dem letzten Stück Weg, das noch vor ihnen lag.


Als sich die Hangartüren vor dem Trio öffneten, richteten sich die Mündungen mehrer Waffen auf sie.
Evan war erleichtert. Verstärkung!
Die Anwesenden senkten beim Anblick ihres Vorgesetzten sogleich die Waffen.
"Sir, was geht hier vor?", fragte eine junge Frau im Rang eines Lieutenant.
Evan hob beschwichtigend die Hände.
"Keine Sorge, meine Damen und Herren. Wir werden gleich alles aufklären." So hoffte er zumindest.
"Also, zuerst einmal", begann Marc, der nun endlich wieder voll bei der Sache war, "hatte einer von Ihnen Kontakt mit einer infizierten Person?"
Marc sah in die Runde. Niemand meldete sich.
Ein klein wenig erleichtert und immer in der Annahme, dass niemand in dieser Runde ihn in solchen Sachen belügen würde, atmete er entspannt die angehaltene Luft aus.
"Schön, dann berichten Sie uns bitte!", forderte Evan seine beiden Begleiter auf.
Radek blickte kurz hinüber zu Marc. Dieser nickte ihm zu und deutete ihm somit, den nicht-medizinischen Teil des Berichts ungeniert übernehmen zu können.
"Gut, also… wo fang' ich an? Das Team von Colonel Sheppard brachte gestern einen Virus mit durch das Tor. Die Stadt leitete sogleich die Quarantäne ein und schnitt uns von der Kommandozentrale ab."
"Wer wurde alles infiziert?", erkundigte sich ein anderer Soldat.
Diese Frage hatte auch Evan vom ersten Moment an auf der Zunge gelegen. Gespannt wartete er auf eine Antwort, obwohl er sich die bereits denken konnte. Nach seinem Treffen mir Dr. Weir und Ronon glaubte er kaum, dass es noch Hoffnung für die restlichen Personen gab, die sich zu der Zeit im Torraum befunden hatten.
"Colonel Sheppards Team und das gesamte Torraumpersonal ist betroffen. Darunter wurden auch noch die Soldaten Kobschätzky und Firo sowie Dr. Colao und Dr. Beckett infiziert."
Man sah den Soldaten an, dass sie nicht mit einer Katastrophe dieses Ausmaßes gerechnet hatten.
Nun, Radek konnte ihnen das nicht verübeln. Ihn würde diese Geschichte wohl auch umhauen, wäre er nicht von Anfang an dabei gewesen.
"Was war mit dem Angriff auf die Stadt vor einigen Stunden?", frage Lorne nach, als Zelenka kurz schwieg.
"Der Angriff, ja, also ein Raumschiff, das, so muss ich gestehen, sich immer noch im Orbit befindet…"
"Noch im Orbit?", hakte ein Soldat nach.
"Heißt das, es geht immer noch eine Gefahr für uns von diesem Schiff aus?"
Radek konnte nur nicken.
Die Soldaten begannen aufgebracht miteinander zu sprechen.
Evan rief sie wieder zur Ruhe.
"Lassen Sie den Herrn weiter erklären.", bat er.
"Dieses Schiff wird von dem Ratsherrn Kemal kommandiert. Die genauen Beweggründe, die zum Angriff auf unsere Stadt führten, kenne ich nicht. Doch in Kemals Interesse liegt die Ausrottung des Virus, das offensichtlich auch auf seinem Planeten zu einer Infizierung der Bevölkerung geführt hat. Den Ärzten dieser Welt ist es nicht gelungen ein Gegenmittel herzustellen und daher sahen sie wohl die einzige Chance, eine galaxisweite Verbreitung der Krankheit zu verhindern, darin, alle Infizierten zu beseitigen."
Wieder wurden die Stimmen der Soldaten im Hangar laut.
"Können wir ein Gegenmittel herstellen?", fragte erneut der weibliche Lieutenant.
"Unter den jetzigen Voraussetzungen nicht", erklärte Dr. Steffens.
"Wir konnten mit dem Ratsherrn über die Notfunksendeanlage im Lagerraum 3 Kontakt aufnehmen. Sie teilten uns ihre Forschungsergebnisse mit und räumten uns eine begrenzte Frist ein, in der wir uns wieder bei ihnen melden sollen."
"Sie sagten, Doktor, dass Sie nicht in der Lage wären, ein Heilmittel herzustellen", richtete Evan sein Wort an den Arzt.
"Das ist korrekt.", bestätigte ihm dieser.
"Wenn wir das diesem Kemal so mitteilen, wird er doch ohne zu überlegen, das Feuer erneut auf uns eröffnen.", gab Lorne zu bedenken.
"Ja, also da haben wir uns schon was überlegt", meldete sich Zelenka.
"Wie Dr. Steffens vorher bereits formulierte, ist es uns lediglich zum gegebenen Zeitpunkt nicht möglich, ein Gegenmittel herzustellen. Eine wichtige Komponente für die Forschung fehlt uns noch. Doch wenn es uns gelingt, Kemal davon zu überzeugen, uns bei der Suche danach zu helfen, könnten wir es in der verbleibenden Zeit schaffen."
"Warum brauchen wir dazu diesen Kemal, wäre es nicht wesentlich einfacher und auch sicherer für uns, das ganze allein durchzuziehen?"
"Moment Mal, verbleibende Zeit, was soll das heißen?"
Eine Menge berechtigter Fragen auf einmal.
Erneut tauschten Radek und Marc einen kurzen Blick aus.
"Nach der Infizierung bleiben dem Betroffenen genau 48 Stunden. Ist diese Zeitspanne überschritten, ist eine Heilung ausgeschlossen", beantwortete Marc die medizinische Frage zuerst.
Gut ein Dutzend betretene Gesichter musterten ihn in diesem Moment.
Als Arzt war er schon oft gezwungen gewesen, schlechte Nachrichten zum Beispiel an Angehörige weiterzugeben.
Eine unschöne Seite seines Jobs.
"Wie viel Zeit bleibt uns noch?", hackte Lorne nach.
Dieses Mal übernahm Radek den Part, eine weitere schlechte Neuigkeit kund zu tun.
"Uns bleiben keine 20 Stunden mehr."
Im ersten Augenblick hatte Lorne mit einer wesendlich schlechteren Nachricht gerechnet. 20 Stunden klangen zwar nicht wie eine Ewigkeit, aber auch nicht wie eine unlösbare Aufgabe.
Doch dann stellte jemand die alles entscheidende Frage: "20 Stunden für was?"
Weder Marc noch Radek konnten darauf sofort antworten.
"Was uns zu der vorherigen Frage zurück bringt, warum wir Kemal und sein Schiff brauchen. Die Jumper verfügen lediglich über Sublichtmotoren, was uns unsere Mission unmöglich macht. Erst das Auftauchen von Kemals Schiff verlieh uns die Möglichkeit, in der verbleibenden Zeit zu einem anderen Planeten zu reisen."
Radek stoppte in seiner Erklärung, um kurz nach den richtigen Worten zu suchen.
"Warum gehen wir nicht einfach durch das Stargate, wenn wir für die Beschaffung des Heilmittels auf einen anderen Planeten müssen?", wurde nachgefragt.
Guter Einwand, dachte Radek.
"Das mag zwar jetzt aus dem Mund eines Wissenschaftlers etwas seltsam klingen, aber ein Jumper würde uns doch einen gewaltigen, taktischen Vorteil verschaffen."
"Kommen Sie endlich zum Punkt, Dr. Zelenka! Wozu haben wir noch 20 Stunden? Ein taktischer Vorteil für welche Situation? Und warum brauchen wir diesen Kemal?"
Evan verlor langsam die Geduld!
Er verstand nicht, warum der Wissenschaftler so herum druckste. Konnte er nicht einfach alle relevanten Daten offen auf den Tisch legen?
Sie waren alle erwachsene Soldaten. Wie auch immer die Fakten aussahen, sie konnten damit umgehen.
Radek befeuchtete seine trockenen Lippen.
Die Stunde der Wahrheit war gekommen. Jetzt entschied sich, ob ihr Plan aufgehen konnte oder ihn die Soldaten für undurchführbar hielten.
Aber selbst wenn, sie würden es versuchen. Sie würden es alle versuchen und wenn sie bei dem Versuch umkamen. So starben sie mit der Gewissheit, nichts für die Rettung ihrer Freunde unversucht gelassen zu haben.
"Wir brauchen einen Wraith, möglichst einen lebenden."
Jetzt war es raus.
"Warum?", kam sogleich die verdutzte Gegenfrage.
Diese Frage, so deutete Marc, würde er beantworten.
"Die Rebil, die Erschaffer dieses Virus, bedienten sich einem Medizinprodukt der Antiker. Sie haben damit herumexperimentiert und dem Grundprodukt unter anderem Wraith-DNA beigefügt. Womit wohl klar wäre, warum wir den Wraith für unsere Forschungen brauchen, wenn wir ein Gegenmittel herstellen möchten."
"Haben wir denn keine Proben von Wraith-DNA? Ich meine, wir hatten doch genügend Gelegenheiten, an solche Proben zu gelangen?"
Marc nickte und gab dem Soldaten vom Prinzip her Recht.
"Das stimmt an sich schon. Wir haben Proben von Wraith-DNA und der Rest meiner Kollegen, welche vor der Quarantäne bereits in der Krankenstation befanden, arbeiten auch bereits mit diesen. Doch sie werden nicht reichen. Mit den wenigen, uns zur Verfügung stehenden Proben wäre es ein enormer Glücksfall, gleich die richtige Zusammensetzug aller Inhaltsstoffe, welche die Rebil verwendeten, heraus zu bekommen. Dann brauchen wir natürlich auch noch eine ganze Menge der DNA für das Gegenmittel selbst."
Stille legte sich über die große Halle.
"Na, wenn es weiter nichts ist, als ein Wraith", meinte ein bekümmert wirkender Soldat in sarkastischem Tonfall.
Evan zweifelte zwar nicht an der Theorie dieses Plans, doch die Ausführung erschien ihm mehr als kompliziert.
Dennoch nicht unmöglich.
Fest stand, ihnen blieb gar keine andere Wahl, als dieses Himmelfahrtskommando durchzuführen und je länger sie hier untätig verweilten, desto mehr wertvolle Zeit ging ihnen verloren.
"Na schön, Ladys und Gentlemen, fangen wir einen Wraith!"


Fortsetzung: Kapitel 2
Kapitel 2 by Belanna
Author's Notes:
Short-Cut: Wird es dem Team von Radek und Lorne gelingen in der verbleibenden Zeit einen Wraith gefangen zu nehmen, oder scheitert ihr verzweifelter Versuch an der Ãœbermacht des Feindes?
Author's Note:Falls die medizinischen Zusammenhänge dieser Story nicht immer korrekt sind, entschuldige ich mich dafür, ich hab leider nicht das nötige Fachwissen. Aber ich hab mich bemüht, alles plausibel klingen zu lassen.
Mein herzlichster Dank geht an dieser Stelle wieder an Lenari, fürs Betalesen und für die vielen hilfreichen Tipps. Viel Spaß beim Lesen von Teil 2 und bitte gebt mir reichlich Kritik. Positiv wie negativ, ich nehm alles solang es konstruktiv ist.

The death walks, Teil 2 - Gejagter Jäger


Kapitel 1.
Grelles Licht flutete den Jumperhangar, als sich das kleine Schiff der Dachluke näherte. Fast lautlos schwebte es einen Moment über der Stadt, bis sein zügiger Steigflug begann.
Der fast sehnsüchtige Blick Radeks haftete auf dem immer kleiner werdenden Fleck inmitten des blauen Ozeans.
Die Bindung, welche er in den fast zwei Jahren zu dieser außergewöhnlichen Stadt hatte herstellen können, erinnerte ihn schon fast an die Bande, welche ihn mit seiner Heimat verknüpften.
Der ländlich gehaltene kleine Ort, an dem er aufgewachsen war, wie sehr hatte er ihn doch die erste Zeit vermisst.
Sein bisher gefährlichster Außenwelt-Einsatz stand unmittelbar bevor und der bloße Gedanke, Atlantis mit all seinen Geheimnissen vielleicht für immer hinter sich zurücklassen zu müssen, rief ein schmerzhaftes Gefühl in ihm hervor.
Das gleiche Gefühl wie damals, als er ohne zu wissen, ob er die Erde und sein Zuhause jemals wieder sehen würde, hierher aufgebrochen war.
Du hast die Erde wieder gesehen und du wirst Atlantis wieder sehen!
Seine Gedanken waren voll Zuversicht, doch das beklemmende Gefühl des Verlustes haftete weiterhin wie ein Schatten auf seiner Seele.
Mühelos verließ der Jumper die Atmosphäre, wurde von der kalten Schwärze des Alls empfangen.
Vor dem sternenreichen Hintergrund zeichnete sich ein gewaltiges Raumschiff ab.
In seinen Maßen war es gut zweimal so groß wie die Daedalus.
Der Schiffsrumpf war in einer ovalen Form gehalten, die zur Front des Schiffes hin spitz zulief. Darunter verlief eine breite, röhrenförmige Sektion mit einem Satz Zwillingsantriebsgondeln.
Das Schiff wirkte keineswegs elegant oder in irgendeiner Form beeindruckend.
Es erweckte eher den Anschein, als wären die unterschiedlichsten Komponenten wild zusammengewürfelt und zu einem zweckmäßigen Gebilde vereint worden, ohne Wert auf Ästhetik zu legen.
Was die Zweckmäßigkeit betraf, so huschte das Wort >Arche< kurz durch Radeks Geist.
Die Hashepsto war der Versuch einer Zivilisation, ihr blankes Überleben zu sichern. In einer Galaxie, in welcher Fortschritt ansonsten einem Todesurteil gleich kam.
Zur gegebenen Zeit würde Radek, um seine Neugierde zu befriedigen, vorsichtig nachfragen, wie Kemals Volk der Bau der Hashepsto unter den sonst so strengen Blicken der Wraith geglückt war.

"Wir werden gerufen.", meldete Major Lorne, der den Platz des Piloten eingenommen hatte. Was ansonsten Sheppards Job gewesen wäre, war heute der seine. Nun bekam Kemals Stimme endlich ein Gesicht. Ein älterer Mann mit einem vom Leben gezeichneten Gesicht. Zwischen sein kurzes, ergrautes Haar mischten sich vereinzelt noch schwarze Strähnen. Seine Stirn lag in Falten und klare, blaue Augen musterten die Besatzung des Jumpers misstrauisch genau.
"Ich bin Rastherr Kemal. Wer von Ihnen ist Dr. Radek Zelenka?"
Kurzfristig verwirrt, dass Kemal gerade mit ihm sprechen wollte, schob Radek sich in das Blickfeld.
Er nahm an, dass er als Zivilist wohl weniger bedrohlich wirkte, als die Militärs in ihren Uniformen.
Auch war er es gewesen, der den ersten Kontakt zu Kemal gesucht hatte und diesen davon hatte überzeugen können, dass in den fähigen Leuten von Atlantis die Rettung für sie alle verborgen lag.
Radek setzte ein unsicheres Lächeln auf und nickte dem Ratsherrn höflich zu.
"Ich bin Radek Zelenka."
Die wachen, blauen Augen Kemals waren nun streng auf Radek gerichtet, als er fortfuhr: "Wir dachten schon, Sie melden sich nicht mehr. Die Ihnen gegebenen Frist wäre in 3 Minuten abgelaufen. Freut mich, dass Sie es doch noch geschafft haben. Bitte berichten Sie uns von Ihren Ergebnissen."
Radeks Blick suchte und fand den des jungen Arztes, welcher zwischen den Soldaten im hinteren Teil des Schiffes saß.
Radek deutete ihm, sich ebenfalls in Kemals Blickfeld zu begeben.
"Ratsherr, dies ist Dr. Steffens. Er hat sich zusammen mit seinen Kollegen eingehend mit den von Ihnen gesendeten Daten, und auch den unseren, über das Virus informiert."
Marc war nun neben Radek angekommen und grüßte Kemal ebenfalls mit einer leicht angedeuteten Verbeugung.
"Ratsherr, wir besitzen bereits Proben von Wraith-DNA. Die in der Stadt verbliebenen Mediziner beschäftigen sich bereits damit."
"Haben Sie zum jetzigen Zeitpunkt ein Gegenmittel oder nicht?" Kemals Stimme klang streng und sein Gesicht verriet seine deutlich wachsende Ungeduld.
Wenn sich herausstellte, dass das Warten auf die Menschen dieser Welt nichts weiter als eine große Zeitverschwendung darstellte, die keinerlei nennenswerte Ergebnisse zutage fördern würde, hätte Kemal bereits viele seiner einst so gut gemischten Karten verspielt.
Das Zögern der Menschen hier trug somit maßgeblich zu seiner schlechten Stimmung bei.
"Bitte Ratsherr, wenn Sie es uns gestatten würden, an Bord Ihres Schiffes zu kommen, könnten wir Ihnen und Ihren Ärzten unsere bisherigen Erkenntnisse mitteilen.", bat Radek.
"Nein.", war alles womit der Ratsherr Radeks Bitte quittierte.
Lorne verkniff sich ein Seufzen und schluckte einen etwas unhöflichen Kommentar hinunter.
Diese Mission, zu deren Ausführung sie hier waren, schien zu scheitern, bevor sie begonnen hatte.
Was dem Major ein ungutes Gefühl bescherte.
Wenn Kemal nicht drauf einging, gingen ihnen die Optionen aus.
Radek, der immer noch nicht wusste, wie er antworten sollte, mied den prüfenden Blick Kemals.
Obwohl ihm bewusst war, dass den Blick seines Gegenübers zu meiden, ein schlechtes Signal aussendete, konnte er seine Augen nicht gleich wieder auf den Bildschirm richten.
"Ratsherr Kemal, wie Dr. Steffens bereits betonte, arbeiten unsere Mediziner noch an einem Gegenmittel."
"Wird dessen Fertigstellung in den nächsten Stunden zu erwarten sein?", kam die Gegenfrage.
"Nein, leider muss ich das verneinen. Wir bräuchten beträchtlich größere Mengen an DAN-Proben, um die Forschung dahingehend auszuweiten."
Schweigen folgte diesen Worten.
"Sie haben also lediglich unsere kostbare Zeit verschwendet?", begann der Ratsherr wütend.
"Nein, nein so ist es nicht!", unterbrachen ihn Marc und Radek fast gleichzeitig.
"Es verbleiben noch ca. 19 Stunden bis die Bevölkerung unserer Welt die Deadline von 48 Stunden überschreitet. Ich weiß natürlich nicht, wann in Ihrer Welt die ersten Infizierungen stattgefunden haben, aber denken Sie an die vielen Leben, die wir zusammen zu retten vermögen!", gab Marc dem Politiker zu bedenken.
Man konnte sehen, wie sich hinter Kemal eine Gestalt rührte. Ein, in einen weißen Kittel gekleideter Mann trat zu dem Ratsherrn.
"Uns bleibt sogar noch mehr Zeit zur Heilung als diesem Volk.", sprach er leise zu dem Anführer ihrer Nation.
Dr. Mulat hoffte inständig, dass die Fremden es vermochten, Kemal die Rettung aller Betroffenen so schmackhaft wie möglich zu machen.
"Wie lautet Ihr Plan?", erkundigte sich Kemal ohne auf Mulats Anmerkung einzugehen.
"Sie gestatten es uns immer noch nicht, dieses Gespräch von Angesicht zu Angesicht auf Ihrem Schiff fortzusetzen?", hakte Radek nach.
"Teilen Sie mir jetzt Ihren Plan mit, oder nicht?" Der Politiker ließ sich nicht beirren und wich keinen Millimeter von seinem ursprünglichen Standpunkt zurück.
"Wir haben mit unseren Tiefraumsensoren mehrere Wraithschiffe beobachtet. Uns ist es gelungen zu berechnen, wie lange sich ihre Schiffe im Hyperraum aufhalten können und welche Planeten unmittelbar auf ihrer Rute liegen. Somit haben wir etwa ein halbes Dutzend möglicher Planeten, die unmittelbar vor einem Wraithangriff stehen. Gelingt es uns, frühzeitig an einem dieser Planeten einzutreffen, sind unsere Soldaten in der Lage, einen Wraith gefangen zu nehmen. Damit diese Vorhaben aber in der noch verbleibenden Zeit zu schaffen ist, brauchen wir Ihr Schiff. Die Wraith wählen das Stargate nämlich an, sobald sie einen Planeten angreifen, um ein Entkommen ihrer >Beute< zu verhindern. Müssten wir den Angriff also am Boden abwarten, würde uns kostbare Zeit verloren gehen."
Radek beendete seinen Vortrag und wartete gespannt Kemals nächste Reaktion ab.
Dieser hatte ausdruckslos den Ausführungen des Wissenschaftlers gelauscht.
"Der Begriff >Stargate< ist mir nicht vertraut. Ebenso wenig glaube ich daran, dass Ihren Soldaten ein derartiges Komplott gegen die Wraith gelingen könnte."
"Ratsherr Kemal, ich bin Major Evan Lorne, Leiter des militärischen Teams, welches eben dieses Komplott durchführen wird. Bitte glauben Sie mir, das wäre nicht der erste Wraith, den wir gefangen nehmen würden. Wir sind durchaus in der Lage dazu."
Kemal beäugte den Major misstrauisch. Er war nie ein Freund des Militärs gewesen und dieser unscheinbare Bursche, welcher so große Worte spuckte, schien ihm überhaupt nicht erfahren genug und schlichtweg zu jung und zu überheblich zu sein. Nie würde er ihm so eine Mission zutrauen.
"Wenn ich erklären dürfte, Stargate ist unser Begriff für den Ring der Vorfahren.", setzte Radek seine Erklärung an, als er merkte, dass Kemals Blick unentwegt nachdenklich auf Major Lorne haftete.
"Ring der Vorfahren ist mir ein Begriff. Doch wir haben seine Funktionsweise nie ergründet. Nur wenige Aufzeichnungen berichten von früher, als unser Volk den Ring noch benutzte. Uns ist nicht bewusst, dass die Wraith dies ebenfalls tun."
"Dann werden Sie uns helfen?", hakte Radek vorsichtig nach.
"Nein.", war erneut Kemals schlichte Antwort.
"Warum nicht?" Evans Stimme erinnerte Radek an ein schmollendes Kind. Schnell überlegte er, wie er den doch etwas patzigen Ton es Soldaten kompensieren konnte, damit sie Kemals Aufmerksamkeit nicht verloren.
Über Kemals Lippen huschte ein Lächeln. Auch auf ihn machte der Soldat, der vor weinigen Minuten noch zuversichtlich die Gefangennahme eines Wraith angekündigt hatte, den Eindruck eines Kindes, welchem man Süßigkeiten vorenthalten hatte. Doch die unverdorbene und energiegeladene Art der Jugend ließ ein Feuer in den braunen Augen des Soldaten lodern, wie es Kemal einst bei sich festgestellt hatte.
Das machte den Mann dann doch durchaus sympathisch.
Auch die Hartnäckigkeit dieser Menschen verblüffte und bewunderte Kemal zugleich.
Sie waren ihm wirklich durchaus sympathisch.
Sympathisch genug, ihnen etwas zuteil werden zu lassen, was er kaum jemanden seines Volkes gegenüber je angeboten hätte.
Eine Rechtfertigung.
"Mein Volk ist auf einem Planeten heimisch, welchem die Grundlagen für das menschliche Leben fast gänzlich fehlen. Die Sensoren der Wraith vermögen es nicht, uns unter der Oberfläche aufzuspüren. Daher leben wir seit Generationen zwar mit strengen Gesetzen, aber immerhin in Frieden und Freiheit. Auch wenn ich dieser Seuche einen Grossteil meiner Bevölkerung opfern muss, hab ich doch die Hoffnung, dass, sobald die Infizierten in dieser Galaxie ausgerottet sind, genügend Zeit verstrichen ist und die Infizierten unserer Heimat bereits verhungert sind. Wenn die Wraith die Hashepsto bis zu jenem Moment noch nicht bemerkt haben, können Quarantäneteams die toten Infizierten beseitigen und mein Volk in die Sicherheit des Untergrundes zurückkehren. Diese Chance werde ich nicht verstreichen lassen für den lediglich vagen Versuch, einen Wraith gefangen zu nehmen und somit in der bleibenden Zeit ein Heilmittel zu finden."
Dr. Mulat schüttelte, sichtbar unbegeistert über den Ausgang der Gespräche, seinen Kopf.
Kommandant Shigeru, Oberbefehlshaber der Atagra-Garde, welcher am Kontrollpult für die taktischen Daten der Hashepsto saß, schüttelte ebenfalls resigniert seinen Kopf.
Ebenso wie der Doktor hatte auch er gehofft, man könnte den Ratsherrn noch umstimmen.
Schon wenige Stunden nach Beginn ihrer Mission, noch lange bevor sie Ranagarr als erstes potenzielles Ziel erreicht hatten, hatte er ein Gespräch mit Kemal gesucht.
Shigeru hatte dem Ratsherrn seine Bedenken bezüglich ihrer Mission unverblümt kundgetan.
Nie könnte es ihnen gelingen, auch nur die Hälfte der ihnen als infiziert bekannten Welten zu säubern, bevor die Wraith sie bemerkten.
Auch die Atagra verfügten über Tiefraumsensoren und ihre Wissenschaftler hatten seit dem Beginn ihrer Aufzeichnungen nie ein derartig reges Treiben der Wraith dokumentiert.
Sie würden scheitern und die Hashepsto an die Übermacht des Feindes verlieren.
Ein weiteres Volk ausgelöscht, an das sich nach nicht mal einer Generation kein Wesen mehr erinnern würde.
Eine sinnlose Art zu sterben. Der Nichtexistenz gleichzusetzen.
Der Plan dieser Leute war gefährlich, doch Erfolg versprechender als der des Ratsherrn allemal.
Vom Volk der Atagra jedoch war keiner in der Lage gegen den Ratsherrn aufzubegehren und so drückte Shigeru dem Soldaten Lorne die Daumen, als dieser sich erneut an den Ratsherrn wandte.
"Sie müssen uns lediglich zu einem von Dr. Zelenka benannten Planeten bringen. Ihr Schiff kann sich während des ganzen Angriffes von mir aus sogar in einem benachbarten System verstecken. Die Wraith werden Sie gar nicht bemerken.", versuchte Evan den Ratsherrn umzustimmen.
"Wenn die Wraith Sie schnappen, könnten sie dennoch von unserer Existenz erfahren. Das Risiko ist mir zu groß. Ich gebe Ihnen exakt 1 Stunde Zeit, alle Ihre gesunden Personen zu evakuieren. Danach eröffnen wir ohne ein weiteres Wort der Warnung das Feuer auf Ihre Stadt, bis nichts mehr von ihr und den Infizierten übrig ist."
Damit endete die Übertragung und die Insassen des Jumpers blickten schweigend auf die Hashepsto, welche kurz zuvor noch einen rettenden Strohhalm inmitten einer Flut dargestellt hatte und nun bedrohlich die Waffensysteme auf die Stadt zielprogrammierten.

Kapitel 2.
"Kann ich Sie sprechen?"
Dr. Mulat war lange wie ein geprügeltes Tier durch die Gänge der Hashepsto geschlichen.

Seit Kemal den Fremden eine Frist von lediglich einer Stunde gesetzt hatte, waren erst 10 Minuten vergangen und noch keimte ein kleiner Hoffnungsschimmer in Mulat. Er hatte gedacht, die Leute dieser prächtigen Stadt würden mit der Hashepsto spielendleicht fertig. Das ein Schiff auftauchen würde, größer und mächtiger als das ihre und sie Kemal zur Einsicht zwangen.
Minuten der Ungewissheit und dann wurde ihm seine eigene Dummheit schlagartig bewusst.
Hätten diese Menschen ein Schiff, welches in seinen Ausmaßen dem ihrem überlegen wäre, so hätten sie kaum um Hilfe gebeten. Nein, sie brauchten die Hashepsto und mit ihr Kemal, um Aussicht auf Erfolg für ihre Mission zu haben.
Gardekommandant Shigeru hatte sich als erstes bei dem Ratsherrn entschuldigen lassen und war von der Brücke verschwunden.
Als Mulat endgültig klar war, dass das kleine Schiff der Fremden keinen Angriff auf die Hashepsto wagen würde, hatte auch er sich vor Kemal verneigt und sich entschuldigt, da Arbeit auf ihn wartete.
Eine Lüge und nicht einmal eine besonders gute.
Kemal hatte dennoch nicht weiter nachgefragt und hatte ihn von der Brücke entlassen.
Erst war er ziellos durch das große Schiff geirrt.
Wollte nichts hören, mit niemandem reden - einfach nur seinen Kopf frei bekommen von all den erdrückenden Gedanken.
All die Infizierten, deren Tod Kemal so gewissenlos akzeptierte…
Das konnte er nicht!
Keinen einzigen dieser Leute wollte er mit Hilfe der Hashepsto, an deren Bau sein eigener Vater mitgewirkt hatte, den Tod bringen.
Auch sein Tod und der eines jeden Atagras hier hatte Kemal über all ihre Köpfe hinweg entschieden. Zumindest war Shigeru dieser Ansicht.
Mulat hatte dessen Protest dem Ratsherrn gegenüber vernommen.
Wäre dies eine normale Situation gewesen, hätte der Kommandant seine Sachen packen können. Kemal duldete Widerspruch dieser Art nicht. Ein anderes Ratsmitglied hätte protestieren dürfen, aber nicht ein Militär.
Kemal hatte für Soldaten nichts übrig und wegen genau dieser Geringschätzung hatte Mulat ihn seinerzeit auch nicht gewählt.
Nicht, dass er ein großer Freund des Militärs war, nein ganz und gar nicht.
Er verstand die Notwendigkeit für die Garde und er bewunderte Leute wie Shigeru, welche ihr Leben ganz in den Dienst der Sicherheit ihrer Heimatwelt stellten.
Doch Kemal benahm sich Soldaten gegenüber mehr als nur herablassend und dieses Verhalten Kemals hatte Mulat letzten Endes hierher geführt.

Kommandant Shigeru hob seinen Kopf und blickte mit seinem gesunden Auge auf den Mann, welcher unschlüssig im Türrahmen stand.
"Kann ich Ihnen helfen, Dr. Mulat?"
Shigerus Stimme war ruhig und gefasst, obwohl er innerlich kochte.
Mulat trat einen weiteren Schritt in den kleinen Büroraum, von dem aus der Oberbefehlshaber das Militärpersonal an Bord koordinierte.
Geräuschvoll schloss der Arzt die schwere Tür hinter sich und schritt unruhig im Raum auf und ab, ohne auf Shigeru zu achten, der ihm mit einer überschwänglichen Geste einen Stuhl ihm gegenüber anbot.
Shigeru beobachtete die Szene eine Weile schweigend. Er hatte dem Mediziner nichts zu sagen. Obwohl dieser ohne Zweifel so dachte und fühlte wie er.
"Darf ich offen sprechen?", erkundigte sich Mulat, nachdem der Soldat anscheinend auf eine Reaktion seinerseits wartete.
"Sie dürfen sprechen, worüber Sie wollen, werter Doktor. Aber erwarten Sie bitte keine Äußerung von mir, wenn es um ein Thema geht, welches nicht diskutiert werden darf."
Noch immer zeigte Shigeru keinerlei Gemütsregungen.
Natürlich brannte Beiden das gleiche Thema auf der Zunge.
"Wie kommen Sie darauf, dass ich so etwas zu sagen hätte?", hakte Mulat nach, in der Hoffnung seinen Gegenüber so zu einem Gespräch zu zwingen.
"Es liegt mir wirklich fern, Ihnen so etwas zu unterstellen. Also bitte, reden Sie offen."
Mulat wurde wütend. Der Mann ihm gegenüber war ein guter Stratege und seine Wortwahl sehr diplomatisch. Nie würde er etwas aussprechen, was seine Stellung als Oberbefehlshabender gefährden könnte.
Ein wirklich beeindruckender Mann.
Mulat war kurz in Gedanken versunken, was Shigeru jedoch nicht weiter störte. Ihm war klar, dass der Arzt nach den diplomatischsten Worten suchte, um eine Situation zu besprechen, für die man sie beide hinrichten könnte. Sofern sie jemand dabei belauschte.
Shigeru hatte Kemal nie vertraut. Es würde ihn nicht wundern, wenn eine Wanze in diesem Büro versteckt war. Dem Arzt gegenüber konnte er diesen Verdacht jedoch nicht erwähnen, denn eine diesbezügliche Äußerung würde ihn nur unter verdacht bringen.
"Kemals Entscheidung war falsch!"
Erst glaubte Shigeru sich verhört zu haben. Verblüfft über die unverblümte Äußerung des Arztes, richtete der ältere Soldat den Blick starr auf seinen Gegenüber. Sein gesundes Auge, von einem klaren blau, schien den Arzt förmlich zu durchbohren, während das milchig gewordene, rechte Auge kaum mehr als die Konturen des anderen Mannes wahrzunehmen vermochte.
Shigeru war alt. Um ein vielfaches älter als Dr. Mulat.
Der Unfall, welcher Shigeru einst fast das gesamte rechte Augenlicht gekostet hatte, war noch vor Mulats Geburt gewesen.
Shigeru hatte in seinen vielen Lebensjahren, die er dem Arzt voraus war, einiges an Lebenserfahrung angesammelt. Viele Politiker hatte er kommen und gehen gesehen. Über viele hätte er nichts Gutes zu berichten gewusst, doch er hatte stets seinen Mund gehalten. Nie war ein Wort der Verleumdung oder des Verrats über seine Lippen gekommen. So auch dieses Mal nicht.
Wie so oft war er mit einer der politisch getroffenen Entscheidungen nicht einverstanden gewesen.
Widerspruch einem Politiker gegenüber wurde mit Amtsenthebung geahndet, es sei denn man war ebenfalls ein Ratsmitglied.
Verrat oder Zuwiderhandlung einer vom obersten Ratsmitglied getroffenen Entscheidung kam einem Todesurteil gleich.
Kaum eine Person ihres Volkes verstand diese Art der Politik, noch konnte sie jemand gutheißen.
Vor hunderten von Jahren mochte diese Art der Regierung funktioniert haben. Doch ihr Volk war gewachsen, nicht nur technologisch.
Würde nur einmal ein vernünftig denkender Mensch an den Posten des obersten Ratsherrn gelangen, würde alles anders werden - würde es besser werden. Doch nicht solange jedes Ratsmitglied lediglich seine eigenen Interessen vertrat.
Solange es Menschen wie Kemal im Rat gab, würde sich nichts ändern.
Mulat hielt dem Blick des Soldaten stand.
Dieser verschwendete noch einmal einen kurzen Gedanken an seine Wanzen-Theorie und suchte dann nach den passenden Worten, mit denen er sich distanzieren konnte.
"Es liegt weder in Ihrer noch in meiner Macht dies zu beurteilen."
Dr. Mulat lächelte. Der Kommandant wich zurück.
"Aber Sie beurteilen diese Situation so wie ich?"
"Das habe ich nicht gesagt.", zog sich Shigeru weiter zurück.
"Aber Sie denken es?" Eine Frage oder eine Feststellung? Egal, Shigeru würde darauf antworten müssen.
"Mag sein.", räumte der Gardist ein.
Mulat schäumte über vor Selbstzufriedenheit! Dieses Gespräch verlief in die richtige Richtung.
"Dann sind Sie vielleicht ebenfalls der Meinung, dass man etwas unternehmen sollte?"
Endlich zeigte Shigeru die erste Gefühlsregung, seit Mulat den Raum betreten hatte.
Er lachte.
"Ich bitte Sie, selbst wenn dieses benannte Etwas von Ihnen nicht konkretisiert wurde, wer sollte denn dieses Unternehmen gutheißen?"
Schlagartig war Mulats überschwänglich gute Laune verschwunden.
Er hatte gehofft, ohne lange Reden schwingen zu müssen, mit Shigerus Unterstützung rechnen zu können.
Gut, er wusste nicht recht, welche Art diese Unterstützung sein sollte. Eigentlich, so hatte er gehofft, hätte der Offizier selbst bereits einen Plan geschmiedet, dem er lediglich noch zustimmen musste.
"Versprechen Sie mir, mich nicht zu melden, wenn ich dieses Etwas konkretisiere, wie Sie es so schön nannten?"
Shigeru faltete seine Hände ruhig auf dem Schreibtisch und setzte eine entspannte Miene auf.
"Was immer Sie auch von mir halten mögen, Doktor, ich bin vielleicht vieles davon, aber kein Verräter."
Mulat merkte sofort, dass er wohl die falsche Wortwahl benutzt hatte.
Er schenkte dem Soldaten ein schiefes Lächeln.
"Könnte ich bei einem Komplott mit Ihrer Hilfe rechnen?"
Shigerus Gesichtsausdruck blieb regungslos.
Er bewunderte den jungen Mann für seinen Mut.
Ein politischer Umsturz, allein für solche Gedanken hätte man den Arzt weggesperrt oder gar beseitigt. Aber sie waren nicht auf Atagra. Nicht, dass ihre Gesetze auf der Hashepsto weniger geltend waren wie auf ihrem Planeten. Doch so einer Bedrohung hatte sich Atagra auch noch nie ausgesetzt gesehen. Es war so eine Art Präzedenzfall und beide Männer wussten das.
Wenn nicht jemand zum Handeln bereit wäre, würden sie alle sterben.
"Kemal bringt uns mit seiner Entscheidung den Tod! Ich weiß, dass Sie das ebenso sehen.", begann Mulat wieder langsam zu sprechen.
"Was ich denke und, bei allem Respekt, auch das, was Sie denken, ist belanglos. An Bord dieses Schiffes befinden sich 327 Personen. Uns beide, den Ratsherrn eingeschlossen, 12 weitere Ratsmitglieder, etwa 50 von meinen Leuten und der Rest unserer Bevölkerung besteht aus Zivilisten."
"Sie bezweifeln, dass genügend Leute auf unserer Seite stehen?"
Wieder lächelte Shigeru dem jungen Arzt zu.
"Im Moment ist keiner mit der Situation zufrieden, aber auch nicht dermaßen unzufrieden, dass er Worte wie Umsturz auch nur zu denken wagt."
"Ich dachte, Ihre Leute würden Ihnen vielleicht folgen.", meinte Mulat unsicher und wich dem wachsamen Blick des blauen Auges aus.
"Es sind meine Soldaten, doch ich kann sie nicht dazu zwingen gegen Gesetze zu verstoßen."
"Bitte sagen Sie mir Ihre ehrliche Meinung. Könnte ein Sturz Kemals durchzuführen sein?"
"Nein."
Mulat schluckte. Doch dieses Gespräch war noch nicht beendet! So konnte es nicht enden!
"Ihr Plan?"
"Wie kommen Sie darauf, dass ich einen hätte, Doktor?"
"Sie haben Ihr Leben dem atagrischen Volk gewidmet. Wollen Sie mir ernsthaft weismachen, dass Sie zusehen werden, wie Kemal uns alle tötet?"
"Nein."
Mulat war verwirrt.
"Wie lautet dann Ihr Plan?"
Shigerus Gesichtszüge waren kalt, fast unmenschlich, als er von seinem Schreibtisch aufstand.
"Unsere Meinungen haben keinerlei Gewicht. Wir brauchen Unterstützung von jemandem, auf den die Leute nach dem Umsturz hören werden. Jemanden der korrupt genug ist, sich mit unserer Hilfe Kemals zu entledigen. Erst wenn die Politiker das Spielfeld gesäubert haben, beginnt die eigentliche Schlacht."
"Sie wollen allen Ernstes einem Ratsmitglied diesen Vorschlag unterbreiten?" Zweifel an dem geistigen Gesundheitszustand des gealterten Soldaten krochen durch Mulat.
"Wenn Sie dies dem falschen Menschen anvertrauen, sind Sie so gut wie erledigt!"
Mulat musste ihn umstimmen! Die Ratsmitglieder waren alle korrupt, dessen war sich der Arzt zwar sicher, doch sie standen auch alle hinter Kemal.
"Wenn das Ratsmitglied, welches Sie ins Vertrauen ziehen, Kemal bescheid gibt, wird man Sie einsperren und unser aller Tod wird nicht mehr zu verhindern sein!"
Mulat schrie den Mann an, welcher ruhig und gelassen neben seinem Schreibtisch stand.
"Ich gehe Mal davon aus, ja.", stimmte er dem Arzt zu.
Jetzt war Mulat komplett verwirrt.
"Machen Sie sich keine Sorgen um mich Doktor. Das Ratsmitglied, welches ich für meinen Plan ausgewählt habe, wird mich nicht verraten. Trotzdem werde ich zum Ausgang dieses Unternehmens nicht weiter Beitragen können."
Nicht mehr Beitragen?
"Was haben Sie vor?" Verzweifelt und verärgert über die wenigen Informationen, die Shigeru ihm zuteil werden ließ, trat er auf den Offizier zu und schüttelte ihn an der Schulter, als wollte er ihn wecken.
Shigeru entfernte ruhig, aber mit Bestimmtheit die Arme des anderen Mannes von seinen Schultern und drückte spürbar des Doktors linkes Handgelenk zusammen.
"Begeben Sie sich auf die Brücke. Reden Sie mit niemandem, es sei denn, über Belanglosigkeiten.
Achten Sie weder auf mich, noch auf das Ratsmitglied, mit dem ich die Brücke betreten werde. Erst wenn wir die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf uns gelenkt haben, ist es auch Ihnen gestattet. Haben Sie das verstanden?"
Mulat nickte knapp und begab sich schweigend durch die Tür in Richtung Brücke. Er hatte nie geglaubt, einmal einem militärisch motivierten Befehl folge zu leisten, doch im Moment hatte er keinerlei Probleme damit.
Er vertraute Shigeru.

Ratsmitglied Yanic studierte zum 7. Mal in den letzten Sunden den medizinischen Bericht von Dr. Mulat und seinem Team, als es an der Tür zu seinem Büro klopfte.
Da er keinen Besuch erwartete und mit einem Offizier rechnete, der ihn über den Stand der Dinge informieren wollte, so rief er ein knappes "Herein!", ohne sich von seinem Schreibtisch zu erheben.
Umso überraschter war der Politiker, als er die steinerne Mine des Oberkommandanten in seinem Raum erblickte.
"Ist etwas passiert?", erkundigte er sich sogleich. Wenn der Befehlshabende selbst zum Report kam, musste etwas nicht stimmen.
"Noch ist alles in bester Ordnung.", versicherte ihm der Soldat.
"Warum beehren Sie mich dann mit Ihrer Anwesenheit?"
Shigeru hatte nicht vor, lange Reden zu schwingen, und trat näher an den Schreibtisch des Politikers heran, der ihn interessiert musterte.
"Mein Schwiegersohn sowie meine Enkelkinder wurden infiziert und auf Atagra zurückgelassen. Nach dem Tod meiner Frau und meiner Tochter waren sie die einzige Familie die mir noch geblieben war.", begann Shigeru.
"Das tut mir wirklich sehr Leid für Sie, Kommandant." Yanic schwieg, gespannt worauf der Soldat denn mit dieser Äußerung hinaus wollte. Doch er konnte sich fast denken, dass er einen Protest bezüglich Kemals getroffener Entscheidung zu hören bekam. Auch er war oft nicht mit dem einverstanden, was der Ratsherr entschied.
"Bitte Oberkommandant, wenn dieser Besuch erreichen soll, dass ich mich noch einmal mit Kemal über seine Entscheidung beraten soll, dann muss ich Ihnen mit Bedauern mitteilen…"
Weiter kam Yanic nicht.
"Ich bin lediglich hier, um Ihnen eine Frage zu stellen. Meine vorherige Äußerung sollte Ihnen nur meine Entschlossenheit versichern.", unterbrach Shigeru Yanics Vortrag.
Neugierig geworden, lehnte sich Yanic in seinem Stuhl zurück und deutete mit einer Handbewegung dem Soldaten, er möge weiter sprechen.
"Wären Sie bereit Kemals Posten einzunehmen?"
Erschrocken fuhr Yanic in seinem Stuhl zusammen.
"Was fällt Ihnen ein?", rief er den Soldaten zur Ordnung.
"Verlassen Sie auf der Stelle diesen Raum!"
Doch Shigeru rührte sich keinen Millimeter.
"Ich plane einen politischen Umsturz. Sie erhalten Kemals Posten und im Gegenzug gehen wir auf den Plan der fremden Menschen ein und helfen ihnen, einen Wraith zu fangen.", erklärte Shigeru ruhig.
Yanic war geschockt und ihm fehlten die Worte, dem Soldaten zu antworten.
Shigeru ließ dem Ratsmitglied Zeit, seine Worte mit Bedacht wählen zu können.
"Wir sind ein freies Land und unsere Politiker wurden stets vom Volk gewählt. Einen erzwungenen Machtwechsel kann ich nicht gutheißen."
"Kemal tötet unser Volk. Nie wieder wird es auf Atagra zu freien Wahlen kommen, wenn Sie nicht bereit sind, zu helfen."
Wieder überlegte Yanic. Was, wenn der Soldat Recht behielt?
Wenn ihr aller Überleben von dieser Entscheidung abhing?
In ihrer langen Geschichte war stets die Rede von Wahlen. Nie war ein Politiker anderweitig an die Macht gekommen. Andererseits waren in den vergangenen 20 Jahren politisch bedingte Demonstrationen gehäuft aufgetreten. Vor 100 Jahren hatte niemand an den Politikern und ihren Entscheidungen gezweifelt, doch heute wuchsen die politischen Unruhen unter dem Volk stetig.
Immer mehr unzufriedene Bürger beschwerten sich über getroffene oder zu Debatte stehende Entscheidungen.
Vielleicht war es Zeit für eine neue Art der Politik.
Vielleicht war es an der Zeit, ein neues Kapitel der atagrischen Geschichte hinzuzufügen.
"Wie?", frage Yanic den Soldaten, auf dessen Gesicht sich nun der Anflug eines Lächelns zeigte.

"Die von uns gestellte Frist läuft in wenigen Minuten ab. Bitte rufen Sie Shigeru wieder auf die Brücke.", befahl Kemal einem jungen Offizier.
Mulat war schweigend auf die Brücke gekommen und hatte sich zu Kemal gesellt.
Dieser hatte aber keinerlei Interesse an einem Gespräch gezeigt und so waren die Minuten der Ungewissheit zu Sunden der Angst geronnen.
Als er hinter seinem Rücken überraschtes Gemurmel vernahm, drehte sich Mulat zur Tür der Hautkommandobrücke um und erkannte Shigeru in Begleitung des Ratsmitglieds Yanic.
"Die Frist läuft ab, Gardekommandant. Bitte nehmen Sie Ihren Platz an Ihrer Konsole ein.", forderte Kemal den Soldaten auf.
Doch Shigeru blieb stehen. Er dachte gar nicht daran, diesen Befehl zu befolgen.
Alle Augen richteten sich auf ihn.
Verwirrt blickte auch Kemal zu dem Mann, der noch nie einen seiner Befehle missachtet hatte.
Auch Yanic, welcher sich neben Kemal gestellt hatte, machte einen gespielt verwirrten Eindruck.
Yanic war stets der beliebtere Politiker gewesen, doch Kemal der cleverere.
Nur dieser eine Vorteil hatte Kemal seinen Ratsposten eingebracht. Ein Vorteil, den Shigeru zu schmälern versuchte. Alle würden Yanic anerkennen, wenn er ihm nur die Chance dafür ebnete.
"Ratsherr?", erhob Shigeru seine Stimme über die Kommandobrücke.
Mulat zitterte vor Aufregung.
"Sie wollen Ihr Vorhaben durchsetzen, die infizierten Planeten zu säubern, obwohl der Plan dieser Menschen weit viel versprechender für das Überleben unseres Volkes ist, als der Ihre?"
Vor Staunen stand vielen jungen Offizieren der Mund offen.
Einige dachten zwar wie ihr Vorgesetzter, doch dem Ratsherrn so was in aller Öffentlichkeit vorzuwerfen, grenzte an Selbstmord!
Kemals Gesicht rötete sich vor Wut.
"Was fällt Ihnen ein!", donnerte er los!
Shigeru dagegen blieb trotz des Wutausbruches unbeeindruckt.
"Wachen! Ergreift diesen Mann und sperrt ihn ein!"
"Sie verurteilen uns alle zum Tode!"
Völlig perplex und sichtlich hin und her gerissen, wussten die Soldaten nicht recht, was sie nun tun sollten. Was, wenn ihr Kommandant recht hatte? Kemals Gesicht war immer noch gerötet. Die Wut stand ganz deutlich auf sein Gesicht geschrieben!
"Ich verurteile uns alle also zum Tode, ja? Ich regiere über das Volk von Atagra und wenn meine Entscheidung unser aller Tod bedeutet, dann sei es so!" Nach diesen Worten zog Shigeru seine Waffe und schoss…

Er hatte nie vorgehabt, den von ihm beschrittenen Weg weiter forzusetzen.
Somit bereute er seine Tat und alles was danach gekommen war nicht.
Auch wenn ihm der Tod drohen sollte, Shigeru war alt und er würde sich nicht sträuben.
Er würde seinen Tod willkommen heißen, mit dem Wissen, wie viele junge Menschen er dadurch gerettet hatte.
Kemal war Tod und Yanic als Führer anerkannt.
Man hatte ihn verhaften lassen.
Als Mörder.
Yanic musste so handeln, um nicht als Komplize des Mordes zu gelten.
Alles war zu Shigerus Zufriedenheit verlaufen.
Es würde weitergehen.
Yanic würde dafür sorgen.
Und er, er würde hier warten.
In dieser kleinen, dunklen Gefängniszelle.
Warten bis alles vorbei war.
Warten bis ihm Dr. Mulat sagte, dass es ein Heilmittel gab.
Das man seine Familie retten konnte.
Ja.
Und dann würde er sterben.
Sterben mit einem nie vergehenden Lächeln auf seinen Lippen…

Kapitel 3.
"Was machen wir jetzt?" Dr. Steffens Frage war berechtigt, doch er erwartete nicht einmal eine Antwort darauf.
Sie hatten keinen Plan B und das wusste er.
Alle wussten das.
"Rufen wir Kemal erneut, wir müssen ihn umstimmen!", meinte Lieutenant Felicia Benton, welche Evan Lorne gegenüber auf dem Sitz des Kopiloten saß. Sie war eine junge Frau, gerade mal Ende 20, Anfang 30. Ihre Haut hatte eine fast afrikanische Bräune, was mit ihrem kurz gehaltenen, blonden Haar einen starken Kontrast schuf.
"Das bringt nichts, er würde uns nicht zuhören. Wenn wir ihn reizen, erreichen wir nur, dass er die Frist verkürzt.", meinte Lorne.
"Wir brauchen einen neuen Plan."
Des Majors Aussage erntete ein abfälliges Schnauben von Zelenka.
"Als ob wir genügend Möglichkeiten hätten, um uns weitere Pläne in so kurzer Zeit aus dem Ärmel schütteln zu können!"
Lornes Stimmung war gerade auf einem Rekordtief und die abfällige Äußerung des Wissenschaftlers machte ihn nur noch gereizter.
"Reden Sie nicht dumm daher, sondern denken Sie nach!", bluffte er den Tschechen an.
"Hören Sie Major, ich bin nicht so arrogant wie Dr. McKay, der sich für so brillant hält, stets einen Ausweg für alles zu finden. Hier gibt es keinen Ausweg mehr. Was glauben Sie, wie viele Stunden der Vorarbeit hinter diesem Plan gesteckt haben? Wie wollen wir in einer Stunde…"
Evan reichte das Gejammer nun endgültig.
"Ich sagte doch, Klappe halten und nachdenken!"
Radek verschränkte beleidigt seine Arme vor der Brust.
"Dann gehen wir halt doch durch das Stargate.", schlug Captain Raoul Ulerk vor.
"Dumme Idee.", gab Radek leise von sich. Er hatte nicht vor mit Lorne zu streiten, aber alle durchführbaren Pläne hatte er bereits durchdacht und als unmöglich abgehakt.
"Die einzige Idee, die wir haben. Wenn Ihnen nichts Besseres einfällt…" Evan ließ das Satzende absichtlich offen.
Radek brummte auf Tschechisch vor sich hin.
"Bitte Radek, erklären Sie uns, warum das Stargate eine dumme Idee ist.", bat Marc.
Neben Radek war er der einzige Zivilist und dem Tschechen somit sympathischer als der gerade sehr unhöfliche Major.
Radek gab seine abweisende Haltung auf und schenkte dem Arzt sogar ein Lächeln.
"Selbst wenn wir mit dem Jumper jetzt problemlos durch das Tor gelangen, die Wraith wählen das Stargate an. Gut, ich war noch nie auf einem Planeten, welcher gerade unter einem Wraithangriff litt, doch ich glaube kaum, dass die in einer Stunde wieder verschwunden sind. Doch selbst wenn, Kemal würde uns sicher keinen Aufschub mehr geben."
"Warum sehen Sie alles auch so negativ?", fragte Lieutenant Benton.
"In diesem Punkt hat Zelenka wohl Recht. Kemal würde uns nicht glauben. Er würde annehmen, wir wollen Zeit schinden."
"Er hat doch vor alle Siedlungen der Infizierten anzugreifen? Warum schlagen wir ihm nicht einfach vor, mit einem anderen Planeten weiterzumachen? Dann haben wir genügend Zeit für ein Heilmittel", so kam es von einem anderen Soldaten.
"Das ist doch nicht wirklich Ihr ernst? Andere sollen sterben, damit wir ein Mittel für unser Überleben finden können?" Dr. Steffens war außer sich. "So einem Plan würden Sie doch nicht zustimmen?!", fragte Marc besorgt und blickte Lorne an.
"Fest steht, wir haben nicht genügend Zeit, einen Wraith zu fangen und nach einem Gegenmittel für die Seuche zu forschen. Die uns verbleibende Stunde reicht aber auch nicht für eine Evakuierung."
"O.K., uns sind zwar die Infizierten im Weg, doch in einer Stunde sollte es uns möglich sein durch das Stargate zu verschwinden.", kam es nachdenklich von Zelenka.
"Ich gebe Radek recht, wo liegt das Problem?"
"Das Problem, Dr. Steffens, selbst wenn wir keinerlei Hab und Gut mit durch das Tor nehmen, welcher Planet würde uns schon auf unbestimmte Zeit aufnehmen? Außerdem, wenn wir durch das Stargate verschwinden, hat die Daedalus bei ihrer Ankunft in einigen Wochen keinen Anhaltspunkt, wohin wir gegangen sind. Denn nach Kemals Aussage wird von der Stadt nichts übrig bleiben und somit eine Rückkehr für uns ausgeschlossen sein."
"Gut, das ist verständlich. Aber das Festland wäre doch ein ideales Evakuierungsziel."
Evan schüttelte den Kopf und lenkte das kleine Schiff zurück Richtung Planeten.
"Das Festland ist einen ca. 20 Minuten Flug von Atlantis entfernt. Selbst wenn wir die verbleibenden Wochen bis zur Rückkehr der Daedalus auf alles verzichten und somit nur Personen hin und her transportieren und keine Sachgüter, würde die Zeit für eine komplette Evakuierung nicht ausreichen. Wir haben zwar eine Menge Jumper, aber so gut wie keine Piloten dafür."
Nach diesen Worten trat Schweigen ein.
Wenn nicht alle gerettet werden konnten, wer traf die Entscheidung bezüglich des Überlebens und des Sterbens der anderen?
Wie konnte man das Leben einer Person höher einschätzen, als das einer anderen? Und selbst wenn, wer hätte das Recht zu beurteile, welches Leben höhere Priorität besaß?
"Ein Losverfahren!", meinte Radek nachdenklich.
"Somit würde keiner bevor- oder benachteiligt und…"
"Dauert zu lange.", schnitt im Evan ihm das Wort ab.
Der Jumper erreichte bereits die Atmosphäre und ein kurzer Ruck ging durch das kleine Schiff.
"Selbst wenn wir Atlantis rufen und alle Personen in den Hangar bitten, könnte doch einer das Virus einschleppen und das Leben aller gefährden. Wir können niemanden evakuieren, wenn auch nur die geringste Chance besteht das Virus überzusiedeln."
"Ich kann die ankommenden Personen diesbezüglich untersuchen, aber eine hundertprozentige Sicherheit kann ich Ihnen ohne gründliche Untersuchungen nicht bieten. Wir wären auf die sichtbaren Verletzungen beschränkt, um eine Infektion festzustellen."
"Das dauert alles viel zu lange." Evans Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.
Was sollten sie tun?
Ihre Überlebenschancen wurden von Minute zu Minute immer geringer.
"Wir haben keine andere Wahl, wir müssen die Evakuierung auf das Festland versuchen.", stellte Radek klar.
Alle anderen Optionen waren ausgeschöpft und noch weniger viel versprechend.
"Aber was machen wir gegen die Infizierten?". fragte Lieutenant Benton nach.
"Das ist noch ein Problem, für das ich keine Lösung hab.", gestand Lorne.
"Wir können sie nicht betäuben, aber mit scharfer Munition auf sie schießen, können wir auch schlecht. Sonst fällt mir keine Methode ein, um sie vom Hangar fern zu halten, ohne auch unsere eigenen Leute auszusperren."
"Westpier…" kam es leise von Radek.
"Was?", fragte Lorne ungeduldig nach.
Atlantis war bereits sichtbar und ihr Sinkflug würde nicht mehr lange dauern. Zeit das dem Wissenschaftler endlich etwas einfiel!
"Wir…wir landen nicht im Hangar. Das Pier am westlichen Ende, da sollten wir landen!"
"Darf ich fragen warum?", kam dieses Mal die Gegenfrage von Marc.
"Verstehen Sie, dieser Pier liegt so weit außerhalb der Stadt, dass sich zu Fuß noch kein Infizierter bis dorthin vorgewagt haben kann und das zweite Positive dieses Piers…"
"Es liegt in unmittelbarer Nähe eines Transporters!", beendete Evan den angefangenen Satz, als er begriff, was Radek meinte.
"Genau! Wenn wir den einzigen Gang blockieren, der das Erreichen des Piers ohne Transporter möglich macht, ist der Fall gelöst! Wir wissen ja aus eigener Erfahrung, dass die betroffenen Personen den Transporter nicht mehr benutzen können."
Sie hatten tatsächlich einen Plan!
Einen Plan der klappen konnte.
"Bloß wie bringen wir die Piloten in den Hangar?"
Eine Frage aus dem Heckabteil ließ die gehobene Stimmung wieder sinken.
"Wäre es nicht wichtiger, die Piloten sicher an ihr Ziel zu bringen, denn ohne die geht gar nichts."
Da war was Wahres dran.
"Vielleicht haben sich bereits noch mehr Soldaten im Hangar eingefunden. Immerhin sind Sie hier…" und damit deutete Radek ausschweifend mit einer Hand durch den Jumper. "nicht die einzigen Militärs auf Atlantis."
"Da haben Sie durchaus recht, Doktor.", gestand ihm Lorne ein.
Er betätigte das Funkgerät.
"Major Lorne an Hangar, alle Soldaten bitte melden."
Erst war es still, doch dann die Stimme einer Frau: "Wir sind hier, Major!"
Erleichterung erfüllte das Schiff.
"Wie viele sind bei Ihnen, Lieutenant Bergiel?"
"Hab noch nicht gezählt, aber ich schätze mal, wir sind an die 30 Mann."
"Das ist eine tolle Neuigkeit!", verkündete Evan fröhlich.
"Jeder von Ihnen, der einen Jumper fliegen kann, ach nein, was sag ich, jeder der auch nur das Antiker-Gen besitzt, soll sich in einen Jumper begeben und den irgendwie zum Westpier bringen.
Wir treffen uns da."
"Sir, was genau ist eigentlich los?", fragte die Frau nach.
"Das erklären wir Ihnen später, jetzt ist erst einmal wichtig, dass wir die Stadt evakuieren können."

"Major Lorne an alle, bitte begeben Sie sich umgehend zu dem nächstgelegenen Transporter. Vermeiden Sie jedweden Kontakt zu Personen, die sich auch nur im Entferntesten seltsam verhalten oder den Eindruck von geistiger Verwirrtheit machen. Begeben Sie sich mit dem Transporter zum Westpier. Wir evakuieren mit den Jumpern die Stadt. Nehmen Sie nichts mit, lassen Sie alles zurück. Wir müssen nur ein paar Wochen zu den Athosianern aufs Festland, bis die Daedalus zurück ist.
Die Zeit drängt, also bitte beeilen Sie sich! Lorne Ende."

Die Evakuierung war im vollen Gange. Die Jumper waren alle zum Erbrechen mit Personen gefüllt.
Doch die Zeit reichte nicht!
Wie befürchtet, warteten noch zu viele Menschen auf den Transport zum Festland.
Von vielen fehlte aber noch jede Spur.
Entweder hatten sie durch eine Fehlfunktion, welche der erste Angriff von Kemal möglicherweise verursacht hatte, den Funkspruch gar nicht empfangen oder sie waren einem Infizierten begegnet.
In diesem Fall waren sie entweder Tod oder infizierten bereits weitere Personen.
Radek blickte unentwegt auf die Uhr.
Lorne hatte zwar darauf bestanden, dass er als einer der Ersten auf das Festland in Sicherheit gebracht wurde, doch er hatte abgelehnt. Er wartete.
Wartete auf viele seiner Kollegen, auf Freunde, die er in Sicherheit wissen wollte. Er wartete aber auch, weil er sein Leben nicht als wertvoller einstufte, als das jedes anderen hier.
Er wollte keine bessere Chance als die anderen bekommen, nur weil er zufällig als erster zugegen war.
Er war hier und hoffte auf ein Wunder. Denn wenn es Wunder gab, waren sie genau für solche Situationen bestimmt, da war sich der Tscheche sicher.
Ein leerer Jumper landete und Lorne trat leist, aber schnellen Schrittes neben Zelenka.
"Der Letzte…", murmelte er.
"Ich weiß.", Radek blickte erneut auf die Uhr.
In 15 Minuten würde die Frist ablaufen und Kemal erneut angreifen.
Evan griff nach Radeks Arm und lächelte den Wissenschaftler aufmunternd an.
"Kommen Sie, wir gehen."
Radek weigerte sich nicht und ließ sich von Evan zum Jumper ziehen.
Mit einem traurigen Blick zurück auf all die Menschen, die nicht wussten, wie schlecht es um sie stand.
"Sollten wir es Ihnen nicht sagen?", fragte Radek leise.
"Wenn Sie nur noch 15 Minuten zu leben hätten, würden Sie das wissen wollen?"
Radek überlegte.
"Ich würde in Panik ausbrechen."
Lorne nickte.
"Sie würden sich um den Jumper streiten und keiner von uns würde mehr rechtzeitig weg kommen."
Der Gedanke an all die Freunde, die sie zurückließen, ließ Radek schaudern.
"Ich sollte hier bleiben.", meinte er still.
"Nein, sollten Sie nicht."
Der Major verstärkte den Griff um Radeks Arm und beförderte ihn zu den anderen Passagieren in den Jumper.
"Major, da ruft jemand nach Dr. Zelenka.", berichtete ein wartender Passagier.
Überrascht eilten Radek und Evan zur Kommandokonsole des Jumpers.
"Hier Dr. Zelenka!", meldete sich Radek neugierig.
"Hier spricht Yanic. Neuer Ratsherr von Atagra."
Verblüfft wechselten Radek und Evan einen fragenden Blick.
"Wie darf ich das verstehen?"
Lange kam keine Antwort.
Yanic suchte nach Worten, um eine Situation zu beschreiben, die ein Unbeteiligter, der keine Ahnung von ihrer Politik hatte, kaum verstehen würde. Auch musste er peinlichst genau darauf achte, mit keinem Wort sein zutun zu Kemals >Beseitigung< zu erwähnen.
"Der Kommandant unserer Garde war mit Kemals Plan nicht einverstanden und hat unseren Ratsvorsitzenden erschossen. Ich habe jetzt den Posten des Rastvorsitzenden inne und ich stimme dem Gardekommandanten ebenfalls zu. Nicht, dass ich seine Tat in irgendeiner Form billige, nein! Ich habe ihn bereits verhaften lassen und er wird unseren Gesetzen gemäß bestraft. Doch ich gestehe, ich finde Ihren Plan Erfolg versprechend. Mit sofortiger Wirkung stelle ich alle aggressiven Handlungen, die Kemal befohlen hatte, ein. Ich hoffe, dass Sie dies als Akt des Vertrauens werten und Ihren Plan bezüglich der Gefangennahme eine Wraith immer noch mit unserer Hilfe bewerkstelligen wollen.
Wir erwarten Ihr Schiff mit Ihren Soldaten freudig."
>Ein Wunderlebt wohl< oder >vergesst mich nicht< erschienen ihm sinnlos.
So beschränkte er es auf ein geflüstertes "Gott beschütze euch" und ergab sich seinem Schicksal.

Radek sah ihnen nach und erst als die Wraith mit Lorne hinter einer Biegung verschwunden waren, wurde ihm bewusst, was gerade passiert war.

Kapitel 7.
Lorne hatte mit allem gerechnet, aber damit nicht.
Sein kleiner >Ausflug< endete abrupt. Die Wraith brachten ihn in einen großen, leeren Raum.
Nur indirektes Licht sorgte hier und da für schummrige Helligkeit.
Dann ließ man ihn allein.
Verdutzt sah er auf die sich, hinter den Wachen, schließende Tür.
Was sollte das jetzt werden?
Evan schüttelte den Kopf und trat weiter in den Raum. Das Halbdunkel machte es schwer, irgendwelche Konturen des Raumes zu erkennen, doch…da!
Da hatte sich etwas bewegt!
Nur ein Schatten, der nach seiner Bewegung mit der Dunkelheit des Raumes verschmolz.
"Ist da jemand?", fragte Lorne nach.
Zugegeben, eine blöde Frage in so einer Situation. Doch eine treffendere Formulierung war ihm nicht eingefallen.
Eine weitere Bewegung von einem anderen Teil des Raumes aus.
Einer, der sehr schnell war, oder mehrere?
Wollten die Wraith hier mit ihm spielen?
Was sollte das Ganze hier?
Wenn sie ihn töten wollten, warum taten sie es dann nicht einfach?
Evan hatte miterlebt, wie die Wraith ihre Opfer töten. Er hätte keine Chance zur Gegenwehr gehabt.
Also warum das Theater?
Was war der Sinn dieses Raumes und wer verdammt noch mal war noch hier?!
Evan hatte vor dies raus zu finden. So schritt er weiter in den Raum hinein.
Wenn es die Wraith waren, würde er sterben, was er ja, vor wenigen Minuten, eh noch angenommen hatte. Waren es nicht die Wraith, dann war er auch nicht in unmittelbarer Gefahr.
Wieder bewegte sich ein Schatten dicht an ihm vorbei.
Lorne konnte den leichten Windhauch spüren, den der andere Körper verursachte, als er sich schnell an ihm vorbei stahl.
Evan trat einen Schritt zurück, griff nach dem Schatten und bekam etwas oder jemanden zu packen.
Ein verdutzter Schrei hallte durch den Raum. Der Major zog seine >Beute< aus der vermeintlich sicheren Dunkelheit und…
Eine Frau?
Sie war im Höchstfall 20 und blickte mit vor Angst geweiteten Augen auf Lorne. Dieser war im ersten Moment sprachlos. Dann ließ er die Frau los. Verängstigt verschwand sie wieder in der Dunkelheit.
Lornes Gedanken rasten. Anscheinend waren noch andere Gefangene mit ihm hier. Wo immer dieses >hier< auch war. Anders konnte er sich die Anwesenheit eines Mädchens, ja Frau war wohl noch die falsche Bezeichnung für das junge Ding nicht erklären.
Doch warum hatte sie Angst vor ihm gezeigt?
Wenn er jetzt ein Wraith gewesen wäre, dann hätte er eine derartige Reaktion verstanden.
Sah er denn in irgendeiner Weise Furcht einflössend aus? Diesen Gedanken verwarf er wieder.
Bevor er so etwas von sich behauptete, wollte er doch lieber das Mädchen selber fragen.
"Hallo? Keine Angst, ich tu dir nichts."
Keine Antwort.
Damit hatte Evan fast gerechnet.
"Sind noch andere hier oder bist du allein?"
Wieder keine Antwort.
"Bitte, du kannst mit mir reden. Ich heiße Evan, Evan Lorne. Ich bin ein Gefangener der Wraith wie du. Ich werde dir nichts tun."
"Sie sind nicht krank?", ertönte eine Männerstimme von irgendwo aus dem Raum.
Die raue Stimme hallte von den Wänden wieder und so war es für Evan schwer, eine Richtung auszumachen.
Wenn er das Vertrauen dieser Leute hier gewinnen wollte, musste er wohl mitspielen.
Vielleicht wusste ja einer von denen, warum man sie hier festhielt.
"Krank? Nein, wieso?", antwortete Evan.
Da dämmerte es ihm.
Das Virus!
War ja logisch.
Ihre Welt, die Welt von Kemal und seinem Volk. Yanic und seinem Volk, verbesserte er sich, in Gedanken. Warum also sollte das Virus nicht auch durch andere Stargates geschleppt worden sein?
"Bitte, Sie können mir glauben, ich bin nicht krank!", versuchte es Evan erneut.
"Warum sind Sie dann hier?", wurde er gefragt.
Warum ich…oh mein Gott!
Diese Aussage ließ im Umkehrschluss nur eine Möglichkeit zu.
All die Menschen in diesem Raum sind infiziert!?

"Ihnen ist schon klar, dass man uns hierfür, wegen Missachtung eines direkten Befehls, vor das Kriegsgericht stellen wird?"
Diese Frage ließ Cady Goodman lächeln.
"Ist mir klar:", sagte sie knapp.
"Sie sind nicht mal eine voll ausgebildete Pilotin!"; beschwerte sich ihr Kopilot erneut.
"Ist mir auch klar:"
Diese Diskussion war überflüssig. Cady hätte ihre Entscheidung sowieso nicht revidiert.
Da konnte Vinzent protestieren, soviel er wollte.
"Ihnen ist auch klar, dass das eine Schwachsinnsidee von Ihnen war?"
Lieutenant Vinzent van Greyarts warf einen bösen Blick auf die junge Frau neben ihm.
"Sie wiederholen sich.", kam es gelangweilt von Cady.
Warum diskutierten sie hier überhaupt? Die Entscheidung war längst getroffen und ein Zurück ausgeschlossen. Greyarts sollte das endlich akzeptieren.
"Das ist alles, was Ihnen dazu einfällt?", fragte dieser verärgert nach.
Cady sagte nichts. Sie dachte an die Stunden, die hinter ihr lagen, zurück und an das Stückchen Weg, welches noch vor ihr lag.
Cady schloss ihre Augen und die Geschehnisse drängten sich aus der dunkelsten Ecke ihres Bewusstseins heraus. Zurück vor ihr inneres Auge.
"Sie haben Major Lornes und Captian Grace gehört, warum tun wir das hier?"
Stöhnend öffnete Cady die Augen.
"Wie können Sie nur eine dermaßen dämliche Frage stellen?"
Sie war wütend. Wirklich wütend. Warum musste sie ausgerechnet mit diesem…diesem…Nörgler hier festsitzen?

Es war Glück gewesen, pures Glück. Die Wraith hatten sie nicht gefunden.
Cady hatte ganze drei Stunden bewegungslos in ihrem Versteck ausgeharrt.
Sie hatte gewartet, dass die Wraith verschwanden.
Und die Wraith verschwanden.
Zumindest hatte sie seit Stunden keine mehr gesehen.

Sie hatte ihr Versteck verlassen und nach dem Jumperparkplatz gesucht.
Ein unsichtbares Objekt, welches ja auch nicht besonders groß war, in einem Wald zu suchen, der leicht die Fläche von mehreren Fußballstadien besaß, war…die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen.
Gut, sie hatte einen hervorragenden Orientierungssinn und der Jumper stand ja auch auf einer Lichtung, was die Suche eingrenzte.
Sie fand den Jumper…mit einem dumpfen Schlag, als sie dagegen lief.
Sich an der Außenwand entlang tastend, war sie ins Innere, durch die noch immer geöffnete Ausstiegsluke, gestolpert und… da war Vinzent gewesen. Hatte, als sie einfach so herein platzte, eine Schrecksekunde lang eine Waffe auf sie gerichtet.

Tja und da hatte es wieder warten geheißen.
Wieder waren Stunden vergangen, aber kein weiteres Teammitglied war zum Jumper zurückgekommen.
Als den beiden dann klar geworden war, dass sie die einzigen waren, die nicht gefangen genommen worden waren, setzte Resignation bei ihnen ein. Sie hatten ja mitbekommen wie Lorne dem anderen Jumper den Rückzug befohlen hatte.
Vinzent hatte gesehen, wie der zweite Jumper unversehrt, trotz des feindlichen Feuers, den Planeten verlassen hatte und nach den vielen Stunden, die bereits vergangen waren, würde die Hashepsto auch schon weg sein. Somit war das Zurückkehren dorthin kein Thema mehr gewesen.
Doch was sollten sie sonst tun?
Lange hatten sie darüber diskutiert, besser gesagt, gestritten.
Vinzent wollte durch das Gate zurück nach Atlantis. Lieber den Infizierten in die Hände laufen als den Wraith.
Cady konnte mit diesem Argument jedoch nichts anfangen.
Da sie das Antiker-Gen besaß und Vinzent nicht, war das Problem schnell gelöst.
Sie hatte sich entschieden, eine Rettungsmission zu starten.
Ohne auf den Protest ihres Gegenübers zu hören, hatte sie den Jumper ins All gesteuert.
Zugegeben, sie flog mehr schlecht als recht.
Es war aber auch kein Fluglehrer dabei, der sie diesbezüglich hätte tadeln können und Vinzents Protest überhörte sie einfach.

Jetzt saßen sie, noch immer streitend, im Jumper und warteten wieder.
Cady wusste nicht, wo bei diesem kolossalen Schiff das Heck, geschweige denn der Antrieb lag.
Sobald sich die Wraith bewegen würden, bekämen sie eine Salve Drohnen auf ihren Antrieb.
Der dadurch hoffentlich ausfiel und eine Flucht in den Hyperraum unmöglich machte.
Erst dann würde ihr, so hoffte sie, das weitere Vorgehen, in Form eines perfekten Plans, einfallen.
Vinzent hatte diesbezüglich die Augen verdreht und etwas vor sich hin gemurmelt.
Aber Cady war nicht zu überzeugen gewesen.
Sie wollte die Wraith angreifen. Mit einem Puddle Jumper und einer zwei Mann Rettungseinheit.
"Eine saublöde Idee.", kam es wieder von Vinzent.
Cady ignorierte ihn.
Es war die einzige Hoffnung für die gefangenen Freunde.
Sie würden sie retten, sie würden ihn retten…
Das allein war einen Versuch wert, selbst wenn sie dabei starb.
Und so warteten sie auf ihre Gelegenheit.

Kapitel 8.
"Wenn Sie nicht infiziert sind, warum sind Sie dann hier?"
Lorne fand keine Antwort auf diese Frage.
Vielleicht war es Absicht gewesen, dass die Wraith ihn in einen Raum voller Infizierter gesperrt hatten.
Evan erinnerte sich an das dreckige Lächeln, welches der Wraith auf seinen Lippen gehabt hatte, als er Ash und Coverlan losgelassen und ihn mitgenommen hatte.
War das eine Art Strafe, weil er es gewagt hatte, sich den Wraith in den Weg zu stellen, die seine Freunde verschleppen wollten? Weil er den Mut zum Protest gehabt hatte?
Zuzutrauen wäre es den Typen, dachte Evan.
Doch all das Grübeln brachte ihn nicht weiter. Nur die Wraith hätten diese Frage zu beantworten gewusst, doch die würden sich wohl kaum derart gesprächig zeigen.
"Ich kann Ihnen nicht sagen, warum mich die Wraith hierher gebracht haben. Ich kann Ihnen nur versichern, dass ich nicht krank bin."
Ein älterer Mann mit ergrautem Haar trat aus dem Schatten heraus auf Evan zu.
Grau-grüne Augen, die jedweden Lebenswillen bereits verloren hatten, musterten den Neuankömmling.
Der Mann erweckte den Eindruck, als wäre er eine leere Hülle. Ein seelenloses Etwas mit einem menschlichen Körper.
Evan fragte sich ernsthaft, ob dieser Mann seinen momentanen Zustand dem Virus oder den Wraith verdankte. Er wagte es aber nicht, den Mann danach zu fragen.
So ließ er die Musterung einfach stumm über sich ergehen, wartend, dass der alte Mann erneut das Wort ergriff.
Dieser brummte unverständliche Wortfetzen vor sich hin und blieb dann direkt vor Evan stehen.
"Wenn Sie nicht krank sind, sind Sie auch keine Gefahr", stellte er unbekümmert fest.
Seine Stimme war monoton. Ebenso leblos wie seine Augen.
Evan wusste nicht genau, was er jetzt sagen sollte und so schenkte er dem alten Mann ein unsicheres Lächeln.
Dieser brummte erneut etwas Unverständliches, drehte sich um und verschwand wieder in der Dunkelheit.
"Bitte, warten Sie!" forderte Evan ihn auf.
"Sind sie…ich meine, sie alle in diesem Raum sind infiziert?"
"Nein."
Evan fragte sich ernsthaft, ob der alte Griesgram seine Frage wirklich richtig verstanden hatte, denn seine Antwort, obgleich sie Evan erleichterte, ergab keinen Sinn.
"Ich dachte, die Wraith würden sämtliche gefangene Infizierte hier reinstecken. Zumindest, hab ich das aus Ihrer ersten Frage so heraus interpretiert."
"Wir sind nicht mehr krank", erklärte ihm eine andere Männerstimme.
"Nicht mehr?", fragte Evan in die namenlose Dunkelheit.
"Nein, nicht mehr."
Verdammt noch mal, hatten die hiesigen Personen durch das Virus ihren Verstand verloren oder machte es ihnen Spaß, ihn hier mit vagen Informationen durch das Dunkel tappen zu lassen?
Evan wurde wütend.
"Hätte vielleicht mal jemand die Güte, mich aufzuklären? Aber bitte ganz von vorne und, wenn möglich, in ganzen, präzise ausformulierten Sätzen. Dafür wäre ich Ihnen sehr verbunden."
Lang antwortete niemand und Evans Frustpegel stieg in ungeahnte Höhen.
Als endlich eine Person zu sprechen begann und aus der Dunkelheit wieder weiter ins dämmrige Licht trat, war es erneut der leblose, alte Mann.
"Sie wollen unsere Geschichte hören? Ganz von vorne?", fragte er ungläubig.
Evan nickte erfreut.
"Ja, genau das will ich."
"Eine lange Geschichte", fügte der Mann monoton hinzu.
Evan sah auf seine Uhr und meinte: "Ich hab nichts weiter vor. Also wenn Sie nicht irgendwo erwartet werden, dann haben wir Zeit."
Wieder grummelte der alte Mann.
"Mein Name ist Dr. Barned, Dimitri Barned. Ich bin…ich war Mediziner. Ein Arzt vom Volk der Rebil."
Kurz schwieg der Mann, als ob ihm das Erzählen dieser Geschichte unendlich schwer viel.
"Wir waren einst ein stolzes Volk. Voller Wissen und Tatendrang."
Wieder Schweigen.
"Wir hielten uns für klug genug, um mit einem Wraith zu experimentieren, den wir eine Generation zuvor bei einem Ausdünnen ergreifen konnten."
Evan war verblüfft.
"Und die Wraith haben euch dabei erwischt?", hakte er nach.
Evan verstand nur nicht, wieso diese Menschen dann hier eingesperrt und nicht sofort getötet worden waren?
Und wie passte er in dieses Bild?

Dimitri Barnet schüttelte den Kopf.
"Nein, die Wraith haben die Experimente nicht mitbekommen. Nur das Ergebnis."
Plötzlich verbanden sich all die Informationen, welche Evan in Atlantis und hier in diesem Raum bisher hatte sammeln können, wie einzelne Puzzleteile zu einem vollständigen Bild.
Jetzt verstand er.
Alles lag klar und deutlich, als vollendetes Bild, vor ihm.
"Ihr habt das Virus erschaffen! Durch die Experimente an dem gefangenen Wraith. Doch was immer Ihr schaffen wolltet, es war ein Fehlschlag. Das Virus wurde zu einer Seuche, die von Planet zu Planet geschleppt wurde und deshalb, nur deshalb seid Ihr hier. Darum haben sie euch nicht getötet."
Nun verstand Evan auch, warum Dr. Barned einen so leblosen, fast selenlosen Eindruck auf ihn gemacht hatte.
Dies alles musste zweifelsohne am Gewissen des Wissenschaftlers nagen.
Dimitri sagte nichts. Er machte sich nicht einmal die Mühe, zustimmend zu nicken.
Er hatte keine Lust mehr.
Sein Leben sollte enden und zwar bald.
Er wollte es endlich hinter sich wissen.
Er wollte vergessen.
Aber diesen Gefallen würden ihm die Wraith nicht tun. Zumindest nicht in nächster Zeit.

"Sie haben Recht", begann er dann doch wieder zu sprechen. Er fühlte sich auf seltsame Art und Weise verpflichtet, ja fast dazu genötigt, diesem Evan Lorne auch noch den Rest zu erzählten.
Als hätte dieser Mann es aus irgendeinem Grund verdient, vor seinem Tod noch die Wahrheit zu erfahren.
"Das Virus sollte kein Virus werden. Es ist schon so verdammt lange her. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, all die schrecklichen Dinge, die auf meiner Welt vorgefallen sind…All diese Dinge haben mich bereits vergessen lassen, was wir in unserem blinden Ergeiz eigentlich hatten erreichen wollen.
Wofür unsere Forschung eigentlich gedacht war… Wir sahen uns nur mit dem Ergebnis konfrontiert.
Doch wir konnten nichts mehr machen… Zu spät, es war alles zu spät…"
Damit drehte sich Dimitri um und verschwand wieder in der vermeintlichen Sicherheit der Dunkelheit.
"Wir wollten Leben retten, viele Leben", verkündete eine weitere, namenlose Stimme.
"Doch wir haben niemanden gerettet", erklärte dieses Mal eine Frauenstimme aus der Finsternis.
"Wir haben getötet. So viele…alle tot…"
Dann herrschte wieder Schweigen.
Evan konnte verstehen…nein, er konnte ahnen, nur erahnen, wie diesen Menschen hier zumute war.
Sie hatten als Ärzte bestimmt auch einen Eid geleistet. Vielleicht nicht den Gleichen wie die Mediziner auf der Erde dies taten und doch…
Ärzte bewarten Leben, sie töteten nicht.
Dr. Steffens hatte kurz erwähnt, dass das Mittel, auf welchem der Virus basierte, ein Antiker-Betäubungsmittel, also eine Art Aspirin war.
Was immer auch Dr. Barnet und seine Leute daraus hatten machen wollen, Evan glaubte ihm sofort, dass eine Seuche nicht in ihrem Interesse gelegen hatte. Doch all dies erklärte nicht, warum er hier war.
"Sie sagten, Sie seien nicht mehr krank", wandte sich Evan wieder an die Personen dieses Raumes. Ihm war es egal, wer ihm antworten würde, solange es eine sinnvolle Antwort war.
"Wir wussten, was es war. Somit konnten wir es bekämpfen."
Evan schluckte.
"Das…Sie haben ein Gegenmittel?"
Das überraschte ihn doch.
Er hatte erwartet, dass die Wraith ihre eigenen Experimente mit den hiesigen Personen durchführten. Aber dass es den Erschaffern des Virus noch gelungen war, selbst eine Heilungsmethode zu finden, hatte er nicht erwartet.
Obwohl er geglaubt hatte, dass, nach all dem, was er in den letzten Stunden hatte mitmachen müssen, ihn nichts mehr überraschen könnte.
"Zu spät" kam es vereinzelt aus einem Winkel des Raumes.
Zu spät?
"Zu spät wofür? Für Ihr Volk? Bitte, reden Sie mit mir!"
Evan wusste nicht, wie viel Zeit ihm noch blieb.
Die Wraith hatten ihn aus einem bestimmten Grund hier her gebracht.
Er kannte diesen Grund zwar noch nicht, aber es erschien ihm wichtig, zu fragen.
"Wir entwickelten einen Impfstoff. Er bekämpfte das Virus…"
Wieder bekam Evan nicht mehr als diese beiden, halbfertigen Sätze vorgesetzt.
Diese Leute wussten wirklich, wie man eine Situation unnötig in die Länge zog.
"Weiter", fragte er gelangweilt und mittlerweile mehr als nur gereizt nach.
"Wir verabreichten das Gegenmittel. Doch es machte die Betroffenen nicht immun gegen eine Neuinfizierung. Wir fanden einfach keine Möglichkeit, alle Betroffenen gleichzeitig zu behandeln und so… verbreitete sich das Virus erneut…"
"Wir haben alles versucht…"
"Wir konnten es nicht stoppen."
"Das tut mir ja auch alles wahnsinnig leid. Für Sie, für Ihr Volk, aber…"
Dr. Barned trat wieder aus dem Schatten auf Evan zu.
"Sie haben es doch bereits verstanden. Das warum."
Evan hob fragend die Augenbrauen.
"Was meinen Sie damit?"
"Das warum, warum wir hier sind."
Der Major überlegte kurz. Bezog sich diese Frage nun auch auf ihn oder lediglich auf die Rebil?
"Sie sind hier, weil sie die Nahrungsquelle der Wraith mit einem Virus infiziert haben?"
Der alte Mann schüttelte den Kopf.
"Nein. Sie zwingen uns…"
Dimitri sah zu Boden.
"Wir wollten Ihnen nicht helfen. Was hätte es für einen Sinn gemacht, den Betroffenen ein Gegenmittel zu verabreichen, nur damit sie für die Wraith wieder genießbar werden? Sie retten, um sie sterben zu sehen?"
Dann hob der Arzt den Kopf und suchte Evans Blick.
"Sie nährten sich an meinem Sohn. Sie raubten ihm Jahre seines Lebens. Vor meinen Augen wurde mein eigenes Kind zu einem Greis."
Dimitri wandte sich ab. Unterbrach den Blickkontakt zu dem jungen Mann, der ihn so sehr an seinen Sohn erinnerte.
"Sie haben Ihnen die Formel für das Gegenmittel gegeben?"
Eine dumme Frage, denn Evan konnte sich die Antwort denken.
Die Wraith vermochten das Virus zu heilen.
Ganze Welten, Evan wollte die genaue Zahl nicht einmal schätzen müssen, voller Infizierter, die sich irrational verhielten und somit den Wraith nichts entgegenzusetzen hatte.
Sie würden leichte Beute sein.
Nicht in der Lage zu fliehen oder sich zu verstecken.
"Doch damit nicht genug", begann Dimitri und riss Evan aus seinen Gedanken.
"Sie wollten nicht nur das Gegenmittel."
"Bitte?" fragte Evan verblüfft.
Dimitri drehte sich wieder zu Lorne um und dieser konnte die Verzweiflung auf dem Gesicht des alten Mannes deutlich lesen.
"Sie wollten das Virus…" flüsterte er.
Evan begriff nicht.
Warum zum Teufel sollten sich die Wraith für das Virus interessieren?
Dimitris nächste Worte waren klar, so gefühllos, wie seine Augen, und so grob, wie ein Schlag in die Magengrube.
"Sie nutzen das Virus. Sie verbreiten es… Sie schaffen sich Beute, die nicht weglaufen kann…
Wir…wir haben ihnen jegliches Leben dieser Galaxie auf dem silbernen Tablett serviert…"
Damit verschwand der alte Mann wieder im Schatten.
Evan sagte lange nichts.
Er dachte nach.
"Unsere Ärzte gaben an, dass das Virus nach Ablauf von 48 Stunden, vom Moment der Infizierung an gerechnet, nicht mehr zu behandeln sei. Soweit ich weiß, liegt das an der Zerstörung des Gehirns, die nach 48 Stunden durch das Virus irreparabel ist. Was also nützt das Virus den Wraith?"
"Ihre Ärzte liegen da nicht ganz falsch", verriet man ihm.
"Wenn Sie das so sagen, kommt jetzt doch bestimmt der Hacken an dem Ganzen?" erkundigte sich Evan.
"Nach Ablauf der 48 Stunden ist es wegen den erlittenen Gehirnschäden nicht mehr sinnvoll, einen Infizierten zu heilen. Man würde nur das Virus bekämpfen, aber die Person dabei nicht retten können.
Ihre Ärzte haben diesbezüglich Recht. Aber die Wraith stört das nicht."
"Ob sie durchschnittliche Persönlichkeiten wie Sie oder uns töten oder sich an geistig Minderbemittelten nähren, ist ihnen völlig egal."
Evan schüttelte den Kopf.
Zum einen hoffte er, seine Gedanken dadurch wieder ordnen zu können, und andererseits wollte er endlich aus diesem schrecklichen Traum aufwachen.
"Aber wenn die Wraith alles haben, dass Virus und das Gegenmittel, warum ließ man Sie alle am Leben?"
Diese Frage brannte Evan auf der Zunge.
Er musste sie stellen, auch auf die Gefahr hin, keine klare Antwort darauf zu bekommen.
"Wir sind aus demselben Grund hier wie Sie."
Oh, das klingt interessant, dachte sich Evan.
Diese Frage war die Letzte gewesen, die ihn noch gequält hatte. Er hatte nur nicht geglaubt, in diesem Raum hier jemals eine Antwort darauf zu finden.
"Und der wäre?" fragte Lorne in die Dunkelheit.
"Sie zeigen es uns…"
"Bitte?" fragte Evan verwirrt. Diese Menschen regten ihn wirklich auf.
Konnten sie denn keine ganzen Sätze sprechen?
Was sollte das, mochten sie seine Stimme und ließen ihn deshalb ständig nachfragen?
Wieder geschah lange Zeit gar nichts.
Dann trat erneut der alte Mann auf Evan zu.
"Sie lassen uns zusehen, wie sie andere Planeten infizieren. Sie zwingen uns mit anzusehen, wie unser Virus die Infizierten ihren Verstand verlieren lässt und sie wie Tiere aufeinander losgehen.Dann fangen sie sie ein…und wir sehen immer noch zu."
Dr. Barned schlich einmal um Evan herum.
"Dann sperren sie die Menschen in Zellen und verabreichen ihnen, durch das Ventilationssystem des Schiffes, das Gegenmittel. Wir dürfen zusehen, wie der klare Verstand und das Bewusstsein in die Menschen zurückkehren und sehen das Entsetzen auf ihren Gesichtern, wenn ihnen klar wird, wo sie sind. Sie zwingen uns, ihren Triumphzug mit anzusehen, den wir ihnen verschafft haben."
Wieder blieb Dimitri stumm und blickte Lorne lediglich aus toten Augen an.
"Ich weiß nicht, was Sie den Wraith angetan haben, aber ich denke, die Ausrottung von Leben mit ansehen zu müssen, ist wahrlich keine geringe Strafe." Damit verschwand Dimitri und ließ Lorne mit seinen aufgewühlten Gedanken allein.

Kapitel 9.
Kopfschmerzen…
Was hätte er jetzt alles für eine Aspirin gegeben.
Evan hatte sich an der Wand niedergelassen und seinen Kopf gegen das kalte Metall gedrückt.
Im Zwielicht des Raumes vermochte er, hin und wieder, Bewegung wahr zu nehmen, doch keine der Personen kam auf ihn zu. Keiner sprach ein Wort. Es herrschte absolute Stille.
Eine vollkommen künstliche Stille, in Anbetracht der vielen Menschen, die hier im Halbdunkeln gefangen waren.
Als ob die Dunkelheit jegliche Worte verschlucken würde.
Sie warteten. Stumm und ohne Hoffnung.
Auf den Tod?
Evan bezweifelte dies.
War seine Anwesenheit hier wirklich eine Art Strafe?
Lorne blickte zu einer schemenhaften Gestalt, welche zur Schwelle trat, an der sich Licht und Schatten vermischten.
Dr. Barned…der Blick seiner leblosen Augen starr geradeaus ins Nichts gerichtet.
Diese Leute hier warteten auf die Absolution.
Ein schreckliches Schicksal, dachte Evan und eine neuerliche Welle Kopfschmerzen durchzog ihn.
Müde lehnte er seinen Kopf zurück an die angenehm kühle Wand.
Für einen Moment schloss er erschöpft seine Augen.
Kurz verschwendete Evan noch einen Gedanken an den Grund für sein hier sein, dann driftete sein Geist ab. Verschwand in der Dunkelheit eines unruhigen und oberflächlichen Schlafes.

Ein Geräusch!
Schreie, die abrupt die Dunkelheit durchbrachen!
Evan schreckte hoch!
Für den Bruchteil von Sekunden hatte er geglaubt, alles nur geträumt zu haben.
Doch dann sah er sie…
Zwei Wachen, die bewaffnet in der Tür standen.
Plötzlich zuckte Licht durch die schummrige Dämmerung des Raumes. Erfüllte ihn mit hellem Weiß und zwang die Personen dazu, ihre Augen zu verdecken. Auch Evan schmerzte die plötzlich auftretende Helligkeit und mit tränenden Augen späte er zu den Wachen.
Für einige Zeit standen sie nur untätig im Raum. Als ob sie die Anwesenheit all ihrer Gefangenen überprüfen wollten.
Dann kam ein dritter Wraith hinzu.
Trotz der Ähnlichkeit, die die Wraith untereinander aufwiesen, erkannte Evan diesen Wraith als jenen, der ihn hierher gebracht hatte.
Da seine Augen sich langsam an die Helligkeit gewöhnt hatten, wischte er sich schnell den letzten Rest Feuchtigkeit mit seinem Ärmel ab.
Erst jetzt erkannte der Soldat, wie viele der Rebil sich tatsächlich in diesem Raum befanden und ihre Anzahl überraschte ihn.
Er hätte mit einem halben Dutzend gerechnet, doch die verstörten Menschen, die sich in die Ecke des Raumes drängten, waren etwa an die 20. Vielleicht sogar mehr.
Als Evan aufstand und wieder zurück zu den Wraith blickte, bemerkte er, dass das alleinige Interesse der Wachen auf ihm ruhte.
Mit einem dreckigen Lächeln, dass Evan dem Wraith nur zu gerne vom Gesicht gewischt hätte, kam dieser auf ihn zu.
Die Zeit des Wartens war vorbei.
Jetzt würde er endlich erfahren, weshalb man ihn hierher gebracht hatte.
Warum er die Geschichte der Rebil hatte erfahren dürfen.
So hoffte er zumindest.
Gespannt und ohne eine Form der Gegenwehr folgte Evan den Wächtern. Mit einem letzten Blick zurück erkannte Evan den alten Dr. Barned. Sein Gesicht war ausdruckslos, seine Lippen formten stumm unverständliche Worte, als die Dunkelheit zurückkehrte und ihn sowie den Rest der Verdammten erneut verschluckte.

Lange, endlos gleiche Gänge. Evan folgte den Wächtern durch die Korridore des Schiffes.
Einer der Wraith blieb vor einer Türe stehen, ähnlich derer, die den Raum von Dr. Barned und seinen Leuten blockierte.
Wie erwartet, erstreckte sich dahinter ebenfalls ein dunkler Raum.
Als sie eintraten, flackerte die Beleuchtung an den Wänden auf und tauchte den Raum in schummrige Helligkeit.
Ein Stuhl war der einzige Gegenstand in dem ansonst leeren Raum.
Man zwang Evan sich zu setzen und fesselte ihn an Armen und Beinen.
Was immer jetzt kommen würde, es konnte nichts Positives sein.
Evans innere Anspannung wuchs mit jeder verstreichenden Sekunde.
Der unmaskierte Wraith bedachte ihn mit einem herablassenden Lächeln.
Als Evan auf dem Stuhl gesichert war, verschwanden die beiden Wachen und für einige, quälende Minuten geschah gar nichts.
Der Wraith musterte seinen Gefangenen und Evan hielt seinem Blick stand. Stur und ohne jegliches Zeichen von Emotionen. Der Wraith musste lachen. Ein seltsamer Laut, der an Verachtung kaum zu überbieten war.
Evan versuchte genügend seiner Abscheu in seinen Blick zu legen, um seinem Gegenüber das Lachen auszutreiben. Dieser ließ sich jedoch nicht die gute Laune verderben.
"Dein störrischer Blick wird dir schon noch vergehen.", versprach ihm der Wraith.
"Ach", war alles, was Evan darauf erwiderte.
Plötzlich hatten die Wraith wohl Lust auf >zwanglose< Unterhaltung? Da hatten sie sich aber den falschen Gesprächspartner gewählt!
Evan bemerkte, dass jemand den Raum betrat.
Durch seine, von den Fesseln eingeschränkte Bewegung, konnte er nicht erkennen, wer.
Die Tür schloss sich hinter dem oder den Unbekannten, aber Evan tippte darauf, dass die beiden Wachen wohl wieder zurück waren.
Damit hatte er nicht ganz Unrecht.
Das Lächeln auf dem Gesicht des unmaskierten Wraith wuchs in die Breite.
Aus den Augenwinkeln erkannte Evan die Wachen. Doch sie kamen nicht allein.
Nein! Ging es Evan durch den Kopf, als er die weitere Person erkannte.
Man ließ Lieutenant Jells unweit des Gefesselten auf den Boden sinken.
Jells Körper wies unübersehbare Spuren von Misshandlungen auf. Man hatte ihn geschlagen!
Wahrscheinlich hatte er sich nicht gefügt, als die Wächter ihn aus der Zelle geholt hatten.
Rote, blutige Schrammen zogen sich über das junge Gesicht. Blut klebte im zerzausten, blonden Haar und an der Uniform.
Evan versuchte dem Wraith gegenüber keine Gefühle für seinen Kameraden zu zeigen.
Er befürchtete zu wissen, worauf diese Szene hier hinauslaufen würde und darauf würde er sich nicht einlassen.
Auch Jells Blick gab zu erkennen, dass er wusste, worauf er sich einzustellen hatte.
Den Wraith jedoch interessierte diese lautlose Kommunikation herzlich wenig. Er Lächelte nach wie vor. Er schritt einmal um den Stuhl mit seinem Gefangenen herum. Dann beugte er sich zu dem Menschen hinunter, ganz in die Nähe von Evans Ohr.
"Jetzt wirst du uns alles erzählen", drohte er.
Evan schwieg.
Der Wraithwächter hob seine Waffe und ließ sie mit Gewalt auf Lieutenant Jells Körper prallen.
Dieser sank zu Boden.
Er presste die Lippen fest zusammen, um nicht einen schmerzerfüllten Schrei auszustoßen.
Diese Genugtuung wollte er den Wraith nicht gönnen.
Sie würden ihn nicht brechen!
Evan wandte seinen Blick von seinem leidenden Kollegen ab und suchte Blickkontakt zu dem Anführer des Wraith-Trios.
"Was willst du?", presste er unter vor Wut zusammengebissenen Zähnen hervor.
Der Wraith ließ erneut sein Lachen hören und mit einem stummen Signal gab er der Wache den Befehl, wieder auf den wehrlosen Lieutenant einzuschlagen. Dieser krümmte sich unter der Misshandlung. Gab aber dennoch keinen Ton von sich.
Evan war stolz auf den vor ihm liegenden Soldaten. An dessen Stelle würde er sich ebenso verhalten.
Wieder trat der Wraith an Evans Seite.
"Fangen wir mit etwas Leichtem an", schlug er vor. "Nenn mir den Namen deiner Heimatwelt."
Evan schluckte.
Diese Frage gefiel ihm nicht und die Richtung, in die dieses Gespräch zu driften schien, ebenso wenig.
Deshalb schwieg er.
Der Wraith begann wieder durch den Raum zu wandern. Dabei lachte er erneut. Als hätte er Evans Schweigen nicht nur erwartet, nein, es schien ihn zu erfreuen.
Wieder schlug ein Wächter auf Jells ein.
Einmal, zweimal, dreimal, sauste der Lauf der Waffe auf den Oberkörper des jungen Mannes ein.
Bei der vielen überschüssigen Kraft, die die Wraith besaßen, würde es wohl nicht lange dauern, bis Jells erste Rippen unter den Schlägen nachgaben. Der Wraith blieb neben Jells stehen. Zupfte an seinem langen, weißen Bart herum und trat mit einem Fuß auf den am Boden liegenden Soldaten.
"War die Frage nicht einfach genug für dich?", fragte er und richtete sein Augenmerk, wieder auf Evan.
Dieser sah in nur missbilligend an.
"Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich dir irgendetwas verraten werde?", fragte Evan und bemühte sich keineswegs, seine Verachtung aus der Stimme zu verbannen.
Wieder lachte der Wraith.
"Wenn das Leben dieses Menschen nicht ausreicht, um dich gefügig zu machen…"
Das Ende des Satzes ließ der Wraith offen. Demonstrativ bückte er sich zu dem am Boden gekrümmten Soldaten und drückte mit einem triumphalen Lächeln seine Hand auf Jells Brust.
Dieser schrie nun doch unter den heftigen Schmerzen auf.
Genüsslich legte der Wraith seinen Kopf in den Nacken.
Mit Abscheu verfolgte Evan, diese Szene.
Als der Wraith seine Hand vom Körper des Soldaten entfernte, sackte dieser leblos zusammen.
Der Wraith stand auf und lächelte Evan zu.
"Du darfst deinem Freund beim Sterben zusehen."
Mit einem Nicken des Wraith verschwanden die zwei Wächter erneut.
Der dritte Wraith trat aus Evans Blickfeld und ließ ihn mit dem ächzenden Soldaten am Boden allein.
Evan wusste, dass der Wraith ihn beobachtete und so sagte er nichts.
Stumm sah er zu, wie das Leben und die Jungend aus Jells verschwanden. Wie dessen Haar ergraute und Falten das Gesicht durchfurchten. Mit einem letzen flehenden Blick, durchzogen von Angst und Schmerz, blickte Jells zu seinem Vorgesetzten auf.
Evan konnte nichts tun.
Nichts, außer dem sterbenden Mann mit einem letzten, aufmunternden Lächeln zu betrachten.
Dann atmete Jells einmal geräuschvoll ein und seine Augen wurden gläsern. Sein Blick verlor die Schärfe und entglitt ins Leere. Dann war es vorbei. Evan schloss für einen Moment die Augen.
Schluckte die Wut und die Verzweiflung hinunter, die er am Liebsten an dem dumm lächelnden Wraith ausgelassen hätte.
Dieser kam jetzt wieder in Evans Blickfeld und trat noch einmal mit voller Wucht auf den leblosen Körper des Soldaten ein.
Evan hörte, wie sich die Tür des Raumes erneut öffnete. Die Wachen waren wohl zurück.
"Räumt das weg!", befahl der Wraith und deutete auf den toten Körper.
Evan platzte fast vor Wut!
Dann packte ein Wache Jells Beine und zog ihn aus Evans Blick.
Der zweite Wraithwache kam mit Captain Ash zurück.
Die Frau wurde ebenfalls auf die Knie gezwungen.
Ein sorgenvoller Blick ihrer blauen Augen traf auf Lorne und wanderte dann zu der Leiche von Lieutenant Jells, der unweit von ihr in der Ecke lag. Sie schluckte geräuschvoll.
Wieder trat der Wraith auf Evan zu.
"Das männliche Exemplar deiner Spezies war dir offensichtlich egal. Ob es bei einem weiblichen ebenso steht?" erkundigte sich der Wraith.
Evan zwang sich, seine Stimme ruhig zu halten, als er den Kopf drehte und den Wraith direkt ansah.
"Ich werde dir nichts verraten", versicherte er.
Wieder lachte der Wraith und Ash bekam den ersten Schlag eines Wächters.
"Mag sein, dass auch Ihr Leben nicht ausreicht", begann der Wraith erneut zu sprechen.
"Doch glaube mir, in der Zelle warten noch viele andere Menschen darauf, vor deinen Augen zu sterben. Und selbst wenn du mir nicht verrätst, was ich wissen möchte, wird es mir doch eine Genugtuung sein, ihnen wegen deiner Sturheit, das Leben zu nehmen. Sie werden sterben, einer nach dem anderen und dann, wenn du dir nichts sehnlicher wünscht, als deinen eigenen Tod, werde ich dich als Infizierten durch das Stargate schicken. Du wirst eine ganze Zivilisation mit in den Tod nehmen, bevor es dir gestattet sein wird, endgültig zu sterben."

Kapitel 10.
In etwa stündlichen Interwallen kamen die Wraith wieder.
Als Letztes hatten sie Kenneth Bolton, einen dunkelhaarigen Sergeant, aus der Zelle abgeführt.
Keiner von denen, die sie mitnahmen, kam wieder zurück.
Radeks Unbehagen wuchs und wuchs.
Es waren nur noch 10 Stunden bis zur Deadline für die Infizierten von Atlantis.
Ob es Marc und seinen Leuten wohl schon gelungen war, ein Gegenmittel herzustellen?
Oder hatte es die Hashepsto aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen erst gar nicht zurück nach Atlantis geschafft?
Fragen über Fragen. Doch nicht nur das belastete Radek.
Die Ungewissheit, wer von ihnen wohl als nächstes geholt wurde, war schier unerträglich.
Wurden die Betroffenen gefressen, in Kokons gesteckt oder hatten sich die Wraith eine andere Abscheulichkeit einfallen lassen?
Radek schritt in der Zelle auf und ab. Er wollte nicht dasitzen und warten. Auch wenn sein auf und ab Gerenne keineswegs zu einer entspannten Zellenatmosphäre beitrug. Doch mit einem Blick in die Gesichter seiner Mitgefangenen wurde ihm klar, dass selbst sein rastloses Gerenne den Stressfaktor nicht noch mehr erhöhen könnte. Sie waren eh schon alle bis aufs Äußerste angespannt.

"Still!", mahnte ein Soldat, der am Zellenausgang platz genommen hatte, eine kleine Gruppe schwätzender Soldaten. Sogleich kehrte Ruhe ein und alle lauschten.
Auch Radek blieb stehen und beobachtete die Zellentür.
"Sie kommen wieder…" erklärte der Soldat und deutete auf die Biegung, hinter der auch sogleich die beiden Wachen erschienen.
Die Gefangenen erhoben sich. Keiner sagte mehr ein Wort. Still warteten sie ab.
Wer würde es dieses Mal sein?
Die Zellentür öffnete sich und für einen Moment blickten sich die Wachen unschlüssig um.
Als ob ihnen die Wahl des nächsten Opfers schwer viel. Dann viel ihr Blick auf Radek und dieser versteinerte förmlich. Die Wachen sprachen sich wohl telepatisch ab, denn beide griffen zeitgleich nach dem Wissenschaftler. Dieser wehrte sich noch einem Moment, dann gab er auf und ließ sich abführen. Radek warf noch einen letzten Blick zurück, dann verschwanden sie hinter der Biegung.
Seine Füße fühlten sich wie Gummi an und er hatte Angst, sie würden unter seinem Gewicht nachgeben. Trotzdem setzte er, fast mechanisch, einen Fuß vor den anderen. Langsam, aber dennoch stetig, kamen sie ihrem Ziel immer näher. Radek kam sich vor, als ob man ihm zum Schafott geleiten würde. So hatten sich wohl damals die Verbrecher auf ihrem Weg zum Henker gefühlt oder so vermag es einem Verurteilten ergehen, der am Ende des Weges den elektrischen Stuhl erwartete.

Radeks Gedanken schweiften fort. Verließen diese schaurige Umgebung und drifteten zurück, zurück in seine Kindheit.
Er sah sich spielend und lachend an dem Ort, der einst Geborgenheit und Sicherheit repräsentiert hatte.
Sein Zuhause.
Die Gesichter seiner Eltern und Großeltern flackerten als Bilder durch seinen Kopf.
Das Glücksgefühl, welches er in ihrer Nähe stets verspürt hatte, kroch zurück in sein Bewusstsein.
Dann wechselte die Szene vor seinen Augen. Er sah Atlantis. In all seiner Pracht.
Seine Kollegen, seine Freunde, wie sie lachten und lebten…
Das Bild verschwamm vor seinen Augen und zurück blieb die Wirklichkeit.
Eine große, dunkle Tür, die sich vor ihm und den Wraith öffnete.
Erst glaubte Radek, man brächte ihn in einen leeren Raum. Doch dann erkannte er eine auf einen Stuhl gefesselte Gestalt. Bevor er jedoch dessen Gesicht erkennen konnte, packte ihn ein Wraith an den Haaren und warf ihn zu Boden.
Radek keuchte. Rieb sich mit einer Hand über die schmerzende Stelle am Kopf.
Sein Blick viel in eine Ecke des Raumes und sein Blut gefror ihm in den Adern.
Ein Berg aus Leichen!
All die Menschen aus seiner Zelle, all die netten Soldaten waren dort, auf groteske Weise gestapelt.
Ein Gewirr aus Armen und Beinen. Die Wraith hatten ihnen das Leben ausgesaugt und ihre Überreste in die Ecke geworfen. Wie Abfall, wie etwas, was ein einst lebendes Wesen selbst im Tod nicht verdient hatte.
Radek konnte seinen Blick nicht von dieser Szenerie lösen. Zu groß war der Schock, der all seine Glieder gelähmt hatte.
Erst ein Schlag in die Rippen, der ihn unter Schmerzen zusammenbrechen ließ, brachte seine Gedanken zurück in die Realität und zurück zu dem Mann auf dem Stuhl.
"Major Lorne" hauchte Radek mit erstickender Stimme.
So froh wie er auch darüber war, den Major noch lebend wieder zu sehnen, so entsetzte ihn doch der Blick des Soldaten. Starr und völlig gefühllos! Mit einem Wort: eiskalt!
Radek schauderte.
Warum, um alles in der Welt, betrachtete Lorne ihn so? Radek wurde bang.
Was war in diesem Raum hier schon alles geschehen, bevor man ihn jetzt hierher geschleppt hatte?
Obwohl der Tscheche befürchtete, dass seine Fragen früher und härter beantwortet werden würden, als es ihm lieb war.
Ein unmaskierter Wraith schlich mit einem Lächeln auf den Lippen um den gefesselten Soldaten herum.
"Ah", ließ der Wraith vernehmen.
"Dieser hier" und mit den Worten deutete er auf Radek. "Dieser hier ist anders. Anders als seine Vorgänger."
Ungewollt viel Radeks Blick zurück auf den Leichenberg und das Wort >Vorgänger< hallte als Echo durch seine Gedanken.
"Dieser hier hat Angst", bestätigte der Wraith und sah von oben auf Radek herab.
Radek sah zu dem Wraith empor und musste sich unwillkürlich fragen, welcher normale Mensch in solch einer Situation nicht Angst bekäme.
Gut, die Militärs hatten gelernt, solche Emotionen zu verbergen. Aber er war halt bloß ein normaler Durchschnittstyp. Ein Wissenschaftler! Jemand, dessen größte Herausforderung es bisher immer gewesen war, mit Dr. Rodney McKay auszukommen, ohne ihn ausversehen doch zu erwürgen.
Nie hätte er geglaubt, jemals in einer derartigen Lage zu sein!
Und doch war er hier und nach alldem, was er durchgemacht hatte, da war es weder verwunderlich, noch verachtenswert, Angst zu haben.
Nur fehlte ihm der Mut, dies dem Wraith ins Gesicht zu sagen. So schwieg er einfach. Wartend auf das, was noch kommen würde.
Mit einem kehligen Ton, der wohl ein Lachen darstellen sollte, sah der Wraith zurück zu Lorne.
"Ja, dieser hier hat Angst. Vielleicht…ja vielleicht sollte ich ihn fragen", überlegte er.
Fragen? Was sollte man ihn fragen?
Radek rutschte unruhig ein Stück weiter über den Boden. Weg von dem stetig lächelnden Wraith.
"Du wirst es mir verraten, nicht war? Du magst keine Schmerzen, oder?"
Was für eine blöde Frage! Natürlich mochte er keine Schmerzen!
Radek versuchte vergebens, noch ein Stück weiter weg zu rutschen. Seine Bemühungen wurden jäh unterbrochen, als eine Wraithwache mit ihrer Waffe nach ihm schlug.
Schmerzerfüllt blieb er ruhig sitzen, was dem Wraith ein erneutes Lachen entlockte.
"Nein, du magst keine Schmerzen", stellte er mit Genugtuung fest.
Hilfe suchend wandte sich Radek an den gefesselten Lorne.
Doch dieser sah immer noch ausdruckslos auf die sich vor ihm abspielende Szene.
Der Wraith ging jetzt dicht neben Radek in die Knie und dieser versuchte, sich seine Angst nicht all zu deutlich ansehen zu lassen.
"Wenn du meine Fragen beantwortest, wirst du leben", versprach ihm der Wraith.
Was sich in Radeks Ohren aber nicht wirklich glaubwürdig anhörte.
Wenn er die Fragen beantworten würde, würde er nur etwas später sterben. Das war alles.
"Also verrate mir die Koordinaten deiner Heimatwelt."
Jetzt stutzte Radek. Dies hier war ein Verhör?!
Entsetzt sah er zurück zu dem gefangenen Major. Sie hatten wohl seine Kollegen vor ihm gefoltert, um ihn zum Reden zu bringen.
Wie grausam und barbarisch, musste er denken.
Jetzt verwunderte es ihn auch nicht mehr, dass der Soldat nichts anderes als einen kalten Blick für ihn übrig hatte.
Er versuchte bestimmt, sich emotional von dieser Szene zu distanzieren, sonst würde er den Wraith am Ende wohl doch noch antworten. Und da der Major dies offensichtlich bisher noch nicht getan hatte, lag es nun an Radek, ebenso zu schweigen. Eine schwere Bürde.
Wie viel Schmerzen würde er wohl ertragen, bevor er um Gnade flehte?
Bevor er ihnen sagte, was immer sie hören wollten, nur um von den Schmerzen befreit zu werden?
Radek begann zu zittern. Verängstig schloss er seine Augen und wünschte sich einmal mehr, dass dies alles nur ein schrecklicher Traum wäre.
"Wach auf", flüsterte er. "Wach auf!"
"Hast du mir nichts zu sagen?" erkundigte sich der Wraith, als Radek nicht antwortete.
Die Wache schlug erneut zu. Radek presste die Lippen zusammen. Er wollte nicht schreien!
"Antworte!" verlangte der Wraith.
Jetzt war guter Rat teuer. Sollte er Schweigen oder Lügen?
Radek entschied sich, nach einem erneuten Schlag mit der Wächterwaffe, für Letzteres.
"Ich…i…ich kenne die Koordinaten nicht. Ich…ich bin nur ein unbedeutender…" Radek überlegte, "Mediziner" fügte er schnell hinzu. "Ja, ich bin nur ein Mediziner. Mehr nicht. Ich kenne mich mit solchen Details nicht aus."
Selbst überrascht von seiner Ausrede, wartete er ab, ob ein neuerlicher Schlag folgen würde. Doch dieser blieb aus.
Das Lächeln verschwand von dem Gesicht des Wraith und wütend drehte er ein paar Runden durch den Raum. Anscheinend dachte er angestrengt nach.

Evan war verblüfft über die schnelle und vor allem geglückte Lüge des Wissenschaftlers.
Das hätte er ihm gar nicht zugetraut. Doch retten würde ihn das alles auch nicht.
Sie würden mit Zelenka so verfahren wie mit den Soldaten.
Evan hoffte nur, dass der Wissenschaftler nicht unter den Schmerzen der Folter doch noch aussagen würde.
Der Wraith trat wieder auf Lorne zu. Beugte sich nah zu dessen Ohr und flüsterte: "Soll ich seine Aussage überprüfen? Ich denke, dein Freund lügt mich an."
Auch Radek hatte die leise gesprochenen Worte gehört.
Evan blickte den Wraith nur kalt an. Warum nur war dieser Typ so gesprächig?
Die Wraith, die Lorne bisher kennen gelernt hatte, waren weitaus schweigsamer gewesen.
Offensichtlich machte diesem hier seine Arbeit besonders Spaß. Dennoch würde er keine seiner Fragen beantwortet bekommen. Zumindest nicht von Lorne.
"Gut, dann frag ich einfach deinen Freund", stellte der Wraith wieder lächelnd fest.
Dann trat er zurück zu Radek und musterte ihn erneut von oben herab.
"Nenn mir die Koordinaten deiner Heimatwelt!"
Radek sagte nichts. Wie erwartet, erntete er dafür einen Schlag in die Rippen.
Mit schmerzerfülltem Gesicht sah er zu Evan zurück. Dessen stummer Blick mahnte ihn, weiter durchzuhalten.
"Du willst nicht reden? Na schön. Es gibt noch genügend andere".
Damit beugte sich der Wraith hinab zu Radek und presste seine Hand auf dessen Brust. Genoss die Schreie des verzweifelten Mannes und freute sich, als er die nackte Angst in den Augen seines Opfers erkannte.

Kapitel 11.
"Die bewegen sich!"
Cady Goodman erschrak förmlich, als Vinzent van Greyarts losbrüllte.
Die letzten Stunden hatten sie nur schweigend nebeneinander gesessen und Cady war daraufhin wohl kurz eingenickt. Was hätte sie auch groß mit diesem nörgelnden Lieutenant neben ihr bereden sollen?
Was ihre derzeitige Mission betraf, waren sie beide ja von Anfang an unterschiedlicher Meinung gewesen. Außerdem zählte Vinzent zu der Sorte Menschen, mit denen eine vernünftige Diskussion ohnehin unmöglich war. Jemand, der keinen Millimeter von seinem Standpunkt abweichen konnte bzw. wollte, war nicht diskussionsfähig und so hatte sie eine derartige Konversation erst gar nicht angestrebt.

Vinzents gestikulierte wild mit den Armen und deutete auf das Wraithschiff.
"Jetzt starten Sie schon den Jumper!" meckerte er im Befehlston.
Cady schnaubte abfällig und verkniff sich einen bissigen Kommentar. Wenigstens hatte er nicht mitbekommen, dass sie kurz eingenickt war. Das hätte er sicher unter >im Dienst eingeschlafen< in seinen Beicht geschrieben oder noch schlimmer, er hätte gleich über ihr undiszipliniertes Verhalten lang und breit diskutieren wollen.
So war Cady die Abwechslung recht und das untätige Warten hatte auch ein Ende gefunden.
Jetzt würde es endlich losgehen.

Das Wraith-Basisschiff aktivierte seine Sublichtmotoren, um zu wenden. Dazu wollte es Cady aber gar nicht erst kommen lassen. Sie rief das Display auf der Jumperfrontscheibe auf, um das feindliche Schiff zu scannen.
"Was dauert das den so lange? Schießen Sie!" kam es vom Beifahrersitz.
Vinzent gestikulierte immer noch mit seinen Armen in Richtung Basisschiff.
Dieses Mal ließ Cady sich dazu hinreißen, ihm zu antworten.
"Und Sie glauben allen ernstes, dass ein Schuss ins Blaue irgendetwas bewirken würde? Selbst wenn uns die Wraith nicht sehen, wenn wir nicht mit einer schnell aufeinander folgenden Salve an Drohnen den Antrieb ausschalten, werden die einfach in den Hyperraum fliehen. Dann haben wir gar nichts erreicht. Also bitte, halten Sie die Klappe und lassen Sie mich machen."
Vinzent schnappte kurz hörbar nach Luft, sagte aber nichts mehr, sondern ließ sich in seinen Stuhl zurückfallen und beobachtete Cady genau. Wie ein Aasgeier, der seiner Beute auflauert, dachte sie.
"Ziel erfasst!" bestätigte sie, mehr zu sich selbst als zu Lieutenant van Greyarts.
Dann beobachteten die Beiden gespannt und mit angehaltenem Atem den Start der kleinen, gold-gelben Drohne. Im Gegensatz zu dem Wraithschiff wirkte die Drohne winzig und für einen kleinen Moment zweifelte Cady an der Durchschlagskraft ihrer Waffe. Quälende Sekunden, dann der Einschlag. Innerlich jubelnd, konzentrierte sich Cady erneut auf die Sensorendaten.
"Der Treffer hat gesessen!" bestätigte sie erfreut.
"Nicht wirklich", ließ Vinzent vernehmen. "Zumindest hat er sie nicht aufgehalten!"
Mit einem seiner schlanken Finger deutete er auf das sich immer noch bewegende Objekt im All.
"Shit!" fluchte Cady. "Nächster Versuch!"
Dieses Mal steuerten zwei Drohnen gleichzeitig auf das bereits beschädigte Ziel und wieder waren es Volltreffer. Die Sensoren des Jumpers verzeichneten einen kurzen, schiffsweiten Energieabfall auf dem Feindschiff. Dann viel der Antrieb aus.
Jetzt hatte Cady allen Grund zu jubeln. Vinzent war zwar noch vorsichtig optimistisch, aber innerlich freute auch er sich über ihren vorläufigen, wenn auch nur kleinen Sieg.
"So, das habt ihr nun davon, wenn ihr euch mit uns anlegt!" rief Cady durch den Jumper, als ob die Wraith sie hören könnten.
Die optimistische Stimmung wurde jäh unterbrochen, als die Sensoren Jägeraktivitäten meldeten.
"Sie schicken ihre Jäger?!" Vinzent klang irgendwie überrascht und doch ein wenig verzweifelt.
Damit hatte auch Cady nicht wirklich gerechnet. Waren sie etwa entdeckt worden?
"Wir sollten dringen diese Position verlassen", schlug sie vor und flog den Jumper dichter an das Wraithschiff heran.
Die Jäger setzten zu einem Formationsflug an und die beiden Lieutenants beobachteten dies neugierig.
"Ein Suchmuster?" spekulierte Vinzent.
Cady nickte. "Gut möglich. Sie suchen die Umgebung nach einem Rasterprinzip ab. Offenbar hoffen sie so, uns lokalisieren zu können."
Wieder vergingen Minuten des Schweigens und des Zusehens.
"Was jetzt?" stellte Vinzent die Frage, welche schon längst überfällig gewesen war und doch, Cady hatte noch keine vernünftige Antwort darauf gefunden. "Ich überlege noch", gestand sie ihrem Kollegen ehrlich.
Dieser sage nichts, doch Cady konnte sich denken, dass er wenig begeistert war. Aber ein >ich hab Ihnen doch gesagt, dass die Mission eine Schwachsinnsidee war< hätte sie von Vinzents Seite her jetzt auch nicht verkraftet, ohne ihn zu erwürgen.
Was war zu tun?
Wie sollten und wie könnten ihre nächsten Schritte aussehen? Sie mussten es irgendwie schaffen, ihre Freund vom Schiff zu holen, aber wie? Ihre Freunde waren drin und sie waren…
"Rein!" rief sie laut.
"Bitte was?" fragte Vinzent verwirrt.
Cady strahlte ihn an. "Na wir gehen rein!" erklärte sie ihm.
"Rein?", hakte ihr Gegenüber noch einmal nach.
"Ja!" flötete sie fröhlich. "Da, wo die Jäger herausgekommen sind, da fliegen wir rein."
"Sie sind irre! Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst?"
"Haben Sie eine bessere Idee?"
"Nein, gerade nicht. Aber…"
"Somit ist es beschlossene Sache." Cady erstickte jede weitere Diskussion im Keim und steuerte den Jumper am Schiffrumpf des Wraithkreuzers entlang. "Auch auf die Gefahr hin, dass Sie meine Frage wieder als dumm beschimpfen, aber was wollen wir da drin? Zu zweit gegen die Wraith haben wir keine Chance und sobald wir den Jumper verlassen, verfliegt unser taktischer Vorteil, denn wir sind dann sichtbar."
"Schon klar", antwortete sie kurz.
Da war auch schon der feindliche Hangar. Der Jumper verschwand im Inneren des gewaltigen Schiffes und setzte sanft und leise, dort in einer Ecke, zur Landung an.
"Sind Sie nicht dafür", fragte sie leise und blickte zu Vinzent. "…dass wir es wenigstens versuchen. Ich meine, sind wir unseren Freunden eine Rettungsaktion nicht wenigstens schuldig?"
Erst antwortete Vinzent gar nichts darauf.
"Natürlich denke ich diesbezüglich so wie Sie. Aber niemand hätte etwas von einer Rettungsaktion, die nicht funktionieren kann. Solange wir es nicht schaffen, unser Chancen auf Erfolg zu erhöhen, sollten wir unser Leben nicht leichtfertig riskieren. Nur deshalb war ich dagegen gewesen, diese Mission zu zweit zu starten. Unsere Möglichkeiten sind derart begrenzt, dass ich einfach keine Chance sehe", gestand der schlanke, dunkelhaarige Mann.
Cady blickte auf ihre Finger, die noch immer auf der Konsole vor ihr ruhten.
Mochte sein, dass Vinzent Recht hatte. Doch seine Motivation war nicht so groß, wie die ihre. Für ihn gab es niemand Besonderen unter den Gegangenen der Wraith. Freunde vielleicht, aber nicht mehr.
Bei ihr war das anders. Doch mit einer hirnlosen, nicht durchdachten Rettungsaktion würde sie ihm gewiss nicht helfen. Diesbezüglich hatte Vinzent auf jeden Fall Recht. Es musste doch eine Lösung dafür geben!
Denk nach Mädchen, denk nach!
"Genau!"
"Was?" Jetzt war Vinzent erschrocken. Auch er war in Gedanken versunken gewesen und Cadys plötzlicher Ausruf hatte ihn mit einem Schreck in die Gegenwart zurückgeholt.
"Wir haben im Prinzip genau die Ablenkung, die wir brauchen. Denken Sie doch nach! Die Jäger sind bemannt gestartet und suchen da draußen nach uns. Somit fallen schon mal einige Wraith aus, die sich nicht auf den Gängen aufhalten können. Dann haben wir ja auch noch ihren Antrieb lahm gelegt. Viele von denen sind bestimmt mit den Reparaturen beschäftigt. Noch ein paar weniger, die uns Ärger machen können und noch ein großer Vorteil, die erwarten uns nicht hier drinnen!"
Vinzent überlegte. Die blonde Frau hatte durchaus nicht Unrecht.
"Jetzt oder nie. Wenn Sie das wirklich durchziehen wollen, wird sich uns wohl keine bessere Gelegenheit bieten."
Erfreut, endlich Unterstützung von Seiten van Greyarts zu haben, erhob sich Cady und bewaffnete sich.
Den Lebenszeichendetektor nahm sie vorsichtshalber mit.
Dieser machte zwar keinen Unterschied zwischen Wraith und Menschen, aber er würde ihnen eine eventuelle Annäherung von Personen oder Personengruppen anzeigen. Da, wo viele kleine, weiße Pünktchen auf einem Haufen versammelt waren, musste wohl das Gefängnis sein.
"Ist ein Druckausgleich im Hangar durchgeführt worden?" erkundigte sich Vinzent beiläufig.
"Kraftfeld", murmelte Cady, währen sie sich eine der 9-Millimeter einsteckte.
Vinzent nickte. "Hab ich mir fast gedacht", bestätigte er beiläufig.
Er steckte noch die Fernbedienung für den Jumper ein und bestens ausgerüstet verließen sie ihr Versteck.

Kapitel 12.
"Können Sie mich hören? Radek, wachen Sie auf!"
Eine vertraute Stimme hallte durch die Dunkelheit, welche Radek umgab.
Doch nur Fragmente und einzelne Wortfetzen drangen in seinen Geist und hallten durch sein Bewusstsein. Die ihn umgebende Schwärze machte ihm das Denken unnötig schwer.
Warum erinnerte er sich nicht daran, wem diese doch so bekannte Stimme gehörte?
Er kämpfte gegen diese unsichtbare Macht, die seine Gedanken vernebelte. Er wollte diesen dunklen Ort, an dem sein Geist gefangen war, verlassen. Dann viel es ihm ein.
"Major Lorne", flüsterte er.
"Sind Sie wach?"
Radek blinzelte und öffnete einen Spalt breit die Augen. Lornes Gesicht blickte besorgt zu ihm hinab.
"Wie geht es Ihnen?" fragte der Soldat.
Radek konnte nicht antworten. Seine Kehle war trocken wie Sandpapier. Sein gesamter Körper schmerzte. Jeder einzelne Muskel, jede Sehne und selbst seine Knochen taten ihm alle einzeln weh.
Doch eine Woge der Erleichterung durchflutete ihn trotzdem. Schmerz bedeutete, er war nicht tot!
Radek schluckte, wollte seine trockene Kehle befeuchten. Was hätte er jetzt nicht alles für einen einzigen Schluck Wasser getan.
"Wasser kann ich Ihnen leider nicht anbieten", kam es entschuldigend von Lorne, als ob der Soldat Radeks Gedanken gelesen hätte.
Dieser schenkte seinem besorgten Gegenüber ein leichtes Lächeln. Mühsam erhob sich Radek und Evan half ihm dabei, sich an die Wand zu lehnen.
"Tut Ihnen etwas weh?"
Radek musste lachen, was durch seinen trockenen Hals aber eher zu einem Husten wurde.
"Alles", brachte er erschöpft hervor. "Mir tut alles weh."
"Das ist gut", lächelte Lorne ihm entgegen und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.
"Willkommen zurück unter den Lebenden Doc."
Radek brachte nur ein Nicken zustande.
"Ruhen Sie sich aus", meinte Evan und klopfte noch einmal kräftig auf Radeks Schulter.
"Wie…ich…" Radek bemühe sich, trotz seiner Halsschmerzen, einen lauten und deutlichen Satz zu formulieren. Scheiterte aber.
Evan hob fragend die Augenbrauen. "Tut mir leid, aber das hab ich nicht verstanden."
Radek senkte seinen Blick hinab auf seinen Brustkorb. Sah ganz deutlich die Stelle, an der sich der Wraith von ihm hatte nähren wollen. Jetzt verstand Evan auch, was der Wissenschaftler hatte fragen wollte.
"Keine Sorge. Die Verletzung ist nicht schlimm und er hat Ihnen auch nichts von Ihrem Leben gestohlen. Sie sehen immer noch aus wie…tja, wie immer halt."
Radek war nicht wirklich zum Scherzen zumute. Aber dennoch, erleichtert war er schon sehr über Evans Aussage.
"Diese Einschläge ins Schiff kamen genau zur richtigen Zeit. Fragt sich nur, was das war", überlegte der Soldat.
Radek hatte die Einschläge, wie der Major sie nannte, nur am Rande mitbekommen. Die Erleichterung über die Tatsache, dass der Wraith ihn in diesem Moment losgelassen hatte, war so überwältigend gewesen und dann…dann war auch sogleich die Dunkelheit gekommen. Hatte seinen Geist erfüllt und ihn zu Boden geschickt.
"Wie geht es Ihrem Freund?"
Radek erschrak! Die unbekannte Stimme, welche aus einem dunklen Abschnitt des Raumes kam, hatte ihn überrascht. Zugegeben, er hatte seiner Umgebung noch nicht wirklich viel Aufmerksamkeit geschenkt, seit er wieder bei Bewusstsein war.
Even, der Radeks Zusammenzucken bemerkt hatte, begann zu erklären: "In diesem Raum sind die gefangenen Überlebenden einer Welt, die sich Rebil nannte. Das Virus, welches unser Team mit durch das Tor gebracht hatte, stammt von ihnen."
Radek blickte ungläubig in die Dunkelheit. Ein alter Mann trat aus dem Schatten und seine leblos wirkenden Augen musterten die beiden Atlanter.
"Das ist Dr. Barned", stellte Evan den Herrn vor.
Radek wollte diesen Menschen gar nicht kennen lernen.
Er wusste zwar durch die vielen, ausführlichen Gespräche mit den Doktoren Steffens und Spencer, dass das Erschaffen eines Virus nicht in der Absicht der unbekannten Ärzte gelegen haben konnte, und doch…Dieses Virus war Schuld an allem!
Und da er seine Wut kaum an dem Virus persönlich auslassen konnte, so wollte er wenigstens auf dessen Erschaffer zornig sein und dieser Barned gehörte offensichtlich dazu.
"Die Wraith halten diese Menschen hier gefangen", erklärte ihm Evan weiter.
Na und?, hatte Radek sagen wollen, doch durch seinen schmerzend, trockenen Hals blieb es lediglich ein Gedanke.
"Sie mussten den Wraith die Formel für das Virus und das Antivirus verraten."
"Virus?" fragte Radek. Was sollte das Virus den Wraith bringen? Das Gegenmittel hätte ihnen doch völlig ausreichen müssen.
Evan sah kurz betreten zu Boden und schweifte dann ab zu Dr. Barned.
"Sie infizieren Personen und schicken sie durch das Stargate auf bewohnte Planeten. Diese infizieren dort die Bevölkerung, damit ihre >Beute< nicht mehr in der Lage ist, vor ihnen zu fliehen. So ist es für sie einfacher, sie zu fangen."
Evan hatte die ganze Zeit, während er sprach, seinen Blick nicht von Dimitri Barned abgewandt. Dieser sah dennoch genauso gefühllos drein, wie er dies immer tat.
"Können wir das nicht verhindern?" fragte Radek leise.
Evan schüttelte seinen Kopf. "Ich wüsste nicht wie."
"Selbst wenn Ihnen etwas einfallen würde", kam es von Dr. Barned. "Es wäre ohnehin schon zu spät." "Wie meinen Sie das?" fragte Evan nach.
"Unsere Welt war sehr bekannt. Viele Dörfer überall in der Galaxie trieben mit uns Handel. Glauben Sie mir, nicht nur Ihr Volk kam durch das Tor, seit der Virus auf Rebil ausgebrochen ist. Viele Menschen kamen und schleppten das Virus mit auf Ihre Welt. Von denen mag vielleicht ein Infizierter noch eine andere Welt besucht haben, bevor das Virus bei ihm ausbrach, oder ein Mitglied einer anderen Gemeinde kam zu Besuch dort hin. Es gibt dutzende, verschiedene Szenarien, wie sich das Virus verbreiten könnte und eines ist gewiss, da draußen gibt es sicher schon ein dutzend infizierter Welten, die den Wraith schutzlos ausgeliefert sind."
Ungewollt mussten sie Dimitri beipflichten. Diese Situation war wirklich eskaliert.
"Wir hatten versucht…" sprach Dimitri weiter. "Einer unser Wissenschaftler, welcher sich sein Leben lang mit dem Ring der Vorfahren beschäftigt hatte, war überzeugt davon gewesen, dass die letzten gewählten Adressen im Wahlgerät gespeichert blieben. Er gab sein Leben bei dem Versuch, Zugriff auf das Wahlgerät zu erlangen. Wir konnten seine Theorie somit nie bestätigen."
"Wozu diente dieser Versuch?", hakte Evan nach.
"Wir wollten das Gegenmittel zu den infizierten Dörfern bringen. Eben zu all den Menschen, die durch unsere Schuld infiziert wurden. Zu Leuten wie Ihnen, welche die Seuche ungewollt mit durch Ihr Sternentor gebracht hatten."
"Es funktioniert" kam es von Radek. "Ich weiß das. Das mit den Adressen meine ich."
Evan nickte. "Ja, Radek hier" und damit deutete er auf den Angesprochenen, "er weiß, wie er Zugriff auf die im Wahlgerät gespeicherten Informationen bekommt. Wir mussten dies schon einmal versuchen und es hat geklappt. Wir konnten nur nicht erkennen, in welcher Reihenfolge die Adressen angewählt wurden."
"Was in unserem Fall aber irrelevant wäre", bestätigte Radek, der seine Halsschmerzen schon vergessen hatte.
"Wir fanden aber nie eine Möglichkeit, das Gegenmittel flächendeckend einzusetzen. Deshalb konnten wir die Seuche auf Rebil auch nicht bekämpfen."
"Auch kein Problem", gab Radek bekannt.
"Mit einer Rakete könnte man das Antiserum in Gasform über den betroffenen Dörfern in Position bringen, um es in der Luft freizusetzen. Damit decken wir eine ausreichend große Fläche ab, um ein ganzes Dorf auf einmal, zu entgiften. Diese Methode funktioniert aber auch nur, wenn das Dorf in der Nähe des Stargates liegt. Sonst bräuchte man jemanden vor Ort, der das Ziel für die Rakete markieren würde."
"Das Antivirus in Gasform? Darüber haben wir nie nachgedacht", kam es von Dimitri. "Aber es könnte funktionieren. Da hat Ihr Freund schon Recht, denn die meisten mir bekannten Dörfer und Städte liegen unweit des Tores."
"Schön und gut, aber das hilft uns im Moment nicht wirklich weiter."
Schweigen legte sich wieder über den Raum.
Solange sie keinen Weg hier raus fanden, brachten all die Ideen, die sie hatten, um das Virus zu bekämpfen, überhaupt nichts.

Radek warf, zum hundertsten Mal, einen Blick auf seine Uhr.
Wieder waren sie eine Minute näher an das Ende der 48 Stunden heran gerückt. Wieder war eine Minute verstrichen, die auch ihn und Evan näher an ihr Ende brachte. Ihr Schicksal würde sich kaum abwenden lassen. Zumindest war ihnen auch nach reiflichen Überlegungen nichts eingefallen, was sie aus dieser Zelle hätte befreien können.
Irgendwann, das war ihnen bewusst, würden die Wraith hier wieder auftauchen und dann hatten sie bestimmt nicht so viel Glück wie beim letzten Mal. Plötzlich sprang Lorne, der neben Zelenka an der Wand gesessen war, auf.
Radek war so in Gedanken versunken gewesen, dass er erst jetzt merkte, wie sich die Tür zu diesem Raum öffnete. Jetzt war es wohl soweit. Die Wraith kamen wieder.
Auch Radek erhob sich, jedoch langsamer als Evan dies getan hatte. Warum sollte er sich beeilen? Sein Tod würde bestimmt auch lange auf sich warten lassen. Mit schaudern dachte er an den Wraith zurück, der sich an ihm hatte nähren wollen. Ja, der Tod würde lange und schmerzlich sein.
"Hallo?" fragte eine Frauenstimme in die Dunkelheit des Raumes.
Überrascht sahen sich Evan und Radek an. Ließen den vor Aufregung angehaltenen Atem langsam wieder entweichen.
Eine zierliche Gestalt erschien bewaffnet in der Tür. Trotz des Mangels an Licht konnte man die Uniform der eingetretenen Person deutlich erkennen. Evan strahlte und auch Radek, der ihr Glück kaum fassen konnte, brachte seinen Mund vor Staunen kaum zu.
"Wir sind hier!" rief Evan erleichtert.
"Sir?" fragte die weibliche Stimme vorsichtig nach.
"Ja, hier ist Major Lorne. Dr. Zelenka ist ebenfalls bei mir!"
Evan packte Radek und stürmte mit ihm zur Tür.
Lieutenant Cady Goodman strahlte die Beiden erleichtert an.
Er lebt!, dachte sich überglücklich.
"Sir", kam es jetzt von einem anderen Soldaten.
"Wo ist der Rest von unseren Leuten?"
"Nicht hier. In einer Zelle den Gang hinunter", erklärte er knapp.
"Wir sollten erstmal von hier verschwinden, bevor die Wraith auftauchen."
"Oh, wir haben für Beschäftigung für die Kerle gesorgt", meinte Cady.
"Das erklären Sie mir alles auf dem Weg hier raus." Mit diesen Worten drehte sich Evan zurück in Richtung des dunklen Raumes.
"Wenn Sie nicht sterben wollen, schlage ich vor, dass Sie sich uns anschließen."
Ohne lange zu überlegen, kamen die Rebil aus der Dunkelheit gestürmt.
Überrascht, über die vielen Zellenmitbewohner ihrer Kollegen, hoben Cady und Vinzent die Augenbrauen.
"Ob wir alle in den Jumper passen?" spekulierte Vinzent.
"Das lassen wir auf uns zukommen. Los, holen wir die anderen!"

Kapitel 13.
"Wohin jetzt?"
Es war ihnen nicht schwer gefallen die Zelle zu finden, in der ihre Teamkameraden gefangen gehalten worden waren. Doch eine Flucht aus dem Wraithschiff, mit einer derart großen Anzahl an Personen, stellte einen viel schwierigeren Part da.
"Der Jumper steht getarnt im Hangar. Wir konnten rein, als die Wraith mit ihren Jägern gestartet sind", erklärte Cady ihrem Vorgesetzten.
Sie hatte Lorne bereits berichtet, wie sie es geschafft hatten, als Rettungstruppe hier aufzukreuzen.
Evan war stolz auf die beiden Lieutenants und ihren Mut, welcher einer so verrückten Rettungsaktion zugrunde liegen musste. Er würde sie für eine Beförderung vorschlagen, wenn sie erst wieder zurück in Atlantis waren. Wenn sie erst wieder Zuhause waren.
Doch würden sie ihr Zuhause noch wieder erkennen?
Gab es dort noch jemanden, der auf sie wartete, oder hatten die Ärzte und Soldaten den Kampf gegen den Virus verloren?
Evan verdrängte diese Gedanken. Es war weder die richtige Zeit, noch der richtige Ort, um über solche Eventualitäten nachzudenken. Er fokussierte seine Gedanken starr auf ihr Ziel.
Wir verlassen das Schiff, dann retten wir Atlantis, wenn das nötig sein sollte.

Cady und Vinzent hatten nicht übertrieben. Es waren kaum Wraith auf den Gängen unterwegs.
Lorne, der die Vorhut übernommen hatte, lugte um eine weitere Ecke. Wieder kein Wraith in Sicht.
Noch waren sie nicht im Hangar, doch eine derart reibungslos ablaufende Flucht hatte er nicht erwartet.
"Weiter" gab er halblaut den Befehl und die kleine Gruppe setzte sich wieder in Bewegung.
Noch eine Biegung, noch ein kleines Stück weiter und sie wären an ihrem Ziel!

Die blaue Energieladung traf völlig unerwartet in die Flüchtlingsgruppe. Schreiend stürzte ein Mann zu Boden! Dann brach das Chaos aus!
Lorne versuchte, aus dem Gewirr der durcheinander laufenden Menschen, ihren Angreifer zu erkennen.
Erneut traf ein blauer Blitz einen Menschen und schickte ihn zu Boden. Und noch einer!
Die in Panik geratenen Leute waren ein leichtes Ziel!
Sie mussten hier weg! Wenn sie überleben wollten, dann musste jetzt etwas geschehen!
"Lieutenant Goodman, bringen Sie diese Leute hier raus!"
Das war jedoch leichter gesagt als getan.
"Folgen Sie mir!" rief Cady laut und stürmte in Richtung Hangar.
Radek, der irgendwo in dem Gewirr aus Körpern untergegangen war, versuchte die aufgebrachten Personen zu beruhigen.
"Keine Panik. Laufen Sie da lang! Da lang!" schrie er immer wieder, schob und zerrte die aufgebrachten Rebil in die richtige Richtung.
Unentwegt schossen die Wraith weiter. Immer mehr Menschen gingen zu Boden. Menschen, die in der Hektik keiner beachtete. Personen, die einfach zurück blieben.
Radek, der dies bemerkte, lief zurück, wollte einem getroffenen Rebil wieder auf die Beine helfen.
Lorne, der sich zusammen mit einigen Soldaten gegen die Wraith mit Händen und Füßen zu wehren versuchte, schrie ihn an: "Verschwinden Sie!"
Radek sah den Major überrascht an.
Die Wraith waren nah! Sie zielten auf die Soldaten. Versuchten so, den Widerstand zu zerschlagen.
"Wir können nicht alle retten!" schrie ihm Evan erneut entgegen.
"Wir halten die Wraith auf, solange wir können. Nützen Sie den Vorsprung, denn viel wird es nicht sein!"
Doch Radek wollte dies nicht akzeptieren. Ließen die Soldaten denn Leute zurück, die nicht zu ihrem Militär gehörten? War die Regel, welche besagte, dass kein Mann zurückgelassen wurde, letzen Endes nur ein schöner Spruch, der nicht für Zivilisten oder, wie in diesem Fall, Personen einer anderen Welt galt?
"Wir können sie doch nicht einfach hier lassen!" rief Radek zurück und versuchte, den schweren Rebilmann auf die Beine zu ziehen.
Ein Treffer, haarscharf an Radeks Kopf vorbei, traf die nahe gelegene Wand. Radek erschrak, sprang auf und bot somit ein leichtes Ziel.
Evan rannte los, hechtete zu dem Wissenschaftler und riss ihn mit sich zu Boden. Wieder zuckte die Entladung einer Waffe nur Millimeter über sie hinweg. Radek fiel, mit Lornes Gesicht auf sich, unsanft zu Boden. Evan sprang jedoch sofort auf und riss den Wissenschaftler mit sich.
"Sie verschwinden jetzt, das ist ein Befehl!" brüllte Lorne ihn an. Scheiß egal ob Zelenka ein Soldat war oder nicht. Es war das einzig Richtige!
"Sie lassen sie also zurück, weil sie nicht zu uns gehören, weil sie keine Ihrer Soldaten sind, denen Sie was befehlen können?"
Evan war im ersten Moment sprachlos. Seine Wut darüber, dass der Tscheche nicht auf ihn hören wollte, wurde bei dem, was Radek ihn da an den Kopf warf, nur noch verstärkt.
"Haben Sie etwa geglaubt, wir könnten wirklich alle retten? Wir retten so viele wie möglich. Das ist der Plan. Also laufen Sie! Helfen Sie Cady, die verängstigten Rebil in Sicherheit zu bringen. Somit retten wir einige. Besser als nichts!".
"Sir" rief ein Soldat und warf Evan einen Wraith-Betäuber zu. Dieser griff sofort nach der Waffe.
Radek warf erneut einen besorgten Blick auf den betäubten Mann, der chancenlos für eine weitere Flucht reglos am Boden lag.
"Ich weiß, wie Ihnen zumute ist!"
"Nein!" rief Radek. "Nein, das können Sie nicht! Sie sind Soldat! Ihnen hat man beigebracht, solche Situationen emotionslos zu betrachten. Sie wissen nicht, wie ich mich fühle! Sie wissen gar nichts!"
Blitzschnell drehte sich Evan um. Schoss auf einen Wraith, der unweit von ihnen den Gang betreten hatte. Mit einem letzten Zucken ging dieser zu Boden. Es wurden immer mehr!
Er hatte keine Zeit diese sinnlose Diskussion mit Radek weiter vorzusetzen.
"Gut", meinte er und drehte sich zurück zu Radek.
"Ich versteh also nicht, wie Sie sich fühlen. Ist mir auch egal! Wenn Sie hier bleiben und krepieren wollen, bitte. Ist Ihre Entscheidung!" Damit stand Evan auf.
"Ich werde mein Leben nicht dafür riskieren, einen Menschen zu retten, für den ich nichts mehr tun kann! Ich sorge lieber dafür, dass die Wraith nicht bis zum Hangar kommen und rette somit das Leben der übrigen Flüchtlinge. Wenn Sie diese Denkweise nicht gutheißen können oder aus irgendeinem Grund nicht verstehen, dann ist das ab jetzt nicht mehr mein Problem."
Damit beendete Evan diese überflüssige Diskussion und lief zurück zu seinen Kameraden.
Radek saß noch eine Weile nachdenklich am Boden.
Dies hier war kein Ort für einen Wissenschaftler! Dies hier war aber auch kein Ort, um seine Grundeinstellung in Frage zu stellen. Er wollte niemanden hier zurücklassen müssen!
Radek erhob sich.
Lorne und seinen Leuten würde er nur im Weg stehen. Hier konnte er bestimmt nicht helfen. Vielleicht hatte der Major doch Recht.
Nicht, dass ihm dieses Eingeständnis die Schuldgefühle genommen hätte, welche er verspürte, als er Richtung Hangar lief. Er ließ unschuldige Menschen zurück. Menschen, deren Tod nunmehr sicher war. Einen Tod, den er fast mit ihnen geteilt hätte. Sein Leben durch einen Wraith zu verlieren, war eine schreckliche Art, diese Welt zu verlassen.
Ein weiterer schwarzer Fleck auf seiner Seele, den er niemals mit seinem Gewissen würde vereinbaren können.
Wir retten einige. Wenigstens etwas, versuchte er sich einzureden, während er weiter lief.

"Sir, wir können die Stellung nicht mehr halten!"
Es war Evan rätselhaft, wie sie mit nur zwei ergatterten Waffen, ihre Stellung überhaupt solange hatten einnehmen können. Er blickte kurz auf seine Uhr. Wenn die Flüchtlinge durchgekommen waren, ohne auf weiteren Widerstand der Wraith zu stoßen, so wären sie sicher bereits im Hangar.
Sie hatten ihnen immerhin 5 Minuten Vorsprung verschafft. 5 Minuten, in denen die Wraith mit ihnen beschäftigt gewesen waren und ihr Augenmerk nicht weiter auf die fliehenden Menschen hatten richten können.
Ihr bisheriges Glück hatte darin bestanden, dass durch das Ablenkungsmanöver der Lieutenants van Greyarts und Goodman die meisten Wraith anderwärtig beschäftigt waren, doch das Glück blieb ihnen nicht hold.
Plötzlich hallte ein schriller Alarm durch die Gänge. Der Ton war mehr als nur nervenaufreibend!
Sie mussten hier weg, ehe die Verstärkung eintraf! Gegen die ganze mobil gemachte Wraithmannschaft hätten sie keine Chance.
"Rückzug" befahl Lorne.
Dem Major war klar, wie sinnlos dieser Befehl in solch einer Situation klang. Als ob sie eine andere Option gehabt hätten.
Die ersten Soldaten, welche noch vor kurzem die Aufmerksamkeit der Wraith, aus ihren Verstecken heraus, auf sich gezogen hatten, spurteten los. Liefen eilig bis zur nächsten Abzweigung und gingen erneut, vor dem feindlichen Feuer, in Deckung.
Evan schoss unentwegt weiter. Versuchte die Wraith zurück zu halten, bis die Soldaten fliehen konnten.
"Laufen Sie!" befahl er einigen weiteren Soldaten, die ihm kurz zunickten und dann verschwanden.
Vinzent van Greyarts stand noch mit der zweiten Waffe in der Hand neben ihm.
Die ersten Einheiten der Feindverstärkung trafen ein.
Evan und Vinzent hatten keine andere Wahl, als in Deckung zu gehen.
"Laufen Sie, Sir! Ich halte sie weiter auf!" bot der Lieutenant an.
Evan schüttelte energisch den Kopf. Er wusste, dass der Feind, welcher sich unaufhaltsam näherte, in derartiger Überzahl war, dass ein Rückzug, den sie beide überleben konnten, außer Frage stand. Doch floh nur einer, hatte dieser wenigstens eine kleine Chance, durchzukommen.
"Nein, Sie gehen!" rief er seinem Untergebenen zu und schoss erneut auf einen näher kommenden Wraith.
"Der Jumper braucht einen anständigen Piloten, wenn sie durch die Jäger durchbrechen wollen! Cady bekäme das nämlich nicht hin! Im Jumper kann ich niemandem helfen! Sir, ich halte hier weiter die Stellung! Gehen Sie!"
"Nein Lieutenant, Sie…"
"Sir! Die Zeit reicht nicht für eine Diskussion. Sie werden noch gebraucht! Ihr Überleben sichert das, der anderen!"
Vinzent hatte Recht. Da führte kein Weg vorbei. Auch wenn Evan den jungen Mann ungern hier zurück ließ, es blieb keine andere Wahl. Wenn er nicht bald floh, waren sie beide verloren und dem Jumper würde ein anständiger Pilot fehlen.
Als Major sollte er es sein, der dem Untergebenen Lieutenant die Flucht ermöglichte. Er sollte es sein, dessen Leben hier endet. Warum nur wollte das Schicksal dies nicht einsehen?
Wir retten so viele wie möglich. Das ist der Plan, spuckten die Worte durch Evans Kopf, die er eben zu Radek gesagt hatte.
Lorne stand auf. Schoss noch einige Male auf die näher kommenden Feinde.
"Major!" schrie Vinzent erneut.
Evans Blick fixierte den Soldaten neben ihm.
"Gott steh Ihnen bei!" Mit diesen Worten drehte er sich um und rannte, so schnell ihn seine Beine trugen.
Er blickte nicht zurück.
Akzeptierte stillschweigend den Heldenmut von van Greyarts.
Ein stechender Schmerz durchzog ihn. Quälte sein, in einem schnellen Rhythmus schlagendes Herz.
Sie sind Soldat! Ihnen hat man beigebracht, solche Situationen emotionslos zu betrachten. Sie wissen nicht, wie ich mich fühle.
Gott, was hätte Evan doch nur dafür gegeben, dass die Worte Radeks wirklich zutreffend gewesen wären…

Kapitel 14.
"Verdammt! Die Wraith bewachen das Gate!"
Damit hatte Evan jedoch fast gerechnet. Dennoch frustrierte es ihn.
Ihre Flucht mit dem getarnten Jumper hatte spielend funktioniert. Zwar hatten einige Jäger ihre Patrouillenflüge beibehalten, doch es war ihnen nicht gelungen, das kleine atlantische Schiff zu orten. Jedoch hatte der Fluchtversuch der Gefangenen dazu geführt, dass ein Grossteil der Jägerschiffe abgezogen und zur Kontrolle des Stargates eingesetzt worden waren. Somit war eine Flucht unmöglich.
"Verdammt!", fluchte Evan erneut.
Der Jumper war so voll beladen wie noch nie. Dicht gedrängt standen die Flüchtlinge zwischen den Soldaten. Körper an Körper, gerade so, dass jeder Platz gefunden hatte. Radek, der an einer Konsole im Cockpit stand, meinte: "Die Sensoren zeigen 7 Jäger in der unmittelbaren Umgebung des Tores an. Weitere 3 Schiffe befinden sich in einem Suchflug über dem Gebiet der ehemaligen Siedlung."
"Was jetzt?"
"Wir sitzen fest!"
"Hier kommen wir nie weg!"
"Klappe halten!" befahl Evan. "Panik bringt uns nicht weiter", erklärte er den verängstigten Rebil.
Als sie noch Gefangene der Wraith waren, hatten sich die Rebilüberlebenden alles aus der Nase ziehen lassen und jetzt wäre Evan ihnen dankbar gewesen, würden sie nur wieder still sein!
"Was machen wir jetzt?" kam es erneut von einem der Zivilisten.
"Darüber denken wir noch nach", beantwortete Evan die Frage.
"Also stören sie uns nicht beim Denken, indem sie dauernd überflüssige Fragen stellen", stellte Cady klar, die auf dem Kopilotensitz Platz gefunden hatte. Sie war froh gewesen, als der Major es unversehrt zum Jumper geschafft hatte und ihre begrenzten Flugkenntnisse, nicht gebraucht wurden.
Dennoch hatte sie tiefes Mitleid für van Greyarts empfunden, als der Major ihnen berichtet hatte, dass dieser zum Wohle aller zurückgeblieben war, um ihnen noch mehr Zeit zur Flucht zu verschaffen. Auch wenn Vinzent ein Nörgler und sie eigentlich nie seiner Meinung gewesen war, hatte sie seinen Tod zutiefst bedauert.
Und jetzt sah es so aus, als ob sein heroisches Opfer vergebens war. Sie würden nicht fliehen können.
"Wir müssen die Wraith vom Tor ablenken!" schlug ein weiterer Zivilist vor.
"Und dann?", hakte Evan gelangweilt nach.
"Die Wraith würden uns folgen, sobald wir das Tor vom Jumper-DHD aus aktivieren würden", erklärte Radek. "Und auf einem anderen Planeten können wir die Wraith genauso wenig gebrauchen wie hier."
"Es sei denn…" begann Evan.
"Dr. Barned, haben Sie nicht mal gesagt, den Wraith für ihre Forschungen hätten sie gefangen nehmen können, weil sie einen Jäger abschossen hatten?"
Dr. Barned, welcher dicht gedrängt im hinteren Abschnitt des Jumpers fest saß, antwortete gepresst: "Ja schon, warum fragen Sie?"
"Besitzt Ihr Planet automatische Verteidigungssysteme?"
"Nein. Wir besitzen nur begrenztes, militärisches Wissen. Das große Vermächtnis unserer Vorfahren beläuft sich auf medizinisches Wissen. Wir besitzen zwar einige Raketen, die in unterirdischen Verstecken gelagert werden, diese müssen aber von Hand auf ihr Ziel ausgerichtet und abgefeuert werden."
"Sie dachten, wir könnten nach Rebil fliehen?" fragte Cady nach und blicke zu ihrem Vorgesetzten, der anscheinend angestrengt nachdachte.
"Sollten wir nicht versuchen, nach Atlantis zu kommen?" erkundigte sich ein weiterer Soldat.
"Erst wenn wir die Seuche ausgerottet haben", erklärte Evan.
"Sir?" Cady schien verwirrt.
"Die Rebil waren eine, in der ganzen Galaxie bekannte Zivilisation. Viele Besucher anderer Planeten reisten täglich dort hin. Dr. Barned befürchtet, dass viele dieser Reisenden, genau wie unser Team, das Virus der Rebil von dort weg auf ihren Heimatplaneten mitnahmen. Somit besteht die Gefahr, dass dutzende weitere Planeten unter dieser Krankheit leiden und diese sich durch Neuinfizierungen immer weiter ausbreitet. Dr. Zelenka ist in der Lage, die zuletzt angewählten Adressen aus dem DHD zu entnehmen. Damit wissen wir, welche Planeten höchstwahrscheinlich infiziert sind. Die Rebil besitzen das Gegenmittel und die nötigen Raketen, um es über die betroffenen Planeten zu verteilen."
"Klingt nach einem Plan", kam es von Dr. Barned.
"Da gibt es nur noch ein kleines Problem".
"Und welches, Dr. Zelenka? Mal abgesehen von unserem gegenwärtigen" und mit diesen Worten deutete Evan durch die Frontscheibe auf das von Jägern bewachte Stargate.
"Der Impfstoff macht nicht immun gegen eine Neuinfizierung. Da die Wraith das Virus besitzen, sind wir immer noch alle in akuter Gefahr."
Schweigen trat ein.
"Die Wraith besitzen das Virus?"
Evan nickte Cady zu. "Sie nutzen es. Schicken infizierte Personen durch das Gate, um die dortige Bevölkerung zu infizieren. Damit ihre Beute nicht fliehen kann. Dann verabreichen sie ihnen das Gegenmittel und zack…" Evan beendete den Satz nicht.
"Zerstören wir das Wraithschiff!" schlug ein Rebil vor.
"Mit welcher Armee?" fragte Evan sarkastisch.
"Ihre Leute haben das Schiff doch bereits beschädigt!"
"Der Jumper ist nicht in der Lage, ein Wraith-Basisschiff zu zerstören!"
"Fällt Ihnen etwa besseres ein?"
"Wir müssen etwas tun!"
"Genau, versuchen wir es!"
"Ich hab doch schon mal gesagt, Klappe halten, ich denke!" Evan fuhr sich frustriert mit einer Hand durchs Haar. War es ihm doch glatt entfallen, dass auch die Wraith über das Virus verfügten.
Radek hatte Recht. Solange sie das Basisschiff nicht zerstörten, blieb die Gefahr für alle Menschen dieser Galaxie bestehen.
Doch wie?
"Rein theoretisch", begann Radek und die Blicke aller richteten sich auf den Wissenschaftler. Radeks Gesichtszüge wirkten angespannt. "Mit einigen, richtig platzierten C4 Ladungen wäre es durchaus möglich, genügend sekundäre Explosionen hervorzurufen, um das Schiff zu zerstören. Natürlich würde es nicht schaden, wenn wir diesen Prozess mit einigen Drohnen des Jumpers unterstützen würden."
"Klingt gut."
"Hört, hört!" lobten einige Rebil.
"Alles nur Theorie!" brummte Evan.
"Seien Sie nicht so negativ!" mahnte ein weiterer Rebil.
Jetzt reichte es Evan endgültig.
"Gut, wenn Sie von diesem Plan des Dr. so überzeugt sind, melden Sie sich bestimmt auch freiwillig, die Sprengladungen an Bord des Wraithschiffes anzubringen!"
Evan drehte seinen Kopf und blickte über die Schulter zu den Menschen im Jumper.
Dazu sagte keiner etwas.
"Sir, ich melde mich freiwillig!" kam es von einem dunkelhaarigen Soldaten.
"Die Wraith nehmen zu Recht an, dass wir durch das Tor fliehen wollen und ihre Antriebsreparaturen sind ebenfalls noch nicht beendet. Niemand wird uns an Bord erwarten."
"Diego hat Recht", meinte ein weiterer Soldat und blickte seinen Freund lächelnd an.
"Ich bin auch dabei."
"Scheiße Leute, ich mach auch mit."
"Wir ein echtes Höllenspektakel!"
Evan schluckte. Der Mut und die Einsatzbereitschaft seiner Männer raubten ihm fast den Atem. Wenn man bedachte, welchem Feind sie gegenüber standen…welches Schicksal die Männer erwartete, würde man sie schnappen…
"Ich bin stolz auf euch" meinte Evan kleinlaut.
"Gut, wenn sie alle davon überzeugt sind…" Er wendete den Jumper und begann wieder mit einem schnell steigenden Flug Richtung Atmosphäre.
"Rüsten Sie sich mit C4 und den restlichen 9-Millimetern aus. Zelenka, berechnen Sie die Orte, an denen wir die Bomben platzieren müssen, und geben Sie jedem Freiwilligen eine kurze Wegweisung.
"Ladys und Gentlemans, sprengen wir das Basisschiff!"

Kapitel 15.
Darauf bedacht, ja kein Geräusch zu verursachen, schlich ein dunkelhaariger Soldat durch die endlos langen Gänge des Wraith-Basisschiffes. Seine Muskeln waren aufs äußerste gespannt. Bereit, innerhalb von Sekunden auf jegliche Art von Gefahr, blitzschnell reagieren zu können.
Würden die Wraith ihn entdecken, waren auch die anderen, sich an Bord befindenden Personen in Gefahr. Ein falscher Schritt, ein noch so feines Geräusch zuviel und die Mission würde scheitern.
Dwalyn Crews wusste, was auf dem Spiel stand.
Das C4-Paket fest an seine Brust gedrückt und mit der 9-Millimeter nach vorne zielend, versuchte er, seinen hämmernden Herzschlag zu beruhigen. Sein Herz klopfte so laut, dass er glaubte, die Wraith würden es hören können. Natürlich war diese Annahme blanker Blödsinn und dennoch, obwohl er wusste, wie albern seine Gedanken waren, er konnte sie nicht verdrängen.
Der Weg, den Dwalyn beschritt, führte ihn an eine Gabelung.
Welcher Designer steckte nur hinter dieser verworrenen Schiffskonstruktion?
Der Lieutenant lugte um die Ecke, hinein in die Biegung nach links und dann mit erhobener Waffen in den leicht nach rechts abfallenden Korridor. Nichts, er war allein! Kurzfristige Erleichterung durchströmte ihn.
Für einen Moment schloss er seine Augen und rief sich die Wegbeschreibung zurück ins Gedächtnis, die er sich, auf Dr. Zelenkas Monitor im Jumper, eingeprägt hatte.
Links, links, gerade, links, rechts, zweite Tür im Korridor…links? Oder rechts?
Beim Schluss war er sich nicht mehr sicher. Er hoffte, dass ihm am Ende des rechten Korridorstückes nur eine Tür zur Auswahl stehen würde und sein Ziel somit deutlich erkennbar wäre.
Die ersten beiden Linksabbiegungen hatte er bereits hinter sich gebracht. Das Stück geradeaus hatte er soeben überbrückt und jetzt…Links.
Langsam und vorsichtig schob er sich in den breiten Gang. Lauschte aufmerksam, damit ihm ja kein Geräusch entgehen konnte.
Egal wie viele Trainingsstunden man in der Ausbildung auch absolvierte, jeder erneute Ausflug in feindliche Gefilde war nervenaufreibend. Durch Dwalyns Kopf spukten all die theoretischen Abhandlungen über das taktische Verhalten unter Feldbedingungen. Die vielen Belehrungen und Mahnungen seiner Lehrer und Ausbilder, von denen keiner jemals einem Wraith begegnet war. Ja, so ein Kursus fehlte echt in der Ausbildung.
Crews blieb stehen. Hielt unwillkürlich den Atem an. Stimmen…!
Erst eine, dann eine weitere.
Dicht an die Wand gedrängt, schob Dwalyn sich vorwärts. Lugte vorsichtig in den nach rechts führenden Korridor, in den er planmäßig hätte einbiegen müssen. Zwei maskierte Wachposten, standen bewaffnet vor einer großen, grauen Tür.
Dwalyn wusste nicht, was sich hinter der Tür befand. Auch Dr. Zelenka hatte ihm dies nicht mit Sicherheit bestätigen können. Der gute Doktor hatte diese eine, bestimmte Stelle lediglich deshalb als guten Platz für eine Detonation ausgewählt, weil wichtige Energieleitungen dicht unterhalb dieses Raumes verliefen. Genau diese Leitungen waren sein Ziel. Von dort aus floss Energie in viele Teile des Schiffes und eben genau diese Versorgung gedachte er zu unterbrechen.
Doch das Wachen diese Tür sicherten, hatte er und bestimmt auch niemand im Jumper vorhersehen können.
Der junge Soldat ließ seinen angehaltenen Atem geräuschlos entweichen. Sollte er ein Stück zurückgehen und Funkkontakt mit dem Major aufnehmen? Doch was konnte dieser vom Jumper aus bewirken, was ihm bei seinem gegenwärtigen Problem half?
Ein leises, kaum hörbar klackendes Geräusch drang aus Dwalyns Funkgerät.
Erst erschrak er kurz und vergewisserte sich rasch, dass die Wraith dieses Geräusch nicht vernommen hatten. Erneut kam ein kurzes >Klick< aus dem Funkgerät. Überlagert vom statischen Rauschen, aber dennoch hörbar.
Sie hatten vereinbart, sich mit diesem kurzen Signal zu bestätigen, sobald eine Bombe platziert war. Offenbar hatten zwei seiner insgesamt sieben Kollegen ihr C4-Paket bereits ausgeliefert.
Dwalyn warf einen letzten, kurzen Blick auf die strammstehenden Wachen, dann zog er sich aus dem Korridor zurück. Suchte vorübergehend Deckung und wartete ab.
Minuten verstrichen, ohne das ihm eine Lösung für sein Dilemma einfallen wollte. Hin und wieder vernahm er das leise Klicken aus dem Funkgerät. Offenbar verlief bei den anderen alles nach Plan.
Sieben, zählte er stumm mit. Das letzte Klick…nur noch das seine fehlte.
Was sollte er tun? Alles riskieren und die Funkstille brechen? War es wirklich unumgänglich, dass das C4 hier explodierte? Konnte er es wagen, sein Paket einfach einige Meter vor dem Ziel zur Detonation zu bringen? Dwalyn wusste es nicht. Andererseits war ihre Mission hier zu wichtig, um sie durch irgendwelche halben Sachen zu gefährden.
Was also sollte er jetzt tun?

Diego Lewis betrachtete interessiert den kleinen Raum. Der Blick seiner blauen Augen scannte förmlich die Umgebung. Nichts dürfte ihm entgehen, wenn er die Mission nicht gefährden wollte. Jedes noch so kleine Detail konnte wichtig oder besser gesagt, gefährlich sein. Auf einem Schiff wie diesem war alles eine potenzielle Bedrohung.
Die Beleuchtung des Raumes erinnerte ihn an Schwarzlicht. Es verlieh der Umgebung ein unwirkliches Aussehen. Erzeugte einen starken Kontrast zu den bunten, blinkenden Lichtern der verschiedenen Maschinen. Auch sein wasserstoffblondes Haar hatte unter der seltsamen Beleuchtung einen Grauton angenommen.
Diego drehte sich um und die automatische Schiebetür, durch die er den Raum betreten hatte, öffnete sich erneut vor ihm. Mit einem angespannten Blick nach rechts in den mit spärlichem Licht erhellten, weitläufigen Korridor erkannte er, dass er allein war. Keine weitere Wache.
Dann bückte sich der Soldat, griff nach den leblosen Armen der Wraithwache und zog sie mit sich in den kleinen Maschinenraum. Nachdem sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, ließ er die Leiche achtlos liegen.
Sein Glück war es gewesen, dass den Korridorabschnitt, welchen er als Ziel von Dr. Zelenka bekommen hatte, von einer gewaltigen Tür gesichert worden war. Die Schüsse seiner 9-Millimeter waren ungehört verhallt, als er die Wache ausgeschaltet hatte.
Jetzt rannen Rinnsäle wässrigen Blutes aus den Schusswunden des Wraith und verfärbten sich durch die ungewöhnliche Beleuchtung in ein dreckiges Grün. Dann wandte er sich wieder den zahlreiche, für ihn gänzlich ungekannte Gerätschaften des kleinen Raumes zu. Das C4-Paket war schnell angebracht und unterhalb der Konsole so gut wie unsichtbar. Wenn jemand diesen Raum betreten würde, war das C4 auch Diegos letztes Problem. Dieser jemand würde nämlich als erstes die getötete Wache finden und höchstwahrscheinlich gleich darauf Alarm auslösen. Deshalb sollte er auch so schnell es ging wieder von hier verschwinden.
Den Zeitzünder auf 20 Minuten gestellt, blieb ihm genügend Zeit, das Schiff zu verlassen und zurück in den Hangar zu gelangen.
Er hob die Waffe des toten Wraith auf und befestigte seine 9-Millimeter am Gürtel. Der Betäuber war ihm als Waffe insofern lieber, da sie nicht so einen Krach machte wie seine 9-Millimeter.
Dann späte er noch einmal hinaus auf den Gang. Sein Vordringen in diesen sensiblen Bereich des Schiffes hatte anscheinend immer noch niemand gemerkt. Und Diego Lewis war dankbar dafür.
Bevor der Soldat die Sicherheitstür dieses Schiffsabschnittes verließ, zog er noch sein Funkgerät heraus. Der Schalter stand auf >on< und Diego drückte einmal, nur kurz als kleines Signal an die anderen, auf den Knopf für den Sprechfunk. Danach verstaute er das schwarze Gerät wieder sicher und betätigte mit gezückter Waffe den Türöffner.

Dillon Atwood war bereits auf dem Rückweg, als er das vorletzte Klicken aus dem Funkgerät vernahm. Erleichtert darüber lief er eilig einen weiteren, geraden Korridor entlang.
Sein Weg hatte ihn nahe an den Maschinenraum geführt und wie erwartet hatten sich dort unzählige Wraith aufgehalten. Hatten versucht, die Schäden zu beheben, die der Jumper bei seinem ersten Angriff dem Schiff zugefügt hatte. Zu Dillons Glück waren sie mehr mit ihrer Arbeit beschäftigt gewesen, als auf ihre unmittelbare Umgebung zu achten.
Sein Ziel war ein unbedeutender Lagerraum für Ersatzteile aller Art gewesen. Kistenweise unbekanntes Material war dort gelagert worden und hatte sich exzellent als Deckung geeignet. Hin und wieder hatte ein Wraith den Raum betreten und war mit einzelnen Teilen oder einer ganzen Kiste Ersatzteilen wieder verschwunden. Dillons Timing war derart geschickt gewesen, da ihn niemand beobachtet hatte.
Nicht ganz ohne Stolz eilte der dunkelhaarige Soldat jetzt weiter durch die endlos langen Gänge. Das C4 hatte er geschickt an der Wand zum nahe gelegenen Maschinenraum platziert und mit einer Kiste vor neugierigen Blicken abgeschirmt. Ja, er konnte ohne Zweifel sehr Stolz auf sich sein! Der Hangar war nicht mehr weit. Dillon blickte unauffällig in den nächsten Korridor. Dieser gabelte sich unweit danach in zwei Richtungen. Sein Weg würde ihn nach links führen. In solchen Situationen trog ihn sein Gedächtnis nie und so machte er sich zielstrebig auf den Weg, weiter zum Jumper. Es begegnete ihm kein weiterer Wraith und schon kurze Zeit später öffnete sich die große Hangartüre vor ihm. Mit seiner 9-Millimeter die Umgebung absichernd, schlich er in den Raum. Vorbei an einigen zerlegten und wohl durch Abstürze beschädigte Jägerschiffe. Ganz in der Nähe des Kraftfeldes, welches das Vakuum des Weltalls abhielt und einen ständig geöffneten Durchgang für die sich im Einsatz befindenden Schiffe darstellte, war der Jumper 'geparkt'.
Dillon senkte seine Waffe und wartete darauf, dass Kerri, welche an der getarnten Jumperluke Ausschau hielt, heraus trat und ihm somit die genaue Position des unsichtbaren Schiffes verriet.
Und da war sie auch schon. Steckte ihren Lockenkopf aus der Luke und wank Dillon zu sich. Dieser musste ungewollt schmunzeln. Es sah aus, als ob Kerris Kopf in der Luft schwebte, da ihr Körper das Tarnfeld nicht verließ.
Überraschen zeigte sich auf Dillons Gesicht, als er den Jumper betrat. Von dem üblichen Gedränge der zu vielen Passagiere einmal abgesehen, waren die meisten seiner Freunde, die wie er mit einem Packen C4 und einem Zeitzünder unterwegs gewesen waren, schon wieder anwesend.
Josh, der den verwunderten Gesichtsausdruck seines Freundes bemerkt hatte, erklärte schnell: "Kurze Wege" und klopfte Dillon auf die Schulter.
"Wir wissen schon, dass deine Mission die schwerste war. Bist ein toller Soldat", meinte Josh lapidar und fing sich, neben einem gespielt bösen Blick, einen Schlag von seinem Freund ein.
"Schön zu sehen, dass euch Beiden nichts die gute Laune vertreiben kann", maulte Isaac Ramirez, der ebenfalls dicht neben der Luke einen Sitzplatz gefunden hatte.
"Kann ja nicht jeder so ein Miesepeter sein wie du", kam es von Dillon.
"Schön, dass Sie zurück sind, Captain Atwood", begrüßte Lorne seinen Untergebenen und setzte somit dem sinnlosen Gezanke der jüngeren Offiziere ein Ende.
"Danke, Sir."
"War Ihre Mission ein Erfolg?", hakte Evan nach.
Ein breites Lächeln umspielte Dillons Lippen als er mit einem einfachen "Ja, Sir" antwortete.
"Beeindruckend", lobte ihn Lorne. "Wirklich gute Leistung und das gilt für Sie alle hier. Ihr Mut und Ihre Einsatzbereitschaft werden nicht unbelohnt bleiben, das verspreche ich Ihnen."
Ein Lächeln legte sich auf die Gesichter der Männer und Frauen des Jumpers. Auch Cady, die noch vor kurzem mit ihren Gedanken ganz weit weg gewesen war, freute sich über die Worte des Majors.

Den Menschen im Jumper blieb nichts anderes übrig, als wieder einmal zu warten. Außer Dwalyn Crews waren alle Soldaten wieder zurück. Auch das vereinbarte Zeichen zur Bestätigung der geglückten Mission war ausgeblieben. Dwalyn steckte offensichtlich in Schwierigkeiten. Doch bisher hatte niemand den Alarm ausgelöst. Was Evan unverständlich fand. Wenn er erwischt worden war, mussten die Wraith doch davon ausgehen, dass sich noch weitere Eindringlinge an Bord befanden. Selbst wenn die Wraith nicht erkannten, welche Bedrohung von dem C4, welches der Lieutenant mit sich führte, ausging, müsste der Weg einer ihrer Patrouillen sie doch direkt in den Hangar führen. Doch niemand kam.
Wenn Crews wirklich gefangen genommen worden war, so würde man ihn vielleicht foltern? Oder hatte man ihn gleich getötet? Vielleicht musste er auch nur, in Deckung gehen und abwarten. Somit würden sie ihn verraten, wenn sie ihn anfunkten.
Erneut sah Evan auf die Uhr. Wenn der Lieutenant nicht schon auf dem Weg zu ihnen war, würde es wohl ziemlich eng für ihn werden. In 10 Minuten würde die Zeit des ersten C4-Zünders ablaufen und Dr. Zelenka hatte bei der Einweisung den Soldaten gegenüber erwähnt, dass der Jumper mindestens 5 Minuten vor Ablauf der Frist aus dem Inneren des Basisschiffes verschwunden sein musste. Sonst würden sie der Druckwelle, welche die Explosion auslöste, nicht entkommen und der Jumper schwer beschädigt oder gar zerstört werden.
Sie würden warten. Die restlichen 5 Minuten ganz ausreizen. Ja, 5 Minuten würde Evan dem sympathischen und strebsamen Soldaten noch geben. 5 Minuten…

Dwalyn sah keinen Ausweg mehr. Die Wraith hatten sich keinen Millimeter gerührt, seit er hier angekommen war. Viel hatte er nachgedacht, doch ihm war einfach keine Möglichkeit eingefallen, die beiden Wachen von ihrer Tür wegzulocken.
Hätte er doch nur eine Rauchbombe! Noch nie war ihm eines dieser Dinger so praktisch erschienen.
Als nur noch 10 Minuten verblieben und das Klicken aus dem Funkgerät schon längst verstummt war, kam Dwalyn wieder aus seinem Versteck.
Mit nichts weiter als seiner 9-Millimeter bewaffnet, schlich er wieder zur Biegung des Korridors.
Er verstaute das C4 sorgsam und lehnte sich noch einmal gegen das kalte Metall des Ganges. Der Soldat hatte einen Entschluss gefasst. Sein Leben würde er dabei höchstwahrscheinlich nicht retten können, aber das der anderen dafür.
Er dachte an seine Freunde aus Atlantis und an seine Eltern. Das Bild seiner Freundin und ihrem letzen gemeinsamen Ausflug aufs Festland schwirrte durch seinen Kopf.
Er würde es für sie tun. Für ihr Überleben!
Dann spannte er seine Muskeln, hob die 9-Millimeter und stürmte in den Gang.
Kugel für Kugel bohrte sich in die Körper der nichts ahnenden Wachen. Ließ sie wanken und zu Boden gehen. Einer von ihnen feuerte noch seine Waffe ab und sank dann ebenso zu Boden.
Laut hallte das Geräusch der Waffe durch die Gänge wieder. Wenn die Wraith das nicht hörten, müssten sie taub sein.
Dwalyn überzeugte sich nicht davon, ob die beiden getroffenen Wachen tot oder nur verwundet waren. Sie stellten momentan keine Bedrohung dar und dabei wollte er es belassen.
Die Tür öffnete sich vor ihm und dahinter empfing ihn ein kalter, fast leerer Raum. Nur wenige Computer zierten die Wände doch sein Blick haftete ohnehin auf einem großen Fenster.
Dwalyn drehte sich zurück zur Tür und untersuchte den Schließmechanismus. Da er die seltsamen Symbole der Wraithsprache nicht entziffern konnte, schoss er mit seiner letzten Kugel auf das Schloss. Ein seltsames Geräusch, als ob ein Schloss einrasten würde, ließ ihn erleichtert aufatmen.
Dann ein Schreck! Obwohl Dwalyn damit gerechnet hatte, zuckte er zusammen. Wraithwachen, die seinen Angriff gehört hatten, versuchten die Tür zu öffnen. Mit zittrigen Fingern holte er das C4 aus seiner Tasche und schritt zu dem großen Fenster. Offenbar genossen auch die Wraith von Zeit zu Zeit die Aussicht. Von dem Fenster aus konnte Dwalyn den Planeten erkennen. Von oben sah dieser fast wie die Erde aus. Nur die Kontinente waren anders verteilt, aber sonst…
Weiße Wolken, die sich wie dickflüssiger Nebel über die blauen Ozeane und die grünen Landflächen zogen. Genau wie zuhause.
Das Poltern gegen die Tür nahm zu.
Dwalyn platzierte das C4 auf dem Fußboden, unter dem laut Dr. Zelenka die Energieleitungen verliefen und griff nach dem Funkgerät.
"Lieutenant Crews an Major Lorne. Hörne Sie mich, Major?"
"Laut und deutlich. Wo sind Sie?"
Dwalyn sah erst auf seine Armbanduhr, bevor er antwortet.
"Zu weit entfernt, um rechtzeitig zu ihnen zu stoßen. Außerdem werden die mich wohl kaum wieder hier rausspazieren lassen. Nicht nach dem Chaos, das ich anrichten musste, um ans Ziel zu kommen."
Für einige Sekunden sagte der Major nichts.
"Sind Sie sicher?" fragte er dann.
Als ob er sich diese Frage nicht schon zig tausend Mal gestellt hatte, bevor er seine Kamikazeaktion gestartet hatte.
"Ja Sir, ich bin mir sicher."
Wieder eine längere Pause.
"Das ist wirklich kein Problem, Sir. Ich hab von hier aus einen tolle Sicht auf den Planeten. Der Ausblick ist wirklich zum Sterben schön".
"Stellen Sie Ihren Zünder auf 5 Minuten!", erklang Lornes Stimme nach kurzem Zögern.
Dwalyn tippte die 5 Minuten ein und betrachtete lächelnd die roten Zahlen auf dem Display.
"Tun Sie mir noch einen letzten Gefallen?" fragte Dwalyn ins Funkgerät.
"Welchen Lieutenant?"
"Na ja, den üblichen schmalzigen Kram halt. Sagen Sie meinem Mädchen, dass ich sie liebe und richten Sie meinen Eltern aus, dass sie die besten waren." Dwalyn wartete die Antwort nicht ab. Er ließ das Funkgerät zu Boden fallen und lächelte dem Planeten zu. Dachte ein letztes Mal an Fiona und an seine Eltern.
5, 4, 3, 2, 1…

Kapitel 16.
"Feuer!" Lautlos glitten die goldenen Geschosse durch die Schwerelosigkeit des Alls. Trafen mit Wucht auf das bereits schwer beschädigte Schiff der Wraith und lösten eine weitere Serie an Explosionen aus. Doch das Feindschiff hielt dem stand. Erneut schoss der Jumper zwei seiner Drohnen ab. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie den Kampf für sich entscheiden würden. Die Wraith konnten nicht fliehen. Dafür hatten sie gesorgt. Sie würden diesen Kampf gewinnen!
Schweigen hatte sich unter den Jumperpassagieren ausgebreitet. Jeder der Insassen, der einen Blick durch die Frontscheibe erhaschen konnte, hielt gespannt den Atem an. Sie würden gewinnen! Ja, sie würden tatsächlich gewinnen!
Die mit freudiger Erwartung angefüllte Spannung, welche in der Luft lag, wurde jäh unterbrochen, als sich der Jumper durch eine Explosion zur Seite warf!
"Wir wurden getroffen!" schrie Cady, die sich am Copilotensitz festklammerte und verzweifelt versuchte, Daten über ihren Angreifer aufzurufen. Lorne, der den Jumper in Bewegung brachte, schoss noch ein letztes Mal auf das Basisschiff.
"Jetzt sollten wir verschwinden", schlug er vor.
"Wie konnten die uns aufspüren?" kam es von Radek, der durch die plötzliche Erschütterung des Einschlages von den überfüllten Menschenmassen an die seitliche Wand des Jumpers gedrückt worden war.
"Die Drohnenschüsse haben unsere Tarnung verraten!" erklärte Lorne und startete erneut ein Ausweichmanöver.
Die Jäger, welche eben noch das Sternentor bewacht hatten, waren allesamt wieder in der Luft und versuchten in das Kampfgeschehen einzugreifen. Sie schossen blindlings und…trafen!
Ein Zufallstreffer ließ den Jumper erneut erbeben. Panische Schreie unter den Passagieren, als Funken durch die Kabine des kleinen Schiffes flogen.
"Ich hab das rechte Triebwerk verloren!" schrie der Major, um die kreischenden Schreie zu übertönen.
"Dagegen bin ich im Moment machtlos!" kam es von Radek, der sich kaum auf den Beinen halten konnte. Das Gedränge der vielen Körper war so extrem, dass Radek es nie bis in den hinteren Bereich des Jumpers geschafft hätte.
"Keine Sorge, der Jumper fliegt auch nur mit einem Triebwerk" schrie Radek zurück.
Ja, technisch gesehen war dem Jumper auch ein Flug mit nur einem Triebwerk möglich, doch dieses Wissen beschränkte sich auf das Fliegen an sich, nicht auf ein Kampfgeschehen. Neben dem Triebwerk waren bestimmt dutzende andere Systeme ebenso betroffen und bei der Geschwindigkeit, mit der der Major das kleine Schiff zurück in die Atmosphäre des Planeten steuerte, wurde ihm wirklich bange. Sein Herz schlug so heftig in der Brust des Wissenschaftlers, das es ihn fast schmerzte. Wenn nur ein einziges, weiteres, wichtiges System beschädigt oder gar defekt war, würden sie alle auf dem rasend schnell näher kommenden Boden aufschlagen und sich in einer gewaltigen Explosion zu Staubpartikel auflösen!
Radek schloss seine Augen. Schickte ein stummes Gebet an den Allmächtigen und wagte nicht, noch einmal durch die Frontscheibe ihrem Ende entgegen zu blicken.
Ein weiterer Treffer unter dem der Jumper heftig erbete!
Lorne hatte die Zähne fest zusammengebissen und blickte angestrengt auf seine Anzeigen. Die ersten Warnlichter begannen zu blinken. Gaben Auskunft über die beschädigten Systeme und warnten vor dem drohenden Absturz.
Evan wusste, ob sein Plan nun gelingen würde oder nicht, es blieb ihm nur eine Chance. Das rauchende Triebwerk markierte ihre Position und das schwer beschädigte Schiff ließ sich kaum mehr manövrieren. Die Treffer der Wraith verfehlten daher nur selten ihr Ziel. Ein weiterer Treffer! Zwar nur ein leichter, doch genau darauf hatte der Soldat gewartet! Mit einem gedanklichen Befehl deaktivierte er die Tarnvorrichtung.
Sie waren nur noch wenige Meter über dem Boden! Rasten mit einer aberwitzigen Geschwindigkeit auf die Baumkronen des dicht bewachsenen Berghangs zu. Ein weiterer Treffer raubte dem Jumper fast jegliche Energie!
Nur noch ein paar Meter, noch ein klein wenig!
Evan leitete die verbleibenden Energiereserven um und feuerte eine weitere Drohne Richtung Boden.
Sekunden verstrichen, dann folgte die erwartete Explosion. Hüllte den Jumper ein und Evan aktivierte gleichzeitig die Tarnung. Was sie zwar nicht vor der Detonationswelle schützte, dennoch aber den gierigen Griffeln der Wraith entriss!
Evan versuchte gegenzusteuern! Den Jumper aus der Welle zu reißen, doch es gelang nicht. Die Bäume waren zu nah! Der Jumper schrammte die Äste, schrammte die dicht an dicht wachsenden Bäume und schlug unweit der Detonationsstelle ihrer letzten Drohne auf den harten, verbrannten Waldboden auf.

Radek öffnete seine Augen.
Schmerz…überall…Er war am Leben! Welch ein Wunder!
Unter dem Schmerz in seiner Brust schwer atmend, stemmte sich der Wissenschaftler in die Höhe. Erstickendes Wimmern und Stöhnen war im ganzen Jumper zu hören. Die meisten Passagiere schienen verletzt zu sein. Auch Radek, der eine blutende Wunde an seiner Stirn ertastete, hatte ihren Absturz nicht unbeschadet überstanden.
Langsam und vorsichtig erhob sich der Tscheche. Lehnte sich aber sogleich wieder an die Wand des Jumpers. Schwindel hüllte seine Gedanken ein und raubte ihm die Standsicherheit. Wankend tastete er sich, über die bewusstlosen Körper hinweg, zu Lorne und der hübschen Cady durch.
Diese schien äußerlich nicht verletzt zu sein. Erleichtert über diese Tatsache rüttelte er leicht an ihrer Schulter.
"Können Sie mich hören?" fragte er besorgt. Cady reagierte erfreulicherweise sogleich auf seine Frage. Sie ließ ein leises Stöhnen vernehmen und für einen Moment wirkte es so, also ob sie Schwierigkeiten hätte, ihre Augen zu öffnen. Als es ihr dann endlich gelang, blickten ihre ausdrucksstarken Augen direkt in die des Wissenschaftlers. Trotz der gefährlichen Umstände, in denen sie sich befanden, wurde Radek von diesem Augenpaar magisch angezogen. Eine leichte Röte legte sich auf seine Wangen, als er den Lieutenant anlächelte.
"Geht's?" fragte er mit einer verdächtig schwankenden Stimme. Sie nickte und setzte sich aufrecht in den Sessel. Dann wandte sich Radek dem gegenübersitzenden Lorne zu.
Sein Kopf ruhte auf der Steuerkonsole und seine Arme hingen schlaff am Körper hinab. Radek fasste behutsam nach des Majors Schulter.
"Hören Sie mich?" fragte er erneut. Doch von dem Soldaten kam keinerlei Reaktion. Mit zitternden Fingern tastete Radek nach dem Puls. Schwach spürte er das Pulsieren unter seinen Fingern.
Überlegend, was aus medizinischer Sicht wohl die nächste und richtige Vorgehensweise war, blickte Radek Hilfe suchend durch den Jumper. Ihre Passagiere waren doch schließlich alle Ärzte.
"Dr. Barned?!" rief er und hoffte, dass ihm der Arzt antworten würde.
"Wie geht es dem Major?" hörte Radek neben sich Cadys Stimme.
Der Blick des Wissenschaftlers glitt wieder zurück zu dem bewusstlosen Evan.
"Ich weiß es nicht. Außer einer blutenden Wunde am Kopf könnte ein Schleudertrauma oder eine Beschädigung der Wirbelsäule hinzukommen. Ich trau mich nicht, ihn zu bewegen, denn dadurch könnte ich alles nur noch schlimmer machen."
Frustriert über seine Hilflosigkeit rief Radek erneut nach dem Rebilarzt. Wieder kam keine Antwort.
Ein seltsames Gefühl kroch durch Radek. Das Gefühl, in jeder Hinsicht versagt zu haben.
Ein Gefühl, welches er als erfolgreicher Wissenschaftler nur selten zu spüren bekam. Doch es ließ sich weder leugnen, noch unterdrücken. Der Major schien ihn ständig zu retten. War immer da gewesen, wenn er ihn als Stütze gebraucht hatte.
Doch wann immer der Major seine Hilfe gebraucht hatte, war Radek damit überfordert gewesen. Auf dem Wraithschiff, genauso wie jetzt.
Wut, Angst und Verzweiflung brodelten in ihm. Drängten sich als Tränen an die Oberfläche. Doch Radek widerstand. Schluckte alles hinunter, was ihm an Emotionen zu übermannen drohte. Jetzt war die Zeit zu handeln und nicht Zeit zu zerbrechen.
"Dr. Barned!" rief Radek erneut.
Mit einem Schlag auf die Konsole des Cockpits öffnete Radek die Heckluke.
"Jeder, der sich bewegen kann, soll den Jumper verlassen!" rief er.
"Hören Sie mich? Steigen Sie aus, sofern es möglich ist! Wir müssen die Schwerverletzten bergen und schnellstmöglich behandeln!"
Und tatsächlich. Einige Menschen erhoben sich und stolperten aus dem kleinen Schiff gen Wald.
Der durch die Drohne verbrannte Waldboden glomm noch an einigen Stellen und ließ die Überlebenden durch den starken Rauch husten.
Radek, der nun auch einen Weg nach Draußen gefunden hatte, blickte zum Himmel.
Selbst wenn die Wraith noch da waren, durch die starke Rauchentwicklung würde man den Jumper wohl nicht sehen können. Das waghalsige Manöver des Majors hatte sicher auch mit dazu beigetragen, dass der Jumper als zerstört abgehakt und nicht weiter nach ihnen gesucht wurde.
Wenigstens etwas, musste Radek denken.
"Wir brauchen Verbandszeug!" schrie ein Arzt, der sich über einen verletzten Rebil gebeugt hatte.
Cady war bereits eifrig dabei die Erste-Hilfe-Sets zu verteilen.
Erst jetzt wurde Radek bewusst, wie groß das Ausmaß der Verletzten und die Zerstörung des Jumpers waren. Das kleine Schiff würde nie wieder fliegen. Ihr gesamter, taktischer Vorteil war reif für den Schrottplatz.
Ein Rebil rannte an Radek vorbei, schubste ihn beiseite, doch der Wissenschaftler nahm dies kaum war. Die ganze Szene erschein ihm so unwirklich. Wie aus einem Film, aber nichts, was in die Realität gehörte. Nichts, was passieren dürfte!
Die vielen Verletzten, die schreienden und sterbenden Menschen und über allem dieser schrecklich beißende Rauch, der sie in der Hölle willkommen zu heißen schien.

Kapitel 17.
"Wie geht es Ihnen?" Radek setzte sich neben den schweigenden Soldaten.
Stunden waren seit dem Absturz vergangen. Lange Zeit war Evan bewusstlos gewesen. Als er seine Augen dann endlich wieder geöffnet hatte, war bereits die Nacht über den Planeten hereingebrochen.
Seit dieser Zeit saß der Major schweigend am Lagerfeuer und blickte geistesabwesend in die lodernden Flammen.
Radek musterte den Mann besorgt. Was er wohl dachte? Machte er sich Vorwürfe? Mit welchen Dämonen musste dieser Mann gerade kämpfen?
Evans Gesichtsaudruck war finster. Seine Augen dunkel und leer. Dieser Anblick, des ansonsten so starken und tapferen Soldaten, jagte dem Wissenschaftler Angst ein. Wenn einer stets die Hoffnung auf Erfolg hochgehalten hatte, dann war es Evan Lorne gewesen. Doch jetzt erschien es Radek, als hätte eben jener starke Mann alle Hoffnung aufgegeben.
Die Stille zwischen ihnen war bedrückend. Doch Radek viel beim besten Willen nicht ein, wie er ein Gespräch hätte beginnen sollen.
Die meisten der Rebil hatten sich in das Wrack des Jumpers zurückgezogen und versorgten die Verletzten.
Einige Soldaten, waren zur ersten Nachtwache angetreten. Die anderen versuchte, dringend benötigten Schlaf nachzuholen.
Die Nacht war überraschend still. Kein Windhauch spielte mit den trockenen Blättern und auch keine Tiergeräusche waren zu hören. Eine unnatürlich drückende Stille, wenn man bedachte, dass sie sich mitten in der Wildnis eines Berggebietes befanden. Auf der Erde hätte man in einer derartigen Wildnis noch Wölfe, Bären und ähnliches Getier angetroffen. Doch hier, auf diesem der Erde eigentlich so ähnlichen Planeten, schien das tierische Leben gänzlich zu fehlen.
In der lauen Nachtluft lag modriger Waldgeruch, nach Moos, Pilzen und feuchtem Holz. Teilweise überlagert von dem ätzenden Geruch verbrannter Erde. Radek seufzte. "Einen Penny für Ihre Gedanken", schlug er Evan vor und beobachtete seinen Gegenüber genau. Dieser gab jedoch keine Reaktion von sich. "Reden Sie mit mir", bat Radek. "Tut Ihnen noch etwas weh?"
Die Platzwunde an der Stirn des Piloten war ordnungsgemäß versorgt worden. Schwindel und Übelkeit wären zwar die nächsten paar Tagen noch die ständigen Begleiter einer derart schweren Verletzung, aber ansonsten fehlte dem Major nichts.
Auch Radeks Verletzung war verpflastert und durch eine Aspirin waren auch die Schmerzen auf ein erträgliches Niveau zurückgegangen.
"Wie lange noch?"
Erst war Radek überrascht gewesen und hatte geglaubt, sich die leise gesprochenen Worte eingebildet zu haben. Denn der Major blickte weiter reglos in die tanzenden Flammen.
Dann dauerte es wieder einige Minuten, bis die Worte für Radek einen Sinn ergaben. Er begriff, worauf der Major eine Antwort erwartete.
"Die 9 Stunden, die wir für das Ergreifen eines Wraith angesetzt hatten, sind natürlich bereits verstrichen. Aber den Infizierten auf Atlantis bleiben schon noch einige Stunden", versicherte er ebenso leise. Jedoch klang seine Stimme nicht derart emotionslos wie die des Soldaten. Nein, Radek konnte diese Situation keineswegs emotionslos betrachten. Auch wenn er versuchte, das ganze Geschehen optimistisch zu betrachten und nicht in Depressionen zu verfallen, solange er nicht die genauen Fakten kannte. Doch es viel ihm schwer. Sehr schwer.
"McKay?" kam es leise von Lorne.
Radek blickte fragend zu dem Soldaten hinüber. "Was meinen Sie?"
"Er war der Erste?"
Radek nickte. "Ja, soweit ich weiß."
"Er kann ne ziemliche Nervensäge sein", meinte Lorne nach kurzem Bedenken.
"Aber ich würde ihn vermissen…"
Diesen Worten folgte ein erneutes Schweigen.
Radek hatte selten die Gelegenheit gehabt, seinem selbstsüchtigem Kollegen, ein nettes Wort zu schenken. Egal wie oft sie sich auch gestritten hatten, er hatte den Kanadier stets als Freund gesehen. Die Ungewissheit, ob er Rodney McKay noch einmal sehen würde, wenn sie es endlich zurück nach Atlantis geschafft hätten, lastete schwer auf ihm. Selbst wenn McKay ihn nur anschnauzten würde oder ihm eine Standpauke hielt… Es wäre ihm alles Recht gewesen, wenn McKay nur noch am Leben wäre.
"Die Hashepsto hat es bestimmt zurück geschafft", brach Radek das Schweigen.
Evans Blick haftete weiterhin auf den Flammen. Er wollte nicht darüber nachdenken. War alles, was er sich in Gedanken zusammenreimen konnte, doch nur Wunschdenken. Warum sollte für die anderen alles nach Plan verlaufen sein? Bei ihnen hatte doch auch nichts geklappt.
Nein, Evan war an einem Punkt angelangt, an dem Optimismus geradezu lächerlich für ihn wirkte.
"Glauben Sie?" fragte er gleichgültig zurück.
Radek nickte. "Ja. Ja das glaube ich."
Ein bitterböses Lächeln huschte über Evans Gesicht.
"Was veranlasst Sie dazu, immer noch vom Positiven auszugehen? Das hier ist kein Film, in dem immer die Guten gewinnen…"
Radek überlegte kurz. "Sie glauben nicht an Gott, oder? Aber selbst wenn nicht, was spielt es für eine Rolle. Dann glauben Sie halt an Dr. Steffens und sein Team. Glauben Sie an deren Wissen und Fähigkeiten."
"Was sind Sie, Hobbypsychologe oder Priester?"
"Ein Freund, der Ihnen helfen möchte", kam es von dem Tschechen. Dieser sah seine Zeit gekommen, endlich seine Schuld zurückzahlen zu können und dem Major zu helfen. Ihm beizustehen und aufzumuntern, genau wie dieser es auf dem Wraithschiff für ihn getan hatte.
"Ich gebe zu, meine Worte mögen schmalzig klingen, aber das, was als Weg jetzt noch vor uns liegt, ist nichts im Vergleich zu dem, was wir bereits hinter uns haben. Wir brauchen Sie! Geben Sie jetzt nicht auf!"
Evan hob seinen Kopf und blickte den Wissenschaftler müde an. Es war ja nicht so, dass Evan aufgeben wollte. Die körperliche und geistige Erschöpfung nagte schwer an ihm. Nie war ihm eine Mission so unsagbar schwer vorgekommen.
"Wir haben den Jumper verloren. Besitzen nur leichte Bewaffnung und dafür kaum Munition. Wir sind mindestens einen Tagesmarsch vom Gate entfernt und haben immer noch kein Gegenmittel. Unseren Freunden zuhause bleiben keine 10 Stunden mehr und Sie glauben immer noch an ein Happy End?"
Radek sprang auf und Evan musterte ihn überrascht. Der Wissenschaftler klopfte sich demonstrativ den Dreck von seiner Hose, der sich durch sein Niederlassen auf dem Waldboden dort angehaftet hatte, und blickte den Major streng an.
"Was?" fragte dieser.
"Wenn Sie glauben, dass das Stargate so weit entfernt liegt, sollten wir lieber los."
Evan war sprachlos. Die ungebrochene Entschlossenheit des Wissenschaftlers verblüffte ihn.
"Sie wollen ernsthaft mit all den Verletzten im Dunkeln durch ein unbekanntes Gebiet ziehen zu einem Ziel, von dem keiner genau weiß, wo es liegt?" Nun gut, dass war ein Argument.
"Ist besser, als nichts zu tun."
"Das ist Selbstmord. Sie wissen nicht, ob die Wraith nicht doch noch nach uns suchen und welche Geschöpfe sonst noch auf diesem Planeten heimisch sind. Sie könnten in eine Schlucht fallen, sich verirren oder sonst was!"
Radek schüttelte energisch den Kopf. "Wovor haben Sie Angst? Davor, dass unsere Mission scheitert und wir unseren Freunden nicht mehr helfen können, oder davor, dass man Sie für dieses Versagen verantwortlich machen könnte?"
Jetzt erhob sich auch Evan und wollte wütend etwas entgegnen. Doch das schnelle Aufstehen sendete einen stechenden Schmerz durch seinen Körper und ließ ihn wieder zu Boden gehen.
Radek lief sogleich zu dem Soldaten und kniete sich neben ihm nieder.
Dieser schob Radeks helfende Hände energisch beiseite. "Schon gut, mir geht's gut."
"Nein, das glaub ich nicht", meinte der Wissenschaftler, ließ den Major aber dennoch los.
Der Soldat quälte sich zurück zu seinem vorherigen Platz am Feuer und Radek beobachtete ihn missmutig. Wenn es schon Lorne so schwer fiel sich zu bewegen, wie mochte es dann den anderen Rebil ergehen? Vielleicht hatte Major Lorne doch Recht, wenn er Radeks Vorhaben als undurchführbares Hirngespinst abtat. Mit Verletzten durch ein dunkles, unbekanntes Gebiet irren…Radek seufzte. Im Nachhinein hörte sich sein Vorschlag wirklich albern an. Doch er verspürte auch keine Lust mehr, weiter untätig hier rum zu sitzen.
"Und wenn…" begann Radek nachdenklich und zog wieder die Aufmerksamkeit Lornes auf sich.
"Wenn die Verletzten bleiben und sich nur ein Teil von uns weiter auf den Weg macht…"
Es war nur ein laut ausgesprochener Denkansatz, aber daraus ließe sich bestimmt etwas machen.
"Klingt zumindest vernünftiger", pflichtete Evan bei.
"Ja, ja das klingt nach einem Plan!"

"Verteilen Sie die Waffen gleichmäßig auf beide Gruppen." Dillon Atwood reichte die übrige Munition samt ihrem Rest an 9-Millimetern an Cady weiter, welche vor dem Jumper wartete.
Die Freiwilligen für Radeks Plan hatten sich schnell gefunden. Ihnen war jeder Plan recht gewesen, nur um endlich wieder in Aktion treten zu können. Das ewige Warten zermürbte und auch die Gedanken an die gefährdeten Freunde Zuhause in Atlantis trieben die Soldaten an.
"Hier sind Taschenlampen!" rief Lindsay Seals und reichte ihren Fund ebenfalls an Cady weiter.
"Ich hoffe, die wurden durch den Absturz nicht beschädigt", grummelte Lindsay und testete die letzte Lampe, bevor sie diese ebenfalls nach draußen reichte.
"Scheint zu funktionieren", meinte sie erleichtert.
"Die Dinger halten ne Menge aus", bestätige Dillon und kramte heruntergefallene Munition unter dem Sitz hervor.
"Habt Ihr alles?" kam es ungeduldig von Radek.
Cady reichte dem ungeduldigen Tschechen eine Waffe und eine Taschenlampe, die sie bereits auf ihre Funktion hin überprüft hatte.
"Hier bitte".
Lächelnd nahm ihr Radek die beiden Gegenstände ab. Es freute ihn, dass die hübsche, junge Frau sich ebenfalls freiwillig gemeldet hatte und die Mission an seiner Seite durchführen wollte.
Evan hatte sich derweil langsam erhoben und hatte den Kampf gegen Schwindel und Schmerz gewonnen. Unsicheren Schrittes kam er auf Radek und Cady zu. "Meine Waffe?" fragte er und hielt Cady auffordernd seine gestreckte Hand hin. Diese wollte ihrem Vorgesetzten gerade die Waffe übergeben, als Radek dazwischen ging.
"Nichts da! Sie bleiben schön hier! Sie sind verletzt!"
"Blödsinn!" rief Evan. "Ich bleibe bestimmt nicht untätig hier!"
"Ach, seit wann haben Sie Ihren Tatendrang wieder gefunden?"
"Was geht Sie das an, Zelenka?" gab der Soldat patzig zurück.
"Schon gut!" griff Cady in den Streit mit ein.
"Ich finde Dr. Zelenka hat Recht, Sir. Sie sind zu schwer verletzt, als dass Sie diese Mission auf sich nehmen sollten."
"Das ist Ihre Meinung, Lieutenant?"
"Jetzt spielen Sie sich nicht mit Ihrem höheren Rang auf! Sie sind verletzt und würden uns nur im Weg stehen!"
"Im Weg stehen?" kam es erbost von Evan.
"Ja, haben Sie jetzt auch noch was an den Ohren? Sie sind zu langsam! Sie können sich kaum auf den Beinen halten, geschweige denn kämpfen!"
"Dr. Zelenka hat Recht, Major", mischte sich jetzt auch noch Dr. Barned ein.
"Sie sollten sich ausruhen. Ihre Verletzungen waren sehr schwerwiegend."
"Außerdem, Sir", begann Cady "brauchen die zurückbleibenden Rebil ebenfalls Ihre Hilfe und Ihren Schutz."
"Genau", bestätigte Radek sogleich.
"Dann vermasseln Sie es nicht…" meinte Evan und wandte sich ab. "Atwood? Sie haben das Kommando!"
"Ja, Sir!"
Dann trennte sich das Lager in zwei Gruppen.
Dr. Barned und einige weitere, unverletzte Rebil machten sich mit Radek und dem Grossteil an Soldaten und Waffen auf, das Stargate zu finden. Winkend und mit Tränen in den Augen verabschiedeten sich die zurückbleibenden Rebil von ihren Freunden und Familienmitgliedern. Hoffend, sie trotz der vor ihnen liegenden Gefahr, irgendwann wieder in die Arme schließen zu können.
Auch Evans Blick und der, der verbleibenden Soldaten, hafteten noch lange auf ihren, in der Dunkelheit verschwindenden Kameraden.

Sie wünschten ihnen stumm, aber von ganzem Herzen, Glück und Erfolg.

Fortsetzung ...Kapitel 3
Kapitel 3 by Belanna
Author's Notes:
Short-Cut: Nur noch wenige Stunden trennen Atlantis von der Deadline und das zwang die Ãœberlebenden, das Heilmittel auf dem Planeten zu suchen, wo zur Stunde Null der Anfang vom Ende begann.

The death walks, Teil 3 - Hoffnungslose Hoffnung?


Kapitel 1.
Der Himmel war dunkel, kein Stern leuchtete, welcher, der durch den Wald stolpernden Gruppe, Licht gespendet hätte.
Obwohl sie alle seit Stunden unterwegs waren, konnte man noch nicht einmal die ersten Sonnenstrahlen am Horizont erkennen.
Die wenigen Taschenlampen vermochten kaum, den feuchten Waldboden vor ihnen zu erhellen.
Die Dunkelheit, die sie umgab, war fast vollkommen. Fast greifbar schien sie wie schwarzer, schwerer Stoff über ihnen zu hängen. Dieses bedrückende Gefühl der absoluten Dunkelheit, es raubte der Gruppe mehr den Atem, als der mühsame Abstieg auf dem schlammigen Boden. Geröll löste sich unter jedem Schiritt ihrer Stiefel und drohte jeden mit sich zu reißen, der nicht achtsam genug war.
Dillon sah sich ständig um. Seine Augen waren aufs äußerste gereizt, um in der sie umgebenden Schattenwelt eventuelle Veränderungen zu erkennen. Seine Augen tränten unter der Anstrengung.
Von Minute zu Minute schien der Wald lichter zu werden. Die ansonsten engstehenden Bäume bildeten größere Abstände und im Schein der Taschenlampen kam eine Lichtung in Sicht.
Die kleine Gruppe trat über Splitt und Geröll hinaus, auf einen steilen Abhang zu.
"Was jetzt?" fragte Lindsay, welche mit einem Frösteln den Abhang hinab blickte. Wer da den Halt auf dem nassen Geröll verlor, hatte mehrere hundert Meter freien Fall vor sich.
"Hier drüben!" rief eine Stimme und all Blickte folgten dem Ruf zu einem, mit einer Taschenlampe bewaffneten Rebil, welcher links von der Truppe stand.
"Der Weg fällt hier nicht so steil ab", rief der Rebil erneut.
Dillon trat, dicht gefolgt vom Rest der Gruppe, zu dem Arzt.
"Der Abstieg wird nicht leicht werden, aber hier zumindest machbar" bestätigte der Soldat.
"Sir", kam es von Robin Chin. Dillon blickte zu dem dunkelhäutigen Chinesen.
"Ich hab als Bergsteiger einiges an Erfahrung. Hab das Zuhause Hobbymäßig mit meinem Bruder betrieben."
Dillon nickte erfreut. "Soll das heißen, Sie wollen vorausgehen?"
Chin nickte. "Ich dachte mir nur, es würde vielleicht helfen, wenn ich als Erfahrener den sichersten Weg für die anderen vorgebe."
Dillon überlegte nicht lange, sondern warf dem Lieutenant eine Taschenlampe zu. Mit einer einladenden Geste den Berg hinab, ließ er Chin an sich vorbei treten.

Geschickt bahnte sich Robin Chin seinen Weg den Hang hinunter. Immer wieder mussten sie jedoch anhalten, weil ein Mitglied gestürzt war. Doch alles in allem schien der Abstieg reibungslos zu klappen.
Da! Kaum hörbar ein Geräusch, welches sich in der Stille der Nacht abzeichnete.
Dillons Muskeln spannten sich an. Instinktiv griff er nach seiner Waffe, versuchte in der sie umgebenden, erdrückenden Dunkelheit einen sich bewegenden Schatten zu erkennen.
Das Geräusch wiederholte sich! Diese Mal war es jedoch eindeutig näher!
Der junge Soldat dachte nach.
Dumpf erinnerte in das Geräusch an das Schaben eines sehr harten Gegenstandes über bloßen Fels.
Robin Chin und die anderen schienen es ebenfalls gehört zu haben, denn wie auf einen stillen Befehl hin, blieben alle stehen.
Man konnte das rutschen von Steinen und ihr Aufeinenderschlagen hören, als diese den Abhang hinabbröckelten.
Jetzt war es sicher, dass dieses Geräusch nicht von ihnen verursacht wurde. Sondern, dass sie in dieser Dunkelheit nicht allein waren.
Ein sich bewegender Schatten schlich links von ihnen elegant den Hang entlang. Zwar war es Dillon kaum möglich, die sprichwörtliche Hand vor Augen zu sehen, doch das sich bewegende Etwas hob sich aus der Dunkelheit ab.
Unheimlich, als ob die Dunkelheit selbst sich bewegt.
Nicht mehr als eine Silhouette, aber dennoch vorhanden.
Das Geräusch, welches der Schatten verursachte, kam näher.
Die Soldaten erhoben ihre Waffen und zielten auf die sich langsam nähernde Gestalt. Der Silhouette nach zu urteilen, war das Wesen so groß wie ein Kalb.
Langsam und voller Furcht richteten sich die ersten Lichtstrahlen der Taschenlampen auf den seltsamen, unförmigen Leib, der sich ihnen bis auf wenige Meter genähert hatte.
Als der erste, gelbliche Lichtstrahl das Wesen traf, schlugen ihm bereits Kugeln aus Dillons Waffe entgegen. Noch bevor die anderen dazu kamen, den Stecher ihrer Waffe durch zu ziehen, brüllte das Wesen auf und ergriff die Flucht.
Ehe sich die Anspannung aller gelegt hatte, übertönte ein Schrei, der an einen verschleimten Rachen erinnerte, den sich jemand frei räusperte, das rauschende Adrenalin in ihren Ohren.
Erinnert irgendwie an einen Hund, der mit dem Maul voller Blut knurrt, dachte Dillon.
In diesen seltsamen Laut stiegen andere Stimmen mit ein. Ihr Echo hallte von überall aus den Bergen wieder.
Dillon drehte sich um seine eigene Achse, versuchte einzuordnen, aus welcher Richtung die Laute kamen. Plötzlich spürte er einen Lufthauch in seinem Nacken, drehte sich reflexartig um und sah in zwei verengte, gelbliche Augen.
Er sah es und war gleichzeitig nicht sicher, was er sah. Das Wesen stand auf vier kräftigen Beinen sicher auf dem Geröll. Wie geschaffen für dieses zerklüftete Gelände. Was die Größe des Geschöpfes anging, so hatte er sich geirrt. Das Tier wirkte eher wie eine Art Bergziege.
Auf langen, schlanken, gehuften Beinen und ihm Schein der umher zuckenden Lampen, erkannte Dillon seidiges, braunes Fell und ein Maul gespickt mit scharfen Zähnen, die an eine Wildkatze erinnerten.
Das Tier wirkte wie ein Wolf auf zu lang geratenen Beinen. Es war etwas wie…wie…wie nichts, was er je gesehen hatte!
Der perfekte Jäger der Berge.
Schlagartig traf ihn die Wahrheit dieses Gedankens. Sie würden diesen perfekt angepassten Tieren nie entkommen, wenn diese beabsichtigten, anzugreifen! Der Wolf schnaufte, blies dem Soldaten einen Schwall übelriechendem Atem entgegen. Langsam setze das Tier zum Sprung an und Dillon, der sich zu spät aus seiner Starre löste, wurde hart zu Boden gestoßen. Seine Waffe glitt ihm aus der Hand. Das Adrenalin rauschte weiter unablässig in seinen Ohren. Er hörte einen Schrei! War sich nicht sicher, ob er von einem seiner Freunde oder gar von ihm selbst stammte.
Das Gewicht des Tieres auf seinem Brustkorb wurde zu einer schier unerträglichen Pein! Dann bemerkte er im schwächer werdenden Licht der Taschenlampe, dass sich Kugeln in den massigen Leib des Wesens bohrten. Dennoch schlugen dessen Hufe wie bleierne Gewichte weiter auf seinen Körper ein.
Wieder hörte er einen Schrei, unfähig zu begreifen, dass dieser obskure Laut aus seiner eigenen Kehle stammte. Das Licht der Lampe geriet aus seinem Blickfeld. Wie ein wackeliges Kartenhaus brach die Dunkelheit über ihm zusammen. Er schlug wild um sich, versuchte die Kreatur zu treffen, sie zu verletzen. Jeder seiner Schläge ging ins Leere und der Schmerz, der seinen Körper peinigte, wurde noch stärker. Schüsse, viele Schüsse übertönten dann und wann die Rufe der Tiere, hallten wie Donnergrollen an den Bergwänden wieder. Plötzlich traf einer seiner Fausthiebe weiches Fell! Das Tier war unter dem Kugelregen zusammengebrochen und Dillon rollte sich darunter hervor. Schmerz durchzog seinen Brustkorb, schnürte ihm die Luft fast vollständig ab. Von der Todesangst getrieben, stemmte er sich in die Höhe, nur um mit dem nächsten, unbeholfenen Schritt über einen weiteren Stein zu stolpern und wieder zu fallen. Er schlug härter auf dem Boden auf, als erwartet. Sein Kopf begann zu pochen, bunte Flecken hüpften durch die Finsternis. Mit aller Macht versuchte er, die nahende Ohnmacht nieder zu kämpfe, um sich erneut aufzurichten. Schatten huschten um ihn herum, als wabere die Dunkelheit um den kleinen Schein seiner, in seiner Nähe fallen gelassenen Taschenlampe.
Bleiern schmeckendes Blut rannte aus seinem Mund, während er sich kriechend auf seine Waffe zu bewegte. Geröll rutschte unter seinen zitternden Händen ab und ließ ihn erneut, zu Boden fallen. Blut hustend, rappelte er sich wieder hoch, kroch weiter und streckte seine Finger nach der Waffe aus. Dann traf ihn neuerlich ein Hieb von einer der Bestien und dieses Mal verlor er das Bewusstsein, noch bevor sein Kopf erneut auf die spitzen Steine der zerklüfteten Berglandschaft prallte.

Cady hatte panisch ihre Waffe erhoben, zielte auf die Tiere, welche durch die Dunkelheit huschten.
Überall glaubte sie Bewegungen zu erkennen, die bei so geringer Sicht schier unmöglich waren.
Cady hasste die Dunkelheit. Schon seit sie ein kleines Mädchen war, hatten Träume von Monstern sie heimgesucht. In ihrer Fantasie lebten diese Wesen, welche nur auf sie zu warten schienen, um ihr Angst einzujagen. Wesen bestückt mit messerscharfen Krallen lauerten perfekt getarnt im Dunkeln der Nacht. Wohl wissend, dass diese Monster einfach nur ihrer blühenden Fantasie entsprangen und die Schuld ihres großen Bruders waren, der ihr von klein auf damit Angst gemacht hatte. Doch die Monster ihrer Fantasie waren mit diesen Kreaturen, mit denen sie sich gerade völlig real herumschlagen mussten, nicht zu vergleichen. Dennoch waren es einfache Tiere. Sie dachten nicht, sondern handelten ihren Instinkten entsprechend.
Waren im Gegensatz zu Cadys Traumwesen nicht in der Lage, vernünftig zu denken, geschweige zu handeln. Trotzdem schien es egal, welche Wesen einen tyrannisierten.
Ein Geräusch ließ Cady zusammenzucken, als der Schein ihrer Lampe unerwarteter weise auf eine Gestalt traf. Der Wolfsbock fletschte seine Zähne.
Die Kugeln ihrer 9mm trafen das Wesen hart, ließen es vor Schmerz brüllen und dann verschwand es wieder in der Dunkelheit um sie herum.
Cady richtete die Lampe in alle Richtungen, als wieder mehrere wütende Schrie dieser Wesen durch das Gebirge hallten. Es kam ihr so vor, als verschlinge die Dunkelheit, wie ein gieriges schwarzes Loch, das Licht ihrer Lampe schon nach wenigen Metern. Als könnte das Licht an diesem Ort nicht existieren.
Cady erkannte, wie eine menschliche Gestalt von einem der Tiere mitgerissen wurde. Schreiend ging dieser zu Boden. Doch Cady bekam nicht die Gelegenheit, auf dieses Tier zu reagieren, denn der Schrei von Diego Lewis: "Vorsicht, da ist noch eines!" ließ sie herumwirbeln. Mit einem überraschend gut gezielten Schuss traf ihre Kugel direkt in den Kopf des Wesens. Fetzen roten Fleisches und Blut spritzten über das graue Geröll und ließen das >Ding< wanken und fallen. Es rutschte kurz über den nassen Grund und blieb wenige Meter weiter, außerhalb des Lampenscheins, reglos liegen.
Trotz ihrer Furcht drehte sie sich von dem toten Tier fort und zielte sogleich auf das Nächste. Sie zog den Stecher durch, wieder und wieder und…klack! Ihre Munition war alle! Ungeschickt versuchte sie die letzten Reservepatronen aus ihrer Hosentasche zu ziehen. Ihre Hände zitterten dermaßen, dass ihr die Taschenlampe entglitt. Diese rollte einige Meter nach unten, wo sie in einer Pfütze zum Liegen kam.
Cady schaffte es, die letzten Patronen zu laden und zielte erneut. Durch das Fehlen ihrer Lampe war ihre Sicht jedoch ziemlich eingeschränkt.
Wieder hallten wütende Schreie durch die Nachtluft und wenn man diesen Schreien nach urteilte, kamen wohl immer mehr dieser Tiere auf sie zu. Was immer sie jetzt taten, es müsste schnell gehen!
"Wir müssen hier weg!" drang plötzlich Radek Zelenkas Stimme zu ihr durch. Der Wissenschaftler wedelte mit seiner Lampe und versuchte, die über den Berg zerstreute Truppe, wieder zu einen.
Die Wesen in der Dunkelheit abzuschütteln, erschien dem Tschechen die einzige Option zu sein.
Doch den vielen Schreien nach zu urteilen, waren schon eine Menge Personen verletzt. Sie würden diese Personen zurücklassen müssen und Radek fielen die Worte von Major Lorne wieder ein, welche er auf dem Wraithschiff an ihn gerichtet hatte. Im Nachhinein konnte er die Entscheidung des Soldaten verstehen. Manches Mal musste man Opfer bringen, um die Mehrheit zu retten! Dies erschien ihm auch jetzt als einziger Ausweg.
Doch wie gut mochten diese Tiere wohl im Dunkeln sehen? Wie gut standen ihre Chancen für eine Flucht und für wie lange würde die Munition noch reichen? Eines stand aber zweifelsfrei fest. Ihr Ziel war noch zu weit entfernt, als dass sie die wertvolle Munition an diesen Tieren verschwenden konnten. Sie mussten sparsam mit der Munition sein, also blieb nur noch die Flucht.
Einige der Teammitglieder hatten es bereits zu ihm geschafft. Darunter auch Robin Chin.
"Lauft!" kam ein Schrei von Diego. "Wir halten die hier in Schach! Lauft und versucht, nicht auf die Taschenlampen zurück zu greifen! Vielleicht bemerken sie euch dann nicht!"
Ehe Radek Widerspruch einlegen konnte, packte Cady ihn am Arm und alle begannen zu rennen! Ohne auch nur Umrisse ihrer Umgebung wahrnehmen zu können, stolperten sie nach unten.
Radek lauste gebannt, doch außer den Schüssen hörte er nichts. Wurden sie etwa wirklich nicht verfolgt? Waren die Tiere durch ihre Lampen angelockt worden und eine Flucht in der Dunkelheit ungefährlich? Dieser Gedanke schien so unglaublich, dass Radek ihn nicht weiter verfolgte.
Dann stolperte er. Auch Cady, welche immer noch den Arm des Tschechen umklammert hatte, stürzte mit. Ihre Begleiter hoben sie unsanft wieder auf ihre Füße, zogen und zerrten sie weiter über das unwegsame Gelände. Die Grenze des Berghanges, wieder hinein in den dichten Wald, lag bereits im Schein ihrer Taschenlampen vor ihnen.
Das Gefühl, die anderen in der tiefen Nacht hinter sich zurücklassen zu müssen, zermürbte Radek. Nie hätte er geglaubt, einmal so eine Entscheidung zu treffen! Aber sie durften nicht stehen bleiben! Selbst wenn es den Tod dieser Soldaten bedeuten sollten.

Kapitel 2.
Die ersten Sonnenstrahlen krochen über den Horizont und begrüßten mit ihrem güldenen Schein die vor Erschöpfung zu Boden gesunkene kleine Gruppe, welche den Fuß des Berges endlich erreicht hatte. Zahllose Schnittwunden, Prellungen und blaue Flecken zierten ihre Körper. Deutliche Spuren, welche die nächtliche Dunkelheit und das dichte Unterholz hervorgebracht hatten. Mehr als einmal waren sie gestolpert, hatten sich Steine in das weiche Fleisch gebohrt oder hatten spitze Dornen an Ästen und Sträuchern über ihre Haut gekratzt.
Nach Atem ringend, mussten sie inne halten und einige Minuten verschnaufen.
Keines der Tiere war ihnen gefolgt. Das widerhallende Echo der Schüsse war längst verklungen und Radek hoffte inständig, dass dies ein gutes Zeichen war. Das die fehlenden Mitglieder bald zu ihnen stoßen würden.
"Soll…sollten…sollten wir nicht…weiter" kam es nach Atem ringend von Cady.
Auch Robin Chin, welcher aufgrund des vielen Trainings im Bergsteigen und trotz ihres hektischen Abstiegs kaum außer Atem war, stimmte zu.
"Je länger wir an einem Ort verweilen, desto gefährlicher. Wer weiß, was es hier noch an Tieren gibt."
Radek erhob sich und sog die feuchte Luft noch einmal tief in seine schmerzenden Lungen.
"Wir sollten die anderen über Funk warnen. Wenn diese Geschöpfe den Jumper und die Verletzten finden, dann…" Radek sprach nicht weiter "Das Funkgerät können wir auf diese Distanz vergessen", kam es von Lindsay Seals, die sich um die erschöpften Rebil bemühte.
"Da hat Sie recht", bestätigte auch Chin.
"Das heißt dann wohl im Klartext, wir überlassen unsere Verletzten ihrem Schicksal? Und was ist mit denen, die wir auf dem Berg zurückgelassen haben? Sollen die da oben sterben?"
"Wenn Sie gerne zurückgehen wollen, bitte!" Chin reichte Radek seine Taschenlampe.
"Aber passen Sie auf, im Wald ist es immer noch dunkel", gab er ihm als Ratschlag mit auf den Weg.
"Blödsinn!" mischte sich sogleich Cady ein.
"Ich verstehe ja wie Sie sich fühlen, Dr. Zelenka, aber jetzt umzukehren wäre unsinnig!"
"Vielleicht jagen die Tiere nur Nachts?" spekulierte Henry Lewis. Ein ansonsten sehr ruhiger Soldat, der Radek vor diesem Einsatz nie aufgefallen war.
"Vielleicht ja" gab Radek sarkastisch zurück.
"Es reicht, Doc!" kam es von Chin.
"Wer hat Ihnen das Kommando übertragen!"
Robin hob verblüfft seine dunklen, buschigen Augenbrauen.
"Wollen Sie's etwa haben? Bitte!"
"Hört schon auf!" ging jetzt Lindsay dazwischen. "Euer Gehabe ist wirklich auf Kindergartenniveau."
"Rangmäßig wäre Nelson der Kommandant" Taako Brock deutete auf einen braunblonden Mann, welcher einer Rebil-Frau gerade eine Beinwunde verpflasterte.
"Was?" erkundigte sich Nelson, als sein Name fiel.
"Du hast das Kommando" erklärte Taako kurz und bündig.
"Schön, damit alle einverstanden?" fragte Lindsay lässig in die Runde.
"Ich werde umkehren!" kam es von Philip Mathis, welcher gerade seine Munition checkte.
"Ich lass die Jungs da oben nicht allein."
Chin schüttelte den Kopf. "Sei vernünftig! Allein kannst du nichts ausrichten!"
"Ja, selbst wenn die Tiere weg sind, wie willst du die Verletzten zum Jumper bringen? Wenn das klappen soll, brauchst du Hilfe."
"Und du meldest dich?"
Taako erhob sich. "Ja, ich denke, ich sollte das tun. Diesen Rettungseinsatz schulden wir den anderen einfach."
Taakos Worte fanden breite Zustimmung. Niemand ließ gerne jemanden zurück. Zum Glück erlaubte ihnen die Situation auch dementsprechend zu handeln. Die Sonne kroch zentimeterweise über den Horizont und im Hellen hatten sie einen Angriffsvorteil. Sie würden die Tiere einfach überraschen.
"Also dann…"
Ein Rascheln!
Ruckartig war die Gruppe versummt und die Mündungen sämtlicher Waffen zweigten in Richtung Wald.
Wieder raschelte Buschwerk im Unterholz. Zweige brachen hörbar, als sich jemand oder etwas, Durchgang verschaffte.
Gespannt hielten alle den Atem an. Bereit, bei Gefahr sofort die Flucht zu ergreifen.
"Nicht schießen!" rief eine bekannte Stimme.
Diego schleppte sich mit einigen Verwundeten auf die Lichtung.
"Diego!" rief Lindsay erfreut und alle eilten zu den noch vor wenigen Sekunden todgeglaubten Kameraden.
"Wir haben einige Verletzte", brachte er mit schwach klingender Stimme hervor.
Nelson legte seinem Freund die Hand auf die Schulter.
"Gut gemacht, Diego", lobte er.
"Wie viele haben es nicht geschafft?" fragte Radek nach, der die Gruppe Verwundeter kurz überblickte.
Diego nahm einen Schluck Wasser und gab die Flasche dann an Lindsay zurück.
"Dillon, er…diese Biester haben ihn umgebracht. Sein Kopf…sein ganzer Brustkorb war zertrümmert. Ich…wir konnten nichts mehr für Ihn…" wieder brach seine Stimme ab.
"Schon gut" versuchte Nelson die Lage zu beruhigen.
"Aber…diese Biester…" begann Diego und holte geräuschvoll Luft.
"Diese Tiere verschwanden, als die Taschenlampen aus waren. Ich weiß nicht genau, aber ich denke das plötzliche Licht hat sie aggressiv gemacht."
"Schon möglich. Menschen sind in den Bergen bestimmt selten. Vielleicht sind wir auch nur durch ihr Revier gegangen und sie wollten sich nur verteidigen".
"Dillon ist tot und diese Viecher sind schuld daran!" schnauzte Diego.
Schweigen legte sich über die Lichtung.
Die Rebil versorgten die Verletzten.
Dr. Barned erhob sich, als er Diegos Bein verbunden hatte.
"So können wir nicht weiter", meinte er nachdenklich.
"Wie meinen Sie das?" hakte Radeck nach.
"Na mit den Verletzten. Es wird dauern, sie soweit zu versorgen, bis sie es zum Tor schaffen. Wenn unser Zeitplan nicht so eng wäre, dann…" Dimitri beendete den Satz nicht. Alle wussten, worauf er aus war und alle gaben ihm, im Stillen, Recht.
"Schon gut", kam es schwach von Diego. "Wir haben Waffen und kommen auch allein zurecht."
Nelson überlegte. Jetzt war es an ihm, die Entscheidungen zu treffen, und er wollte auf keinen Fall die Verletzten sich selbst überlassen.
Er blickte kurz in die Runde. Die Rebil waren allesamt damit beschäftigt, die zum Teil schwer verletzten Nachzügler zu versorgen. Nein, ein Marsch zum Tor mit all den Verletzten war ausgeschlossen. Ein Wunder, dass sie es überhaupt den Berg herab geschafft hatten.
"Nelson?" fragte Lindsay.
Der Angesprochene nickte. "Hickey, Mathis, Sie bleiben hier bei unseren Verletzten. Ich würde auch einen der Rebil-Ärzte bitten, hier zu verweilen. Wir schicken so schnell es geht Verstärkung, die euch alle hier rausholt."
Taako und Phil stimmten ohne lange Worte zu und auch ein freiwilliger Rebil war schnell gefunden.
"Wir melden uns über Funk, wenn wir das Tor gefunden haben." Toby Nelson verschnürte einen Medizinrucksack und schwang ihn sich über die Schulter.
"Geht klar", meinte Diego und hob den Daumen nach oben. "Wir warten hier."
"Falls wir nicht zurückkommen…"
"Das ist keine Option" warf Taako ein.
"Ich sagte ja nur, falls."
"Schon klar, Boss. Dann schleppen wir uns den Berg wieder rauf zu den anderen, reparieren den Jumper und retten selbst die Welt."
"Genau", Nelson schmunzelte.
Radek, dem der Scherz in dieser Aussage nicht entgangen war, hoffte dass es nicht zu einer derartigen Situation kommen würde. Selbst er hätte den Jumper nie wieder flugfähig bekommen, geschweige denn die technisch unqualifizierten Soldaten.
Mit einem letzten, besorgten Blick auf die Verletzten wandte sich Nelson zum Gehen.
"Wir rücken ab" und alle folgten ihm. Wieder hinein in den Wald.

Nebelfetzen krochen wie Geister durch die Bäume. Als wären sie kondensierte Luft aus dem dunklen Maul einer riesigen Bestie.
Bisher hatte Dillon die Truppe angeführt und seinem rationalen Verstand verdankten sie bis hierher ihr Leben. Ein ungeheurer Schmerz durchzog Toby Nelsons Herz, wenn er an den verstorbenen Freund dachte. Sie hatten sich lange gekannt. Waren bereits zusammen in der Ausbildung gewesen. Einem glücklichen Zufall verdankten sie beide ihre Stelle in Atlantis. Nelson musste unweigerlich daran denken, wie glücklich und stolz Dillon über die Auswahl war. Wie hatte er sich gefreut, als sein Name auf der Liste gestanden hatte.
Jetzt war er tot. Zurück blieben ungeweinte Tränen und eine Vielzahl an Bildern und lebhaften Erinnerungen.
"Sir?"
Nelson reagierte nicht.
"Nelson?"
"Was?" Toby schrak aus seinen Erinnerungen auf. Sich für dieses Verhalten ohrfeigend, blickte er sich um. Er sollte nicht in Erinnerungen schwelgen. Nicht jetzt! Hier war es viel zu gefährlich, als dass er es sich hätte leisten dürfen, auch nur eine Minute unachtsam zu sein. Schließlich war er jetzt für das Leben aller, verantwortlich.
"Riechen Sie das?" fragte der Soldat nach.
"Ich war's nicht" kam es sogleich von Robin.
"Sehr lustig" maulte Radek, der aber nichts riechen konnte.
"Nein", gab auch Nelson zu. "Was riechen Sie denn?"
"Ich finde" und er schnüffelte noch einmal in die feuchte Luft. "Es riecht verbrannt."
"Kann ich nicht behaupten" kam es von Cady und auch die anderen hoben ihre Nasen in den Wind.
"Verbrannt wäre aber ein gutes Zeichen", argumentierte Nelson.
"Ja stimmt", warf Radek ein. "Das Dorf, es hat ja gebrannt".
"Na dann, Spürnase voraus." Nelson deutete dem jungen Soldaten, an ihm vorbei zu treten und die Führung zu übernehmen.

Mit jedem Schritt wurde der Brandgeruch penetranter, raubte der kleinen Gruppe fast den Atem. Hustend kamen sie bei den Überresten des verbrannten Dorfes an.
Reste eingestürzter Wohnhäuser und umgestürzter Bäume erschwerten das Durchkommen. Teilweise lagen Tierkadaver in den Ruinen und schwängerten den ätzenden Brand- und Rauchgeruch mit dem süßlichen Geruch von Verwesung, der alle würgen ließ.
Wieder einmal wurde die blanke Gewalt der Wraith, die hinter diesem Angriff gesteckt hatte, in aller Deutlichkeit sichtbar. Nichts und niemand war verschont worden. Selbst wenn es Überlebende des Dorfes gab, welche in die Wälder hatten flüchten können, so war nichts mehr da, zu dem diese Leute hätten zurückkehren können. Eine weitere Zivilisation ausgelöscht.
Niemand sprach ein Wort, als sie ihren Weg zum Stargate vorsetzten. Es gab keine Worte, mit denen man dieses Gewaltszenario hätte beschreiben können. Nichts schien der Situation gerecht zu werden.
So schwiegen sie alle. Weit weniger froh darüber, das Stargate endlich gefunden zu haben, lastete der Tod dieses Ortes genauso schwer auf ihnen, wie der Tod ihrer Kameraden, welche während dieser Mission bereits gefallen waren.
Radek konnte sich nach alldem, was er miterleben musste, langsam vorstellen, wie die Rebil sich fühlen mussten. Dem Tod so vieler Bekannten und Freunde beiwohnen zu müssen, war Strafe für ein ganzes Leben. Und auch Radek war sich bewusst, dass diese Mission Spuren an ihm hinterlassen hatte. Ja, diese Erlebnisse hatten ihn geändert. Stärker, als er es je für möglich gehalten hätte. Nie wieder würde er sein Leben, die Anwesenheit seiner Freunde und Familie als selbstverständlich erachten, wie er es stets zu tun gepflegt hatte. Nichts war so kostbar, als dass es nicht im Alltagstrott nach und nach seine Bedeutung und Achtung verlöre. Doch hier und jetzt schwor er sich, dies alles nie wieder zu vergessen.
In Gedanken verloren beobachtete Radek, wie Dr. Barned das Tor anwählte und sich der schimmernde Ereignishorizont bildete.
Wie lange war es her, dass er diesem Ereignis das erste Mal beigewohnt hatte? Er wusste es nicht mehr genau. Mittlerweile war dieses Schauspiel täglich Brot und seine Erfurcht vor dieser hochentwickelten Technologie war nach und nach verschwunden. Ein weiteres >Opfer< des Alltags. Warum vermochte man so etwas immer erst dann zu sehen, wenn etwas Außergewöhnliches passierte? Etwas, dass den Alltag aus der Bahn brachte? Radeks Fragen blieben unbeantwortet auf dem Planeten zurück, als er mit den anderen durch das Tor trat. Gespannt auf das, was ihnen noch bevorstehen möge, und hoffend, dass alles endlich gut werden würde, verschwammen seine Gedanken. Sein Körper löste sich auf, entschwand in der Unendlichkeit und als sich das Licht vor seinen Augen auflöste, blickte er in eine tote Welt.

Kapitel 3.
Ein schrecklicher Gestank lag in der Luft. So penetrant und übelriechend, dass Radek schlecht wurde. Den abscheulichen Geschmack der Galle hinunterwürgend, atmete Radek durch den Mund aus und ein, um seinen aufgewühlten Magen zu beruhigen.
Die Waffen erhoben, hatten sich die Soldaten bereits auf den kleinen Marktplatz hinausbegeben und beäugten misstrauisch die Umgebung. Eine kühle Brise spielte mit Radeks Haar und ließ die abendliche Schwüle erträglich erscheinen. Die Sonne stand bereits sehr tief und mehr als 2, vielleicht 3 Stunden würde sie ihnen kein Licht spenden. Wenn die Dämmerung einsetzte und die Nacht sie einholen würde, wäre ihr Mission noch gefährlicher. Radek flucht leise.
Langsam setzte sich der Trupp in Bewegung, tauchten durch die langgezogenen Schatten der kleinen Blockhütten, folgten dem schmalen, sauber gepflasterten Weg, welcher sich durch den Vorort hinaus zu den hohen Fabrikgebäuden schlängelte.
Dr. Barned hatte die Führung übernommen und marschierte zielstrebig auf sein ehemaliges Krankenhaus zu.
Der Weg bog an einem großen, im Wind mit dem Blättern raschelnden Baum vorbei nach links ab.
Unweit der Biegung lag die schlaffe Gestalt einer Frau. Das Haar noch ordentlich hochgesteckt, lag sie in einer Lache aus geronnenem Blut. Die weiße Bluse war aus dem Bund des dunkelbraunen, halblangen Rockes gerutscht und offenbarte beim Näherkommen zerfetztes Fleisch und rötlich schimmernde Muskelstränge.
Radek schlug seine Hand vor Mund und Nase. Schnell schritt er an dem geschundenen Opfer vorbei. So sehr er sich auch bemühte, seinen Blick von der toten Frau zu lassen, fing dieses Szenario sein Interesse doch geradezu magnetisch ein. Der Oberkörper der jungen Frau war…angefressen. Radek viel kein anderes Wort dafür ein. Die hoch gerutschte Bluse offenbarte hell hervortretende Wirbelkörper des unteren Wirbelsäulenbereichs. Weiß glänzende Rippen stachen aus dem blutig roten Überresten des Brustkorbes heraus und verschwanden in Geweberesten und letzten Fetzen des weißen Kleidungsstückes.
Dieses Szenario war so unreal! Radeks Gehirn hatte größte Schwierigkeiten damit, das Gesehene einzuordnen. Es zu begreifen. Zombies! Dieses Wort schrillte ohne Unterlass durch Radeks Gedanken.

Der Weg führte neuerlich auf einen kleinen Platz und von alter Gewohnheit her getrieben, lenkte Dimitri seine Schritte nach Westen. Gleich würden sie an dem keinen Krämerladen vorbeikommen, in dem er gewöhnlich immer einzukaufen gepflegt hatte. Das Leben, wie es hier einst war, flimmerte wie ein Film vor Dimitris Augen. Als wäre es erst gestern gewesen, dass Tod und Verzweiflung die Stadt in blutrote Stille getaucht hatten. Fast erwartete Dimitri die Krämersfrau das Trottoir vor ihrem Laden fegen zu sehen. So, wie sie es jeden Abend zu tun gepflegt hatte. Ihr Mann trug derweil die halbleeren Obstkisten zurück ins Lager und schenkte Dimitri an so manchem Tag noch einen Apfel für den Heimweg. Doch niemand stand heute vor dem Laden. Heute nicht, Morgen ebenso wenig…
Die Krämerin und ihr Gatte waren längst Tod oder irrten als halbverweste Gestalten durch die leeren Straßen der Stadt.
Dimitris Herz schmerzte bei diesen Gedanken.

Durch die fast perfekte Stille hallte ein seltsames Geräusch. Alarmiert und angespannt blieb die Gruppe stehen. Sie alle lauschten und blickten suchend in alle Richtungen. Ein tiefes, kehliges Stöhnen erklang. Radek wirbelte um seine eigene Achse und blickte in den Schatten, welcher die Gasse zwischen zwei Blockhütten ausfüllte. Schlurfende Schritte näherten sich. Eine Woge stinkender Luft schlug Radek entgegen und mit vor Angst hämmerndem Herzschlag richtete er seine Waffe auf das, was da auch kommen möge.
Ein muskulöser Mann trat aus dem Schatten in den Schein der Abendsonne heraus. Sein Hemd war blutbefleckt. Ebenso wie seine Hände. Das zerfurchte, teigige Gesicht des Mannes war bereits von den ersten Anzeichen der Verwesung befallen und seine milchigen Augen waren stur auf Radek gerichtet. Blut und Speichel rannen aus seinem, zum Stöhnen geöffneten Mund, tropften über die spröden, geborstenen Lippen zu Boden. Hinter der männlichen Gestalt stolperten zwei weitere halbtote Personen aus dem Schatten. Ein Mann und eine ältere Dame. Die Gestalten hoben ihre bleichen Hände und kamen mit hungrigem Stöhnen auf Radek zu.
Ein weiteres dieser Zombiewesen trat aus einer geöffneten Tür, einer offensichtlich früheren Kneipe, welche auf der anderen Straßenseite lag, heraus.
Auch von vorne näherten sich zwei weitere Gestalten. Ein junger Mann und ein älterer Herr. Wie Dimitri und der Rest der Rebil, war auch er in weiß gekleidet. Ein Ausweis baumelte an einer Schnur, welche er um den Hals trug. Dieser Mann hatte früher eindeutig zum Krankenhauspersonal gehört. Dimitri vermochte sich jedoch nicht an ihn zu erinnern. Nicht, dass er alle Angestellten persönlich gekannt hätte, aber zumindest die meisten seiner Kollegen.
Nelson zielte auf die beiden Gestalten. "Keinen Schritt weiter!", rief er mit fester, befehlender Stimme. Doch die beiden Männer nahmen keine Notiz davon. Schienen blind zu sein für die auf sie gerichteten Waffen. Der ältere Mann stimmte ein Wimmern an, was aus allen Richtungen erwidert wurde. Immer mehr dieser Zombies kamen aus dem Schatten getorkelt.
Dann viel der erste Schuss, traf den älteren Mann in den Oberkörper und ließen ihn kurz wanken. Doch das Loch in seinem Körper störte den Herrn nicht. Ohne Schmerz zu empfinden, schlurfte er weiter vorwärts.
Von dem ersten Schreck erholt, schossen nun alle auf die ständig näherkommende Bedrohung, versuchten die blutenden Leiber zu Boden zu schicken. Doch nichts schien sie verlangsamen zu können. Unaufhörlich näherten sie sich.
Radek, der damit beschäftigt war, den muskulösen Typen auf Abstand zu halten, wich einige Schritte zurück, als der stinkende Kadaver weiter auf ihn zu marschierte. Polternd fiel der leere Clip seiner 9mm aufs Pflaster. Ungeschickt fischte Radek in seiner Hosentasche nach dem Ersatz. Die Augen immer wieder auf den näherkommenden Mann richtend, rammte er den neuen Clip in die Pistole und feuerte auf den, nur noch zwei Schritte entfernten Mann. Seine Hände zitterten dermaßen, dass ihm ein genaues Zielen unmöglich war. Eine leise Stimme irgendwo in seinem Inneren mahnte ihn, auf die Köpfe der Personen zu zielen. So wie in den zahllosen Zombiefilmen, die er in seiner Jugend mit seinem Bruder heimlich bis spät in die Nacht geschaut hatte. Doch sein rationaler Verstand versuchte ihm immer noch einzureden, dass Zombies gar nicht existierten. Es war ein verdammter Traum! Gleichzeitig wusste Radek, dass er bald sterben würde, wenn er die Zombies nicht endlich als real akzeptierte. Er würde sterben. Bei lebendigen Leibe gefressen werden. Zurück würde nur eine verstümmelte Leiche bleiben, wie im Falle der jungen Frau vorhin.
Radek feuerte erneut auf den näherkommenden Mann. Dieser zuckte kurz zusammen, erhob sich aber schnell wieder und mit ausgestreckten Armen näherte er sich Radek. Gierend nach der einen Quelle, die seinen Hunger zu stillen vermöge.
"Rückzug" übertönte ein Schrei das Rauschen, welches das Blut in Radeks Kopf in seinen Ohren verursachte.
"Lauft zu dem großen, gelben Gebäude" rief Dr. Barned über den Lärm der Waffen hinweg. Radek wich aus, stolperte noch einige Schritte von den Zombies fort und späte den von Häusern gesäumten Pfad hinab. Ein gelb gestrichener Gebäudekomplex ragte dort in die Abenddämmerung, wirkte in seiner Größe geradezu einladend und sicher.
"Lauft!" drang noch einmal die Aufforderung an Radeks Ohr. Dann ließ er die Waffe sinken und sprintete los, rannte mit den Rebil und den Soldaten zusammen über den hier und da mit Blut besudelten Weg.
Das Gebäude vor ihnen wuchs mit jedem Schritt. Die Sicherheit schien zum Greifen nahe.
Dann, nur wenige Meter vor ihrem Ziel, endete ihr Lauf abrupt.
Untote bildeten eine Mauer, wie es die Mannschaften auf einem Fußballfeld zu tun pflegten, wenn ein Freistoß anstand.
Nelson überblickte die Situation kurz. Sie konnten weder vor, noch zurück. Sich in den Schatten der engstehenden Häuser zu begeben, erschien ihm unklug. Doch gab es einen anderen Fluchtweg?
Für einige Sekunden standen die Zombies reglos da. Doch dann begannen sie zu laufen! Kamen überraschend schnell auf ihre Beute zugestürmt!
Wieder verstrichen kostbare Sekunden, bis die Soldaten den Ernst der Lage begriffen. Nelson, welcher die Truppe noch immer anführte, packte die ihm am nächsten stehende Person und zock sie mit sich.
"Hier lang!" schrie er und sie stürmten auf eine der Blockhütten zu.
Nelson riss blindlings die Tür auf. Ohne sich groß umzusehen, stürmte er mit Dimitri, welchen er immer noch mit festem Griff gepackt hatte, in das Innere des Hauses.
Zusammen mit Cady rammte er sein ganzes Gewicht gegen die Holztür und verriegelte diese. Für einen kurzen Moment in Sicherheit verschnauften alle. Doch schon trommelten die ersten Faustschläge gegen die Tür. Ließen die Leute darin zusammen zucken. Immer mehr Hände stimmten in das Getrommel ein. Dann pressten sich die ersten Gesichter gegen die Fensterscheiben.
Lange würde die Sicherheit dieses Gebäudes nicht mehr aushalten und dann waren sie gefangen.
Auch wenn es ihren einzigen Ausweg dargestellt hatte, wurde ihnen die Wahrheit unangenehm schnell bewusst. Es gab aus diesem Haus kein Entkommen! Sie saßen in der Falle…

Kapitel 4.
Sie saßen in der Falle!
Das schlichte Holzhaus war nicht besonders groß. Ein einzelner, großer Raum in dem sich neben einer Kochstelle nur noch Tisch und Stühle befanden. Eine schmale Treppe bot den Aufstieg zum ehemaligen Schlafzimmer.
Geronnenes Blut klebte überall auf Tisch und Boden. Faulige Essensreste zierten Teller und Töpfe auf der kleinen Küche. Fliegen krochen über die stinkenden braunen Klumpen, die einst etwas Essbares gewesen sein mussten. Der penetrante Gestank, das stetige Trommeln der Fäuste an Tür und Fenstern… Panik beherrschte Radeks Gedanken. Lange würde ihnen dieses Haus keinen Schutz mehr bieten und dann… Radek wollte nicht weiter denken.
Immer mehr blutverschmierte Hände schlugen gegen die Fenster. Stumme, geschundene Fratzen pressten sich gegen die Scheiben. Schielten mit ihren leeren Augen auf die Beute im Inneren. Erfüllt von einem unwiderstehlichen Drang, den sie zu stillen versuchten.
Radek nahm seine Umgebung nicht mehr bewusst war. Etwas packte ihn am Arm, doch er registrierte es kaum. Sein Blick hing auf der maskenhaften Fratze, einer einst bestimmt schönen Frau, welche in dem Gedränge draußen ihre zerfetzte Backe gegen das Glas drückte.
Starke Hände schoben Radek fort, drückten ihn die Treppe hinauf.
"Wir verschanzen uns hier!", rief eine Stimme, deren Bedeutung doch nie ganz in Radeks Geist ankam. Alles war so unwirklich. So irreal, dass Radek momentan fest davon überzeugt war, dass er dieses Schreckenszenario nur träumte.
Gefangen in diesem Schock bekam er nur am Rande mit, wie die Betten der einst vierköpfigen Familie vor den Treppenansatz geschoben wurden. Wie sich die Soldaten mit ihren noch verbleibenden Kugeln und den letzten Magazinen in Stellung begaben.
Erst als die Glasscheiben im Untergeschoss dem ständigen Trommeln mit lautem Klirren nachgaben, kehrten auch Radeks Gedanken mit einem Schlag in die Gegenwart zurück, ließen ihn vor Endsetzen nach Luft schnappen, als die Wirklichkeit wie eine Welle über ihm zusammenbrach.
Der klare Gedanke an den nahenden Tod war wieder zurückgekehrt.
Tonlos, fast ohne jedes Geräusch verschafften sich die unliebsamen Gäste Zugang. Ein toter Körper nach dem anderen stolperte durch die zerbrochenen Fenster in den Wohnbereich, schnitten sich an den Splittern und verteilten rote Spritzer auf dem staubigen Holzboden. Gierig führte sie ihr Weg die Treppenstufen nach oben. Schritt für Schritt knarrten die Treppen.
Angespannte Stille in die zitternd die Läufe der Waffen gerichtet waren. Die Angst in den Gesichtern der Soldaten, als die ersten Kreaturen die Blockade erreichten…

Ihre Mission hatte die letzte Aussicht auf Rettung bedeutet. Ihre Suche nach einem Gegenmittel hatte sie bis hierher gebracht und doch, von hier aus schien kein Weiterkommen.
Sie waren doch nur gekommen, um Atlantis vor dem Schicksal zu bewahren, welches diesen Planeten heimgesucht hatte. Wohl wissend, dass in der verbleibenden Zeit nur noch hier, hier auf dieser Welt in welcher das Ganze seinen Anfang genommen hatte, eine Aussicht auf Erfolg lag.
Radek konnte sich in Gedanken das Labor vorstellen, in dem Dr. Barnets Forschung stattgefunden hatte. Die ganzen Regale voll gefüllt mit Reagenzgläsern, in denen das Antivirus lagerte. Als könne er in Gedanken die Hand ausstrecken und ihrer aller Rettung greifen…

Die ersten Schüsse fielen. Kugel um Kugel schlugen die Geschosse in die geschundenen Leiber, ließen die ersten Gestalten zu Boden gehen. Doch der zähfließende Strom an Zombies nahm kein Ende. Die, die zu Boden gegangen waren, wurden von den Nachfolgenden überrannt. Die Masse aus Körpern stemmte sich gegen die Barrikade. Sie schoben die Holzbetten Zentimeterweise beiseite. Trotz des auf sie einprasselnden Kugelregens näherten sie sich ungeniert.
Dann war es mit einem Mal still.
Die Waffen schwiegen…
Jetzt konnte sie nichts mehr retten…
Nur noch das schabende Geräusch von Holz das über Holz schliff war zu hören. Dann gab die Barrikade nach, gab den Weg frei.
Alles war so schnell gegangen.
Mit dem Wissen, dass dies hier das Ende war, ließen die Soldaten ihre Köpfe hängen, dachten alle ein letztes Mal zurück an die Freunde, an die Stadt, an all die Leben die sie nicht würden retten können.
Die Gedanken brachen ab und wie auf ein stilles Kommando hin, stürmten die Zombies los.

"Auf die Köpfe zielen!" hallte schwach eine Stimme durch die Gassen. Ein Ruf, gerade laut genug, um das Dröhnen der Waffen zu übertönen.
Ein Schuss, ein Treffer oder sie besiegelten ihren eigenen Untergang. Wenn ihnen das Durchbrechen nicht gelang, hatten sie ihr eigenes Grab geschaufelt.
"Nicht nachlassen!" rief die Stimme erneut, versuchte aufbauend und optimistisch zu klingen, um die Gruppe unablässig voranzutreiben.
"Granate!" brüllte eine weitere Stimme und schon kurz darauf regnete es Geröllsplitter der Explosion.
"Weiter, weiter!"
Die von der Explosion stark beeinträchtigten Kreaturen boten keine weitere Gefahr. Doch ihr Ziel lag noch so weit. Wie viele dieser Horrorgestalten lauerten wohl noch? Wenn wirklich der ganze Planet betroffen war, stand einer handvoll Männer eine Armee von Zombies gegenüber. Ein Kräfteungleichgewicht, das nicht auszugleichen war.
"Kommandant!" Farell Hakon blickte über seine Schulter auf einen seiner Offiziere. Sorgenfalten hatten dessen Gesicht zerfurcht und mit zitterndem Finger wies er auf einen bewachsenen Hügel, welcher unweit ihrer Position zwischen den Häusern lag. Eine weitere Armada an Untoten schlurfte von dort auf die Straße zu.
"Wenn wir noch länger hier bleiben, werden wir überrannt!" warnte Wenzel besorgt.
Noch bevor Farell antworten konnte, drang ein vertrautes und doch unbekanntes Geräusch, getragen vom lauen Sommerwind, an sein Ohr. Es klang wie Waffenfeuer. Doch aus keiner ihm bekannten Waffe. Der Ton war anders, irgendwie dumpfer. Keine der Standardwaffen der tavanaischen Armee.
Waren dies Überlebende? Fremde? Farell fand keine Antwort darauf. Doch wenn noch jemand hier war, so konnte er ihnen nicht feindlicher gesinnt sein, als es die Eingeborenen der einst so friedlichen Welt jetzt waren.
"Rückzug!" rief der Kommandant und seine Truppen reagierten sofort.
"Männer hier lang!" forderte Farell und erntete einen verwunderten Blick von Wenzel Fan.

Bereits seit ihrer Ausbildung waren sie beide ein Team. Wenzel hatte nie einen ihm gegebenen Befehl angezweifelt oder gar verweigert. Doch in diesem Moment vermochte er den Sinn von Farells Befehl nicht zu begreifen. Ihr Ziel lag vor ihnen. Warum sollten sie sich der Gefahr aussetzen, in den Häuserschatten zu fliehen? Nicht wissend, was dort im Halbdunkeln alles lauern konnte? Und doch folgte er seinem Kommandanten und alten Freund, welcher den geraden Weg verließ und durch die Häuser eilte.
Die Waffen immer bereit, landete die kampferprobte Truppe auf einer weiteren Straße. Doch obwohl sich diese Gasse von der anderen im Allgemeinen nicht unterschied, war hier doch etwas anders. Patronenhülsen lagen verteilt in den Ritzen der Pflastersteine und erlegte Kreaturen vergossen ihr stinkendes Blut über das dreckige Grau der Straße.
Ja, hier hatte ein Kampf stattgefunden. Doch welcher?
"Kommandant?" fragend hob ein junger Soldat eine der Hülsen auf. "Das ist kein Geschoss aus unseren Waffen."
"Ich glaubte fremdes Waffenfeuer zu hören." Farell blickte sich suchend um. Niemand war zu sehen. Dann, erneut Schüsse. Die Soldaten hoben ihre Waffen, doch Farell winkte ab. Wo immer sich die fremden Soldaten verschanzt hatten, eine Gefahr würden sie wohl nicht darstellen.
"Kommandant!" kam es besorgt von Wenzel. "Die Kreaturen werden uns bald eingeholt haben. Wir sollten unser Ziel nicht aus den Augen verlieren!"
Wenzel mochte Recht haben, doch Farells Neugierde war größer. Hier gab es Überlebende, die sich auf die gleiche effiziente Art wehren konnten, wie die tavanaische Armee und eben diese Leute interessierten ihn.
"Weiter", befahl er und die Soldaten folgten ihm.
Nach einem kurzen Lauf erregte ein Haus, welches in der Monotonie dieser Straßen etwas aus der Reihe tanzte, seine Aufmerksamkeit. Zerbrochene Fenster, ramponiertes Holz und die Eingangstür war aus den Angeln gebrochen. Als hätte jemand oder etwas versucht, sich gewaltsam Einlass zu verschaffen. Von dieser Tatsache her angelockt, trat Farell leise näher an das Haus heran. Dass Szenario, welches sich in dessen Inneren bot, ließ Farell wieder zurückweichen. Zahllose dieser Kreaturen schoben und drängten sich, eine schmale Holztreppe nach oben.
Also ob dort etwas wäre, was sie unbedingt haben wollten, musste der Kommandant denken.
"Sir", flüsterte Wenzel besorgt. "Wir sollten…" Weiter kam der Offizier nicht. Farell gebot ihm mit erhobener Hand, still zu sein. Dann wandte er sich an seine Männer.
"Die fremden Soldaten sind dort oben. Wahrscheinlich haben sie keine Munition mehr. Ich finde, wir sollten sie ein wenig unterstützen."
Gemurmel wurde in der Gruppe laut.
"Wir wissen nicht einmal, ob dort noch jemand am Leben ist. Auch unsere Munition ist nicht unbegrenzt. Wir sollten für Fremde nicht so viel riskieren."
Farell hob fragend die Augenbrauen.
"Das ist wirklich ihre Meinung?"
Wenzel blickte sich besorgt um. "Wir sind nicht mehr lange sicher hier."
Gut, Wenzel hatte Recht. Dieser Tatsache war nichts entgegenzusetzen und doch schien die Flucht in Farells Augen wie Verrat an Kameraden. Wie etwas, dass Unrecht war.
"Wir haben die Pflicht zu helfen", meinte Farell ruhig. "Ob das jetzt Leute unserer Welt oder Soldaten einer anderen sind. Diese Menschen sind hier, weil sie das gleiche Ziel verfolgen. Heilung für diese schreckliche Krankheit. Wenn wir uns jetzt abwenden, stirbt eine weitere Zivilisation aus. Ich für meinen Teil möchte eine derartige Schuld nicht auf mich laden."
Farells Worte waren klar und deutlich. Voller Zuversicht und sie schienen ihr Ziel nicht zu verfehlen. Die Soldaten nickten einstimmig.
Farell erkannte aus den Augenwinkeln die ersten, schlurfenden Kreaturen aus dem Häuserschatten wanken. Jetzt hieß es >alles oder nichts Der Kommandant zog zwei Granaten. Eine davon reichte er an Wenzel weiter.
"Ich werfe diese nach hinten, Wenzel, sie werfen ihre Richtung Treppe. Männer, Einheit 1 übernimmt die Monster, welche uns über die Straße erreichen. Einheit 2, zielen Sie auf die Untoten im Gebäude."
Farell wartete kurz die Zustimmung ab. Dann gingen alle wie befohlen in Stellung.
"Anlegen!" kam Farells Kommando. Die Kreaturen kamen näher und näher.
Noch ein Stück, noch ein Stück.
"Alles oder nichts, FEUER!"

Kapitel 5.
Eine Explosion riss die Kreaturen von ihren Beinen, schleuderte sie mit einem gewaltigen Tosen gegen die Wände. Ihre verwesenden Körper gaben unter dem Druck nach, wurden davon förmlich zerfetzt und verteilten klebriges Blut und Hautfetzen über den Boden.
Trotz fehlender Gliedmaßen und verbrannter Haut richteten sich die Zombies erneut auf, schielten mit ihren toten Augen in Richtung der Soldaten und reckten ihnen gierig greifende, blutige und verstümmelte Finger entgegen.

Noch bevor einer der Soldaten hatte begreifen können, was eben geschehen war, fielen die ersten Schüsse.
Erleichtert huschte das Wort >Verstärkung< durch Nelsons Geist und von neuem Mut getrieben, lies er seine leere Waffe fallen und stürmte auf den Zombie zu, der nur noch wenige Schritte von ihm entfernt stand. Motiviert von dem ständigen Widerhall der Schüsse draußen auf der Straße, holte Nelson aus und trat mit aller Wucht gegen den Schädel des wankenden Untoten. Mit einem schmatzenden Geräusch gab die bereits von Verwesung befallene Haut des Zombies nach, löste sich in einer Fontäne roten Blutes von den Wangenknochen, als die Schuhsohle des schweren Stiefels darüber glitt. Ein übelriechender Gestank schlug Nelson entgegen und als der Zombie durch die Wucht des Schlages nach hinten viel, konnte man kleine weiße Maden erkennen, welche sich in dem dunklen Fleisch wanden. Von Ekel verfüllt, wandte Nelson seinen Blick ab. Die nächste Kreatur hatte die kleine Gruppe erreicht und ebenfalls neu motiviert kämpfte sich der Rest ihres Teams durch die stinkende Horde Monster.
Nur Radek und einige der Rebil-Ärzte hatten ihre Starre noch nicht überwunden. Dass der Zufall ihnen Hilfe geschickt hatte, vermochten sie noch nicht zu realisieren. Erst als ein stinkender Kadaver auf Radek zukam, hob er wie in Trance seine Waffe. Er hatte noch nicht einen Schuss daraus verbraucht. Er war zu aufgebracht gewesen, um zu reagieren. Es war zu hektisch und alles viel zu schnell gegangen. Er war doch nur Wissenschaftler und kein Soldat. Doch jetzt, als er das Gewicht seiner Waffe zum ersten Mal bewusst in seinen Händen spürte, glaubte er sich in der Lage, diesem Alptraum endlich Einhalt zu gebieten.
Er drückte ab. Fast hätte ihm der Rückstoß die Waffe aus den zitternden Fingern gerissen, doch der Schuss hatte gesessen, zerfetzte der Kreatur einen Teil des Kopfes und in einem sinkenden Regen von Blut und Knochensplittern ging das Wesen zu Boden.
Der Schuss hatte Nelson überrascht. Alle richteten ihren Blick auf Radek, der ungläubig über das, was er soeben getan hatte, auf die blutenden Überreste des einst menschlichen Schädels blickte. Doch der tschechische Wissenschaftler fing sich überraschend schnell wieder, richtete seine Waffe auf einen weiteren Zombie und schoss erneut. Wieder traf die Kugel auf matschiges Fleisch und bohrte ein klaffendes Loch in die Stirn des Zombies. Tonlos fiel dieser zu Boden.

Endlich hatte Radek die Situation im Griff. Sein Gehirn hatte die Eindrücke und Erlebnisse größtenteils verarbeitet und obwohl die Angst ihn noch um Luft ringen ließ, war er nun in der Lage wieder bewusst zu handeln. Egal wie groß seine Angst auch war, er würde ihr widerstehen.

"Wenn Sie das Gefühl haben, hier sein zu müssen, dann akzeptiere ich das. Da unten sind Sie für ihr Leben selbst verantwortlich."

Deutlich erinnerte sich Radek an die Worte des Majors. Wenn Evan Lorne nur wüsste, wie viel Kraft ihm die Erinnerung daran verlieh, vielleicht wäre er stolz auf Radek gewesen. Stolz wie er es stets auf die Soldaten war, welche ohne über ihr eigenes Wohl nachzudenken dieser Selbstmordmission zugestimmt hatten. Radek erinnerte sich an das feuchte Glitzern in den Augen des jungen Majors, als die Soldaten mit einer Selbstverständlichkeit die selbst Radek erstaunt hatte, dieser ohne Bedenkzeit zugestimmt hatten.
Und jetzt waren sie hier. Auf einem von Zombies verseuchten Planeten, um unter allen Umständen das Gegenmittel für Atlantis zu besorgen. War ihre große Stadt erst einmal gerettet, würden sie von dort aus die Heilung aller anderen infizierten Welten koordinieren können. Doch um diesen Plan zu erreichen, mussten sie das hier überleben. Doch Radek war zuversichtlich. Das Schicksal hatte ihnen eine helfende Hand gereicht und diese würden sie ohne zu zögern ergreifen.

Dann, mit einem Mal wurde es still. Die Waffen auf der Straße schwiegen und der Strom an Untoten erstarb. Gedämpft drangen Rufe von der Straße zu ihnen herauf und als sie den dumpfen Klang von harten Stiefelsohlen auf morschen Holzboden vernahmen, begannen ihrer aller Herzen doch noch einmal schneller zu schlagen. Freudig erwartete Radek, Major Lornes Gesicht zu erblicken, als die bis dato namenlose Gestalt die Treppe nach oben kam. Er glaubte so fest daran, dass Evan und die verbleibenden Soldaten zu ihrer Verstärkung gekommen waren, dass sie sich einfach den Befehlen der Rebil-Ärzte widersetzt und doch den Weg hierher angetreten hatten.
Radeks Überraschung war groß, als ein Unbekannter in ihr Blickfeld trat. Ein Hochgewachsener Mann mit breiten, muskulösen Schultern. In eine schwarze Uniform gekleidet, ließ der Mann seine Waffe demonstrativ sinken und schenkte allen im Raum ein aufmunterndes Lächeln. Seine braunen Augen blickten von einem zum andern. Sein schon leicht ergrautes, bis auf wenige Millimeter rasiertes Haar, verlieh im zwar durchaus das Aussehen eines Militärangehörigen der Erde, doch die Rangabzeichen, welche seine schwarze Uniformjacke zierten, erkannte Radek nicht.
"Ich bin Kommandant Farell Hakon", stellte sich der Hüne vor. "Kommandant einer tavananischen Armeeeinheit."
Als die Angesprochenen darauf nicht reagierten, begann Farell zu erklären: "Auch unser Planet Tavana wurde von dieser Seuche heimgesucht. Als unsere Ärzte kein Gegenmittel herstellen konnten, wurden wir ausgesandt, um hier nach der Heilung zu suchen. Ich denke, ihre Geschichte dürfte ähnlich klingen."
Nelson fand als erstes seine Sprache wieder und trat zwischen den am Boden liegenden Leichen hindurch, einige Schritte auf ihren Retter zu. "Ich bin Captain Toby Nelson. Wir…" er brach ab, wusste nicht, wie er diesem völlig fremden Menschen für ihre Rettung danken sollte.
"Schon gut", meinte Farell mit einem Lächeln. "Sie brauchen nichts zu sagen."
"Kommandant!" rief Wenzel aufgeregt zu Farell herauf.
"Scheint als wäre für ein näheres Kennenlernen keine Zeit", meinte Farell und wank den Soldaten zu, damit sie ihm die Treppe hinab folgten.
Unten wartete eine bestens ausgerüstete Truppe und durch die zerstörten Fenster konnte man den nächsten Ansturm faulender Monster nahen sehen.
"Wir sollten verschwinden!" rief Wenzel aufgebracht.
Farell nickte und griff hinter seinem Gürtel nach einer weiteren Waffe, welche er Nelson reichte.
"Bewaffnet unsere neuen Freunde. Gemeinsam überleben wir diesen Wahnsinn."
Mit großer Bewunderung für Farell Hakon nahm Toby die ihm gereichte Waffe entgegen und auch die anderen Soldaten wurden mit voll bestückten, neuen Waffen ausgerüstet.
"Wir waren unterwegs zu einem der Krankenhäuser. Ein Handelsvertreter unserer Welt hat dort", damit deutete Farell auf ein recht weit entferntes, dunkles Hochhausgebäude, "mit Ärzten die getauschten Medikamente besorgt."
"Nein!" mischte sich Dr. Barned ein.
Verwundert blickte der Kommandant den weiß gekleideten Herrn mit den leeren Augen an.
"Ich bin Arzt, ein Rebil. Dies hier war einst meine Heimat."
Unruhiges Getuschel wurde laut, als die Soldaten untereinander flüsterten. Sie gaben wohl in diesem Moment Dr. Barned und den restlichen weißkittligen Ärzten genauso die Schuld für die gegenwärtige Situation, wie Radek es zuvor auf dem Wraithschiff getan hatte.
"Ich weiß, wo das Antivirus ist. Wenn sie es haben wollen, folgen sie mir."
Die Zombies kamen immer näher. Wenzel blickte besorgt nach draußen. Die dort immer noch in Stellung stehenden Soldaten, schossen bereits auf die ersten Kreaturen.
"Kommandant!" flehte Wenzel.
Farell konnte seinen Blick jedoch nicht von dem Rebil nehmen. Tausende Fragen schossen ihm durch den Kopf und jede dieser Fragen wollte zuerst gestellt werden. Die Antwort auf alles lag zum Greifen nahe. Doch hier war nicht der richtige Ort dafür. Farell blickte zu Nelson, welcher angespannt wirkte, aber dennoch abwartete. Dieser Soldat war kein Rebil. Die Rebil hatten nie eine Arme gehabt. Warum also schlossen sich Soldaten einer ebenfalls verseuchten Welt den Schöpfern eben dieser an? Gab es bei dieser Seuche etwa auch unschuldige Rebil oder hatte sich diese Begegnung ebenso zufällig abgespielt wie die ihre? Beschützten sie die Ärzte nur aus dem Grund, weil die über das Gegenmittel bescheid wussten?
"Kommandant!"
Farell wusste keine Antwort. Auf keine seiner dutzenden Fragen. Sie mussten jetzt erst einmal hier weg. Waren sie dann in Sicherheit, würde sich Farell seine Antworten holen.
"Gut", nickte er dem Arzt zu. "Gehen Sie voraus. Gruppe 2, ihr gebt den Ärzten Deckung. Gruppe 1 übernimmt die Nachhut und sie", Farell blickte Nelson an. "Ihre Leute denken die Flanken."
"Verstanden Sir", bestätigte Nelson und hoffe den Respekt, welchen er für Hakon empfand, auch entsprechend rübergebracht zu haben. Farell lächelte jedenfalls und mit einem lauten "Vorrücken!" stürmten sie los.

Kapitel 6.
Durch einen mit Glasscherben übersäten Gang gelangten sie in die Lobby des großen Industriekomplexes. Ein toter Arzt war der Beweiß ihrer Befürchtungen, hinsichtlich der Sicherheit dieses Gebäudes. Der Wahnsinn hatte auch hier gewütet.
Eine leichte Windböe wehte durch die zerbrochenen Fenster des Flures, welcher zum Haupteingang hinauf führte. Ihre Stiefel scharrten über die Scherben. Ein paar wenige Stufen hinauf und vor ihnen lag die aus den Angeln gehobene Eingangstür. Das Metall der Tür war an manchen Stellen gebogen und eingedrückt. Es schien fast so, als hätte sich jemand mit Gewalt hier Eintritt verschafft.
"Wir wurden überrannt", kam es leise von Dr. Barned der fast wehmütig auf die zerstörte Tür blickte.
Ja, als diese Tür nachgab, begann der Anfang vom Ende für das Institut.
"Unter den Nichtinfizierten, die in das Gebäude drängten, waren auch Infizierte. Die Seuche verbreitete sich rasend schnell. Keiner konnte mehr fliehen." Dr. Banreds Stimme brach ab. Zu schwer lasteten die Erinnerungen auf ihm.

Die ehrwürdig wirkende Lobby passte nicht wirklich zu dem modernen Baustiel des Gebäudes. Hohe Wände, klassisch in dunklem Holz und hellen Marmor gehalten. Die Mitte der Halle zierte ein kleiner Brunnen mit einer Statue, aus deren Krug noch immer Wasser plätscherte. Die Figur des Mannes erinnerte Radek an die Steinstatuen der alten Griechen. Im hinteren Bereich führten Treppen in die oberen Stockwerke des Gebäudes. Das Dämmerlicht, welches durch die vielen Fenster in das Gebäude fiel, spiegelte sich auf dem glattpolierten Marmor wieder und tauchte alles in ein diffuses Licht. Doch wo waren die Leichen? Kein Blut, keine Toten. Nichts sprach für den Angriff, welchen Dimitri erwähnt hatte. Die Lobby wirkte so steril, als wären alle Geschehnisse an ihr vorbeigegangen.
"Unheimlich", ließ Radek vernehmen und folgte dann schnell der Gruppe, welche sich bereits einige Schritte von ihm entfernt hatte. Doch der Anblick dieser unberührten Umgebung hatte ihn für einen Moment ganz in seinen Bann gezogen gehabt.
"Wohin jetzt?", fragte Farell mit leiser Stimme. Dennoch echoten seine Worte von der Decke und den hohen Wänden wieder.
Lautlos deutete Dimitri auf den linken Bereich der Halle. Die Soldaten folgten ihm und ihr Weg führte zu einer schweren feuersicheren Tür. Nelson ging mit einem Tavana-Soldaten in Stellung. Die Tür war nicht abgeschlossen, doch Nelson verkniff es sich, diesbezüglich überrascht zu sein. Nach all dem, was er bisher erlebt hatte, überraschte ihn gar nichts mehr. Toby drückte die Tür auf und trat zusammen mit dem Soldaten, die Waffe erhoben und den Finger am Abzug, in das halbdunkle Treppenhaus. Nur ein kleines Fenster erhellte den Flur, an dessen Ende eine Wendeltreppe nach unten und eine nach oben führte. Keine Anzeichen von Leben, aber dafür passte dieses Treppenhaus optisch in das Gesamtbild der Stadt. Die Kreaturen waren hier gewesen und das nicht zu knapp. Schmierflecken getrockneten Blutes zierten die grauen Betonwände. Lachen klebrigen Blutes, in der sich Fliegen tummelten, hatten sich am Treppenansatz gesammelt und führten als blutige Fußspuren die Treppen nach oben.
"Mein Labor war Teil des Hochsicherheitstrakts im Keller.", erklärte Dimitri und angelte aus der Innentasche seines Mantels einen in Plastik geschweißten Ausweis hervor.
"Damit bekommen wir Zugang zu diesem Bereich?" fragte Farell und beäugte die Kennkarte misstrauisch. Der Kommandant wusste zwar, dass die Technologie der Rebil der ihren überlegen war, doch ein Ausweis anstelle eines Schlüssels machte ihn misstrauisch. Wie sollte das funktionieren? Dimitri nickte nur bestätigend auf diese Frage und rieb mit dem Zeigefinger über das glatte Kärtchen. Ein zuversichtlich lächelnder Mann blicke ihm von dem Foto aus entgegen. Ja, als dieser Ausweis erstellt worden war, waren sie noch alle voller Zuversicht gewesen.
Ein hochgeheimer Laborbereich war unterhalb des Institutes erbaut worden. Modernste Technik war hier zum Einsatz gekommen, um zu verhindern, dass die Wraith diesen Bereich fanden. Keine Kosten und Mühen waren gescheut worden, dieses Projekt auf die Beine zu stellen und Dimitri war stolz darauf gewesen, in diesen Laboren forschen zu dürfen. Doch jetzt…
Der Stolz war längst verblasst und das gute Gefühl, welches Dimitri stets gehabt hatte, wenn er die steinernen Stufen nach unten geschritten war, hatte sich in Unbehagen und Schuldgefühle verwandelt.
Am Ende der Treppe war die hochmoderne Tür mit ihren Sicherheitsschlössern eingelassen. Ein in die Wand integriertes Terminal mit einem Kartenschlitz und einem Kodeingabefeld war daneben.
Dimitri steckte den Ausweis in den dafür vorgesehenen Schlitz.
Farell beobachtete ihn dabei genau. Er misstraute dem Arzt. Er war ein Rebil und somit keines weiteren Vertrauens würdig. Auch wenn in Farells Auffassung von Recht und Ordnung ein Menschenleben den meisten Wert hatte, so war ihm das Leben dieses Arztes doch vollkommen gleichgültig. Auch wenn er den Grund noch nicht kannte, der für den Ausbruch dieser Krankheit über die Galaxie verantwortlich war, so waren die Rebil in seinen Augen schuld. So viel stand fest. Das Schicksal, welches ihre Welt zerstört hatte, tat ihm nicht im Geringsten leid für dieses Volk. Doch all die Frauen und Kinder anderer Welten, all die Unschuldigen, welche eines gewaltsamen Todes gestorben waren, all das sah er als Schuld der Rebil. Natürlich waren auch hier unschuldige Frauen und Kinder gestorben. Doch war es letzten Endes nicht der Weg, den alle Rebil bewusst beschritten hatten?
Die Tür schwang ein kleines Stück auf, als Dr. Barned die Kennkarte wieder aus dem Schlitz zog. Die Waffen auf den Spalt gerichtet, aus dem ihnen Verwesungsgestank entgegen strömte.
"Weiter", befahl Hakon und ein Soldat trat gegen die schwere Metalltür. Doch nichts tat sich. Etwas lag offensichtlich im Weg. Selbst mit vereinten Kräften gelang es nicht, die Tür auch nur ein Stück weiter zu bewegen.
"Was könnte da rinnen passiert sein?" fragte Nelson und sein Blick haftete auf Dimitri und den Rebil-Ärzten. Schließlich waren sie die letzten Überlebenden, welche das Labor verlassen hatten.
"Es gab mehrere Explosionen", erklärte ein dünner und schwächlich wirkender Arzt, den Nelson bisher nie bewusst wahrgenommen hatte.
"Explosionen?" hakte Farell nach.
"Wir haben versucht…"
Ein Klappern im oberen Bereich des Treppenhauses ließ alle verstummen.
"Hier unten sind wir leichte Beute", stellte Farell fest und auch durch Nelsons Gedanken war diese Befürchtung gehuscht.
Was jetzt?
"Gibt es noch einen anderen Weg hier rein?"
Dimitri schüttelte ratlos den Kopf. "Es gibt nur diesen Durchgang und wenn wir nicht weiter kommen dann…"
Wieder drang ein Geräusch durch das Treppenhaus.
"Sie kommen!" flüsterte der schmächtige Arzt, welcher offensichtlich noch von ihrer letzten Flucht durch die Horden der Infizierten traumatisiert war.
Radek, welcher neben der Tür kauerte, warf einen Blick durch den doch etliche Zentimeter großen Spalt. Auf der anderen Seite rührte sich nichts. Da kam dem Tschechen eine Idee und er nahm für diesen Test seine Brille vom Kopf und die Welt verschwamm für einen Moment vor seinen Augen.
"Ich pass da durch!" rief er begeistert und das Scheppern im Treppenhaus wiederholte sich erneut. Deutlich waren schnelle Schritte zu hören, welche über die Stufen der vielen Stockwerke stolperten.
Sie kamen!
Farell drängte sich durch die engstehenden Leute zu Radek durch. "Glauben Sie das wirklich?" Noch immer wusste Farell nicht genau, wer dieser Mann war. Er trug keinen weißen Kittel, aber auch keine Uniform. Er hatte noch eine Handfeuerwaffe der Fremden bei sich und wirkte eher unscheinbar. Daher war Farell von der Entschlossenheit überrascht, welche in den Augen des Mannes aufblitzte.
"Ja, ich schaff das!" bestätigte er.
Farell nickte, "Gut, versuchen Sie es."
"Radek", rief Nelson und reichte dem Tschechen eine Handgranate. "Sie wissen, wie die funktioniert?" erkundigte er sich.
Lächelnd nahm Radek die Granate entgegen.
"Ich komm mit", kam es von Cady Goodman, welche neben Radek trat. Sie schenkte dem Wissenschaftler ein zuckersüßes Lächeln und dieser bekam bei ihrem Anblick weiche Knie.
"Los jetzt!" brüllte Farell und Radek zwängte sich durch den Türschlitz. Auf der anderen Seite erkannte er das Problem sofort. Cady, welche neben ihm durch die Tür kam, ließ ein leises "oh Gott" vernehmen.
Ein Teil des Ganges, welcher einst hinter der Tür verlaufen war, war komplett eingestürzt. Trümmer türmten sich zu Bergen hinter der Tür und blockierten ihren Durchgang.
"Was dauert das so lange?" trieb Farells besorgte Stimme sie von draußen an.
"Sir", rief Cady, nicht sicher ob sie damit nun schon Farell oder eher noch Nelson meinte. "Der Gang ist komplett eingestürzt. Die Trümmer versperren die Tür."
"Dann sprengen sie die endlich, verdammt!"
"Nein, das würde nur noch mehr einstürzen lassen!" rief Radek. "Eine Explosion dieser Stärke begräbt uns alle unter den Trümmern!"
Kurzes, unschlüssiges Schweigen trat ein. Das Poltern auf den Treppen wurde lauter. Kam ihnen mit jeder verstreichenden Sekunde näher. Egal was sie jetzt taten, sie konnten nicht mehr fliehen.
"Sprengen Sie die verdammte Tür!" rief Farell aufgebracht.
"Sir?" frage Cady besorgt nach.
"Sprengen Sie, wir krepieren sonst ohnehin hier unten!" rief ihnen Nelson zu.
Cady griff nach der Granate, welche Radek immer noch in der Hand hielt.
"Laufen Sie, ich werden das Ding werfen", meinte sie lächelnd.
Radek schüttelte jedoch den Kopf. "Bei drei werfen Sie und wir beide laufen los!".
Cady nickte, schluckte einmal schwer und Radek zählte. "Eins, zwei, drei…"

Kapitel 7.
Die Explosion riss beide in ihrem Lauf von den Beinen. Wie ein Papierflugzeug, das in einen Luftstoß geriert, flogen sie unbeholfen durch die Luft. Der Aufprall folge hart und ohne Vorwarnung. Radek prallte gegen etwas Hartes, was er in dem um ihn herum herrschenden Durcheinander nicht richtig wahrnehmen konnte. Trümmer der Explosion flogen durch den Raum, trafen schmerzhaft oft auf seinen Körper. Sein Kopf, nein sein ganzer Körper schmerzte und die bedrohliche Schwärze der Ohnmacht zerrte an seinem Geist.

Wie vom Lärm der Explosion angezogen, schlurften immer mehr Kreaturen zu dem großen, gelben Gebäude. Überraschend schnell stürmten sie die zerstörte Türe und ihre toten Augen sahen sich hektisch in der großen Lobby um. Wie von einer unbekannten Macht getrieben, fanden sie den Weg ins Treppenhaus, rannten und stolperten die Stufen hinab. Mit der Aussicht ihren blinden Hunger an frischer, lebender Beute stillen zu können, tropfte Blut und Speichel aus ihren gierig geöffneten Mäulern, formten stumme Schreie und unartikuliertes Stöhnen echote an den Betonwänden wieder.
Feuer züngelte am Ende des Treppenabsatzes an den grauen Wänden nach oben. Die roten und gelben Flammen tanzten, fanden jedoch an den Betonwänden kaum Substanz, um sich weiter ausbreiten zu können. Ohne von der Wärme des Feuer Notiz zu nehmen, welche die Haut der Kreaturen versengte und mit Wasser und Eiter gefüllte Blasen auf ihren ganzen Körper zurückließ, drängten sie durch den zerstörten Eingang hinein in den schmalen Gang welcher von der Explosion ebenso mitgenommen war, wie das Treppenhaus. Rußgeschwärzte Wände waren zum Teil eingestürzt und Schutt war in Mengen von der Decke gerieselt und sah in mitten der lodernden Flammen fast wie Schnee aus. Dunkler, stinkender Rauch produziert von den immer noch brennenden Explosionstrümmern, kräuselte sich an der Decke und raubte einem die Sicht.

Stimmengewirr drang an Radeks Ohr und krampfhaft versuchte er, seine Augen wieder zu öffnen. Seine Brille war bei der Druckwelle und ihrem ungewollten Abflug verloren gegangen und verschwommen erkannte er Bewegung um sich herum. Viel Bewegung. Beißender Qualm lag in der Luft und knackendes Prasseln des an den Wänden rot und gelb tanzenden Feuers war zu hören. Der dichte, schwarze Rauch brannte unangenehm in Radeks Lungen und ließ ihn husten. Doch mit jedem weiteren Atemzug geriet neuer ätzender Rauch in seine Lungen und das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen, jagte in einer Woge der Angst durch den Wissenschaftler. Würgend glitt er zurück auf den kalten Boden und rang um ein Quäntchen saubere Luft. Im nächsten Augenblick packte ihn etwas oder jemand von hinten am Kragen seines Pullovers und zog ihn unsanft und immer noch um Luft ringend auf die Beine. Mit trübem Blick erkannte er das rundliche Gesicht von Toby Nelson, welcher etwas zu ihm sagte, doch Radek verstand nicht. Das Dröhnen der Explosion klingelte immer noch in seinen Ohren und machte ihn taub für jedes andere Geräusch. Plötzlich wandte sich Nelson von ihm ab, gab ihm einen kräftigen Schubs und er fiel wieder zu Boden.
Verdutzt und von der Situation völlig überrumpelt, blieb er sitzen. Das ständige dumpfe Dröhnen seiner Ohren ließ langsam nach und wurde von einem anderen Geräusch überlagert. Schüsse fielen und im dichten Rauch sah er verschwommen die Schemen mehrerer Personen. Ängstlich ohne Waffe und Brille völlig hilflos drängte er sich gegen die Wand und hoffte, wenn diese Gestalten bereits Infizierte waren, dass sie ihn genauso wenig bewusst wahrnehmen konnten. Vielleicht, so hoffte er, raubte ihnen der Rauch ebenfalls die Sicht. Stumm betete er dafür. Radek erschrak und gab einen entsetzten Schrei von sich, als eine Hand nach seiner Schulter griff und daran zerrte. Verschwommen erkannte er vertraute Gesichtszüge und eine grüne Uniform. Seine Angst wandelte sich sekundenschnell in einen leichten Hoffnungsschimmer und immer noch hustend rappelte Radek sich wieder auf.

Schüsse vielen! Viele Schüsse, mit denen die Soldaten versuchten, die Infizierten auf Abstand zu halten. Doch sie wichen nicht zurück. Sie spürten keine Angst und ihre Schmerzensschreie waren schon längst verklungen. In ihrer blinden Gier nach der einzigen Quelle, die ihren Hunger zu stillen vermochte, hielt sie nichts mehr auf! Blut spritzte, verteilte sich über die Wände und färbte den Gang rot, als die Kugeln die Leiber der Zombies durchschlugen. Zerfetzten ihnen die verwesenden Brustkörbe und die noch verbliebenen Gliedmaßen. Und über allem dieser entsetzliche Gestank nach süßlicher Verwesung und verbranntem Fleisch. Kugeln trafen in die Beine der Infizierten, brachten sie zum Stolpern doch die stetig weiterdrängende Masse an Zombies überrannte die Gefallenen einfach, trampelte über ihre matschigen Körper, welche sich unter dem Getümmel kriechend weiter nach vorne schleppten. Immer weiter den engen Gang entlang, welchen die Soldaten zu verteidigen versuchten.

Radek wurde weiter geschoben, versuchte dabei mit aller Mühe seine brennenden Augen offen zu halten und die Schmerzen an seinem rechten Knöchel zu ignorieren und wie die Masse der Körper, die ihn umschlossen, in Bewegung zu bleiben. Er folgte ihr blindlings durch den dichter gewordenen, dunklen Rauch. Seine Augen tränten und kurz wischte er sich mit dem Ärmel über die beißenden Augen und ihm nächsten Moment verlor er das Gleichgewicht. Etwas stieß ihn zu Boden und sein gellender Schrei zerriss die heiße Luft. Mit einem Blick nach hinten konnte er verschwommen die Umrisse eines blutenden Gesichtes erkennen. Ein Zombie, einst einmal ein Mann, hatte seinen schmerzenden Knöchel mit schier unheimlicher Kraft gepackt und ihn somit zu Fall gebracht. Jetzt zog sich das verschmierte Gesicht mit einer Woge fauligem Gestank unerbittlich auf Radek zu. Dieser versuchte zu schreien, doch der dichte Rauch brannte wie Feuer in seinen Lungen und erstickte den Ruf auf ein heiseres Flüstern. Angsterfüllt blickte er um sich, suchte im dichten Rauch nach Hilfe.
"Weiter!" hörte er Farells schrillen Ruf, der sich in Radeks Ohren bereits unerreichbar weit weg anhörte. Wieder kam nur ein ersticktes "Hilfe" aus seinem schmerzenden Rachen und unaufhaltsam näherte sich die Kreatur und ihre kalten Finger wanderten seinen Oberschenkel hinauf. Krank vor Angst schien sich die Welt vor Radeks Augen zu drehen, während er mit aller Kraft seinen unverletzten Fuß dazu benutzte, nach dem Zombie zu treten. Weiche, klebrige Haut löste sich in großen blutenden Batzen von den Wangenknochen der Kreatur, als Radeks Stiefel darüber fuhr. Trotz des ständigen Lärms der Gewehre glaubte Radek ein feuchtes Schmatzen zu hören, als seine Stiefel die linke Wange des Zombies von den letzten Resten braunen Fleisches befreite und gelblich schimmert der Knochen darunter zum Vorschein kam. Doch noch immer lockerte sich der kalte Griff der toten Hände kein bisschen von seinem Fuß. Gierig hatten ihn die milchigen Augen, von denen sich nur noch eines auf seinem ursprünglich angestammten Platz befand, auf Radek gerichtet. Als die Kreatur auch noch mit seiner zweiten Hand nach Radeks Bein griff, erkannte er die schiefen, mit Blut überzogenen Zähne des Zombies, welche sich unaufhaltsam seinem Unterschenkel näherten.
Dann geschah alles sehr schnell. Ohne das Radek das Geschehen recht begriff, platzte der Kopf des Zombies förmlich in einer gewaltigen Explosion aus Blut und Knochensplittern auseinander! Flog in Fetzen durch die Luft und verteilte sich über Radeks zitternden Körper. Eine starke Hand zog ihn hoch und wieder wurde er nach vorne gedrängt.
"Laufen Sie, laufen Sie!" redete die Stimme ununterbrochen auf ihn ein, doch Radeks noch immer vor Angst vernebelter Verstand begriff nicht. Seine Augen stur auf den Zombie gerichtet, dessen Kopf nur noch eine blutende Masse aus Überresten des Gehirnes und der Wirbelsäule war.
"Weiter" brüllte die Stimme erneut und zerrte an Radeks Arm.
Aus dem Rauch hinter ihnen stürmten mehrere Schattengestalten. Rannten unbeeindruckt über das tote Etwas am Boden und der fürchterliche Gestank, welchen ihre Verfolger verströmten, brachte Radek jäh in die Gegenwart zurück, ließ ihn den eben erlebten Schrecken komplett vergessen und der einzige Gedanke, der jetzt noch seinen Geist beherrschte, schrie aus Leibeskräften: Lauf!!!!

Ihre Sicht war immer noch gleich Null, als sie durch den Gange jagten. Radek ignorierte den Schmerz, welcher sich wie ein Messerstich durch sein Bein zog. Die Angst vor dem, was geschehen würde, wenn er stehen blieb oder gar stürzte, war qualvoller als alles andere. Hatte er sich schon nicht gegen eines dieser Wesen vernünftig zur Wehr setzten können, der Gedanke an eine ganze Horde hinter ihnen, trieb ihn weiter. Schritt für Schritt, trotz der Schmerzen. Die Angst ließ ihn seine eigene Erschöpfung kaum spüren und auch die Schmerzen in seiner Lunge, welche bei jedem Atemzug zu bersten drohte, verlor bei dem Gedanken an ihre Verfolger alle Bedeutung.
Dann war ihr Lauf zu Ende. Abrupt und ohne Verwarnung. Schmerz durchzog erneut Radeks Körper. Im ersten Moment desorientiert fand er sich auf dem kalten Boden wieder. Von der Todesangst getrieben, richtete er sich trotz aller Schmerzen wieder auf und schlug tastend um sich. Seine Fingerspitzen berührten etwas Hartes, Kaltes und er begriff.
Eine Wand!
Er hatte die Biegung des Korridors wohl übersehen und schnell versuchte Radek, die richtige Richtung zu finden. Doch links wie rechts fühlte er nichts als kaltes Mauerwerk unter seinen tastenden Händen. Im Bruchteil einer Sekunde huschte das Wort Sackgasse durch Radeks Geist und ehe er seine Lage ganz begriff, griffen kalte Hände nach ihm. Wild um sich schlagend, versuchte er die blutverschmierten Gesichter von sich fern zu halten. Dann spürte er, wie eine starke Hand seinen Arm ergriff und ein sengender Schmerz jagte durch seien Körper. Radek schrie! Schrie aus Leibeskräften während sich immer mehr Zähne in seine Haut bohrten. Wieder bebte die Welt um ihn herum und das Letzte, was er bewusst wahrnahm, war ein verkrustetes, mit frischem Blut besudeltes Gesicht, welches sich zu seiner Gurgel beugte. Bevor der Schmerz ihn jedoch durchdrang, hüllte ein schimmerndes Licht seinen Geist ein. Radek glaubte zu fallen, schlug hart gegen etwas und sein Geist verlor sich in Dunkelheit.

Kapitel 8.
Dunkelheit. Unbeschreiblich erdrückende Dunkelheit umgab ihn. Quälend sah Radek die Bilder seines eigenen Todes. Sah sich selbst, wie er als totes Etwas mit all den anderen Zombies gefangen in seinem Körper als verwesendes Gefängnis und ohne den Grund dafür zu kennen nach dem einen suchte, nach dem es ihm verlangte. Er sah sich seine Freunde töten in dem blanken Bedürfnis, seine Gier endlich zu Stillen.
Radek erwachte schreiend aus seinem unruhigen Schlaf. Licht flutete ihm entgegen und im starken Kontrast der eben noch vorherrschenden Dunkelheit schlug er die Hände vor Augen. Er wusste nicht wo er war, ja genaugenommen wusste er nicht einmal, was genau geschehen war. Hände griffen nach ihm und wieder schrie er laut auf, versuchte sich gegen die Griffe zu wehren, welche ihn nach hinten zwangen. Eine Stimme drang wie aus weiter Ferne zu ihm herüber, formte unverständliche Worte. Noch eine Stimme gesellte sich hinzu und trotz Radeks wild um sich schlagender Hände schafften es die vielen starken Arme, ihn in eine liegende Position zu bringen. Dann hüllte ihn wieder diese alles beherrschende Dunkelheit ein und sein Geist verlor sich darin.

Die ihn umgebende Dunkelheit wurde von einem leisen, aber konstanten Geräusch durchbrochen. Erst war dieses leise Piepen eine willkommene Ablenkung zu all den entsetzlichen Bildern gewesen, die ihn quälend durch die düstere Atmosphäre seines Traums gejagt hatten. Doch jetzt war dieses monotone Piepgeräusch nur noch lästig. Langsam lichtete sich der dunkle Vorhang, welcher wie ein Nebel über Radeks Verstand gehangen hatte. Ein vertrauter und doch fremdartiger Geruch war das Nächste, was Radek in seinem Stadium zwischen Schlaf und Erwachen wahrnehmen konnte. Der sterile Geruch nach Desinfektionsmittel, welcher ihn unmittelbar an Krankenhäuser erinnerte und eine beruhigende Stimme dicht neben ihm.
"Doktor, er ist wach!"
Verschwommen präsentierte sich die Welt vor Radeks Augen, als er diese endlich ganz öffnen konnte. Noch immer zerrte die Müdigkeit an ihm und erschwerte seine Versuche sich seiner Umgebung bewusst zu werden.
"Wie fühlen Sie sich?" fragte ihn eine raue Männerstimme, doch Radek konnte nicht antworten. Sein Körper schien ihm nicht zu gehorchen. Wieder drohte die Schwärze des Schlafes ihn zu übermannen und in einem letzten verzweifelten Versuch die Müdigkeit nieder zu ringen, griff er nach der Hand des über ihm stehenden Mannes.
"Schon gut, schlafen Sie", beruhigte ihm die ruppige Stimme. "Es ist alles gut."

Lautes Stimmengewirr weckte Radek aus seinem traumlosen Schlaf. Verschwommen blinzelte er in das dämmrige Licht, welches die Krankenstation in ihren Nachtzyklus tauchte.
"Seien Sie ruhig", mahnte die gleiche raue Männerstimme, welche Radek zuvor gehört hatte. "Sie wecken noch all meine Patienten!"
Ein genuscheltes "`tschuldigung" welches Radek sogleich erkannte.
"Sie sollten sich jetzt auch ein wenig hinlegen, Major", sagte eine Stimme in ruhigen Befehlston.
"Ja Sir, es ist nur…" Major Lorne schwieg.
"Keine Sorge, es wird jemand hier sein, wenn er aufwacht", konnte er Colonel Caldwell sagen hören.
"Das schon Sir", begann Lorne erneut. "Doch ich finde nach all dem, was geschehen ist, sollte ich Derjenige sein, der es ihm sagt."
Irgendetwas in Evans Stimme machte Radek stutzig. Und da wurde es ihm klar. Die ganzen unbeantworteten Fragen, welche ihn die letzten 24 Stunden beschäftigt hatten, waren mit einem Schlag wieder präsent und mindestens ebenso viele neue Fragen brannten Radek auf der Zunge. Sollte er etwas sagen?
Den Anwesenden im Raum mitteilen, dass er bereits wach war und begierig darauf brannte, all seine Fragen endlich beantwortet zu bekommen? Doch das zwischen den Gesprächspartnern eingetretene unangenehme Schweigen schien ihm nichts Gutes zu bedeuten.
"Ich verstehe durchaus, wie Sie sich fühlen, Major, aber der Doktor hat Recht. Warten Sie bis Morgen", gab Caldwell in einem leisen aber festen Ton zu bedenken.
"In Anbetracht von Dr. Zelenkas momentanen Gesundheitszustand wäre eine Vertagung dieses…" eine kurze, unschlüssige Pause folgte den Worten des Arztes. "Gesprächs auf Morgen, eine wirklich vernünftige Idee."
Radek war die ungewöhnliche Betonung des Arztes in Bezug auf das Wort >Gespräch< nicht entgangen. Unruhig fragte er sich erneut, ob es nicht besser wäre, sich als Wach erkennen zu geben. Doch andererseits sagte ihm seine innere Stimme, dass er kein Wort dieser schlechten Nachrichten wirklich höheren wollte. Vom schlimmsten aller denkbar möglichen Schreckensszenarien ausgehend, verharrte Radek in seiner derzeitigen Position. Ließ es geschehen, dass Caldwell Evan ins Bett beorderte und auch er sich mit einem letzten Gruß von dem in der Krankenstation verbleibenden Arzt verabschiedete und sich mit einem Zischen die Tür hinter den beiden Offizieren schloss. Jetzt war er allein mit seinen Gedanken. Was um alles in der Welt war bloß geschehen? Gut, offensichtlich war die Daedalus zu ihrer aller Hilfe geeilt. Ebenso offensichtlich war etwas von Dr. Barneds Gegenmittel in ihren Besitz gelangt, denn sonst wäre er jetzt nicht mehr hier. Wenn er also davon ausging, dass diese Dinge alle mit überraschendem Ende gut ausgegangen waren, blieb nur noch Atlantis als Hiobsbotschaft übrig. Doch was genau?
Die 24 Stunden waren um, das stand für Radek einwandfrei fest. Somit war das Gegenmittel wohl zu spät auf Atlantis eingetroffen, was erklären würde, warum sie sich immer noch auf der Daedalus befanden. Hatte es gar keine Hoffnung mehr für die Stadt geben? Waren alle tot oder auf dem besten Wege dahin? Gab es keine Hoffnung mehr?
An Schlaf war für den Rest der Nacht nicht mehr zu denken. Viel zu aufgewühlt waren Radeks Gedanken, als das er sich hätte entspannen können. So lag er mit geschlossenen Augen auf dem Biobett und hoffte, dass die Schwestern, welche in einer gewissen Regelmäßigkeit durch die Krankenstation schlichen und neugierige Blicke auf die Instrumente ihrer Patienten warfen, die heißen Tränen nicht sehen konnten, die über seine Wangen liefen.
Er hatte diesen Horror überlebt. Doch zu welchem Preis? Die Gesichter seiner Freunde tauchten vor seinem geistigen Auge auf, wie sie fast bis zur Unendlichkeit verunstaltet durch die Gänge von Atlantis wandelten.
Sein eigenes, immer wieder knappes Überleben spielte sich wie ein Kinofilm in seinem Geist ab. Die Begegnung mit dem infizierten Ronon und ihre knappe Flucht mit dem beschädigten Transporter…
Die Androhung von Kemal, ihre Stadt in Schutt und Asche zu lege… Vereitelt nur durch einen aufstrebenden Politiker, der seine Chance zum Aufstieg in der Unzufriedenheit des Volkes gesehen und sie genutzt hatte…
Die Wraith, welche sie fast getötet hätten…
Ihr letzter verzweifelter Versuch sich durch die Horden Infizierter auf Rebil zu kämpfen, die Zombies, die ihn gepackt hielten…
Und über allem der bittere Geschmack des Versagens. Er hatte dies alles durchlebt, er hatte überlebt, nur um hinterher feststellen zu müssen, dass außer den paar wenigen Überlebenden alle anderen tot waren? Wozu? Wo war da der Sinn?
> Wir retten einige. Wenigstens etwa< Erneut hallten die Worte, welche Major Lorne erst vor etlichen Stunden zu ihm gesagt hatte, durch seinen Kopf. Doch in Radeks unendlicher Trauer klangen sie geradezu lächerlich.

Kapitel 9.
Der nächste Morgen kam schneller, als es Radek lieb war. Nicht, dass er den Sonnenaufgang durch die Fenster hätte verfolgen können, wie es in Atlantis möglich war. Doch der Wechsel zwischen Tag und Nacht war hier mit einem Tausch des Schichtpersonals ganz unspektakulär über die Bühne gegangen. Das gedämpfte Licht der Nachtbeleuchtung war der hellen Arbeitsbeleuchtung gewichen und ein reges Treiben setzte im Krankenflügel des großen Raumschiffes der USAF ein. Ärzte betreuten Patienten, während sich die Routine der Visite einschlich, brachten Schwestern dampfende Tassen mit heißen Kaffee und verteilten die Tabletts mit dem Frühstück. Radek nahm die Tasse mit der fast überschwappenden, braunen Flüssigkeit mit einem aufgesetzten Lächeln entgegen. Erst als ihn der Arzt dazu drängte, er müsse frühstücken, wenn er ernsthaft mit dem Gedanken spielen wollte, heute noch entlassen zu werden, stocherte er in dem kalten Rührei herum. Warum sollte er wert darauf legen, die Krankenstation in nächster Zeit zu verlassen?
Als die Schwestern die Tabletts wieder verräumt hatten und die kleinen Speisewägelchen aus der Krankenstation rollten, wurde es ruhiger. Viele von Dr. Jaros Patienten, welche Radek während ihrer gemeinsamen Suche nach dem Gegenmittel kennen gelernt hatte, waren bereits aus der Krankenstation entlassen worden. Die Schwestern waren dabei, die Betten für eventuelle neue Patienten herzurichten, als sich die Tür zur Krankenstation zischend öffnete. Radek hatte den ganzen Vormittag wartend nur auf diese Tür geschaut. Jetzt war der Augenblick gekommen, Major Lorne betrat die Station. In seiner typisch grünen Uniform war er ein sehr auffälliger Kontrast zu den ansonsten weiß gekleideten Ärzten. Auch wenn Radek ohne seine Brille das Gesicht des Soldaten nicht in der gewohnten Schärfe sah, wusste er doch, dass es nur Evan Lorne sein konnte, welcher zielstrebig zu seinem Bett heran trat.
"Guten Morgen"; grüßte der Soldat mit betont ruhiger Stimme. Radek sagte nichts. Einen Moment stand Evan nur so da und betrachtete den in Schweigen gehüllten Wissenschaftler. Dann, als sei ihm ein Gedankenblitz beim Anblick des anderen Mannes gekommen, öffnete er die mit Klettverschluss versehene Brusttasche seiner Uniformjacke und zog etwas heraus, was er mit einem "hier bitte" an Radek weiterreichte. Dieser griff nach dem Gegenstand und erkannte bereits, was es war, noch bevor es sein verschwommenes Blickfeld erreichte. Er öffnete die Bügel der Brille und schob sie sich auf die Nase. Im ersten Moment war er versucht gewesen den Major zu fragen, wo er die Brille denn her hatte, verwarf diesen Gedanken jedoch und murmelte nur ein knappes "Danke."
Evan, der plötzlich nicht mehr wusste, wohin mit seinen Händen, stopfte sie unruhig in die Hosentasche. Nervös, als wüsste er nicht, wie er das bevorstehende Gespräch beginnen sollte, zog er sich nach weiteren Minuten des Schweigens einen Stuhl heran und setzte sich neben das Bett.
"Also", versuchte er einen Einstieg in diese unangenehme Situation zu finden. "Wie geht es Ihnen?"
Radek warf dem Major einen erst verwirrten, dann zornigen Blick zu, schluckte seine Wut jedoch hinunter, denn er sah ein, dass dem Soldaten die Situation hier schon schwer genug viel.
"Spielt das eine Rolle?" fragte er stattdessen.
Der Major überlegte kurz. Radek konnte erkennen, dass er seinen Gegenüber mit dieser Antwort überrascht hatte. "Ja", antwortete Evan dann mit leichtem Zögern. "Ja, ich denke schon."
"Ich lebe noch", gab Radek als Antwort und dabei klang er wenig glücklich über diese Tatsache. Es schien Evan eher so, als bereue er dies. Schwer schluckend begann er wieder zu sprechen.
"Bedauerlicherweise verlief nicht alles nach unserem ursprünglichen Plan und…"
Kaum hatte das Gespräch begonnen, schon war Radek es leid. Er unterbrach Evan schroff und stellte die eine Frage, ihm als einzige noch wichtig erschein. "Wie viele Tote?"
Wieder sah Evan überrumpelt aus und brauchte einen Moment, die Frage zu überdenken.
"Nun…bedauerlicherweise verloren wir Captain Nelson, die Lieutenants Lindsay Seals, Robin Chin, Simon Chase…"
Radek lauschte der Aufzählung ständig hoffend, dass nicht auch der Name Cady Goodman auf der Liste der Gefallenen auftauchen würde. Als Evan jedoch endete, ohne die junge Frau auch nur erwähnt zu haben, machte sich ein kleines Gefühl der Erleichterung in Radek breit. Sie hatte überlebt.
"Ähm", mit einem verlegenen Räuspern zog Evan Radeks Aufmerksamkeit wieder auf sich.
"Leider waren die Verluste bei unserem Erkundungsteam erschreckend hoch. Doch die Liste der Verstorbenen geht noch weiter."
Das kleine bisschen Glücksgefühl, welches Radek über Cadys Wohlaufsein verspürt hatte, wich wieder der unendlichen Traurigkeit. Jetzt würde sich die letzte Frage beantworten. Bald würde er wissen, wie schlimm es um Atlantis wirklich stand und ob seine Schreckensvisionen der vergangenen Nacht sich bewahrheiteten.
"Leider beklagen wir auch erhebliche Verluste in Atlantis", begann Evan wieder zu sprechen.
"Wer?" brachte Radek mit zitternder Stimme hervor, als Evan nicht gleich weiter sprach. Die Augen des Majors trafen den ängstlichen Blick des Wissenschaftlers und er konnte sehen, wie sich trotz Radeks Bemühen Tränen hinter seinen Brillengläsern sammelten. Die plötzlich so trockenen Lippen befeuchtend, begann er: "Ich bedaure Ihnen mitteilen zu müssen, dass für Dr. Alexej Colao jede Hilfe zu spät kam." Wieder sprach er nicht weiter, sondern zog einen Bericht hervor und reichte ihn Radek.
"Ist besser, wenn Sie sich das selbst durchlesen", schlug er vor.
Radek nahm den Bericht entgegen und unter seinen tränennassen Augen verschwammen die schwarzen Buchstaben zu einer unlesbaren Pampe. Schnell wischte er sich mit dem Ärmel des weißen Krankenhaushemdes über die Augen.
Bericht über Zivilverluste nannte sich das Blatt und Radek klappte ihn gespannt auf.
Bei jedem ihm bekannten Namen spürte er einen leichten Stich. Zeile für Zeile fuhr er mit dem Finger hinab und bei Alexej Colaos Namen verweilte er kurz. Colaos Tod bestürzte ihn zutiefst. Der kleine, dicke Wissenschaftler war ein angenehmer Mitarbeiter gewesen. Stets pünktlich und korrekt, fleißig und immer nett und gewitzt seinen Kollegen gegenüber. Dann wanderte sein Finger eine Zeile tiefer und noch eine und noch eine…
Bei vielen Namen von Kollegen hielt er kurz inne. Der Tod von all diesen Freunden war so…so endgültig. Ihm viel beim besten Willen kein anderes Wort ein. Jeder Name auf dieser Liste bedeutete Hoffnungslosigkeit. Sie waren tot und nichts konnte mehr daran geändert werden. Kein, vielleicht hilft das Gegenmittel noch oder ein, sie sind noch nicht außer Lebensgefahr. Nein, diese in schwarz gedruckten Namen bedeuteten Tod ohne jegliche Hoffnung.
Dann war sein Finger am Ende der Liste angelangt und sein Herz schlug ungewollt schneller. Teils aus Angst, teils aus Aufregung. Er wandte sich wieder an Lorne, der das Entsetzen deutlich in Radeks Augen lesen konnte.
"Und…" setzte Radek an. Wie konnte die Liste nur auf diese Weise enden? Schnell richtete er seinen Blick wieder auf die Notizen, blättere wild umher, als suche er krampfhaft nach etwas.
"Und…" begann er wieder.
"Wo sind die anderen…ich meine…ich…" sammelte er und suchte nach den richtigen Worten.
Auch in Evans Blick konnte man Trauer lesen, als er sich erhob und den Bericht aus Radeks Schoß nahm.
"Komme Sie", forderte er den Wissenschaftler auf.

Die Korridore der Daedalus waren Radek noch nie so lang vorgekommen. Er trug eine olivgrüne Uniformjacke über seinem dünnen, weißen Hemd und schwere Militärstiefel, als er hinter Major Lorne zur Brücke der Daedalus ging. Kaum hatten sie das Kommandodeck erreicht, trat auch schon Steven Caldwell auf sie beide zu.
"Sir", grüßte Evan förmlich. Caldwell sah an ihm vorbei, zu Radek dessen Gesichtsfarbe ebenso blass war, wie sein Hemd.
"Wir bitten um Erlaubnis, in die Stadt beamen zu dürfen."
Caldwell entließ Radek aus seinem prüfenden Blick und bedachte den Major mit einer fragenden Miene.
"Der Arzt hat das O.K dafür gegeben?"
Evan nickte und blickte ebenfalls nach hinten zu Radek.
Caldwell wandte sich ab und gab den Befehl weiter. Bevor Radek auch nur darüber nachdenken konnte, ob es nicht doch einfacher für ihn wäre, er bliebe an Bord, hüllte ihn auch schon das weiße Strahlen ein.

Als er im Kontrollraum der großen Stadt remateralisierte, war sein erster Eindruck durchaus überraschend. Nichts deutete darauf hin, dass gestern noch eine Katastrophe Atlantis erschüttert hatte. Radek musste unwillkürlich an die Stadt der Rebil denken. Doch kein Tropfen Blut verunzierte die Wände, keine Spur des Grauens und des Todes war zu sehen. Nur emsig arbeitende Soldaten und Wissenschaftler huschten durch die Gegend. Alles war so, wie es sein sollte.
Nein, verbesserte er sich in Gedanken. Etwas war falsch. Radeks Herz schien in seiner Brust zu brennen. Wieder kämpfte er seine aufkommenden Gefühle und eine Schwall Tränen nieder. Blinzelnd blickte er nach oben in den Kommandostand. Dort, an dem kleinen Vorsprung fehlte die vertraute Gestalt von Elisabeth Weir, die ihren stets wachend Blick über alle Neuankömmlinge schweifen ließ. Sie war immer dort gewesen, wenn im Torraum etwas los war. Doch er konnte sie nirgends sehen. Sein nächster Blick fiel in ihr Büro, doch auch das war leer. Schweren Herzens musste er sich eingestehen, dass ihr Fehlen auf der Namensliste unter den toten Zivilisten wohl kein Anlass zur Freude war, wie er es schon fast befürchtet hatte. Keine der vertrauten Personen war hier, um sie zu erwarten. Schweren Herzens folgte er Evan.

Kapitel 10.
Tränen rannen über Radeks Wangen. Er konnte und wollte nicht mehr! Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er sich so leer gefühlt. Er war mehr als nur erschöpft und das nicht bloß im körperlichen Sinne. Er wollte sich in seinem Bett verkriechen und nur noch schlafen. Auch auf die Gefahr hin, von schrecklichen Alpträumen gequält zu werden, doch die Realität konnte und wollte er fürs erste nicht länger ertragen müssen. So viele Emotionen, Bilder und Erinnerungen huschten ständig durch seinen Geist und ließen ihm keine Ruhe. Er wollte schlafen, er wollte vergessen…
Leise schluchzend und mit gesengtem Kopf trottete Radek hinter Evan her. Wie erwartet führte sie ihr Weg durch den Korridor, welcher zur Krankenstation führte. Der tschechische Wissenschaftler hätte diesen Weg mittlerweile im Schlaf gefunden. Wie oft hatte er Carson hier besucht, wenn in den Labors nichts los gewesen war, oder er sich während der Abendstunden gelangweilt hatte und er jemanden zum Schachspielen suchte. Gut, Carson hatte in diesem Spiel stets gegen ihn verloren, es aber jedes Mal mit Humor genommen. Eigentlich ging es ja auch gar nicht um das Spiel. Es ging darum Zeit mit seinen Freunden zu verbringen und ja, Carson war stets ein guter Freund für ihn gewesen. Umso schwerer viel ihm jetzt dieser Gang. Was würde ihn jetzt noch erwarten?
Erst als Evan vor ihm stehen blieb und er leicht gegen den warmen Körper seines Vordermannes stieß, hob Rades seinen Kopf und schreckte aus den trüben Gedanken auf. Evan stand vor der Tür und deutete Radek mit einer Handbewegung den Vortritt an. Aus feuchten, verquollenen Augen musterte der Tscheche seinen Gegenüber und ohne sich für dieses zweifelhafte Vergnügen des Vortritts zu bedanken, schritt er auf die Tür zu, welche zischend vor ihm auseinander glitt.

Dr. Marc Steffens schritt zwischen den vielen belegten Betten der Krankenstation hin und her, warf besorgte Blicke auf Krankenakten und wandte sich dann einer am Eingang wartenden Frau zu.
"Er wird sicher bald hier sein, Dr.", meinte er aufmunternd.
Die schlanke, dunkelhaarige Frau versuchte ein Lächeln, doch ihre Nervosität sah man ihr an. Ihre langen Finger spielten unruhig mit dem kleinen, goldenen Anhänger ihrer Halskette und das brachten Marc zum Schmunzeln. Sie wirkte auf ihn wie ein Kind, welches ungeduldig auf den Weihnachtsmann wartete. Dann öffnete sich endlich die Tür und entließ die so sehnsüchtig erwartete Person in die Krankenstation.

Noch bevor Radek eine Chance bekam durch die tränennassen Augen einen Blick auf seine Umgebung zu werfen, zogen ihn zwei Arme in eine herzliche Umarmung. Überrumpelt, wie er war, konnte er die Gestalt im ersten Augenblick nicht erkennen, welche ihn in dieser wohltuenden Geste gefangen hielt. Als sich der warme, schlanke Körper ein wenig von ihm löste, blickte ihn lächelnd das Gesicht der Expeditionsleiterin von Atlantis an. Elisabeth hatte ihre Arme immer noch auf Radeks Schulter ruhen, als der total überraschte Wissenschaftler sie aus großen Augen musterte. Ihr hier sein war für Radek wie ein Wunder, welches ihn so aus der Bahn geworfen hatte, dass er nicht in der Lage war auch nur einen Ton zu sagen. Wortlos stand er da und betrachtete Elisabeth, als hätte er sie noch nie zuvor gesehen. Als Dr. Weir schon besorgt nachfragen wollte, ob es ihm den gut ginge, erwachte Radek aus seiner Starre und zog Elisabeth in eine weitere Umarmung, welche sie lächelnd und nach dem ersten Moment der Überraschung gerne erwiderte. So verharrten sie einen zeitlosen Augenblick in Stille und unendlicher Freude. Neue Tränen suchten sich den Weg über Radeks Wangen, doch zum ersten Mal seit Tagen waren es Tränen der blanken Freude. In diesem einen, perfekten Moment waren alle Sorgen und Qualen vergessen. Als sie sich langsam aus ihrer Umarmung lösten, wischte Elisabeth mit einem sanften Lächeln die noch vereinzelten Tränen von Radeks Wangen.
"Sie sind mir ein Held", lachte sie. Radek musste über diesen Kommentar schmunzeln. Immer noch heil froh darüber, ein vertrautes Gesicht wieder zu sehen. Doch erst jetzt viel ihm auf, dass die jüngsten Ereignisse auch an Elisabeth nicht spurlos vorübergegangen waren. Pflaster zierten ihr Gesicht und Verbände umhüllten ihre rechte Hand sowie den Oberarm. Ein unschöner Bluterguss am Hals, welcher halbwegs unter ihrem roten T-Shirt verschwand, zeugte von der Gewaltbereitschaft der Infizierten. Besorgnis huschte über sein Gesicht und verbannte sein Lächeln. Elisabeth bemerkte den mitfühlenden Blick. "Mir geht es gut", versicherte sie ihm sogleich. Noch bevor Radek etwas darauf erwidern konnte, kam ein fröhliches: "Willkommen Zuhause, Dr. Zelenka", von Seiten des jungen Arztes. Er trat auf Radek zu und reichte ihm die Hand. "Schön zu sehen, dass Sie wohlauf sind", meinte Marc und klopfte dem immer noch schweigenden Wissenschaftler anerkennend auf die Schulter.
"Ja", sagte Radek mit brüchiger Stimme. "Ja, es ist auch schön Sie zu sehen Dr." Doch die Freude währte nicht all zu lange in Radek, denn er blickte sich suchend in der Krankenstation um. Noch nie hatte er so viele belegte Betten gesehen. Den Bericht, welchen er von Evan erhalten hatte, sprach nur von den Todesfällen und hatte keine Auskunft über die Zahl der Verletzten gegeben. So froh er auch war, Dr. Steffens und vor allem Dr. Weir wohlauf zu sehen, war doch die Besorgnis um das Wohl so vieler anderer eine brennende Frage. Sein suchender Blick, welcher durch die Krankenstation schweifte, entging keinem der Anwesenden. Zaghaft griff Dr. Weir nach Radeks Arm und mit einem betretenen: "Kommen Sie", führte sie ihn weiter zu einigen der hinteren Betten. In einem davon erkannte er Teyla. Die junge Athosianerin sah aus, als hätte sie einen Boxkampf verloren. Ein blaugrüner Bluterguss zierte unschön ihr linkes Auge und eine kleine Platzwunde ihre Stirn. Der Rest ihres Körpers lag uneinsichtlich unter dem weißen Betttuch des Krankenbettes.
"Sie hat sich das Handgelenk gebrochen", erklärte Dr. Steffens, der Radeks besorgten Blick nicht übersehen hatte. "Ansonsten etliche Abschürfungen und Blutergüsse sowie Zerrungen und Prellungen aller Art. Wie fast die meisten geheilte Personen."
Radek betrachtete die verletzte Frau mitfühlend. Ihr Brustkorb hob und senkte sich in regelmäßigen Abständen. Sie schien fest zu schlafen. Radek wünschte ihr einen erholsamen, traumlosen Schlaf ohne Zombies.
"Sie wird wieder gesund", meinte Elisabeth und sah Radek zuversichtlich an.
"Ja", flüsterte dieser und sein Blick wanderte einige Betten weiter. Mit einem Gefühl der Freude, aber auch der Besorgnis erkannte er darin Sheppard. Der Zustand des Colonels schien eher Anlass zur Sorge zu geben. Radek trat näher an das Bett des Offiziers heran. Sein Gesicht wirkte reglos und sah im Vergleich zu den von Elisabeth und Teyla kaum geschunden aus. Nur ein einziger, kleiner Kratzer verunstaltete sein hübsches Gesicht. Ein Monitor neben dem Bett überwachte die Lebensfunktonen des Colonels und wies überdeutlich darauf hin, dass Sheppards Zustand durchaus kritischer war.
"Was ist mit ihm?" fragte Radek vorsichtig und hatte schon fast Angst vor der Antwort.
"Als wir ihn fanden, war er kaum noch am Leben", begann Marc zu berichten. "Er hatte offenbar einen ernsten Zusammenstoß mit einem oder mehreren Infizierten." Der Arzt trat etwas näher an Sheppards Bett heran und schlug die weiße Bettdecke ein Stück zurück. Johns Arm war von einem dicken Verband umhüllt und durch eine Nahkosenadel im Handrücken erhielt er Bluttransfusionen.
"Ein Infizierter hatte ihm ein Stück Fleisch aus dem Arm gebissen und dabei die Schlagader erwischt. Wie gesagt, es war sehr knapp als wir ihn endlich fanden. Er wäre um ein Haar verblutet."
Kummervoll betrachtete Radek die schlafende Gestalt des Colonels.
"Aber keine Sorge", fügte Marc hinzu, "wir haben ihn erst einmal ruhig gestellt und sein Zustand ist auch nicht mehr Lebensgefährlich. Es wird zwar eine tiefe Narbe von dieser schweren Verletzung zurückbleiben, aber glücklicherweise wird er sich nicht mehr an den Vorfall erinnern können. Durch die Beeinträchtigungen im Gehirn der Infizierten wurden ihre Erlebnisse nicht im Langzeitgedächtnis gespeichert."
Radek atmete erleichtert geräuschvoll aus. Auch Sheppard stand auf der sicheren Seite und das erleichterte ihn. Im Grunde war der Colonel zu beneiden. Wie gerne wäre Radek ins Bett gegangen und ohne Erinnerungen an das Erlebte wieder aufgewacht.
So froh er auch über die vielen guten Nachriten war, die Blicke seiner drei Begleiter gaben kaum Anlass zur größeren Optimismus. Schon auf der Daedalus hatte Evan nur zögerlich bis gar nicht auf die Fragen geantwortet, welche das Wohlergehen des Teams von Colonel Sheppard und Dr. Weir betroffen haben. Dann noch das Fehlen von Dr. Beckett, welches Radek zuerst auf die viele Arbeit schob, welche das Personal hier wohl gerade hatte. Doch außer Marc war kein weiterer Arzt im Raum. Nur vereinzelt waren Schwestern gekommen und wieder gegangen. Irgendetwas stimmte nicht und diese Befürchtung wurde von Minute zu Minute stärker.
"Wo sind die anderen?" fragte Radek, welcher seinen Blick immer noch auf Sheppard gerichtet hatte. Wieder spürte er Dr. Weirs Hand an seinem Arm, welcher ihn langsam vom Bett des Colonels fort zog. Im hinteren Bereich der Krankenstation waren einige Betten von langen, weißen Vorhängen umhüllt, welche bis auf den Boden reichten und jeden Blick auf die sich dahinter befindenden Personen verbarg. Radeks Magen schmerzte, als zogen sich seine Innereien zu einem Knoten zusammen. Jetzt stand ihm wohl der Teil bevor, den er schon befürchtet hatte. Zwischen zwei der verhangenden Betten saß Ronon in gekrümmter Haltung auf einem Stuhl. Als er die sich nähernden Personen bemerkte, blickte er auf. Seine Augen trafen die von Radek und dessen Unwohlsein verstärkte sich schlagartig. Ronon wirkte richtiggehend traurig. So niedergeschlagen hatte er den ehemaligen Runner noch nie erlebt. Ronon stand auf und humpelte beiseite. Sein rechtes Bein steckte in einem stabilen Gips und erschwerte ihm das Gehen. Der große Krieger überragte Radek um mehr als einen Kopf, so dass der Wissenschaftler zu ihm aufsehen musste, als er vor ihm stehen blieb. Mit dem einen Arm auf seine Krücke gestützt, zog er mit dem anderen Radek in eine flüchtige Umarmung. So schnell das Radek es gar nicht mit bekam, ließ er ihn auch schon wieder los, klopfte ihm auf die Schulter und sagte nur: "Danke." Dann ging er auf die Krücke gestützt aus dem Weg und gesellte sich zu Dr. Weir. Diese sah besorgt zu Ronon und dann zu Radek, der sich nun in die Mitte der beiden Betten begeben hatte und darauf wartete, dass Marc den ersten Vorhang beiseite schob.

Entsetzt sog er scharf die Luft ein. Er hatte zwar mit etwas Schlimmen gerechnet, aber damit irgendwie nicht. Im ersten Bett lag Carson Beckett. Sein Gesicht war so leichenblass, dass Radek ihn für tot gehalten hätte, hätte ihn der Monitor, an welchen der Arzt angeschlossen war, nicht etwas besseren belehrt. Marc schritt um ihn herum und zog den Vorhang des zweiten Bettes zurück. Wie befürchtet lag darin McKay. Sein Gesicht war ebenso fahl wie seine weiße Bettdecke, doch sein Gesicht war von blutigen Kratzern durchzogen. Verkrustete Blutreste kleben in seinem kurzen Haar und ähnlich wie bei Carson war eine ständige Versorgung mit einer milchig weißen Flüssigkeit über die Narkosenadel gewährleistet. Radek bekam von dem schrecklichen Anblick, der sich ihm bot, weiche Knie und ließ sich auf den Stuhl sinken, von welchem Ronon eben aufgestanden war. Keiner sagte etwas. Man ließ Radek Zeit den ersten Schock zu überwinden.
"Was ist mit ihnen?" fragte er schließlich und sah zu Marc auf, welcher immer noch schweigend neben den Betten stand.
"Einige Betroffene reagierten anders als erwartet auf das Gegenmittel", erklärte er dem Tschechen.
"Wollen Sie damit sagen, dass für diese Personen das Antivirus zu spät kam?"
Marc schüttelte verneinend den Kopf. "Nein, so ist es nicht. Das Virus, welches sich in ihrem Blutkreislauf befand, wurde von den Antikörpern genauso vernichtet wie es bei den anderen Patienten der Fall war. Doch…" Er unterbrach sich kurz. "Wir wissen nicht woran es lieg. Das Antivirus löste sich nicht wie erwartet in ihren Körpern auf und zerstört jetzt ihr Immunsystem. Leider konnten wir diesen Vorgang weder korrigieren noch verlangsamen. Ich befürchte, wenn uns nichts bald etwas einfällt…" Marc beendete seinen Satz nicht. Wie auf ein imaginäres Signal hin, begann ein Herzmonitor am anderen Ende des Raumes mit einem lauten, unregelmäßigen Piepen. Alle Augen richteten sich wie gebannt auf das immer noch mit Vorhängen zugezogene Bett, auf welches Marc und einige Schwestern zustürmten. Marc riss den Vorhang beiseite und Radek erkannte eine weitere Kollegin. Miko Kusanagi. Die zierliche Japanerin wirkte trotz ihrer dunklen Hautfarbe extrem blass und unnatürlich. Marc gab viele Befehle, welche sogleich ausgeführt wurden, doch das bedrohliche Piepen hörte nicht auf. Der Piepton verwandelte sich plötzlich ein gleichmäßiges Summen und Marc rief nach einem Defibrillator.
"Geladen!" bestätigte eine Schwester und Marc brüllte ein "Zurücktreten!" Mikos Körper zuckte kurz, doch der unangenehme Ton, welchen der Herzmonitor von sich gab, blieb.
"Noch mal!" rief Marc. "Wegtreten!" wieder zuckte Mikos Körper unter der elektrischen Entladung. "Keine Reaktion!" bestätigte eine Schwester die Befürchtungen aller im Raum. Noch einmal ließ Marc den Defibrillator auf höherer Frequenz laden und versuchte Mikos Herz damit wieder zum Schlagen zu animieren. Jedoch vergebens.
"Notieren Sie", wies er eine Schwester an. "Todeszeitpunkt 11:35 Uhr", meinte er mit belegter Stimme und stand mit hängenden Schultern vor Mikos Bett. Dann zog er die weiße Decke über ihren Kopf und vergrub sein Gesicht in einer verzweifelt hilflosen Geste in seinen Händen.
Radek hatte beim Betrachten dieser Szene unwillkürlich den Atem angehalten. Besorgt sah er zu Carson, dann wieder zu Rodney, welche Mikos Schicksal würden teilen müssen, wenn nicht bald etwas geschah.

Kapitel 11.
Ihr Zustand war nicht berauschend, aber dennoch stabil. Radek saß am Fußende der beiden Betten und seufzte tief. Ronon, welcher sich ebenfalls noch auf der Krankenstation befand, hinkte von einem kurzen Besuch bei der schlafenden Teyla und den ruhig gestellten John wieder zu seinem Stuhl zurück, welcher neben Carsons Bett stand. Erschöpft ließ er sich darauf nieder. Radek hatte bisher noch kaum Zeit mit dem schweigsamen, neusten Mitglied von Colonel Sheppards Team verbracht. Zumindest nicht unter vier Augen. Doch Ronon schien nicht an einem Gespräch interessiert zu sein. Als Radek ihn so aus den Augenwinkeln betrachtete, merkte er erst, wie müde und erschöpft der sonst so voller Energie strotzende Krieger wirkte. Kein Zweifel, er war ebenso mitgenommen wie alle anderen Patienten, auch wenn er als einer der Wenigen unter ihnen schon das Bett hatte verlassen dürfen. Offensichtlich hatte Ronon Zelenkas Blick bemerkt, denn er sah zu dem Tschechen hinüber. Dieser senkte schnell den Blick und mied ihn auch die nächste halbe Stunde.
Dann, ganz unerwartet, begann Ronon zu sprechen. "Ich hätte Sie fast infiziert. Das tut mir leid."
Radek war überrascht, dass Ronon anscheinend das Gespräch mit ihm suchte. "Sie…Sie erinnern sich daran?" hakte Radek nach und sah wieder hinüber zu Ronon. Dieser sah vom Boden auf, welchen er während des Sprechens betrachtet hatte, und suchte Radeks Blick.
"Nein, nicht direkt. Dr. Steffens hat es mal erwähnt", erklärte er. Radek konnte nur nickten, denn er wusste nicht, was er dazu sagen sollten. Ein >schon gut< oder >macht nichts< schien ihm fehl am Platze. Also meinte er nur: "Das waren nicht Sie."
Anscheinend reichte Ronon dieser Satz, denn er sagte nichts weiter dazu. Nach neuerlichen Minuten des Schweigens, begann Ronon erneut zu sprechen. "McKay wird Augen machen" meinte er und schenkte dem im ersten Moment verwirrt blickenden Radek zum allerersten Mal ein leichtes Lächeln. "Ich meine, hab gehört, er kommandierte Sie gerne herum", versuchte er zu erklären, als Radek ihn nur fragend anblickte. "Sie können ihm ja dann ihre Heldentaten unter die Nase reiben, wenn er mal wieder ganz er selbst ist", schlug Ronon vor. Doch Radek fand diesen Kommentar weitaus weniger witzig. Er schluckte einen Kloß in seinem Hals hinunter, welcher sich bei Ronons Erwähnung des Wortes >Held< dort gebildet hatte. Anscheinend hatten sie beide unterschiedliche Definitionen für diesen Begriff.
"Ich…ich denke nicht, dass ich ein Held bin", meinte er mit brüchiger Stimme. Er versuchte erneut zu schlucken, um seiner Stimme einen stabileren Klang zu verleihen.
Ronon musterte stumm den Wissenschafter, welcher seinem Blick auswich und zu Rodney hinüber sah.

Er hatte vor Stunden ein Gespräch mit angehört, in welchen sich Dr. Steffens Elisabeth gegenüber besorgt über Radeks Psyche geäußert hatten. Ein gewisser Dr. Jaro, Ronon sagte dieser Name nichts, schien der Ansicht zu sein, dass Dr. Zelenka körperlich nur wenige Blessuren und kleine Verletzungen hatte, aber psychisch einen schweren, vielleicht permanenten Schaden davontragen könnte. Der junge Major Lorne hatte dem zugestimmt und erwähnt, dass sich Radek Zelenka offensichtlich für Fehlschläge während ihrer Mission verantwortlich fühlte. Dr. Steffens hatte diese Theorie ebenfalls zu unterstützen gewusst. Radek hatte sich für die gescheiterte Mission im Torraum verantwortlich gefühlt und sicher hatte der damit verbundene Tod seines Freundes Dr. Alexej Colao dieses Gefühl der Schuld noch verschlimmert. Auch die Tatsache, dass sich das Virus über die komplette Stadt hatte ausbreiten können, schrieb er seinem eigenen Versagen zu. Elisabeth hatte sich abschließend dennoch optimistisch gezeigt, das Radek mit reichlich Zeit, viel Geduld und Dr. Heightmeyers Hilfe bestimmt bald wieder der Alte sein würde. Ronon verstand nicht recht warum Radek so reagierte. In seinen Augen hatte der Tscheche genau das getan, was man von einem Anführer erwarten würde. Aber vielleicht lag genau darin auch das Problem. Bis zu diesem Moment war der Wissenschaftler wohl ähnlich wie McKay nie in eine Lage gekommen, in der man ihm soviel Verantwortung übergeben hatte. Gut, es waren Leute gestorben, aber hatten nicht viel mehr überlebt? War das wirklich eine Tatsache, die man sich vorwerfen konnte? Ronon sah nachdenklich auf den wieder ruhig gewordenen Wissenschaftler, welcher noch immer seinen Blick mied. Ronon war noch nie gut im Umgang mit Worten gewesen. Er hätte den anderen Mann wirklich gerne Trost gespendet, doch gerade jetzt viel ihm so gar nichts ein. Seine Grübelei wurde von Major Lorne unterbrochen, welcher mit schnellen Schritten die Krankenstation betrat.
"Und?" fragte er sogleich mit besorgtem Blick auf Carson und Rodney, "Hat sich ihr Zustand verändert?"
Da Radek keine Anstallten machte, auf diese Frage zu antworten, gab Ronon ein bedauerndes "nein" zurück.
Stumm nickte der Major auf diese Antwort und betrachtete wieder die beiden reglosen Herren. Dann sah er hinab zu Radek, welcher geknickt und niedergeschlagen auf seinem Stuhl kauerte.
"Der Doc hat gesagt, Sie sollen sich ausruhen", erinnerte er den Tschechen. Dieser sah kurz zu ihm auf, wandte sich dann aber wieder den Betten zu, während er patzig antworte: "Ich ruh mich doch aus, oder sehen Sie mich durch die Gegend springen?"
Evan verzog das Gesicht zu einem frustrierten Lächeln. "Gehen Sie in Ihr Quartier und schlafen Sie ne Runde."
"Nein!" kam es sogleich von Radek, dem der Gedanke die Krankenstation verlassen zu müssen, gar nicht behagte. "Nein, ich kann hier nicht weg!"
Evan seufzte gespielt laut. "Das Thema hatten wir doch schon! Dr. Weir hat es Ihnen doch bereits bestätigt. Sie haben absolut richtig gehandelt! Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass diese Schuldgefühle völlig unbegründet sind."
"Nein", rief Radek fast hysterisch und sprang von seinem Stuhl auf, um Evan direkt in die Augen sehen zu können. "Es ist meine Schuld, dass so viele gestorben sind, denn ich habe die ersten Infizierten aus dem Torraum gelassen! Es ist meine Schuld, dass uns die Wraith schnappen konnte, weil…weil ich nicht rechtzeitig reagiert und geschossen hab. Von mir stammte der Plan, unser Glück auf Rebil zu versuchen, um das Gegenmittel zu besorgen…ich…es…"
Unendliche Trauer zeigte sich in Radeks Gesichtszügen, als er nach Worte ringend den Kopf schüttelte und den Satz unbeendet ließ.
"Ich gebe dem Major Recht", kam es von Ronon, der die ganze Szene bisher schweigend beobachtet hatte. "Sie haben richtig gehandelt."

Das doch etwas lautere Gespräch trieb Marc Steffens neugierig aus seinem Büro. "Was ist hier los? Das hier ist ein Krankenhaus, meine Herren!" mahnte er. "Wenn Sie sich unbedingt streiten müssen, dann würde ich Sie bitten, dies vor der Tür zu tun!"
Evan setzte eine entschuldigende Miene auf und deutete mit einer >er war's< Geste auf Radek. "Der hat sie nicht mehr alle" meinte er, in dem verzweifelten Versuch die angespannte Stimmung mit seinem kleinen Scherz etwas zu heben. Ein böser Blick von Steffens war alles, was sein >Witz< ihm einbrachte und er murmelte leise ein "`tschuldigung".
Er hatte nie ein besonderes Händchen im Umgang mit Zivilisten, welche oft grundlos in sei Einsatzteams gesteckt worden waren, gehabt. Radek war jedoch stets anders gewesen. Anders als die Zivilisten, mit denen er es sonst zu tun bekam und anders als er es sich von einem Wissenschaftler vorgestellt oder erwartet hätte. Evan musste sich eingestehen, dass er in manchen Situationen völlig vergessen hatte, dass Radek überhaupt kein Soldat war. In seinen Augen war der Wissenschaftler so souverän mit all den Gefahren umgegangen, dass Evan ihn nicht mehr als Zivilisten gesehen und auch nicht dementsprechend behandelt hatte. Im Nachhinein tat es ihm leid. Wenn er Zelenka jetzt so betrachtete, niedergeschlagen wie er war, überkamen ihn mehr Schuldgefühle als der Tscheche in seinen Augen jemals hätte haben können. Radek hatte so stark gewirkt. Jetzt sah der Wissenschaftler jedoch so verletzlich aus, wie man es von einem Mann, dessen Job hinter einem Schreibtisch und vor Computern stattfand, erwartete. Diese Situation erschien ihm fast schizophren. Als hätte er zwei Gesichter dieses außergewöhnlichen Mannes kennengelernt.
"Sie hätten doch gar nicht anders handeln können", versicherte jetzt auch Marc dem niedergeschlagenen Wissenschaftler. "Sie haben ein Schiff davon abgehalten Atlantis zu zerstören und…"
"Und wenn schon!" schrie Radek ungeachtet der vorherigen Bitte um Ruhe. "Nur weil das geklappt hat, macht das in Ihren Augen etwa all die anderen Fehler ungeschehen!" fragte Radek.

Evan hörte sich diese in seinen Augen völlig sinnlose Debatte noch ein wenig an, bevor er energisch einschritt. Er verpasste Radek unter den entsetzten Augen von Steffens eine saftige Ohrfeige.
"Reißen Sie sich gefälligst zusammen!" schnauzte er den Tschechen an. "Ich hab immer gedacht, Sie wären nicht der Typ Mensch, welcher gern in Selbstmitleid badet! Fakt ist, hätten Sie nicht so gehandelt, wie sie es nun mal getan haben, wären wir alle tot. Das ist eine Tatsache! Akzeptieren Sie's und hören Sie mit der Flennerei auf!"
Angespannte Stille folgte diesen Worten. Dr. Steffens war offensichtlich von der Situation dermaßen überrascht, dass ihm nichts einfiel, was er hätte sagen können. Ronon, welcher immer noch schwieg, gab dem jungen Soldaten mit dem, was er sagte, Recht und so erfreute es ihn zu sehen, dass die harten Worte ihre Wirkung offensichtlich nicht verfehlten. Radek rieb sich zwar mit der Hand über die schmerzend gerötete Wange, doch sein Blick schien wieder klar und weitaus weniger verzweifelt als noch vor wenigen Minuten.
"Wollen Sie damit etwa behaupten, Sie hätten in jeder Situation genauso gehandelt?" fragte Radek nach, dessen Stimme jetzt nicht mehr traurig, sondern wütend klang.
"Ich?" fragte Lorne mit gespielter Überraschung. "Nein, wäre ich an ihrer Stelle gewesen, ich hätte nicht so gehandelt", meinte Lorne ernst. Radek ließ seufzend seinen Kopf wieder sinken. Er hatte es doch gewusst, er…
"Ich wäre nicht annähernd so weit gekommen wie Sie", erklang leise aber dennoch deutlich hörbar Evans Stimme. Radek blickte verdutzt auf und sah dem Soldaten fest in die Augen.
"Sie versuchen doch nur mich aufzumuntern", gab er patzig zurück.
Evan lachte freudlos. "Glauben Sie das wirklich? Ich meine, ich wäre ohne Sie nicht einmal aus meinem Quartier bekommen! Selbst wenn ich es irgendwie geschafft hätte, wie weit wäre ich denn alleine gekommen? Ich hätte die 48 Stunden schon dafür gebraucht, genügend Personal aus ihren Quartieren zu befreien, um überhaupt den Wraith-fang-Plan in die Tat umzusetzen. Außerdem wurden mein Team und ich ebenfalls von den Wraith gefangengenommen, vergessen Sie das nicht! Nur von Ihnen stammt der Plan zur Vernichtung des Wraithschiffes, welches ja, wie wir wissen, Proben des Virus hatte. Glauben Sie einem von meinen Leuten wären die Berechnungen möglich gewesen, welche das Schiff zerstörten? Nein, Dr. Zelenka. Die Antwort auf all diese Fragen ist nein. Nein, ich hätte das nie alleine hinbekommen." Sein durchdringender Blick hatte während seiner Ansprache stets den von Radek gesucht. "Glauben Sie mir etwa immer noch nicht?" hakte der Soldat nach, als Radek den Blick wieder zu Boden richtete.
"Radek, der Major hat Recht", kam es von Marc. "Sie waren die ganze Zeit über unser Optimist. Sie haben nie aufgegeben und uns andere stets mitgerissen, wenn wir dem Verzweifeln nah waren."
"Ja" stimmte jetzt auch Ronon ein, welcher dem Wissenschaftler unbedingt mit einem positiven Kommentar helfen wollte. "Wären Sie nicht gewesen, hätte uns das Schiff dieses…wie hieß der Typ noch gleich?"
"Kemal" half ihm Evan auf die Sprünge.
Nickend begann Ronon noch einmal. "Also wären Sie nicht gewesen, hätte uns Kemals Schiff alle getötet. Aber wir leben noch!"
Jetzt fehlten Radek die Worte. Er wusste nichts zu sagen, stand nur wortlos mit gesengtem Kopf da und hoffte, dass die anderen seine Tränen jetzt nicht sahen. Sie standen alle hinter ihm! Bereit ihm die Last von den Schultern zu nehmen, von welcher er geglaubt hatte, dass das Schicksal sie allein auf seinen Schultern abgelegt hatte. Doch er hatte sich geirrt. Er war nicht allein! Genau genommen war er nie allein gewesen. Er hatte Freunde und die würden für ihn da sein, wann immer er sie an seiner Seite brauchen würde. Von einer unendlichen Erleichterung übermannt, zog er Evan in eine Umarmung welche alle Anwesenden zuversichtlich stimmte. Radek würde wieder der Alte werden, davon waren sie jetzt alle überzeugt. Sie würden es schaffen, gemeinsam.

Kapitel 12.
Die Nacht senkte sich über Atlantis und tauchte die Stadt mit ihren vielen Lichtern in eine kühle Abendbriese. Eine junge Frau ging zielstrebig durch die beleuchteten Gänge. Ihr Haar, welches sie zu einem ordentlichen Pferdeschwanz gebunden hatte, wippte im Takt ihrer Schritte. Zuversicht zeigte sich auf ihrem hübschen, rundlichen Gesicht, als sie die Krankenstation erreichte.
Major Lorne, welchen sie vor einer Stunde in der Kantine begegnet war, hatte auf die Frage nach den neusten Nachrichten aus der Krankenstation mit einem besorgten "Carson und Rodney geht es noch nicht besser und Radek sollte dringend ein wenig schlafen" geantwortet. Und wenn sie sich nicht sehr irrte, dann würde sie zumindest einem Problem Abhilfe verschaffen können. Cady fand Radek wie erwartet auf einem Stuhl zwischen den beiden Betten vor. Sie blieb stehen und betrachtete ihn einen Augenblick lang. Wie sollte sie vorgehen? Sollte sie mit der sprichwörtlichen Tür ins Haus fallen, oder langsam und vorsichtig…
Ach was soll's?
Sie trat die letzten Schritte auf den ruhig sitzenden Mann zu und umschlang ihn von hinten mit ihren Armen. Überrascht zuckte Radek kurz zusammen und staunend sah er Cady an. Diese lächelte lieb und legte ihren Kopf auf seine rechte Schulter. Sie verharrte in dieser Position und wartete ab, ob von Radek irgendeine negative Reaktion kam. Doch sie blieb erfreulicherweise aus. Was noch besser war, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, genoss er die Situation sogar. Cady strahlte. Sie hatte sich in ihren Gefühlen wohl doch nicht geirrt. Nein, diese Umarmung tat gut und fühlte sich richtig an.
Radeks Gedankengänge kamen ebenfalls zu diesem Urteil. Das hier war richtig! Auch wenn es ihn überraschte.
Er hatte Cady oft beobachtet, wenn sie ihm über den Weg gelaufen war. Vor dieser Mission hatte er nie wirklich Kontakt zu ihr finden können, obwohl er sie wirklich attraktiv fand. Sie war als Militärangehörige immer unerreichbar für ihn gewesen. Ihn, einen Wissenschaftler. Nie hätte er geglaubt, bei ihr eine Chance zu haben und doch…jetzt war sie hier und ihr Kopf ruhte auf seiner Schulter.
Ihr Kopf bewegte sich leicht und mit einer Stimme, die ihm sämtliche Nackenhaare zu Berge stehen ließ, flüsterte sie ihm ins Ohr: "Ich hab gehört, hier ist ein ungezogener Wissenschaftler, der nicht ins Bett möchte." Ihr warmer Atem streifte sein Gesicht und seinen Hals und schlagartig wurde es verdächtig heiß in diesem Raum. Sein ganzer Körper war von einem angenehmen Prickeln durchzogen, als er seinen Kopf in ihre Richtung drehte, fieberhaft überlegend, was er auf diese scherzhafte Bemerkung antworten könnte. Nicht, dass es ihm an Schlagfertigkeit gefehlt hätte. Nein, schlagfertig wurde man automatisch, wenn man lernen musste mit Rodney McKay zusammen zu arbeiten. Was sein Geschick mit Frauen anging, war er schon eher ein wenig eingerostet. Andererseits hatte er auch noch nie eine Frau wie Cady Goodman kennengelernt. Sie war anderes, aber im positiven Sinne. Sie war vielleicht nicht so klug wie er, dafür wohl um einiges stärker, was genügend ausgleichende Gerechtigkeit darstellte. Ja, vielleicht war Cady der Mensch, auf den er sein Leben lang gewartet hatte. Zumindest gab es nur eine Möglichkeit das herauszufinden.
"Ach, und Sie glauben, Ihnen würde dieser ungezogene Wissenschaftler ins Bett folgen?" Ein spöttisches Grinsen lag auf seinen Lippen. Cady löste sich von ihm und sah tief in seine Augen, "nun, zumindest würde er etwas verpassen, wenn er es nicht täte", versprach sie mit einem süffisanten Grinsen.
Radek war kurzfristig mehr als gewillt, auf diesen Vorschlag einzugehen. Aber als sein Blick zurück auf seine beiden fast leblosen Freunde viel, verschwand das Lächeln von seinem Gesicht. Er konnte nicht weg! Was, wenn etwas passieren würde? Wenn sich ihr Zustand verschlechterte? Würde er es sich jemals verzeihen, wenn sie starben und er in ihren letzten Minuten nicht anwesend wäre? Die Antwort auf diese Fragen war ganz klar, nein!
Cady bemerkte seinen inneren Kampf und verstand seine Gefühle nur zu gut. Doch auch sein Gesundheitszustand war weit von einem optimal entfernt. Schlaf würde ihm sicher gut tun. Die Angst davor, dass die Betten von Carson und oder Rodney morgen nicht mehr belegt wären und er durch seine Abwesenheit der letzten Chance sich zu verabschieden beraubt wäre, konnte sie dennoch nachvollziehen.
"Ich…" begann Radek mit einem Versuch, Cady seine Gefühle verständlich zu machen.
"Du hast Angst, dass sie morgen nicht mehr hier sind", nahm ihm Cady die Erklärung ab. Kummervoll nickte Radek und griff nach ihrer Hand. Wieder trafen sich ihre Blicke. "Nicht, dass ich dein Angebot nicht zu schätzen wüsste", begann er "aber…"
"Kein aber" unterbrach sie ihn im Befehlston. "Der Doc sagt, du gehörst ins Bett. Wenigstens für ein paar Stunden" fügte sie hinzu, als Radek schon dabei war zu widersprechen. Schweigen legte sich über das Paar. Sollte er es riskieren? Oder wäre diese Entscheidung der größte Fehler seines Lebens? Er ließ Cadys Hand los und stand auf. Trat immer noch schweigend an das Bett von Rodney heran, blickte dann auf Carsons Monitor. Ihre Lebensfunktionen waren die letzten Stunden stabil geblieben. War da die Möglichkeit nicht groß, dass es für die nächsten Stunden auch so blieb? Dann sah er besorgt zu dem leeren Bett, auf dem noch vor wenigen Stunden Miko gelegen hatte. Ihr Zustand war so plötzlich schlechter geworden, obwohl vorher nichts darauf hingedeutet hatte. Gut, ihr Zustand war kritisch und eine genaue Einschätzung war deshalb nicht möglich.
Unbemerkt hatte Marc sich zu ihnen gesellt und die Beiden erschraken, als er leise zu sprechen begann: "Ich lasse Sie rufen, falls sich irgendetwas ändert", versprach er.
Radek fuhr herum. Der Arzt wirkte müde und ziemlich erschöpft. Offenbar war er ebenso wenig bereit, die Krankenstation zu verlassen. "Wir tun unser Möglichstes. Im Moment sind beide stabil. Ein paar Stunden Schlaf würden Ihnen nicht schaden", meinte Marc an Radek gerichtet.
Wieder sah Radek hinab zu seinen schlafenden Freunden.
Nur ein paar Stunden, versprach er in Gedanken. Ich bleibe nur ein paar Stunden.

"Zu dir oder zu mir?" fragte Cady, als sie die Krankenstation verließen. Im ersten Moment war Radek sprachlos. Wenn er vorher noch letzte Zweifel an Cadys Gefühlen gehegt hatte, so hatten sie sich jetzt endgültig zerstreut. Dennoch starrte er sie mit leicht geöffnetem Mund und großen Augen an, als hätte sie etwas Falsches gesagt. Ohne näher auf Radeks Verhalten einzugehen, griff sie nach seiner Hand und zog ihn mit den Worten: "Zu dir" durch die Gänge.

"Warum ich?" fragte Radek als sie sich nach einem langen ersten Kuss voneinander trennten.
Zum Glück hatte er sein Quartier ordentlich hinterlassen, denn das sonstige Chaos, welches bei ihm eigentlich herrschte, wäre peinlich gewesen. Er hatte zwar nicht erwartet, in nächster Zeit einmal eine Frau hierher mitzubringen, aber gelegentliches Aufräumen war nie verkehrt. Das Licht im Raum war gedämpft, gerade hell genug, um etwas zu sehen und die Stimmung nicht zu ruinieren. Doch seine Frage schien dem zauberhaften Augenblick nicht gerade dienlich zu sein. Offensichtlich war Cady nicht auf eine derartige Frage vorbereitet gewesen, denn sie löste die Umarmung auf und sah Radek fast ein wenig verärgert an. Musste es denn für jede Situation ein Warum geben? Reichte es denn nicht, dass ihre Gefühle für den Wissenschaftler da waren? War da ein Warum denn wirklich noch nötig? Mal abgesehen davon, dass sie diese Frage nicht beantworten konnte, weil sie die Antwort nicht kannte. Sie hatte Radek auf Atlantis das erste Mal in der Kantine getroffen und ihn auf Anhieb sympathisch gefunden. Seine ganze Art und sein niedlicher Dialekt…sie hatte ihn einfach gleich gern gehabt. Je mehr sie über ihn herausgefunden und ihn kennengelernt hatte, desto mehr wurden aus dem bloßen Interesse an ihm richtige Gefühle. Nach dieser gemeinsamen Mission, welche jetzt hinter ihnen lag, war sie sich sicher gewesen. Sie liebte diesen Mann und sie wollte ihn für sich. Aber warum, das konnte sie nicht erklären. Wie hätte sie diese vielen Kleinigkeiten auch zusammenfassen sollen. Sie holte einmal tief Luft und meinte dann: "Weil der Held am Ende immer das Mädchen bekommt."
Radek brauchte eine Weile, um diesen Kommentar zu verarbeiten. Dann begann er zu lachen und Cady stimmte sogleich mit ein. Es freute sie zu sehen, dass er schon wieder so befreit lachen konnte. Dr. Steffens hatte ihr zwar bereits mitgeteilt, dass Radeks Genesung durchaus im Bereich des Möglichen war, da er sich nicht verschloss und jegliche Hilfe ablehnte. Es würde zwar dauern, bis er alles verarbeitet hatte, aber er würde es überwinden und sie wäre bei ihm und würde ihm helfen.

Kapitel 13.
Von neuer Energie durchflutet, welche nicht nur an den Stunden Schlaf lagen, welche Radek gerade hinter sich hatte, sondern auch an der wundervollen Frau neben der er heute aufgewacht war. Zu seiner Freude hatte ein erster Funkruf auf die Krankenstation ergeben, dass alles noch beim Alten war. Keine Verbesserungen aber wenigstens war auch nichts schlechter geworden. Radeks gute Laune schwand jedoch jäh, als er Dr. Barned auf dem Gang zur Krankenstation antraf. Seine Gefühle dem Arzt gegenüber hatten sich bis heute nicht geändert. Noch immer sah er es als die Schuld des Rebil-Arztes an, dass es überhaupt zu dieser Katastrophe hatte kommen können.
"Guten Morgen, Dr. Zelenka", grüßte Dimitri. Sine Stimme wirkte gleichgültig und in seinen Augen lag immer noch diese Leere. Fast wie in den Augen der Zombies. Radek schauderte bei diesem Gedanken.
"Was wollen Sie?" fragte Radek unhöflich. Sein Gegenüber konnte ruhig bemerken, dass er ihn nicht leiden konnte. Dimitri wirkte, als hätte er nichts anderes als Unhöflichkeit von Radek erwartet. Oder er ignorierte sie einfach nur gekonnt.
"Ich habe gehört, dass die Versuche zur Behebung der Seuche auf den anderen Welten gut voranschreitet", erklärte er. Radek gab nur ein Grunzen zur Bestätigung von sich.
Cady hatte ihm erzählt, dass Elisabeth mit den Informationen von Yanic bereits begonnen hatte, die verseuchten Planeten zu retten. Wie es ursprünglich ihr Plan war, brachten sie mit Raketen eine große Dosis Gegenmittel in die richtige Position, um sie mit ihrer Detonation über ganze Dörfer oder Städte zu verteilen. Wann immer die Krankheit auf einem Planeten besiegt war, wurde von Dr. Weir Hilfe für den Wiederaufbau angeboten, die auf den meisten Planeten dankend angenommen worden war. Die meisten Ärzte der Stadt waren deshalb auch außerweltlich unterwegs.
Die Atagra, welche unter neuer Führung von Yanic ebenso wenig Interesse daran hatten, sich an Hilfsmissionen zu beteiligen, wie sie es unter Kemals Führung gewesen waren, waren in den Untergrund ihrer Heimat zurückgekehrt. Sie hatten keinerlei Anstalten gemacht, die neugewonnene Freundschaft ihrer beiden Kulturen zu vertiefen und hatten sich beharrlich geweigert, die Adresse ihres Planeten öffentlich bekannt zu geben. Elisabeth hatte es aufgegeben und sie ziehen lassen.
Radek, der sich wieder auf den Weg zur Krankenstation machte, registrierte resigniert, dass Dr. Barned ihm folgte.
"Was wollen Sie noch?" fragte Radek, blieb stehen und drehte sich zu dem anderen Mann um.
"Ich hab das Gefühl, mich bei Ihnen entschuldigen zu müssen", gestand er.
Radek schnaubte. "Sie glauben doch nicht wirklich, dass ich diese Entschuldigung annehme?!" schrie er. "Schließlich ist alles Ihre Schuld!"
Dimitri wirkte zum ersten Mal ein wenig geknickt. "Nicht, dass ich dies abstreiten möchte, Dr. Zelenka" begann er. "Ich weiß, dass es für die Geschehnisse keine Entschuldigung gibt. Es war auch keine Entschuldigung in so großem Stiel. Ich wollte damit nur sagen, dass mir das Schicksal ihrer Freunde und Kollegen leidtut. Mehr nicht."
Radek sah den Mann minutenlang an. Wie konnte man nach dem Tod so vieler Personen nur so ruhig bleiben? War seine Gefangenschaft bei den Wraith oder das Sterben seiner Welt dafür verantwortlich, dass der Typ jetzt ein Rad ab hatte? Radek wusste es nicht. Vielleicht, so dachte er sich, waren auch die Schuldgefühle derart überwältigend und hatten ihn den Verstand verlieren lassen. Noch gestern hatte er mit ähnlich schweren Reuegefühlen gekämpft und daher konnte er verstehen, dass es einen auf Dauer um den Verstand brachte.
"Es tut Ihnen leid?" wiederholte Radek. Noch nie hatten diese Worte unpassender geklungen, als in diesem Moment. Gut, die Bevölkerung auf Rebil hatte Radek auch leidgetan. Wahrscheinlich hatten sie alle nicht den Hauch einer Ahnung gehabt.
Genauso wie die vielen infizierten Planeten, die nicht mehr gerettet werden konnten. Bisher waren ganze 7 Welten auf ihrer roten Liste. Planeten, deren Tore man unbrauchbar machte, bevor man die Welt verließ. Man wollte unbedingt verhindern, dass die Seuche einen zerstörten Planeten nicht doch noch einmal verlassen konnte. Wie viele Planeten sich der roten Liste wohl noch anschlossen? Wie viele Unschuldige?
Nein, egal was Dr. Barned auch sagte, es würde nichts an der Abneigung ändern, die Radek für ihn empfand.
"Wir wollten nie etwas Böses", fügte Dimitri hinzu, als ob er Radeks Gedanken gehört hätte.
Nein, natürlich hatten sie keine derartige Massenvernichtungswaffe geplant. Es war ein Unfall, aber auch sträflicher Leichtsinn gewesen, überhaupt mit etwas zu experimentieren, für das das vorhandene Wissen zu gering war. Dennoch viel ihm bei diesem Vergleich sofort Atlantis ein. Auch sie spielten hier mit Technologie herum, für deren Verständnis ihnen noch Jahre der Forschung fehlten und auch sie machten Fehler. Auch fatale Fehler, musste er sich eingestehen. Aber bisher hatten diese Fehlschläge nur sie selbst und Atlantis betroffen und nie derartige galaktische Auswirkungen gezeigt. Doch war das vielleicht auch nur Glück gewesen? Was somit unumstößlich zu dem Argument führte, dass Dr. Barneds Fehler nur Pech war. Pech, dass die Katastrophe ihre Welt hatte verlassen können. Aber wenn er soweit ging, hieß das im Umkehrschluss, dass er Dimitri Barned nicht mehr Schuld zuschieben könnte, als er sie auf sich nahm, wenn er eine für ihn unbekannte Technologie untersuchte. Die Richtung dieser Gedanken hätten verwirrender nicht sein können. In seinem Hass auf die Rebil und ihr Virus hatte er sich nie die Zeit genommen, gründlich darüber nachzudenken. Selbst wenn seine Überlegungen jetzt dazu tendierten, dass Dimitri nicht wirklich die Schuld an allem gegeben werden konnte, er würde es wohl nicht über sich bringen diesem Mann zu verzeihen. Auch auf die Gefahr hin, das er ihm damit wirklich Unrecht tat.
"Ich hab mir überlegt", begann Dimitri und zog Radek aus dem Sumpf seiner eigenen Gedanken.
"Ich werde das Schicksal meines Volkes teilen." Dimitri sprach nicht weiter. Radek schien aber dennoch zu verstehen. "Bedauerlicherweise bin ich nicht in der Lage zu vergessen, wie Ihre geheilten Freunde. Auch ich sehe in mir einen Mitschuldigen dieser Apokalypse. Ich lebe ein Leben, welches ich in meinen eigenen Augen nicht verdiene. Daher habe ich beschlossen, nach Rebil zurückzukehren."
Erst war Radek sprachlos. Der Mann musste wirklich den Verstand verloren haben, um so ein Ende für sich zu wählen. Er selbst erinnerte sich noch allzu gut an die Begegnung mit den Zombies und seinen beinahen Tod. Niemand hatte solch ein Ende verdient. Nicht einmal…
"Sie Feigling!" brüllte er Dimitri an, der zum ersten Mal seit Radek ihn kannte, eine richtige Gefühlsregung zeigte. Unverständnis blitze in seinen sonst so ausdruckslosen Augen. "Ich verstehe nicht?" fragte er.
Radek schnaubte übertrieben laut. "Sie können nicht vergessen, also wollen Sie weglaufen! Sie sind ein elender Feigling! Mit Ihrem Selbstmord fliehen Sie doch nur vor der Verantwortung für Ihre Taten! Stimmt's?" hakte Radek mit überheblicher Stimme nach. "Ist es nicht das, was Sie damit bezwecken? Hä? Flucht vor Ihren Taten? Hä?" fragte er. Dimitri musterte ihn mit einen ungewöhnlichen Glänzen in den Augen. "Von dieser Seite habe ich das noch nie betrachtet", gestand er. Radek wurde wieder ruhiger. Es war im Nachhinein wohl auch nicht gerecht einem Selbstmordkandidaten solche Dinge an den Kopf zu werfen. Jedoch schienen diese Worte etwas in Dimitri ausgelöst zu haben, denn nachdenklich schweifte sein Blick vorbei an Radek ins Leere.
"Ich wollte damit nur sagen…" versuchte Radek zu erklären, aber Dimitri gebot ihm mit erhobener Hand, still zu sein. "Sie haben Recht!" sagte er stattdessen und wieder erlebte Radek eine Premiere, denn noch nie hatte Dimitri so eine Überzeugung in der Stimme gehabt. "Ich werde nicht davonlaufen, ich werde mich stellen!" schlug er mit überraschend unerwarteter Fröhlichkeit vor.
"Ich werde das Gegenmittel zusammen mit meiner medizinischen Hilfe zu jedem bringen, der danach ruft." Seine überschwängliche Freude war jetzt nicht mehr zu übersehen. Er griff nach Radeks Hand und schüttelte diese eifrig. "Ich danke Ihnen" sagte er glücklich. "Obwohl Sie mich hassen, haben Sie meinem Leben gerade wieder einen Sinn geschenkt."
Dies war Radek in dem Moment, als er die Worte an Dimitri gerichtet hatte, eigentlich nicht durch den Kopf gegangen. Er hatte den anderen Mann beschimpfen, ihn beleidigen wollen, aber ihm damit helfen, das war unbeabsichtigt geschehen. Jetzt da er aber die Freude im Gesicht seines Gegenübers sah, welcher halblaut darüber spekulierte, wie er sich wohl am besten nützlich machen könnte um zu helfen, da viel ihm ungewollt die Szene in der Krankenstation ein und auch Cady tauchte in seinem Geist auf. Ja, er hatte hier in Atlantis Freunde und sogar eine Frau, die hinter ihm standen. Die es erst gestern geschafft hatten, ihn mit einem ähnlichen Glücksgefühl aus den trüben Gedanken zu helfen. Nach alldem, was geschehen war, hatten sie ihm ein Leben zurückgegeben, welches er verloren geglaubt hatte.
Dieser Moment war so eigenartig, das Radek dazu nichts mehr einfiel und er nur stumm den Arzt ihm gegenüber musterte. Erst als Dimitri ihm noch einmal die Hand reichte, dieses Mal mit den Worten: "Leben Sie wohl. Ich wünsche Ihnen und Ihren Freunden von ganzem Herzen das beste. Wir werden uns wohl nicht wiedersehen, daher spreche ich Ihnen noch einmal meinen Dank aus." Dann drehte er sich um und verschwand in den Gängen. Bevor Radek begriff, was Dimitri ihm eben gesagt hatte, war der Arzt schon außer Sicht.
Kopfschüttelnd versuchte Radek das eben Erlebte richtig einzuordnen und zu überdenken, während er weiter zur Krankenstation ging.

Kapitel 14.
"Gibt es etwas Neues?" Hoffnungsvoll blickte Radek über Marcs Schulter auf dessen Laptop. Nicht, dass er viel von dem verstand, was der Bildschirm ihm zeigte, aber er war neugierig. Marc hatte seine Frage nicht einmal gehört, denn seine Gedanken waren ganz bei seiner Tätigkeit. Ungeduldig wiederholte der Tscheche seine Frage erneut, doch wieder reagierte Marc nicht. Er ließ nur ein genervtes "schhh" vernehmen, damit Radek endlich still war und er sich konzentrieren konnte. Einer der Rebil-Ärzte hatte ihn auf eine interessante Theorie gebracht, welcher er sogleich nachgegangen war. Jetzt forschte er schon seit den frühen Morgenstunden.
Auch er hatte für mehrere Stunden geschlafen, wenn gleich ungewollt. Irgendwann hatte ihn der Schlaf einfach übermannt. Schließlich hatte er in den letzten Tagen nicht besonders viel davon gehabt. Erst der Seuchenausbruch, dann die Suche nach dem Gegenmittel, die Behebung der Seuche, was durch das Lüftungssystem der Stadt zwar problemlos geklappt hatte, aber dann war da die ständig wachsende Zahl Verletzter gewesen, welche seine volle Aufmerksamkeit gefordert hatten. Zwischendurch hatte er sich für Stunden aufs Ohr gehauen, war aber ständig wieder gerufen worden. So hatte ihn letzte Nacht die Anstrengungen und die Müdigkeit der letzten Tage eingeholt und er war auf seiner Tatstatur vor einigen Berichten eingeschlafen. Mit einem lustigen Muster im Gesicht war er aus der unbequemen Position erwacht, als ein Rebil nach ihm verlangte.
Seit diesem Zeitpunkt saß er nun an dieser fixen Idee, welche ihm keine Ruhe mehr ließ. Mit einem Ohr hatte er Radek zugehört, als dieser von seinem Zusammentreffen mit Dr. Barned auf dem Gang berichtete. Auf seinem Computer liefen die Ergebnisse seiner ersten Tests durch und je näher er dem Endergebnis kam, desto aufgeregter wurde er. Hibbelig wackelte er auf seinem Stuhl hin und her und Radeks Blicke über die Schulter und die immer wieder gestellte Frage nach seinen Neuigkeiten machten ihn nur noch nervöser. Wenn er hiermit richtig lag, waren sie einer Hilfe für Carson, Rodney und all den anderen nicht mehr weit entfernt. Mit einem leisen Ton meldete sich der Computer und all die Anspannung dieses Momentes ließen Marcs Hände zittern. Mit ungeschickten Fingern tippte er auf die Tastatur und überflog die sogleich erscheinenden Ergebnisse. Mit jeder Zeile, die er las, wurde sein Gesicht erhellt. Radek deutete dies als gutes Zeichen. Als Marc sich dann lächelnd zu ihm wandte, wusste er, dass er mit seiner guten Vermutung recht gehabt hatte.
"Ich hab's!" bestätigte ihm Marc. Radek konnte sich einen "hoffentlich nichts Ansteckendes" Kommentar auf diese Worte nicht verkneifen, denn auch er war glücklich über diese unerwartete Fügung des Schicksals. Vielleicht sollte er doch versuchen, Dimitri vor seiner endgültigen Abreise zu finden, um ihm für seine Hilfe zu danken. Jetzt stand ihm nämlich gerade der Sinn danach.
"Wir haben eine Lösung?" fragte Radek noch einmal nach, als er Marcs spöttischen Blick im Bezug auf seine Bemerkung erkannte.
"Wir sind dicht dran!" versprach der Arzt. "Ich habe wahrscheinlich ein Serum gefunden, welches unsere Freunde zu uns zurück bringt. Nur die genaue Dosierung muss noch ermittelt werden."
Radek und Marc strahlten einander an. Sie hatten es fast geschafft, nur noch…

Ein schnelles Piepen zerstörte die Stimmung des Augenblicks. Alle Augen wandten sich auf den Monitor neben Rodneys Bett. Seine Herzfrequenz stieg rapide und würde unmittelbar zu den gleichen Schwierigkeiten führen, welche Miko das Leben gekostet hatten. Marc sprang auf und auch alle anderen Ärzte und Schwestern in Hörweite kamen gelaufen. Radek rutschte sein Herz in die Hose. Wie konnte das sein? Gerade jetzt! Sie standen so dicht vor einer Lösung, Rodney durfte jetzt nicht sterben!
"Oh bitte, halt durch!" flehte Radek, die Hände zum Gebet gefaltet.
Das schnelle Piepen wurde zu einem langen, gleichmäßigen Ton und Radek hielt die Luft an. Nein, das konnte, das durfte nicht passieren! Marc verlangte nach dem Defibrilator, während eine Schwester das Krankenhaushemd von Rodneys Brust entfernte.
"Geladen und bereit! Zurücktreten!" Rodneys Körper hob sich unter dem Schock und viel leblos zurück in die Kissen. Noch einmal lud Marc nach und Radek ließ alle Hoffnung fahren. Da…"Wir haben Puls!" Dieser Ausruf ließ Radeks Knie weich werden und er sank auf den Bürostuhl, auf welchem vor kurzem Marc gesessen hatte. Wie in Trance sah der Wissenschaftler zu, wie Rodney versorgt wurde. Doch das wieder gleichmäßige Piepen blieb. Noch nie hatte Radek einen schöneren Ton vernommen. Piep, Piep…

"Es war knapp" sagte Marc, während Radek neben ihn trat und zu Rodney hinabblickte. "Gerade noch geschafft" lobte Radek seinen Kollegen halblaut. "Ja, das können Sie laut sagen", meinte Marc, welcher plötzlich wieder schrecklich müde war. "Aber das wird nicht lange so bleiben". Besorgt betrachteten beide den bleichen Mann. "Noch einmal so ne Aktion und wir bekommen ihn nicht wieder zurück."
Radek hatte das fast befürchtet. "Was jetzt? Wie lange wird es dauern, bis sie ein Gegenmittel für ihn haben?"
Marc schüttelte resigniert den Kopf. "Ich befürchte zu lange."
Wieder drohte die Stimmung, welche vor Minuten noch heiter war, gewaltig zu kippen. Marc zog geräuschvoll die Luft ein und Radek sah zu ihm hinüber.
"Wir haben wohl kaum eine andere Wahl", begann der Arzt.
"Wahl?" hakte Radek sogleich wieder neugierig geworden nach.
"Ja", sagte Marc leicht bekümmert. "Wir müssen bei Dr. McKay einen Versuch wagen."
Versuch klang nicht gut. Es klang wie etwas, was leicht schief gehen konnte. Trotzdem widersprach Radek nicht und wartete ab, bis Marc mit seiner Erklärung weiter ausholte.
"Wir haben das Mittel an sich, nur über die richtige Dosierung kann ich im Moment nur spekulieren. Es ist ein Versuch, der ihn rettet oder ihn töte."
"Ohne diesen Versuch stirbt er auf jeden Fall" gab Radek zu bedenken, der nur zu gut verstand, wie der junge Arzt sich gerade fühlen musste.
"Lassen wir es auf den Versuch ankommen" ermutigte Radek ihn noch einmal. Marc sah ihn halbwegs zuversichtlich an. Dann nickte er.

Eine farblose Flüssigkeit wurde schon nach kurzer Arbeitszeit in einer Spritze zu Rodneys Krankenbett gebracht. Marc hob sie von dem Tablett an und betrachtete sie noch kurz. Dann entfernte er die Schutzhülle und brachte die Nadel in die dafür vorgesehene Öffnung am Schlauch der Nahkosenadel, welche unter Rodneys verbundenem Arm verschwand. Durch leichten Druck entleerte er den Inhalt und sah zu McKay, dessen ungewöhnlich blasse Gesichtsfarbe ihm gerade noch blasser vorkam.
Was, wenn er sich irrte? McKay würde diesen Fehler mit dem Leben bezahlen. Dann sah er hinüber zu Carson und fragte sich erneut, ob der Chefarzt ebenso verfahren wäre.
"Was jetzt?" holte ihn Radeks Frage in die Gegenwart zurück.
"Warten" bestätigte er die Befürchtung. "Wir müssen warten."

Kapitel 15.
"Hab ich Ihnen nicht gesagt, Sie sollen die Finger davon lassen, wenn Sie keine Ahnung von dem haben, was Sie da tun?"
Schmunzelnd trat Radek in die Krankenstation und eine altbekannte Stimme quäkte ihm genervt entgegen.
"Ganz ruhig Rodney" gab John Sheppard in seinem üblichen, lapidaren Tonfall zurück. Der Tscheche fand den Colonel mit einem Antikergerät in der Hand auf Rodneys Bett sitzen.
Der Chefwissenschaftler von Atlantis war nun schon seit fast einer Woche wieder ganz er selbst. Was das gesamte Krankenhauspersonal zur Verzweiflung brachte. Daher hatte Radek ihm ein neues Fundstück aus einem der Labors mitgebracht, damit er wenigstens die nächsten Stunden beschäftigt war. Zwar hatten ihm die Ärzte einen längeren Umgang mit seinem Laptop noch untersagt, doch je mehr er nörgelte, desto lieber ließen sie ihn länger arbeiten und Rodney wusste das genau. Deshalb war er schon seit Tagen so unausstehlich wie irgend möglich. Radek bereute schon fast wieder, ihm dieses kleine Stück unbekannter Technologie vorbeigebracht zu haben. Jetzt hatte John eben jenes Gerät in den Händen und fingerte unter dem ständigen Geschimpfe von McKay daran herum.
"Ich mach's schon nicht kaputt!" maulte der Colonel und beugte sich vor, damit Rodney nicht nach dem Gerät greifen und es ihm entreißen konnte.
"Jetzt geben Sie schon her!" befahl McKay, doch Sheppard lachte nur. Sein Arm, an welchem er gebissen worden war, lag immer noch unter weißen Verbänden verdeckt und sein verstauchtes Bein war geschient. Die Krücken, mit denen er hin und wieder Besuche bei Rodney und Carson machen konnte, lehnten an dem Bett des schottischen Arztes, welcher lächelnd die Szene im Nebenbett beobachtete. Auch über Radeks Gesicht huschte ein Lächeln. Nicht, weil Sheppard McKay ärgerte, was er seinem Chef durchaus gönnte, nein, er war einfach nur glücklich darüber, dass alles wieder im weitesten Sinne >normal< war. Atlantis würde zwar nie wieder ganz so werden, wie vor der Seuche, aber es ging weiter. Ein Neuanfang, wenn man so will.
Carson schien ihn bemerkt zu haben, denn er rief lachend zu dem Mann, welcher immer noch etwas abseits stand: "Radek! Schön Sie zu sehen".
Jetzt sahen sich alle um und auch Sheppard und McKay erkannten den Tschechen, welcher nun auf sie zukam.
"Wie geht es Ihnen heute?" fragte er in die Runde.
"Ich darf morgen gehen!" flötete John fröhlich und in diesem Moment gelang es Rodney, Sheppard endlich das gewünschte Gerät aus den Händen zu nehmen. "He!" beschwerte sich dieser und McKay setzte ein siegessicheres Lächeln auf. "Sie haben doch eh keine Ahnung davon", erklärte er.
John wollte etwas erwidern, wandte sich dann aber zu Radek und meinte nur: "Man bin ich froh, wenn der Kerl" und damit deutete er auf Rodney, "wieder Ihr Problem ist.
McKay protestierte laut, doch es ging im allgemeinen Gelächter unter.
"Danke" meinte Radek und meinte es tatsächlich so. Er war froh Rodney McKays nervende Stimme wieder zu hören. Niemals hätte er geglaubt, dass ihm sein Freund so fehlen könnte. Wo er ihn doch gerne herablassend behandelte und keine Gelegenheit ausließ, um ihn zu ärgern. Doch was wäre Atlantis ohne Rodney McKay? "Tja, ich werde wohl noch eine Weile mit ihm als Nachbarn leben müssen" meinte Carson mit gespielt verzweifelter Miene. Wieder kam ein "He!" von Rodney. "Ihr tut ja gerade so, als ob Ihr mich nicht vermisst hättet" meckerte der Kanadier.
"Haben wir auch nicht" kam es sogleich von John. "Ich erinnere mich jedenfalls nicht daran, dass Sie mir in irgendeiner Weise gefehlt hätten."
Rodney bedachte ihn mit seinem typischen McKay-Blick, als er antwortete: "Was wohl ohne Zweifel daran liegt, dass Sie sich an nichts erinnere können. Denn wäre das der Fall gewesen…"
"Hätten wir Sie bestimmt vermisst" beendeten Sheppard und Carson den angefangenen Satz fast synchron, was zu neuerlichem Gelächter führte. Wie gut es doch tat, wieder mit ihnen allen lachen zu können, dachte Radek.
"Was ist so lustig?" frage Evans Stimme, welcher gerade die Krankenstation betrat.
"Colonel", grüßte ihn Sheppard. "Meinen Glückwunsch zur Beförderung" und er streckte dem jüngeren Mann seine unverletzte Hand entgegen.
"Danke" und Evan schüttelte sie dankbar.
"Das haben Sie sich wirklich verdient" lobte Radek.
"Nach alldem, was Sie geleistet haben" stimmte jetzt auch Carson in die Lobeshymne mit ein.
"Danke, danke" Evan hob die Hände. "Es ist mehr Radeks Verdienst, aber ich denke, man hat Ihnen die Story seiner Heldentaten bereits brühwarm aufgetischt."
Sheppard und Beckett nickten. "Oh ja, da haben wir schon einiges zu hören bekommen."
"Und Sie haben mich auch alle schon oft genug gelobt", meinte Radek, der eine erneute Rühmung seiner Taten nicht mehr hören wollte.
"Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn" kam es von Rodney, der im ganzen Rummel von Radeks Heldenbelobigung ganz untergegangen war.
"Klar, Sie hätten das ja auch gekonnt", witzelte John und erhielt einen Hieb von McKay.
"Aber Evan konnte man für seine Taten wenigstens belohnen, indem man ihn beförderte", meinte Sheppard und sah von Lorne zu Zelenka. "Für Sie bleibt nur unser Lob es sei denn, Sie wollen nicht vielleicht in mein Team" schlug John vor und warf einen Seitenblick auf Rodney, der wieder blass im Gesicht wurde.
"He, Sie…Sie wollen mich rausschmeißen? Für Zelenka? Ich…ich bin…"
"Nein sind Sie nicht!" widersprach John noch bevor Rodney mit dem erwarteten Wort >klüger< auffahren konnte. "Schließlich weiß ich ja jetzt, wer der Mutigere von ihnen Beiden ist, also was sagen Sie dazu?" Grinsend sah er den Tschechen an.
"Nein Danke", meinte er höflich aber bestimmt. "Ich bleibe lieber der Held aus der zweiten Reihe, der die Welt erst dann wieder rettet, wenn Sie mal wieder nicht in der Lage dazu sind."
"Hört, hört" Carson applaudierte. "Mit Ihnen in Atlantis fühlen wir uns doch alle gleich sicherer" meinte der Arzt lächelnd.
Rodney machte nur noch ein schmollendes Gesicht. So viel Aufmerksamkeit wie Zelenka im Augenblick bekam, war sonst meist für ihn reserviert. Und seinen Freunden gefiel es auch noch, ihn gnadenlos mit seiner Eifersucht aufzuziehen. Radek, der eigentlich gar nicht so viel Wert darauf legte, der Mittelpunk von Atlantis zu sein, freute sich insgeheim schon wieder auf den Tag, an dem McKay ihm diesen lästigen Posten wieder abnahm.
"Nun" begann Evan wieder zu sprechen. "Da Atlantis nun einen neuen Lieutenant Colonel hat, könnten Sie doch als Wissenschaftler in mein Team kommen", schlug Evan vor.
"Ich bin kein Fan von Gatereisen und lehne dankend ab."
"Schade" meinte Evan und zwinkerte Radek zu. "Aber falls Sie es sich anders überlegen, gehören Sie in mein Team, nicht in seines."
"He!" schimpfte jetzt Sheppard. "Kaum befördert, wird er frech!"
Bevor Evan einen schnippischen Kommentar zurückgeben konnte, kam Cady auf die Krankenstation.
"Hallo allerseits" grüßte sie fröhlich. Sie ging geradewegs auf Radek zu und packte ihn am Arm und schmiegte sich an ihn.
"Hallo? Hab ich da was nicht mitbekommen?" fragte Carson und blickte in die Runde.
"Tja" klärte Evan die Situation auf. "Die sind schon seit Tagen unzertrennlich, den Rest kann man sich ja wohl denken."
"Nette Geschichte, wer hat sich die denn ausgedacht?" fragte Rodney mit vor der Brust verschränkten Armen.
"Wie bitte?" fragte Radek.
"Na glauben Sie etwa ernsthaft, wir kaufen Ihnen diese Geschichte ab? Das ist doch nur wieder eine Inszenierung. Sie und der Lieutenant" McKay lachte gekünstelt.
"Captain" verbesserte Cady ihn und sah wieder zu Radek.
"Hab dich gesucht, gehst du mit mir essen?" frage sie und schmiegte sich an ihn.
"Sie…Sie gehen wirklich mit ihm essen? Mit ihm?"
"Was dagegen?" maulte Cady. Radek bedachte diese Szene nur mit einem überbreiten Lächeln. Auch John und Carson mussten über Rodneys Gehabe lachen.
"Sagen Sie bloß, Sie glauben ihm die Nummer mit Goodman" fragte Rodney an John gewandt, der nur mühsam seine Belustigung verbarg.
Radek beugte sich, um die Diskussion nicht ausufern zu lassen, zu Cady hinüber und küsste sie leidenschaftlich. McKay stand vor Staunen der Mund offen.
"Also gab es doch auch für Sie ne Belohung" meinte Sheppard erfreut.
"Wie…aber wie kann das…" stotterte Rodney, welcher jetzt vollkommen neidisch auf das glückliche Paar blickte.
"Tja Rodney, in jeder guten Story bekommt der Held am Ende das Mädchen."
Begleitet von Evan, John und Carsons Lachen verließen sie Hand in Hand die Krankenstation, glücklich über ihr höchst eigenes Happy End.

ENDE


End Notes:
Hiermit danke ich allen treuen Lesern, die bis hierher durchgehalten haben. Ich hoffe sehr, dass euch das Lesen genauso viel Spaß gemacht hat, wie mir das Schreiben.
Es würde mich sehr freuen, wenn jeder der bei diesen Zeilen angelangt ist, mir eine kurze oder auch ausführliche Kritik hinterlassen würde. Denn nur durch eure Kritiken kann ich mich verbessern! Und vielleicht seid ihr ja bei der nächsten Story auch wieder mit dabei.

Eure B'Elanna


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