[SGA] The core by Ailya
Summary: Das Universum... Eine Ansammlung von Dunkelheit, Kälte und unglaublicher Leere. Im unendlichen Raum ist man allein, oder? Ein scheinbarer Glücksfall entpuppt sich für John Sheppard und sein Team, als ihr wohl größtes Abenteuer... und bringt unerwartete Wendungen mit sich.
Categories: Stargate SG-1, Stargate Atlantis Characters: Multi-Chara
Genre: Action, Angst, Romance, Torture / Gewalt
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 66 Completed: Ja Word count: 269524 Read: 523324 Published: 24.01.11 Updated: 14.09.11
Story Notes:
Arbeitstitel: Reise zum Mittelpunkt des Universums (ich weiß, ich bin verrückt)
Zeitliche Einordnung: /
Spoiler: /
Kategorie: Spannung, Abenteuer, Crossover, Sciene Fiction, Romance (ich kann nicht anders)
Pairings: John/Teyla, ein wenig Daniel/Vala und Cam/Sam, etc. ...

Anmerkung: Diese Story ist entstanden, bevor ich wusste, dass Stargate Universe kommen würde. Meine Story ist völlig unabhängig von der neuen Serie entstanden.
Disclaimer: „ Stargate Atlantis“ und „ Stargate SG1“ gehören nicht mir, sondern MGM.

1. Das allgemeine Chaos by Ailya

2. Beistand von außerhalb by Ailya

3. Erkenntnisse by Ailya

4. Die Artemis by Ailya

5. Ein Quäntchen Glück... by Ailya

6. ... kann schnell vergehen by Ailya

7. The philosophy of death by Ailya

8. Stunde des Erwachens by Ailya

9. 10 Hours by Ailya

10. Shadows Part I by Ailya

11. Shadows Part II by Ailya

12. Whispers, Part I by Ailya

13. Whispers Part II by Ailya

14. Gespräche by Ailya

15. Time Part I by Ailya

16. Time Part II by Ailya

17. Planet X by Ailya

18. T'hiak und Inessa by Ailya

19. Die Einladung by Ailya

20. Eiskalte Wesen by Ailya

21. Zweifel by Ailya

22. Feelings by Ailya

23. Gerüchte by Ailya

24. Spieglein, Spieglein by Ailya

25. Totenwache by Ailya

26. Desire by Ailya

27. Remember me by Ailya

28. Hello and Goodbye, Part I by Ailya

29. Hello and Goodbye, Part II by Ailya

30. Hello and Goodbye, Part III by Ailya

31. Verdachtsfälle by Ailya

32. Das Wesen by Ailya

33. Lullaby Of Pain by Ailya

34. Don't forget to breathe by Ailya

35. Immortal by Ailya

36. Ad infinitum by Ailya

37. Zeichen by Ailya

38. Helia by Ailya

39. Von nun an mein Begleiter by Ailya

40. Night by Ailya

41. Time after time by Ailya

42. Schicksal - Destiny by Ailya

43. Vision by Ailya

44. Call of the Artemis by Ailya

45. Neue Welten und ein alter Bekannter by Ailya

46. Am Tisch des Königs sollst du speisen by Ailya

47. Wahrheit by Ailya

48. Coup D'etat by Ailya

49. 12 weeks, 6 hours, 48 minutes, 3 seconds by Ailya

50. The Enemy Within by Ailya

51. Memento mori by Ailya

52. Ghost Town by Ailya

53. Dunkles Erwachen by Ailya

54. Und am Ende bleibt nur eins by Ailya

55. Nichts währt für immer by Ailya

56. In the beginning was the void by Ailya

57. Feind in Sicht by Ailya

58. In der Tiefe seines Herzens by Ailya

59. 'Til death do us apart, Teil I by Ailya

60. 'Til death do us apart, Teil II by Ailya

61. Wer früher stirbt ist länger tot by Ailya

62. Ãœberraschende Neuigkeiten by Ailya

63. The Worst Day Since Yesterday by Ailya

64. Glühender Horizont by Ailya

65. Von den Himmeln droben by Ailya

66. Nachrichten aus der Pegasusgalaxie by Ailya

Das allgemeine Chaos by Ailya
Eigentlich war dieser 16. März- so sagte es zumindest der Kalender, der an der Wand rechts neben ihm hing- ein Tag wie jeder andere auch. Es war ein ganz normaler Tag; draußen nieselte es leicht, der Himmel war mit dichten, grauen Wolken verdeckt. Kurz gesagt: Es war eigentlich der perfekte Tag, um drinnen im gemütlichen Labor zu sitzen und zu arbeiten. Wie gesagt, eigentlich…

Wütend vor sich hin grummelnd saß Rodney McKay, seines Zeichens Leiter der wissenschaftlichen Abteilung der Stadt, an seinem Schreibtisch und betrachtete tödlichen Blickes seinen vor ihm aufgebauten Computer.
„ Blödes Ding“, beschimpfte er den flimmernden Bildschirm und schlug verärgert auf die Tastatur. Seit gefühlten fünf Stunden scheiterte er immer wieder an der einen, eigentlich nicht weiter schwierigen Datenauswertung und immer wieder unterlief ihm derselbe dumme Fehler. Sein Schädel brummte und sein Magen verlangte unüberhörbar nach Nahrung, doch diese verflixte Auswertung hatte ihn um Stunden zurückgeworfen und er hatte sich schon mit dem Gedanken abgefunden, wohl mal wieder eine Nachtschicht schieben zu müssen.
„ Blödes Ding“, fauchte Rodney noch einmal und von seinem lauten Magengrummeln ermutigt, schob er seinen Computer angewidert von sich weg und stand auf. Er konnte dieses Ding nicht mehr sehen!
Seufzend ließ sich der Kanadier gegen die Rückenlehne des ungemütlichen Drehstuhls fallen und rieb sich erschöpft die Augen. Vielleicht konnte diese ganze Sache ja doch noch bis morgen warten! Er könnte jetzt etwas essen gehen und dann ein heißes Schaumbad nehmen und dann früh ins Bett gehen. Elizabeth hatte dafür sicher Verständnis, schließlich wusste sie doch, wie viel er in letzter Zeit geschuftet hatte- glaubte er zumindest…
„ Rodney McKay, manchmal übertriffst du dich wirklich selbst“, fütterte er sein Ego. Er beugte sich über den Schreibtisch und wollte gerade seinen Computer ausschalten, als ein leises Zischen einen Besucher anmeldete und zu dieser Uhrzeit tat das nur einer freiwillig…
„ Wenn Sie hier sind, um mich aufzuziehen, Colonel, dann können Sie gleich wieder gehen“, rief Rodney, ohne aufzusehen.
„ Eigentlich, wollte ich ja nur mal schauen, wie es denn bei Ihnen so läuft“, erwiderte die ihm so wohlbekannte Stimme, die ihn regelmäßig zur Weißglut trieb. Langsam drehte sich Rodney um, sah John Sheppard lässig gegen eine Säule lehnen. Der Soldat hatte ein keckes Grinsen auf den Lippen, hatte die Arme vor dem Oberkörper verschränkt und schien sichtlich gut drauf zu sein.
„ Was wollen Sie?“, giftete Rodney, wissend, dass irgendetwas nicht stimmte, denn freiwillig, ohne jeglichen Grund betrat John Sheppard das physikalische Labor nur äußerst selten.
„ Hab ich doch gesagt“, kam die Antwort und das Grinsen des Colonels verrutschte um wenige Millimeter. „ Ich wollte schauen, wie es bei Ihnen so läuft.“
„ Das glauben Sie doch selber nicht, Sheppard“, sagte Rodney hämisch, Augenbrauen hochziehend. „ Zumal…“- Er sah auf die Uhr-, „ … es gerade Essen in der Kantine gibt.“ Sein Magen grummelte verlangend und vor seinen Augen tauchte ein leckeres Steak auf. Doch Rodney schüttelte den Kopf, denn die Tatsache, dass Sheppard noch immer in seinem Labor stand, machte ihn zugegeben ein kleines bisschen nervös.
Sheppard seinerseits blickte nun auch auf seine Armbanduhr und zog die Augenbrauen hoch. „ Hhm, ist mir gar nicht aufgefallen, aber ich hab´ eh keinen großen Hunger.“
„ Okay.“ Rodney zog das „Okay“ unnötig in die Länge. Irgendwas stand an! Das Verhalten des Colonels war mehr als merkwürdig: erst tauchte er einfach so hier auf und dann schien es ihn noch nicht einmal zu stören, dass in sich in diesem Moment all seine Freunde in der Kantine versammelten. Da war was faul…
„ Was wollen Sie wirklich hier?“, fragte Rodney seinen Teamleader voller Ernst und kniff die Augen zusammen, als Sheppards Mundwinkel zu zucken begannen. Hätte er es sich doch denken können…
„ Also…“, setzte der dunkelhaarige Soldat an, doch Rodney unterbrach ihn, bevor er weiterreden konnte.
„ Wieso sind Sie eigentlich Elizabeths Laufbursche? Konnte Sie nicht selber hierher kommen und mich vorführen?“
„ McKay, sie hat viel zu tun“, sagte Sheppard und versuchte sich an einer erklärenden Handbewegung, die aber eher den Eindruck machte, als ob er eine lästige Fliege verscheuchen wollte. „ Sie wissen schon: die Stadt leitet sich nicht von allein.“
„ Und da waren Sie so freundlich und haben Sie um diese Aufgabe erleichtert?“ Rodneys Nasenflügel bebten. Diese verflixte Auswertung hatte ihn schon gestresst, doch dieser Mann würde ihn eines Tages noch ins Grab bringen!
Sheppard grinste selbstgefällig. „ Ich helfe doch immer wieder gerne!!“
Rodney verdrehte die Augen. „ Wissen Sie, was Sie machen?“
„ Nein, aber Sie werden es mir sicher jetzt gleich sagen“, schallte es zurück.
„ Sie kirken herum.“
„ Ich tue was?“ Verwirrt sah ihn Sheppard an, obwohl das Glitzern in seinen Augen verriet, dass er genau wusste, wovon Rodney sprach, er es aber nicht eingestehen wollte.
„ Ha, Sie wissen ganz genau, wovon ich spreche, Sheppard.“ Rodney verschränkte selbstsicher die Arme vor seiner Brust. „ Reicht es Ihnen denn nicht, wenn die Frauen Ihnen aus der Hand fressen?“
„ Sie wollen mir doch nicht etwa unterstellen, dass ich Elizabeth…“
„ Ihnen traue ich alles zu, Freundchen.“
Entrüstet verzog Sheppard seinen Mund zu einer schiefen Grimasse und ließ einen Entsetzenslaut hören. „ Wie können Sie mir nur solche Beweggründe unterstellen?“
„ Hhm.“ Rodney legte den Finger vor seinen Mund. „ Lassen Sie mich nachdenken: Sollte ich lieber diese Teer fragen oder… wie hieß die Kleine noch mal, die Sie zum König machen wollte und Ihnen einen kleinen Schreihals unterschieben wollte?“
„ Elizabeth und ich sind Kollegen“, beharrte Sheppard.
„ Jaja und Samantha Carter nennt mich „ Schatz“.“
Sheppard seufzte und ließ seinen Blick durch das physikalische Labor schweifen. „ Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich jetzt wieder gehen und Elizabeth ausrichten, dass sie wohl noch etwas auf ihre Ergebnisse warten muss, oder irre ich mich da?“
„ Hätte Zelenka…“, setzte Rodney eine Beschimpfungsarie auf seinen tschechischen Kollegen an, doch Sheppard schienen seine persönlichen Konflikte wenig zu interessieren. Er nickte einmal kurz in seine Richtung und verabschiedete sich mit den Worten „ Ich seh Sie dann morgen früh beim Frühstück“ in Richtung Tür.
Rodney sah ihm nach, verzog den Mund und wartete, bis sich die Tür hinter dem Soldaten geschlossen hatte, ehe er sich umdrehte: „ Kirk.“

+++++++++


„ Daniiiiiiieeeelllllll!“ Daniel Jackson zuckte zusammen: Nur eine einzige Person in diesem Universum war in der Lage seinen Namen derart zu verunstalten. Schnell blickte er sich in seinem Büro nach möglichen Versteckmöglichkeiten um, doch da war sie schon da.
„ Vala.“ Sichtlich um ein freundliches Lächeln bemüht begrüßte er die schwarzhaarige Außerirdische, die in sein Büro gestürzt kam und sich schwungvoll auf die Kante seines Schreibtisches setzte. Fast schon automatisch griff Daniel nach seiner Brille, um sie vor Valas herabsausendem Hinterteil zu retten, merkte zum glück noch rechtzeitig, dass er sie auf der Nase trug.
„ Was machst du?“ Voller Interesse sah Vala ihn an und hüpfte aufgeregt auf der Tischplatte auf und ab.
„ Ich arbeite“, antwortete Daniel, ohne zu ihr aufzusehen, da möglicher Blickkontakt aus Erfahrung zu einem Gespräch führte.
„ Und was?“
Daniel seufzte, sah auf, zu spät. „ Das würdest du eh nicht verstehen, Vala.“
„ Versuchs mir doch wenigstens zu erklären“, bat Vala und strahlte ihn mit ihren blauen Augen an.
„ Das sind die Einsatzberichte von SG-25, die Major Clayton mir von P3K893 mitgebracht hat.“
„ Und?“ Vala zog die Augenbrauen hoch, Daniel seufzte. Hatte er es sich doch gedacht…
„ W…was machst du eigentlich hier?“, fragte er sie, woraufhin sie lässig die Beine übereinander schlug.
„ Col. Mitchell hat mich geschickt“, antwortete sie ihm.
„ Und warum?“
„ Hhm, ich glaube…“ Sie setzte eine nachdenkliche Miene auf und schien in der Ferne nach der Antwort auf seine Frage zu suchen.
„ Vala“, seufzte Daniel.
„ Hör auf zu drängeln, Daniel. Du weißt, dass ich mich dann nicht konzentrieren kann.“
„ Weise Worte in deinem Mund. So, was will Mitchell nun von mir?“
„ Ich glaube, er, Sam und der General wollten dich im Besprechungsraum sehen“, erwiderte Vala und Daniel schloss reflexartig die Augen. Er ahnte Schlimmes…
„ Wann hat er dir gesagt, dass du mich holen sollst?“, fragte er vorsichtig, wollte die Antwort eigentlich wissen.
Es dauerte einen kurzen Moment, bis Valas Stimme wieder ertönte: „ Ich glaube vor zwanzig Minuten.“
„ Vala!“
„ Entschuldige, Daniel, aber auf dem Weg hierher bin ich noch auf Mr. Woolsey gestoßen und du weißt, wie gerne ich mit ihm plaudere.“
„ Oh ja, und er sicher auch mit dir.“ Daniel hastete auf, kramte schnell seine Bücher zusammen, damit es wenigstens nicht so aussah, als hätte eine Bombe eingeschlagen.
„ Hey, wo willst du hin?“, rief Vala ihm nach, als er eiligen Schrittes aus seinem Büro hechtete. Er hörte, wie sie von Tisch sprang und ihm leichtfüßig folgte. Wunderbar!
„ Ich hoffe, dass mir der Colonel und der General nicht den Kopf abreißen werden, weil ich eine ganze halbe Stunde zu spät komme“, erwiderte Daniel und bereitete sich schon einmal mental auf das Donnerwetter Landrys vor, was mit aller größter Wahrscheinlichkeit gleich auf ihn herabdonnern würde. Na, wunderbar!
Beistand von außerhalb by Ailya
Die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel hinab und die Luft war angenehm warm. Es versprach ein angenehmer Tag zu werden. Mit einem leicht wehleidig klingenden Seufzen setzte sich Elizabeth Weir hinter ihren Schreibtisch und ließ ihren Blick über das allgemeine Chaos schweifen- Einsatzberichte, Akten von Neuzugängen, noch ungeöffnete Briefe, bereits geöffnete Briefe, kleine gelbe Zettelchen… so gut wie alles schien hier vertreten zu sein.
Die Expeditionsleitern schnappte nach einem der kleinen gelben Zettelchen und musste unwillkürlich schmunzeln. Nur eine Person auf dieser Basis benutzte diese schon recht veraltete Methode, um auf sich aufmerksam zu machen…
Elizabeth las sich den leserlichen Zettel noch einmal schnell durch, knüllte ihn dann zusammen und versenkte ihn zielsicher in dem kleinem Papierkorb, der unter ihrem Schreibtisch stand. John Sheppard konnte manchmal wirklich kindisch sein!
Sie seufzte, als ihr Blick wieder auf die ihr bevorstehende Arbeit fiel und sie verfluchte den Tag, an dem sie das Angebot diese Expedition zu leiten angenommen hatte. Jetzt wusste sie, warum Jack O´Neill nicht sonderlich scharf auf diesen Job gewesen war, zumal überall bekannt war, dass der General Papierkram hasste.
„ Sie als Diplomatin…“, hatte O´Neill nur argumentiert und den Rest des Satzes mit einer wirren Handbewegung auszudrücken versucht.
Elizabeth musste bei der Erinnerung daran schmunzeln und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, strich sich durch ihre dunkelbraunen Haare. Drei Jahre war es nun schon her. Seit drei Jahren leitete sie diese Expedition, doch noch immer fühlte es sich an, als sei sie erst gestern durch das Gate in die dunkle Stadt getreten. Es war schon sonderbar…
„ Dr. Weir, bitte kommen Sie unverzüglich ins physikalische Labor“, meldete sich ihr eine nur zu vertraute Stimme aus ihrem Headset und ließ sie leicht zusammenzucken.
„ Was gibt’s, Rodney?“, fragte sie, worauf der Kanadier am anderen Ende der Funkverbindung nur trocken meinte: „ Es gibt da was, was Sie sich ansehen sollten.“
Elizabeth seufzte. „ Gut, ich komme.“ Langsam richtete sie sich auf und bedachte die noch nicht erledigte Arbeit resigniert. Mal wieder würde ihr eine lange Nacht bevorstehen…

Das erste, was ihr auffiel, war nicht etwa, dass Rodney nervös hin und her lief, sondern, dass Col. Sheppard und Ronon ihn höchst interessiert dabei beobachteten. Erstgenannter schielte dem Kanadier neugierig über die Schultern und auch Zweitgenannter konnte seine Neugier nicht verbergen. Nichtsdestotrotz war Elizabeth aufgefallen, dass der hünenartige Satedaner in letzter Zeit auffallend oft in Rodneys Nähe, beziehungsweise in dessen Labor herumlungerte.
„ Ah, Elizabeth!“ Rodney schien über ihre Ankunft sichtlich erleichtert zu sein. „ Darf ich da mal… danke.“ Sheppard und Ronon machten ihm Platz, nur um sich gleich darauf an seine Ferse zu heften.
„ Colonel, Ronon“, grüßte Elizabeth die beiden freundlich und bedachte sie argwöhnischen Blickes, denn normalerweise war es eher ungewöhnlich, dass sich die beiden derart für Rodneys Arbeit interessierten. Über Johns Gesicht zuckte ein Grinsen und Ronon grummelte sich etwas in den Bart, was aber durchaus freundlich aufzunehmen war. Er war halt nicht gerade der Gesprächigste…
Elizabeth wandte sich an Rodney, seufzte. „ Okay, was ist so wichtig, dass ich dafür einen Brief des Präsidenten zurückstellen musste?“
„ Das werden Sie nie erraten.“ Sheppards Grinsen wurde noch breiter, so breit, dass ihm fast die Ohren abfallen zu drohten. Rodneys Laune hingegen schien auf ein Tief zuzusteuern und er würdigte den Colonel nur entnervten Blickes.
„ Könnten Sie Ihren Enthusiasmus wenigstens für einen Moment zügeln?“, zischelte er und reichte Elizabeth seinen tragbaren Tablettlaptop.
„ Ein Schiff“, meinte diese, nachdem sie sich einen schnellen Überblick über das Gezeigte verschafft hatte und runzelte dann die Stirn. „ Und warum…“
„ Wir haben es erst vor wenigen Minuten entdeckt…“, setzte Rodney an, schaute dann seine beiden Teammitglieder an und korrigierte sich, „… naja, eigentlich habe ich es erst vor wenigen Minuten entdeckt.“
„ Wraith?“ Elizabeth sah auf, reichte Rodney seinen Tablettlaptop.
Der Kanadier schüttelte mit dem Kopf. „ Wenn ich nicht wüsste, um was es sich handelt, würde ich sagen, dass es eher unwahrscheinlich ist. Es ist viel zu groß für ein Wraithschiff- selbst ein Hive würde nicht an die Größe heranreichen, nicht mal annähernd.“
Elizabeth zog die Augenbrauen hoch. „ Korrigieren Sie mich bitte, wenn ich mich irre, aber sagten Sie nicht gerade „ wenn ich nicht wüsste, um was es sich handelt“? Sie wissen es?“
„ Nun ja…“ Rodney verzog verlegen seine Mundwinkel hoch und schien sichtlich nach den richtigen Worten zu suchen.
„ Es ist ein Schiff der Antiker“, übernahm Col. Sheppard und jetzt wusste sie auch endlich, was dieses spitzbübische Grinsen in seinem Gesicht zu bedeuten hatte.
„ Sind Sie sich sicher?“ Elizabeth kam ihre eigene Stimme auf einmal ziemlich leise vor, fast wie ein Flüstern. „ Antiker?“
„ Naja, wir sind uns zu fünfzig Prozent sicher“, milderte Rodney die Aussage des Colonels und drückte der Expeditionsleitern wieder seinen PC in die Hand. „ Das haben wir vor ein paar Minuten erhalten.“
„ Also, für mich sieht das sehr antikerisch aus“, meinte Sheppard, ohne auf den Monitor zu sehen.
„ Antikerisch?“ Rodney drehte sich zu dem dunkelhaarigen Soldaten um.
„ Ja, für mich sieht das sehr antikerisch aus“, wiederholte der Colonel. „ Für Sie etwa nicht?“
„ Antikerisch?“, fragte Rodney noch einmal kopfschüttelnd. „ Ist das überhaupt ein Wort?“
John ignorierte die kleine Stichelei seines Wissenschaftskollegen und wandte sich an Elizabeth, die den Inhalt der Nachricht aufmerksam zu studieren schien. „ Und?“
Elizabeth schüttelte gedankenverloren mit dem Kopf. „ Das…das scheint mir ein älterer Dialekt zu sein. Mir sind nur wenige Worte geläufig.“ Sie sah auf. „ Ich werde etwas Zeit brauchen, um es zu übersetzen.“
„ Ist es antikisch?“, fragte Ronon.
Sie nickte. „ Ja, ich denke schon, aber wie gesagt… es scheint ein älterer Dialekt zu sein. Die Wortkombinationen sind schwer zu verstehen und…“ Sie sah zu Sheppard auf, als dieser wie beiläufig räusperte. „ Colonel, möchten Sie etwas sagen?“
John sah auf. „ Nun ja, ich will Ihnen keine Unfähigkeit unterstellen, aber ich wüsste da jemanden, der uns mit Sicherheit helfen könnte.“

++++++++


Daniel Jackson hielt seinen Kaffeebecher noch in den Händen, als er den Konferenzraum des Stargate-Centers betrat, wo man ihn schon zu erwarten schien. General Hank Landry saß am Kopfende des riesigen, massiven Tisches und empfing ihn mit einem freundlichen Lächeln.
„ Dr. Jackson, wie schön, dass Sie uns auch noch beehren.“ Die Stimme des Generals klang freundlich und kein bisschen ungeduldig. Hank Landry war anders als seine Vorgänger, netter und irgendwie umgänglicher, auch wenn er immer behauptete, dass er diesen Job nur angenommen hatte, um die Leute anzuschreien. In den gesamten zwei Jahren, in denen er nun sein Vorgesetzter war, hatte Daniel ihn noch nie schreien gehört.
„ Setzen Sie sich doch“, forderte Landry immer noch freundlich und Daniel tat so, wie ihm geheißen - setzte sich auf seinen Platz… gegenüber von Cameron Mitchell und Samantha Carter, neben Vala und Teal´c. Mitchell und Carter saßen bereits um den Tisch verteilt, nur Teal´c glänzte durch Abwesenheit und Daniel hätte sich beinahe Gedanken gemacht, hätte Gen. Landry seinen leicht verwirrten Gesichtsausdruck nicht richtig gedeutet.
„ Teal´c ist in einer wichtigen Ratssitzung auf Dakara“, erklärte der Kopf des SGC schnell. „ Wir erwarten ihn nicht vor nächster Woche zurück.“
„ Ah…“, machte Daniel, stellte seinen Kaffeebecher auf der Tischplatte ab. Er fragte sich, was wohl so wichtig war, dass er noch nicht einmal seinen Kaffee hatte austrinken dürfen.
„ Schön, dass Sie jetzt da sind“, begann Landry, „ denn eigentlich haben wir nur noch auf Sie gewartet.“
„ Sir, wir wissen immer noch nicht so richtig, warum Sie uns alle hierher bestellt haben“, warf Col. Mitchell in einem respektvollen Ton ein.
„ Dann lassen Sie mich Ihre Frage beantworten, Colonel.“ Landry erhob sich, blieb aber an seinem Platz stehen. Er blickte schnell in die Runde, ehe er zu erläutern begann. „ Vor einer guten halben Stunde haben wir Nachricht aus der Pegasusgalaxie erhalten.“
„ Atlantis?“ Daniel verschluckte sich an seinem Kaffee und zur Belustigung aller im Raum Anwesenden fingen seine blauen Augen fast augenblicklich hell an zu leuchten.
„ Es sei denn, Sie kennen noch eine andere Basis außer Atlantis, Dr. Jackson“, lächelte Gen. Landry, wurde dann aber schnell wieder ernst. „ Wie ich bereits sagte, Atlantis hat uns kontaktiert und unsere Hilfe erboten.“
„ Haben sie gesagt, warum?“ Samantha Carter beugte sich leicht vor, stützte sich auf ihre Ellenbogen.
„ Dr. Weir meinte, es ginge um eine Übersetzung. Aller Wahrscheinlichkeit nach Antikisch“, antwortete ihr Landry. „ Sie sagte, sie habe selber versucht zu übersetzen, aber sie meint auch, dass es sich um einen sehr alten Dialekt und sie ihn leider unmöglich übersetzen kann.“
„ Heißt das etwa…“ Daniel Jackson wagte es gar nicht den Satz zu Ende zu sprechen. Er holte einmal tief Luft, denn das Lächeln auf Landrys Lippen, beantwortete seine Frage. „ Ehrlich?“
Der General lachte einmal kurz auf. „ Ehrlich. Ich wundere mich nur, dass Sie noch hier sitzen. Abreise ist in einer Stunde. Man erwartet Sie auf Atlantis.“
„ Ich…“
„ Gehen Sie schon, Jackson“, schmunzelte Col. Mitchell und neigte sich zu Col. Carter, als der Archäologe aufgesprungen und aus dem Konferenzraum verschwunden war. „ Daniel im Disneyland- das verspricht heiter zu werden.“
„ Lassen Sie ihn das bloß nicht hören“, erwiderte die blonde Wissenschaftlerin lächelnd.
„ Ich störe Sie beide ja nur ungern bei Ihrer Konversation“, unterbrach Gen. Landry die beiden höflich, „ aber auch für Sie gilt Abreise in einer Stunde.“
Samantha Carter sah ihren Vorgesetzten leicht irritiert an. „ Heißt das, wir sollen ihn begleiten?“
Der General schob seinen Stuhl an die Tischplatte und zupfte seine Uniform zurecht. „ So wie es aussieht, scheint Dr. McKay nicht nur Dr. Jacksons Hilfe zu benötigen.“ Er lächelte und in seinem Gesicht bildeten sich feine Lachfalten. „ Und nun entschuldigen Sie mich bitte. Der Präsident wartet auf meinen Anruf.“ Er verabschiedete sich von den beiden mit einem kurzen Nicken und verschwand in seinem, an dem Konferenzraum angrenzenden Büro.
Carter seufzte resigniert. „ Daniel und McKay- manchmal frage ich mich echt, womit ich das verdient habe.“
Mitchell klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter. „ Ich werde immer direkt hinter Ihnen sein.“
Ein schwaches Lächeln zuckte über Sam´s Lippen. „ Sie sind manchmal so erbauend, dass ich auch nicht weiter weiß.“ Sie richtete sich langsam auf, sah aber noch einmal zu ihm herab, lächelte. „ Trotzdem danke.“
„ Immer wieder gerne.“
Erkenntnisse by Ailya
„ Und Sie sind sich sicher, dass es sich dabei wirklich um ein Schiff der Antiker handelt?“ Ungläubig hatte Teyla Emmagan neben dem Colonel im Konferenzraum von Atlantis Platz genommen. Sie hatte sich sofort auf den Weg hierher gemacht, kaum dass die Nachricht sie erreicht hatte. Die vergangenen drei Wochen hatte sie auf Neu Athos zugebracht und ihrem Volk bei der Ernte geholfen. Es war anstrengend gewesen und wenn sie ehrlich sein sollte, freute sie sich wieder hier zu sein…
John Sheppard hatte die Arme vor seinem Oberkörper verschränkt und sich weit in seinem Stuhl zurückgelehnt. Ein lockeres Lächeln umspielte seine Lippen und es fiel ihr wirklich schwer diesem Lächeln zu widerstehen- sie lächelte zurück…
„ Schwer zu sagen“, antwortete er ihr mit einem sarkastischen Unterton in seiner rauen Stimme. „ Ich befürchte, dass sich Rodney und Dr. Jackson nicht einig geworden sind.“ Seine Mundwinkel zuckte leicht- sicheres Anzeichen dafür, dass er die ganze Sache nicht so ernst zu sehen schien.
„ Und wann werden sie sich einigen?“, fragte Teyla milde lächelnd.
Ihr Gegenüber zuckte mit den Schultern. „ Fragen Sie da nicht mich. So, wie es sich vorhin angehört hat, wird es wohl noch in sehr ferner Zukunft liegen.“ John unterstrich seine Aussage mit einer dramatischen Handbewegung und mit einem vielsagenden Zwinkern.
Teyla hob ihre Augenbrauen leicht an und schüttelte amüsiert mit dem Kopf.
„ Und…“, setzte John wieder an, lehnte sich noch weiter in seinem Stuhl zurück, so weit, dass sie befürchtete, dass er hinten über kippen würde, „... wie war Ihr Besuch auf Neu Athos?“ Seine Augen wanderten an ihrer traditionell athosianischen Tracht hinab und sahen sie dann voll, aufrichtigem Interesse an.
„ Es war schön“, antwortete Teyla, „ aber auch anstrengend. Aber überwiegend schön. Vielleicht sollten Sie mich das nächste Mal begleiten. Ich bin sicher, dass Ihnen das Tandulfest gefallen wird.“
John neigte seinen Kopf ein bisschen und sein warmes Lächeln erfüllte den Raum. „ Vielleicht sollte ich das wirklich tun. Ich werd´s mir merken.“
„ Jinto und Wex würden sich sicher über Ihren Besuch freuen, zumal Sie versprochen haben ihnen zu zeigen, wie man… Football spielt.“
„ Ich werde…“ John setzte an, ihr zu antworten, doch genau in diesem Moment öffneten sich die Flügeltüren des Konferenzraumes und Elizabeth Weir gefolgt von Ronon, Rodney und vier Leuten, die Teyla nicht kannte, trat ein.
„ Teyla“, grüßte sie die Expeditionsleiterin herzlich, „ wie schön Sie wieder hier zu haben.“ Sie setzte sich an das Kopfende des Tisches; die vier Fremden, von denen einer dieser Dr. Jackson sein musste, von dem Col. Sheppard gesprochen hatte, verteilten sich neben ihr. Ronon setzte sich neben ihre Wenigkeit und Rodney blieb stehen, tippte dabei wild auf seinen Tablettlaptop ein und schien in seinen Gedanken versunken zu sein.
„ So.“ Elizabeth klatschte in die Hände. „ Wurden Sie einander schon vorgestellt?“ Sie blickte Teyla an.
Diese schüttelte mit dem Kopf. „ Nein, bedauernswerterweise noch nicht.“
Einer der beiden Männer, erhob sich. „ Dann wird es mir eine Freude sein, dies schnell nachzuholen.“ Er streckte ihr seine maskuline Hand entgegen und lächelte freundlich. „ Hi, ich bin Col. Cameron Mitchell.“
Teyla erwiderte sein Lächeln, schüttelte seine Hand und musterte ihn von oben bis unten. Er hatte kurze braune Haare und seine grauen Augen wirkten freundlich. Sein charmantes Lächeln brachte sie dazu ihn für einen kurzen Moment ihn anzugaffen und sich dann verhalten eine Strähne ihres rostbraunen Haares aus hinters Ohr zu streichen.
„ Freut mich Sie kennenzulernen, Teyla“, sagte Col. Mitchell, wandte sich dann halb um und deutete dann auf seine drei Begleiter. „ Dr. Daniel Jackson kennen Sie sicherlich schon. Das sind Col. Samantha Carter und Vala Mal Doran.“
Die Drei lächelten sie freundlich an. Daniel Jackson schien im selben Alter wie der Colonel zu sein und sowieso sahen sie beide sich ziemlich ähnlich- Ausnahme war die Brille, die auf Jacksons Nase prangerte.
Col. Samantha Carter hatte kurze blonde Haare und blaue Augen, schien eine rundum freundliche Person zu sein. Vala Mal Doran machte auf sie einen leicht hibbeligen Eindruck- die langen, schwarzen Haare und die blitzenden grauen Augen passten perfekt zu ihr.
„ Jetzt, da Sie sich ja alle kennengelernt haben, können wir doch sicher fortfahren.“ Es war Elizabeths Stimme, die Teyla aus ihrer Betrachtung riss und nicken ließ. Schnell nahm sie zwischen John und Ronon Platz.
Die Expeditionsleitern hatte sich von ihrem Platz erhoben und sah eindringlich in Rodneys Richtung, aus der noch immer das nicht enden wollende Getippe zu hören war.
„ Rodney, was haben Sie für uns?“, wollte Elizabeth wissen, doch ihre Frage schien ihn gar nicht zu erreichen. Erst als sich einer der Anwesenden leise räusperte, blickte der Kanadier irritiert von seinem Computer auf.
„ Wie…? Was…? Meinen Sie mich?“
„ Nein, tut sie nicht… Es sei denn, Sie kennen noch einen anderen Rodney McKay“, zog John seinen Freund auf.
„ Charmant“, zischelte Rodney.
„ Ich denke…“, nahm Elizabeth den beiden Männern den Wind aus den Segeln und bedachte beide warnenden Blickes, „… wir sollten uns auf das Wesentliche konzentrieren.“
„ Der Meinung bin ich auch.“ Daniel Jackson erhob sich, auch wenn Rodney für seine Unterstützung nur ein entnervtes Augenrollen übrig hatte. Es war dem Kanadier anzusehen, dass er nicht allzu begeistert zu sein schien.
Entweder fällt es diesem Dr. Jackson nicht auf, dachte Teyla, oder er war verdammt gut darin, es zu ignorieren. Gespannt, was er nun tun würde, folgte sie ihm mit ihren dunkelbraunen Augen.

Daniel Jackson gesellte sich zu Rodney und nahm diesem den Tablettlaptop aus der Hand. Rodney empörte sich leise, verstummte aber jedoch gleich wieder.
Ein kurzer, unverkennbar antikischer Text erschien auf einem der Monitore, der an der Wand des Konferenzraumes hing und Teyla versuchte fast automatisch ihn zu übersetzen. Ihr Vater und ihre Mutter hatten sie einmal die Sprache der Vorfahren gelehrt, doch es war lange her… Die Zusammenhänge und einige Worte fehlten ihr, sodass sie froh war, dass sich Dr. Jackson die Mühe gemacht hatte, den Text zu übersetzen…
„ Dr. Weir hatte Recht“, begann der Archäologe- so hatte John es ihr zugeflüstert- und rückte seine Brille zurecht, „ hierbei handelt es sich um einen sehr alten Dialekt und ich muss zugeben, dass es mir an manchen Stellen auch schwer gefallen ist.“
Im Augenwinkel bemerkte Teyla ein kleines Grinsen, dass über Col. Mitchells Gesicht zuckte, jedoch so schnell wieder verschwand, wie es aufgetaucht war.
„ Konnten Sie es übersetzen?“ Col. Carter schien wesentlich aufgeschlossener zu sein. Interessiert hatte sie sich vorgebeugt, als ob sie ihr Teammitglied so besser hätte sehen können.
Dr. Jackson verzog leicht den Mund; sie schien einen wunden Punkt getroffen zu haben. „ Ich will jetzt nicht sagen, dass es mir nicht gelungen ist, aber… naja, es war schwierig und diese Art von Dialekt ist mir noch nicht unter gekommen.“
„ Das heißt, Sie wissen nicht, was die Nachricht bedeutet“, schlussfolgerte John stirnrunzelnd.
„ So würde ich es nicht gerade ausdrücken, Colonel“, entgegnete Jackson. „ Ja, es stimmt, dass es mir nicht möglich ist, die komplette Botschaft zu übersetzen, aber einen Teil davon.“
„ Es ist mir…“, begann Rodney, korrigierte sich aber, als Dr. Jackson sich leise räusperte, „… es ist ihm gelungen einige markante Stichwörter aus der Nachricht herauszufiltern und sie so zu einigermaßen verständlich zu machen.“
John beugte sich vor, stützte sich auf seine Ellenbogen und schien nun sichtlich interessiert zuzuhören. „ Und was…“
„ Erea tucaméi slatos theca artemis macusa“, unterbrach Jackson ihn, lächelte, als er die Verwirrung im Gesicht des Colonels entdeckte.
„ Verzeihen Sie, aber mein antikisch ist leider nicht so gut, also könnten Sie möglicherweise…“, setzte John an, wurde allerdings wieder unterbrochen, diesmal von Elizabeth.
„ Glücklich sind diejenigen, die den Spuren der Artemis folgen“, murmelte die Expeditionsleiterin, schien sich einen Moment selbst zu fragen, was diese Worte wohl zu bedeuten hatten und sah dann auf. „ Artemis?“
„ In der griechischen Mythologie ist Artemis die Göttin der Jagd und des Waldes“, erklärte Dr. Jackson wissend.
Teyla sah, wie sich John noch weiter nach vorne beugte und die Augenbrauen hochzog.
„ Moment“, hörte sie ihn sagen, „ heißt das etwa, wir haben es hier wirklich mit einem Schiff der Antiker zu tun? Vielleicht sogar mit einem Schlachtschiff?“
„ Ausschließen würde ich es nicht, zumal…“ Jackson sah in die Runde, ehe er fortfuhr, „… zumal es tatsächlich einen Eintrag in der Datenbank über ein Schiff namens Artemis gibt.“
„ Als die erste Angriffswelle der Wraith über Atlantis kam, war die Artemis bereits seit einer Woche unterwegs“, übernahm Rodney, griff wieder nach seinem Tablettlaptop und auf dem frei im Raum hängenden Monitor erschien eine nachgezeichnete Route, die allerdings abrupt endete. „ Ihr Ziel war ungewiss, ebenso, ob sie jemals zurückkehren würden.“
„ Korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre, aber, wieso ist sie hierher zurückgekehrt?“ John zog die Augenbrauen hoch. „ Müsste sie nicht eigentlich…“
„ Sie glauben…“ Elizabeth Weir schien seinen Gedanken erfasst zu haben.
„ Möglich wäre es“, entgegnete John ihr schulterzuckend. „ Für unmöglich halte ich schon lange nichts mehr.“
Rodney sah verwirrt zwischen den beiden hin und her, fing dann jedoch heftig an mit dem Kopf zu schütteln. „ Sie glauben doch wohl nicht, dass das Schiff von Antikern hierher gebracht wurde.“
„ Wer sonst hätte das Schiff navigieren und uns dazu noch eine Botschaft schicken können?“, wollte John wissen, fügte noch hinzu: „ Und erinnern Sie sich doch an die Aurora!“
„ Ich unterstütze Col. Sheppards Gedanken“, sagte Elizabeth und hob ihre Augenbrauen in Richtung Rodney. „ Vielleicht wären Sie so freundlich und würden das für mich herausfinden. Wo befindet sich die Artemis gerade?“
Rodney seufzte resigniert. „ Sie befindet sich noch immer in der Umlaufbahn des Planeten.“
„ Irgendwelche Aktivitäten seitdem?“
„ Negativ.“ Rodney schüttelte mit dem Kopf. „ Also, ich glaube nicht, dass…“
„ Seien Sie mir nicht böse, Rodney, aber was Sie denken, steht im Moment nicht zur Diskussion.“ Elizabeth erhob sich und fuhr sich durch ihre dunkelbraunen Haare. „ Die Chance mit echten Antikern zu kommunizieren sollten wir- wenn wir sie wirklich bekommen- nicht ausschlagen.“

++++++++++


Einen Kaffeebecher in den Händen haltend, in dem sich witziger Weise Tee anstatt Kaffee befand, ließ sich Elizabeth in ihren Sessel sinken und schloss ihre erschöpften Augen. Die Besprechung hatte mehr Zeit beansprucht, als eingeplant und der ewige Zank zwischen John und Rodney war ihr allmählich an die Substanz gegangen. Sie war froh nun endlich einmal ein bisschen Zeit für sich zu haben- Rodney hatte sich mit Col. Carter und Dr. Jackson in das physikalische Labor zurückgezogen und John war- wenn sie sich nicht irrte- mit Col. Mitchell losgezogen, wollte ihm ein bisschen in der Stadt herum führen.
Resigniert seufzend öffnete sie ihre grünen Augen wieder und stellte den mit Tee gefüllten Kaffeebecher auf ihren Schreibtisch. Noch immer türmte sich die nicht erledigte Arbeit vor ihr und auf einmal wünschte sie sich nichts sehnlicher, als einfach ganz, ganz weit weg von hier zu sein- Karibik oder so…
Elizabeth strich sich über ihr Gesicht, legte ihre Hände vor ihre Augen und genoss für einen Moment die völlige Dunkelheit, nutzte sie, um ihre Gedanken zu ordnen.
Ein Schlachtschiff der Antiker- die Artemis- befand sich im Orbit des Planeten. Eine mysteriöse, nicht zu entzifferbare Botschaft hatte sie erreicht. Eigentlich nichts anderes, als der allgemeine Wahnsinn, den diese Galaxie zu bieten hatte, doch irgendetwas in ihrem Inneren sagte ihr, dass es dieses Mal aus einem ihr unerfindlichen Grund anders war. Das Wissen, womöglich ein Schlachtschiff der Antiker samt Besatzung in greifbarer Nähe zu haben, reizte sie irgendwie. Die Wraith rührten sich zwar seit längerer Zeit nicht, aber genau das machte sie ein bisschen nervös. Das war nicht die Art der Wraith… Ein Schlachtschiff würde sicherlich ungeahnte Vorteile mit sich bringen.

Ein leises Klopfen an ihrer Tür riss sie aus ihren Gedanken und sie blickte auf: John Sheppard stand im Türrahmen und betrachtete sie eingehend.
„ Ich dachte Sie sind mit Col. Mitchell unterwegs?“, fragte sie ihn leicht verdutzt, ehe sie ihm mit einer kurzen Geste bedeutete doch reinzukommen und sich zu setzen.
„ Ich war mit ihm unterwegs“, erwiderte der dunkelhaarige Soldat, nachdem er sich in einen der beiden weißen Sessel hatte sinken lassen. „ Er meinte, dass er mal nach Carter und Jackson sehen wolle. Den Grund hat er mir nicht gesagt, aber ich kann ihn mir schon denken.“
Elizabeth lächelte. „ Ja, Rodney kann etwas anstrengend sein.“
Ihr Gegenüber erwiderte ihr Lächeln. „ Etwas?“
„ Korrigiere: Er ist anstrengend.“ Elizabeth nippte wieder an ihrem Tee und starrte dann gedankenverloren an John vorbei, der ebenfalls nachdenkend aussah. Ob er wohl dasselbe dachte, wie sie? In den letzten Jahren war es ja keine Seltenheit gewesen…
„ Glauben Sie wirklich, dass wir es mit Antikern zu tun haben?“, fragte John schließlich in die Stille ihres Büros hinein.
Elizabeth seufzte. „ Wenn ich darauf doch nur eine Antwort wüsste, John. Es wäre schön, aber…“
„ Sie sind sich nicht sicher“, deutete ihr Gegenüber ihre Mimik und runzelte selber die Stirn.
„ Ich versuche mir nur gerade die Möglichkeiten abzuwägen, die sich uns eröffnen würden, wenn es denn so wäre“, erwiderte sie ihm. „ Stellen Sie sich das doch nur einmal vor! Antiker! Was wir doch von ihnen lernen könnten!“
„ Vorausgesetzt sie ließen uns.“ John lehnte sich in dem Sessel zurück, allerdings verharrte er nur wenige Augenblicke in dieser Position, ehe er sich nach vorne beugte und sie durchdringend ansah. „ Elizabeth, ich…“
„ Ich weiß schon, was Sie jetzt sagen wollen, aber ich bin mir nicht sicher, ob das nicht ein wenig zu überstürzt ist.“
„ Woher wissen Sie, was ich vorhabe?“, fragte John überrascht.
Elizabeth verzog ihren Mund wieder zu einem Lächeln. „ In Ihrem Gesicht zu lesen, ist wohl eine der leichtesten Dinge des Universums. Denken Sie ich habe nicht gesehen, wie Ihre Augen gefunkelt haben, als Dr. Jackson meinte, dass es sich tatsächlich um ein Schlachtschiff handeln könnte?“
„ Nun ja…“
„ Glauben Sie mir, John. Ich halte Sie für einen wirklich begabten Piloten, vielleicht sogar für den Besten, aber ich kann Sie kein Schiff fliegen lassen, von dem wir so gut wie gar nichts wissen.“
„ Eigentlich…“, sagte John, „… wollte ich ja nur vorschlagen, dass mein Team und ich uns die ganze Sache mal mit einem Jumper näher ansehen könnten, aber wenn Sie meinen, dass ich wirklich so ein guter Pilot bin…“ Ein spitzbübisches Grinsen huschte über seine Lippen.
Elizabeth merkte, wie ihre Wangen unter seinem charmanten Grinsen erröteten und sie sah kurz weg. Verdammt, dachte sie nur, spürte wie ihr Gesicht puterrot anlief.
„ Ich denke, es wäre besser, dass Sie warten würden, bis Rodney Näheres herausgefunden hat“, sagte sie, als sie sich wieder einigermaßen eingekriegt hatte und ihm wieder in die haselnussfarbenen Augen sehen konnte, ohne erneut rot anzulaufen.
„ Und ich denke: Je eher, desto besser.“ John verschränkte die Arme vor seinem Oberkörper. „ Ich will mich jetzt nicht gegen Sie stellen, aber… ich könnte mit dem Jumper dicht genug an das Schiff heran fliegen und das würde Rodney vielmehr bringen, als das ganze von hier aus zu erledigen.“
Elizabeth sah ihn skeptisch an, ließ sich sein Argument durch den Kopf gehen und nickte schließlich. „ Einverstanden, aber ich möchte, dass Dr. Jackson Sie begleitet. Es wäre besser für die Untersuchungen und außerdem…“- Sie grinste- „… und außerdem gefällst mir, dass es endlich mal jemanden zu geben scheint, der Rodney einigermaßen in Schach halten kann- außer Ihnen natürlich.“
John grinste und richtete sich langsam auf. „ Ich fühle mich geschmeichelt.“ Er schob den Sessel zurück gegen die Tischkante, drehte sich um, ging aber noch nicht. „ Wenn Sie einverstanden sind, werden wir in einer halben Stunde aufbrechen.“
Elizabeth nickte. „ Nehmen Sie sich so viel Zeit, wie Sie brauchen, John.“
„ Keine Sorge, dass werde ich“, erwiderte er und verabschiedete sich mit einem Grinsen.

Elizabeth sah ihrem befehlshabenden Offizier nach, bis er im Getümmel des Kontrollraums verschwunden war. Sie seufzte leise, nippte abermals an ihrem Tee und beschloss sich endlich ihrer längst überfälligen Arbeit zuzuwenden. Sie wusste schließlich, wie ungnädig der Präsident werden konnte, wenn man seine Post nicht gleich beantwortete
Die Artemis by Ailya
Nur widerwillig und mit leichtem Protest hatte Rodney zur Kenntnis genommen, dass Dr. Jackson ihn und die anderen auf ihrem Flug begleiten würde. Erst hatte er es Elizabeth auszureden versucht, hatte dann aber aufgegeben- entweder er hatte gemerkt, dass Elizabeth nicht umzustimmen war oder ihm waren die Argumente ausgegangen.
Geknirscht und leicht angesäuert saß er nun da- beachtete Daniel Jackson keines Blickes und schien seinen ganzen Frust in Form eines Energieriegels in sich hineinzufressen.
John verdrehte amüsiert grinsend die Augen und wandte sich dann wieder dem Fliegen zu. Zwar beherrschte er dies nach fast dreieinhalb Jahren schon fast im Schlaf und die sensiblen Sensoren des Jumpers sprangen innerhalb Sekunden auf ihn an, doch man konnte sich nie sicher genug sein.

Vor ihnen erstreckte sich das schier unendliche Weltall und soweit das Auge reichte nichts als Dunkelheit, stellenweise erhellt durch den Schimmer eines Sterns.
„ Müssten wir es nicht eigentlich schon sehen können?“, fragte Teyla, die neben ihm saß, plötzlich und beugte sich vor, lugte in den leeren Raum hinaus.
„ Ich habe keine Ahnung“, entgegnete John ihr, aktivierte den HUD und kräuselte dann leicht die Stirn. Er drehte sich halb um, in die Richtung, wo Rodney noch immer damit beschäftigt war leise vor sich hin zu brummeln.
„ Sind Sie sicher, dass Ihre Koordinaten stimmen, Rodney?“
„ Warum sollten Sie nicht stimmen?“, gab der Kanadier leicht entnervt zurück. „ Ich persönlich habe sie dreimal überprüft.“
„ Na, ich finde, dass sagt alles.“ Ronon lehnte sich weiter in seinem Sitz zurück und hob die Augenbrauen in Richtung Cockpit.
Rodney drehte sich zu dem Satedaner um und funkelte ihn böse an. „ Was soll denn das jetzt schon wieder bedeuten?“
„ Waren Sie es nicht, der sich in diesem… Labyrinth verlaufen hat?“, stichelte der hünenhafte Ronon.
„ Ich war zehn…“, verteidigte sich Rodney empört, „… und außerdem war es ein sehr, sehr verwirrendes Labyrinth.“
Ronon grinste amüsiert und Teyla sah leicht irritiert erst zu dem aufbrausenden Kanadier und dann zu John. „ Sind das Labyrinths nicht immer?“
„ Außerdem war eine Biene hinter mir her und bin tödlich allergisch gegen Bienen“, fügte Rodney hinzu und ihm war seine Missgunst deutlich anzusehen. „ Ich hatte Todesangst!“
„ Ach nee, hätt ich nicht gedacht“, brummelte Ronon und tauschte amüsierte Blicke mit Daniel Jackson aus, der sich bis jetzt aus dem ganzen Tamtam heraus gehalten hatte.
„ Okay, okay, Kinder, zwingt mich nicht rechts ranzufahren“, mahnte John die beiden, ohne sich zu ihnen umzudrehen. Er hatte sich leicht vorgebeugt und die Augen zu engen Schlitzen zusammen gekniffen. Da, in der Ferne…
„ Was sehen Sie?“, drang Teylas Stimme an sein Ohr und er blinzelte kurz zu der Athosianerin herüber, die angestrengt versuchte, dass zu entdecken, was er schon längst sah.
John deutete mit dem Finger auf einen dunklen Flecken unweit des Jumpers entfernt. Das HUD vermeldete schwache Energieströme, doch nicht so stark, dass man sie einem Schiff zuordnen konnte. Es hatte sich seiner Umgebung perfekt angepasst, schien mit ihr zu verschmelzen; noch nicht einmal die überaus empfindlichen Gerätschaften der Wraithschiffe hätten es orten können. Es war ja kaum mit bloßem Auge zu erkennen!
„ Oh, mein Gott“, wisperte Teyla.
„ Bingo.“ Über Johns Gesicht zog sich ein Strahlen.
„ Ist es das?“ Daniel Jackson hatte sich erhoben und stand jetzt neben ihm, starrte ebenso begeistert wie er ins weite Nichts.
„ Rein vom Gefühl her, würde ich mal sagen… ja“, erwiderte John.
„ Lebenszeichen?“ In Teylas Stimme lag ein nervöses Flattern, was John dazu brachte in ihre Richtung zu sehen und zu lächeln. Ein Funkeln lag in den braunen Augen der Athosianerin- eines, was er noch nie zuvor bei ihr gesehen hatte und eines, das ihn faszinierte.
Sie schien seinen Blick zu bemerken und löste ihre Augen von dem Nichts außerhalb des Jumpers, sah ihn mit ihren braunen Augen an.
„ Tut mir Leid“, antwortete John auf ihre Frage, ohne seinen Blick von ihr abzuwenden. „ Nichts.“
„ Können Sie nicht näher ranfliegen?“, beendete Rodney den friedlichen Moment. Er und Ronon standen nun ebenfalls hinter ihm. Das erste Mal seit einer gefühlten Stunde schien der Kanadier wieder Interesse an etwas vorweisen zu können. John seufzte resigniert, hoffte, dass Rodney daraus genug Schlüsse ziehen konnte.

Langsam näherte sich der Puddle Jumper dem frei im Raum schwebenden… ja, was war es eigentlich? Von weitem sah es einfach nur wie ein riesiger dunkler Fleck aus- nichts erinnerte an die glanzvolle Epoche der Antiker. Es schien ein formloser Klotz zu sein, ein Brocken, der einfach so dahin schwebte. Doch je näher sie ihm kamen, desto mehr offenbarte sich ihnen, dass der erste Eindruck täuschen konnte…
Der formlose Klotz verwandelte sich in ein wendig aussehendes Schiff und das trotz seiner immensen Größe- es schien hundertmal größer als ein Basisschiff der Wraith zu sein. Scheinbar hatte sich ein solches in ein Gefecht gewagt, hatte höchstwahrscheinlich aber den Kürzeren gezogen. Das vor ihnen liegende Schiff wies Spuren von den verschiedensten Waffen auf, die Hülle war an manchen Stellen durchlässig geworden zu sein, doch es schienen keinerlei wichtige Systeme getroffen worden zu sein.
Die Außenhülle war schmutzig und es fiel schwer den eingebrannten Schriftzug am Heck des Schiffes zu erkennen: Erea tucaméi slatos theca artemis macusa. Glücklich sind diejenigen, die den Spuren der Artemis folgen.

„ Heiliger…“, stieß Rodney hervor und schien damit allen die Worte aus den Mund zu nehmen. Der Jumper flog am Bug des riesigen Schiffes vorbei, verschwand in dessen Schatten.
„ Das ist… unglaublich!“ Daniel Jackson war zurück in seinen Sitz gefallen, hatte die Augen begeistert aufgerissen und schien alles verarbeiten zu wollen.
Johns Augen glitten über den Bug des Schiffes- sie glitten über den Bug der Artemis. Ein merkwürdiges Kribbeln durchfuhr seinen Körper, als er daran dachte, was dieses Schiff wohl schon alles hinter sich hatte. Es war Schlachtschiff, ohne jede Frage! Es war ein Schlachtschiff der Antiker! Es hatte in der Schlacht um Atlantis gekämpft! Vor 10.000 Jahren!
Seine Augen glitten weiter, blieben an etwas hängen, schweiften dann über das HUD und dann zu seinem Team… und zu Dr. Jackson.
„ Lust auf einen kleinen Ausflug?“ Ein lockeres Grinsen umspielte seine Mundwinkel.

++++++++++++++


Elizabeth Weir zuckte automatisch zusammen und ging auf Habachtstellung, als sich die Türen des Jumperhangar öffneten und den Blick auf einen langen, schwach beleuchteten Gang freigaben, an dessen Ende John Sheppard sie schon breit grinsend erwartete. Perplex blieb sie stehen, ließ erst einmal alles auf sich wirken und ließ die fünf Techniker vorbei, die sie begleitet hatten und nun in alle Richtungen davon stoben. Ihre Wenigkeit hatte es nicht so eilig und sie sah sich um.
Die Decke war niedrig, dennoch hoch genug, dass man problemlos aufrecht stehen konnte. Sie, sowie die Wände waren aus einem dunklen Material gefertigt, wahrscheinlich Stahl oder ähnliches. An den Wänden liefen Kabel und andere Leitungen entlang. Der Boden war ebenso dunkel, wie die Decke und wie die Wände. Sie hörte sich die ihr nähernden Schritte an den Wänden widerhallen und blickte auf: John hatte den Gang durchgequert und stand nur wenige Meter weit von ihr entfernt, grinste wie ein Honigkuchenpferd.
„ Herzlich willkommen auf der Artemis, Elizabeth“, grüßte er sie mit freudiger Stimme und schenkte ihr ein schiefes Lächeln.
Die Luft her drin war sowieso schon ziemlich dünn, doch auf einmal schien sie noch viel dünner zu sein… Möglichst unauffällig schnappte Elizabeth nach Luft.
„ Das ist sie also“, sagte sie, mustere ihre Umgebung eingehend.
„ Cool, nicht wahr?“ Johns spitzbübisches Grinsen wurde noch breiter, sodass ihm fast die Ohren abfielen.
„ Ich wollte überwältigend sagen“, lächelte Elizabeth und folgte ihm, als er sich langsam in Bewegung setzte. „ Wie sieht es aus?“
„ Wie Sie sehen…“- John blickte gen Decke, wo eine kleine Lampe stetig am flackern war-, „… sieht es ganz gut aus. Ich hatte Schlimmeres erwartet.“
„ Wo ist…“
„ Es hat ihn direkt in den Maschinenraum gezogen“, antwortete John auf ihre Frage, bevor sie diese überhaupt gestellt hatte. „ Er musste nicht viel machen. Die Lichter und das Lebenserhaltungssystem sind direkt angesprungen, kaum, dass der Jumper im Hangar aufgesetzt hatte. Rodney meint, es hat irgendetwas mit unserem Antiker-Gen zu tun.“
Elizabeth nickte. „ Das kann gut möglich sein. Und wo sind…“
„ Ronon und Teyla?“ John hielt ihr eine schwere Tür auf, wartete bis sie auf der anderen Seite war und schloss sie dann wieder. Schnell fasste er wieder mit ihr Schritt. „ Sie sind vor einer knappen halben Stunde aufgebrochen, um diese Ebene zu erkunden.“
„ Glauben Sie nicht, dass das ein wenig zu überstürzt ist, John? Ich meine, Sie sind gerade einmal seit einer knappen Stunde, wer weiß was…“
„ Die beiden können schon auf sich aufpassen“, unterbrach John sie. „ Außerdem sind sie ja nur auf dieser Ebene und Rodney ist sich sicher, dass die Lebenserhaltung auch nach so langer Zeit noch funktionstüchtig ist.“
Elizabeth nickte. „ Und was haben die beiden bis jetzt schon alles entdeckt?“
„ Mehrere Labore, Unmengen an Quartieren, einen Fitnessraum, eine Art Mensa oder Essraum und- hallelujah- eine Krankenstation“, antwortete John mit diesem gewissen Unterton in seiner rauen Stimme, als er das Wort „ Krankenstation“ aussprach. „ Vielleicht sollten Sie Carson kommen lassen.“
„ Ich will erst einmal nichts überstürzen“, sagte Elizabeth ruhig, versuchte denn Enthusiasmus des Colonels nicht allzu sehr zu dämpfen. „ Es war schon eine Ausnahme, dass ich hierher gekommen bin. Also… was wollten Sie mir so unbedingt zeigen?“
John grinste geheimnisvoll. „ Das werden Sie nicht für möglich halten.“ Er war vor einer schweren Eisentür stehen geblieben- genauso eine, wie die, die den Jumperhangar von dem Rest des Schiffes trennte. „ Sie haben sich doch gewünscht etwas mehr, über die Antiker zu erfahren, oder?“ Er zwinkerte ihr zu.
Elizabeth konnte nicht anders: sie rollte kurz mit den Augen. John Sheppards Art war einfach unverwechselbar, er war unverwechselbar.
„ Nun spannen Sie mich nicht so auf die Folter“, rügte sie ihn freundschaftlich.
„ Okay, okay, okay.“ John öffnete die Tür und das dämmerige Licht des Flurs fiel in den Raum; er war klein, doch das Schauspiel, was sich über ihren Köpfen abspielte, ließ ihn unendlich groß erscheinen.
Elizabeth stockte der Atem und wie im Trance machte sie einen Schritt vorwärts, ihre Augen waren gefesselt von den tausend Lichtern, die über ihrem Kopf hin und her schwebten. Ein Holografieraum!
„ Und…“ John war neben sie getreten, „… hab ich zuviel versprochen?“
„ Was…wie…wo…“ Elizabeth sah ihn entgeistert an. Er schien nicht sonderliches Interesse an diesem Wunderwerk der Antikertechnologie zu haben, wie sie, wirkte beinahe schon etwas desinteressiert.
„ Motten fliegen zum Licht. Rodney McKay zieht es in den Maschinenraum und Dr. Jackson…“ John deutete eine Geste an, von der er wusste, dass sie sie verstand.
Elizabeth wandte sich wieder um, blickte wieder gen Decke, entzifferte einzelne, an ihr vorbeifliegende Symbole, verstand, dass es sich dabei um die Geschichte dieses Schiffes und von Atlantis handelte.
„ Dr. Weir?“ Daniel Jacksons Stimme riss sie aus ihrer faszinierten Betrachtung und ließ sich forschend in die Dunkelheit des Raumes starren. Der Archäologe kam ihr mit einem strahlenden Gesicht entgegen, seine Wange glühten und vor Aufregung schienen seine Brillengläser ein kleines bisschen beschlagen zu sein. Sprachlos sah er sie an, doch sie konnte in seinem Blick sehen, dass er überwältigt zu sein schien.
„ Ich weiß“, sagte sie. „ Es ist… unglaublich.“ Ihr Blick wanderte wieder zurück zu dem Hologramm. Die Geschichte der Wraith flog an ihren Augen vorbei und plötzlich wusste sie, dass dieser Fund wohl der größte dieser Expedition war…

++++++++++


Es schien eine kleine Kantine zu sein, in der John auf Ronon und Teyla stieß. Die beiden nicht irdischen Mitglieder seines Teams saßen um einen kleinen, runden Tisch verteilt und unterhielten sich leise miteinander. Als sich die Tür zischend öffnete und er den Raum betrat, sahen sie zu ihm auf.
„ John“, grüßte Teyla ihn mit einem Lächeln und auch Ronon wirkte gelassen. „ Wir haben gerade über Sie gesprochen.“
„ Haben Sie?“ John zog die Augenbrauen hoch, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zu seinen Freunden. „ Und wie ich sehe, scheinen Sie Ihren kleinen Rundgang ja schon beendet zu haben.“
„ Ein paar Quartiere, ungefähr noch sechs Stück“, entgegnete Ronon murmelnd. „ Ein dutzend Labore und noch ne´ Art Waffenkammer… aber leider leer.“
„ Wo ist Dr. Weir?“, fragte Teyla, die er natürlich darüber informiert hatte, dass die Expeditionsleiterin eingetroffen war.
„ Ich glaube ich hab sie und Dr. Jackson im Holoraum verloren“, antwortete John und grinste. „ So schnell werden die beiden da nicht mehr rauskommen.“
„ Und Rodney?“
„ Keine Ahnung. Ich wollte mir sein Gemecker über den seiner Meinung nach „katastrophalen“ Zustand der Maschinen nicht länger anhören.“ John lehnte sich vorsichtig gegen die Rückenlehne seines Stuhls. „ Er ist noch immer im Maschinenraum und wartet darauf, dass Zelenka kommt.“
Ronon hob die Augenbrauen. „ Wer kommt noch alles?“
„ Ein Dutzend Wissenschaftler und Techniker, ein paar Statiker. Carson und sein Führungsstab wollen sich die Krankenstation näher ansehen und sehr zu Rodneys Leidwesen bestehen Zelenka und Col. Carter darauf ihm zu „assistieren“. Es kommt schließlich nicht alle Tage vor, dass ein Antikerschiff in der Nachbarschaft ist.“
„ Sie glauben wirklich, dass es sich um ein Schiff der Antiker handelt?“ Teyla schien skeptisch zu sein.
„ Inzwischen bin ich mir sicher“, erwiderte ihr John, schob dann seinen Stuhl zurück und erhob sich langsam. Fragend sah er seine beiden Freunde an. „ Hat einer von Ihnen Lust mich zu begleiten? Ich will mal nach Rodney sehen und verhindern, dass er alles auseinander nimmt.“ Er grinste kurz.
„ Ohne mich“, gab Ronon kopfschüttelnd zu verstehen. „ Ich werde hier auf Sie warten.“
Teyla stand auf. „ Ich begleite Sie, John.“
John lächelte, wandte sich dann an Ronon. „ Wenn irgendwas ist, melden Sie sich sofort bei mir, okay?“
Der Satedaner nickte stumm.
Ein Quäntchen Glück... by Ailya
Sie konnte sich natürlich auch irren, aber… nein, irgendetwas stimmte mit diesem Flur nicht. Sie kannte ihn nicht, konnte sich nicht daran erinnern, schon einmal hier lang gegangen zu sein. Teyla sah sich leicht verwirrt um und ließ das Licht ihrer P90 über die dunklen, kahlen Wände gleiten. An manchen Stellen waren Einschüssen zu erkennen. Von der Decke hingen Kabel hinab, manche so tief, dass sie sich drunter durch ducken musste. Die Luft war stickig und trocken, der Staub legte sich auf ihre Lungenflügel. Es war warm, viel zu warm; kleine Schweißperlen standen auf ihrer Stirn und sie spielte mit dem Gedanken sich mit einer Hand Luft zu zu fächeln.
John, der neben ihr herging, schien ebenfalls bemerkt zu haben, dass etwas mit diesem Gang nicht stimmte- seine Stirn lag in Runzeln und er wirkte, als dachte er angestrengt nach. Seine P90 hielt er fest umklammert, während er den vor ihnen liegenden, immer enger werdenden Gang damit erleuchtete, der Lichtkegel verlor sich in dem schummerigen Licht…

Teyla räusperte sich leicht, wollte nicht unhöflich erscheinen, doch so langsam wunderte sie sich. „ Und Sie sind sich sicher, dass wir hier richtig sind?“
„ Natürlich.“ John nickte entschieden, doch seine Stirn kräuselte sich umso mehr. „ Wir sind rechts abgebogen, dann wieder rechts und dann links.“ Man sah ihm an, dass er innerlich am Grübeln war, dass er selbst an seiner Aussage zu zweifeln schien.
„ Mir kommt dieser Gang nicht bekannt vor“, meinte Teyla so beiläufig, wie es nur eben möglich war.
„ Wir müssen einfach richtig sein.“ Johns Stimme klang nun nicht mehr so selbstsicher, wie beim ersten Mal. Stattdessen hatte er die Lippen aufeinander gepresst und versuchte angestrengt ihrem Blick auszuweichen.
Teyla wusste, dass er ebenso wenig wie sie wusste, wo in aller Welt sie beide sich befanden, also blieb sie stehen und zog ganz langsam die Augenbrauen hoch, als er ebenfalls stehen blieb und sich zu ihr umdrehte.
„ Vielleicht sollten wir zurückgehen“, schlug sie in einem ruhigen und vernünftig klingenden Ton vor, neigte dabei leicht ihren Kopf.
John würdigte sie nachdenklichen Blickes, schien das eine und das andere im Kopf abzuwägen. Es vergingen ein paar Augenblicke, bis sich seine Miene schließlich aufhellte und er langsam zu nicken begann. „ Sie haben Recht. Ich bin nicht sonderlich scharf darauf mich in einem fremden, alten Schiff zu verlaufen. Nicht, dass wir uns verlaufen hätten.“
Teyla verdrehte amüsiert grinsend ihre Augen und wartete, bis John wieder zu ihr aufgeschlossen hatte und sie wieder nebeneinander hergingen. Ihre gleichmäßigen Schritten brachten den Boden unter ihren Füßen zum vibrieren und hallten an den dunklen Wänden wieder. Im Augenwinkel sah sie, wie John die Wände mit seiner P90 ableuchtete und sie gedankenverloren betrachtete. Seine Stirn warf noch immer Falten und er hatte die Lippen fest aufeinander gepresst. Sie hörte seinen holperigen Atem und es war fast so, als bekäme er keine Luft.
„ Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“, fragte sie ihn leicht sorgenvoll, woraufhin er zu ihr aufblickte, seine Miene nicht mehr gedankenverloren sondern leicht irritiert.
„ Warum sollte mit mir was nicht stimmen?“, fragte er zurück.
„ Sie sind so…“- Teyla suchte nach dem richtigen Wort-„… so ruhig.“
„ Ist Ihnen mein Schweigen unangenehm?“
Sie schüttelte mit dem Kopf. „ Nein, nur… es ist nur etwas ungewohnt.“
John grinste sie schief an. „ Wollen Sir mir damit etwa sagen, dass ich sonst zu viel rede?“
„ Nein, das wollte ich damit nicht sagen.“ Teyla grinste nun ebenfalls, wandte dann aber ihren Blick von ihm ab. Der Gang wurde wieder enger- fast wie eine Sanduhr. Die Luft war zwar besser geworden, dennoch kratzte es in ihrem Hals und weckte in ihre das Verlangen sich zu räuspern.

„ Hören Sie, Teyla, ich…“, setzte John an, doch ein lautes Brummen, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Knirschen ließ sie beide erschrocken zusammenzucken. Sie blieben abrupt stehen und sahen einander alarmiert an. Teyla verzog das Gesicht, als die Wände den Lärm in doppelter Lautstärke zurückschleuderten.
„ Was zur…“ Ein dumpfes Beben unter ihren Füßen unterbrach John. Die Wände begannen leicht zu zittern, Staub rieselte auf sie herab, bedeckte ihre schwarzen Uniformen mit einer dünnen, gräulichen Schicht.
„ Vorsicht!“, hörte Teyla auf einmal Johns aufgeregte Stimme und dann merkte sie nur noch, wie er nach ihrem Arm packte und sie mit einem Ruck zu sich zog… bevor ein schweres Trümmerteil von der Decke genau dort zu Boden ging, wo sie gestanden hatte. Völlig perplex starrte Teyla den schweren, formlosen, grauen Brocken an, merkte nicht, wie das Beben unter ihren Füßen langsam verebbte und es um sie herum wieder so ruhig wie zuvor wurde.
„ Alles okay?“, hörte sie John fragen und erst als sie ihn anblickte, sah sie, dass sein Gesicht kreidebleich geworden war und das sein Blick voller Sorge auf ihr ruhte.
„ J…ja, alles okay.“ Sie erschrak, als ihre schwache, zittrige Stimme an ihr Ohr drang. Ihr ganzer Körper zitterte leicht und der Anblick des mindestens eine Tonne schweren Brockens ließ sie erschaudern. „ Ja, es geht mir geht. Danke, John.“
Langsam löste er seinen festen Griff von ihren Handgelenken, gab sie schließlich frei und seine Miene entspannte sich sichtlich. Trotzdem verschwand dieser angespannte Ausdruck nicht aus seinem Gesicht.
„ Was zur Hölle war das?“
Teyla klopfte sich den Staub von ihrer Uniform und dachte dasselbe. Es war zwar nur ein mehr oder weniger leichtes Beben gewesen, doch trotzdem fand sie das höchst merkwürdig.
„ Vielleicht sollten wir besser nach den anderen sehen“, sinnierte sie und erntete ein zustimmendes Nicken von John.
„ Und Sie sind sicher, dass alles mit Ihnen in Ordnung ist?“, fragte er sie abermals, immer noch mit einer leicht hysterischen Note in seiner Stimme.
Sie beide gingen nebeneinander her, nicht zu schnell aber auch nicht zu langsam. Teyla musste über seine doch recht übertriebene Sorge schmunzeln. „ Wenn Sie mich nicht weggezogen hätten, dann…“
„ Ich hab gedacht, dieses Ding zerquetscht Sie!“ John nickte in die Richtung ihrer Handgelenke. „ Tut mir übrigens Leid.“
„ Besser als zerquetscht zu werden“, lächelte Teyla.
„ Vielleicht sollte Carson sich das mal ansehen.“
„ John, mir geht’s gut. Wirklich.“
„ Mir wäre dann aber wohler“, erwiderte er. „ Und außerdem wäre es ja zu schade, wenn Sie in Atlantis hocken würden, während wir hier die ganzen interessanten Entdeckungen machen.“
Teyla seufzte ergeben. „ Wenn Sie meinen… ich werde zu Carson gehen und ihm sagen, dass er sich das mal ansehen soll. Zufrieden?“
„ Unheimlich.“ John grinste und hielt ihr die schwere Eisentür am Ende des Gangs auf, durch die sie gekommen waren. Sie sah im Augenwinkel, wie er sich noch einmal umdrehte und wie sich sein Blick in dem schummerigen Licht verlor. Er schien ebenso beunruhigt wie sie zu sein…

+++++++++++++++


Rodney blickte leicht genervt von seinem Tablettlaptop auf, als er Ronons Blick auf sich lasten spürte. Langsam drehte er sich um, sah gerade noch, wie der Satedaner über seine Schultern zu spähen versuchte…
Auffallend oft, lungerte der Hüne in letzter Zeit in seiner Nähe oder in seinem Labor herum. Ja, er schon so etwas wie sein Pseudolehrling geworden, auch wenn er nicht sonderlich begeistert davon war. Er mochte es nicht, wenn jemand ständig zur falschen Zeit am falschen Ort stand. Und Ronon schien ein Meister auf diesem Gebiet sein…
Er hatte seinen großen, mit allerhand Muskeln bepackten Körper recht unvorteilhaft inmitten des engen Raumes geparkt, die Arme vor seinem Oberkörper verschränkt und beobachtete alles mit starrem Blick.
„ Entschuldigung, aber kann ich da mal… danke.“ Rodney hatte sich seinen Computer geschnappt, quetschte sich an Ronon vorbei und verfluchte in diesem Moment den Typen, der für die Innenarchitektur dieses Schiffes verantwortlich gewesen war. Unter leisem, stetigem Seufzen begann er auf seinen Computer einzutippen, seufzte etwas lauter, als sich Ronons Schritte ihm näherten und als der Satedaner ihm schlussendlich wieder über die Schulter späte. Es war einfach nur zum verzweifeln… aber eigentlich auch wieder nicht. Die Tatsache, dass Ronon sich ihn und nicht Zelenka als neuen „Lehrmeister“ ausgewählt hatte, machte ihn schon irgendwie stolz. Und irgendwie musste er ja etwas sagen…
Der passende Kommentar lag Rodney schon auf der Zunge, als sich die Tür zum Maschinenraum leise zischend öffnete und Sam Carter durch die Tür trat. Sie blieb stehen, verschaffte sich kurz einen Überblick und trat dann an sie heran, nickte Ronon grüßend zu. Dieser nickte mit starrer Miene zurück, meinte er wolle mal nach Sheppard und Teyla sehen und verabschiedete sich dann.
„ Oh, die Sonne geht auf“, grüßte Rodney seine blonde Kollegin leicht sarkastisch. „ Sagen Sie bloß, Sie haben Zelenka im Gewirr der Gänge verloren. Oder, nein… sagen Sie es mir nicht.“
„ Ich freue mich auch Sie wieder zu sehen, Rodney.“ Sam beäugelte einen in der Ecke stehenden, recht alt aussehenden Stuhl skeptisch, zog es dann aber vor doch lieber zu stehen. Sie lehnte sich gegen eine ramponiert aussehende Steuerkonsole.
„ Was gibt’s?“, fragte Rodney, ohne dabei zu ihr aufzusehen.
„ Eigentlich nichts“, erwiderte sie, „ außer, dass man mich auf direktem Wege hierher abkommandiert hat, um dir zu helfen.“
„ Pah“, machte Rodney. „ Als ob ich hier nicht allein zurecht kommen würde.“
Sam verzog ihren Mund zu einem Lächeln, schien sich köstlich über ihn zu amüsieren.
„ Und“, begann sie nach ein paar wortlosen Momenten, versuchte einen Blick auf seinen Computer zu erhaschen, „ wie läufst denn so?“
„ Wo soll ich anfangen“, stöhnte Rodney. „ Bei dem schlechten Zustand, in dem sich dieses Schiff befindet?“
„ Vielleicht solltest du bei dem Positiven anfangen“, erwiderte Sam.
„ Oh, das ist nicht schwer, denn soviel Positives gibt’s gar nicht. Es ist deprimierend…“ Rodney verzog verächtlich den Mund. „ Die Lebenserhaltungssysteme laufen- Gott sei Dank- einwandfrei und auch die Energieversorgung ist relativ stabil.“
„ Relativ?“ Sam zog ihre Augebrauen demonstrativ hoch und Rodney seufzte resigniert.
„ Sie sind stabil…noch“, entgegnete er, schnappte sich seinen Computer. „ Was auch immer dieses Schiff mit Energie versorgt… es scheint auch nach zehntausend Jahren noch einwandfrei zu arbeiten.“
„ Sehen Sie, deshalb bin ich hier“, sagte Sam.
„ Wozu sind Sie hier?“
„ Geben Sie schon zu, dass Sie das alles hier ziemlich beeindruckend finden, Rodney. Ein Schiff der Antiker! Das ist eine große Entdeckung!“ Sam schien aufgeregt zu sein und ihre blauen Augen sprudelten vor Begeisterung nur so über.
„ Erstens, wissen wir noch nicht einmal, ob es sich wirklich um ein Schiff der Antiker handelt…“- Er sah sie provozierend an-„… und zweitens: ja, vielleicht finde ich das alles hier schon ein wenig… beeindruckend.“
Sam lächelte ihn freundschaftlich an. „ Ich werde Col. Mitchell Bescheid geben, dass er sich mit Col. Sheppard kurzschließen soll, wo sie nach Ihrer „geheimnisvollen“ Energiequelle suchen sollen.“
„ Der Colonel ist auch hier?“
„ Er hat Major Lorne seinen Platz im Jumper mit der Begründung ausgespannt, dass Atlantis nicht ohne militärische Leitung bestehen kann und dass er mich vor Ihnen beschützen muss.“
„ Charmant“, brummelte Rodney. „ Und lassen Sie mich raten... Sie haben Radek den Platz weggeschnappt?“
„ Nicht direkt weggeschnappt“, antwortete Sam. „ Er wird mit dem nächsten Jumper kommen.“
„ Moment, nächster Jumper? Wie viele haben denn noch vor zu kommen?“ Rodney wunderte es, dass Elizabeth einen derartigen Ansturm zuließ… Doch je mehr er darüber nachdachte, desto mehr war er der Meinung, dass dies nicht Elizabeths Handschrift trug, sondern John Sheppards…
„ Dr. Beckett und zwei seiner Krankenschwestern sind mit mir und Col. Mitchell angekommen“, gab Sam zu verstehen. „ Außerdem ein paar Techniker, Statiker und ein kleiner, quirliger Wissenschaftler. Ich glaube er heißt Collins.“
Rodney seufzte. „ Dann hoffen wir mal, dass sich ein paar dieser Leute hierher verirren. Ich bin nicht gerade scharf darauf, die Datenbank allein durchzugehen.“
„ Sehen Sie…“- Sam klopfte ihm auf die Schulter-„… und auch deswegen bin ich hier.“
„ Oh, ja“, sagte Rodney pessimistisch, „ dass verspricht ein großer Spaß zu werden.“

TBC
... kann schnell vergehen by Ailya
Der Mensch ist für eine freie Existenz gemacht, und sein innerstes Wesen sehnt sich nach dem Vollkommenen, Ewigen und Unendlichen als seinem Ursprung und Ziel.


„ Hhm…“ Eigentlich war es nichts Besonderes, was da aus Rodney McKays Kehle drang… genaugenommen nur drei Buchstaben- dennoch ließen sie Samantha Carter leicht zusammenzucken und zu ihrem kanadischen Kollegen aufblicken. Sie kannte Rodney jetzt schon seit mehreren Jahren- inzwischen mussten es schon an die zehn sein- und während dieser Zeitspanne hatte sie folgende Gesetzmäßigkeit für sich entdeckt: Ein „Hhm“, ausgesprochen von Dr. Rodney McKay, konnte viele Bedeutungen haben. Entweder: Hhm, interessant. Oder: Hhm, ach du Schande! Meistens aber bedeutete ein „Hhm“ von Rodney aber „ Hhm, ach du Schande!“
Sam ruhte für einen kurzen Augenblick von ihrer Arbeit- schließlich war sie der Annahme, dass das Diagnoseprogramm nicht unter ständiger Beobachtung stehen musste- und musterte Rodney skeptisch. Normalerweise war es nicht schwer in seinem Gesicht zu lesen, doch diesmal… Seine Miene sagte gar nichts, schien geradezu ausdruckslos zu sein. Er starrte einfach nur auf seinen Tablettlaptop, von dem die glaubte, dass er ihn in der letzten halben Stunde nicht eine Sekunde aus der Hand gelegt, geschweige denn den Blick davon abgewendet hatte. Sam verspürte das Verlangen ihn zu fragen, ob etwas nicht stimmt und wenn ja was, aber irgendwie fesselte sie dieser untypische Ausdruck in seinem Gesicht.
„ Hhm…“, machte Rodney da wieder und auf einmal kam Bewegung in sein Gesicht. Er runzelte die Stirn, zog seine gekräuselten Augenbrauen hoch und schürzte die Lippen.
„ Stimmt was nicht?“ Sam wusste, dass sich diese Frage eigentlich erübrigte, denn jetzt konnte sie in Rodneys Gesicht lesen, wie in einem offenen Buch. Verwirrung, leichte Sorge…
„ Vor ein paar Minuten gab es einen minimalen Energieanstieg eine Ebene unter uns“, antwortete Rodney, ohne dabei zu aufzusehen. Rastlos wanderten seine blauen Augen über den Display seines Computers, schienen die Informationen einzusaugen.
„ Minimal?“ Sam war um den Tisch, der sie beide voneinander trennte, gekommen und warf ebenfalls einen schnellen Blick auf das Wirrwarr an Zahlen und Zeichen auf dem Display. Es war antikisch, manches konnte sie entziffern, anderes wiederum nicht…
„ Nun ja…,“- Rodney sah zu ihr auf-, „… in Atlantis würde es vielleicht gerade einmal reichen, um ne´ Glühbirne zum Leuchten zu bringen. Aber…“
„ Dieses Aber hört sich nicht gut an“, sagte Sam leise und bedachte ihren Kollegen nachdenklichen Blickes. „ Was meinen Sie mit „aber“?“
„ Ich will nur sagen, dass ich mich nicht an irgendwelchen Berechungen festhalten möchte“, erwiderte Rodney. „ Wer weiß, was minimal hier zu bedeuten hat!“
„ Sollen wir jemanden hinschicken?“
„ Besser wäre es.“ Rodney seufzte resigniert. „ Ich persönlich bin nicht gerade scharf darauf böse Überraschungen zu erleben.“
„ Vielleicht…“, setzte Sam an, doch das Geräusch der sich öffnenden Türe und ein aufgebrachtes „ Rodney!“ unterbrachen sie. John Sheppard, sichtlich mies gelaunt, stürmte hinein und baute seinen großgewachsenen Körper inmitten des sowieso schon ziemlich engen Raumes auf.
„ Was zur Hölle war da eben los?“, herrschte er Rodney an, der ihn daraufhin aber nur verwirrt ansah.
„ Was meinen Sie sie mit, was zur Hölle war da eben los?“, fragte der Kanadier vorsichtig. „ Was ist passiert?“
John machte den Mund auf, um eine Beschimpfungsarie auf seinen Kollegen hinabregnen zu lassen, schloss ihn aber wenige Augenblicke später, als Rodneys Worte in seinem Gehirn angekommen waren. Fast augenblicklich lösten sich seine wütenden Gesichtszüge und zurück blieb nur leichte Verwirrung und eine gerunzelte Stirn.
„ Heißt da, Sie haben das nicht gespürt?“ Die Stimme des Amerikaners klang auf einmal leise, fast schon ein wenig unheimlich. Seine haselnussfarbenen Augen blickten zwischen Rodney und Sam hin und her. Schweigen.
„ Ähm… was sollen wir denn gespürt haben?“, fragte Sam schließlich, versuchte sich dabei an irgendetwas Merkwürdiges zurückzuerinnern, was der Colonel vielleicht meinen könnte.

Johns Blick wurde noch verwirrter. „ Sie haben das echt nicht gespürt? Dieses Beben? Die Wände haben gewackelt und uns ist fast die Decke auf den Kopf gefallen! Mal abgesehen davon, dass Teyla um ein Haar von einem wasweißich wie schweren Teil zerquetscht worden wäre?“
Nun lag es an Sam und Rodney verwirrt zu gucken, doch bei Rodney dauerte es nur wenige Sekunden an, denn plötzlich stieß er einen undefinierbaren Laut aus und griff nach seinem Computer.
„ Wo…wo waren Sie, als das passierte?“, wollte er von John wissen, doch sein aufgeregter Ton irritierte den dunkelhaarigen Piloten nur noch mehr.
„ I…ich weiß nicht“, antwortete er, „ vielleicht eine Ebene unter oder über Ihnen. Tut mir Leid, aber einen Lageplan habe ich leider noch nicht entdeckt.“
Rodney klemmte sich seinen Computer unter den Arm und sah John auffordernd an. „ Bringen Sie mich dahin!“
„ Was?“ John sah ihn entgeistert an. „ Vielleicht haben Sie mich eben nicht richtig verstanden, Rodney, aber ich…“
„ Die Energiequelle!“, murmelte Sam plötzlich und die beiden Männer sahen zu ihr auf. Rodney schien sich endlich bestätigt zu fühlen, während Col. Sheppard noch immer nicht zu verstehen schien.
„ Was für eine… Energiequelle?“, fragte der Teamleader von AR-1 und machte dabei einen Schritt auf sie zu.
„ Die, die dieses Schiff am Laufen hält“, antwortete Rodney. „ Sie müssen über sie gestolpert sein.“
„ Diese Energiequelle versorgt dieses Schiff schon seit über zehntausend Jahren“, fügte Sam hinzu. „ Es wäre eine große Entdeckung!“
„ Diese Energiequelle…,“- John machte eine unkoordiniert aussehende Bewegung mit der rechten Hand-, „… ist das so etwas wie ein ZPM?“
Allein das Wort reichte aus, um Rodneys blaue Augen strahlen zu lassen und ein lächeln zog sich über seine Lippen. „ Ja, nur mindestens eintausend Mal stärker und langlebiger, als die ZPMs, die wir kennen.“

++++++++++++++


Elizabeths Augen schmerzten bereits; die leuchtenden Bilder und die lebensechten Hologramme spielten sich im Sekundentakt vor ihren Augen ab. Dennoch wollte sie nicht aufhören! Es war beinahe wie eine Sucht geworden- die Informationen, die sie in den vergangen Stunden erlangt hatte, schienen sie so gefesselt zu haben. Sie hatte Aufzeichnungen über die Geschichte der Antiker gefunden, die Baupläne der verschiedensten Schiffe. Von Atlantis! Informationen über fremde Galaxien, verbündete Völker. Sie… sie hatte sozusagen den Heiligen Gral gefunden! Niemals hatte sie sich so etwas erhofft…
Vertieft in einen Bericht über eine Antikerin namens Melia, bemerkte sie nicht, wie sich Daniel Jackson ich näherte.
„ Faszinierend, nicht wahr?“ Sie zuckte zusammen, drehte sich dann ganz langsam zu ihm um. Ein breites Grinsen war auf seinen Lippen und seine Augen funkelten selbst nach Stunden noch freudig.
„ Jaja.“ Elizabeth nickte. „ Es ist… Ich kann es gar nicht beschreiben! Die Erkenntnisse, die ich allein in der letzten halbe Stunde gewonnen habe… Es ist unglaublich!“
Dr. Jackson stellte sich neben sie auf das kleine Podest, schien die Niederschrift Melia´s zu überfliegen. Sie musste eine wirklich erstaunliche Frau gewesen sein, wenn man der Überlieferung Glaubens schenken konnte. Sie hatte mit Janus zusammen gearbeitet, war sozusagen seine „rechte Hand“ gewesen und… Elizabeth verlor sich wieder in dem Text, staunte.
„ Es scheint ja ein echter Glücksfall für uns zu sein“, fasste Daniel Jackson das in Worte, was sie schon seit geraumer Zeit dachte.
„ Am Anfang dieser Expedition hatte ich Angst, dass wir in den Wirren umkommen werden, doch jetzt…,“- Elizabeth jauchzte-, „… jetzt befinde ich mich auf einem Schiff der Antiker. Die Chancen, die sich uns damit eröffnen…“- Sie sah Daniel eindringlich an- „ Wir könnten endlich, nach all diesen Jahren einen Weg finden, die Galaxie aus den Fängen der Wraith zu befreien!“
Daniel Jackson schmunzelte still in sich hinein. Er schien ihren Enthusiasmus recht amüsant zu finden- zugleich auch ihm die Begeisterung ins Gesicht geschrieben stand.

Elizabeth seufzte leise und schloss einen Moment lang ihre erschöpften Augen, um das Gesehene auf sich wirken zu lassen. Es war so viel! Unendlich viele Eindrücke dröhnten auf sie ein, doch trotzdem wurde sie nicht müde… Höchst selten hatte sie die Gelegenheit gehabt… eigentlich, wenn sie genauer darüber nachdachte, hatte sie noch nie eine solche Gelegenheit gehabt und sie war sich sicher, dass sie sie nicht ein zweites Mal erhalten würde…
Sie öffnete ihre Augen, sah zu Daniel herüber… und wünschte sich, sie hätte ihre Augen geschlossen gehalten.
„ Dr. Jackson?“, fragte sie ihn vorsichtig, der mit aschfahlem Gesicht auf das Hologramm starrte und dabei aussah, als hätte er einen Geist gesehen.
„ Oh nein…“, hauchte der Archäologe plötzlich und sah sie mit Angst geweiteten Augen an.
Elizabeth schluckte. Irgendetwas beunruhigte sie. Sein Gesichtsausdruck beunruhigte sie. Er beunruhigte sie. Nein, irgendetwas stimmte nicht…
„ W…was ist?“, fragte sie ihn noch vorsichtiger, als beim ersten Mal, und ihre Stimme drohte zu versagen.
Daniel Jackson schüttelte den Kopf, fuhr mit einer Hand über ein Panel auf dem Schalpult- das Hologramm verschwand-, und schien es auf einmal sehr eilig zu haben.
„ Wir müssen weg hier!“, sagte er atemlos. „ Wir müssen weg und zwar schnell!“

TBC
The philosophy of death by Ailya
Teyla hielt so still, wie es ihr nur eben möglich war, während Carson Beckett- allseits geliebter Arzt- mit allergrößter Vorsicht ihre Hand untersuchte. Zuerst hatte sie sich gesträubt den Mediziner aufzusuchen, hatte John verzweifelt klarzumachen versuchte, dass es ihr gut ging und dass er sich keine Sorgen machen brauchte. Doch er hatte darauf bestanden, hatte sie beinahe schon flehend angesehen und so war sie schlussendlich doch gegangen… und war froh! Ihr Handgelenk war angeschwollen und schmerzte, wenn man es berührte. Sie wusste zwar nicht warum es das tat, aber die Tatsache, dass es das tat genügte ihr…

Mit leicht vor Schmerz verzogener Miene saß sie auf einem der staubigen Tische in der Kantine und beobachtete, wie Carsons geschickte, eiskalte Finger über ihr heißes, dick angeschwollenes Handgelenk wanderten. Die Stirn des Schotten lag in Falten, sein Blick war gewissenhaft… doch als er zu ihr aufblickte, zog sich ein breites, freundliches Lächeln über sein Gesicht. So lächelte nur er! Niemand sonst lächelte so. Es war fast so, als hätte er dieses Lächeln patentiert… Carsons Lächeln war schon immer etwas Besonderes gewesen; es war aufmunternd und hatte schon so manchen aus einer Schaffenskrise herausgeholt… sogar Rodney McKay!
„ Ich kann Sie beruhigen, meine Liebe“, sagte Carson, sein Lächeln noch immer lächelnd. „ Es ist nur leicht geprellt, aber nicht gebrochen oder verstaucht. Trotzdem werden Sie in den nächsten Tagen etwas Obacht darauf geben müssen.“
„ Danke, Carson.“ Teyla strich sich mit ihrer gesunden Hand eine ins Gesicht gefallene, rostbraune Haarsträhne hinters Ohr.
„ Das ich Sie nicht dabei erwische, wie sie dem Colonel oder jemanden anderes das Leben schwer machen“, fügte Carson tadelnd hinzu. „ Kein Training in den nächsten Tagen, verstanden?“
Teyla seufzte und nickte ergeben. „ Ich werde mich hüten.“ Vorsichtig kletterte sie von dem Tisch und beobachtete Carson, wie er seine Utensilien in das dazugehörige, knallorange Erste Hilfe-Köfferchen zurückpackte und sich dieses anschließend unter den Arm klemmte. Teyla wartete auf ihn, hatte sich vorgenommen ihn zu begleiten…

„ Wie gefällt Ihnen die Krankenstation?“, fragte sie ihn, als sie beide nebeneinander durch die Gänge der Artemis gingen. Sie selbst und Ronon hatten den abgeschotteten Raum entdeckt, der nicht unweit des Maschinenraums und den Quartieren lag. Er war etwas kleiner, als die Krankenstation von Atlantis, aber es ließ keinen Zweifel offen, dass es sich dabei um eine Konstruktion der Antiker handelte. Die Täfelung der Wände waren über und über mit lantianischen Schriftzeichen versehen waren; sie erzählten von einer großen Schlacht, von hellen Blitzen am mit Sternen übersäten Nachthimmel, von Feuerbällen, die vom Himmel hinabregneten und alles zerstörten, was sich ihnen in den Weg stellte- die Schriftzeichen erzählten ohne jeden Zweifel die Geschichte von Atlantis nach…
„ Im Großen und Ganzen gibt es eigentlich keine sonderlichen Unterschiede zu der in Atlantis“, antwortete Carson auf ihre Frage und riss sie damit aus ihren Erinnerungen. „ Dennoch… Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas einmal zu Gesicht bekommen würde. Die Technik gleicht der von Atlantis, aber trotzdem… aber trotzdem auch wiederum nicht.“ Er seufzte resigniert. „ Es ist schwer zu erklären und es wird zeit in Anspruch nehmen, bis ich mich mit allem vertraut gemacht habe.“ Wieder zuckte ein Lächeln über das Gesicht des Schotten, doch diesmal strahlte es etwas anderes aus. Erwartung, Neugier und etwas, was sie nicht richtig einzuordnen wusste.
Teyla schenkte ihm ein mildes Lächeln und blickte dann wieder den scheinbar endlos langen, nie enden wollenden Gang entlang. Die ihn verschlingende Dunkelheit wirkte geheimnisvoll und es schienen sich dünne Nebelschwaden durch die Luft zu ziehen. Sie war schon oft auf Planeten gewesen, wo es so ähnlich ausgesehen hatte, dennoch schien es diesmal anders zu sein…

Ein leichter Windzug hauchte an ihrem Ohr vorbei und ihr lief ein eiskalter Schauer über den Rücken.
Erea tucaméi slatos theca artemis macusa.Tua est kartanis mutiá jumiá keltana.
Teyla blieb stehen und lauschte. Hatte sie sich das nur eingebildet, oder...
„ Stimmt etwas nicht?“ Carson war ebenfalls stehen geblieben und musterte sie irritiert.
„ Ich…“, brachte sie hervor, doch dann verebbte ihre Stimme wieder. Ihre braunen Augen wanderten gen Decke, suchten nach dem Nichtexistenten. Es war still und Teyla glaubte ihren eigenen Herzschlag zu vernehmen. Carsons Schritte, die sich ihr langsam näherten, wirkten in dieser gespenstischen Stille wie ein Donnern und sein Atem wie ein dunkles Grollen. Als sich seine Hand auf ihre Schulter legte, zuckte sie wieder zusammen, drehte sich dann ganz langsam zu ihm um. Sorge stand in das Gesicht des freundlichen Schotten geschrieben, seine Stirn warf Falten.
„ Es ist alles in Ordnung“, versicherte sie ihm, versuchte ihre schwächelnde Stimme durch ein Lächeln auszugleichen. „ Warum gehen Sie nicht schon einmal vor? Ich werde noch einmal nach Ronon sehen.“
Carson schien ihren Vorschlag zu überdenken, doch dann nickte er, wirkte aber nicht erleichtert.
„ Okay“, sagte er, immer noch nickend, und nahm seine Hand wieder von ihrer Schulter. „ Wenn Sie etwas brauchen, wissen Sie ja, wo Sie mich finden.“
Teyla deutete ein Nicken an. „ Ich werde dann jetzt gehen. Viel Vergnügen Ihnen noch.“ Sie wandte sich von ihm ab und setzte sich langsam in Bewegung, spürte seinen skeptischen Blick in ihrem Nacken brennen… Es ließ erst nach, als sie um eine Ecke gebogen war und sich dort gegen die nächstgelegene Wand lehnte. Sie schnappte einmal kurz nach Luft, hoffte, dass Carson schon weitergegangen war und es nicht gehört hatte.
Leicht verstört schloss sie ihre tiefbraunen Augen und versuchte einen möglichst klaren Kopf zu behalten und sich an das soeben Geschehene zu erinnern. War das wirklich die Stimme einer Frau gewesen, die sie da eben gehört hatte?

Es war Carsons schmerzverzerrt klingender Aufschrei, der sie dazu brachte ihre Augen aufzureißen und ihre Gedanken nur auf eines zu fixieren. Carson!
Teyla hechtete um die Ecke herum, erblickte den Schotten am Boden liegend, umgeben von etwas hell Leuchtendem. Dieses Etwas hatte den leblosen Körper des Mediziners komplett umhüllt, nur schwerlich war Carsons Silhouette zu erkennen. Seine stahlblauen Augen stachen aus dem funkelnden, leuchten Etwas heraus, trafen ihren Blick, schienen zu um Hilfe zu schreien.
Ein erschrockenes, sehr erstickt klingendes „ Carson“ brach über Teylas Lippen und ihre Beine setzten sich, ohne auf ihren Befehl zu warten, in Bewegung, wollten sie zu ihm bringen, wollten sie animieren ihm zu helfen.
Die wenigen Sekunden, die sie rannte, kamen ihr wie Stunden vor. Ihre Beine schienen festzukleben, irgendwas schien zu halten, wollte sie daran hindern zu ihm zu gelangen. Plötzlich, abrupt blieb sie stehen- es erschreckte sie selber! Sie wusste nicht was… Sie wusste nicht wie…
Erea tucaméi slatos theca artemis macusa.Tua est kartanis mutiá jumiá keltana.

Ihr eigener kehlig klingender Schrei ließ sie zusammenfahren, zusammenzucken. Sie merkte noch, wie ihre Arme zurückruderten, als das funkelnde Etwas binnen Sekunden um sie hüllte und sie zu Boden gingen ließ, wie Carson. Ihr Aufprall auf dem staubigen Boden hallte in ihren Ohren nach, klang wie ein Donnergrollen. Sie wollte schreien, war sich sicher, dass sie das auch tat, aber über ihre Lippen kam kein Laut. Ihr Blick wanderte panisch zu Carson.
Seine geschlossenen Augen und der leblose Ausdruck auf seinem Gesicht waren das Letzte, was sie sah, ehe ein fast schon animalisch klingender Schrei aus ihrer Kehle drang und sich ein undurchdringlicher, schwarzer Schleier über ihre Augen legte, die Dunkelheit das Licht übermannte und sich alles in ein tiefes Nichts hüllte.

++++++++++++


Es war eine Odyssey gewesen! Nur unfreiwillig hatte John die beiden Wissenschaftler in den Sektor geführt und war zusammengezuckt, als der von der Decke gestürzte Brocken in sein Sichtfeld kam und schlimme Erinnerungen in ihm weckte. Er hätte sie zerquetschen können…
„ Empfange schwache Energiesignaturen“, murmelte Rodney, schien ein wenig desinteressiert, doch als er aufblickte, sah John, dass die Augen des Kanadier funkelten, wie die eines kleinen Kindes im Spielzeuggeschäft.
Rodney ließ sein kleines Anzeigegerät in der Tasche seiner Uniform verschwinden und bahnte sich vorsichtig einen Weg um den Brocken herum. Zielsicher steuerte auf eine sich am Ende des Ganges befindende Tür zu, von der John feststellen musste, dass sie ihm beim ersten Mal nicht aufgefallen war.
Er selbst war, kaum dass er den Sektor getreten war, stehen geblieben und betrachtete Rodneys Vorgehen aus der Ferne. Der Kanadier schien seiner Meinung nach ganz genau zu wissen, wonach er zu suchen hatte; seine Hände strichen über die Tür, dann über die nächstgelegene Wand.
„ Nach was suchen wir eigentlich?“, fragte John seinen Kameraden, doch dieser antwortete ihm nicht, starrte stattdessen eine leicht Erhebung intensiv an. Der Astrophysiker stand mit dem Rücken zu ihm, sodass John nicht erkennen konnte, was Rodney da tat.
„ Haha, ich wusste es“, hörte er ihn schließlich mit einem leicht triumphalen Unterton in seiner Stimme rufen, welche Sekunden später von einem leisen, aber wohl bekannten Zischen übertönt wurde. John hob seinen Blick, ließ seine haselnussfarbenen Augen durch den Gang wandern und erblickte Rodney vor einer geöffneten Tür stehend.
„ Rodney?“, rief er zögerlich und runzelte die Stirn, als der Kanadier nicht darauf reagierte, es noch nicht einmal registrierte, dass er gerufen worden war.
„ Rodney“, versuchte es John noch einmal und diesmal drehte sich der Gerufene zu ihm um. Der Ausdruck in seinem Gesicht war schwer zu deuten und normalerweise konnte man in Rodneys Gesicht wie in einem offnen Buch lesen. Doch diesmal…
Die stahlblauen Augen des Kanadier waren stur in seine Richtung gerichtet und seine Lippen bebten; er schien etwas sagen zu wollen, aber vermochte es nicht.
Widerstrebend setzte sich John langsam in Bewegung und ging auf seinen Freund zu. Mit säuerlicher Miene machte er einen Bogen um den hinab gestürzten Brocken, sah dann gen Decke, die jetzt aber im Gegensatz zu vorhin einen recht stabilen Eindruck auf ihn machte.
„ D…das müssen Sie sich ansehen“, ereilte ihn Rodneys leicht zitternde Stimme, als er ihn fast erreicht hatte. Die Dringlichkeit dieser Aussage ließ John fast automatisch das Tempo anziehen, sodass er nur wenige Augenblicke später neben dem Kanadier stand. Mit allmählich herunterklappender Kinnlade registrierte er das, was Rodney gemeint hatte. Er kniff die Augen zusammen und rieb sich übers Gesicht, als ob er sich selbst aus einem Alptraum wecken wollte. Doch dies war kein Alptraum. Noch nicht einmal im Entferntesten..

So etwas hatte er noch nie gesehen! Das, was da vor ihm und Rodney lag und was den Kanadier dermaßen perplex gemacht hatte… nein, er hatte so etwas noch nie gesehen!
Der Raum schien riesig zu sein, fünf- oder gar sechsmal so groß wie das Gaterium in Atlantis. Es war dunkel, aber dennoch war eine Art schmaler Steg zu erkennen, der in die Dunkelheit hineinführte und im Nirgendwo zu enden schien.
Der Raum hatte eine runde Form, an den Wänden ringsum waren schwach schimmernde Leuchten angebracht.
„ Wow“, stießen John und Rodney geradezu gleichzeitig hervor und sahen sich an.
„ Was…was zur Hölle ist das?“, fragte John und machte einen vorsichtigen Schritt vorwärts. Fast augenblicklich flammten sie Leuchten an den Wänden auf, hüllten den Raum in ein helles Licht. Leuchten säumten den anscheinend ins Nichts führenden Steg. John war stehen geblieben und beobachtete wie sich die Stegleuchten entzündeten und zusammen mit den Wandleuchten das wirkliche Ausmaß des Raumes sehen ließen.
„ Großer Gott…“ Seine Augen waren nicht schnell genug, um alles aufzunehmen, die Größe erschlug ihn. Der Raum musste die Ausmaße von Atlantis haben, er war riesig, monströs oder was einem noch für Beschreibungen dafür einfielen.
Der Steg war nun vollkommen erleuchtet; blickte man über die Kante hinweg, sah man nichts als Dunkelheit und wieder Dunkelheit. Blickte man gen Decke schien sich diese ebenfalls irgendwo zu verlieren.
Inmitten dieses Raumes- wenn man es überhaupt noch als solchen bezeichnen konnte- ragte eine riesige, hell erleuchtete Säule in die Höhe, von der drei kleiner Stege wegführten. Zwei von ihnen endeten in einer runden Plattform- auf einer von ihnen befand sich eine Art Steuerpult, ähnlich einem DHD und ebenfalls erleuchtet.
Der dritte abzweigende Steg war trotz der Leuchten im Halbdunkeln und es fiel schwer zu erkennen, wo er endete. Er schien nur unwesentlich länger und breiter als die anderen beiden zu sein. John kniff seine Augen zusammen, blinzelte in die Dunkelheit hinein. Seine Miene wurde starr, als er ihm so bekannte Umrisse erkannte.
„ Rodney…“, sagte er so leise, dass er bezweifelte, dass der Kanadier es gehört hatte. Doch er hatte es gehört! Binnen Sekunden tauchte er neben ihm auf. Sein geräuschvolles Luftholen signalisierte John, dass auch er das erkannt hatte, was er glaubte erkannt zu haben.

Im schummerigen Licht der antiken Leuchten schimmerten die Chevrons golden. Von Ferne aus betrachtet wirkte das in die Höhe ragende Gate so wie eine Aneinanderreihung, wie eine aus den verschiedensten Modulen zusammengesetzte Kette.
Nicht nur, dass es anders aussah… das hiesige Gate schien zudem noch größer zu sein, als die anderen, die sie schon zu Gesicht bekommen hatten.
„ Ein Raumschiff mit einem Stargate“, sagte John schließlich. „ Hhm, das hat man auch nicht alle Tage.“ Er blickte zu Rodney oder er blickte in die Richtung, wo der Kanadier gestanden hatte.
Wie die Mücke zum Licht, zog es Rodney vorwärts; seine Augen schienen auf das Gate gerichtet zu sein. John wollte ihn zurückrufen, doch irgendetwas in ihm sagte ihm, dass er das lassen sollte. Statt dort zu warten, wo er war, setzte auch er sich langsam in Bewegung, folgte Rodney.
Während er dies tat, wanderte sein Blick unter die Decke, versuchte sie in der Dunkelheit auszumachen- vergebens… Wie waren die Antiker nur imstande gewesen etwas dermaßen Großes zu bauen? Schon als er Atlantis betreten hatte, war diese Frage in ihm aufgekeimt, doch dieses Mal… Fast unerschöpfbare Achtung vor diesen Personen füllte Johns Seele und in diesem Augenblick fühlte er sich ihnen so verbunden wie noch nie zuvor…

„ John!“ Rodneys Schrei riss ihn aus seiner Bewunderung zurück in die Realität... in die Realität, in der sein Teammitglied zu Boden gegangen war und sich im Staub krümmte.
„ Scheiße…“ John spürte, wie seine Beine sich sträubten seinem Befehl loszulaufen nachzukommen und wie sämtliche Alarmglocken zu schrillen begannen. Sein Körper war ebenso stur wie er, hasste es auf Befehle einzugehen, von denen er wusste, dass sie in einer Katastrophe enden würden, wenn man sie beachtete.
John biss sich auf die Oberlippe, schmeckte plötzlich Blut. Rodneys Schrei dröhnte in seinen Ohren und… er lief los! Er konnte es nicht ertragen seinen Freund so zu sehen; am Boden liegend, fast vollständig umhüllt von etwas Undefinierbaren. Undefinierbar! Deshalb schrillten die Alarmanlagen in seinem Kopf, versuchten ihn zurückzuhalten, versuchten ihm zu sagen, dass er sich in Sicherheit bringen sollte. Der Mensch hatte von Natur aus Angst vor allem Übernatürlichen und Undefinierbarem, doch…
„ John!“ Rodneys Stimme war nun nicht mehr als ein kehliges Krächzen, dieses helle Etwas hatte ihn fast vollkommen umhüllt und John zog das Tempo an.

Er wusste nicht, was ihn zum Straucheln gebracht hatte, er wusste nur, dass plötzlich ein unerträglicher Schmerz durch seine Wade und schließlich durch seinen ganzen Körper jagte. Mit einem dumpfen Geräusch schlug er auf dem Steg auf, es fühlte sich an, als zerschellte sein Schädel an dem harten Untergrund. Der Schrei, der über seine Lippen brach, hallte an den Wänden wieder; ein Teil verlor sich in der Dunkelheit, der andere Teil prügelte in doppelter Lautstärke auf ihn ein.
Verdammt, fuhr es ihm durch den Kopf, ehe ein stechender, Luft abschneidender Schmerz ihm das Denken unmöglich machte. Sein Atmen wurde holprig und das Letzte was er sah, bevor alles um ihn herum schwarz und von einem ohrenbetäubenden Brummen übertönt wurde, war, wie Rodneys Kopf leblos zur Seite kippte.
Erea tucaméi slatos theca artemis macusa.Tua est kartanis mutiá jumiá keltana.

TBC
Stunde des Erwachens by Ailya
Sein Kopf dröhnte und fühlte sich an, als hätte man ein Eisenbahngleis hindurch verlegt, als sich der Schleier vor seinen Augen allmählich lichtete und der schwache Lichtschein ihn zurückzucken ließ. Das alles erinnerte erschreckend an seine Collegezeit! Partys, Mädels und ne´ Menge Alkohol- diese drei Sachen stets zusammen, aber in einer ständig variierenden Reihefolge und mit einem schlimm verkaterten Morgen. Es war schrecklich gewesen!
Das Erste, was John sah, als er wieder einigermaßen Herr über seine Sinne zu sein schien, waren die verschwommenen Umrisse der Deckenkonstruktion. Diese schien ihm auf einmal viel näher zu sein, als vorhin und vermutete, dass er wahrscheinlich tot sei, obwohl er stark bezweifelte, dass man einen Platz im Himmel für ihn reserviert hatte. John blinzelte, als der- seiner Meinung nach- viel zu helle Lichtschein ihm die Tränen in die Augen trieb und schloss diese ebenso schnell wieder, wie er sie geöffnet hatte. Mit einem Stöhnen ließ er seinen Kopf wieder sinken und versuchte sich daran zu erinnern, warum er hier eigentlich lag und warum sich sein Kopf anfühlte, als stände er kurz vor er Explosion. Das Einzige, woran er sich erinnern konnte, war, dass Rodney und er diesen verdammt großen Raum entdeckt hatten- Gaterium, um es genauer zu definieren. Dann erinnerte er sich an einen großen Schmerz und an Rodney kehligen Schrei und dann an diese Dunkelheit, die ihn übermannt hatte. Es war…
„ Rodney!“ John erschrak selbst, als die Sorge um seinen Freund plötzlich über seine Lippen brach und prompt mit einem Ziehen im Kopf bestraft wurde. Wieder stöhnte er leise, doch irgendwas stachelte ihn dazu an, dem Licht und den Schmerzen zu trotzen. Unter leisem Ächzen schlug er seine haselnussfarbenen Augen auf, stützte sich auf seine Ellenbogen und richtete seinen Oberkörper auf, soweit es nur eben ging.
Seine Umgebung war in Dunkelheit gehüllt- dennoch konnte er Umrisse und Schatten erkennen.

„ R…rodney?“ Diesmal klang seine Stimme nicht mehr ganz so souverän wie beim ersten Mal, klang erstickt, drohte in sich zusammenzubrechen. Langsam- unter Protest seines Körpers- richtete John sich weiter auf, ließ seinen Blick suchend umher schweifen. Die Ohnmacht spielte mit ihm, wie ein kleines Kind mit Murmeln- immer wieder wurde ihm schwindelig, er stolperte leicht zurück, konnte sich gerade noch abfangen. Immer wieder drohte sich erneut ein Schleier vor seine Augen zu legen, doch er kämpfte dagegen an. Es war nicht leicht, doch irgendwie schaffte er es immer wieder sich auf die Beine zu kämpfen- auch wenn diese unter Zittern protestierten.
„ R…rodney!“, rief John abermals und wedelte Balance suchend mit seinen Armen. Er kam sich vor, wie ein tollpatschiges Kleinkind, das seine ersten Gehversuche machte. „ Rodney! W…wo sind Sie?“

Ein leises Grummeln oder doch eher als Murren deutbares Geräusch drang an sein Ohr und dann sah er ihn... Rodney war nur wenige Meter von ihm entfernt, lag zusammengerollt wie eine Katze auf dem Boden, sein Gesicht schmerzverzerrt, zitternd am ganzen Körper, mit bebenden Schultern und Lippen.
„ Rodney!“ John torkelte, so schnell es ging, zu seinem kanadischen Freund herüber und kniete sich neben ihm nieder, rollte ihn auf den Rücken. „ Hey, können Sie mich hören?“
„ Mhmh…“, machte Rodney und schlug seine blauen Augen auf, kniff sie aber sofort wieder zu, stöhnte auf.
„ Hey, alles in Ordnung?“ John rüttelte an Rodneys Schulter, was dieser mit einem sehr ungnädig klingenden Geräusch zur Kenntnis nahm und widerstrebend seine Augen erneut öffnete.
„ W…was ist p…passiert?“ Rodneys Stimme klang so ähnlich wie die seine; krächzend, kehlig, schwach, kaum wahrnehmbar.
John rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht, als ob er sich aus einem Alptraum wecken wollte. Was sollte er dem Kanadier erwidern? Er wusste es selbst doch noch nicht einmal! Er konnte sich so gut wie gar nicht erinnern!
„ I…ich weiß es nicht“, antwortete schließlich, reichte dem am Boden liegenden Kanadier seine Hand und half ihm auf. Die ersten Sekunden schwankte Rodney gefährlich und wäre mit allergrößter Wahrscheinlichkeit in den Abgrund gestürzt, hätte er nicht Halt an der nächstgelegenen Brüstung gefunden.
„ Was…“, setzte Rodney an, rieb sich dann ebenfalls über Gesicht. Er verstummte und plötzlich sahen zwei blaue Augen durch seine Hände hindurch. „ Großer Gott!“
John legte seinen Kopf schief, zum einen, weil sein Nacken von dem Aufprall schmerzte und zum anderen, weil Rodneys Worte für leichte Verwirrung bei ihm sorgten.
„ Was ist?“, fragte er mit skeptischem Unterton und kräuselte die Stirn, als er in Rodneys Gesicht einen Ausdruck erkannte, der ihm aus irgendeinem Grund nicht so recht gefallen wollte.
Rodney drehte sich zu ihm um, machte dabei einen nicht sonderlich erleichterten Eindruck. „ Der Energieanstieg…“
„ Was? Rodney reden Sie bitte so, dass ich es auch verstehe.“ John rieb sich die Schläfe. „ Und im Moment verstehe ich bedauerlicherweise noch weniger also sonst, also bitte…“
„ Äh… bevor wir hierher gekommen sind habe ich einen minimalen Energieanstieg auf dieser Ebene verzeichnet“, stotterte Rodney und begann wild mit den Fingern zu wedeln und zu schnipsen- so, wie er es immer tat, wenn ihm etwas in den Sinn geschossen kam. „ Ich muss zurück!“
„ Was!?“ Verwirrt machte John dem Kanadier Platz, griff dann aber nach seinem Arm. „ Sollten wir nicht zuerst rausfinden, was da eben passiert ist?“
„ Deshalb muss ich ja zurück“, antwortete Rodney trocken und löste sich aus seinem Griff, seufzte dann resigniert, als er den leicht verwirrten Gesichtsausdruck seines Freundes vernahm. „ Hören Sie, ich glaube, dass das, was da eben geschehen ist- was auch immer es war- irgendetwas mit diesem Energieanstieg zu tun hat.“
John runzelte die Stirn. „ Sie glauben?“
„ Ich vermute es“, gab Rodney zurück, seufzte dann abermals. „ Ich brauche die Daten von meinem Computer, um das genau bestimmen zu können und deshalb muss ich zurück. Sie können gerne hierbleiben, wenn Sie wollen, aber ich…“
„ Jaja, schon gut. Ich komme mit.“ John setzte sich langsam in Bewegung, versuchte es zu ignorieren, dass sich alles um ihn herum drehte und dass seine Knie unter ihm nachzugeben drohten. Er biss die Zähne zusammen, wollte Rodney folgen, der schon im Gang verschwunden war, blieb aber noch einmal im Türrahmen stehen, wandte sich um und ließ seinen Blick noch einmal über die im schummerigen Licht golden glänzenden Chevrons des hiesigen Gates schweifen. Es war riesig, wirkte im Vergleich zu diesem „ Gaterium“ oder was auch immer das sein sollte schon fast klein.
John musste schlucken. Irgendwie keimte in ihm das Gefühl auf, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Irgendwas war falsch! Es fühlte sich falsch an! Aus einen ihm nicht erfindlichen Grund beunruhigte ihn der Anblick des Stargates. Irgendwas stimmte hier nicht! Was? Das galt es herauszufinden!
John ließ seinen Blick ein letztes Mal durch den riesigen Raum schweifen, drehte sich dann um, folgte Rodney.

++++++++


Irgendetwas stimmt hier nicht, spekulierte seine innere Stimme. Hier ist alles in Ordnung, kam die Antwort. Irgendwas stimmt hier ganz und gar nicht, meinte seine innere Stimme wieder. Du fantasierst, meinte die andere verquäkte Stimme wieder, hier ist alles in Ordnung!

John versuchte diesen inneren Monolog auszublenden, mit sich in Grenzen haltendem Erfolg. Seit gefühlten Stunden ging das nun schon so und so langsam wurde es ermüdend. Es waren zwei Gewalten, die da in seinem Inneren aufeinanderprallten und versuchten den Gegenüber von seiner Meinung zu überzeugen. Beide waren verbissen- so wie er- und beide dachten nicht daran aufzugeben- so wie er. John fühlte sich ausgeschlossen aus dieser Debatte, fühlte sich nur wie ein Zuschauer, der vom Rand aus alles betrachtete, aber der nicht eingreifen konnte. Das ganze Schauspiel auszublenden… ja, das war die Idee, doch an der Umsetzung haperte es ein bisschen. Die beiden Stimmen debattierten dermaßen laut, dass es fast ein Ding der Unmöglichkeit war sie zu ignorieren.
John seufzte leise in sich hinein, was in dem hitzigen Wortgefecht seiner beiden inneren Stimmen allerdings unterging. Er wandte den Kopf geradeaus, versuchte Rodney zu folgen, was sich seltsamerweise als äußerst schwierig entpuppte, da der Kanadier anscheinend zu Höchstform auflief, wenn es um seine Arbeit ging. Rodney hastete buchstäblich durch den Gang!
Seine Wenigkeit hatte keine Eile, zumal er viel zu sehr mit Denken und mit Ignorieren der beiden verquäkten Stimmen beschäftigt war. John verdrehte die Augen, als eine der beiden in seinem Kopf krakeelte: Hier stimmt irgendetwas nicht! Das muss dir doch auffallen! Herrgott, das sieht ja sogar ein Blinder mit nem´ Krückstock!
'Oh, verdammt! Haltet gefälligst eure Klappe', mischte sich John jetzt doch in das Wortgefecht ein und augenblicklich verstummten die beiden Stimmen; die daraus resultierende Stille war schon fast unheimlich.
„ Heilige Scheiße!“, posaunte da auf einmal Rodney in die Stille hinein und veranlasste John dazu, das Tempo anzuziehen. Zwischen ihm und dem Kanadier lag immerhin noch ein etwa 50 Meter langer Gang und eine schwere Eisentür, die Rodney- wie er halt war- nicht aufgehalten, sondern zufallen hatte lassen.
„ Sheppard!“ Wieder war es Rodneys Stimme, die in dazu brachte schneller zu laufen; ihm gefiel der merkwürdige Unterton in der Stimme des Astrophysikers nicht… sie klang leicht hysterisch, aber auch irgendwie angsterfüllt und geschockt.

John hastete durch den Gang, hatte das Gefühl, dass das wohl die längsten 50 Meter seines Lebens waren, und keuchte einmal, als er die schwere Tür aufstemmte und sich augenblicklich wieder alles zu drehen und vor seinen Augen zu verschwimmen begann.
Rodney stand nicht unweit von ihm entfernt, hatte sich mit vor Schreck verzerrtem Gesicht über eine am Boden liegende Gestalt gebeugt. Erst beim zweiten Blick erkannte John, dass es nicht nur eine Person war, sondern zwei; ein paar Meter entfernt lag eine weitere zusammengerollt. Und erst beim dritten Mal erkannte er, um wen es sich bei den beiden handelte.
Carson Beckett- der sympathische Schotte- lag zu Rodneys Füßen, war kreidebleich und erweckte den Eindruck, dass ihn eine schlimme Grippe erwischt hatte. Und…
„ Teyla!“ John lief an Rodney und an Carson vorbei, herüber zu der Athosianerin und ging neben ihr auf die Knie. Sie machte nicht gerade einen besseren Eindruck als Carson. John zog sie an den Schultern hoch und legte ihren Kopf auf seine Knie. Vorsichtig klatschte er mit der flachen Hand gegen ihre Wange. „ Teyla, können Sie mich hören? Teyla!“
Die Athosianerin begann ihr Gesicht zu verziehen, als ob sie Schmerzen hatte, schlug dann aber ihre Lider auf und blinzelte ihn mit ihren vollkommenen, tiefbraunen Augen an.

+++++++++


Teyla. Der Ausruf ihres Namens machte sie hellhörig, auch wenn dies mit unbeschreibaren Schmerzen geahndet wurde. Ihr Kopf schmerzte, ihr Körper fühlte sich an, als hätte man auf die eingeprügelt, aber dennoch konzentrierte sie sich auf diese raue Stimme, die von weit her an ihr Ohr drang und die ihr so bekannt vorkam.
Sie merkte, wie der Boden unter ihr leicht zu beben anfing; im Takt sich ihr nähernder Schritte. Dann hörte es plötzlich auf und es war wieder so unerträglich still; die Schmerzen droschen auf sie ein und sie schrie innerlich so laut, dass das Dröhnen ihrer Stimme ihren Kopf beinahe zum Platzen brachte. Doch über ihre Lippen kam kein einziger Ton. Sie merkte, wie sie jemand an den Schultern hochzog, wie dieser jemand ihren Kopf behutsam auf etwas unangenehm Hartes, zugleich aber auch Weiches, legte und sie spürte, wie etwas gegen ihre Wange klatschte. Teyla, können Sie mich hören. Teyla. Wieder war da diese Stimme, diesmal mit einem beinahe unmerklichen Unterton, der sie dazu brachte ihre Augen zu öffnen.

Erst war alles verschwommen; sie erkannte nur Umrisse. Irgendjemand hatte sich über sie gebeugt. Dann erkannte sie Schattierungen. Dieser jemand hatte dunkle Haare. Und dann- allmählich- konnte sie nähere Details sehen. Dieser jemand, der sich da über sie gebeugt hatte, hatte dunkle, fast schwarze Haare, die wirr von seinem Kopf abstanden, als hätte dieser jemand am Morgen vergessen in den Spiegel zu schauen. Sorgenvolle haselnussfarbene Augen sahen sie an. Ein ihr nur zu bekanntes, leicht schiefes Lächeln zog sich über sein Gesicht, als sie ihn ansah.
John.
Er hatte ihre Handgelenke fest umklammert und er machte nicht gerade den Eindruck, als hätte er vor, sie loszulassen. Sie wollte etwas sagen, doch ihr Rachen war staubtrocken und so war es nur ein Krächzen, was John zusammenzucken ließ.
„ Teyla?“ Sein Gesicht näherte sich dem ihren, bis auf nur wenige Zentimeter. „ Können Sie mich hören?“
Irgendwie- sie wusste nicht warum und woher- fand sie die Kraft, sich zu einem Nicken aufzuringen. Was ist passiert? Wo ist Carson? Was ist mit Ihnen? Die Fragen brannten auf ihrer Zunge, doch sie hatte noch immer nicht die Kraft sie auszusprechen. Ihre Kraft reichte gerade einmal aus, um ihren Kopf oben zu behalten, zu atmen und den Schmerz in ihrem Kopf zu ignorieren.

Sie hörte ein leises Stöhnen, das aber weder von ihr, noch von John herrührte. Der dunkelhaarige Soldat wandte seinen Blick einen kurzen Moment von ihr ab und sah über seine Schulter hinweg. Es kostete sie allergrößte Anstrengung, um zu erkennen, wie sich Carson mit Hilfe von Rodney McKay auf die Beine zurückkämpfte und kaum, dass er dies getan hatte, heftig ins Schwanken geriet.
Seine schnellen Bewegungen und das plötzliche Aufflackern der Deckenleuchten ließen sie stöhnen, worauf Johns Blick wieder auf sie flog.
„ Ich bring Sie hier weg“, hörte sie ihn in einem beruhigenden Ton sagen und spürte, wie er sie in den Kniekehlen packte und sie vorsichtig hochhob. „ Es ist alles in Ordnung, Teyla.“ Sie hörte an seiner Stimme, dass er sie anlog, doch sie hatte keine Kraft, um näher darauf einzugehen. Sie rang sich ein schwaches Lächeln ab und ließ ihren Kopf gegen seine Schulter sinken. Das Letzte, was sie mitbekam, ehe sie wieder wegdriftete, war, dass John ebenso zitterte wie sie tat und dass trotz alledem sein Lächeln auf ihr lag. Dann wurde wieder alles dunkel und das Geräusch der Schritte verklang allmählich… bis alles um sie herum still war.

+++++++++++


Daniel Jackson erwachte mit einem Ruck- oder vielmehr mit einem heftigen Ruck an seiner Schulter. Mit einem erstickten Laut, der ihm in seiner trockenen Kehle stecken blieb, fuhr er aus diesem Dämmerzustand und blinzelte in das Licht, das ihm in die Augen strahlte. Er gab einen leicht protestierenden Laut von sich, was dazu führte, dass sich eine Person über ihm beugte, die er aber nicht richtig zuordnen konnte; sie war männlich, groß und hatte muskulöse Oberarme.
„ Hey“, meinte eine unglaublich tiefe und raue Stimme, die unerkennbar zu dem Mann gehörte, der sich da über ihn gebeugt hatte. „ Alles in Ordnung bei Ihnen?“
„ K…kommt drauf an, wie man’s sieht“, entgegnete Daniel und erschrak, als er seine eigene Stimme zu hören bekam. Sie klang so… schwach, kehlig, verletzlich, so… ungewohnt.
„ Dr. Jackson? Sind Sie wach?“ Eine zierlichere Gestalt drängelte den wuchtigen Kerl beiseite und bedachte seine Wenigkeit besorgten Blickes. Es fiel Daniel nicht schwer, dieser Person einen Namen zuzuordnen; dunkelbraune, leicht gelockte Haare und grünlich schimmernde, freundliche Augen: Dr. Elizabeth Weir.
„ J…ja, Elizabeth, i…ich kann Sie hören“, erwiderte er ihr, woraufhin sie einen erleichterten Seufzer hören ließ. Er war zwar noch immer nicht Herr seiner Sinne, dennoch begann er sich langsam aufzurichten, wobei ihm die muskulösen Arme des Mannes halfen: Es war Ronon Dex, Satedaner und Mitglied in Col. Sheppards Team.
Daniel bedankte sich bei dem Hünen mit einem kurzen Nicken, welches dieser mit fast ausdruckloser Miene zur Kenntnis nahm und dann einen Schritt zurück machte, als sich Dr. Weir wieder an ihm vorbei drängte.
„ Wie fühlen Sie sich?“, fragte die Leiterin der Atlantisbasis ihn.
„ Es… es ging mir schon mal besser“, log Daniel und verzerrte innerlich die Miene. Diese Kopfschmerzen brachten ihn um! „ Was ist passiert?“
„ Ich weiß es nicht mehr genau“, antwortete Elizabeth. „ Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass wir beide zusammen das Archiv und die Datenbank durchgegangen sind und dass Sie plötzlich meinten, dass wir schnell weg müssten. Danach…“- Sie machte eine ausschweifende Handbewegung- „… nichts mehr. Alles weg.“
„ Und… und was ist mit Ihnen?“ Daniel sah Ronon fragend an.
„ Ich hab Sie beide gefunden“, erwiderte der Satedaner trocken. Daniel nickte, seufzte dann einmal und rieb sich über seine müden Augen. Die beiden schienen ebenso wenig wie er zu wissen, was passiert war, also hatte es keinen Sinn nachzuforschen. Wenigstens schien Dr. Weir ein bisschen mehr als seine Wenigkeit zu wissen; er hatte das Gefühl, als hätte jemand die letzten paar Stunden seines Gedächtnisses einfach so ausradiert.
Er seufzte abermals, setzte sich ganz auf und sah sich um. Sie befanden sich in einem kleinen Raum; auf den ersten Blick konnte er ein Dutzend kleine, runde Tisch samt Stühle erkennen. Auf den zweiten Blick stach ihm eine kleine Ausbuchtung in der Wand ins Auge- wahrscheinlich eine Essensausgabe. Sie befanden sich in einem Essensraum!
„ Ich habe Sie beide hierher gebracht, nachdem ich Sie bewusstlos draußen auf dem Gang gefunden habe.“ Ronon schien in seinem Gesicht wie in einem offenen Buch lesen zu können.
„ Wie…“ Daniel wandte sich an Elizabeth, doch die schüttelte nur mit dem Kopf.
„ Ich kann mich an so gut wie nichts erinnern“, sagte sie, klang dabei leicht bedrückt.
Daniel neigte den Kopf zur Seite, musterte Ronon, doch auch der Satedaner schüttelte mit dem Kopf.
„ Ich… ich erinnere mich nur noch an ein helles Licht“, sinnierte Daniel schließlich, nachdem er noch einmal in sich gegangen war. „ Und an ein merkwürdiges Kribbeln in meinem Bauch.“
„ Jetzt, wo Sie es erwähnen“, murmelte Elizabeth nachdenklich. „ Ja, das habe ich auch gespürt?“
„ Hat das was zu bedeuten? Ich hab das nämlich nicht gespürt.“ Ronon verschränkt seine Arme vor seinem Oberkörper.
Daniel wollte ihm antworten, als ihm etwas anderes auffiel. Er stutzte und sah seine beiden Begleiter an. „ Hat einer von Ihnen die anderen gesehen?“
„ Was meinen Sie, Dr. Jackson?“, wollte Dr. Weir wissen.
„ Ich meine mich daran zu erinnern, dass uns vorhin, vor dieser Sache uns die anderen förmlich über die Füße gelaufen sind“, entgegnete Daniel und sorgte damit bei den beiden anderen für leichte Verwirrung.
„ Ich befürchte…“, setzte Elizabeth Weir an, wurde allerdings von der sich öffnenden Türe unterbrochen. Sie, Daniel und Ronon wandten sich um, sahen einen leise vor sich hin fluchenden Cameron Mitchell in den Raum hineinstolpern. Der Colonel blieb hinter der Tür stehen, als er sie erspäht hatte und presste seine Lippen fest aufeinander.
„ Okay…-„ Er klang aufgebracht- „…kann mir bitte jemand erklären, was zur Hölle da eben los war?“
„ Cam, Sie auch?“ Daniel sprang von der Tischplatte, auf die er verfrachtet worden war, und machte einen Schritt auf seinen Teamleader zu.
Mitchell kräuselte die Stirn. „ Sie etwa nicht?“
„ Wer bei Ihnen?“
„ Ich war allein. Wieso?“
Daniel rieb sich abermals über seine Augen. „ Nichts, nur… irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass irgendwas nicht stimmt.“ Er seufzte und blickte in die Runde; die Gesichter, in die er blickte, schienen ihm zuzustimmen.

++++++++++++


John stand Schulter an Schulter mit Carson, als dieser- wieder einigermaßen beisammen- die immer noch besinnungslose Teyla untersuchte.
„ Doc?“ John sah Carson nicht an, seine Augen ruhten auf Teyla. Es war nun schon fast eine halbe Stunde, dass er sie und den Arzt gefunden hatten und es machte ihn nervös, sie so zu sehen, während Carson schon wieder herum hantierte, wie der junge Morgen. Das war ganz und gar nicht Teylas Art!
Carson schien seine Angespanntheit bemerkt zu haben, denn er drehte sich mit einem freundlichen Lächeln zu ihm um. „ Ihr geht’s gut, mein Junge. Ich kann nichts feststellen. Vielleicht sollten wir ihr einfach nur noch ein bisschen Zeit geben.“
„ Wahrscheinlich haben Sie Recht“, erwiderte John, trat einen Schritt zurück, war aber höchst unzufrieden.
„ Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, aber ich muss mich noch um andere kümmern.“ Carson klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter, ehe er ging.
„ Mhm…“, machte John und beachtete ihn gar nicht weiter. Gedankenverloren zog er sich an einen Stuhl an die Liege heran, auf die er Teyla gehievt hatte, und musterte die Athosianerin von oben bis unten. Er konnte nicht verleugnen, dass er sich Sorgen um sie machte, zumal es sie- im Vergleich zu den anderen Patienten- scheinbar am Schlimmsten erwischt hatte. Mit ihr waren in den letzten Minuten noch vier weitere Personen eingetroffen; zwei von ihnen waren bewusstlos gewesen, waren inzwischen aber aufgewacht. Den beiden anderen ging es den Umständen entsprechend gut.
John seufzte resigniert und stützte seinen Kopf auf seine Handflächen. Er hatte die Aspirin, die Carson im in die Hand gedrückt hatte, mit Dank angenommen- das war vor knapp zwanzig Minuten gewesen und noch immer dröhnte sein Kopf. Wie damals auf dem College…
Teylas leises Stöhnen riss ihn aus seinen Erinnerungen zurück auf die hiesige Krankenstation; die Athosianerin hatte wieder ihr Gesicht verzogen, so, wie sie es vorhin getan hatte.
„ Teyla?“
Sie öffnete ihre braunen Augen; ihr Blick wirkte leer und fiebrig, dennoch lächelte sie, als sie ihn sah.
„ Wie fühlen Sie sich?“, fragte er sie mitfühlend.
„ W…war schon mal besser“, antwortete sie ihm. „ W…was ist passiert?“
„ Rodney ist gerade dabei, das herauszufinden“, antwortete John und stieß ein vorwurfsvolles „ Whoah, was haben Sie denn vor“ aus, als Teyla sich mit ihren Ellenbogen abstützte und Anstalten machte ihre Beine über die Bettkante hinweg zu schieben.
„ I…ich will Rodney helfen“, antwortete sie ihm mit schwacher Stimme und fiel, kaum, dass sie versuchte sich aufzurichten, zurück in die Kissen.
„ Das werden Sie schön bleiben lassen“, tadelte John sie. „ Oder ich muss Carson zwingen, Ihnen ein Sedativum zu geben! Sie gehen nirgendwo hin!“
„ John…“
„ Nein.“ Er schüttelte konsequent mit dem Kopf. „ Glauben Sie mir, es würde mich verrückt machen, wenn Sie da draußen durch die Gegend torkeln.“
„ Aber…“
„ Sie bleiben hier, Teyla. Zwingen Sie mich nicht, es Ihnen zu befehlen.“
Teyla seufzte ergeben und fügte sich ihrem Schicksal. Sie schien gerade etwas sagen zu wollen, als eine verzerrt klingende Stimme aus Johns Headset drang.
„ John, das sollten Sie sich ansehen.“ Es war Rodney und er klang alles andere als erfreut.
„ Kann das nicht warten?“, zischelte John leise.
„ Nein und ich befürchte, dass was ich Ihnen zeigen will, wird Ihnen noch weniger gefallen.“ Die Verbindung brach ab, Rodneys Stimme verebbte.

TBC
10 Hours by Ailya
The universe is infinite. We should not restrict the universe to bring it to the limits of our imagination, like man it used to do before. Rather, we must expand our knowledge, so that it can hold the image of the universe


Ich befürchte, dass das was ich Ihnen zeigen will, Ihnen noch weniger gefallen wird. Rodneys Stimme hatte sich hohl und ausdruckslos angehört, nicht so schrill und fordernd wie sonst. Er hatte langsam und gedrückt gesprochen. Von dem Feuer in seiner Stimme und von diesem immer leicht egoistischen, selbstverliebten Unterton war nichts mehr übrig geblieben und der Kanadier hatte sich fast wie ein normaler Mensch angehört…nicht mehr so überheblich und arrogant.
John stutzte, als er sich daran zurückerinnerte. Er hatte Rodney noch nie so gehört und er musste zugeben, dass ihn das ein kleines bisschen nervös machte.
Rodney war nicht im Maschinenraum, keiner war es. Der Maschinenraum war leer; nur Rodneys Instrumente lagen überall verstreut herum, verrieten, dass der Kanadier hier gewütet haben musste. Einen Moment lang blieb John mitten im Raum stehen und ließ das Tuckern der Maschinen auf sich wirken. Der Antrieb schnurrte wie eine Katze- wie eine asthmatische Katze! Dunkle Rauchwolken stiegen aus irgendeiner Öffnung empor und vernebelten ihm die Sicht, reizten seine Schleimhäute, ließen ihn husten und nach Luft ringen.

John schlug sich die Hand vor den Mund und trat aus dem beißenden Rauch hinaus, wischte sich die säuerlichen Tränen aus den Augenwinkeln, betrachtete die schwarz-gräulichen Rauchschwaden. Er legte den Kopf schief und musterte deren Form genauer; es schien fast so, als würden sie einen Tanz gen Decke vollführen, auch wenn man nicht erkennen konnte, um was für einen es sich handelte.
Irgendetwas stimmte nicht! Irgendetwas fühlte sich falsch an! Die Gedanken schossen durch seinen Kopf, wie die Autos über einen Highway, und brachten ihn dazu, seine Augen zu öffnen- er konnte sich nicht daran erinnern, sie geschlossen zu haben. Irgendetwas stimmte nicht! Fast schon reflexartig schweifte sein Blick durch den Raum, um den Grund für sein Unwohlsein zu finden… und blieb an den rotierenden, rauchenden, lärmenden, tuckernden Maschinen hängen; sie schienen zwar alt zu sein und machten einen unbeschreibbar Lärm, bewegten sich aber geschmeidig, schienen einwandfrei zu funktionieren. Seltsame Schriftzeichen waren in sie eingraviert, von denen er nicht wusste, was sie bedeuteten.

Wieder legte John seinen Kopf schief und betrachtete die schwarze, Schmieröl ähnliche Masse, die zu Boden tropfte und dort bereits eine Pfütze hinterlassen hatte. Sein Spiegelbild schimmerte verzerrt.
„ Vielleicht sollten Sie mir lieber folgen.“ Rodney war wie aus dem Nichts hinter ihm in der Tür erschienen und ließ ihn erschrocken zusammenfahren und herumwirbeln. Mit gar ausdrucksloser Miene stand der Kanadier hinter ihm, hatte die Arme vor dem Brustkorb verschränkt. Vor seine eisblauen Augen schien sich ein undurchsichtiger Schleier gelegt zu haben und sein Blick wirkte seltsam leer. John wollte ihn fragen, ob alles mit ihm in Ordnung sei, doch stattdessen nickte er ihm einfach nur zu und folgte ihm, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Irgendwas an dem Kanadier beunruhigte ihn, doch er konnte nicht sagen was. Stillschweigend folgte er Rodney, der genau zu wissen schien, wohin sie ihr Weg führen sollte.

Es ging durch drei Gänge, wobei der dritte sich von den beiden anderen unterschied; er war breiter, die Wände wirkten nicht mehr ganz so erdrückend und die Decke war höher. In die Wände waren ähnliche Zeichen, wie in die Maschinen eingraviert, nur um einiges größer. Links und rechts von ihnen leuchteten kleine, ovale Lampen an den Wänden, warfen Schatten, die elegant vor ihm her über den Boden tänzelten. Der Korridor schien länger als alle anderen zu sein; in Abstand vor fünf bis zehn Metern befanden sich Türen- manche von ihnen geschlossen, andere wiederum geöffnet, sodass er einen Blick hinein werfen konnte. Die meisten dahinter liegenden Räume waren verdunkelt, doch einer war schwach erleuchtet- es waren Quartiere!
Am Ende des scheinbar nicht enden wollenden Korridors lag eine riesige Tür, vor der Rodney stehen geblieben war und mit der rechten Hand über ein schwach schimmerndes Wandpanel fuhr; die massige Tür öffnete sich mit einem überraschend leisen Zischen und gab einen atemberaubenden Blick frei…
In die Schiffswand war eine riesige Glasfläche eingelassen, die den Raum fast völlig umspannte. Ein eisernes Geländer säumte sie. Die Sterne schienen durch die Glaskuppel hindurch, erleuchteten aber trotzdem nur einen kleinen Teil des Raumes, der zusätzlich mit weißen Sesseln und kleinen runden Tischen staffiert war. An den Seitenwänden waren wieder Schriftzeichen eingraviert worden, die ohne jeglichen Zweifel lantianischer Herkunft waren.

Langsam trat John in den Raum, legte seinen Kopf in den Nacken, um die an der Glasfläche vorbeisausenden Sterne besser sehen zu können. Die, in wahnsinniger Geschwindigkeit vorbeirauschenden Himmelskörper zogen einen dünnen Schweif hinter sich her und die Glaskuppel schien sie einzufangen.
Von diesem Anblick in den Bann gezogen, bemerkte John Rodneys finsteren Blick erst, als dieser neben ihm auftauchte und sich ebenfalls an die eiserne Brüstung lehnte. Die Gesichtsmuskeln des Kanadiers zuckten unmerklich und er presste die Lippen aufeinander.
John musterte ihn und versuchte in seinem Gesicht zu lesen, bis…
Er sog scharf die Luft ein, ehe seine Kinnlade der Schwerkraft nachgab und hinunterklappte. Langsam sah er wieder zu den vorbeisausenden Sternen hinauf, die seine Aufmerksamkeit derart gefesselt hatten. Er spürte, wie der Kloß in seinem Hals immer dicker wurde. Er schloss die Augen, senkte den Kopf. Irgendetwas stimmte nicht! Irgendetwas fühlte sich falsch an!

+++++++++


Ronon und Col. Mitchell kümmerten sich um die Neueingetroffenen und Dr. Jackson war in ein Gespräch mit Col. Carter vertieft; die blonde Astrophysikerin saß auf einer Tischplatte und ließ sich von einer Krankenschwester ihre ziemlich übel aussehende Kopfplatzwunde versorgen. Immer wieder zuckte sie zusammen- ob es nun an den Schmerzen lag oder an einer Reaktion auf soeben von Dr. Jackson Gesagtes… war schwer zu erkennen.
In der letzten halben Stunde waren zehn Neuankömmlinge eingetroffen- Wissenschaftler, Techniker und ein paar Marines. Sie alle saßen verteilt um die Tische im Essensraum, waren allesamt in Unterhaltungen über das Geschehene vertieft. Ihre aufgeregt klingenden Stimmen ergaben kein System- jeder redete einfach drauf los! Scheinbar schienen sie alle etwas zu berichten zu haben.

Elizabeth stand etwas abseits der Menge und ließ den ganzen Wirrwarr auf sich wirken. Still sah sie sich um und dachte nach. Krampfhaft versuchte sich daran zu erinnern, was passiert war, doch in ihrem Kopf war eine große Leere. Dort war nichts, was sie als Anhaltspunkt hätte verwenden können; das Einzige, woran sie sich erinnerte, war ein großer Schmerz, der ihren Körper durchjagt hatte, bevor sich ihre Welt in Dunkelheit gehüllt hatte. Dann… Nein, dann nichts.
Nur zu gern wollte sie wissen, was passiert war, doch scheinbar schien es den anderen nicht besser zu gehen: manche erinnerten sich an gar nichts mehr, fragten sich, wie sie überhaupt hierher gekommen waren. Andere wiederum wussten ungefähr so viel wie sie… trotzdem nicht sonderlich hilfreich.
Elizabeth seufzte resigniert und verschränkte die Arme vor dem Brustkorb. Noch immer fehlte von manchen, die dieses Schiff betreten hatten, um es zu erkunden, jede Spur- unter ihnen auch John und Rodney. Sie hatte mehrmals versucht die beiden über Funk zu erreichen- doch ohne Erfolg.
Wieder seufzte sie und ließ ihre Gedanken schweife, sah erneut in die Runde: Ronon half einer jungen Wissenschaftlerin mit hellblonden Haaren auf die Tischplatte. Col. Mitchell hatte sich zu Dr. Jackson und zu Col. Carter gesellt, die inzwischen schon wieder recht sicher auf ihren Beinen wirkte. Eine Unterhaltung an einem der Tische drohte zu eskalieren, doch die lauten Stimmen der beiden Techniker und auch alle anderen Unterhaltungen wurden je unterbrochen, als sich die Türe zischend öffnete.
„ John“, rief Elizabeth erleichtert aus, als ihr befehlshabender Offizier den Essensraum scheinbar unverletzt und putzmunter betrat. Seine haselnussfarbenen Augen wanderten erst einmal durch den Raum, ehe sie sie fixierten und John ein kurzes Nicken gen Korridor andeutete.
„ Kann ich Sie unter vier Augen sprechen?“, fragte er so leise, dass nur sie beide es hören konnten; die soeben verebbten Unterhaltungen waren wieder aufgenommen geworden, wenn auch nicht ganz so laut wie zuvor.
„ Natürlich.“ Elizabeth nickte und folgte dem dunkelhaarigen Soldaten unsicher hinaus in den Korridor. John lief einige Schritte voraus, weiter in den Korridor hinein, blieb dann jedoch stehen und drehte sich zu ihr um. Er wartete, bis sich die Türe zum Essensraum geschlossen hatte, ehe er begann: „ Ich befürchte, wir haben ein riesiges Problem, Elizabeth.“

Die Expeditionsleiterin neigte den Kopf, als ob sie ihn nicht richtig verstanden hatte. Seine Stimme klang ungewohnt leise und ein Hauch von Nervosität hatte sich unter sie gemischt.
„ Definieren Sie 'riesig' und definieren Sie 'Problem'“, sagte sie zu ihm, woraufhin sich seine Miene noch mehr verfinsterte. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen und er runzelte die Stirn.
„ Es ist umständlich zu erklären und…“, begann John, sichtlich mit sich selbst hadernd. Er blickte einmal über seine Schulter und räusperte sich dann. „ Wir…wir sind vor über 10 Stunden in den Hyperraum gesprungen.“
Elizabeth zog die Augenbrauen hoch. „ Wiederholen Sie das, bitte.“
„ Wir sind vor über 10 Stunden in den Hyperraum gesprungen“, wiederholte John.
„ D…das habe ich schon verstanden.“ Elizabeth schüttelte ungläubig mit dem Kopf und sah ihren Gegenüber schließlich entgeistert an. „ Heißt das…“
John begann langsam zu nicken. „ Dieses Schiff befindet sich nicht mehr über Atlantis.“
„ Und wo befindet es sich dann?“ Sie merkte, wie ihr Ton schärfer, hysterischer wurde. Seit 10 Stunden im Hyperraum! Sie befanden sich seit 10 Stunden im Hyperraum!
„ Wir wissen es nicht“, antwortete John und wich ihrem Blick für wenige Augenblicke aus.

Elizabeth nickte vollkommen überrumpelt und begann kleine Kreise zu laufen; die Hände hinter ihrem Rücken verschränkt, den Blick starr zu Boden gerichtet. Wir wissen es nicht. Johns Worte klangen geradezu brutal, hatten denselben Effekt wie ein eiskalter, klitschnasser Waschlappen, der einem am frühen Morgen ins Gesicht geschleudert wurde.
Sie blieb stehen und schnappte einmal nach Luft. Herrgott, jetzt erst begriff sie, was John ihr da eben berichtet hatte. Sie sah ihn verständnislos an. „ Und damit kommen Sie ausgerechnet zu mir?“
„ Spielt es jetzt noch eine Rolle, ob ich zuerst zu Ihnen oder zu jemand anderem gegangen wäre?“ John neigte den Kopf. „ Elizabeth, wir sollten versuchen Atlantis zu…“
„ Nein, nein.“ Sie schüttelte mit dem Kopf. „ Wenn das stimmt, was Sie mir da eben gesagt haben, sind wir schon längst aus deren Sensorenreichweite.“ Wieder schüttelte sie mit dem Kopf, doch diesmal um einen klaren Gedanken fassen zu können. 10 Stunden! Was um alles in der Welt war in diesen zehn Stunden passiert?
„ Dann sollten wir wenigstens die anderen informieren.“ Johns Stimme klang auf einmal dermaßen ruhig, dass es schon fast wieder unheimlich war. Elizabeth hielt in ihrem nervösen Lauf inne und sah zu ihrem Militärkommandanten auf; äußerlich wirkte er gefasst und nur seine linke, leicht zuckende Augenbraue verriet, dass er innerlich am brodeln war und dass es ihm schwer fiel, sich zusammenzureißen. Sie hatte ihn schon immer dafür bewundert…
Elizabeth begann langsam zu nicken- sie wusste, dass er Recht hatte. Dort, in dem Essensraum oder wie man es noch bezeichnen konnte- saßen an die zwanzig Leute, die nicht wussten was passiert war. Zugeben, sie wusste auch nicht, was in den zehn Stunden vorgefallen war, aber wenn sie so darüber nachdachte, war das jetzt ihr geringstes Problem.
Sie merkte, wie das Adrenalin durch ihre Blutbahnen jagte und sich in ihrem Körper verteilte. Sie merkte, wie ihr der Schweiß auf die Stirn trat und sie merkte, wie ihr Verstand so langsam Anstalten machte auszusetzen. Schnell versuchte sie sich das, was John zu ihr gesagt hatte, noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen:
Zehn Stunden! Sie waren auf dieses Schiff gekommen, um es zu erforschen und wenn möglich nach einer Waffe gegen die Wraith zu suchen! Sie waren auf dieses Schiff gekommen, um etwas über die Antiker zu lernen und nun… Was war nun? Sie befanden sich im Hyperraum! Sie befanden sich auf einer Reise nach nirgendwo!

Elizabeth seufzte unter der Welle an Informationen. Sie schüttelte leicht mit dem Kopf, versuchte einen klaren Gedanken zu fassen.
„ Wo ist Rodney?“, fragte sie John, der noch immer äußerlich sehr gefasst aussehend vor ihr stand, die Arme vor der Brust verschränkt.
„ In der Messe“, antwortete der dunkelhaarige Militär. „ Das ist der Grund… vielleicht…“- Er räusperte sich- „… vielleicht wäre es eine gute Idee die anderen dorthin zu bringen und sie über alles zu informieren.“
„ Ja gut, ich werde es arrangieren.“ Elizabeth nickte, doch so richtig verstanden hatte sie den Colonel nicht. Wie im Trance drehte sie sich um und wollte zurück in den Essensraum gehen, um es den anderen zu sagen, als sie Johns Stimme ereilte.
„ Elizabeth!“ Er hatte sich nicht vom Fleck bewegt, doch seine Miene wirkte besorgt.
„ Ja?“ Sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um.
„ Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Geht’s Ihnen gut?“ John machte einen kleinen Schritt auf sie zu, verharrte dann aber in seiner Bewegung, als er sie zurück zucken sah.
„ Jaja, mir geht es gut“, antwortete Elizabeth schnell und ihre Stimme klang ausdruckslos und leer. Sie nickte ihm schwach zu. „ Wenn Sie mich jetzt entschuldigen.“ Schnell wandte sie sich um und ließ ihn hinter sich. Sie spürte seinen Blick im Nacken und erst, als sie um die Ecke bog, holte sie Luft.
Die Gedanken schossen nur so durch ihren Kopf und irgendwo, in der hintersten Ecke ihres Verstandes, hörte sie plötzlich ein leises Flüstern. Es kam ihr bekannt vor. Irgendwo hatte sie es schon einmal gehört…
Erea tucaméi slatos theca artemis macusa. Tua est kartanis mutiá jumiá keltana. Glücklich sind diejenigen, die den Spuren der Artemis folgen. Erleuchtung finden diejenigen, die bereit sind alles dafür zu geben.

TBC
Shadows Part I by Ailya
Shadows fill an empty heart
As love is fading,
From all the things that we are
But are not saying.
Can we see beyond the scars
And make it to the dawn?


Das aufgeregte Stimmengewirr dröhnte in ihren Ohren; es war schlimmer geworden. Nervös liefen die Expeditionsmitglieder, die in die Messe gebracht worden waren, umher, wirkten dabei wie aufgescheuchte Hühner. Ihre Blicke waren ängstlich. Nervös sahen sie sich immer wieder um, redeten dabei miteinander- mal leise, mal etwas lauter.
Elizabeth lehnte mit dem Rücken gegen die eiserne Brüstung, hatte ihren Kopf in den Nacken gelegt und betrachtete die an ihr vorbeiziehenden Sterne. Es wirkte alles so… unwirklich! Es fiel ihr schwer, dass Geschehene zu begreifen, geschweige denn es in ihrem Kopf zu ordnen und dann möglichst in klare, verständliche Worte zu fassen. Sie seufzte resigniert und blickte sich in der Messe um, die sich langsam aber stetig mit Menschen füllte; die Tische und Sessel waren beiseite geschoben worden, damit alle in dem Raum Platz fanden. Trotzdem wirkte alles etwas beengt.

Von hier aus, konnte Elizabeth sehen, wie John und Ronon die Leute in den Raum schleusten und zum ersten Mal- seit sie ihn kannte- hörte sie, wie John die Marines im Befehlston anherrschte, sie sollten gefälligst aufpassen, dass sich keiner aus der Gruppe löste. Er wirkte auf einmal verändert, nicht so locker und zu Späßen aufgelegt, wie sonst. Seine Miene war hart, dass für ihn charakteristische schiefe Grinsen war aus seinem Gesicht verschwunden. Er hatte die Lippen fest aufeinander gepresst und seine sonst so vor Charme sprühenden haselnussfarbenen Augen wirkten kalt und leer, als sich ihre Blicke trafen. Als er in den Korridor hinausblickte und dann wieder über die Köpfe der Leute hinweg zu ihr sah, langsam zu nicken begann, fragte Elizabeth sich, ob er sie wohl verstanden hatte.
Sie seufzte, als sie sich wieder umblickte, und als sie merkte, dass die Gespräche langsam verebbten und sich die Blicke in ihre Richtung wandten. Eigentlich war es ja nichts Neuen den Leuten eine Hiobsbotschaft zu übermitteln, aber dieses Mal…
Elizabeth sah die Sterne über ihrem Kopf vorbeirauschen und fragte sich, ob man diese Situation als Hiobsbotschaft bezeichnen konnte. Man konnte es so und so sehen… Wann hatten sie schon einmal eine solche Chance gehabt? Wann hatten sie schon einmal die Chance gehabt, mehr über die Antiker zu lernen?
Dieses Schiff befindet sich nicht mehr über Atlantis. Johns Worte hallten in ihrem Kopf wieder und sie konnte sein bedrücktes, zugleich ernstes Gesicht vor ihren Augen sehen. Ja, sicherlich konnte man die Situation auch anders sehen: Eine Reise nach Nirgendwo! Ohne jede Rettung! Aber… konnte man es wirklich so bezeichnen?

In der Messe war es nun vollkommen ruhig, sodass man eine Stecknadel zu Boden fallen hätte hören können. Vierzig Augenpaare waren auf sie gerichtet und auf einmal überkam Elizabeth ein unglaubliches Schuldgefühl. Was, in alles in der Welt, hatte sie geritten, so viele unschuldige Menschen an Bord dieses Schiffes zu holen? War vielleicht ihr eigener Enthusiasmus mit ihr durchgegangen?
In den Augen aller Anwesenden flammte etwas auf, was sie nicht richtig zuordnen konnte; trotzdem zuckte sie leicht zurück und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
Sie ließ ihren Blick wieder durch den Raum schweifen, versuchte dabei niemanden direkt in die Augen zu sehen. Warum sie das tat? Sie wusste es nicht. Vielleicht hatte sie Angst, für das ganze verantwortlich gemacht zu werden. Sie war die Leiterin der Expedition, konnte man da von ihr nicht erwarten, dass sie eine potentielle „Gefahr“ erkennen konnte? Dass sie weise und wohl überlegte Entscheidungen treffen konnte?
Elizabeth schluckte, als sich ihr Blick John streifte und seine haselnussfarbenen Augen sie fixierten. Mit vor dem Brustkorb verschränkten Armen lehnte er gegen die Wand, hatte die Lippen fest zusammen, zu einem Strich gekniffen. Soweit sie sich erinnern konnte, waren sie beide immer einer Meinung gewesen- sollte sich das jetzt ändern? Es fiel nicht schwer, seinen Gesichtsausdruck und den in seinen Augen zu lesen, es erforderte keine spezielle Begabung; in John Sheppards Gesicht konnte man lesen, wie in einem offenen Buch. Er machte es einem nicht schwer…
Er schien zu merken, was in ihr vorging und fing dann langsam an zu nicken, so, wie er es vorhin schon einmal getan hatte.
Elizabeth erwiderte sein Nicken scheu und holte einmal tief Luft, versuchte dann ein möglichst beruhigendes Lächeln auf ihr verspanntes Gesicht zu zaubern.
„ Dürfte ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten?“ Sie wusste, dass diese Frage überflüssig war, da sie eh alle erwartungsvoll anstarrten. Es war totenstill und ihr eigenes Atmen erschrak sie.
„ Ich weiß, dass Sie sich sicher alle fragen, was passiert ist“, fuhr sie mit leicht erstickt klingender Stimme fort und begann leicht nervös umherzulaufen… die Blicke folgten ihr. Sie seufzte. „ Glauben Sie mir, es fällt mir ebenso schwer, mich an das Geschehene zu erinnern und ich kann Ihnen nur das sagen, was ich weiß. Bei diesem Schiff handelt es sich in der Tat um ein Schiff der Antiker namens Artemis und das, was Sie hinter mir sehen können…“- Elizabeth atmete schwerfällig aus. Nein, so konnte sie es nicht sagen. Sollte sie all diesen Leuten es brutal ins Gesicht schleudern? Sollte sie ihnen direkt sagen, dass sich dieses Schiff selbstständig gemacht hatte und sich auf nach Nirgendwo befand? Einige waren derartige Botschaften gewöhnt, schließlich hatten sie alle vor gerade einmal drei Jahren nicht mal daran geglaubt jemals zur Erde zurückkehren zu können. Doch jetzt… wenn sie darüber nachdachte- konnte man einen Unterschied machen? Auf einem Schiff oder in einer Stadt- gab es überhaupt einen Unterschied?

Elizabeth sah auf und versuchte den Kloß in ihrem Hals zu ignorieren. Wie stellte sie es sich vor? Wie wollte sie es denn Leuten sagen? In ihrer beruflichen Laufbahn hatte sie schon so manchmal Klartext reden müssen und normalerweise bereitete ihr dies keinerlei Probleme. Normalerweise.
„ Ich…“, setzte sie an, doch genau in diesem Moment öffnete sich die Tür der Messe und ein sichtlich abgehetzter Daniel Jackson kam hinein gerauscht und stolpernd zum Stehen.
„ Dr. Jackson?“ Elizabeth machte einen Schritt nach vorne, blieb dann jedoch wieder stehen.
Die Augen des Archäologen wanderten durch den Raum, bis sich ihre Blicke schließlich trafen. „ Dr. Weir, es gibt da was, dass Sie wissen sollten.“

Vala Mal Doran schaute sich um. Sie fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut, ganz im Gegensatz zu Daniel, der wie ein Wirbelwind umher schwirrte.
„ Daniel“, sagte sie bittend, „ wir sollten jetzt wirklich zu den anderen gehen, meinst du nicht auch?“
Doch der Archäologe reagierte nicht auf sie, schob nur seine Brille höher, hing wieder über einem dieser Computer, deren Funktionsweise Vala nicht einmal ansatzweise verstand. Es war Antikertechnologie und wenn man nicht gerade Dr. Daniel Jackson oder Col. Samantha Carter hieß, konnte man damit nicht gerade viel anfangen.
„ Daniel“, startete die Schwarzhaarige einen letzten, aber zum Scheitern verurteilten Versuch, ihren Teamkameraden zu erreichen. Sie verstand ihn nicht! Wie konnte er nur dermaßen ruhig seiner „Arbeit“ nachgehen, obwohl er wusste, dass irgendetwas nicht stimmte?
Vala seufzte resigniert und ließ sich auf einem im Raum aufgestellten Sessel sinken. Müde rieb sie sich ihre schmerzende Schläfe. Im Gegensatz zu Daniel erinnerte sie sich an nichts mehr; das Einzige, was sie noch wusste, war, dass sie mit Col. Mitchell in einem unheimlichen und ziemlich dunklen Korridor unterwegs gewesen war, der plötzlich noch dunkler geworden war. Dann… ja, dann war sie auf der Krankenstation aufgewacht, wo sich dieser Dr. Beckett um sie gekümmert hatte.

Mit einem noch größeren Seufzen lehnte sie sich zurück, doch Daniels aufgeregt klingendes „ Vala“ riss sie wieder zurück. Er stand hinter einer ihrer Ansicht nach Kontrollplattform, vor ihm war ein holographischer Bildschirm aufgetaucht, den er intensiv anstarrte.
Vala erhob sich und neigte den Kopf leicht zur Seite, um dieses Etwas- was es auch immer darstellen zu versuchte- besser zu erkennen und nachvollziehen zu können.
„ Siehst du das?“, fragte Daniel sie mit vor Aufregung übersprudelnden Augen und deutete mit seinem Finger auf eine dünne, bläulich schimmernde Linie, die einmal über den ganzen Bildschirm führte und zudem anscheinend auch einmal durch das ganze Universum; elegant schlängelte sich die Linie über die Sternenkarte.
„ Und was, wenn ich fragen darf, hat das zu bedeuten?“, fragte Vala vorsichtig zurück, denn sie wusste, dass Daniel nichts mehr hasste, als das man das wirklich Offensichtliche nicht erkannte.
Doch Daniel sah sie einfach nur an. „ Das bedeutet, dass wir uns geirrt haben.“


„ Was heißt das, wir haben uns geirrt?“ John hatte sich durch die gespannt lauschende Menge gekämpft und stand nun direkt neben ihr. Leicht ungläubig legte er den Kopf schief, schien Dr. Jacksons Worte noch einmal innerlich durchzukauen.
Elizabeth bemerkte im Augenwinkel seine nachdenkliche Miene und musste ungewollt schmunzeln: Niemand, dem sie bisher über den Weg gelaufen war, sah beim Nachdenken so nachdenklich aus.
„ Wir haben uns im Bezug auf dieses Schiff geirrt haben“, antwortete Daniel Jackson. „ Dieses Schiff war niemals in einer Schlacht.“
„ Soll das heißen…“- Elizabeth stutzte leicht und sah den Archäologen leicht verwirrt an.
„… dass das kein Schlachtschiff ist?“, beendete John ihren Satz und die Enttäuschung stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben.
„ Nein.“ Dr. Jackson schüttelte mit dem Kopf. „ Bei dem Durchgehen der Datenbank ist mir… vorhin etwas aufgefallen, doch es ist mir erst eben wieder eingefallen, als ich es vor mir sah.“
„ Was haben Sie vor sich gesehen?“ Elizabeth trat einen Schritt auf das SG1 Teammitglied zu und zog ihre Augenbraue hoch.
„ Einen genauen Bericht, über die genaue Route der Artemis“, kam die Antwort leicht verzögert. „ Ich erinnerte mich daran, dass die Göttin Artemis in der griechischen Mythologie nicht nur die Göttin der Jagd ist, sondern auch die des Waldes und die Behüterin der Frauen und Kinder.“
„ Und was ändert das an unser jetzigen Situation?“ John klang leicht griffig.
Daniel lächelte leicht nervös. „ Ändern tut es daran nichts, Colonel. Höchstens an der Tatsache, dass es sich bei der Artemis nicht um ein Schlachtschiff handelt, sondern um ein Versorgungsschiff.“
„ Dann…“ Elizabeth begann wie ihm Trance zu nicken. Sie stolperte einen Schritt zurück, woraufhin John nach ihrem Arm packte und sie sorgenvoll ansah.
„ Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“, hörte sie ihn fragen und perplex nickte sie.
„ Jaja, alles in bester Ordnung. Ich…“- Sie richtete ihren Blick auf Daniel und plötzlich umspielte ein Lächeln ihre Mundwinkel. „ Die Artemis… ich erinnere mich an diesen Bericht… von der Antikerin, Melia.“
„ Ja, dass tue ich auch“, entgegnete Daniel und sie beide fingen an zu lächeln. Nur John, der ihren Arm immer noch fest umklammert hielt, schien das Ganze nicht allzu witzig zu finden.
„ Und was hat das jetzt zu bedeuten?“, fragte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch.
Elizabeth sah ihn an. „ Das ist Versorgungsschiff, John. Mit festgelegter Route. Und wohin führen Versorgungsschiffe?“
Die Augen ihres Gegenüber weiteten sich ein wenig und ein leises Raunen ging durch die Menge. Jeder hin schien es zu wissen, obwohl niemand es ausgesprochen hatte.
„ Sie meinen…“, sagte John mit gesenkter Stimme. „ Aber…“
„ Ich weiß, dass das alles etwas schwer ist, aber wir sollten diese Chance nutzen, auch wenn…“ Elizabeth schluckte, fuhr dann aber fort, ohne das auszusprechen, was eh alle schon zu wissen schienen. „ Deswegen sind wir nach Pegasus gekommen, John! Um fremde Welten zu erforschen und wenn uns dieses Schiff wirklich…“
„ Gut.“ Der dunkelhaarige Soldat unterbrach sie mit einem schnellen Nicken. „ Wenn dies Ihr Wunsch ist.“
„ Ich befürchte, im Moment bleibt uns nichts anderes übrig“, seufzte Elizabeth. „ Oder ist Rodney…“
John verneinte.
Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter. „ Wir sollten diese Chance wirklich nutzen. Und ich bin sicher, dass Sie das auch wollen.“
„ Entschuldigen Sie mich bitte“, presste John hervor, nickte verabschiedend und verschwand dann in der Menge. Einige sahen ihm nach, andere wiederum tuschelten leise miteinander und Elizabeth wurde klar, dass dies zu einem Problem werden könnte.

TBC
Shadows Part II by Ailya
Walking down that road
It's coming back to me
Did you feel it inside
A thousand memories


Eigentlich hatte Elizabeth alle angewiesen, vorerst in der Messe zu bleiben, bis sie Näheres wussten, doch sie hatte sich rausgeschlichen- sie vermutete zwar nicht, dass Elizabeth ihr nun den Kopf abreißen würde, zumal die Expeditionsleitern wusste, dass sie sehrwohl auf sich aufpassen konnte.
Teyla biss sich auf die Unterlippe, während sie durch die doch sehr verwirrenden Korridore irrte; einer glich dem anderen. Die lantianischen Schriftzüge an den Wänden sollten als Orientierungspunkte dienen, so hatte es zumindest Dr. Jackson behauptet. Sie beherrschte die Sprache der Vorfahren ein bisschen, doch diese Zeichen gaben ihr Rätseln auf.
Es ist die Geschichte dieses Schiffes, hatte Elizabeth ihr zugeraunt, als sie beide sich vorhin auf dem Weg zur Messe befunden hatten. Höchst beeindruckend, nicht wahr?

Der breite Korridor spaltete sich in zwei kleinere, dunklere auf. Teyla blieb stehen und entschied sich dann aber für den linken; er war etwas heller als der andere und sah irgendwie auch einladender aus. Sie fragte sich, wie die Besatzung damals diesen Wirrwarr aus Gängen auseinander gehalten hatte. Es musste doch noch andere Orientierungspunkte außer diesen überdimensionalen, an den Wänden angebrachten Schriftzügen geben.
Teyla seufzte leise und ließ ihren Blick den Gang entlang schweifen; er war an die 100 Meter lang und immer wieder zweigte er ab und führte in Quartiere, in denen damals wahrscheinlich die Mannschaft untergebracht worden war. Dieser Komplex schien sowieso für das private Leben erbaut worden zu sein! Neben den Quartieren und der Messe mit dem grandiosen Ausblick ins Weltall, gab es noch einen Trainingsraum, eine Art Aufenthaltsraum und eine Krankenstation. Alles erweckte den Anschein, als hätte die Besatzung auf diesem Schiff gelebt…

Eines der Quartiere war schwach erleuchtet und eine ihr bekannte Silhouette, die vor einem riesigen in die Schiffwand eingearbeiteten Fenster stand und in den Weltraum hinausstarrte, fing ihren Blick, als sie an der offenen Türe vorüberging.
Teyla blieb stehen und seufzte noch leiser, als sie es zuvor getan hatte. Eigentlich hatte sie nicht vorgehabt ihm zu folgen, hatte ihm einfach nur verdutzt Platz gemacht, als er sich mit wütend aufeinander gepressten Lippen durch die aneinander gedrängten Menschen gezwängt und im Korridor verschwunden war. Doch irgendwas hatte sie dann doch dazu gebracht, ihm hinterher zu gehen. Sie hatte sich an Ronon vorbeigequetscht, worauf der Satedaner nur „ Passen Sie auf sich auf“ geraunt und versprochen hatte, sie auf dem Laufenden zu halten.
„ John…“, sagte Teyla so leise, dass sie bezweifelte, dass er sie gehört hatte. Doch er hatte sie gehört; er hob den Kopf und wandte sich halb zu ihr um.
„ Sollten Sie nicht bei den anderen sein?“, hörte sie ihn fragen und musste schlucken, denn dieser trockene, gleichgültige Unterton in seiner Stimme war ihr fremd.
„ Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“ Sie ignorierte seine Frage geflissentlich, da sie eh wusste, dass er darauf keine Antwort haben wollte. „ Ich habe gesehen, wie Sie vorhin…“
„ Es ist alles in Ordnung, Teyla“, unterbrach John sie, drehte sich jetzt ganz zu ihr um. „ Sie sollten lieber zu den anderen zurückgehen.“
Sie wusste, dass er log- zumindest, was den ersten Satz anging. Man sah ihm an, dass irgendetwas nicht stimmte und bei aller Liebe… das war nicht schwer. Seine sonst immer so vor Charme übersprudelnden Augen wirkten leer und ausdruckslos und sein Gesicht hatte sich zu einer nachdenklichen Miene verzogen. So hatte sie ihn bisher nur einmal erlebt und das war schon lange her…
Teyla runzelte die Stirn, zog die Augenbraue hoch und musste sich zusammenreißen nicht zu lachen, als sie sah, wie sich Johns Gesichtsausdruck veränderte. Er verdrehte schwach die Augen, so wie er es immer tat, wenn er wusste, dass sie wusste, dass er log.
„ Sie sollten wirklich wieder zurückgehen“, meinte er schnell und drehte sein Gesicht so, dass sich ein Schatten über es legte und seine Miene vor ihr verbarg. „ Mir geht’s gut. Es ist nur alles…“

Teyla seufzte resigniert, als seine Stimme verebbte und trat entschlossen in den Raum; es war ein Quartier. Recht gemütlich eingerichtet, wenn man davon absah, dass der Wohnstil dem von vor über zehntausend Jahren entsprach. Eine Wand der vier umspannte das riesige Fenster, welches wirklich einen unglaublichen Ausblick bot. Die drei übrigen zierte wieder ein Schriftzug, den sie nicht verstand. Eine Tür führte in einen zweiten, separaten Raum, wahrscheinlich das Bad. Etwas abgeschottet der Tür, sodass man es nicht gleich sehen konnte, war ein Bett aufgebaut worden, daneben ein kleiner Schrank. Rechts von ihr befand sich eine Art Bücherregal, aber leer. Davor waren zwei kleine Sessel, eine Couch und ein kleiner Tisch mit gläserner Tischplatte staffiert worden. An den Seiten des Fensters wallten sich Vorhänge, von denen sie aber bezweifelte, dass sie jemals zugezogen worden waren. Links von ihr prangerte eine kahle Zimmerecke, für die man anscheinend keine Verwendung gefunden hatte.
„ … etwas überraschend?“, beendete sie seinen Satz. John sah sie aus dem Augenwinkel aus an und nickte schwach.
„ Am Anfang war ich ebenso begeistert wie Elizabeth von der ganzen Sache, doch jetzt…“ Er verstummte wieder und räusperte sich. „ Tut mir Leid, dass ich Sie jetzt damit belästige.“
Teyla schüttelte mit dem Kopf. „ Nein, Sie belästigen mich damit nicht, John. Reden Sie weiter.“
Er seufzte. „ Es ist nur so, dass ich mir Sorgen um alle hier mache. Ich finde, wir sollten versuchen hier runterzukommen.“
„Aber, dass hier ist doch eine einmalige Chance für uns, die uns möglicherweise nie wieder geboten wird“, warf Teyla ein und hörte einen leichten Anflug von Unverständnis in ihrer Stimme.
John wandte sich nun völlig zu ihr. „ Sie machen sich keine Sorgen? Es interessiert Sie nicht, wie wir hier wieder weg kommen? Ob wir hier überhaupt jemals wieder weg kommen?“
„ Davor haben Sie Angst?“ Teyla senkte ihre Stimme. „ Das wir hier nie wieder weg kommen?“
„ Sie nicht?“, fragte ihr Gegenüber zurück und richtete seinen Blick wieder aus dem Fenster. „ Was ist mit Ihrem Volk? Haben Sie keine Angst?“
„ Ich bin mir bewusst, John, dass es hätte besser kommen können, aber vielleicht sollten Sie auch einmal die Chancen in Betracht ziehen, die uns hiermit eröffnet werden.“
„ Das ist doch gar nicht, Teyla.“ Er hielt seinen Blick noch immer von ihr abgewandt, doch sein Gesicht sprach Bände. „ Irgendwie verstehe ich Sie alle ja, doch irgendwie auch nicht. Glauben Sie mir, ich hatte ein schlechtes Gefühl bei der Sache, kaum dass ich dieses Schiff betreten habe und…“ Wieder einmal verstummte er, doch diesmal machte das Teyla stutzig. Warum hatte er aufgehört zu reden?
„ Colonel?“, fragte sie vorsichtig und legte ihm ihre Hand auf die Schulter; er schien sie gar nicht zu beachten. Sein Blick war stur geradeaus gerichtet, als hätte er in der Ferne etwas fixiert. Teyla runzelte sie Stirn und rüttelte ihm sanft an der Schulter. „ John, ist alles in Ordnung?“
„ So etwas hatte ich schon mal“, sagte er, ohne sie anzusehen. Seine Stimme klang nun nicht mehr so trocken wie vorhin, sondern schon fast ein bisschen wehleidig. Seine haselnussfarbenen Augen zuckten nervös umher und schimmerten feucht in dem dämmerigen Licht. „ Damals in Afghanistan.“
„ John, nein…“, fuhr Teyla dazwischen. Sie wollte es nicht hören! Er hatte es ihr, Ronon und Rodney schon einmal erzählt und auf ein zweites Mal konnte sie verzichten. „ Sie müssen das nicht tun.“
Doch statt auf ihre Bitte zu hören, fuhr er wie im Trance fort und Teyla wusste, dass sie ihn jetzt nicht mehr daran hindern konnte.
„ Ich hätte sie retten können“, sagte John leise und bedrückt. „ Ich hätte sie alle retten können, hätte ich nur…“
„ Es war nicht Ihre Schuld“, entgegnete ihm Teyla ebenso leise, doch er schüttelte nur mit dem Kopf.
„ Ich wusste, dass etwas nicht stimmte. Ich fühlte es und trotzdem…“- Er schluckte- „… und trotzdem habe ich zugelassen, dass sie gehen. Dass sie geht.“
„ John, bitte nicht…“ Teyla klang nun schon fast bettelnd, trotzdem sie wusste, dass er nicht aufhören würde. Als er sich zu ihr umdrehte und als sein tränenüberschwemmter Blick sie traf, zuckte sie zusammen, obschon sie die Geschichte schon einmal gehört hatte.
„ Verdammt, ich hätte Frauen und Kinder retten können, hätte ich nicht diesem verdammten Befehl befolgt!“, presste er zwischen seinen aufeinander gekniffenen Lippen hervor. „ Dreißig Frauen und ebenso viele Kinder. Ich habe sie alle umgebracht.“ Er wandte sich wieder von ihr ab, fuhr sich aufgebracht durch seine dunklen Haare, die in diesem Licht wie schwarzer Samt schimmerten.

Teyla seufzte. Nur zu gut kannte sie die Geschichte aus Johns Zeit in Afghanistan- bevor er entschlossen hatte, eher seinem Gefühl als Befehlen zu folgen, wenn es darauf ankam. Bevor dieser Sache mit Captain Holland und bevor man ihn nach McMurdo strafversetzt hatte. Sie kannte die Geschichte über den geplanten Transport nach Kandahar; dreißig Frauen und Kinder waren an Bord des Militärflugzeugs gewesen. Sie kannte Johns Version nur zu gut- die, in der er schon vor der Start der Maschine Bedenken geäußert hatte, da das Gebiet- welches das Flugzeug überfliegen sollte- von den Taliban besetzt war und als besonders gefährlich galt. Doch niemand hatte damals auf ihn gehört und er hatte- wenn auch unwillig- seinen Befehl ausgeführt, was schlussendlich siebzig Personen das Leben gekostet hatte- den Piloten und die begleitenden Marines eingeschlossen. Und Malika Kuadana…
Malika Kuadana war Afghanin gewesen, hatte auf dem Stützpunkt- auf dem John damals stationiert war- als Krankenschwester gedient und glaubte man seinen Berichten, so war sie wunderschön gewesen. In seinen Berichten hatte sie langes, fließendes dunkelbraunes Haar gehabt und ebenso dunkle Augen. Er hatte sie ein paar Monate zuvor kennengelernt; sie war direkt von der Akademie gekommen und man hatte sie beide zusammen in einen Trupp eingeteilt, der in den Westen des Landes aufgebrochen war, um die Leute in Malikas Heimatdorf mit Lebensmitteln und Medikamenten zu versorgen.
John musste sie sehr geliebt haben, so wie er immer über sie sprach. Es hatte ihm das Herz zerrissen, als er von ihrem Tod erfahren hatte…

„ E…es tut mir Leid, John“, wisperte Teyla mit erstickter Stimme und lächelte ihn aufmunternd an, obwohl er sie noch immer nicht ansah.
„ Ich will nicht, dass es sich wiederholt“, sagte er leise. „ Diese Leute hier bedeuten mir was und ich… und es wäre für mich schrecklich, wenn ihnen etwas zustößt. Ich will das nicht noch einmal durchmachen müssen.“ Er pausierte kurz und sah sie dann endlich an. „ Verstehen Sie das?“
Teyla nickte. „ Keine Sorge, ich verstehe Sie. Aber… wir sollten es einfach versuchen. Ich kann Elizabeth nur Recht geben: Es ist wirklich eine große Chance für uns und für diese Expedition. Und wer weiß… vielleicht werden wir es ja irgendwie schaffen zurückzukommen.“
John biss sich auf die Unterlippe. „ Wissen Sie auch wie?“
„ Es gibt Fragen, die kann niemand beantworten… noch nicht einmal ich“, antwortete Teyla und schmunzelte. „ Sie sollten sich besser daran gewöhnen.“
„ Daran, dass Sie nicht alles wissen?“, fragte John und ein schwaches, aber dennoch leicht keck wirkendes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, ließ seine Miene nicht allzu hart erscheinen. „ Das wusste ich schon länger.“
„ Diesen Satz werde ich geflissentlich ignorieren, Colonel.“ Teylas Lächeln verebbte langsam und es dauerte nicht lange, bis sie sich wieder anschwiegen.
„ Und… Sie haben wirklich keine Angst vor dem, was kommen mag?“, fragte John schließlich zögernd.
„ Warum sollte ich?“, fragte sie zurück.
„ Ich weiß nicht“, erwiderte er. „ Es ist nur… Vielleicht wäre es gut ein klein wenig Angst zu haben.“
„ Solange es keinen Grund dafür gibt, werde ich mir keine Sorgen machen“, meinte Teyla und lächelte wieder ihr mildes Lächeln, das wiederum in sich zusammenbrach, als eine ihr bekannte Stimme aus ihrem und aus Johns Headset tönte.
„ Col. Sheppard, Sie sollten in den Hologrammraum kommen. Es gibt da etwas, was Sie möglicherweise interessiert.“ Es war Samantha Carters Stimme, im Hintergrund hörten sie Rodney rumoren.
„ Ich komme sofort, Colonel“, gab John ihr zu verstehen, woraufhin nur noch ein schnelles „ Verstanden“ folgte und die Funkverbindung dann abbrach.
John seufzte resigniert und rieb sich über die Augen, fuhr sich dann durch seine schwarzen, wirren Haare. Entschuldigend sah er sie an. „ Ich werd da jetzt wohl hin müssen.“
„ Gehen Sie“, lächelte Teyla und er begann sich langsam in Bewegung zu setzen. Sie folgte ihm mit ihrem Blick, bis er ihm Türrahmen stehen blieb und sich zu ihr umdrehte.
„ Danke, für das… Gespräch“, sagte er mit einem schwachen Nicken und mit einem ebenso schwachen Lächeln.
„ Keine Ursache“, erwiderte sie, doch da war er schon im Korridor verschwunden. Sie regte sich nicht von der Stelle, bis das Geräusch seiner entfernenden Schritte nicht mehr zu hören war.

+++++++


Man konnte Rodney ansehen, dass er Samantha Carter lieber an einen anderen Ort wünschte, aber gar nicht in seiner Nähe. Mit brummiger Miene drängelte er sich immer wieder an ihr vorbei, behandelte sie dabei wie Luft, ignorierte sie.
Die blonde Astrophysikerin schien dies allerdings wenig zu interessieren und sie lächelte, als John den Hologrammraum betrat. Es war ein nervöses Lächeln- dafür musste man nicht unbedingt Psychologe oder ähnliches sein, um das zu erkennen.
John nickte ihr kurz zu. „ Colonel.“ Er würdigte Rodney kurzen Blickes und verschränkte dann die Arme hinter dem Rücken. „ Sie wollten mich sehen?“
„ Eigentlich wollte ich Sie sehen.“ Elizabeth trat aus dem Schatten des Kontrolltowers hinaus und zog ihm gegenüber die Augenbraue hoch. Er schluckte, wusste, was sie ihm an den Kopf schleudern wollte, doch überraschenderweise blieb sie still, musterte ihn nur. Neben ihr entdeckte er Daniel Jackson, der an dem Bügel seiner Brille herumnagte und angestrengt etwas zu betrachten schien, was auf dem Bildschirm abgebildet war, den er in seinen Händen hielt.
„ Warum wollten Sie mich sehen?“, fragte John und versuchte so ausgeglichen wie möglich zu klingen. Auch ihm war bewusst, dass sein Verhalten vorhin mehr als unangemessen war, doch die Erinnerungen und Emotionen hatten ihn überrannt und er musste einfach raus da.
„ Ich war nur der Annahm, dass Sie das vielleicht interessieren würde“, antwortete Elizabeth in einem freundlichen Ton, der ihn überraschte. War sie den gar nicht wütend auf ihn?

Ein Hologramm erschien neben ihm und ließ ihn zusammenzucken; es hatte etwa die Größe wie die Bildschirme in Atlantis und sowieso ähnelte es stark der lantianischen Technologie, was wohl hauptsächlich daran lag, dass dieses Schiff von den Antikern stammte.
John kräuselte die Augenbrauen und betrachtete das Angezeigte etwas näher; es war eine Route oder zumindest etwas so ähnliches. Bläulich schimmerte es ihm entgegen. An manchen Koordinaten schien es zu pausieren, dann folgte eine lange Strecke quer über die angezeigte Sternenkarte.
Er sah zu Elizabeth auf. „ Und Sie zeigen mir das, weil…“
„ Der nächste „ Stopp“, wenn man es so nennen kann, ist in einer Woche auf einem Planeten mit hohen Erdölvorkommen“, antwortete Elizabeth und deutete mit ihrem Zeigefinger auf einen schwach leuchtenden Punkten inmitten von unzähligen Sternen. „ Der Planet hat ein Stargate. Wir könnten von dort aus versuchen, Atlantis anzuwählen.“
„ Wieso versuchen wir es nicht von hier aus?“, fragte John und stutzte, als ihn sowohl Elizabeth, als auch Jackson und Col. Carter verwirrt ansahen.
„ Von hier aus?“ Elizabeth runzelte die Stirn. „ Was meinen Sie?“
John sah im Augenwinkel, wie Rodney zusammenzuckte und seufzte. Er hatte es ihr also noch nicht erzählt.
„ Rodney und ich haben eine Art… Reaktorkammer gefunden oder wenn man es so will, einen Gateraum.“
„ Sagten Sie Gateraum?“
Er nickte. „ Ja, das sagte ich. Es ist immens, größer als jedes, was ich bisher gesehen habe, mit goldenen Chevrons.“
Elizabeth schüttelte ungläubig mit dem Kopf, sah zwischen ihm und Rodney hin und her. „ Und davon sagen Sie mir nichts?“
„ Das wäre das Nächste gewesen, worauf ich Sie hin gewiesen hätte“, verteidigte sich John. Jetzt hatte sie noch einen Grund, um sauer auf ihn zu sein.
„ Moment mal.“ Samantha Carter mischte sich ein. „ Das heißt, dieses Schiff besitzt ein Stargate? Warum sind wir dann eigentlich noch hier und diskutieren? Wir sollten davon Gebrauch machen!“
„ Nein“, wandte Rodney ein und kam mit einem Computer unter dem Arm zu ihnen herübergeschlendert. „ Das können wir vergessen. Dieses Schiff hat kaum Energie, um beides laufen zu lassen. Den Antrieb und dann noch das Gate aktivieren? Halte ich für keine so gute Idee?“
„ Was könnte schlimmstenfalls passieren?“, fragte Elizabeth.
„ Schlimmstenfalls könnte das Schiff in Stücke gerissen werden“, erwiderte Rodney.
„ Und bestenfalls?“
„ Könnten die Lebenserhaltungssysteme zusammenbrechen und wir alle würden einen qualvollen Tod durch Ersticken finden.“
„ Und das nennen Sie bestenfalls?“ Daniel Jackson schüttelte mit dem Kopf und eine unangenehme Stille überkam die kleine, fünfköpfige Gruppe.

John kniff die Lippen aufeinander und sah Elizabeth an. In ihrem Gesicht spiegelte sich der Kampf in ihrem Inneren wieder und er wusste, wie schwer es ihr im Moment fiel, gelassen und ruhig zu wirken; ihm fiel es schließlich auch nicht leichter.
Eine Woche hatte sie gesagt, dann würden sie in die Reichweite eines Planeten kommen. Was würde wohl passieren? Er war noch nie in einer derartigen Situation gewesen und konnte sich deshalb keine Antwort auf seine Frage geben…
„ Wir sollten warten.“ Elizabeths Stimme riss ihn aus seinen Gedanken zurück auf das uralte Antikerschiff.
„ Und wovon sollen wir bis dahin bitte schön leben?“, fragte Rodney spitz und zog die Augenbrauen hoch. „ Ich bin ein schwer schuftender Mensch und ich brauche notgedrungen meine Proteine und Ballaststoffe!“
„ Im Jumper sind Vorräte, von denen ein fünfköpfiges Team einen Monat leben könnte“, meinte John, ohne näher auf Rodneys Ichbezogenheit einzugehen. „ Hinzu kommen noch die Powerbars, die alle bei sich tragen.“
Elizabeth nickte. „ Wir sollten Teams zusammenstellen und das Schiff weiter erkunden. Könnten Sie das übernehmen, John?“
„ Wenn es Ihnen nichts ausmacht, werde ich Col. Mitchell hinzuziehen“, entgegnete er.
„ Tun Sie das.“ Sie seufzte. „ Ich weiß, es ist schwer, aber wir sollten das Beste aus unsere Situation machen.“ Elizabeth nickte allen noch einmal zu und entschuldigte sich dann, ging.
„ Ja, das sollten wir“, murmelte John leise, ehe er ihr folgte. Sollten sie das wirklich?

TBC
Whispers, Part I by Ailya
Carson Beckett betrat mit einem Seufzen die Sektion, die laut den Datenauswertungen die Krankenstation sein sollte. Im Großen und Ganzen ähnelte sie der auf Atlantis, aber dennoch fühlte er sich hier nicht wohl- und das sollte schon was sagen, denn selbst auf einer Krankenstation auf einem Wraithbasisschiff würde er sich wohl fühlen… zumindest irgendwie und vorausgesetzt, dass es so etwas überhaupt gab.
Natürlich war auch er begeistert gewesen, als es hieß, man habe ein antikisches Raumschiff entdeckt und er war sofort bereit gewesen die Erkundungstrupps zu begleiten, kaum dass Elizabeth um Freiwillige gebeten hatte. Die Aussicht ein Stück der antikischen Technologie zu sehen und möglicherweise noch auf die Datenbank Zugriff zu erhalten, war wirklich verlockend gewesen. Genaugenommen war es das jetzt immer noch, aber… irgendwie auch nicht.
Die Tatsache, dass das Schiff vor nunmehr fast fünfzehn Stunden in den Hyperraum gesprungen war und sich jetzt sonst wo befand, war mehr als beunruhigend, wenn nicht sogar schon beängstigend- und er hatte während dieser Mission schon so manches Beängstigendes gesehen!

Der schottische Mediziner runzelte bei dem Gedanken die Stirn, ehe er von seinem knallorangen Erste Hilfe-Köfferchen aufsah und seinen Blick durch die Krankenstation- wenn man es wirklich so bezeichnen konnte- schweifen.
Sie war in drei Sektionen unterteilt; es gab eine größere, eine mittlere und noch eine etwas kleinere Sektion.
In der größten Sektion waren mehrere Behandlungs- und Untersuchungstische aufgestellt worden. In der mittleren Sektion befand sich eine Art Labor und die kleinste Sektion war mit sechs Patientenliegen staffiert, je drei pro Seite.
Ein verschlossener Durchgang stach ihm ins Auge, allerdings reizte ihn es nicht, zu wissen, was sich wohl dahinter befand. In den letzten Stunden war er vorsichtig geworden und zuckte bei jedem noch so kleinem Geräusch zusammen.
Carson seufzte resigniert und versuchte sich wenigstens etwas auf die Daten zu konzentrieren, die ihm Rodney gereicht hatte. Sonderlich viel hatte er noch nicht herausfinden können- außer vielleicht einige wenige Akten der Besatzung, die sich damals wohl bester Gesundheit erfreut hatten.
„ Haben Sie schon etwas gefunden, Carson?“, schallte da eine bekannte Stimme hinter ihm und er drehte sich um, entdeckte Dr. Weir, die ihn erwartungsvoll anblickte; sie lehnte ihm Türrahmen und hatte die Arme hinter ihrem Rücken verschränkt. Es erweckte den Anschein, als hatte sie dort schon länger gestanden und ihn beobachtet.
„ Nichts, was für uns relevant sein könnte“, antwortete Carson und ließ den Tablettlaptop, den er in den Händen trug, mit einem Seufzen sinken.
„ Die Daten geben Ihnen keine Auskunft?“, fragte die Expeditionsleiterin und zog die Augenbraue hoch, während sie langsam zu ihm herüber schlenderte.
„ Außer, dass sich die Besatzung damals in einem geradezu perfekten gesundheitlichen Zustand befunden hat, nein.“ Carson faltete seine Hände und legte sie vor sich auf die Tischplatte. „ Wenn Sie einen Bericht über spannende Experimente haben wollen, dann muss ich Sie leider enttäuschen.“
Elizabeth lächelte milde. „ Ich habe Rodney schon darauf angesetzt. Er, Col. Sheppard und Mitchell sind vor einer knappen Stunde aufgebrochen.“
„ Sie lassen das Schiff weiter erkunden?“, fragte Carson.
„ Ich befürchte, dass uns im Moment nichts anderes übrig bleibt, Carson“, seufzte Elizabeth und strich sich eine dunkelbraune Haarsträhne aus dem Gesicht.
„ Hören Sie, wenn ich irgendwie behilflich sein kann…“, setzte Carson an, doch seine Gesprächspartnerin unterbrach ihn gleich wieder.
„ Ich bin für Ihr Angebot dankbar, aber es wäre mir lieber, wenn Sie sich um die Leute kümmern. Einige hat es arg mitgenommen und ich mache mir Sorgen um ihre Wohlbefinden. Ich versuche keine Panik zu verbreiten, doch alle scheinen zu wissen, dass unsere Lage besser sein könnte. Also…“
„… werde ich mich bereithalten“, nickte Carson ab. „ Ich verstehe.“
Elizabeth lächelte ihn erleichtert an. „ Die Lage ist ernster, als ich zugeben möchte.“
„ Wir werden das schon zusammen schaffen“, sagte Carson, klopfte ihr dabei aufmunternd auf die Schulter.
„ Wenn Sie sich damit mal nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt haben“, entgegnete die Expeditionsleitern, doch ihre Stimme verlor sich in einem Seufzen.

++++++++++


John seufzte, konnte ein ungläubiges Kopfschütteln gerade noch so unterdrücken, fragte sich, warum ausgerechnet er mit dieser Last behaftet worden war.
Gerade noch rechtzeitig hatte er einen aufkeimenden Konflikt zwischen einem Marine und einem Wissenschaftler abwenden können, der mit aller größter Wahrscheinlichkeit unschön geendet hätte. Jetzt, wo er darüber nachdachte, wusste er noch nicht einmal, worüber die beiden Männer sich so aufgeregt hatten.
„ Das ist ja wohl eine Unverschämtheit“, fauchte Rodney McKay, der nur wenige Meter von ihm entfernt stand, und hinter einer Steuerkonsole umher wuselte. Empört stemmte er die Hände in die Seiten und seine blauen Augen funkelten erbost. „ Könnte ich erfahren, was Sie da zu tun gedenken?“
„ Meine Arbeit, und was machen Sie?“ Mike Branton’s braune Augen blitzten angriffslustig, und der Wissenschaftler beugte sich leicht vor.
„ Oh, werden Sie jetzt bloß nicht frech“, schnaufte Rodney. „ Und gehen Sie von der Konsole weg, sonst machen Sie sie noch kaputt!“
„ Und Sie denken, dass Sie das besser als ich können?“, wollte Dr. Branton wissen.
„ Ich denke es nicht nur, ich weiß es!“

John verdrehte die Augen. Warum in alles in der Welt fiel es diesem selbstverliebten Kanadier so schwer, mit anderen zusammenzuarbeiten?
„ Okay, genug jetzt“, sagte er schnell, bevor Rodney seinen Kollegen noch weiter beschimpfen konnte. „ Was gibt’s hier für ein Problem?“
„ Was es hier für ein Problem gibt?“, fragte der angesprochene Kanadier schnippisch. „ Das Herr Folterfutzi hier alles anfasst und alle möglichen Knöpfe drückt, ohne über die Folgen nachzudenken. Das ist los!“
„ Herr Folterfutzi steht hier drüben und kann alles mithören.“ Branton hob die Hand und funkelte Rodney an, ehe er John ein Lächeln schenkte. „ Sie müssen sich keine Sorgen machen, Colonel. Das ist nur eine kleine Streitigkeit unter Kollegen.“
„ Oh, das ist jetzt aber sehr weit hergeholt, Branton, finden Sie nicht auch“, schnarrte Rodney.
„ McKay!“, tadelte John sein Teammitglied. „ Falls Sie es noch nicht bemerkt haben, bin ich bereit Sie auf unsere derzeitige Situation hinzuweisen: Wir befinden uns auf einen Raumschiff, das vor fast fünfzehn Stunden in den Hyperraum gesprungen ist. Wir wissen weder warum es das getan hat, noch wissen wir wohin uns die Reise führt. Könnten Sie also ihr Ego ein bisschen runterkurbeln und wenigstens so tun, als wären Sie nett?“
Er hörte, wie Rodney mit den Zähnen zu knirschen begann, ehe er kleinlich nickte.
„ Sehen Sie, war das denn so schwer?“ John seufzte innerlich in sich hinein. Bis eben hatte er sich für einen recht ausgeglichenen Menschen gehalten und wenn es doch jemand mal geschafft hatte, ihn derart zu reizen, dass er ihm eine Kugel in den Kopf hätte jagen können, war da noch immer seine Soldatenausbildung, die Schlimmeres verhinderte. Doch jetzt…
„ Ich werde jetzt nach Col. Mitchell und nach Teyla sehen“, sagte er zu den beiden Wissenschaftlern, die einander immer noch anfeindende Blicke zuwarfen. „ Wenn mir irgendwelche Klagen kommen, dann werde ich persönlich dafür sorgen, dass keiner von Ihnen mehr an die Konsolen darf, verstanden?“
„ Kein Grund, daraus so ein Drama zu machen“, murmelte Rodney leicht angesäuert, während Mike Branton nur nickte und sich dann wieder seiner Arbeit zuwandte.


Obwohl es sich hierbei um einen ganzen Laborkomplex handelte, fiel es John nicht schwer, die andere Gruppe unter Führung von Cameron Mitchell zu finden; der Colonel stand inmitten eines nicht minder großen Labors und wurde von aufgeregten Wissenschaftlern umwuselt. Weder das aufgeregte Schnattern der Männer und Frauen noch deren Begeisterungsausrufe schienen ihn aus der Ruhe zu bringen; lässig lehnte er gegen einen Pfeiler und beobachtete das Treiben mit leicht gelangweilter Miene.

„ Wie ich sehe, scheinen Sie sich ja richtig zu amüsieren“, stichelte John ihn, schmunzelte, als sich Mitchell abrupt zu ihm umdrehte und sein Blick lautstark „ Endlich“ zu schreien schien.
„ Haben Sie einen Daniel Jackson in Ihrem Team und dann reden wir weiter“, erwiderte Mitchell lächelnd. „ Das hier ist eigentlich nichts Neues, außer vielleicht, dass wir uns auf einem Raumschiff befinden, das ziellos durchs All geistert.“
„ Ziellos würde ich nicht unbedingt sagen.“ John schlenderte langsam zu seinem Kameraden herüber, wich dabei immer wieder an ihm vorbei hetzenden Wissenschaftlern aus, die ihn gar nicht beachteten und sonst in ihn hinein gelaufen wären.
„ Anscheinend verstehe ich unter „ziellos“ etwas anderes als Sie“, meinte Mitchell und verschränkte die Arme vor seinem Brustkorb; seine G36 hing locker an dem Riemen, der an seiner kugelsicheren Weste befestigt war, und baumelte vor sich hin.
„ Wie läufst so?“, fragte John ihn, woraufhin der Colonel nur die Stirn runzelte.
„ Das erinnert mich an diesen einen Film, den ich als Kind mal heimlich gesehen habe“, grinste Mitchell. „ Er handelte von riesigen, mutierten Spinnen, die sich auf ihre Opfer gestürzt haben und ihnen das Leben aussaugten, wie einen Milkshake. Sie waren unberechenbar!“
„ Ja, diese Leute können wirklich unberechenbar werden, wenn es darum geht, wer zuerst an die neuentdeckte Konsole darf.“ John grinste ebenfalls und erinnerte sich daran, wie eine zierliche, blonde Wissenschaftlerin ihn damals zur Seite gedrängelt hatte, als sie eine antikische Konsole fixiert hatte. Er wusste gar nicht, dass ein so zierliches Persönchen so viel Kraft aufbringen konnte- es war fast schon unheimlich!

„ Und wie läufst bei Ihnen so?“ Mitchells Frage riss ihn aus seinen Erinnerungen.
„ Ich befürchte, dass sich Rodney und dieser Branton gerade an die Gurgel gehen, aber sonst läuft alles ganz gut“, antwortete er, blickte sich dann leicht irritiert um.
Cam Mitchell bemerkte seinen verwirrten Gesichtsausdruck. „ Was ist? Suchen Sie jemanden?“
John löste seinen Blick von zwei Wissenschaftlern, die heftig miteinander diskutierten und sah seinen Kameraden über seine Schulter hinweg an, verzog den Mund. „ Ich frage ungern, aber haben Sie Teyla gesehen?“
„ Die Athosianerin? Sie sagte, sie wolle dem Korridor weiter folgen. Wieso, ist das ein Problem?“
„ Nein, sie kann schon auf sich selber aufpassen. Ich habe mich nur gewundert…“
„ Sie mögen sie, nicht wahr?“
„ Wie bitte?“ John sah Mitchell fragend an; ein schelmisches Grinsen umspielte die Lippen des Colonels und seine grauen Augen blitzten ihn keck an. „ Wie kommen Sie denn jetzt da drauf?“
„ Ich hab Antennen für sowas, Sheppard“, erwiderte der Teamleader von SG1 und sein Grinsen wurde noch breiter. „ Mir fällt sowas immer recht schnell auf, wissen Sie.“
„ Was fällt Ihnen auf?“, fragte John misstrauisch und hatte das Gefühl, dass er die Antwort schon kannte.
„ Sie wissen schon, was ich meine… Das Knistern in der Luft. Romantische Schwingungen.“ Cameron Mitchell wackelte mit den Augenbrauen und er grinste nun so breit, dass seine Ohren abzufallen drohten.
„ Sie ist Mitglied in meinem Team“, stellte John klar, da er genau wusste, was da gerade in dem Kopf seines Gegenüber vorging- und das entsprach definitiv nicht der Wahrheit! „ Das ist alles.“
„ Sind Sie sich sicher?“
„ Ja, ich bin mir sicher.“
„ Wirklich?“, hakte Mitchell nach.
„ Sollten Sie nicht lieber aufpassen, dass Ihre Schützlinge sich nicht in de Haare bekommen, anstatt mir Beziehungstipps zu geben?“
„ Ich denke, die sind erwachsen genug, um mit einander klarzukommen und denken Sie nicht, dass es mir nicht aufgefallen ist, dass Sie das Thema wechseln wollten.“ Mitchell grinste. „ Außerdem fiel das Wort „ Beziehung“ und das…“
„ Oh, man.“ John seufzte.
„ Ach kommen Sie schon! Das ist doch um einiges interessanter, als darauf zu warten, dass diese Leute wieder unter ihren Konsolen hervorgekrochen kommen.“
„ Wenn Sie meinen.“ John seufzte wieder und fragte sich, ob er nicht vielleicht wieder zurückgehen und nach seinen beiden Streithähnen in dem benachbarten Labor sehen sollte; irgendwie beunruhigte ihn der Gedanke, dass Rodney und Branton allein waren. Und außerdem führte dieses Gespräch in eine von ihm nicht vorgesehene Richtung…
„ Sie mögen sie also“, versuchte Mitchell es noch einmal, doch mehr als ein Versuch wurde es nicht.
„ Ich sollte jetzt wieder nach Rodney sehen“, entgegnete John trocken und nickte ihm kurz zu. „ Rufen Sie mich, wenn Ihnen der Haufen zu sehr auf der Nase herumtanzt.“
„ Keine Sorge“, rief Mitchell ihm hinterher, „ich…“
„ Col. Sheppard, das sollten Sie sich ansehen!“ Er hatte schon mit Rodney gerechnet, doch es war Mike Branton’s Stimme, die da aus seinem Headset tönte und den Rest von Cam Mitchells Satz übertönte.
„ Was gibt’s, Doktor?“
„ Das sollten Sie sich lieber persönlich ansehen“, kam die Antwort.
John seufzte. „ Okay, ich bin gleich da.“ Was, um aller Himmels Namen, gab es denn noch, was er sich ansehen sollte?

++++++++++


Zugegeben; der Anblick eines strahlenden Rodney McKays, dem vor Grinsen fast die Ohren abfielen und der friedlich neben seinem Kollegen stand, war schon merkwürdig, und so fiel es ihm zuerst gar nicht auf, dass der Kanadier da etwas in den Händen hielt, was einer dampfenden Kaffeetasse zum Verwechseln ähnlich sah.

„ Sie glauben nicht…“, empfing ihn Rodney überschwänglich und verlor sich dabei in seiner eigenen Begeisterung; seine blauen Augen waren klar und er wirkte merkwürdigerweise sehr entspannt… zu entspannt.
John zog die Augenbrauen hoch und seine Verwirrung gipfelte, als Rodney ihm eine Tasse Kaffee in die Hand drückte.
„ Ja, ganz Recht“, surrte der Kanadier selbstgefällig. „ Soeben von mir entdeckt und erfolgreich genutzt.“
Johns Augenbrauen wanderten noch weiter gen Haaransatz. „ Sie haben ne’ Kaffeemaschine gefunden?“
„ Ich bezweifele, dass die Antiker so etwas kannten, aber ja“, erwiderte Rodney, begann dann aber ebenso schnell wieder mit dem Kopf zu schütteln. „ Naja… eigentlich nicht… doch… naja….“
„ Rodney“, seufzte John, „ bitte drücken Sie sich verständlich aus. Ich bin schließlich her gekommen, weil Sie mir unbedingt etwas Atemberaubendes zeigen wollten.“
„ Von Atemberaubend war nie die Rede, aber naja…“, meinte Rodney, während er um die Steuerkonsole herumlief und dann auf einen Computer einzutippen begann. Ein kleiner frei schwebender Monitor erschien direkt vor John und er verschluckte sich fast an seinem Kaffee, der wirklich unverschämt gut schmeckte.
„ Was ist das?“, fragte er.
„ Das, mein unwissender Soldatenfreund, ist sozusagen der Heilige Gral, die wahrscheinlich größte Entdeckung die wir bisher gemacht haben, wenn man mal davon absieht, dass wir erst seit gut fünfzehn Stunden auf diesem Schiff sind“, antwortete Rodney ihm, immer noch breit grinsend.
„ Verzeihen Sie mir meine dämliche Fragerei, aber wären Sie so freundlich und würden mir erklären, was das überhaupt ist?“
Rodney seufzte. „ Erinnern Sie sich an den Asgardtransporter, von dem ich Ihnen erzählt habe?“
John runzelte die Stirn, nippte an seinem Kaffee. „ Muss ich mich daran erinnern?“
„ Das werde ich jetzt mal ignorieren“, schnappte Rodney und war auf einmal nicht mehr ganz so nett. „ Ja, Sie sollten sich daran erinnern, weil das erst letzte Woche war.“
„ Oh…“
„ Wie dem auch sei“, fuhr Rodney fort, nachdem er die Augenverdreht und leise geseufzte hatte. „ Ich bin dieser Art von Transporter das erste Mal vor rund fünf Jahren begegnet. Sie ist erstaunlich, aber unglaublich kompliziert. Es würde also viel zu lange dauern, es Ihnen ein zweites Mal zu erklären, also werde ich versuchen mich einfach auszudrücken.“
„ Wie nett von Ihnen“, stichelte John grinsend.
„ Wenn man einigermaßen begabt ist und die Grundlagen einer solchen Technologie kennt, dann ist es kein Problem dieses Programm zu modifizieren.“ Er machte eine kurze Pause. „ Col. Carter ist dies zum ersten Mal gelungen, als sie und SG1 in dem Zeiterweiterungsfeld gefangen waren.“
„ War das nicht erst vor ein paar Monaten?“, warf John ein.
„ Ja, vor rund einem halben Jahr“, antwortete Rodney. „ Also, ihr ist es damals gelungen, den Asgardkern derart zu modifizieren, dass sie fast jeden beliebigen Gegenstand mithilfe der Asgardbeamtechnologie materialisieren konnte und…“
John unterbrach ihn mit einer schnellen Handbewegung. „ Sie haben einen Materiekonverter entdeckt?“
Rodney schien kurz nachzudenken, nickte dann. „ Scheinbar kannten die Antiker diese Technologie schon länger und haben sie sozusagen als Standardausrüstung mit eingebaut.“
„ Materiekonverter, also?“
„ Ja, wenn Sie es so nennen wollen.“
„ Und das heißt…“
„… das ich Ihnen von einer Tasse Kaffee bis zu einer kompletten Golfausrüstung alles bieten kann. Ich muss es nur in den Computer eingeben.“ Rodney grinste selbstzufrieden. „ Und das heißt außerdem, dass ich nicht an einem qualvollen Hungertod sterben werde. Aber…“
John runzelte die Stirn. „ Sagen Sie bloß…“
„ Es gibt da ein klitzekleines Problem“, sagte Rodney.
„ Ach, nur eines?“, fragte John sarkastisch.
„ Dieses Programm hochzufahren und es zu nutzen, verbraucht immer Unmengen an Energie und ich will bei aller Liebe kein Spielverderber sein, aber ich weiß nicht, wie lang die Energiereserven noch reichen.“
John zog die Augenbrauen hoch. „ Und das nennen Sie „ ein klitzekleines Problem“? Das ist für mich ein großes Problem!“
„ Ich gebe bereits mein Bestes und ich werde Elizabeth und Sie sofort informieren, sobald ich Neues herausgefunden habe“, sagte Rodney.
„ Haben Sie Elizabeth schon informiert?“, wollte John wissen.
„ Ihr Funkgerät funktioniert nicht, also ist Branton sie suchen gegangen.“
„ Okay…“ John seufzte und strich sich durch seine wirren Haare. „ Machen Sie weiter und bis auf weiteres möchte ich, dass Sie dieses Ding gefälligst aus lassen.“
Rodney sah ihn empört an. „ Heißt das…“
„ Ja, das heißt, dass Sie wohl oder übel auf Kaffee verzichten müssen“, entgegnete John. „ Wir wollen nichts riskieren, verstanden?“
„ Jaja.“ Rodney nickte.

John nickte ihm noch einmal auffordernd zu, ehe er ging, um nach Elizabeth zu suchen; die Kaffeetasse hielt er dabei noch immer in den Händen. Wohl oder übel musste er sagen, dass wenigstens dieses Problem einigermaßen geklärt zu sein schien. Verhungern würde niemand! Das war gut…

TBC
Whispers Part II by Ailya
Elizabeth hatte sich in eines der leer stehenden Quartiere zurückgezogen und studierte gedankenverloren die Datenauswertungen, die Dr. Jackson ihr überlassen hatte- er selbst hatte zum „durchblättern“ dieser Daten nur wenige Minuten gebraucht.
Sonderlich viel war nicht niedergeschrieben worden und wenn ihr doch etwas ins Augen sprang, dann musste sie nach eifriger Übersetzungsarbeit enttäuscht feststellen, dass sie dies schon wusste; die Artemis war zuzeiten des Krieges mit den Wraith tatsächlich ein Versorgungsschiff gewesen, hatte in regelmäßigen Abständen Außenposten angeflogen. Über herausragende Experimente fand sich rein gar nichts…

Die Expeditionsleiterin seufzte resigniert und legte den Tablettlaptop beiseite; ihre Augen waren müde und schmerzten von dem vielen Lesen. Sie legte ihren Kopf in den Nacken, fuhr sich durch ihre dunkelbraunen Haare und rieb sich ihre erschöpften, grünen Augen.
Sie sollten sich ausruhen, meine Liebe, hatte Carson zu ihr gesagt, als sie ihn vorhin auf der Krankenstation besucht hatte. Sie wollte den Rat des schottischen Mediziners beherzigen, doch sie konnte es nicht. So sehr sie es auch versuchte… sie konnte es einfach nicht!

Das Brummen des Antriebs war kaum zu vernehmen und als Elizabeth aus dem Fenster ins All hinaus blickte, die Sterne vorbeisausen sah, wirkte es so unwirklich. Die Tatsache, dass sie sich auf einem Raumschiff befand, dass nach Nirgendwo unterwegs war und sie es nicht verlassen konnte, schien noch nicht richtig zu ihr durchgedrungen zu sein. Sie versuchte noch immer das Positive an der Ganzen Sache zu sehen, aber allzu viel Positives gab es nicht.
Sie befand sich zusammen mit rund fünfzig anderen Personen auf einem Raumschiff der Antiker; bis hierhin war ja noch alles gut und man hätte tatsächlich von einem Glücksfall reden können.
Sie befand sich zusammen mit rund fünfzig anderen Personen auf einem Raumschiff der Antiker, das sie nicht verlassen können und wovon sie nicht wissen, wohin es sie führt; vielleicht war dies schon eher ein Grund leichte Panik zu schieben.

Elizabeth wandte ihren Blick ab und versuchte sich vorzustellen, was jetzt im Moment wohl gerade in Atlantis vor sich ging. Vor ihrem Aufbruch hatte sie Major Lorne das Kommando über die Stadt übertragen und sie war sicher, dass kein Mensch befähigter für diese Aufgabe war, als der Major. Doch normalerweise hätten zumindest einige von ihnen jetzt schon seit gut fünf Stunden zurück sein müssen!
Sie war sich sicher, dass Major Lorne versucht hatte sie über Funk zu erreichen. Er hätte sicherlich auch einen Erkundungsjumper los geschickt, um nach ihnen zu sehen und zu entdecken, dass sich im Orbit des Planeten nichts als Dunkelheit befand.
Elizabeth seufzte bei dem Gedanken, dass sie und all die anderen jetzt sozusagen als „vermisst“ galten. Sie wusste, wie so etwas geahndet wurde; man würde nach ihnen suchen lassen, versuchen sie irgendwie anderweitig zu kontaktieren. Nach einer gewissen Zeit- etwa nach eineinhalb Monaten- würden Maßnahmen ergriffen werden; man würde ihre Stelle und die Stellen der anderen neu besetzen- es musste schließlich weitergehen! Major Lorne würde höchstwahrscheinlich zum neuen befehlshabenden Offizier der Stadt ernannt werden und...
„ Nein!“ Elizabeth war überrascht, als dieser widerstrebende Laut über ihre Lippen brach und den ganzen Raum erfüllte. Schnell schüttelte sie mit dem Kopf, versuchte den Gedanken zu verbannen. Irgendwie würden sie den Weg zurück finden. Aber, was wenn nicht? Wenn sie es nicht schaffen würden? Keiner von ihnen wusste wohin sie dieser Weg führte! Sie flogen blind durchs Universum, nicht wissend, was als Nächstes passieren würde!

„ Dr. Weir?“ Eine männliche Stimme ließ sie zusammenzucken und für einen Moment hatte sie gehofft, dass sie zu John gehörte. Sie wollte sich unbedingt mit ihm aussprechen! Sie wollte das, was da zwischen ihnen in der Messe vorgefallen war, klären! Sie hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen ihm gegenüber; einerseits konnte sie ihn ja verstehen, aber andererseits… Sie sollten miteinander reden!
Doch es war nicht John, der da im Türrahmen aufgetaucht war und sie erwartungsvoll ansah, sondern Dr. Mike Branton, ein Wissenschaftler, den sie erst vor kurzem Radek Zelenkas Team zugeteilt hatte und dessen Akte viel versprechend war.
„ Kann ich etwas für Sie tun, Doktor?“, fragte sie ihn und er begann ein wirklich bezauberndes Lächeln zu lächeln.
„ Eigentlich war ich auf der Suche nach Ihnen“, antwortete Branton und stieß sich mit dem Ellenbogen vom Türrahmen weg, kam langsam zu ihr herüber geschlendert, die Hände in den Hosentaschen verborgen. „ Stör ich Sie wobei?“ Er nickte in Richtung des neben ihr liegenden Tablettlaptops.
„ Nein, nein.“ Elizabeth schüttelte mit dem Kopf. „ Das sind nur Auswertungen; leider nicht allzu viel versprechende.“
„ Sind Sie eigentlich immer so?“, fragte Mike Branton plötzlich und sie zog leicht irritiert ihre Augenbrauen hoch.
„ Was meinen Sie?“
„ Sie sehen erschöpft aus- vielleicht sollten Sie sich ein bisschen ausruhen.“
Elizabeth lächelte verlegen. „ Mir geht es gut, aber Ihre Sorge rührt mich, Doktor.“
„ Nein, nein.“ Branton schüttelte energisch mit dem Kopf. „ Ich mein das wirklich ernst! Sie sollten sich wirklich ausruhen, denn es wäre ja ein Jammer, wenn Sie zusammenbrechen und die wirklich coolen Dinge nicht mitbekommen.“
„ Sollten Sie Dr. McKay nicht bei der Erkundung des Laborkomplexes helfen?“, fragte Elizabeth ernst, doch innerlich musste sie schmunzeln. Es war wirklich unübersichtlich, dass der Wissenschaftler mit ihr flirtete und wenn sie ehrlich sein sollte- es gefiel ihr! Zumal Mike Branton nicht gerade schlecht aussah; er hatte dunkelbraune, leicht gelockte Haare und tiefbraune Augen, die sie im Augenblick intensiv anstarrten.
„ Ich habe mich seiner diktatorischen Alleinherrschaft entschlichen“, erwiderte Branton schelmisch grinsend und zwinkernd.
Elizabeth seufzte und erhob sich. „ Was hat er diesmal so weltbewegendes entdeckt?“ Sie schloss zu Mike Branton auf, der sie aus dem Augenwinkel hinaus spitzbübisch anfunkelte.
„ Ich glaube er bezeichnete es „ den Heiligen Gral“ oder so“, witzelte der Wissenschaftler, wirkte dann aber, nachdem er sich einmal kurz geräuspert hatte, relativ ernst. „ Verzeihen Sie mir meine Ausdrucksweise, aber er hat irgendwas von der Asgardbeamtechnologie gefaselt und war dann verschwunden.“
„ Verschwunden?“ Alarmiert blieb Elizabeth stehen.
„ Ich meine, er war unter der Konsole verschwunden“, sagte Branton schnell. „ Er ist nicht weggebamt worden.“
„ Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sich etwas deutlicher ausdrücken könnten“, erwiderte Elizabeth kühl.
„ Ich werde mein Bestes geben.“ Wieder zuckte dieses schelmische Lächeln über Branton’s Lippen und ließ sie leicht erröten. Scheinbar wusste nicht nur ein John Sheppard mit seinem Lächeln umzugehen…

+++++++++++


Es war schon fast ein bisschen unheimlich, dass sich überall Wissenschaftler tummelten- wohin er auch ging. Obwohl er zugeben musste, dass sie besser zu ertragen waren als Rodney… obwohl das wiederum auch nicht wirklich der Wahrheit entsprach; die zierliche Deutschte mit den blonden, gelockten Haaren und der runden Brille hatte ihn vorhin wirsch angefahren, er solle gefälligst Platz machen, und ein kleiner, pummliger Franzose, der gewisse Ähnlichkeiten mit Napoleon Bonaparte hatte, war ihm gegenüber ziemlich ungehalten geworden.

John seufzte, als er das Gaterium des Schiffes betrat und prompt von einem Wissenschaftler- rothaarig und vielleicht gerade einmal einen Meter sechzig groß- beiseite gedrängelt wurde.
„ Entschuldigen Sie bitte, aber ich muss da mal durch“, quäkte der Mann mit einem sehr britisch klingenden Akzent.
Schon etwas entnervt machte John ihm Platz und kam zu dem Schluss, dass er Rodney darauf hinweisen sollte, wie seine Kollegen oder besser gesagt „Untergebenen“ mit ihm zu reden und vor allem umzugehen haben. Im Gaterium wimmelte es nur so vor Wissenschaftlern, die geschäftig mit ihren Computern unterm Arm herumliefen und dabei scheinbar keine Rücksicht auf Verluste nahmen. Um das DHD ähnliche Steuerpult wuselten zwei Männer herum, stritten sich dabei lautstark darüber, wer es denn nun als Erster entdeckt hatte. Um das Gate mit den goldenen Chevrons schwirrten drei Frauen und schienen ebenso wenig einer Meinung zu sein, wie ihre männlichen Kollegen.

„ Colonel!“ Mit etwas Verzögerung drang die ihm im Laufe der Jahre so vertraut gewordene Stimme durch das Stimmengewirr, welches nun ins mehrsprachige ausgeartet war- der Franzose beschimpfte die Deutschte, die- obwohl sie kein Wort verstand- einen empörten Laut von sich gab.
„ Ich glaube, die Frage, wie es denn so bei Ihnen läuft erübrigt sich“, meinte er mit einem Nicken in die Richtung der beiden Streithähne.
Teyla verdrehte schwach die Augen, lächelte dann aber. „ Eigentlich läuft es hier ganz gut- bis auf die kleinen Streitereien. Und bei Ihnen?“
„ Rodney und Branton sind sich bis jetzt noch nicht an die Gurgel gegangen, Col. Mitchell hat seine Truppe auch noch unter Kontrolle und auf Ronons Bericht warte ich noch“, antwortete John und zuckte leicht zusammen, als zwei Wissenschaftler frontal ineinander liefen, da beide nur auf ihre Computer geachtet hatten und nicht darauf, wo sie hinliefen oder ob ihnen jemand entgegenkam.

„ Und… wie fühlen Sie sich?“ Teylas Frage riss ihn aus seinem Kopfschütteln; das Lächeln war aus dem Gesicht der Athosianerin gewichen, doch ihr Blick war warm. Er wusste, worauf sie hinaus wollte- auch ihm ging ihr Gespräch von vorhin nicht aus dem Kopf und er musste immerzu daran denken.
„ Besser“, antwortete er einfach nur, denn ihm war klar, dass sie es merken würde, sobald er anlog. So richtig hatte er sich noch nicht mit dem Gedanken und mit der Situation angefreundet und- zugegeben- es machte ihn fertig, es nicht zeigen zu dürfen. Seine Aufgabe war es eigentlich Elizabeth zu unterstützen- eigentlich. Die Voraussicht auf das Gespräch, das er wegen seines Verhaltens, vorhin der Messe, mit der Expeditionsleiterin zu führen hatte, ließ ihn leicht erschaudern. Aber er bereute seine Reaktion nicht, auch wenn die anderen ihn nicht verstanden.
„ Wirklich?“, hakte Teyla nach und ihm wurde klar, dass sie ihm kein Wort glaubte. Sie konnte in seinem Gesicht lesen, niemand konnte das- außer ihr. Manchmal war es geradezu unheimlich, wenn sie wusste, was ihn bedrückte, obwohl er es noch nicht einmal gesagt hatte.

John biss sich kurz auf die Unterlippe und wich ihrem forschenden Blick aus, seufzte leise, bevor er sich um ein möglichst echt aussehendes Lächeln bemühte und sie dann wieder ansah. „ Es geht mir gut. Ich habe mich damit abgefunden.“
Die Athosianerin schien nicht sonderlich zufrieden mit dieser Antwort zu sein, doch sie nickte. „ Das ist gut.“
„ Hören Sie zu, ich sollte jetzt…“
„ Ja, schon verstanden.“
„ Melden Sie sich, wenn…“
„ Werde ich machen, John.“
„ Dann werde ich jetzt…“
„ Ja.“
„ Okay.“ Er nickte, ehe er sich umdrehte und sich langsam in Bewegung setzte. Seine Beine fühlten sich schwer an und er zog sie einfach nur hinter sich her, bis er in den Korridor hinaus getreten war und sich dort gegen die Wand lehnte.
Wie fühlen Sie sich? Ihre Frage hallte in seinem Kopf wieder und wenn er jetzt so darüber nachdachte, wusste er plötzlich nicht mehr, was er darauf hätte antworten sollen; er wusste es einfach nicht.

Besser. Hatte er gelogen oder fühlte er sich wirklich besser? Alles in ihm war aufgewühlt und es fiel ihm schwer zu sagen, ob er sich nun besser oder immer noch so deprimiert wie vorhin fühlte.

Wirklich? Er hätte wissen müssen, dass sie ihm das nicht abkaufte und noch einmal nachfragen würden; trotzdem hatte es ihn ein bisschen überrascht.

Es geht mir gut. Ich habe mich damit abgefunden. Er hatte an ihrem Gesichtsausdruck gesehen, dass sie ihm das auch dieses Mal nicht abgekauft hatte, doch er schätzte es, dass sie nicht weiter gefragt hatte, sondern es dabei belassen hatte.

John drückte seine P90 eng an seinen Brustkorb, als hätte er Angst, dass hinter der nächsten Ecke ein finsteres Monster hervorkommen und ihn angreifen würde.
Gesetzten Schrittes ging er durch die Korridore, gedankenverloren, nachdenkend. Er genaugenommen noch die der große Denker gewesen, doch heute schien es für ihn unausweichlich seine Gedanken schweifen zu lassen. Er fragte sich, was wohl gerade in Atlantis alles vor sich ging. Ob man schon bemerkt hatte, dass etwas nicht in Ordnung war? Hatte man ihr Verschwinden bereits entdeckt? Er war sich sicher, dass Major Lorne die richtigen Entscheidungen treffen würde- während seiner Abwesenheit…er war sich sicher, dass sie zurückfinden würden. Aber, was wenn nicht?

++++++


Es geht mir gut. Ich habe mich damit abgefunden, hatte er gesagt, doch schon allein wie er es gesagt hatte… hatte sie erkennen lassen, dass er ihr nicht die Wahrheit sagte.
Es war einfach in John Sheppards Gesicht zu lesen und so war ihr natürlich gleich aufgefallen, als er den Blick abgewandt hatte und versucht hatte ihr nicht in die Augen zu sehen.
Teyla wusste, was ihm durch den Kopf gegangen war und das er sich genauso gut wie sie, an ihr Gespräch zurückerinnerte; dieses Thema berührte ihn mehr als er zugeben wollte. Mit ihm über Gefühle zu sprechen, besonders wenn es sie seinigen waren, konnte sich kompliziert gestalten. Sie erinnerte sich an das Gespräch, dass sie beiden vor rund einem halben Jahr an Bord der Daedalus geführt hatten.

„ Wissen Sie, ich bin nicht wirklich gut darin… ähm… Nun ja… ich bin schrecklich, wenn es darum geht... Ich weiß nicht, wie Sie es nennen, ähm…“
„ Gefühle auszudrücken?“
„ Ja, sicher. Okay. Der Punkt ist, ich habe keine...ähm…“
„ Soziale Fähigkeiten?“
„ Das ist der Grund, warum ich Flugzeuge in die entlegensten Gegenden geflogen habe, bevor dieser ganze Wahnsinn angefangen hat und nun ja, ich habe keine…“
„… Freunde?“
„ Nein, ich habe Freunde. Sie, Elizabeth, Ronon, Carson, sogar Rodney. Sie sind für mich wie eine…“
„… Familie?“
„ Ich… ich würde alles für einen von Ihnen tun. Wenn ich mein Leben für einen von Ihnen geben müsste… ich würde es tun.“


Sie hatte ihn noch nie zuvor derartig reden gehört und damals hatte es sie überrascht, dass er so… emotional werden konnte. Sie hatte verstanden, was er ihr damals hatte sagen wollen, auch wenn er es schlussendlich nicht getan hatte; sein Freunde- sie, Ronon, Rodney und die anderen- waren ihm wichtig und er wünschte sich, es ihnen mehr zeigen zu können… doch er konnte es nicht.
John sprach nicht oft über seine Vergangenheit oder über seine Familie; das Einzige, was er ihr einmal erzählt hatte, war, dass er einen jüngeren Bruder namens Dave hatte, doch so, wie er über ihn sprach, erweckte es den Anschein, dass er nicht gut auf ihn zu sprechen war.
Deswegen bin ich zur Air Force gegangen, hatte er nur zu ihr gemeint und war dann gegangen. Sie hatte ihm nur nachgesehen, nichts gesagt.

Teyla seufzte resigniert und schob die Gedanken beiseite, drückte ihre P90 enger an ihren Körper und beobachtete die Wissenschaftler, die unter ihrer Aufsicht standen und geschäftig umher rannten. Einerseits konnte sie ihre Euphorie ja verstehen, andererseits fühlte sie sich doch ein bisschen fehl am Platz.
Am heutigen Abend würde auf Neu Athos das Erntefest stattfinden und Halling hatte sie schon vor ein paar Wochen gefragt, ob sie die Festivitäten eröffnen wollte. Sie hatte freudig zugesagt und nun… nun befand sie sich auf einem Raumschiff und konnte ihrer Verpflichtung nicht nachkommen. Und das ausgerechnet an einem so besonderen Tag- nicht nur, weil heute ein Feiertag für ihr Volk war, sondern auch, da sie sich erhofft hatte einen alten Freund wiederzusehen.
Kanaan- sie beide hatten schon als kleine Kinder immer zusammen gespielt, hatten fest zueinander gehalten und einander immer unterstützt. Sie waren wirklich enge Freunde gewesen und dementsprechend hatte sie es mitgenommen, als er ihr mitgeteilt hatte, dass er Athos verlassen wollte, um die Handelbeziehungen ihres Volkes auszuweiten.
Heute- fast zehn Jahre später- hatte er seinen Besuch angekündigt und sie hatte sich so darauf gefreut, ihn wiederzusehen und endlich wieder mit ihm sprechen zu können… nach all diesen langen Jahren.

Doch wie sooft, hatte das Schicksal etwas anderes für sie bestimmt; sie musste die Entscheidung respektieren, auch wenn es ihr schwer fiel.

TBC
Gespräche by Ailya
Die tiefsten Tiefen des Weltraums. Da waren Länge und Breite und Höhe, und dann krümmten sich diese Dimensionen hinein in eine verzerrende Dunkelheit, messbar nur an den glitzernden Sternen, die durch die Leere taumelten, bis in die Unendlichkeit hinein schrumpfend. Bis in die tiefste Tiefen.
Diese Sterne bezeichneten die Augenblicke des Alls. Es gab blaue Zwerge und gelbe Riesen. Es gab zusammenstürzende Neutronensterne, kreisende Sterne, pulsierende Sterne und sterbende Sterne. Da draußen gab es einfach alles und allein schon der Gedanke daran, war beängstigend.

Elizabeth stolperte langsam zurück in die Realität und löste ihren Blick von der alles umfassenden Leere, die sich vor dem Fenster befand und in welcher sie sich verloren hatte.
Sie seufzte verhalten und strich sich müde über ihr Gesicht und dann durch ihre dunkelbraunen Haare. Ein flüchtiger Blick auf ihre Uhr, die sie seit jeher an ihrem Handgelenk trug, verriet ihr, dass es Abend geworden war… und so fühlte es sich auch an; ihre Glieder waren schwer, ihre Arme hingen schlaff an ihr herunter, ihre Augen wurden immer kleiner und sie gähnte unentwegt.
Sie sollten sich hinlegen. Jetzt klang Carsons Rat nicht mehr ganz so abwegig. Sie war wirklich hundemüde, was vielleicht daran lag, dass sie jetzt seit mehr als zwölf Stunden auf den Beinen war. Aber erst nachdem sie sich vergewissert hatte, dass es für sie nichts mehr zu tun gab, hatte sie sich in eines unzähligen, leer stehenden Quartiere zurückgezogen und hatte es zu ihrem provisorischen „Nachtlager“ auserkoren.

Zwar vermutete sie, dass alle Quartiere auf dieser Ebene gleich aussahen, dennoch hatte sie sich dieses ausgesucht, da es ihrer Meinung nach am besten zu ihr passte.
Es war mit einem recht gemütlich aussehenden und vor allem großen Bett staffiert. Drei kleine weiße Sessel waren vor dem riesigen Panoramafenster gruppiert worden und alles in allem hatte dieser Raum eine durchweg positive Ausstrahlung. Wer hier wohl einmal gehaust hatte?
Elizabeth erhob sich von dem Sessel, in dem sie es sich die letzte halbe Stunde bequem gemacht hatte, und flanierte langsamen Schrittes durch den Raum. Sie fand es falsch, dass sie einfach hier eingedrungen war, obwohl sie wusste, dass der eigentliche Besitzer mit aller größter Wahrscheinlichkeit seit mehreren tausend Jahren tot oder aufgestiegen war. Trotzdem war es ein merkwürdiges Gefühl!
Auf dem Nachttisch, der neben dem Bett stand, leuchtete eine kleine Lampe und schien auf die Taschenuhr hinab, die ihr ihre Mutter einmal geschenkt hatte. Sie wusste nicht so recht, warum sie sie mitgenommen hatte; eigentlich gab es keinen Grund. Oder hatte sie gar etwas vorausgeahnt? Hatte sie gewusst, dass dieser Tag etwas ganz Besonderes sein würde? Und wenn ja, warum?

Ein leicht blechern klingendes Geräusch- es glich entfernt einem Klingeln- riss sie aus ihren Gedanken und ließ sie zusammenzucken. Erst nach ein paar stillen Sekunden registrierte sie, um was es sich gehandelt hatte und hielt in ihrem Lauf inne.
„ Es ist offen“, rief sie. „ Kommen Sie herein.“
Die Tür zu dem Quartier öffnete sich zischend und ein langer Schatten fiel in den Raum hinein, bildete- als er auf Licht stieß- eine ihr bekannte Silhouette und ließ sie kurz nach Luft schnappen.
„ Colonel“, brachte sie atemlos hervor und wusste auf einmal nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte sich die Worte sorgfältig zurecht gelegt, doch jetzt… jetzt waren sie weg!
Johns Gesicht lag in einem Schatten, sodass sie seine Miene nicht sehen konnte, doch allein die Tatsache, dass er ihm Türrahmen stehen blieb und nicht hinein kam, beunruhigte sie.
„ Ist es gerade ungünstig?“, hörte sie ihn mit leiser Stimme fragen, die in ihren Ohren entlang kratzte. „ Soll ich später wiederkommen?“
„ Nein.“ Sie schüttelte mit dem Kopf und bedeutete ihm mit einer Geste, dass er doch herein kommen sollte. „ Kommen Sie doch herein.“

Er schien zu zögern; ein schwacher Lichtschimmer fiel auf sein Gesicht und sie sah, wie seine Wangenknochen zuckten, so wie sie es immer taten, wenn er nicht wusste, was er zu tun hatte. Sie hörte sein ruhiges Atmen, als er sich langsam in Bewegung setzte.
Ohne etwas zu sagen, schritt er an ihr vorbei und sein Blick verflüchtigte sich in dem Quartier.
„ Schön haben’s Sie her“, sagte er, ohne jeglichen Unterton in seiner Stimme, die sie zurückzucken ließ, als hätte sie sich an einer Flamme verbrannt.
„ Den Umständen entsprechend reicht es“, entgegnete Elizabeth ihrem Militärkommandanten, der gesetzten Schrittes eine kleine Runde in dem Quartier drehte und sich dabei neugierig umsah. Was er erwartet hatte zu finden, wusste sie nicht.
Sie räusperte sich verlegen, in diese Stille hinein. John blickte zu ihr auf; ihm schien dieses betretene Schweigen ebenso zu missfallen, wie ihr. Über sein Gesicht zuckte etwas, was entfernt an ein Lächeln erinnerte, doch im dämmerigen Licht des Raumes eher einer verzerrten Grimasse glich.
„ Hören Sie, Elizabeth“, sagte er und war stehen geblieben, blickte sie vollen Ernstes an, Wenn er sie so anblickte, erinnerte er sie an einen strengen Militärkommandanten, der nichts anderes duldete außer sich und seinen Befehlen… doch so ein Mensch war John Sheppard nicht. Er hatte es selber manchmal schwer mit Befehlen und er zeigte seine Missachtung auch. Vielleicht ein Grund, warum er jetzt vor ihr stand…
„ Was vorhin zwischen Ihnen und mir vorgefallen ist…“, setzte er an, doch Elizabeth unterbrach ihn mit einer schnellen Handbewegung. John schüttelte mit dem Kopf, fuhr unbeirrt fort. „ Sie sollten wissen, dass es mir Leid tut und dass ich in Zukunft Ihre Entscheidungen respektieren werde.“
„ Respektieren?“, hinterfragte die Expeditionsleiterin leicht irritiert.
John neigte seinen Kopf leicht. „ Bei allem nötigen respekt, aber Sie können nicht von mir erwarten, dass ich all Ihre Entscheidungen für richtig halte.“
„ Sie halten meine Entscheidung nicht für richtig?“
„ Es hätte andere Möglichkeiten gegeben“, antwortete er verhalten. „ Das heißt nicht, dass Ihre Führungsqualitäten anzweifele, aber…“
„ Was hätten Sie an meiner Stelle getan?“ Elizabeth überraschte ihr eigener, leicht angesäuert klingender Ton, den sie gar nicht so beabsichtigt hatte.
„ Wir wissen nicht, wohin uns diese Reise führt“, sagte John einfach in einer monotonen Stimmlage; anscheinend ignorierte er ihren kleinen Ausrutscher. „ Was, wenn es uns nicht gelingt Atlantis oder einen anderen Planeten anzuwählen? Ich will Ihnen nichts vorwerfen, aber haben Sie sich darüber schon einmal Gedanken gemacht?“
„ Natürlich habe ich das und ich kann Ihnen nur sagen, dass ich schon weiß, was ich tue“, erwiderte sie ihm, woraufhin er leicht zu nicken begann.
„ Das war alles, was ich wissen wollte.“ Seine Hände verschwanden in seinen Hosentaschen und er bewegte sich langsam auf die Türe zu, drehte sich dann aber noch einmal zu ihr um. „ Sie sollten nur wissen, dass ich mich für mein Verhalten vorhin entschuldige.“
Elizabeth erwiderte sein Nicken. „ Und ich nehme Ihre Entschuldigung an, Colonel.“ Sie seufzte leise, sodass er sie aber nicht hören konnte. „ Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.“
„ Die wünsche ich Ihnen auch“, schallte es zurück und allein das Zischen der Türe verriet ihr, dass sie sich wieder allein in dem Raum befand. Er war gegangen und sie fühlte sich mies. Es war das Gespräch, das sie sich erhofft hatte, aber irgendwie auch nicht.

Elizabeth ließ sich auf das Bett sinken und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Irgendwie ließ sie das Gefühl nicht los, dass sie etwas sehr Dummes und Unüberlegtes getan hatte.

+++++++++


Eigentlich hätte er schon längst im Bett liegen und sich über Radeks Unfähigkeit ärgern sollen. Er hätte sich darüber aufregen sollen, dass er viel zu schlecht bezahlt wurde. Und eigentlich hätte er sich darüber ärgern sollen, dass er von einem Haufen Möchtegerngenies umgeben war…
Stattdessen war er hier- auf einem Antikerschiff, dass durchs All irrte und er wusste nicht wohin es ihn und die anderen führte. Okay, zumindest war er von Möchtegerngenies umgeben, aber es war einfach nicht dasselbe.

Rodney seufzte tief und legte seinen Tablettlaptop beiseite. Seit nunmehr sechs Stunden quälte er sich in diesem Labor herum; normalerweise tat er das auch auf Atlantis, doch diesesmal war es irgendwie anders. Er war müde, was wahrscheinlich daran lag, dass man ihm den Kaffee verboten hatte. Seine Beine waren schwer und drohten nachzugeben, was wahrscheinlich daran lag, dass er seit fünf Stunden ununterbrochen stand oder hin und her lief. Und zu allem Überfluss knurrte sein Magen entsetzlich und er sehnte sich nach einem anständigen Abendessen- obwohl es ein leckeres Truthahnsandwich auch getan hätte.
Er ächzte leise und verfluchte sich innerlich selber, ohne den Grund dafür zu wissen. Er beschloss, dass er genug gearbeitet hatte und ging daran es Mike Branton gleichzutun; der Amerikaner war schon vor einer guten Stunde unter dem Vorwand verschwunden, dass er sich jetzt aufs Ohr hauen würde.
Ein schier unverständlicher Gedanke, schließlich befanden sie sich im Nirgendwo und dazu noch auf einem Antikerraumschiff! Aber jetzt siegte auf bei ihm die Müdigkeit und er konnte sein Bett förmlich rufen hören…

Rodney schnappte sich seinen Computer und klemmte sich ihn unter den Arm. Schnell warf er einen Blick auf das antikische Steuerpult, dem er sich die letzten beiden Stunden gewidmet hatte, seufzte tief. Er war der Antikiersprache nicht mächtig und es konnte sich nur noch um Tage handeln, bis jedes noch so kleine Detail entziffert hatte.
Vielleicht sollte ich Elizabeth hinzuziehen, überlegte er, als er das Labor verließ und ihn den Korridor hinaustrat, sich fragend, aus welcher Richtung er noch mal gekommen war. Er wählte rechts; rechts war immer gut und schlimmer, als das er sich verlief und qualvoll verhungerte, konnte es eh nicht kommen. Obwohl…
Schnell schüttelte er mit dem Kopf, um die lästigen Gedanken zu vertreiben und sich möglich zu konzentrieren. Langsam ging er durch den Korridor und bog dann in einen abzweigenden ein. Großer Gott, diese Dinger sahen aber auch alle gleich aus! Ein Wunder, dass sich noch keiner verlaufen hatte. Obwohl er Dr. Hall schon seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen hatte! Und auch Sheppards letzter Besuch lag schon eineinhalb Stunden zurück! Er bezweifelte aber, das Zweitgenannter sich verlaufen hatte, obschon ihm das in Atlantis schon einmal gelungen war…
Rodney grinste, als er sich daran erinnerte, wie sich John Sheppard- man will es kaum glauben- einmal in den Gängen der Stadt verlaufen hatte und ziemlich aufgelöst, am Hungertuch nagend geschlagene drei Stunden später bei ihm aufgetaucht war. Okay, vielleicht war es ein kleines bisschen übertrieben, aber verlaufen hatte sich der Militär wirklich.

Wieder ließ er einen Gang hinter sich und zu seiner großen Erleichterung kam ihm der darauf folgende nicht nur äußerst bekannt vor- nein, er stieß auch auf ein vertrautes Gesicht, auch wenn er auf dieses ehrlich gesagt hätte verzichten können.
„ Sagen Sie bloß, Sie haben sich verlaufen.“ Samantha Carters Stimme war mit allerhand Hohn angereichert und das Lächeln, war über ihre perfekten Lippen zuckte, wirkte schadenfroh.
„ Iwo, was halten Sie denn von mir“, entgegnete Rodney seiner blonden Kollegin, die stehen geblieben war und auf ihr wartete. „ Denken Sie wirklich, dass ich derartig unterbemittelt bin?“
Carter zuckte mit den Schultern und lächelte ein breites Lächeln, als sie bemerkte, dass sie ihn damit getroffen hatte. „ Sie sollten nicht immer alles so ernst nehmen, McKay. Das macht das Leben leichter.“
„ Ich bin durchaus zufrieden mit meinem Leben“, zeterte Rodney leicht angesäuert.

Sam’s Lächeln wehrte noch einige Sekunden, bis es dann aber langsam verebbte und sie plötzlich ziemlich nachdenklich- ja, gar schon ernst- wirkte.
Er konnte sich wirklich nicht mit Ruhm bekleckern, was seine Beobachtungsgabe anging, doch selbst ihm entging nicht, dass die blonde Wissenschaftlerin etwas bedrückte.
„ Alles in Ordnung?“, fragte er sie, worauf sie ihn schwach anlächelte und nicht sonderlich überzeugend nickte.
„ Jaja, es ist alles okay“, sagte sie schnell. „ Sie brauchen sich keine Sorgen um mich zu machen.“
„ Ich mach mir aber welche“, gab Rodney zurück.
Sam sah ihn an und zog provokant die Augenbrauen hoch. „ Der große Rodney McKay macht sich Sorgen? Ich muss sagen, ich bin gerührt.“
„ Sie müssen es mir ja nicht sagen“, meinte Rodney.
„ Da haben Sie wohl Recht“, entgegnete ihm Sam und verdrehte schwach die Augen.

Sie beide gingen noch eine Weile schweigend nebeneinander her, bis sich der Korridor- dem sie gefolgt waren- in zwei kleinere Gänge abspaltete.
„ Tja, ich wünsche Ihnen dann mal eine gute Nacht“, sagte Sam und hatte wieder ein Lächeln auf den Lippen. Es sah echt aus, auch wenn das dazugehörige Gesicht müde und erschöpft wirkte. Man sah ihr an, dass es heute ein langer Tag gewesen war… für sie beide. Für alle.
„ Ähm… ich Ihnen auch.“ Rodney blieb etwas verwirrt ihm Korridor stehen, blickte ihr nach, bis sie erneut abbog und er allein war.
Er sah sich um, es war kein Mensch zu sehen und er fühlte sich auf einmal allein. Selbst über Sheppards oder gar Radeks Gesellschaft hätte er sich gefreut, doch…
Er seufzte und setzte sich wieder in Bewegung. Vielleicht sollte er sich jetzt auch ein Quartier für die Nacht suchen, obschon er stark bezweifelte, dass er überhaupt schlafen könnte.

++++++++


Etwas unsicher hatte sich John vor einer Tür postiert, in der Hoffnung, dass diese geschlossen bliebe. Er wusste nicht, was er hier zu suchen hatte, zumal er weit und breit der Einzige zu sein schien, der noch auf den Beinen war. Warum also sollte…
Er schüttelte mit dem Kopf, versuchte die Selbstzweifel aus seinem Kopf zu verbannen und möglichst positiv zu denken und wenn möglich sich auch noch darauf zu konzentrieren, warum er eigentlich auf die hirnrissige Idee gekommen war.
Es ist ein sehr bedeutendes Fest für mein Volk und ich würde mich freuen, wenn Sie mich dorthin begleiten würden. Ihr Lächeln war wirklich bezaubernd gewesen, als sie ihn vor dieser Mission gefragt hatte, ob er sie begleiten würde. Normalerweise hätte er es unter solchen Bedingungen vergessen, doch diesmal hatte es sich in sein Gedächtnis eingebrannt- oder vielmehr ihr bezauberndes Lächeln.

John fuhr sich durch seine schwarzen Haare, die dank Kopfkissen nun noch wirrer von seinem Kopf abstanden, und versuchte sich klarzumachen, dass ihr dieser Tag wichtig war. Sie hatte ihn dazu eingeladen und wenn sie diesen Tag schon nicht bei ihrem Volk sein konnte, dann war es für ihn wohl Ehrensache, dass sie wenigstens etwas Gesellschaft genießen konnte. Zumal ja diese neuen Umstände eingetreten waren…
Er seufzte leise und fuhr mit der Hand über das Wandpanel und gleich darauf zerriss ein blechendes klingelartiges Geräusch die Stille des Korridors, wurde nur noch von dem Brummen des Antriebs übertönt. Die Schiffswände schienen dünn zu sein, denn er hörte, wie sich ihre Schritte der Türe näherten und wie sich diese mit einem Zischen öffnete.
„ John?“ Sie klang überrascht, aber ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln, kaum dass die beiden Türhälften auseinander geglitten waren. „ Was machen Sie denn hier?“
„ Naja, wir beide haben heute eine Verabredung, wenn mich nicht alles täuscht“, antwortete ihr.
„ Haben wir das?“, fragte sie, immer noch leicht verwirrt. Ihr Lächeln verrutschte kurz, wurde dann aber umso strahlender und freudiger, als sie sich erinnerte. „ Sie wussten es noch?“
„ Sie haben mich erst heute Morgen eingeladen, daher…“ Er brach mitten im Satz ab und schenkte ihr ein Lächeln. „ Ja, ich erinnere mich noch daran. Nun ja, ich weiß zwar nicht, wie das bei Ihrem Volk ist und auf sie Gefahr hin, dass ich irgendwas falsch mache… Happy Tandulfest!“

Es war ein freudiges Lachen, was da aus Teylas Kehle drang und ihre braunen Augen zum Glänzen brachte.
John zog leicht irritiert die Augenbrauen hoch. „ Ich hoffe ich habe nicht…“
„ Nein, nein“, unterbrach die Athosianerin ihn schnell. „ Es freut mich, dass Sie sich daran erinnert haben, Colonel.“
„ Ich mag zwar leicht vergesslich sein, was aber noch lange nicht heißt, dass ich alles vergesse“, erklärte John.
„ Und was vergessen Sie nicht?“
„ Ich vergesse nichts Wichtiges“, antwortete er. „ Und schon gar nicht Einladungen zu Festen.“
Teyla lächelte milde und deutete dann eine kurze Geste an. „ Wollen Sie nicht reinkommen?“
„ Wenn ich nicht ungelegen komme?“
„ Wen sollte ich Ihrer Meinung schon erwarten?“, fragte Teyla amüsiert, doch in ihrer Stimme lag ein selten trauriger Unterton, von dem er sagen konnte, dass er ihn leicht beunruhigte.
„ Alles in Ordnung mit Ihnen?“, fragte er vorsichtig, als er ihr ins Quartierinnere folgte. Es überraschte ihn, was für eine positive und gemütliche Ausstrahlung der Raum hatte, obwohl er sich nicht wirklich von dem seinen unterschied.
Die Athosianerin drehte sich halb zu ihm um. „ Wieso sollte mit mir etwas nicht stimmen?“
„ Sie wissen, dass ich sehe, wenn Sie lügen, oder?“, fragte John zurück und zog die Stirn kraus.
Teyla seufzte und setzte sich auf einen der beiden Sessel, die vor dem Panoramafenster aufgestellte waren und bedeutete ihm, dasselbe zu tun. Zögernd folgte er ihrer Einladung, ließ sie dabei nicht aus den Augen; sie sah müde und erschöpft aus, aber wahrscheinlich machte er keinen besseren Eindruck auf sie.
„ Es ist wegen dem Fest heute, oder?“, riet er, doch statt einem Nicken erntete er nur ein weiteres Seufzen.
„ Ja“, antwortete Teyla und versuchte sich an einem Lächeln. „ Es ist wegen heute Abend.“
„ Ein Mann?“
„ Woher…“
„ Sie laufen immer rot an, wenn es um einem Mann geht“, antwortete John ihr, konnte sich ein schelmisches Grinsen nicht verkneifen, obwohl er es versuchte.
„ Sehr witzig.“ Teyla kniff die Lippen aufeinander und verdrehte schwach die Augen. „ Ja, es ist wegen einem Mann.“
„ Sie beide haben ein heißes Date, nicht wahr?“
„ So würde ich es nicht gerade bezeichnen, Colonel.“
„ Kenne ich ihn?“
„ Warum interessiert Sie das?“
John zuckte mit den Schultern. „ Ich muss eine Menge Berichte schreiben und da…“
„ Nein, Sie kennen ihn nicht“, fiel ihm Teyla ins Wort und funkelte ihn vielsagend mit ihren tiefbraunen Augen an. „ Er ist heute nach vielen Jahren zurückgekehrt.“
„ Hhm, Mr. Unbekannt also“, sinnierte John laut. „ Und hat dieser jemand auch einen Namen?“
„ Sein Name ist Kanaan“, erwiderte Teyla. „ Wir beide sind seit unserer Kindheit befreundet.“
„ Also hatte ich Recht mit dem heißen Date, oder etwa nicht?“
Die Athosianerin seufzte. „ Wir haben uns die letzten zehn Jahre nur sehr wenig gesehen. In den letzten drei Jahren habe ich nur zweimal etwas von ihm gehört.“
„ Aha, eine Fernbeziehung.“
„ Könnten Sie wenigstens so tun, als würden Sie das ernst nehmen? Bitte?“
John nickte. „ Ich werde mein Bestes tun. Nun… dieser Kanaan ist also ihr Freund.“
„ Er ist nicht das, wofür Sie ihn halten“, erklärte Teyla. „ Er ist mein Freund, ja. Aber nicht in dem Sinne, dass wir beide eine…“
„… Beziehung hätten?“, beendete John ihren Satz. „ Hhm, verständlich, dass Sie nicht mit mir darüber reden wollen. Ist sicher hart, ihn so lange nicht zu sehen.“
Teyla lehnte sich in ihrem Sessel zurück. „ Ich würde Ihnen nie etwas verheimlichen und ja, es ist hart ihn so lange nicht zu sehen.“
„ Also sind Sie doch mit ihm…“
„ Nein, wir sind Freunde, das ist alles. Mein Vater hat sich damals gewünscht, dass mehr daraus würde, doch als Kanaan damals seine Reise begann…“
John räusperte sich, als er sah, wie Teyla seinem Blick auswich und ihren Kopf senkte. „ Verzeihung, ich hätte nicht so neugierig sein sollen.“
„ Sie haben sich ja nur Sorgen gemacht“, sagte Teyla leise. „ Ich nehme Ihnen das nicht übel.“

Ein Schweigen überkam sie beide, dass sowohl ihm als auch ihr unangenehm zu sein schien. John wusste nicht wohin er sehen sollte; sie wich seinem Blick aus. Er hasste es, einfach so da zu sitzen und nichts zu sagen- was jetzt aber nicht bedeutete, dass er nonstop am reden war und die Leute mit seinem Geplapper nervte, so wie Rodney es manchmal tat. Nein, er konnte- wenn nötig- auch mal seine Klappe halten, doch heute war es ihm irgendwie unangenehm und er schluckte.
„ Also…“, begann er zögerlich, um zum einen dieses fast schon peinliche Schweigen zu beenden und zum anderen das Ganze mal ein bisschen voranzutreiben. „ Sie haben mir gar nicht erzählt, warum Ihr Volk dieses Tandulfest überhaupt feiert.“
„ Wirklich nicht?“ Teyla blickte zu ihm auf und ihre braunen Augen ließen ihn vergessen, was er eben gedacht hatte…

TBC
Time Part I by Ailya
Dreifach kommt die Zeit:
Zögernd kommt die Zukunft hergezogen,
pfeilschnell ist das Jetzt entflogen,
ewig still steht die Vergangenheit


„ Hören Sie eigentlich auch mal auf zu arbeiten?“ Rodney war gar nicht aufgefallen, dass Elizabeth im Türrahmen des Labors erschienen war, in welches er sich zurückgeschlichen hatte, nachdem er nicht hatte einschlafen können. Die Expeditionsleiterin lehnte gegen den eisernen Türpfosten und bedachte ihn skeptischen Blickes; sie ähnelte stark seiner damaligen Mathelehrerin, die ihn auch immer so angesehen hatte. Miss Wilkinson war seiner Meinung nach eine schrecklich unkompetente Frau gewesen, mit der er sich stetig in die Haare bekommen hatte, das sie leicht von einander abweichende Meinungen in Bezug auf den Mathematikunterricht hatte.
Und nun stand Elizabeth da und starrte ihn an, als sei er ein Schuljunge, der seine Hausaufgaben nicht gemacht hatte.
„ Ich bin gleich fertig“, sagte Rodney schnell und hoffte inständig, dass sie dies zufrieden stellen würde, doch Elizabeth rührte sich nicht von der Stelle; stattdessen zog sie ihre rechte Augenbraue hoch und er musste unwillkürlich schlucken. Ihr „Diplomatenblick“. Er war verloren…
„ Ich werde diese Testreihe hier nur noch beenden, dann werde ich mich ausruhen“, beteuerte er abermals, doch seine Stimme klang nicht mal ansatzweise selbstsicher.
„ Rodney, wir alle sollten uns etwas Ruhe gönnen.“ Elizabeth stieß sich mit ihrem Ellenbogen vom Türrahmen ab und kam langsam auf ihn zu.
„ Glauben Sie mir, ich…“, sagte er schnell, doch sie unterbrach ihn wieder.
„ Sie bringen uns allen mehr, wenn Sie ausgeruht sind. Zwingen Sie mich nicht, es Ihnen zu befehlen oder Sie gewaltsam ans Bett fesseln zu lassen.“

Rodney seufzte verhalten. Genaugenommen hatte er ja eigentlich schon im Bett gelegen; nachdem er sich von Sam verabschiedet hatte, war er noch ein paar Minuten durch die Korridore geirrt, bis er schließlich in ein leer stehendes Quartier abgebogen war und beschlossen hatte, dieses von nun an als „sein Quartier“ zu bezeichnen.
Doch er hatte nicht schlafen können. Die Geschehnisse wirbelten durch seinen Kopf, wie Schneeflocken durch die kalte Winterluft. Es war ihm unmöglich auch nur ein Auge zuzutun. Und wenn er schon nicht schlafen konnte, dann konnte er wenigstens arbeiten. Auf Atlantis machte er das auch immer so und da hatte noch nie jemand etwas gesagt…

„ Bitte…“- Elizabeth war ihm nun ganz nah- „… tun Sie mir und den anderen diesen Gefallen, Rodney. Ich weiß, dass es Ihnen schwer fällt, zumal wir uns nicht gerade in der besten Situation befinden, aber wir sollten einen klaren Kopf bewahren. Wir sollten es zumindest versuchen.“
Sie hatte Recht! Rodney gestand sich so etwas nur selten ein, aber diesmal konnte er nicht anders. Das Letzte, was die anderen gebrauchen konnten, war ein verrückter Wissenschaftler. Vielleicht sollte er sich wirklich hinlegen. Aber…
„ Lassen Sie mich nur noch eine Sache erledigen“, bat er seine Vorgesetzte.
„ Rodney“, stöhnte Elizabeth und verdrehte leicht entnervt die Augen.
„ Es ist wichtig. Danach werde ich gehen.“ Er schnappte nach seinem Tablettlaptop und begann die angezeigten Daten zu studieren. Elizabeth beäugte ihn kritisch und lehnte sich wieder gegen die Tür.

Eigentlich hatte Rodney nicht erwartet, heute noch eine gute Nachricht zu erhalten, also wunderte es ihn nicht, als das Blut in seinen Adern zu gefrieren schien und ein furchtsames „ Oh, nein“ über seine Lippen kam.
„ Was ist los?“, fragte Elizabeth und ihre Miene wandelte sich von kritisch in sorgenvoll.
Oh, nein. Oh, nein. Gar nicht gut. Rodney schüttelte mit dem Kopf und drückte ihr seinen Computer in die Hand, eilte zu einer der unzähligen kleinen Konsolen herüber und begann nur noch heftiger mit dem Kopf zu schütteln.
„ Gar nicht gut“, murmelte er leise. „ Überhaupt nicht gut.“
„ Bitte sagen Sie mir nicht, dass es ein Problem gibt.“ Elizabeth war ihm gefolgt.
„ Wenn dem doch nur so wäre“, seufzte Rodney und strich sich mit dem Handrücken über seine Stirn, auf der sich urplötzlich- binnen Sekunden- dicke Schweißperlen gebildet hatten. „ Ich fürchte, wir haben nicht nur eines, sondern mehrere.“

+++++++++


„ Meditation?“ Teyla konnte sich ein amüsiertes Lächeln nicht verkneifen, als sich brummelnder Soldat neben sie auf den Boden sinken ließ und sie mit hochgezogner Augenbraue ansah. „ Meditation? Ist das Ihr Ernst? Darum geht’s bei diesem Fest? Um Meditation?“
„ Für mein Volk ist dieser Tag der Tag des reinen Geistes, und den kann man nur durch intensives und gewissenhaftes Meditieren erlangen“, lehrte sie ihn. Sie holte tief Luft und schloss ihre Augen.
„ Ich habe das sechs Monate den ganzen Tag lang gemacht“, murrte er leise. „ Und ich habe gehofft, dass nie wieder tun zu müssen. Sie haben meine Hoffnung gerade zerstört.“
„ Soll ich mich jetzt schlecht fühlen?“, fragte Teyla, ohne ihre Augen zu öffnen und ohne aus ihrem Atemrhythmus zu kommen.
„ Ja.“
„ Einverstanden. Dann fühle ich mich jetzt sehr schlecht.“ Sie lächelte still in sich hinein, als sie glaubte sein Gesicht vor sich zu sehen.
„ Das ist nicht witzig!“ Er seufzte schwer. „ Ich komme hier her, in der Hoffnung auf geselliges Zusammensein und…“
„ Interessiert es Sie denn gar nicht, wie es nach der Meditation weitergeht?“, fragte sie ihn, denn es schien offensichtlich zu sein, dass er diesem Part der Feierlichkeit nichts abgewinnen konnte.
Seine Augenbrauen hoben sich. „ Wenn Sie schon so fragen… natürlich interessiert es mich.“

Teyla schmunzelte und setzte sich ihm im Schneidersitz gegenüber, legte ihre Hände auf ihren Knien ab. Seine haselnussfarbenen Augen glänzten und er sah sie aufrichtig interessiert an.
„ Vor langer Zeit brachten unsere Vorfahren diesen Tag ins Leben. Sie wollten, dass wir unseren Vorvorfahren gedenken- den Antikern. Als ich kleiner war, wusste ich nicht, warum die Erwachsenen immer so aufgeregt waren, doch nun verstehe ich es.“ Sie machte eine kurze Pause, um sich zu vergewissern, dass John ihr folgen konnte; er war am nicken.
„ Ein Gedenktag für die Antiker?“, meldete er sich plötzlich und zog die Stirn kraus.
„ Es gab einige Antiker, die nicht auf die Erde geflohen sind, sondern auf den umliegenden Planeten Schutz vor den Wraith gesucht haben. Leider ist es nur den wenigsten gelungen.“ Teyla seufzte. „ Jahrhunderte später, kehrten Nachfahren der Antiker zurück in diese Galaxie und begannen sie Planeten zu bevölkern. Sie waren die Vorfahren meines Volkes und sie waren es, die diesen Feiertag ins Leben riefen.“
„ Kompliziert, aber ich glaube, dass ich es einigermaßen verstanden habe“, sagte John, grinste dabei schelmisch.
„ Mein Volk feiert seitdem ein Fest an diesem Tag“, fuhr Teyla fort. „ Zu Beginn widmen wir uns der Meditation. Der Tag endet mit einem großen Essen.“
Johns Miene lockerte sich. „ Der zweite Teil gefällt mir schon besser, aber ich bezweifele, dass wir auf die Schnelle ein Festtagsessen zaubern können.“
Teyla schmunzelte. „ Ja, das könnte sich als schwierig erweisen.“ Sie seufzte wieder, in der Hoffnung, er hätte es nicht gehört. Sie erwartete, dass er einen weiteren Spruch reißen würde- so, wie er es immer tat-, doch er blieb stumm.
Er saß neben ihr und starrte sie intensiv an- so intensiv, dass sie das Gefühl hatte, sein Blick würde sie durchbohren. Schnell wich sie ihm aus und sah in die andere Richtung.
„ Alles in Ordnung mit Ihnen?“, hörte sie ihn fragen, traute sich aber nicht ihn anzusehen.
„ Jaja, alles in Ordnung“, sagte sie schnell, woraufhin sich das Gefühl durchbohrt zu werden verstärkte.
„ Sie wären jetzt lieber bei Ihrem Volk, oder?“ Vorhin hatte er die Marines im Befehlston angeherrscht, doch davon war nichts mehr übrig geblieben; seine Stimme klang sanft und besorgt.

Teyla wusste nicht warum, aber plötzlich spürte sie, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten und wie sich ihr Herz anspannte. Sie wollte es nicht einsehen, aber er hatte Recht: Sie wollte diesen Abend mit ihrem Volk verbringen. Sie hatte sich seit Monaten darauf gefreut, hatten zusammen mit Halling Pläne geschmiedet und nun… nun war sie nicht da, um die Feierlichkeiten zusammen mit ihrem Volk zu begehen. Und vor allem, um Kanaan willkommen zu heißen.
Der Gedanke an ihren heimgekehrten Freund ließ ihr Herz schwer werden und sie seufzte tief. Sie hatte ihn so lange nicht gesehen und jetzt war sie nicht einmal da, um ihn willkommen zu heißen… Die Tränen liefen ihre heiße Wange hinab und obwohl sie es zu verhindern versuchte, brach ein Schluchzen über ihre Lippen, die wie Espenlaub zitterten.
Sie wollte die Tränen mit ihrem Handrücken wegwischen, doch eine andere Hand kam ihr zuvor; seine Finger waren kalt und brannten auf ihrer Haut.
„ Sie sollten nicht weinen. Das steht Ihnen nicht“, sagte John und lächelte ein unecht wirkendes Lächeln, das sie allerdings nur noch mehr innerlich aufwühlte. Sie zwang sich zu ihm aufzublicken und allein dieser kurze Moment reichte aus, damit ihr bewusst wurde, dass sie ihm nichts vormachen konnte. Eben noch hatte sie mit dem Gedanken gespielt, ihn anzulügen, doch nun geriet ihr Plan mächtig ins Wanken. Ihm konnte sie nichts vormachen! Sie beide kannten sich jetzt schon zu lange, um etwas voreinander verheimlichen zu können und John war wirklich gut darin in ihrem Gesicht zu lesen.
„ Hören Sie…“, sagte er leise- leiser, als es eigentlich nötig war. „ Ich kann gehen, wenn Sie allein sein möchten. Ich verstehe das.“
„ Nein.“ Teyla schüttelte mit dem Kopf; sie wollte nicht allein sein. Wenn sie schon nicht bei ihrem Volk sein konnte, dann wollte sie wenigstens angenehme Gesellschaft haben. „ Das wird nicht nötig sein.“
John nickte verständnisvoll und tupfte ihr mit seinem Hemdärmel die Tränen von der Wange. „ Ich wünschte, ich könnte Ihnen sagen, dass ich verstehe, doch das kann ich nicht.“
„ Das müssen Sie auch nicht“, erwiderte die Athosianerin. „ Niemand verlangt das von Ihnen, John.“ Sie lächelte scheu und versuchte seinem Blick auszuweichen, was ihr aber nicht gelang. Ihm schien es genauso zu ergehen, denn seine Augen klebten förmlich an ihr.
Erst irritierte sie das ein wenig, doch dann faszinierte sie sein Blick und der ihre blieb an seinen haselnussfarbenen Augen hängen; in ihnen reflektierte sich das Licht der Sterne. Sie schienen unergründlich zu sein und sie konnte nicht recht in ihnen lesen. Sie wirkten geheimnisvoll und mysteriös, wie ein versiegeltes Buch, was man nicht öffnen konnte. Teyla kniff ihre Augen zusammen, doch dennoch war es ihr unmöglich…

Plötzlich blitzte etwas vor ihren Augen auf, was definitiv falsch und zu verurteilen war- eigentlich…
Die Bilder in ihrem Kopf faszinierten sie, schreckte sie nicht ab, weckten in ihr ein falsches Verlangen, welches für sie normalerweise undenkbar war.
Der brummende Antrieb des Schiffes schien auf einmal nicht mehr existent zu sein und sie glaubte Johns Herz schlagen zu hören. Leicht erschrocken sah sie ihn an, zuckte zurück. Nein, das war nicht sein Herzschlag- es war sein warmer Atem, der über ihre Lippen kitzelte und ihr bewusst machte, wie nah sich ihre Gesichter doch gekommen waren- ihre Nasenspitzen berührten sich fast.
Sie wollte instinktiv zurückzucken, doch sie tat es nicht. Viel zu sehr hatte sie seine Augen in ihren Bann gezogen- jetzt schimmerten sie nicht mehr haselnussfarben, sondern leicht grünlich, wie der moosige Waldboden auf Neu Athos. Das war ihr noch nie zuvor aufgefallen… vielleicht auch nur, weil sie nie näher hingesehen hatte.

Das Zucken kam leicht verzögert, nämlich als John mit seinen Finger über ihre Wange streichelte; er blickte sie dabei immer noch an, schien innerlich abzuwägen, ob das richtig war, was er vorhatte zu tun.
Ihr fielen mindestens hundert Gründe ein, warum dies alles falsch war und warum sie beide aufhören sollten bevor es zu spät war. Zum einem war er sozusagen ihr Vorgesetzter, zum anderen…

Der Kuss kam nicht überraschend, trotzdem zuckte Teyla zusammen und hielt für einen Augenblick die Luft an. Sie riss die Augen auf, doch sie sah nichts. Ihr Herz hämmerte wie wild und drohte aus ihrem Brustkorb zu springen.
Seine Lippen waren weich. Der Kuss war zwar überraschend, aber zärtlich, kein bisschen aufdringlich oder gar fordernd. Es war angenehm.
John umfasste ihre Taille und zog sie näher zu sich heran und obwohl Teyla wusste, dass es aus irgendeinem ihr nicht bekannten Gesichtspunkt sicherlich falsch war, ließ sie ihn gewähren. Sein warmer Atem brannte in ihrem Mund und seine Berührungen ließen ihr schwindelig werden- sie merkte, wie sie leicht nach hinten zu kippen drohte und wie er sich noch fester an sie klammerte.

„ Col. Sheppard, bitte begeben Sie sich unverzüglich in den Maschinenraum!“ Die verquäkte Stimme, die da aus seinem Headset drang, ließ sie beide erschrocken auseinanderfahren und sie sahen einander irritiert an.
„ I…ich habe keine Ahnung... was da gerade...“, setzte John atemlos an, fuhr sich unschlüssig durch seine wirren Haare.
Widerwillig öffnete Teyla ihre Augen- aus irgendeinem Grund wollte sie nicht, dass es aufhörte, dennoch…
„ I…ich sollte jetzt besser gehen.“ Seine Stimme glich nur noch einem Flüstern.
„ J…ja“, sprach die Vernunft aus ihrem Mund, doch innerlich war sie am Schreien und sie hatte das Gefühl, dass sich ihr Ich in den letzten Winkel ihres Körpers zurückgezogen hatte. Dieses Ich schüttelte mit dem Kopf, versuchte ihn zu halten.

John erhob sich langsam, hielt dabei noch immer ihre Hand und ließ sie erst los, als er einen Schritt von ihr weg gemacht hatte. Konfus blickte er sie an, öffnete dann den Mund und schien etwas sagen zu wollen, doch dann wandte er seinen Blick plötzlich von ihr ab.

Die Tür öffnete sich, er ging, die Tür schloss sich hinter ihm und Teyla war allein- allein mit ihren Gefühlen, die gerade Achterbahn zu fahren schienen, und mit dem Verdacht gerade etwas sehr Törichtes getan zu haben.
Minuten vergingen, erst dann war sie in der Lage zu realisieren, was gerade passiert war. Sie japste nach Luft, leckte sich dann jedoch über ihre Lippen, schmeckte seinen sanften Kuss noch immer…

TBC
Time Part II by Ailya
Etwas benebelt von dem, was da eben in Teylas Quartier vorgefallen war, stolperte John durch die Korridore der Artemis. Seine Lippen kribbelten, seine Knie fühlten sich an, als wollten sie unter seinem Gewicht nachgeben und er hatte das Gefühl, abzuheben, wenn er nicht aufpasste.
Seine Gedanken schossen in seinem Kopf hin und her- wie Bienen in ihrem Bienenstock-, ließen ihm ganz komisch werden. Ein merkwürdiges Gefühl kribbelte durch seinen ganzen Körper, wanderte durch seine Beine, durch seinen Brustkorb und schnürte ihm die Luft ab; schnell japste er nach Luft und blieb stehen.

Er sah sich flüchtig um- in der Hoffnung, dass niemand gesehen hatte- und strich sich erst über sein Gesicht, dann durch seine wirren Haare. Sein Herz hämmerte ungewohnt schnell in seinem Brustkorb und dieses jämmerliche Gefühl, etwas Falsches, Törichtes oder gar Unverzeihliches getan zu haben, ließ ihm übel werden.

Verdammt, reiß dich gefälligst zusammen, tadelte er sich selbst und schüttelte mit dem Kopf. Er hatte sich nichts vorzuwerfen. Er hatte nichts Verbotenes getan. Es war vielleicht unangebracht gewesen, mehr aber auch nicht.
Dennoch ließ ihn dieses miese Gefühl nicht los und je länger er darüber nachdachte und grübelte, desto gnadenloser prügelte es auf ihn ein. Er schloss seine Augen, um ihm zu entkommen, doch das verschlimmerte es eher noch; es war, als versuchte man einen Fettbrand mit Wasser zu löschen- katastrophal!

John riss die Augen wieder auf, entkam dem dunklen Nichts vor seinen Augen und dieser großen Leere, die ihn zu verschlingen suchte.
Halt die Klappe, herrschte er die Stimme in seinem Kopf an, die ihm einzutrichtern versuchte, dass er etwas sehr Schlimmes getan hatte und die auf ihn herabblickte, als sei er ein Schwerverbrecher. Wie gesagt, er hatte sich nichts vorzuwerfen…

Verstohlen wanderte er mit seiner Zungenspitze über seine Lippen, schmeckte ihren Kuss noch immer. Sie hatte sich nicht dagegen gewehrt, so wie sie es damals getan hatte, als er sie während ihres Trainings überwältigt hatte. Ja, sie hatte ihn zurück geküsst und das sollte eigentlich schon Anzeichen genug sein, dass sie beide es gewollt hatten.
Nichtsdestotrotz meldete sich sein Gewissen und reichte damit der Stimme in seinem Kopf partnerschaftlich die Hand; in Bezug auf ihre derzeitige Situation und dass sie ein Mitglied seines Teams war, war es falsch gewesen. Sie beide hätten es nicht so weit kommen lassen dürfen. Aber…

John biss sich nervös auf die Unterlippe, als er daran zurückdachte, wie unglaublich erleichtert er sich gefühlt hatte, seine Gefühle nicht länger verstecken zu müssen. Es war nicht zu leugnen, dass Teyla eine attraktive Frau war und durchaus mit ihren Reizen umzugehen wusste; das war ihm schon aufgefallen, als sie sich damals auf Athos zum ersten Mal begegnet waren.
Ob er sich damals in sie verliebt hatte? Ronon hatte ihm diese Frage einmal gestellt und natürlich hatte er es abgestritten. Wenn er aber jetzt darüber nachdachte, wusste er nicht, was er darauf zu antworten hatte. Sie war seine Kollegin, was eigentlich bedeutete, dass eine Beziehung kritisch beäugt wurde. Er wusste das.
„ Meine Güte, krieg’ dich mal wieder ein“, sagte John zu sich selbst und setzte sich langsam wieder in Bewegung. Er und Teyla hatten sich geküsst- es war anders, als beim ersten Mal gewesen, aber was hatte das schon zu bedeuten? Er erinnerte sich daran, wie sein damaliger Ausbilder ihm und den anderen Rekruten eingetrichtert hatte, dass sie sich niemals von persönlichen Gefühlen ablenken sollten. Damals hatte er bezweifelt, dass er diesen Rat jemals zu berücksichtigen hätte, doch nun…

Teyla hatte ihm schon immer bedeutet, als ihm lieb war. Immer wenn sie auf Missionen gingen hatte er Angst um ihr Wohlbefinden gehabt- weniger um die anderen beiden, da Ronon sehr gut auf sich selbst aufpassen konnte und wenn nötig auch auf Rodney. Er wusste zwar, dass das auch auf Teyla zutraf, aber dennoch… Sie machte äußerlich einen labilen Eindruck auf ihn und manchmal- wenn sie mit den Marines kämpfte- hatte er Angst, dass die kräftigen Männerhände ihren zierlichen Körper zerquetschten.
Wenn er jetzt so darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass sein Ausbilder Recht gehabt hatte. Und ihm fiel auch auf, was er eigentlich schon längst hätte bemerkten müssen: Er war verliebt! Er war verliebt in eine Frau, die Mitglied seines Teams war und die ihn um den Verstand brachte, wenn sie sich nur in seiner Nähe befand. Er war verliebt in eine Frau, die ihn daran hinderte, als Teamleader unvoreingenommene Entscheidungen zu treffen und einen möglichst klaren Kopf zu behalten.
Es kann einfach nicht funktionieren, meldete sich da wieder diese verquäkte Stimme in seinem Kopf. Sieh es einfach ein. Du sollest dich nicht an jemanden binden, der dich früher oder später eh verletzt.
„ Nein!“ Seine eigene Stimme ließ John zusammenzucken. Er hatte das nicht vorgesehen. Er hatte den Kopf einziehen wollen und den Tadel seinerselbst kommentarlos über sich ergehen lassen wollen; doch ein plötzlich in ihm aufkeimendes Gefühl hatte diesen Plan zunichte gemacht. Hatte er Teyla gerade tief in seinem Inneren als eine untreue, verletzende Person bezeichnet? Das war sie aber nicht! Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie zu so etwas fähig war! Oder war es eine reine Abwehrreaktion gewesen?

„ Sheppard, alles in Ordnung mit Ihnen?“ Er war dermaßen in seinen Gedanken versunken gewesen, dass er nicht bemerkt hatte, wie Ronon zu ihm aufgeschlossen war. Der Satedaner war neben ihm aufgetaucht und starrte ihn mit einer Mischung aus Sorge und Misstrauen an.
„ Ich habe Sie gar nicht kommen gehört“, sagte John schnell und versuchte möglichst normal zu klingen, doch er konnte hören, wie sehr seine Stimme zitterte.
„ Sie standen mitten im Gang und sahen aus, als hätten Sie einen Geist gesehen“, meinte Ronon.
„ I…ich habe nur nachgedacht.“ John wich dem forschenden Blick seines Teamkameraden aus. Langsam setzte er sich in Bewegung, horchte, ob der Satedaner ihm folgte. Ronons schwere Schritte donnerten in seinem Kopf wie Schüsse.
Er merkte, wie der Hüne ihn von oben bis unten musterte und er sah im Augenwinkel, wie Ronon den Mund verzog.
„ Hat McKay Sie auch gerufen?“, fragte er schnell, hoffte inständig, dass Ronon sein Ablenkungsmanöver nicht auffiel.
Der Satedaner schien zu überlegen, was er ihm antworten sollte, kratzte sich dann am Hinterkopf und meinte: „ Er klang ziemlich aufgebracht.“
„ Hoffen wir mal, dass es nichts all zu Schlimmes ist“, sagte John und versuchte zu grinsen.
Ronon nickte, ließ ihn aber noch immer nicht aus den Augen. Ein Funkeln in seinen braunen Augen verriet John, dass der Satedaner genau Bescheid wusste und dass es keinen Zweck hatte zu leugnen. Er war ebenso begabt, wie Teyla, wenn es darum ging in anderer Leute Gesicht zu lesen.
Dennoch sagte er nichts, schwieg. Ronon sagte auch sonst nicht allzu viel und er schwieg lieber, anstatt große Reden zu schwingen oder große Töne zu spucken. Aber dieses Schweigen machte John nervös und er schielte immer wieder aus dem Augenwinkel zu seinem Kameraden herüber, nur um zu sehen, dass dieser ihn noch immer skeptisch beäugte.

++++++++


Rodney war ein reines nervliches Wrack; das fiel ihm auf, kaum, dass er und Ronon die Messe betreten hatten. Es war nicht allzu schwer, zu erraten, dass der Kanadier auf Koffein- und Powerbarentzug war; dicke Schweißperlen standen auf seiner Stirn und sein Blick schien förmlich nach Zucker zu lechzen.
„ Da sind Sie ja endlich!“, schnauzte der Kanadier, als er John und Ronon auf sich zukommen sah. „ Wurde ja auch langsam Zeit.“ Er wirbelte herum und begann auf seinen Tablettlaptop einzutippen- so stark und intensiv, dass einem das Gerät nur Leid tun konnte. Ja, es war offensichtlich, dass sich Rodneys Laune auf Kellerniveau befand.

Nicht weit von ihm entfernt, entdeckte John Elizabeth, die genau zu beobachten schien, was Rodney tat; sie hatte die Arme vor ihrem Oberkörper verschränkt, hatte eine Augenbraue leicht angehoben und vermied Augenkontakt.
„ Rodney, könnten Sie uns endlich sagen, was los ist?“, bat sie den Wissenschaftler mit überraschend ruhiger Stimme.
Der Angesprochene verharrte kurz und blickte sarkastisch in die Runde; John bemerkte Col. Carter und Col. Mitchell, die das Geschehen aus dem Abseits aus beobachteten. „ Soll ich damit anfangen, dass wir schon sehr bald alle tot sein werden oder damit, dass dieses Schiff allmählich auseinanderfällt, was logischerweise zur Folge hat, dass wir alle bald sterben werden?“
„ Hören Sie auf mit Ihren Späßen, Rodney“, tadelte John ihn und verdrehte schwach die Augen. „ Ich denke, wir alle wissen jetzt, dass Sie schlechte Laune haben.“
Rodney funkelte ihn böse an. „ Ach nein, sogar Ihnen ist das aufgefallen?“
„ Ich bezweifele, dass uns Ihre kleine Auseinandersetzung weiterbringen wird“, ging Elizabeth dazwischen, ehe das ganze eskalieren konnte. Sie warf Rodney einen kurzen Blick zu. „ Wenn Sie uns nun bitte sagen würden, warum Sie uns alle herbestellt haben.“
Rodney schnaubte verächtlich in Johns Richtung und quetschte sich mit theatralischer Miene an ihm vorbei, rammte ihn dabei seinen Ellenbogen in die Seite. John quittierte dies mit einem warnenden Blick, den Rodney allerdings geflissentlich ignorierte. Stattdessen baute er sich vor Elizabeth auf.
„ Zuerst ist es mir nicht aufgefallen, aber jetzt…“- Er tippte nervös auf seinen Computer ein- „… es gab einen Energieverlust auf mehreren unteren Ebenen, den Gateraum eingeschlossen.“
„ Was bedeutet das?“ Cameron Mitchell war etwas aus dem Schatten heraus getreten.
„ Ein Dutzend Ebenen sind ohne Energie, sprich die Lebenserhaltungssysteme und die Stromversorgung sind zusammengebrochen“, antwortete Rodney. „ Die Ebene, auf der sich der Gateraum befindet, scheint noch relativ stabil zu sein, aber ich weiß nicht wie lange noch.“
Elizabeth zog ihre Augenbrauen hoch. „ Wollen Sie damit etwa andeuten, dass auch hier bald alles zusammenbrechen wird?“
Rodney wandte sich zu ihr um. „ Ich kann Ihnen nicht sagen, wann es passieren wird, aber es wird passieren. Und dann wird’s hier ziemlich ungemütlich.“
„ Können wir das irgendwie verhindern?“, fragte Col. Mitchell. „ Es muss doch irgendwas geben, was wir tun können.“
„ Und damit kommen wir zu unserem zweiten Problem“, sagte Rodney.
„ Ach, dass wir alle bald jämmerlich ersticken werden, ist also nicht Problem genug?“ John konnte den leichten Anflug von Sarkasmus in seiner Stimme nicht verbergen.
„ Naja, es ist nicht wirklich ein Problem“, warf Rodney ein. „ Ist Ansichtssache.“ Er blickte kurz in die Runde. „ Sie erinnern sich doch sicher an den Planeten, den dieses Schiff ansteuert, oder?“
Elizabeth nickte. „ Sie sagten eine Woche…“
„ Genau das ist das Problem.“ Rodney tippte auf seinem Computer herum und Sekunden später erschien mitten im Raum eine Projektion in Form einer Sternenkarte. Rodney zeigte mit den Finger erst auf einen blau leuchtenden Punkt, dann auf einen rot leuchtenden Punk. „ Das sind wir- also die Artemis- und das ist der Planet. Verzeihen Sie mir meine selten dämliche Frage, aber fällt Ihnen etwas auf?“

„ Oh, großer Gott!“ Samantha Carter, die sich bis jetzt zurückgehalten hatte, trat vor und betrachtete die Sternenkarte mit weit aufgerissenen Augen. „ Bitte sagen Sie nicht, dass es das ist, wofür ich es halte.“
„ Sie wissen, wie ungern ich Ihnen widerspreche“, entgegnete Rodney mit einem sarkastischen Unterton, „ aber ja… es scheint genau das zu sein, wofür Sie es halten.“
„ Rodney“, seufzte Elizabeth, „ wären Sie freundlicherweise bereit, uns aufzuklären?“
„ Der Energiezusammenbruch ist nicht nur unser einziges Problem“, antwortete der Kanadier. „ Wir waren uns sicher, dass wir den Planeten in rund einer Woche erreichen würden, doch nun sieht es ganz danach aus… nun ja, wenn mich meine Berechnungen nicht täuschen, werden wir innerhalb der nächsten Stunde aus dem Hyperraum fallen.“
John runzelte die Stirn. „ Sie sagten eine Woche, Rodney.“
„ Wie es aussieht, scheint die Zeit viel schneller zu vergehen, Colonel“, meinte Carter.
„ Es ist schwer zu erklären, zumal ich auch noch nicht mehr weiß, aber dieses Schiff scheint sich in einer anderen Zeit zu bewegen, als wie wir gewohnt sind“, fügte Rodney hinzu, woraufhin Elizabeth ihn verwirrt ansah.
„ Und was bedeutet das jetzt genau?“
„ Das bedeutet, dass wir nicht wissen, wie viel Zeit in Wirklichkeit vergangen ist“, beantwortete Rodney ihre Frage. „ Es kann sein, dass man in Atlantis unser Verschwinden noch nicht einmal bemerkt hat. Es kann aber auch sein, dass man unser aller Posten bereits neu besetzt hat.“
„ Okay, ich fasse zusammen, was ich verstanden habe.“ John trat einen Schritt vor. „ Soll das etwa heißen, dass wir sozusagen „zeitlos“ sind?“
„ Wenn Sie es so ausdrücken wollen… ja.“ Rodney nickte.
„ Und was sollen wir jetzt tun?“, fragte Ronon.
Elizabeth seufzte. „ Ich schlage vor, dass wir irgendeinen Weg finden sollten, wie wir auf diesen Planeten gelangen. Mich lässt das Gefühl nicht los, dass wir dort Antworten finden werden.“

TBC
Planet X by Ailya
Walking through a dream
I see you
My light in darkness breathing hope of new life


Wind und warmer Regen peitschten in ihr Gesicht; Regentropfen perlten von ihren Lippen ab. Die Feuchtigkeit kribbelte auf ihrer Haut, hatte sich wie ein dünner Schleier über sie gelegt.
Das Trommeln ihrer Füße schien im Einklang mit der Melodie des Waldes zu sein; ihr Vater hatte ihr schon früh gelehrt, dass ihr Volk und der Wald miteinander verbunden waren. Sie gehörten zusammen und selbst der Tod konnte sie nicht trennen. Wenn ihre Seelen aus ihren Körpern ausgingen, nahm der Wald sie auf- sie lebten fortan in ihm weiter. Naié – so hieß er bei ihnen- Mutter.

Sie rannte weiter durch den Wald; Wasserläufe, umgestürzte Bäume, taubedeckte Farne flogen an ihr vorbei. Die Schlingpflanzen, die die knorrigen Stämme der majestätischen Bäume emporkletterten, schimmerten im Zwielicht des Waldes. Lichtstrahlen brachen durch das dichte, schier undurchdringbar erscheinende Gewirr der Baumkronen und beleuchteten den feuchten Boden wie Scheinwerfer.
Ihre Nasenflügel bebten- nicht, weil das Laufen sie erschöpfte. Nein, der Duft des Waldes erfüllte sie. Es roch nach feuchtem Waldboden, nach Moos und nach allerlei Blüten- sie dufteten süßlich.

Der Wasserlauf, dem sie gefolgt war, endete in einem See, dessen Wasseroberfläche im Sonnenlicht glitzerte, wie feinster Edelstein. Unter der Oberfläche sah sie Fische hin und her flitzen, die versuchten der Gewalt des auf die herabdonnernden Wasserfalls zu entkommen.
Sie hob ihren Kopf, blickte an dem Wasserfall empor, der nicht enden wollte. Elegant schlängelte er sich an der kalten Felswand entlang, wirkte dennoch kraftvoll.
Sie ging auf die Knie und berührte die Wasseroberfläche mit ihren Fingerspitzen.
„ Ciato miá celtana“, wisperte sie und schloss ihre Augen. Die Energie des Flusses durchströmte ihren Körper und sie fühlte sich mit ihm verbunden. Früher als sie klein gewesen war, hatte sie ihre Mutter immer hierher begleitet. Es war schön gewesen, bis…

Liberación está na man Erschrocken riss sie die Augen wieder auf, stolperte zurück. Sie begann am ganzen Körper zu zittern; die plötzlich auftretende Stille des Waldes erschrak sie. Ängstlich richtete sie ihre Augen gen azurblauen, wolkenlosen Himmel.
„Liberación está na man“, wiederholte sie leise und sprang auf die Beine.

+++++++++


„ He, ist alles in Ordnung mit Ihnen?“ John bemerkte nicht, dass Cameron Mitchell joggend versuchte ihn einzuholen. Erst als er begann seinen Namen zu rufen, wandte er sich halb zu ihm um, blieb jedoch nicht stehen.
Col. Mitchell schloss schnell zu ihm auf und passte sich dann seinem Tempo an. „ Sie wollen also den Jumper nehmen, huh?“
John nickte. „ Eine Gatereise wäre mir lieber, aber Rodney meint, dass wir das nicht riskieren können.“
„ Sieht so aus, als würde es Ihnen wirklich ernst sein mit dem Planeten“, meinte Mitchell.
„ Ihnen etwa nicht?“ John warf ihm einen kurzen Blick aus dem Augenwinkel zu. „ Er könnte unser einziger Weg zurück nach Hause sein.“
„ Oder unser Ende“, fügte Mitchell hinzu. „ Ich verstehe, dass Sie wieder zurück nach Atlantis wollen, aber…“
„ Wir sollten es wenigstens versuchen, Mitchell. Ich bin mir des Risikos bewusst, aber ich habe damals einen Eid geschworen, dass ich alles unternehmen werde, um die Mitglieder der Expedition zu schützen. Und Elizabeth hat dasselbe getan. Auch wenn ich mich verweigere… sie würde es trotzdem tun.“
„ Ich meine ja nur…“
„ Entschuldigen Sie bitte, aber ich muss mich auf einen Einsatz vorbereiten“, unterbrach John und zog das Tempo an. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war jemand, der ihm das Ganze auszureden versuchte- das hatte schon Rodney versucht.


Es war seine Idee gewesen, mit dem Jumper zu dem Planeten zu reisen, sobald sie aus dem Hyperraum fielen und bestätigt war, dass der Planet keine Gefahr für sie darstellte. Sie wollten das Gestirn einmal überfliegen, sich vergewissern, ob es ein Gate gab mit dem sie Atlantis anwählen konnten. Laut den Aufzeichnungen, die Rodney und Dr. Jackson der Datenbank des Schiffes entnommen hatten, sollte es auf diesem Planeten zwar ein Sternentor geben, aber man konnte ja nie wissen.
Sie wussten nicht, was sie auf dem Planeten erwartete, also sollten drei Marines das Team begleiten; er glaubte zwar kaum auf bestialische Monster oder gar auf Wraith zu stoßen, aber die Sicherheit hatte allerhöchste Priorität.

John betrat den Hangar mit einem mulmigen Gefühl im Magen. Er wusste nicht, was ihn und die anderen erwarten würde, sobald sie das Schiff verlassen hatten. Rodney hatte in der Datenbank entdeckt, dass es sich um einen Waldplaneten mit einem hohen Vorkommen an Öl und Eisenerz handelte- es war also eher unwahrscheinlich, dass die Artemis grundlos hier einen Zwischenstopp machte.
Auf der Sternenkarte waren insgesamt sieben dieser „Zwischenstopps“ eingezeichnet und Dr. Jackson war daran sie zu entschlüsseln. Bei den ersten beiden war er sicher, dass es sich um ehemalige Antikerstützpunkte handelte, die den Schiffen während des Krieges mit den Wraith als Anlaufpunkte gedient hatten.
„ Viel versprechend“, hatte Elizabeth das Ganze nur kommentiert und ihre Augen hatten dabei geglänzt- so, wie sie es immer taten, wenn in ihrer Gegenwart von Antikertechnologie sprach.

John blieb im Eingang stehen. Er wusste nicht, was er von dem Verhalten seiner Vorgesetzten halten sollte. Einerseits hatte sie natürlich Recht: Sie waren in diese Galaxie gekommen, um die Geheimnisse der Antiker zu erforschen. Andererseits keimte in ihm der Verdacht auf, dass ihr nichts ausmachte, dass sie sich weit weg von zuhause befanden und nicht wussten, wie oder ob sie jemals wieder zurückkommen würden. Er wollte ihr keine schlechten Beweggründe vorwerfen, dennoch hatte er für sich beschlossen, sie im Augen zu behalten.
Mit einem langgezogenen Seufzen bog er um die Ecke, erblickte nebst des Jumpers eine ihm vertraute Silhouette stehen und blieb abrupt stehen.
„ Ich hatte gehofft, hier mit Ihnen unter vier Augen sprechen zu können“, meinte Teyla und sah ihn dabei unschlüssig an. Als sich ihre Blicke trafen, begann sie scheu zu lächeln, doch man konnte ihr ansehen, wie nervös und unbehagen sie sich fühlte.
John hatte diesen Augenblick kommen sehen, doch er hatte gehofft, dass sie ihm noch etwas Zeit lassen würde. Es war noch nicht allzu lange her und seine Gedanken hatten sich noch nicht geordnet; er bezweifelte, dass er jetzt schon bereit war, darüber zu sprechen. Er versuchte seine Nervosität mit einem Lächeln zu überspielen, stemmte die Hände in die Hüften.
„ Was gibt’s?“, fragte er und hoffte, dass sie das leichte Zittern in seiner Stimme nicht bemerkte.
„ Wie gesagt; ich dachte, wir könnten vielleicht reden“, entgegnete sie ihm. Sie umklammerte unbehagen ihren Körper und biss sich auf die Unterlippe, wich seinem Blick aus.
„ Teyla, was da zwischen uns passiert ist…“ John hielt inne, suchte in seinem Kopf nach den richtigen Worten, die sich aber partout nicht finden lassen wollten.
Er hatte es sich überlegt, auch wenn er nicht wusste, wie er ihr das beibringen sollte.
„ Sie sind ein Mitglied meines Teams“, setzte er an und merkte, wie ihre braunen Augen auf ihm lagen. „ Und ich… wir… also wir beide…“
„ Sie halten es für einen Fehler?“, fragte Teyla vorsichtig und die Enttäuschung stand ihr ins Gesicht geschrieben.
John seufzte. „ Ich meine nur… also…“ Er seufzte erneut. „ Wir alle befinden uns in einer schwierigen Situation und das vorhin… ich verlange nicht, dass Sie es vergessen, und ich betrachte es auch nicht als Fehler, aber…“
Teyla neigte ihren Kopf und kniff die Lippen zusammen. „ Ich verstehe, was Sie meinen… Colonel.“

Hatte sie gerade wirklich das verstanden, was er dachte, was sie verstanden hatte? John versuchte seine Überraschung über die förmliche Anrede der Athosianerin zu verbergen und zwang sich ein Lächeln auf die Lippen, was aber binnen Sekunden wieder verebbte.
„ Hören Sie, Teyla“, begann er noch einmal von neuem und machte dabei einen Schritt auf die zu. „ Ich möchte nicht, dass wir es als Fehler ansehen, weil es das nicht war. Aber die Umstände…“
„ Ich habe schon verstanden, was Sie mir damit zu sagen versuchen“, sagte Teyla leise. „ Und Sie sollten wissen, dass ich ebenso denke.“
John zog eine Augenbraue hoch. „ Wirklich? Oh!“ Er trat einen Schritt zurück.
Teyla räusperte sich verhalten. „ Wir sollten uns jetzt besser auf die Mission vorbereiten.“
„ Ja.“ John nickte und war überrascht. Er hatte Schlimmeres erwartet. Doch so war es nicht gekommen und irgendwie erleichterte ihn das.
„ Ich bin froh, dass wir das geklärt haben“, meinte Teyla und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
„ Ja, ich auch“, lächelte er. „ Fühlt sich gleich viel besser an.“ Er trat noch einen Schritt zurück, weil ihre Hand sich irgendwie in seine Schulter einzubrennen zu schien. Teyla bemerkte seinen Versuch und zog ihre Hand zurück an ihren Körper.
„ Nun ja…“- John strich sich durch seine Haare- „… Rodney meint, dass wir…“

Der Boden unter ihren Füßen fing leicht an zu zittern, dann wurde es stärker und schließlich bebte er, die Wände wackelten und innerhalb des Jumpers fielen Instrumente aus ihren Halterungen.
Teyla gab einen überraschten Laut von sich, als sie umknickte und zurückstolperte.
„ Hoppla. Vorsicht!“ Johns Arme schnellten nach vorne und bekamen die Athosianerin gerade noch rechtzeitig zu fassen. Schnell zog er sie hoch und sie beide drückten sich gegen den Jumper.
Das Beben dauerte nicht lang, verschwand ebenso schnell, wie es begonnen hatte.
Einen Moment lang lauschten sie beide in die Stille hinein; das Einzige, was zu hören war, war ihr Atmen.
„ Alles in Ordnung mit Ihnen?“, fragte John.
„ Es geht schon“, antwortete Teyla und sah ihn verwirrt an. „ Was war das?“
John stieß sich vom Jumper ab. „ Naja, ich denke mal…“
„ Col. Sheppard, wir haben soeben den Hyperraum verlassen.“ Es war unverkennbar Rodneys Stimme, die aus seinem Headset drang.
„ Verstanden, Rodney. Geben Sie mir Bescheid, wann wir starten können“, entgegnete John.
„ Wenn Sie startbereit sind…“, kam es von dem Kanadier. „ Alle Messungen sind abgeschlossen; es gibt Luft zum Atmen und Elizabeth hat ihre Einverständnis erteilt.“
John nickte, obwohl Rodney dies nicht sehen konnte. „ Sagen Sie allen Bescheid, dass wir uns im Hangar treffen. Sheppard Ende.“

+++++++


Aufgeregt stürmte sie durch die Menschenmasse, vorbei an den Marktleuten, die ihre Ware an den Mann zu bringen versuchten. Einige sahen ihr irritiert nach, andere schüttelte mit dem Kopf und wieder andere riefen ihr etwas empört klingendes nach. Doch sie ignorierte es.
Ihr Herz hämmerte wild in ihrer Brust und sie japste nach Luft.
„ Paré! Paré!“
„ Pass doch auf!“, pöbelte ein dicklicher Mann erbost und wedelte mit der Faust in der Luft.
Sie blickte sich nicht zu ihm um, sondern rannte weiter. Ihr wurde schwindelig von dem schnellen laufen, doch sie musste weiter.
„ Paré! Paré!“, rief sie erleichtert, als sie ihren Vater erblickte, wie er mit zwei anderen Männern aus dem Zelt trat.
„ Inessa“, grüßte er sie und schloss sie in eine Umarmung, aus der sie sich schnell wieder frei zappelte. „Apa itu? Was ist geschehen, meine Tochter?“
„Liberación está na man“, wiederholte sie die Worte, die ihr der Wind vorhin am Wasserfall zugeflüstert hatte. „ Ich weiß, dass sie kommen werden. Schon sehr bald.“
„Putriku.“ Er lächelte und streichelte ihre Wange. „ Wer hat dir das gesagt, Tochter?“
„ Naié“, antwortete sie. „ Sie werden kommen. Ich weiß es.“

++++++++


„ Na, das nenne ich mal nen’ geeigneten Platz für ein Sommerhaus“, scherzte John und setzte sich seine Sonnenbrille auf die Nase, strich sich den Schweiß von der Stirn. Die Luft war schwül und alles- die Umgebung und das Klima- erinnerte ihn an einen Regenwald.
Er hatte den Jumper auf einer kleinen Lichtung gelandet, die von majestätischen Bäumen umgeben war und deren geschlossene Kronen Schutz vor der den beiden Sonnen bot.
„ Matthews, Stackhouse, sichern Sie die Umgebung ab“, wies er die beiden Marines an. „ Miller, Sie und Teyla kommen mit mir. Ronon, Sie begleiten Rodney und Dr. Branton.“
„ Und nach was- wenn ich fragen darf- suchen wir eigentlich?“ Rodney zuppelte an etwas herum, was einem Cap irgendwie ähnlich sah.
„ Wieso fragen Sie mich das?“ John zuckte mit den Schultern. „ Sie sind doch der Wissenschaftler.“
„ Wie charmant Sie heute wieder sind“, knurrte Rodney zurück und setzte sich das Cap auf den Kopf, was zur Belustigung der begleitenden Marines und Ronon beitrug. Wütend funkelte Rodney die verhalten kichernden Männer an. „ Was? Was ist?“
John seufzte, musste aber auch schmunzeln, denn dieses „ Ding“, was Rodney da auf seinem Kopf trug, sah wirklich… gewöhnungsbedürftig aus.
„ Rodney, Sie begleiten Ronon und Dr. Branton und gehen in diese Richtung.“ - Er deutete auf einen kleinen Pfad, der sich vom Jumper gen Norden hin durch das Unterholz schlängelte- „ Suchen Sie nach allem, was für uns interessant sein könnte.“
„ Oh, wie ich Ihre präzisen Aussagen doch mag“, brummelte Rodney und seufzte dann. „ Okay, Ronon Sie gehen vor.“
Der Satedaner kräuselte die Augenbrauen, tat dann aber so, wie ihm geheißen und die Truppe zog ab.

„ Matthews, Stackhouse, Sie bleiben beim Jumper“, ordnete John die beiden verbliebenen Marines an. „ Funkkontakt alle zehn Minuten. Melden Sie sich, wenn Ihnen etwas merkwürdig vorkommt, verstanden?“
„ Ja, Sir.“ Sergeant Matthews- ein farbiger Soldat aus Minnesota- nickte.
„ Okay…“- John wandte sich zu Teyla und zu Lt. Miller um, die ihn erwartungsvoll ansahen. –„… wir gehen in die andere Richtung.“ Er trat an den beiden vorbei und marschierte in die entgegengesetzte Richtung; auch hier führte ein kleiner Trampelpfad in den Wald hinein. Fußabdrücke waren im feuchten Waldboden zu erkennen und John runzelte die Stirn. Konnte es sein, dass…Und wenn ja, wie… Was, wenn…
Er biss sich auf die Unterlippe und sah kurz über seine Schulter hinweg; Teyla und Miller folgten ihm im kurzen Abstand.

TBC
T'hiak und Inessa by Ailya
When my heart was never open
and my spirit never free
to the world that you have shown me
but my eyes could not division


Der Wald, durch den sie sich kämpften, wirkte unwirklich. Die riesigen Bäume ragten in die Höhe, Schlingpflanzen schlängelten sich die Baumstämme empor. Lichtstrahlen brachen vereinzelt durch die dicht ineinander verwachsenen Baumkronen und beleuchteten den feuchten Waldboden wie Schweinwerfer.
Die Stämme der meisten Bäume waren kahl, andere hingegen waren dicht bewachsen mit Schlingpflanzen und anderem Gewächs, was dem von der Erde sehr ähnelte.
Auf den Blättern glitzerte noch der Tau. Es roch nach feuchtem, modrigem Waldboden, nach feuchtem Holz und der süßliche Duft der riesigen, rosafarbenen Blüten kitzelte leicht in der Nase- die Blüten sahen aus wie kleine Orchideen, auch auf ihnen glitzerte noch der Tau.

Die unbeschreibliche Schönheit des Waldes bestaunend, folgte John einem kleinen Trampelpfad, der tiefer in das immer dichter werdende Unterholz führte- an manchen Stellen hatten immense Sträucher mit ebenso großen Blüten den Pfad überwuchert.
Ganz in der Nähe hörte er einen Wasserlauf plätschern… und sah ihn sah ihn dann auch, wie er sich durch die Botanik schlängelte. Das kühle Nass glitzerte verlockend und John blieb stehen. 'Warm' war gar kein Ausdruck: es war unerträglich schwül, die feuchte Luft schnürte die Lungen zusammen und trieb einen den Schweiß auf die Stirn. Er war schon in vielen abgelegenen Dschungeln gewesen, doch das hier war kein Vergleich!

John atmete schwerlich aus und strich sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Er ließ seine Uniformjacke- deren er sich bereits vor etlichen Minuten entledigt hatte- einfach fallen und setzte sich auf einen großen Stein. Das Plätschern des Wasserlaufes wurde immer aufdringlicher und schien förmlich nach ihm zu rufen.
„ Sir?“ Sergeant Ernest Miller kam aus dem Unterholz; ihn schien die Hitze ebenso viel auszusetzen wie ihm, denn auch er trug nicht mehr seine Uniformsjacke, sondern nur noch ein schwarzes T-Shirt, dass verschwitzt an seinem Oberkörper klebte.
„ Fünf Minuten Pause“, rief John dem Marine zu und bedeutete ihm mit einem kurzen Nicken, dass er in der Zwischenzeit Augen und Ohren offen behalten sollte. Der Sergeant nickte und verschwand wieder zwischen zwei riesigen Farnen.
„ Sollten wir nicht besser weitergehen?“ Teyla trat ebenfalls auf die kleine Lichtung und trottete langsam zu ihm herüber; sie hatte ihre braunen Haare in einem lockeren Pferdeschwanz zurückgebunden. Ein paar lockere Strähnen fielen auf ihre nackten Schultern, die nur von den dünnen Trägern ihres ledernen Tops bedeckt wurden.
„ Fünf Minuten haben noch nie jemanden geschadet“, entgegnete ihr John und rückte etwas beiseite, damit sie sich setzen konnte. Die Athosianerin nahm seine Einladung dankend an, setzte sich neben ihn und tauchte ihre nackten Füße in das eiskalte Wasser. Erleichtert seufzte sie auf.
John musterte sie aus dem Augenwinkel hinaus; der Schweiß perlte auf ihrer Sonnen geküssten Haut und ihre braunen Augen glänzten matt. Sie schien sichtlich erschöpft zu sein. Die Hitze schien wohl auch ihr zuzusetzen…
„ Ich schlage vor, dass wir bald umkehren werden“, sagte John und schloss die Augen, als ein heller Lichtstrahl durch das Blätterdach brach und auf die Lichtung hinabschien.
„ Sie denken nicht, dass wir etwas finden werden?“ Teyla zog ihre Füße aus dem Wasser und winkelte ihre Beine an ihren Körper an.
„ Ich wüsste nicht, wonach wir zu suchen hätten“, erwiderte er. „ Ich hoffe, dass wenigstens die anderen etwas gefunden haben, was uns weiterhilft. Vielleicht sogar das Gate.“
„ Sie denken wirklich, dass es hier ein Gate gibt, mit dem es uns gelingt Atlantis anzuwählen?“, fragte Teyla und zog die Augenbrauen hoch.
„ Ja, wieso denn nicht? Ich bezweifele, dass das Schiff diesen Planeten umsonst angesteuert hat.“ John kräuselte die Stirn. „ Ich bin mir sicher, dass es irgendeinen Grund geben wird. Die Antiker wären nicht so dumm gewesen.“
Er sah, wie sich ein mildes Lächeln über Teylas Lippen zog und wie ihre Gesichtszüge weicher wurden. Er mochte es, wenn sie lächelte! Dann sah sie immer so friedlich aus, selbst wenn sie noch so erschöpft war.

Dennoch war da etwas, was anders als sonst war. Sie lächelte zwar, doch die Art und Weise war anders. Er musste zugeben, dass ihn das nervös machte.
John konnte sich vorstellen, woran diese plötzliche Veränderung lag, doch wenn er so darüber nachdachte, wollte er es eigentlich überhaupt nicht.
„ Stimmt etwas nicht?“, fragte er sie vorsichtig, obwohl er die Antwort darauf ganz genau wusste.
Teyla sah ihn an und ihr Lächeln verrutschte um ein paar Millimeter, verschwand aber nicht aus ihrem Gesicht. „ Es ist alles okay. Ich habe nur nachgedacht.“
„ Ah.“ John biss sich auf die Unterlippe. Es war nicht schwer, zu erraten, worüber die Athosianerin nachgedacht hatte, und er musste zugeben, dass er auch den ein oder anderen Gedanken daran verschwendet hatte. Obwohl „verschwendet“ nicht der richtige Ausdruck dafür war… er hatte es schön gefunden, daran zurückzudenken, vor allem da er jetzt nichts Verkehrtes mehr daran sah. Jetzt, wo es zu spät war.

Teyla rutschte nervös aus dem kalten Stein herum und sah verlegen auf ihre nackten Füße hinab. „ Co… John. Ich habe noch mal darüber nachgedacht, was Sie vorhin im Hangar zu mir gesagt haben.“
Oh, Gott. John versuchte sich zu einem möglichst locker aussehenden Lächeln zu zwingen, doch das Ergebnis war niederschmetternd. Eigentlich hatte er so etwas ja schon erwartet- also hätte es keinen Grund zur Nervosität gegeben, doch sein Herz hämmerte gegen seinen Brustkorb, wie noch nie zu vor in seinem Leben.
„ Das ist…“ Der Rest seines Satzes ging in einem nervösen Schlucken unter.
Teyla blickte ihn an. „ Sie meinten, dass Sie es für einen Fehler halten und…“
„ Das habe ich nicht behauptet“, fiel John ihr unschön ins Wort. „ Ich sagte, nur dass die Umstände…“
„ Ich habe schon verstanden, was Sie mir sagen wollten.“ Teyla strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelockert hatte. „ Und ich wollte nur… ich wollte Ihnen… ich wollte Ihnen danken.“
„ Vielleicht…was?“ John verstummte, als ihre Worte ihn erreicht hatten, und sah sie verdattert an. Hatte er falsch gehört oder hatte sie sich bei ihm gerade bedankt?
Die Athosianerin bemerkte seine Verwirrtheit und sie errötete leicht. „ Ich meinte natürlich: Ich bedanke mich, dass Sie vorhin so ehrlich zu mir gewesen sind.“
John lächelte scheu. „ Ich hatte auch nichts anderes angenommen.“

Er löste seinen Blick von ihr und starrte auf die im Sonnenlicht silbrig glänzende Wasseroberfläche hinab. Was hatte er eigentlich auch anderes erwarten können? Das sie sich bei ihm dafür bedankte, dass er ihr die Zunge in den Hals gesteckt hatte? Teyla war eine Frau mit Ehre und er… naja, was war er schon? Er war jemand, der über seine Frau herfiel, auch wenn es sich genaugenommen nicht so abgespielt hatte. Er wusste, dass Teyla diese ganze Situation ebenso unangenehm zu sein schien, wie ihm. Sie waren zwei erwachsene Leute, aber im Moment kam er sich selber wie ein hirnverbrannter Teenager vor, der vor seinen Gefühlen davon lief. Naja, eigentlich- wenn er genauer darüber nachdachte- hatte er das schon sein ganzes Leben lang getan: Er war immer seinen Gefühlen davongelaufen.
Warum? Vielleicht hatte er Angst verletzt zu werden. Verlust war etwas, womit er schon früh hatte Erfahrungen machen müssen; erst der tragische Tod seiner Mutter, als er noch so klein gewesen war und dann die Distanziertheit seines Vaters, der lieber auf Dienstreisen gegangen war und sich mit den Hostessen vergnügt hatte, als sich um seine Kinder zu kümmern. Im Gegensatz zu seinem Bruder, Dave, hatte er es nie gelernt, mit tieferen Gefühlen umzugehen und ihm war noch immer unwohl dabei mit jemanden über sie zu sprechen. Immer hatte er Angst, eine ihm wichtige Person dadurch zu vergraulen oder gar lästig zu sein; er hatte irgendwann festgestellt, dass es für ihn besser war, die Menschen nicht zu nahe an sich heran zu lassen um dieses schreckliche Gefühl- demgegenüber auch er machtlos war- zu umgehen.
Bei Teyla war es etwas anderes- zum ersten Mal seit Jahren schien er endlich wieder zu wissen, was gut für ihn war- nämlich sie-, aber kaum dass er dies erkannte hatte, war da wieder diese Angst, verlassen und allein gelassen zu werden. Er hatte sich verliebt- das war ihm klar geworden-, doch instinktiv setzte er dazu an, sie wegzustoßen… so, wie er es zuvor auch immer getan hatte.

Johns missmutiges Seufzen wurde je von einem schrillen Schrei unterbrochen, der die Stille des Waldes zerriss- sogar das Plätschern des Wasserlaufs schien für einen Moment zu verstummen.
Neben ihm war Teyla zusammengezuckt- auch sie schien ihren Gedanken nachgegangen zu sein; ihre braunen Augen waren vor Schreck geweitet.
„ Was…“
„ Miller.“ John sprang auf die Beine und lief so schnell es ihm und seinen inzwischen eingeschlafenen Beinen möglich war in die Richtung, in die Sergeant Miller verschwunden war. „Miller!“
Er hörte es hinter sich rascheln, wandte sich halb um; Teyla folgte ihm auf geringer Distanz.
Die Sträucher schienen dichter zu werden und kleine bis mittelgroße Zweige peitschten ihm ins Gesicht, hinterließen schmerzhafte Aufschürfungen, die schmerzhaft brannten. Die Schwüle trieb ihm die Tränen in die Augen und er sehnte sich plötzlich nach der eisigen Kälte McMurdo’s.
Dicke Lianen hingen von den Bäumen hinab, der Trampelpfad wurde an immer mehr Stellen von der Botanik überwuchert, geradezu verschlungen.
John hielt sich die Hand vor Augen, denn immer mehr Zweige dreschten auf ihn ein; seine Oberarme waren bereits jetzt- nach nur wenigen Metern- übersäet mit Aufschürfungen und Einschnitten.
„ Miller“, krächzte er kehlig, denn die feuchtwarme Luft bereitete ihm Schwierigkeiten- es war, als drückte man einen nassen Waschlappen vor Mund und Nase.

Er wusste nicht, wie lange er gelaufen war, aber plötzlich wurde das Unterholz lichter und der Trampelpfad wieder breiter, beziehungsweise wieder sichtbar. Eine Lichtung wurde sichtbar- wenn man es so überhaupt bezeichnen konnte; ein majestätischer Baum war aus dem Boden geschossen und ragte mehrere hundert Meter in die Höhe. Seine gigantischen mit Blättern zugewachsenen Zweige spendeten angenehmen Schatten. Lianen spannten sich von Zweig zu Zweig, von Ast zu Ast.
Die knorrige Rinde war von Schlingpflanzen und anderem Grünzeug vollkommen umwuchert; es blühte in den schönsten Farbnuancen und es duftete herrlich.
„ Miller!“ John kam stolpernd zum Stehen, als er den Sergeant gegen den massigen Baumstamm gedrückt entdeckte, und erschrak, als ihm eine zwielichtige Gestalt ins Auge stach, die dem Marine eine glänzende Klinge an die Kehle hielt. Es war ein Mann; er hatte etwa sein Alter, dunkelbraune Haare und einen gebräunten Teint. Er trug eine Art Lendenschurz, über die Schultern hatte er einen Köcher mit sechs Pfeilen gespannt.
Kunstvolle Tätowierungen zogen sich über seinen Rücken und über seine Schultern; er war kräftig gebaut, schien kamperprobt zu sein und seine Muskelpakete an den Armen zuckten, während er Ernest Miller an den Baumstamm gedrückt hielt.
Kaum dass John und Teyla aus dem Dickicht auf die Lichtung getreten waren, hatte der Fremde sich zu ihnen umgedreht. Wider seines doch sehr exotischen Aussehens, hatte er azurblaue Augen, die gefährlich und böse funkelten.
„ Wir wollen Ihnen nichts tun“, begann John vorsichtig auf den Mann einzureden und hob beschwichtigend seine Hände. Dieser Fremde erinnerte ihn an die Urwaldmenschen in den Geschichten, die ihm sein Großvater damals immer vorgelesen hatte. Er erinnerte ihn an einen…Indianer.
„ Thuá nea chulok!“, zischte der Mann und brachte die Klinge des Messers gefährlich in die Nähe Millers; der Adamsapfel des Sergeant wanderte nervös auf und ab.
„ Ich befürchte, dass er Sie nicht versteht“, wisperte Teyla erschrocken.
„ Das ist mir auch gerade aufgefallen“, gab John zurück und machte einen bedachten Schritt auf den Fremden zu.
„ Hiroá tunia mel aré!“, schallte dieser wutentbrannt und zeigte John seine perlweißen Zähne- wie ein Rautier.
„ Whoah, schon gut!“ John hob wieder die Hände und machte einen schnellen Schritt zurück. Er fixierte den Fremden, der wütend mit den Augen rollte.
Teyla stand neben ihm, tat dasselbe. Ihr Atem war schnell und flach, klang erschöpft, dennoch ließ sie den Mann, der Sergeant Miller gewaltsam gegen den Baumstamm drückte, nicht aus den Augen.
„ Und“, wisperte John ihr zu. „ Was meinen Sie?“
„ Er scheint mit ein erfahrener Krieger zu sein und ich bezweifele, dass wir beide allein etwas gegen ihn ausrichten können“, antwortete die Athosianerin ebenso leise.

Der fremde Mann beobachtete sie argwöhnisch, hielt dabei die Klinge seines Messers noch immer an Millers Kehle. Der Soldat hatte die Augen geschlossen und seine Lippen bebte, als ob er leise vor sich hin redete.
John presste die Lippen aufeinander; seine Gedanken rasten nur so durch seinen Kopf. Einerseits befand er sich noch halb in der soeben geführten Unterhaltung mit Teyla, anderseits wurde seine Konzentration hier gefragt, wo ein plötzlich aufgetauchter Mann einem seiner Soldaten ein Messer an die Kehle hielt und offenbar keinen Skrupel hatte, die Waffe auch einzusetzen.

„ T’hiak, uma tecalá!“, hallte da plötzlich eine Stimme und der fremde Mann zuckte zusammen; er ließ sein Messer sinken, hielt Miller aber immer noch mit seinen starken Armen fest gegen den Baumstamm gedrückt.
John zuckte zusammen und seine Augen weiteten sich, als die Stimme- die überraschend aus dem Nichts gekommen war- eine Gestalt bekam; eine junge Frau trat zwischen zwei in die Höhe ragenden Farnen hervor und funkelte den Mann böse an. Sie hätte ähnliche Tätowierungen wie er. Ihre schlanken, grazilen Körper bedeckte sie mit ein paar Lederfetzen, die von glasigen Perlen und Schnüren zusammengehalten wurden. Sie schien zu ihm zu gehören- zumindest trat der Mann zurück, als sie etwas für John Unverständliches zu ihm sagte.
Mit eleganten Bewegungen tänzelte sie über die Lichtung, zu dem Mann herüber; ihre langen Haare waren ebenso dunkelbraun, wie die des Mannes. Sie hatte auch dieselben azurblauen Augen, die im Sonnenlicht wie Edelsteine funkelten.
Der Mann schien über ihre Anwesenheit nicht sonderlich erfreut zu sein, denn er verzog den Mund, als sie zu ihm herüber kam und sich bedrohend vor ihm aufbaute; sie war gute zwei Köpfe kleiner als er, doch das schien sie nicht zu stören.
„ Whicé haloí tuá mé“, herrschte sie ihn an und ihre aufgebrachte Stimme verriet, dass sie ihm gegenüber nicht friedsam gesinnt war. Ihre blaue Augen funkelten ebenso böse, wie seine es vor ein paar Minuten getan hatten.
„ Mucla tuá mieá uhcí“, zischelte der Mann zurück, woraufhin ihre Augenbraue gen Haaransatz wanderte.

John konnte gar nicht so schnell reagieren, wie sie ein Messer zog und es dem Mann an die Kehle hielt, der entsetzt nach Luft schnappte und Miller losließ; der Soldat fiel kraftlos zu Boden.
„ Jiaó ruia mi“, hörte John die junge Frau knurren, was den Mann dazu brachte sie empört anzufauchen; er schnaubte ein letztes Mal, funkelte zu ihm und zu Teyla herüber und ließ von der Frau ab. Diese wiederum ließ ihr Messer sinken, bedachte ihn warnenden Blickes und wandte sich dann um. Ein warmherziges und irgendwie erleichtert aussehendes Lächeln umspielte ihr elfengleiches Gesicht.
Es war fast so, als würde sie über den Waldboden schweben, als sie sich umdrehte und auf John zukam. Er zuckte zurück, woraufhin ihr Lächeln aber nur noch strahlender wurde.
„ Ihr müsst das Verhalten meines Bruders entschuldigen“, sagte sie und ihre kristallklare Stimme erfüllte die ganze Lichtung. „ T’hiak ist manchmal etwas… forsch mit Fremden.“
John musste schlucken. Ihre Stimme verzauberte ihn und ihre Schönheit war geradezu überwältigend; jetzt- wo sie näher kam-, blendete ihre Ausstrahlung ihn.
„ S…sie sprechen unsere Sprache?“, brachte er heraus.
„ Mir wurde es von meiner Mutter gelehrt“, antwortete sie immer noch lächelnd. Ihre dunkelbraunen Haare glänzten wie Seide, als sie sich halb zu ihrem Bruder umdrehte. „ T’hiak versteht sie ebenfalls, doch er ist sehr eitel und voreingenommen.“ Sie wandte sich wieder zu ihm um. „ Ihr wurdet von meinem Volk bereits erwartet und es für mich eine Ehre Euch in unser Dorf zu führen und Euch meinem Vater vorzustellen.“
„ Ich weiß nicht, ob…“, setzte John an, doch ein Seitenhieb von Teyla ließ ihn aufblicken. Etwas blitzte in ihren rehbraunen Augen auf, wovon er wusste, dass sie Recht hatte. Er begann zu nicken. „ Und uns wäre es eine Eure, Sie zu begleiten.“ Er setzte sein gewinnbringendes Grinsen auf. „ Ach, wo ist mein Benehmen geblieben? Ich heiße…“
„ Ich weiß, wie Ihr heißt“, unterbrach die Frau ihn. „ Wir alle wissen es. Unsere Prophezeiungen erzählen von euch.“
John hob die Augenbraue. „ Ach, wirklich?“
„ Ich werde es Euch erzählen, wenn ich Euch meinem Vater vorgestellt habe.“ Sie lächelte würdevoll und drehte sich um. Ihrem Bruder flüsterte sie etwas zu, woraufhin er protestierend die Nase rümpfte und dann Miller, der noch immer recht wackelig auf den Beinen war, unter die Arme griff und ihn über seine Schulter hievte.
„ Kommt, folgt mir!“ Einladend mit der Hand wedelnd bedeutete die junge Frau John ihr und ihrem Bruder zu folgen. Er tat wie geheißen, vergewisserte sich, dass Teyla folgen konnte und zog dann das tempo an, bis er mit der hübschen Frau Fuß gefasst hatte.
„ Und wie ist Ihr Name?“, flötete er. „ Sie haben ihn mir noch nicht genannt.“
Sie lächelte und antwortete: „ Mein Name ist Inessa.“

TBC
Die Einladung by Ailya
„ Wissen Sie, ich habe erst letztens so einen Film gesehen…“- Rodney streckte seine Beine lang aus und lehnte sich gegen den hölzernen Pfeiler. Ein erschöpftes, aber zugleich murrendes Geräusch kam über seine Lippen.
„ Interessiert mich nicht“, brummelte Ronon, der ihm gegenübersaß, die Arme vor seinem muskulösen Oberkörper verschränkt hatte und die Augen geschlossen hielt.
Rodney achtete nicht auf den Unwillen des Satedaner; und ebenso wenig auf den von Mike Branton, der schwach die Augen verdrehte und seinen Kopf entnervt nach vorne plumpsen ließ. „ Ich glaube der Titel lautete irgendwas mit „Fluch der Südsee“ oder so. Sehr interessant, die Effekte waren sehr gut gemacht, aber dieser Kraken- der war mir ein kleines bisschen…“
„ McKay!“ Ronon hatte die Augen aufgerissen und starrte ihn wütend an.
„ Ich meinte ja nur…“, gab der Kanadier daraufhin kleinlaut zurück und sank in sich zusammen. „ Vielleicht sollte ich erwähnen, dass die Kannibalen die Hauptperson zum Schluss verspeisen wollten.“
Dr. Branton seufzte laut auf. „ Also, ich muss schon sagen, dass Sie einem echt Mut machen können.“
„ Kein Grund gleich so sarkastisch zu werden, Doktor“, zischelte Rodney mit zusammengekniffenen Augen. „ Ich will ja niemanden daran erinnern, wer Schuld an dieser Misere ist.“
„ Ach, jetzt ist es also meine Schuld?“, fragte Branton aufgebracht. „ Ich bin nur einer Energiesignatur gefolgt.“
„ … und haben dabei scheinbar die allerhöchste Gottheit dieser Leute hier umgenietet“, fügte Rodney hinzu.
„ Woher um alles in der Welt sollte ich das denn wissen? Das war ein Farn! Ein stinknormaler Farn! Sowas wächst bei uns in Kalifornien wie Unkraut!“
„ Wir sind aber nicht in Kalifornien“, meinte Rodney wissend.
„ Oh, verdammt, halten Sie die Klappe!“ Ronon richtete sich mit einem Ruck auf und baute sich bedrohend vor den beiden Wissenschaftlern auf, funkelte sie böse an. „ Und zwar alle beide. Das macht einen wahnsinnig!“

Rodney seufzte resigniert. War es denn nicht schon Strafe genug, dass er auf einem gottverdammten Schiff festsaß, dass ziellos durch die Galaxis bummelte? Da konnte er dieses staubige Ding schon einmal verlassen, und was passierte?
Naja, eigentlich, wenn er so darüber nachdachte, war es vielleicht nicht allein Branton’s Schuld, dass sie drei in einer Art Käfig aus massiven Bambusstäben gefangen waren, die selbst Ronon nicht zu verbiegen vermochte, obschon er es versucht hatte. Die Energiesignatur, die Branton empfangen hatte: Er hatte angeordnet, dass sie ihr folgen und hatte Mike Branton vorausgeschickt. Wäre er vorausgegangen, hätte er vielleicht diesen Farn umgenietet und nicht Branton…
Rodney schüttelte mit dem Kopf. All dies änderte nichts daran, dass er zusammen mit einem muffeligen Satedaner und einem neurotischen Wissenschaftler gefangen war… und zu allem Überfluss knurrte auch noch sein Magen. Verdammt.

Als er wieder aus seinen Gedanken zurück in die Wirklichkeit zurückkam, sah er, dass Branton und Ronon die Köpfe zusammengesteckt hatten und miteinander redeten. Ronon war nicht der große Redner, also stutzte Rodney. Langsam wanderte seine Augenbraue gen Haaransatz, doch bevor er diesen halbnackten Mann, der sie bewachte, anflehen konnte, ihn doch frei zu lassen, weil seine Kameraden einen hinterhältigen Anschlag auf ihn planten, um ihn außer Gefecht zu setzen und möglicherweise dann zu verspeisen, ereilte ihn eine Stimme, die er schon sooft gehört hatte.
„ Schon gut, Chewie. Lassen Sie ihn leben!“ Er kannte nur einen, der Ronon so nannte, und er war ausnahmsweise froh, als er John Sheppard auf sich oder vielmehr auf die Zelle zukommen sah. Eine junge Frau begleitete den dunkelhaarigen Soldaten, der sichtlich fasziniert von ihr zu sein schien. Sie hatte lange dunkle Haare, die wild über ihre Schultern fielen. Bekleidet war sie mit einem Hauch von Nichts; vielleicht war das auch der Grund, dass Sheppards Augen förmlich an ihr zu kleben schienen.
„ Sheppard.“ Ronon gesellte sich neben Rodney an das hölzerne Gitter und umklammerte es mit seinen Pranken.
„ Was zum Teufel ist hier los?“, empfing Rodney seinen Teamleader.
„ Ich freu mich auch Sie wieder zu sehen“, meinte John und verdrehte ebenso die Augen, wie es Branton vorhin getan hatte- der Wissenschaftler war neben Ronon aufgetaucht.
„ Erwarten Sie, dass ich Luftsprünge mache?“, knurrte Rodney. „ Wer von uns beiden sitzt jetzt schon seit gefühlten hundert Stunden in der brütenden Hitze? Sie oder ich?“

„ Beruhigen Sie sich, Rodney.“ John hatte sie Stimme gesenkt. „ Ich werde Ihnen später alles erklären.“ Er machte einen Schritt zurück und Rodney entdeckte Teyla und Sergeant Miller.


„ Tirzá moc cána´.“ Die brünette Frau, die Sheppard begleitet hatte, trat vor, sprach mit dem halbnackten Mann, in den plötzlich die Lebensgeister zurückkehrten; er nickte ihr zu und öffnete im Handumdrehen die Pforte des „Gefängnisses“. Ronon machte einen energischen Schritt auf ihn zu und binnen Sekunden waren fünf in der Sonne gefährlich funkelnde Speerspitzen auf ihn gerichtet und der halbnackte Mann hielt ein Messer an die Kehle des Satedaners.
„Uma tecalá!“, rief die junge Frau und sogleich beruhigten sich die Männer wieder, ließen ihre Waffen sinken. Sie trat vor, stellte sich vor den Mann, der sie bewacht hatte, und lächelte freundlich. „ Es ist sicher nicht notwendig, dass wir einander befeinden. Ihr seid unsere Gäste.“
„ Merkwürdige Gastfreundschaft, die Sie da pflegen“, meinte Rodney und blickte sich verstohlen zu der Zelle um.
„ Ich entschuldige mich, wenn meine Brüder zu forsch mit Euch umgegangen sind und ich hoffe, es mit einem Essen wieder gut machen zu können“, sagte die junge Frau. „ Ich habe bereits mit meinem Vater gesprochen und er ist in großer Erwartung Euch kennenzulernen.“
Sheppard lächelte ein Lächeln, von dem Rodney schlecht wurde und ihm nur ein Wort in den Kopf kam: Kirk. Es war klar gewesen, dass er seinen unverwechselbaren Charme spielen lassen musste, kaum dass ein weibliches Wesen in der Nähe war.
„ Es wäre uns eine Ehre Ihren Vater kennenzulernen“, säuselte er und das Lächeln wich nicht aus seinem Gesicht.

Die junge Frau erwiderte das Lächeln und bedeutete den Männern, dass sie vorauslaufen sollten. Dann sagte sie: „ Hier entlang.“

++++++++++++++


Inessa’s Vater war groß gewachsen; erhaben saß er am Kopfende des Tisches aus massiven Holz, der auf der Erde höchstwahrscheinlich ein Vermögen gekostet hätte.
Sein Name war Gherak und er war der Anführer seines Volkes. Er war schön älter, sein Haar war ergraut, seine Gesichtszüge eingefallen, seine Mundwinkel zeigten nach unten. Doch seine azurblauen Augen strahlten, als er seine Tochter erblickt hatte, die ihm freudig um den Hals gefallen war.
John hatte das leise Gespräch zwischen Vater und Tochter verflogt, obwohl er kein einziges Wort verstanden hatte. Gherak und Inessa hatten abwechselnd zu ihm und zu den anderen aufgeblickt. Gherak hatte immer wieder mit dem Kopf geschüttelt und war dann aufgestanden.
„ Willkommen, Fremde.“ Seine Stimme klang warm und herzlich, gar nicht passend zu seinem Aussehen. „ Ich freue mich, Euch in unserer Mitte willkommen zu heißen.“ Er sah sich in der Runde um.
John räusperte sich leicht und trat vor. „ Es ist schön, dass wir so freundlich empfangen wurden… eure Exzellenz.“ Er hielt kurz inne, als er hörte wie Rodney leise hüstelte, beschloss dann aber, den Kanadier zu ignorieren. „ Mein Name ist Lt. Col. John Sheppard. Das sind Rodney McKay, Ronon…“
„ Ich weiß, wer Ihr seid, mein Junge“, unterbrach Gherak ihn und setzte sich wieder. „ Meine Tochter hat mir von Euch berichtet. Sie sagte, dass das Orakel Eure Ankunft vorausgesagt hat.“
„ Das Orakel?“ John hörte Rodney ein leises Na, super nuscheln, Ronon seufzte und Mike Branton holte tief Luft.
„ Die Prophezeiung“, sagte Inessa. „ Das Orakel sagte Eure Ankunft voraus, um uns…“
„Putriku.“ Gherak brachte sie mit einer unmerklichen Handbewegung zum Schweigen, lächelte dann freundlich. „ Lass unsere Gäste doch erst einmal zur Ruhe kommen. Sag Celia und Tanya Bescheid, dass sie sich auf den Weg machen sollen, um uns ein Mahl zuzubereiten. Ich bin mir sicher, dass der Colonel dir sicherlich später auch noch zuhören wird.“
„ Eigentlich…“, setzte John an, doch Inessa’s Vater unterbrach ihn sogleich wieder.
„ Ihr werdet mit mir und meiner Familie zu Abend essen. Ich hoffe doch, Ihr habt nichts dagegen?“

John wusste, dass Elizabeth sie in weniger als vier Stunden zurückerwartete und sie hatten noch immer keinen Weg gefunden, um mit der Artemis zu kommunizieren. Ihm war auch bewusst, dass es Ärger geben würde, würden sie hier bleiben, aber die Möglichkeit, etwas zu finden- vielleicht sogar ein Gate-, womit sie Atlantis erreichen konnten, bestand weiterhin.
Inessa lächelte ihn erwartungsvoll an; sie schien begeistert zu sein, hatte zu ihrem Bruder T’hiak gesagt, dass er sich gefälligst benehmen sollte. Außerdem konnte John nicht verleugnen, dass sie eine wirkliche Augenweide war.
„ Bitte bleibt doch“, sagte sie bittend. „ Es gibt so vieles, was ich Euch fragen möchte.“
John spürte die Blicke der anderen im Nacken und merkte, dass sie von ihm erwarteten, dass er eine Entscheidung traf. Er seufzte.
„ Na klar, wir werden bleiben.“
„ Hervorragend.“ Gherak klatschte in die Hände und winkte seine Tochter herbei. „ Inessa, zeig unseren Gästen doch die Räumlichkeiten, wo sie sich etwas frisch machen können.“
Inessa nickte. „ Ja, Vater.“

TBC
Eiskalte Wesen by Ailya
Seine Geschmacksnerven hatten in den vergangenen Jahren schon so einiges mitmachen müssen, aber das… Das hatte selbst seinen Soldatenmagen zum rebellieren gebracht! Und das sollte schon einiges heißen…
Dieses leicht violette Etwas, was ihn Inessa’s Freundin Celia vorgesetzt hatte, hatte ihn an Kartoffelpüree erinnert- an Kartoffelpüree mit einer Pinknuance. Verstohlen hatte sich John umgesehen, als er lustlos mit seiner Gabel in der violetten Masse herumgestochert hatte; Teyla hatte loyal gegessen und sich nichts anmerken lassen. Ronon hatte demonstrativ den Mund verzogen und tiefe Furchen hatten sich auf seiner Stirn gebildet. Mike Branton hatte das ihm vorgesetzte gar nicht erst angerührt und Rodney…nun ja, Rodney war einfach nur Rodney gewesen, hatte das getan, was er immer tat, wenn es sich ums Essen drehte: Er hatte den ganzen Teller aufgegessen oder vielmehr in sich hinein geschaufelt und dabei genüsslich gegrunzt.
Celia- die schöne Köchin- schien sichtlich erfreut zu sein, dass es ihren Gästen geschmeckt hatte- auch wenn sie die Tatsache ignorierte, dass sich die Gesichtsfarbe eines gewissen Kanadiers binnen Sekunden von rosé zu leicht grünlich verwandelte.

Gherak hatte ihn gebeten, doch noch ein kleines bisschen zu bleiben, doch es hatte John nach draußen gezogen. Die Luft im überraschend geräumigen und geschmackvoll eingerichteten Zelt war stickig und schwül gewesen und hatte ihm innerhalb weniger Minuten den Schweiß auf die Stirn getrieben. Hier- außerhalb der Zeltwände- war es zwar nicht besser, aber wenigstens wehte eine seichte Brise durch die Baumkronen.
John war einem kleinen Pfad gefolgt, der von der Siedlung wegführte. Die Blätter raschelten leise, die Äste bewegten sich im Wind hin und her. Ganz in der Nähe plätscherte der kleine Wasserlauf und bahnte sich seinen Weg durch die dichtbewachsene Vegetation.
Wieder überkam ihn das Verlangen, sich seiner schweren Militärstiefel zu entledigen und seine nackten Füße in das kalte, erfrischende Nass zu tauchen, doch ein leises Rascheln brachte ihn um diese Idee.
„ Hallo?“ John drehte sich um, seine Augen registrierten eine schnelle Bewegung und fast schon automatisch, aber ebenso unauffällig, wanderte seine Hand an seinem Bein hinab, stoppte erst, als seine Fingerspitzen das kalte Metall seiner 9mm berührten. „ Hallo, ist da jemand?“
Das Rascheln hörte auf, doch stattdessen drang ein Atmen an sein Ohr; ein Atmen, dass es ihm kalt den Rücken hinabliefen ließ und seine Nackenhaare stellten sich auf.
Ein paar vertrocknete Blätter segelten lautlos zu Boden, ließen das nervöse, alarmierte Schlagen seines Herzens wie ein Sommergewitter klingen.

„ Ihr solltet nicht hier sein.“ John zog die Augenbrauen zusammen, denn er kannte die Stimme- er hatte sie heute schon einmal gehört. Sie war tief und ein deutlicher Akzent schwang in ihr mit.
„ Warum? Warum sollte ich nicht hier sein?“, fragte John vorsichtig und visierte ein farnartiges Gebüsch an.
„ Es wäre besser- für Euch und für uns“, kam die Antwort, doch die dazugehörige Gestalt blieb noch immer im Verborgenen- unverständlicherweise, denn er wusste, um wen es sich handelte.
„ Wieso verstecken Sie sich vor mir? Ich bin mir sicher, dass Sie dazu keinen Grund haben.“ Bedacht machte John einen Schritt auf das Gebüsch zu… und konnte gar nicht so schnell reagieren, wie die gefährliche Speerspitze im Sonnenlicht aufblitzte und seinen Hals streifte. Er hielt erschrocken die Luft an und verharrte in seiner Bewegung.
„ Das muss ich Euch nicht erklären.“ T’hiak trat aus dem Gebüsch- seine Miene hart und verbissen. „ Ich kann Euch nur raten, von hier zu verschwinden.“
„ Also, genauso genommen sind wir ja noch nicht einmal richtig angekommen und…“, setzte John an, verstummte allerdings sofort wieder, als T’hiak die Speerspitze näher an seine Kehle heranführte. Vorsichtig schielte er hinab, sah das Metall in der Sonne glänzen und spürte das kalte Material an seiner Haut kribbeln. „ Ich denke nicht, dass das ein Grund ist gleich so ausfallend zu werden.“
„ Seid still“, zischte T’hiak. „ Es gibt viele, die Euch und Eure Freunde sehnlichst erwarten, aber es gibt ebenso viele, die sich nichts sehnlicher als Euren Tod herbei wünschen.“
John lächelte nervös. „ Glauben Sie mir, da erzählen Sie mir nichts Neues. Es gibt so einige, die…“
„ Seihen Sie nicht töricht“, knurrte sein Gegenüber erbost und er umklammerte seinen Speer so fest, dass die Sehnen an seinen Handgelenken hervortraten. Seine Mundwinkel begann zu zucken und seine azurblauen Augen verformten sich zu engen Schlitzen. „ Gibt mir einen Grund, Euch aufzuspießen und ich werde es tun.“
„ Ihr Vater und Ihre Schwester wären nicht erfreut“, sagte John und biss sich auf die Zunge, als sich T’hiak’s Miene nur noch mehr verfinsterte.
„ Mein Vater ist ein alter Mann, der nicht mehr weiß, was er tut und was für sein Volk gut ist und meine Schwester ist zu abergläubisch, als dass sie unserem Volk wirklich helfen könnte.“

John wagte es nicht sich zu bewegen, zumal sich T’hiak’s Speerspitze langsam in sein Fleisch bohrte- nicht so, dass es ihn verletzte, doch es schmerzte. Er hielt für einen Moment inne und betrachtete den jungen Mann; über sein Gesicht und über seine Augen hatte sich ein dunkler Schatten gelegt und es war unmöglich diesen zu durchdringen. T’hiak hatte ein ungebändigtes Herz- das war nicht schwer zu erkennen. Er war kein besonders offener Mann, der es mochte, seine Gefühle oder Gedanken mit anderen zu teilen. Und vor allem… stand er allem mehr als kritisch und misstrauisch gegenüber.
„ Sie glauben nicht an diese Prophezeiung?“, wagte sich John zu sprechen, denn ihm war natürlich nicht entgangen, dass T’hiak dieses Thema ein besonders großer Dorn im Fleisch zu sein schien.
Sein Gegenüber schnaufte verächtlich. „ Das sind alles nur Hirngespinste! Die Generation meines Vaters glaubte schon daran und die Generation meines Großvaters auch. Warum sollte ich das tun? Nennt mir einen Grund.“
„ Ich würde Ihnen gerne antworten, doch leider kann ich es nicht“, antwortete John. „ Ich bin mit der Prophezeiung nicht vertraut und kann Ihnen deshalb nichts sagen.“ Er pausierte und starrte T’hiak intensiv an. „ Aber vielleicht können Sie das.“
„ Was sollte ich Euch schon groß erzählen?“, knurrte T’hiak. „ Ich sollte Euch gar nichts erzählen. Vielmehr sollte ich dafür sorgen, dass Ihr und Eure Freunde hier verschwindet! Das wäre besser für uns alle.“
„ Ich denke nicht, dass dies der Fall ist“, versuchte John noch einmal auf den jungen Mann einzureden, doch statt ihm zu hören, bohrte T’hiak ihm die Speerspitze nur noch tiefer in sein Fleisch.
Ein stechender und zugleich brennender Schmerz durchfuhr seinen Körper und John stöhnte leise auf. Er merkte, wie etwas Warmes seinen Hals hinablief und tastete mit seinen zitternden Fingern danach.
Blut. Warmes, rotes Blut lief seine Finger hinab, tropfte zu Boden. John schluckte und verzog das Gesicht.
T’hiak hatte seinen Speer wieder gesenkt und funkelte ihn wütend an. „ Ihr solltet verschwinden! Ihr und Eure Freunde! Bevor ich es mir noch einmal anders überlege.“

John zuckte zusammen und stöhnte auf, als der junge Mann ihm mit der Faust in den Magen schlug und dann im Unterholz verschwand. Verdammter Mistkerl!

++++++++++


Der Schnitt war nicht sehr tief gewesen und er hatte auch nicht sonderlich viel Blut verloren, dennoch konnte sich John kaum auf den Beinen halten. Erschöpft war er über dem Stuhl kollabiert.
Er hörte Gherak’s aufgebrachte Stimme, die außerhalb des Zeltes donnerte; er fluchte in einer ihm nicht verständlichen Sprache, doch es war nicht schwer zu erraten, wem dieses Donnerwetter galt.
„ Ihr müsst Euch keine Sorgen machen…“- Inessa tupfte seinen teils mit Blut verkrusteten Hals sauber, wischte den Schweiß von seiner Stirn- „… mein Vater wird dafür sorgen, dass T’hiak zur Rechenschaft gezogen wird.“
John erwiderte ein schwaches Nicken; er war nicht in der Lage ihr irgendetwas zu erwidern, denn allein das Schlucken schmerzte und brachte ihn an seine Schmerzgrenze; binnen Sekunden trat eiskalter Schweiß auf seine Stirn und ihm wurde schwindelig.

Im Gegensatz zu ihm, schienen Inessa und ihr Vater das Vorgefallene sehr ernst zu sehen und obwohl dieser Mistkerl im das Ganze hier angetan hatte, wollte John nicht in T’hiak’s Haut stecken, wenn sein Vater ihn erwischte. Der junge Mann war noch nicht zurückgekehrt- vielleicht schämte er sich für das, was er getan hatte oder er hatte einfach Angst. John vermutete, dass nichts von beiden zutraf.
„ Ihr solltet Euch ausruhen und versuchen zu schlafen“, sagte Inessa und tupfte ihm wieder über seinen Hals; zu ihren Füßen hatte sich eine kleine Blutlache gebildet. Er hatte Blut verloren, eine Menge Blut, dennoch nicht so viel, dass es ihm hätte schaden können- ihm war einfach nur furchtbar schwindelig, der metallene Geruch des Bluts brannte unangenehm in seiner Nase und obwohl er daran hätte gewöhnt sein müssen, wurde ihm schlecht.

Inessa schien dies zu bemerken, legte ihm ihre kalte Hand auf die Stirn und sah ihn mitleidig an. „ T’hiak ist eine gute Seele. Ich weiß auch nicht, warum er das getan hat. Aber er wird eine gerechte Strafe erhalten.“
John wollte spöttisch lachen, doch er beließ es bei einem leicht schiefen Grinsen. „ S…sie sollten die ganze Sache nicht zu ernst nehmen.“
„ Er wollte Euch umbringen. Seid Ihr Euch dessen bewusst?“
„ Ja, dessen bin ich mir bewusst, aber…“, setzte John an, doch Inessa unterbrach ihn mit einem tiefsinnigen Blick; ihre azurblauen Augen wurden leer und undurchsichtig. Sie sah ihn an, doch mit ihren Gedanken schien sie woanders zu sein.
„ T’hiak ist eine gute Seele“, sagte sie mit, in ihrer Stimme schwang etwas mit, was John nicht deuten konnte. „ Dennoch… er hat sich verändert und das ist nicht nur mir aufgefallen. Auch mein Vater weiß es, doch er ignoriert es… bis heute. Wir alle wissen, was mit ihm passiert, doch die meisten ignorieren es, so wie mein Vater.“
John merkte, wie sich sein ganzer Körper anspannte, als er sich langsam mit zusammengebissenen Zähnen aufrappelte- Carson Beckett hätte wahrscheinlich einen Tobsuchtsanfall bekommen, wenn er ihn so gesehen hätte.
„ Was meinen Sie mit „ wir alle wissen es“? Sie wissen was?“ Er hatte das dämliche Gefühl, dass ihm ihre Antwort nicht gefallen würde, doch irgendetwas in ihm flüsterte, dass er ihr zuhören sollte.
Inessa sah bedrückt aus, aber wenigstens schien sie wieder gedanklich bei ihm zu sein. „ Jenseits der Berge und der großen Flüsse…“ Sie hielt kurz inne und schien zu überlegen. „ Wir nennen sie die Záturen- schreckliche, eiskalte Wesen. Sie sind blutrünstig und machen sich nichts aus uns. Für sie sind wir nur Sklaven und Nahrung- sie dürsten nach unserem Blut, wie wir nach Wasser dürsten.“

Wraith. John wollte nicht vorschnell urteilen, doch das erste, was ihm in den Kopf kam, als er Inessa’s atemlosem Bericht lauschte, war Wraith. Diese widerwärtigen Kreaturen, die ihren Opfern die Lebenskraft entrissen, bis nichts als Staub von ihnen übrig war. Er hasste Wraith! Er verabscheute sie!

Doch als Inessa weitersprach, begann er zu zweifeln: „ Sie waren einmal unsere Brüder, haben unter uns gelebt. Doch dann…“- Inessa sah ihn mit geweiteten Augen an. Ihre Lippen und Schultern bebten- „… mein Vater und die älteren Männer nennen es „die Rebellion“. Einige unserer Brüder haben an unseren Lehren und Weisheiten gezweifelt und sind abtrünnig geworden- sie verließen unser Volk und zogen in die Berge. Ein paar Jahrzehnte später- viele von meinem Volk waren gestorben- kehrten zwei von ihnen zurück. Sie waren irgendwie verändert; ihre Haut war blass, Adern durchzogen ihr Gesicht, von ihren blauen Lippen triefte das Blut, doch es berührte den Boden nicht. Ihre Augen waren starr und da war nichts Menschliches mehr an ihnen. Sie sahen aus wie Geister, wie Tote.“
Als Inessa verstummte, musste John schlucken. Irgendwie fühlte er sich an die alten Vampirromane zurückerinnert, die er damals verbotenerweise gelesen hatte. Eiskalte Wesen mit blasser Haut und einem schier unstillbaren Durst nach Blut. Das klang nicht nach Wraith…

„ Und diese… Záturen… gibt es sie immer noch?“, fragte er vorsichtig und zuckte zusammen, als sich Inessa’s Miene verfinsterte.
„ Ja, sie leben oben in den Bergen, in den Gipfel, weitab von jeder Art von Licht. Man sagt, sie verbrennen bei lebendigen Leibe, wenn die Sonnenstrahlen sie treffen.“
Okay, dachte John. Er hatte die Vampirromane zwar gelesen, aber ein Freund von ihnen war er nun nicht gerade gewesen.
Unbeirrt von seiner erschrockenen Miene fuhr Inessa fort, ließ dabei seine Hand in die seine gleiten und strich mit ihrem Daumen gedankenverloren über seinen Handrücken. „ Es gibt einige aus meinem Volk, die ihnen schon gefolgt sind. T’hiak wird ihnen als Nächster folgen.“ Sie senkte die Stimme und sah auf ihre Knie hinab.
„ U…und Sie sind sich da sicher?“, fragte John, bemerkte gar nicht, dass er auch seine andere Hand in Inessa’s gelegt hatte- er klebte förmlich an ihren Lippen, die bebten, wenn sie sprach.
Die junge Frau sah ihn mit ihren unergründlichen Augen an, ihre vollen, schwarzen Wimpers warfen lange Schatten auf ihrem Gesicht. „ Ich weiß es einfach. Schon meine Mutter wusste es. Sie wusste es, bevor T’hiak überhaupt auf der Welt war.“
Inessa sprach mit einer unvergleichlichen Intensität und ihre Stimme klang wie ein Windspiel. Obschon ihre zitternde, aber dennoch kristallklare Stimme zitterte, wirkte die junge Frau gefasst.
„ Und Sie wissen es auch?“, fragte John mit gesenkter Stimme, leiser als es eigentlich notwendig war. Er wollte sie fragen, woher sie es wusste, doch als sie ihn mit ihren azurblauen Augen ansah, entfielen ihm die Worte.
Es war nicht zu verleugnen, dass sie wunderschön war, doch erst jetzt fiel es ihm so richtig auf und sein Puls fing an zu rasen, sein Herz wild an zu schlagen.

Er hätte es eigentlich kommen sehen müssen, aber trotzdem zuckte er leicht zusammen und schloss seine Augen, als Inessa sich zu ihm vorbeibeugte und ihre blutroten Lippen auf die seinen legte.
Ein Kribbeln jagte im nächsten Augenblick durch seinen Körper und er wusste nicht ob der Schwindeln von der Wunde an seinem Hals rührte, die wieder zu bluten angefangen hatte, oder vielmehr von ihrer atemberaubenden Fähigkeit zu küssen. Vielleicht war auch beides der Fall- so genau wollte er es jetzt nicht zuordnen.
Jede Sekunde auskosten wollend schlang John einem Arm um Inessa’s Körper und zog sie näher zu sich heran. Er stöhnte leise auf, als sie ihren Arm um seinen Nacken legte, ignorierte das brennende Gefühl seiner blutenden Wunde dann aber.
Obwohl er vorsichtig begonnen hatte und überraschend über sie beide gekommen war, wurde der Kuss immer intensiver. Inessa legte ihre Vorsicht ihm gegenüber schnell ab und ihre Hände stoben unter sein schwarzes Shirt, wollten es ihm über den Kopf ziehen und…

„ Colonel, wir…“ Die ihm nur allzu gut bekannte Stimme, ließ John das Blut in den Adern gefrieren und plötzlich fühlte es sich alles so falsch an- die Gefühle, die Inessa in ihm weckte, der Kuss… einfach alles.
Beinahe schon reflexartig löste er sich aus dem Kuss und von Inessa, schob sie von sich und drehte sich um.
Teyla stand mit emotionslosem Gesichtsausdruck im Eingang des Zeltes und starrte zu ihnen beiden herüber. Sie sagte nichts und da war auch nichts in ihrer Körpersprache, was man hätte deuten können, dennoch wusste John, was im Kopf der Athosianerin vor sich ging. Plötzlich fühlte er sich schuldig und vielleicht hatte er auch Grund dazu.
„ Teyla…“ Er erhob sich, doch sie schüttelte mit dem Kopf, machte einen Schritt zurück, als er einen auf sie zumachte.
„ Nein“, formte sie lautlos mit ihren Lippen und schüttelte wieder mit dem Kopf. Diesmal zuckte etwas über ihr Gesicht, doch noch immer konnte er es nicht richtig zuordnen- Enttäuschung oder gar Trauer?

„ John?“ Es war Inessa’s Stimme, die ihn viel zu schnell ereilte, und die sich mit einem ohrenbetäubenden, donnernden Geräusch vermischte. John schloss reflexartig die Augen, als ein grelles Licht ihn blendete, und er presste die Lippen aufeinander, als sein Magen sich umzudrehen schien.

Er öffnete die Augen erst wieder, als ein dumpfes Dröhnen und eine ihm ebenfalls bekannte Stimme ans Ohr drangen. „ Col. Sheppard? Ist alles in Ordnung?“
Elizabeth stand vor ihm und Col. Mitchell; Letzterer hatte die Arme vor dem Oberkörper verschränkt.
„ Was zur…“ John sah sich um. Nein, das hier war kein idyllischer Waldplanet, sondern ein Schiffshangar. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte er eine Bewegung; Teyla stand neben ihm und Ronon. Auch Rodney und Mike Branton. Mehr als verwirrt blickten sie erst einander an und dann die Expeditionsleiterin.

„ Elizabeth, was ist passiert?“, fragte er sie und schluckte, als er nicht nur die tiefen Falten auf Elizabeths Stirn registrierte, sondern auch Teyla’s enttäuschten Blick im Nacken spürte.
Als er sich zu ihr umdrehte und ihren Blick suchte, wandte sie sich weg.

TBC
Zweifel by Ailya
Genaugenommen interessierte es ihn schon, worüber Rodney und Elizabeth diskutierten, kaum dass der Kanadier aus seiner anfänglichen Starre geschreckt war und die Expeditionsleiterin und den sie begleitenden Cameron Mitchell verwirrt- wenn nicht sogar leicht genervt- ansah.
Rodneys Lippen bewegten sich schnell, Elizabeths ebenso, nur Col. Mitchell schwieg, stand mit vor dem Oberkörper verschränkten Armen daneben und lauschte der Unterhaltung der beiden, wenn man es überhaupt so nennen konnte- Rodney schien aufgebracht zu sein, gestikulierte wild mit den Händen und fuhr Elizabeth mit überspitzter Stimme an.

John lauschte den beiden nur halbherzig- obwohl es ihn interessierte, was um alles in der Welt da eben passiert war. Seine Gedanken schwirrten wirr durch seinen Kopf und bereiteten ihm Kopfschmerzen. Er wandte seinen Kopf leicht zur Seite, doch da, wo bis vor wenige Minuten noch Teyla gestanden hatte und konsequent seinem Blick ausgewichen war, klaffte jetzt gähnende Leere. Sie war weg.
Johns Stirn warf tiefe Furchen- ihm war gar nicht aufgefallen, dass die Athosianerin verschwunden war und vor allem wann. Verdenken konnte er ihr es nicht, denn er wusste, dass es falsch war, was er getan hatte, und er konnte sich ungefähr vorstellen, wie sie sich jetzt fühlen musste.
Obwohl sich sein Verstand dagegen sträubte, beschloss er, sie suchen zu gehen.
Das ist falsch, murmelte eine kleine verquäkte Stimme in ihm, die er bisher erfolgreich verdrängen konnte.
Ich denke, er weiß das, sagte eine andere, nicht minder nervige Stimme.
Und was ist, wenn es doch richtig ist? Wenn es richtig ist, dass er nach ihr sucht? Vielleicht sollte er sich entschuldigen, meinte eine dritte Stimme, brachte die beiden anderen zum verdutzten Schweigen und ihm zum Nachdenken- diese Stimme klang nicht so anklagend wie die beiden anderen, sie klang schon fast einfühlend. Er hatte sie zuvor noch nie gehört…
Du spinnst, gaben die beiden einstimmig zurück und die Erste meldete sich wieder: So weit wird es nicht kommen.

Es kostete John einiges an Überwindung, um die drei Stimmen in seinem Kopf auszublenden und zu registrieren, dass er nicht mehr bei den anderen war, sondern in einem verlassenen Korridor der Artemis; die Wände waren mit antikischen Schriftzeichen verziert und an der Decke flackerten die Leuchten auf- er stand inmitten des Korridors, in dem sich die Wohnquartiere befanden.
Es ist richtig so, sagte da plötzlich die dritte Stimme so leise, dass er sie fast überhörte. Und es ist besser.
John wusste nicht, ob er auf sie hören sollte oder ob er es lieber bleiben lassen sollte. Seine innere Stimme hatte ihm schon oft Enttäuschungen eingebracht und ihr Rat war nicht immer der Beste gewesen. Doch diesmal machte sich ein merkwürdiges Gefühl in ihm breit, wenn er ihr lauschte. Konnte es sein, dass sie vielleicht Recht hatte? Hatte sie nach so vielen Fehlschlägen endlich einmal Recht und konnte er ihr vertrauen? Woher konnte er wissen, dass es diesmal nicht wieder so enden würde, wie die vielen anderen Male? Woher konnte er wissen, dass man ihn nicht wieder verletzten würde?

Fragen über Fragen und nur eine Antwort. Die dritte, einfühlsamere Stimme wurde von einem Zischen übertönt und John blickte auf- erschrocken, so wie es ein kleines Kind tat, wenn es sich heimlich einen Keks in den Mund schieben wollte und die Mutter es dabei erwischt hatte.
Er blickte in ein Paar enttäuscht aussehende braune Augen, die ihm nach dem Warum zu fragen schienen. Es dauerte, bis er es schaffte einen einigermaßen klaren Gedanken zu fassen.
„ Teyla…hi“, brachte er stammelnd hervor und versuchte sich an einem Lächeln, doch als er sah, wie die Athosianerin ihn ansah- eine Mischung aus Enttäuschung und Unverständnis-, erlosch es wieder. Der Ausdruck in dem Gesicht der jungen Frau, verpasste ihm einen Schlag in die Magengegend und ihre emotionslosen braunen Augen ließen ihn schlucken. Verdammt.

++++++++


Rodney seufzte und holte tief Luft, um sich selbst davon zurückzuhalten, die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen. Das konnte doch einfach nicht wahr sein!
„ Und Sie glauben, dass das Schiff sie zurückgeholt hat?“, fragte Daniel Jackson, der mit dieser aufgedrehten Schwarzhaarigen im Schlepptau, soeben den Maschinenraum betreten hatte.
„ Ich hätte es wohl kaum gesagt, wenn dem nicht so wäre“, erwiderte Rodney und seufzte ein zweites Mal, diesmal noch tiefer als beim ersten Mal. Er hasste es einfach, unverständige Menschen um sich rum zu haben, die dazu noch allzu dämliche Fragen stellten, deren Antwort mehr als offensichtlich waren.
„ Rodney“, tadelte Elizabeth ihn mit strengem Blick. Sie stand ihm gegenüber, neben Col. Mitchell und hatte wie er die Arme vor dem Oberkörper verschränkt, wirkte skeptisch und schien an dem zu Zweifeln, was er soeben herausgefunden hatte. „ Sind Sie sich da sicher?“
Der Kanadier seufzte wieder- es blieb im nichts anderes übrig. „ Ich bin kein Spezialist was die Antikersprache angeht, aber ja… ich bin mir ziemlich sicher. Es ist schwer zu erklären…“
„ Sie meinen so ähnlich wie, warum das Schiff an bestimmten Planeten aus dem Hyperraum springt?“, fragte Col. Mitchell und der Sarkasmus in seiner Stimme war nicht zu überhören.
Rodney rollte mit den Augen. „ Wie ich bereits sagte… ich bin kein Spezialist und das hier ist ein ziemlich altes Schiff. Dr. Jackson und ich sind der Annahme, dass es sogar noch vor Atlantis gebaut wurde.“
„ Aber ich dachte, es hat der Stadt während des Kampfes gegen die Wraith beigestanden?“, fragte die Schwarzhaarige, die Dr. Jackson begleitet hatte. Ach, Rodney vergaß ihren Namen immer.
„ Das hat damit rein gar nichts zu tun, meine Liebe“, erwiderte der Kanadier übertrieben freundlich, denn Elizabeth sah ihn warnend an; sie schien zu wissen, dass ihm das Ganze hier gewaltig auf die Nerven ging und dass er lieber allein sein würde.
„ Aber wie…“, setzte Ronon zur Frage an, doch verstummte dann wieder, als er Rodneys verzerrtes Gesicht sah.
„ Ich kann Ihnen nicht mehr sagen, als ich weiß“, meinte der Kanadier und sah sich dabei in der Runde um. „ Und bis jetzt weiß ich noch nicht allzu viel, denn wie Sie alle wissen, bin ich es gewesen, der eben noch auf einem wirklich schwülen Planeten gewesen bin und dann überraschend hochgebeamt wurde. Ist es also zu viel verlangt, dass Sie mir etwas Zeit geben, damit ich das genauer untersuchen kann?“

„ In Ordnung“, sagte Elizabeth schließlich, nachdem alle Anwesenden kurz geschwiegen hatten, und faltete die Hände vor sich. Sie hob eine Augenbraue und sah Rodney an. „ Wir geben Ihnen die Zeit, Rodney. Aber geben sie umgehend Bescheid, wenn Sie etwas finden und…“
„ Vielleicht müssen Sie gar nicht auf Ergebnisse warten, Dr. Weir.“ Daniel Jackson trat vor, schien dabei vertieft in eine Anzeige seines Computers zu sein und sah erst nach ein paar Augenblicken zu ihr auf; seine Stirn lag in Runzeln, doch sein Blick war wissend. „ Ich wüsste da jemanden, der uns vielleicht helfen könnte.“

+++++++


„ Ich hätte nicht erwartet, dass es Sie so schnell hierher verirrt“, sagte Teyla und John erschrak; ihre Stimme war leer und kein Ausdruck war auf ihrem schönen Gesicht. Ihre rehbraunen Augen, die sonst immer strahlten, wirkten auf einmal wie tot.
Er musste schlucken und konnte nicht anders, als sich nervös und unschlüssig durch seine wirren Haare zu fahren. Ihre ablehnende Haltung gefiel ihm nicht, obwohl er ihr es anderseits nicht verdenken konnte.
„ Hören Sie, Teyla…“, begann er. „ Was da vorhin zwischen mir und Inessa… also… wir beide… ich wusste nicht, dass Sie… und…“
Teyla’s Gesichtsausdruck veränderte sich; Trauer umspielte ihre Mundwinkel, Enttäuschung blitzte in ihren Augen auf. Bedrückt sah sie ihn an; er sah Tränen in ihren Augen glitzern und merkte, wie sehr sie das, was passiert war, mitgenommen hatte.
„ Ich kann einfach nicht verstehen, wie…“ Sie verstummte und er sah, wie sie sich auf die Zunge biss und sich so selbst zum Schweigen bringen wollte. Doch das hielt nicht lange an; sie blickte ihn wieder an. „ Ich kann einfach nicht verstehen, wie schnell Sie das, was zwischen uns beiden passiert ist, vergessen konnten, John.“
John sah sie verwirrt an. Nein, das stimmt überhaupt nicht, wollte er ihr erwidern, doch stattdessen kam ein flach und nicht wirklich überzeugend klingendes „ Teyla, ich…“ über seine Lippen.
Sie schüttelte mit dem Kopf und wandte sich von ihm weg, drehte ihm den Rücken zu. „ Vielleicht hatten Sie Recht, Colonel. Es wäre besser für uns beide, wenn wir das alles…“- Sie schluckte- „…vergessen würden.“
„ Teyla…“
„ Das mit dem Kuss, meine ich. Nicht das, was auf dem Planeten zwischen Ihnen und dieser Frau vorgefallen ist. Das ist Ihre Sache, nicht meine. Mich geht das nichts an.“ Ihre Stimme zitterte und obwohl er ihr nicht ins Gesicht sehen konnte, wusste er, dass sie Tränen in den Augen hatte.
John schluckte und überlegte für einen Moment seine Hand nach ihr auszustrecken, doch tat es dann nicht. „ Ich weiß nicht, ob…“
Teyla drehte sich zu ihm um. Ja, sie hatte Tränen in den Augen und Enttäuschung war ihr ins Gesicht geschrieben. „ Ich habe kein Problem damit, es zu vergessen, und Sie?“ Ohne seine Antwort abzuwarten, ließ sie ihn allein im schwach beleuchteten Korridor stehen.

John sah ihr nach, bis die sich schließende Tür ihm die Sicht versperrte. Ich habe kein Problem damit, es zu vergessen, und Sie? Ihre Frage hallte unbarmherzig in seinem Kopf wieder- er wusste nicht, was er darauf zu antworten hatte.
Das warme Gefühl in seinem Herzen und das nervöse Flattern in seinem Bauch waren verschwunden. Stattdessen war da etwas anderes- Leere, gemeine Leere. Und Schmerz. Es fühlte sich an, als hätte man ihm das Herz rausgerissen.
Er wusste nicht warum, aber auf einmal überkam ihn der Wunsch laut loszuschreien und auf irgendetwas einzuprügeln, doch er presste die Lippen fest aufeinander und schluckte seine plötzlich aufkeimende Wut hinunter. Nein, jetzt war nicht die Zeit dafür.

„ John, bitte kommen Sie umgehend in den Maschinenraum.“ Rodneys Funkspruch kam schon fast einer Befreiung nach- der mehr oder minder pflichtbewusste Soldat in ihm meldete sich zu Wort.
„ Ich bin gleich da“, gab John zurück, setzte sich langsam in Bewegung, zerrte seine Beine hinter sich her, als würden sie Tonnen wiegen; sie schienen im Boden verankert zu sein und ihn zu irgendetwas bewegen zu wollen.
'Und das soll’s jetzt gewesen sein?, fragte die dritte, einfühlsame Stimme ihn.
'Ich hab’s doch gesagt. Es war ein Fehler', sinnierte die zweite Stimme wissend.
'Sie will ihn einfach nicht; das war zu erwarten', fügte die erste, verquäkte Stimme hinzu.
John ignorierte sie.

++++++++


Elizabeth merkte sofort, dass mit ihm etwas nicht stimmte; mit hängenden Schultern und einer Miene wie nach sieben Tagen Regenwetter, kam John Sheppard in den Maschinenraum geschlurft und sah lustlos zu ihr und zu Rodney auf.
„ Was ist Ihnen denn für eine Laus über die Leber gelaufen?“ Elizabeth warf Rodney einen bösen Blick zu, doch John schien die Frage des Kanadiers nicht einmal wahrgenommen zu haben.
„ Sie wollten mich sehen. Was ist los?“, fragte der dunkelhaarige Soldat und die Tonlage seiner Stimme erschreckte Elizabeth- er klang niedergeschlagen und auch irgendwie… traurig. Sie hatte John Sheppard noch nie traurig erlebt. Niedergeschlagen schon- nach Aiden Fords Tod-, aber traurig? Nein, so hatte sie ihn noch nie erlebt…
Sie wollte ihn fragen, was mit ihm los sei, doch John bemerkte ihren Blick und sah sie an; ein bittendes Nein flammte in seinen haselnussfarbenen Augen auf.
Elizabeth nickte; sie hatte verstanden- wenn er ihr es nicht sagen wollte, dann wollte sie es auch nicht aus ihm herauskitzeln. Sie hatten sich zwar noch immer nicht wirklich ausgesprochen, aber trotzdem war er ihr Freund. Und Freunde taten so etwas nicht- sie respektierten die Wünsche des anderen…
„ Rodney, sagen Sie dem Colonel, warum er hier ist“, wies sie den Astrophysiker an, ohne ihn anzublicken.
„ Sollten wir nicht auf Dr. Jackson warten?“, fragte Rodney in einem merkwürdig sensiblen Tonfall, denn auch ihm schien aufgefallen zu sein, dass mit seinem amerikanischen Freund etwas nicht stimmte.
„ Ich bin nicht in der Stimmung zu warten, Rodney“, sagte John leise und verschränkte die Arme vor seiner Brust. „ Also fangen Sie schon an.“

Elizabeth musterte ihn skeptisch von oben bis unten, als Rodney sich räusperte und Sekunden später sein nervöses, flatterhaftes Tippen den Raum erfüllte, sogar das Rattern der Maschinen übertönte.
„ Hören Sie“, setzte der Kanadier an. „ Ich würde so etwas nie von Ihnen verlangen, wenn ich nicht glaubte, dass Sie das schaffen.“
„ Rodney.“ John verdrehte sie Augen- er klang ein kleines bisschen genervt, doch dieser eigenartige Unterton lag noch immer in seiner rauen Stimme.
„ Ja, oh…okay.“ Rodney stellte das Tippen ein und sah ihn an. „ Weshalb ich Sie gerufen habe… weshalb wir Sie gerufen haben… wir möchten Sie um etwas bitten.“ Rodneys Stimme wurde leicht flatterhaft und Elizabeth wusste, dass es Zeit war, dass sie übernahm.
„ John“, sagte sie voller Einfühlungsvermögen, doch der Blick, den er ihr schenkte, sagte ihr, dass er das nicht wollte. „ Dr. Jackson und Rodney haben eine ganze Weile daran getüffelt, um herauszufinden, was dazu geführt hat, dass Sie und die anderen vorzeitig zurück auf das Schiff geholt wurden und… naja, Dr. Jackson ist auf einen sehr interessanten Aspekt gestoßen, über den Sie vielleicht nachdenken sollten.“
John neigte seinen Kopf leicht nach links und zog die Augenbraue hoch. „ Und worüber sollte ich nachdenken?“
„ Dieses Schiff besitzt ein neutrales Interface“, entgegnete Rodney und zuckte mit den Schultern. „ Und da dachten wir, dass…“
„… dass ich…“, setzte John an, um seinen Satz zu beenden, verstummte dann aber wieder und zog seine Augenbraue noch höher. „ Verstehe ich Sie da richtig… ich soll mit dem Schiff reden?“
Rodney kräuselte die Lippen. „ Ich würde es eher „Kontakt aufnehmen nennen“…“
„ Ich soll mit dem Schiff reden?“
„ Ja, so in etwa.“ Rodney seufzte.
„ Und wie stellen Sie sich das bitteschön vor? Soll ich durchs Schiff marschieren und sagen „ Hallo, hier bin ich und ich will mich mit dir unterhalten“?“
„ Rodney und Dr. Jackson sind der Annahme, dass die Antiker eine ähnliche Technologie verwendet haben, wie die auf Atlantis“, sagte Elizabeth.
„ Sie meinen mithilfe eines Kontrollmoduls?“, fragte John.
„ Oder eines Kontrollstuhls“, gab Rodney zurück. „ Wir sind uns sicher, dass es so etwas Ähnliches hier auf dem Schiff geben muss und da Sie…“
„ Sie haben auch das Gen und Lt. Scott und Dr. Wallace ebenso. Warum sollte dann ausgerechnet ich…“
„ Weil Sie der stärkste Träger des Gens sind“, antwortete Rodney, ohne dass sein amerikanischer Freund die Frage überhaupt fertig ausgesprochen hatte.
Elizabeth machte einen bedachten Schritt auf den Soldaten zu- sie wusste nicht, was ihn so niedergeschlagen machte und warum er sich so anders verhielt, aber sie wollte nichts riskieren.
„ John“, sagte sie sanft, „ bedenken Sie, was Sie uns dadurch ermöglichen könnten. Sie könnten das Schiff alles fragen- wenn das wirklich stimmt, was Rodney behauptet.“
„ Also, ich darf doch bitten!“, warf Rodney empört ein, doch Elizabeth ignorierte ihn, sprach einfach weiter.
„ Es ist uns nicht gelungen, Atlantis von dem Planeten aus anzuwählen und wir wissen nicht, was passiert, wenn wir dieses Gate hier anwählen. Dr. Jackson hat herausgefunden, dass das Schiff in den nächsten vier Stunden erneut in den Hyperraum springen wird; es wird und zu einem weiteren Planeten führen, noch weiter weg von Atlantis. Wir sollten wirklich…“
John lauschte ihren Worten und sah dann zu Rodney. „ McKay, Sie sollten dieses Kontrolldingsbums finden.“
Rodney sah ihn verdutzt an, fing dann aber an zu nicken. „ Ähem… ja, klar. Ich werde… okay.“ Er schnappte sich seinen Tablettlaptop, klemmte sich ihn unter den Arm und drängelte sich mit einem „ `tschuldigung“ an ihnen beiden vorbei.

Erst als Rodneys Schritte verklungen waren, wagte sich Elizabeth die Stille, die zwischen ihr und John entstanden war, zu brechen. „ Sie wollen das wirklich tun?“
„ Zweifeln Sie etwa daran?“, fragte der dunkelhaarige Militär mit emotionsloser Stimme zurück.
„ Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“, fraget sie.
„ Nein, alles gut“, antwortete John, aber er wich ihrem forschenden Blick aus.
„ Sind Sie sich sicher?“
Er nickte und biss sich auf die Unterlippe. „ Ich sollte jetzt besser Rodney folgen.“ Langsam wandte er sich um, setzte sich in Bewegung. Er hatte die Tür erreicht, hielt dann aber noch einmal inne und drehte sich zu ihr um. „ Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Zweifeln Sie an meiner Loyalität, Elizabeth? Zweifeln Sie, dass ich nicht in der Lage dazu bin?“
Die Expeditionsleiterin dachte nicht nach, schüttelte mit dem Kopf. „ Ich würde nie an Ihnen zweifeln, John. Und schon gar nicht an Ihrer Loyalität mir oder der Expedition gegenüber.“
„ Das ist gut“, hörte sie ihn noch sagen, ehe er aus ihrem Sichtfeld verschwand und sich seine Schritte langsam entfernten.

Zweifeln Sie an meine Loyalität, Elizabeth? Warum sollte sie das tun? John Sheppard war der loyalste Mann, den sie je kennengelernt hatte und sie glaubte nicht, dass er sie je hintergehen würde.
Und schon gar nicht an Ihrer Loyalität mir oder der Expedition gegenüber. Das waren wahre Worte gewesen. Nie und nimmer würde sie an ihm zweifeln, auch wenn sie mal nicht einer Meinung waren… John Sheppard war einfach nicht die Art Mensch. Andere schon, er nicht.

TBC
Feelings by Ailya
No matter what I say or do I'll still feel you here 'til the moment I'm gone.


„ Der Umgang müsste Ihnen eigentlich vertraut sein“, meinte Rodney, ohne ihn anzusehen- er war viel zu sehr damit beschäftigt seinen Computer zu malträtieren und auf ihn einzuhacken. „ Es sollte Ihnen also nicht allzu schwer fallen sich in die Technik hineinzudenken.“ Der Kanadier lachte trocken auf.
Im wahrsten Sinne des Wortes, dachte John. Schweigend sah er sich in dem kleinen Raum um, in den Rodney ihn geführt hatte; die dunklen Wände mit antikischen Schriftzeichen und eine sprudelnde Säule an der Wand. Er fühlte sich an den Stuhlraum in Atlantis erinnert.
Der Kontrollstuhl, der inmitten des Raumes auf einer kleinen Plattform stand, glich dem Exemplar in Atlantis in wirklich allem. Rodney hatte Recht: Es würde ihm nicht schwer fallen, sich in das neutrale Interface hineinzuversetzen. Doch was ihm viel mehr Sorgen bereitete, war die Ungewissheit. Er wusste nicht, wonach er genau zu suchen hatte.
„ Denken Sie einfach an ‚Informationen’.“ Rodney schien seine Gedanken erraten zu haben.
„ Sie haben gut reden“, gab John mit einem schwachen Lächeln zurück und stieg ehrfürchtigen Blickes auf die kleine Plattform, auf der der Stuhl stand.
„ Elizabeth meinte, Sie seien am besten ambitioniert für diese Aufgabe, also geben Sie nicht mir die Schuld“, verteidigte sich Rodney.
John seufzte und stellte sich vor dem Stuhl auf, betrachtete ihn eingehend und stemmte die Hände in die Hüften- nein, er unterschied sich wirklich nicht von dem in Atlantis, nicht die kleinste Abweichung war zu erkennen.
Langsam ließ er sich gegen die Lehne sinken und legte seine Hände auf die das Gerät bedienende Gel-Kissen.

Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass nichts geschah; das Schiff zuckelte schon seit fast zehntausend Jahren durch die Galaxis und er bezweifelte, dass es in dieser Zeit von irgendjemanden betreten worden war. Vielleicht hatte die Technologie darunter gelitten…
Doch das hatte sie nicht. John erschrak, als sich eine genaue Beschreibung des Schiffes vor ihm auftat und ihm jeder noch so kleinste Winkel vor Augen geführt wurde. Die ‚Artemis’ reagierte auf ihn oder vielmehr auf sein Gen… und das nach über zehntausend Jahren!

„ Und? Was ist?“, hörte er Rodney aufgeregt und neugierig fragen, doch er war nicht in der Lage ihm zu antworten. Still ließ er die Eindrücke, die sich ihm boten, auf sich wirken. Es waren so viele, es verschlug ihm die Sprache! Es war einfach… unglaublich.
Willkommen, begrüßte ihn eine melodisch klingende Stimme und er zuckte zusammen, riss die Augen auf- er stand inmitten eines Korridors, der hell erleuchtet war.
„ Was zur…?“, brachte er heraus und wirbelte herum- nein, das konnte nicht sein! Wie… Warum…
Es wäre zu umständlich dir dies zu erklären, meinte die Stimme wieder; sie klang wie ein silbernes Windspiel, sie verzauberte ihn.
„ Wer bist du?“, fragte er in die Stille hinein, hörte sie wenige Augenblicke später silbrig lachen.
Das brauchst du noch zu fragen, John Sheppard?
„ Woher kennst du meinen Namen?“, fragte er und sah sich weiter um. Es war nichts zu sehen, nur der leere Korridor.
Es ist leicht in dir zu lesen, antwortete die Stimme und ihr Lachen verklang. Es ist nicht schwer.

John kniff die Augen zusammen, als er Schritte hörte, die sich ihm näherten. Er drehte sich um, sah eine schlanke, lichtumstrahlte Gestalt auf sich zukommen. Ihre Bewegungen waren elegant und flossen nur so ineinander. Sie kam langsam näher und er erkannte ihr Gesicht; es war ein schönes Gesicht, weiche Züge. Tiefbraune Augen blickten ihn an.
Lange braune Haare umspielten ihr hübsches Gesicht und fielen ihr locker über ihre schlanken Schultern.
Sie trug ein langes weißes Gewand, was auf dem Boden schleifte. Um ihren Hals trug sie eine silbrige Kette mit einem kleinen herzförmigen Anhänger, der im Licht der Deckenleuchten violett schimmerte und ein perfekter Kontrast zu ihren braunen Augen war.
„ Was…“, setzte John verwirrt an, als sie ihm so nahe war, dass ihm ihre Gesichtszüge erschreckend vertraut vorkamen. Er zog die Augenbrauen zusammen. „ Teyla?“
Die Gestalt lächelte milde und ihm wurde schwindelig. Deine Gedanken sind wirr und du denkst an sie. Ich bin nur ein Gespinst deiner Fantasie.
John sah sie ungläubig an. Alles an ihr wirkte so real. Sie erinnerte ihn an… sie. Alles an ihr war perfekt- von ihren braunen Augen bis hin zu ihrem perfekt durchtrainierten Körper. Es war einfach alles perfekt an ihr!
„ Wer bist du?“, fragte er sie noch einmal.
Sie neigte ihren Kopf zur Seite und ihre braunen Haare fielen wie flüssige Seide auf ihre Schultern. Du kannst dir die Antwort selber geben. Du hast mich gerufen. Warum bist du hier?

Warum er hier war? Eigentlich eine gute Frage. John schluckte. Was hatte Elizabeth noch einmal zu ihm gesagt? Was sollte er fragen?
Seine Gedanken waren auf einmal wie weggepustet und es fiel ihm schwer klar zu denken; ihre Gestalt und ihre umwerfende Schönheit raubten ihm den Atem und er verfluchte seine eigene Fantasie. Hätte er sich nicht etwas anderes vorstellen können?

Sie schien seine Gedanken lesen zu können, denn sie fing plötzlich an zu lächeln; eine Reihe perfekt weiße Zähne blitzte hervor. Deine Seele ist aufgewühlt. Es fällt dir schwer, dich zu konzentrieren. Du musst all deine Kraft zusammennehmen. Nun… wer ist diese…Teyla?

Na, toll, dachte John- jetzt fing schon ein uraltes Antikerschiff an ihn auszufragen. „ Nun ja… ähem…“ Es war komisch auf ihre Frage eine passende Antwort zu finden, denn sie stand vor ihm. Sie, die ihm vor nicht einmal vier Stunden zurückgewiesen hatte. Und nun war es ihr Gesicht, ihre Stimme, die ihn fragte.
„ Eine Freundin“, antwortete John schnell und fügte gedanklich hinzu: Wenn sie das überhaupt noch ist.
Du denkst oft an sie, meinte sie- die Artemis, das Schiff oder wie immer man es noch nennen konnte. Sehr oft. Du scheinst viel für sie zu empfinden, doch da ist irgendetwas, was dich zurückhält. Sag es mir… was hält dich zurück?
„ Kannst du das nicht sehen?“, fragte er sie sarkastisch. Konnte sie denn nicht in seinen Gedanken lesen, dass er Teyla zutiefst gekränkt hatte? Sie konnte doch sonst alles in seinen Gedanken erkennen, warum dies nicht?
Du willst es mir nicht sagen, habe ich Recht?, fragte sie.
Er gab ihr keine Antwort. Es war befremdend über sie zu sprechen und sie dabei immer vor sich zu sehen. Er wusste, dass das nur eine Einbildung war, doch sie war so real… Er glaubte sogar ihren Atem zu spüren, der Geruch von athosianischen Kräutern stieg ihm in die Nase, wohlriechend.
Du solltest mit dir reden., schlug sie vor.
„ Ich sollte erst einmal mit dir reden“, gab er ihr zu verstehen.
Deine Gedanken sind nicht klar. Wie kannst du dann mit mir reden wollen?
„ Ich kann es einfach“, antwortete John.
Der Meinung bin ich nicht, erwiderte sie. Du solltest erst mit ihr reden, ehe du zurückkommst.
„ Du weist mich ab?“
Du bist innerlich aufgewühlt. Es fällt dir schwer diese Verbindung aufrecht zu erhalten. Ich will dir nicht schaden, John. Ich spüre die Last, die auf dir liegt, sie zerdrückt dich. Du solltest dich von ihr befreien.

Das Lächeln was über ihre perfekten Lippen zuckte, drohte ihn verrückt zu machen. Langsam begann sie sich umzudrehen und sich mit tänzelnden Schritten von ihm zu entfernen. Er wollte sie daran hindern, ihr nachlaufen, doch er vermochte es nicht- seine Beine schienen aus Blei zu bestehen. Er konnte sich nicht bewegen.
Ich spüre die Last, die auf dir liegt, sie zerdrückt dich. Du solltest dich von ihr befreien, hörte er ihre zarte Stimme aus dem Nichts hallen und irgendetwas gab ihm das Gefühl, dass sie Recht hatte.

John schnappte nach Luft, schlug die Augen auf und starrte gen Decke- nichts war geblieben von dem hell erleuchteten Flur, stattdessen war da wieder dieses erdrückende Grau des Stuhlraumes.
„ John… ist alles in Ordnung mit Ihnen?“ Es kostete Zeit, bis er registrierte, dass er und Rodney nicht mehr allein waren- Elizabeth war da, stand neben ihm, hatte ihm eine Hand auf die Schulter gelegt.
Versucht seine Gedanken zu ordnen sah John die Expeditionsleiterin an; sie schien zu merken, dass etwas anders war und kräuselte die Stirn.
„ Was hat… was hat es gesagt?“, fragte sie mit gesenkter Stimme. Rodney kam zu ihnen beiden herüber und lugte über ihre Schulter.
„ Sie…“- John biss sich auf die Zunge- „… es hat gesagt… es... tut mir Leid. Ich konnte keine Verbindung aufstellen.“ Das war eine verdammte Lüge, doch er wusste einfach nicht, was er ihnen sagen sollte. Er schüttelte mit dem Kopf und sah Elizabeth und Rodney betroffen an. „ Es tut mir wirklich leid.“
„ Es muss Ihnen nicht leid tun, John“, sagte Elizabeth und lächelte, tätschelte ihm die Schulter. „ Sie haben es wenigstens versucht.“
John nickte. „ Ja, das habe ich. Wenn Sie nun erlauben…“ Er stemmte sich von dem Stuhl ab, stellte sich auf die Beine.
„ Natürlich.“ Elizabeth nickte. „ Wir werden es später noch einmal versuchen, aber Sie sollten sich vielleicht ausruhen. Die letzten Stunden waren sehr anstrengend.“

John ging nicht mehr darauf ein, verabschiedete sich von seiner Vorgesetzten und von Rodney nur mit einem kurzen Nicken.
Kaum, dass er den Stuhlraum verlassen und sich vergewissert hatte, dass sich die Türen hinter ihm geschlossen hatten und dass er außer Sichtweite seiner beiden Freunde war, zog er das Tempo an.
Bilder der Begegnung mit der Artemis zogen an seinen Augen vorbei und er musste schlucken; diese braunen Augen hatten sich in seinem Gedächtnis eingebrannt und ihre Worte wollten ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen.
Deine Gedanken sind nicht klar. Du solltest mit ihr reden. Teyla’s enttäuschtes Gesicht flackerte auf, verschwand binnen Sekunden aber wieder.
John seufzte tief. Ihm war jetzt bewusst, dass er sie gekränkt haben musste und ihm war ebenso bewusst, dass er sich bei ihr entschuldigen musste.

+++++++++++++


Zusammengesunken saß Teyla auf der Kante ihres Bettes und versuchte den an ihrem Fenster vorbeifliegenden Sternen mit ihren braunen Augen zu folgen. Die glänzenden Himmelskörper schienen sich langsam zu nähern, schossen dann innerhalb eines Augenblickes an ihr vorbei und das Letzte, was sie zu sehen bekam, war der helle Schweif, den sie hinter sich her zogen. Sie zogen weiter.

Resigniert seufzte Teyla auf und ließ sich gegen das Kissen sinken. Sie wusste nicht, was mehr schmerzte: das Gefühl auf diesem Schiff gefangen zu sein oder der Schmerz ihres herausgerissenen Herzens. Oder war beides gleich schlimm?
Mit einem weiteren Seufzen rollte sie sich zusammen, wie eine schlafende Katze, und versuchte den brennenden Schmerz in ihrem Brustkorb zu ignorieren und die heißen Tränen, die ihre Wange hinabströmten. Ihr Kopf dröhnte- nicht, weil sie zuletzt vor vierundzwanzig Stunden geschlafen hatte, sondern vielmehr weil sie diese Bilder nicht mehr aus ihrem Kopf bekam. Diese Bilder…

Sie musste zugeben, dass der Kuss sie überrascht hatte, und ihr war klar gewesen, dass er es als einen Fehler abstempeln und vorschlagen würde, dass sie es einfach vergessen sollten. So, wie sie es auch beim letzten Mal getan hatten…
Doch dieses Mal war es irgendwie anders gewesen. Sie konnte nicht genau sagen, warum… es war einfach so gewesen. Zum ersten Mal seit Monaten hatte sie sich ihm wieder richtig nahe gefühlt und er wollte, dass sie es vergaß! Doch das konnte sie nicht, so sehr sie es auch versucht hatte! Seine Berührungen und der Geschmack seiner Lippen… es war unvergleichlich gewesen… unmöglich, dass sie es so einfach vergessen konnte!
Und dann das… Eigentlich kannte sie ihn ja gut genug und sie hätte wissen müssen, wie das ganze ausging.
Auf einmal verspürte sie eine scheinbar unbändige Wut auf dieses… dieses Flittchen und auf ihn, aber auch auf sich selbst. Warum hatte er es überhaupt so weit kommen lassen? Und warum hatte sie selbst seiner naiven Idee- das was zwischen ihnen passiert war einfach so zu vergessen- überhaupt zugestimmt? Darauf wusste sie keine Antwort…

Teyla seufzte tief und schlug sich die Hand vor Augen, als ob sie da durch verhindern konnte der Wahrheit ins Gesicht zu sehen: Der Kuss zwischen ihr und John hatte etwas verändert. Sie konnte nicht genau sagen was, doch irgendwas war anders als zuvor…

Ein leises, aber dennoch penetrantes Summen von der Tür riss sie aus ihren Gedanken. Langsam erhob sie sich und schlurfte in Richtung Tür- sie hatte es nicht eilig. Warum auch?
Teyla seufzte leise, als sie vor der noch verschlossenen Türe stand und strich sich eine rostbraune Strähne aus dem Gesicht. Sie war eigentlich nicht in der Stimmung jemanden zu empfangen.
Ein zweites, schon etwas eindringlicher klingendes Summen brachte sie schließlich dazu mit der rechten Hand über das Wandpanel zu fahren, das den Öffnungsmechanismus der stählernen Tür betätigte. Die beiden Türhälften glitten etwas verzögert und ziemlich geräuschvoll auseinander und gaben den Blick auf den Besucher frei.
Sie musste unwillkürlich schlucken.
„ John…“, brachte sie mühsam hervor, versuchte freundlich zu klingen, scheiterte jedoch auf ganzer Linie. Sie konnte nicht freundlich sein, nach dem was passiert war und wie sie ihn vorhin abgewiesen hatte. Es überraschte sie, dass er sich hierher verirrt hatte.
„ Können wir reden?“, fragte er mit gesenkter Stimme und blickte nervös über seine Schulter, als ob er Angst hatte, dass jemand sie beobachtete. Doch dann sah er sie wieder an. „ Bitte.“

Etwas tief in ihrem Inneren schlug Alarm, versuchte sie davor zu warnen, dass dies ein schrecklicher Fehler war. Doch ein anderer Teil stieß einen erleichterten Seufzer aus.
Sie nickte schwach und trat einen Schritt beiseite, sodass er eintreten konnte. Mit zwei großen Schritten stand er inmitten des Quartiers, welches sie sich erwählt hatte, und drehte sich dann zu ihr um.
Obwohl sie wusste, dass er darauf brannte mit ihr zu reden, ließ sie sich Zeit; sie wartete, bis sich die Türe wieder geschlossen hatte und starrte die beiden, sich berührenden Türhälften mehrere Sekunden lang an, ehe sie sich ganz langsam zu ihm umwandte.

John stand inmitten des Raumes, hatte die Hände in die Hüften gestemmt, die Lippen fest aufeinander gepresst und eine schuldbewusste Miene aufgesetzt. Es war so, als konnte man seinen innerlichen Konflikt sehen- seine Gesichtsmuskeln zuckten unaufhörlich.
Eine unangenehme Stille entstand, die ihnen beiden peinlich zu sein schien. Sie wartete auf sein für ihn charakteristisches Lächeln, doch es kam nicht; er stand einfach da, seine Gesichtsmuskeln zuckten zwar, aber ein Lächeln suchte man vergebens. Er war vollkommen ernst.
„ Was ich getan habe…“, sagte John schließlich langsam, betonte jedes einzelne Wort übermäßig, „… war falsch. Ich hätte daran denken müssen, dass Sie…“
Teyla wusste, worauf er hinaus wollte und sie wollte es nicht hören. Die Bilder, die in ihrem Kopf herumspukten reichten aus- ein stechender Schmerz für durch ihren Brustkorb, Tränen sammelten sich in ihren Augen und am liebsten hätte sie nach Luft geschnappt. Doch sie tat es nicht. Stattdessen lauschte sie ihm…
„ Es war falsch, dass ich nicht auf Ih… deine Gefühle geachtet habe“, redete er weiter. Seine Stimme klang nun nicht mehr ganz so ernst, sondern weicher, einfühlsamer. Teyla schluckte, als das deine über seine Lippen kam und seine haselnussfarbenen Augen sie dabei ansahen.
John machte einen zögerlichen Schritt auf sie zu; seine Miene verriet, dass er mit sich selbst haderte.
Sie merkte, wie ihr Herz wild zu klopfen begann und wie die Tränen über ihre Wangen liefen. Sie erwartete, dass er zurückschreckte. Sie wollte, dass er ging, doch das tat er nicht- stattdessen machte er noch einen kleinen Schritt auf sie zu, der aber ausreichte… er stand dicht vor ihr, blickte auf sie herab und… War das ein schuldbewusstes Seufzen gewesen?
Teyla wollte seinem Blick ausweichen, doch sie konnte es nicht. Obwohl es sich anfühlte, als würde der Schmerz und die Enttäuschung ihren Brustkorb zerreißen… Sie konnte es einfach nicht! Die Tränen ließen ihre Sicht zwar verschwimmen, doch sie konnte sein Gesicht immer noch wahrnehmen- er hatte eine schuldbewusste Miene aufgesetzt und da war kein Lächeln…
„ Es tut mir wirklich leid, Teyla“, sagte John. „ Es war falsch von mir und töricht. Es tut mir leid. Bitte verzeih mir.“

Das konnte ihm so passen, moserte ihre innere Stimme erbost. Denkt sich, er kann hier herkommen, sich entschuldigen und alles sei wieder gut.
Teyla ignorierte sie. Sie wusste nicht, wie sie auf seine Entschuldigung reagieren sollte- ein Teil von ihr war immer noch wütend auf ihn und hätte ihn am liebsten hinausgeschmissen. Der andere Teil war bei seinen Worten dahin geschmolzen; sie hatte ihn noch nie so reden gehört.

John legte seinen Kopf schief und zog die Augenbrauen zusammen. „ Bitte. Es tut mir leid.“
Sie schüttelte mit dem Kopf. „ Ich kann nicht… versuch wenigstens es zu verstehen.“ Endlich schaffte sie es den Blick von ihm abzuwenden, sein Gesichtsausdruck trieb ihr nur unnötig die Tränen in die Augen. Sie drohte die Kontrolle über sich zu verlieren und das erschrak sie! So schlimm war es noch nie gewesen!
„ Ich wünschte, ich könnte es wieder gutmachen“, sagte John leise und sah dabei aus, als würde er nicht mit ihr reden, sondern seinen Gedanken nachhängen und ihn laut aussprechen.
Sie presste die Lippen fest aufeinander. „ Es bedeutet mir viel, dass S… du dich entschuldigt hast, aber ich weiß nicht, ob…"

Teyla hielt erschrocken die Luft an und hielt in ihrer Bewegung inne, als sich Johns Lippen auf die ihren legten. Sie wusste, dass er so seine Methoden hatte, aber das hatte sie jetzt nicht erwartet!
Ihr Herz überschlug sich fast und in ihrem Bauch begann es wild zu flattern. Sie schloss ihre Augen und gab sich ihm hin. Warum sie das tat, wusste sie nicht, aber sie empfand es für richtig…

Es dauerte nicht allzu lange, bis sie beide sich aus dem scheuen Kuss lösten und nach Luft japsend ihre Stirn gegen die des anderen lehnten. Sie beide hielten ihre Augen geschlossen, als ob sie der Wahrheit nichts ins Antlitz sehen wollten.
„ Ich wünschte ich könnte es wieder gutmachen“, hörte Teyla ihn atemlos murmeln, doch sie wagte es nicht, ihre Augen zu öffnen und ihm ins Gesicht zu sehen. „ Es tut mir so leid.“
Die Athosianerin erschrak, als etwas Warmes erst die Konturen ihres Gesichts nachzeichnete und dann über ihre Lippen glitt- Johns Finger zitterte ebenso, wie es ihre Lippen taten.
„ I…ich…“, stammelte sie und schlug ihre Augen auf, sah ihn an; Johns Augenlider flatterten, seine haselnussfarbenen Augen starrten sie an, sein Finger ruhte auf ihren Lippen. Sie musste sich zusammenreißen und holte zweimal tief Luft, ehe sie sich in der Lage fühlte weiterzureden. Leicht mit dem Kopf schüttelnd sah sie ihn an. „ U…und du denkst, damit ist alles…“
„ Nein, das ist es nicht“, antwortete er und setzte in ihr Kopfschütteln ein. Ein schwaches, träges Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Er streckte seine Hand nach ihr aus und umfasste ihr Gesicht vorsichtig, als hatte er Angst es zu zerbrechen.
Teyla spürte ihn über ihr Gesicht streichen, spürte wie sein Blick jeden Augenblick einzufangen versuchte.
Johns Meine wurde weicher und seine Gesichtszüge glätten sich ein kleines bisschen. „ Aber lass es mich versuchen. Bitte. Ich möchte es versuchen.“

Ihre innere Stimme und ihre Vernunft zeterten. Ihre Sinne erbebten und in ihr keimte das Gefühl auf, einen schrecklichen Fehler zu begehen, als sie die kratzige Bettdecke unter ihrem Rücken spürte und erschauderte. John hielt sie mit einem Arm gegen die Matratze gedrückt; den anderen hatte er um ihre Hüften geschlungen, schmiegte sich eng an sie. Seine Lippen wanderten über ihr Gesicht, über ihren Nacken, über ihren Hals und nachdem er mit zitterten Fingern die Knöpfe ihres Tops geöffnet hatte auch über ihr Dekolletee und über ihren Oberkörper, bedeckten ihre Haut mit zarten, fast kaum spürbaren Küssen, die eher einem Kitzeln gleich kamen.
Teyla konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. Ihre Hände wanderten von seinen Schultern über seinen Oberkörper und schoben sich unter sein Shirt, ruhten schließlich auf seinem Brustkorb; sie spürte seinen schnellen Herzschlag unter ihrer Handfläche.
Er schob ihre Haare beiseite und begann an ihrem Ohrläppchen zu knabbern, hob ihren Kopf dabei vorsichtig mit einer Hand hoch. Sie stützte sich auf ihre Ellenbogen und ließ ihn gewähren.
„ E...es tut mir leid“, wisperte er ihr nach Luft ringend ins Ohr. Seine Lippen fanden an ihrem Ohr keinen Halt, wanderten darum wieder über ihren Hals, dann über ihr Gesicht und bedeckten ihren Mund erneut mit einem Kuss. Dieser war anders, als der beim ersten Mal- nicht zögerlich oder vorsichtig, sondern rein leidenschaftlich und feurig. Der Kuss kribbelte auf ihren Lippen und sein Atem brannte in ihrem Mund wie Feuer.
Teyla stöhnte leise auf- zum einem, weil es ihr gefiel, was sie beide taten und wie er mit ihr umging und zum anderen, weil sie genau wusste, dass es falsch war. Sie durften das nicht!

„ Verzeih mir.“ Mit der einen Hand streifte John das Top von ihren Schultern und zog sich sein Shirt über den Kopf, beugte sich über sie und tastete mit der anderen Hand nach dem Lichtschalter.
Beende es, bevor es zu spät ist, riet ihr ihre innere Stimme plötzlich und machte ihr mit einem stechenden Gefühl in ihrem Brustkorb klar, dass das, was sie und John da taten, in jederlei Hinsicht falsch war.
Es war schwer sich von seinen warmen Lippen zu lösen und ihn mit ihrer Hand auf Distanz zu halten. Widerstrebend tat sie es aber…
„ Was ist?“, fragte er und sah sie irritiert an; Verwirrung flackerte in seinen haselnussfarbenen Augen auf.
Teyla kniff die Lippen fest aufeinander und schloss ihre Augen; sie war außer Atem und es dauerte, bis sie wieder einigermaßen klar denken konnte. Sie seufzte schwer. „ Bitte geh.“
„ Was? Warum?“ John klang überrascht.
„ Wir sollten das nicht tun und das weißt du ebenso gut wie ich“, antwortete sie ihm und rutschte etwas von ihm weg. „ E…es wäre ein Fehler und außerdem…“ Sie verstummte und wandte ihren Blick ab.
„ Teyla?“
Sie schüttelte mit dem Kopf. „ Verschwinde, John. Bitte. Ich will nichts tun, was ich später bereue. Mach es nicht unnötig schwer.“

Sie glaubte Enttäuschung in seinen Augen zu erkennen. John verzog den Mund und seufzte tief.
„ Es tut mir leid“, sagte er, doch diesmal meinte er nicht das, weshalb er eigentlich zu ihr gekommen war. Er erhob sich, sammelte sein Shirt und sein Uniformshemd ein, die er auf dem Weg in Richtung Bett verloren hatte, und zog sie sich wieder über. Schnell schnappte er sich noch seine Armbanduhr, legte sie locker um sein Handgelenk.
Teyla beobachtete ihn dabei, folgte jeder seiner Bewegungen, sagte nichts,
als er sich zu ihr hinunterbeugte und ihr einen Kuss über die Stirn hauchte und auch nicht, als er sie wortlos allein zurückließ und verschwand.

Kaum hatte sich die Türe hinter ihm geschlossen, schluchzte sie und warf sich gegen ihr Kissen. Ihr wurde bewusst, dass sie beide noch weiter gegangen wären, hätte sie es nicht beendet. Und ihr wurde auch bewusst, wie schwer es ihr gefallen war und das es eigentlich genau das war, was sie sich gewünscht hatte.

TBC
Gerüchte by Ailya
Sue Thompson seufzte auf- so wie schon unzählige Male zuvor. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Nicht nur, dass die Berechnungen, dir ihr Computer ausspuckte, völliger Quatsch waren- nein, einfach alles! Es war zum Verrücktwerden.
Erbost ließ sie von ihrem Computer ab und ließ sich in den Stuhl plumpsen, der mehr oder weniger bequem war. Aber das war ihr egal; sie hatte es ganze dreieinhalb Stunden ausgehalten, da würden sie ein paar Minuten schon nicht umbringen.
Dreieinhalb Stunden. Ihr Magen grummelte leise und forderte somit sein ihm von Gott gegebenes Recht auf Nahrung ein, doch im Moment gab es Wichtigeres. Die Ergebnisse die präsentabel auf dem Monitor ihres PC aufblinkten waren einfach nur Murks und zu nichts zu gebrauchen. Und dafür hatte sie kostbare dreieinhalb Stunden verschwendet!

Sue seufzte wieder und schob den Computer mit gespreizten Fingern von sich, als sei es ein vollbeladener Teller mit giftgrünem Spinat. Bah, widerlich!
Einem dritten Seufzen ergeben, fuhr sie mit den Fingern durch ihre blonden Haare, strich sie sich aus dem Gesicht hinters Ohr.
Langsam lehnte sie sich in dem Stuhl zurück, was dieser mit einem leisen Knacksen quittierte. Ihre grünblauen Augen waren müde von dem flimmernden Computermonitor und ihr war leicht schwindelig wegen der im Raum stehenden, staubigen Luft. Und außerdem knurrte ihr Magen. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie zum letzten Mal etwas Richtiges gegessen, geschweige denn getrunken hatte. War es heute morgen gewesen, als sie sich mit Clara McGee in der lantianischen Kantine getroffen hatte oder war es gar bereits gestern gewesen, als ihr netter französischer Kollege Pierre sie zum Abendessen eingeladen hatte? Zählte der Powerbar, denn sie vorhin hinunter geschlungen hatte, auch?

Der Stuhl knarckste ein weiteres Mal, als sie sich mit den Beinen vom Tisch wegstieß und sich samt Stuhl einmal um ihre eigene Achse drehte. Sie stützte ihre Ellenbogen auf die Tischplatte und legte ihr Gesicht in ihre Hände, betrachtete die ihr gegenüber liegende dunkle Wand.
Es war still, sie war allein. Ihre Kollegin Amanda war von Dr. Beckett fortgeschickt worden, nachdem sie sich über Kopfschmerzen beklagt hatte. Auch Sue hatte Kopfschmerzen und sie wollte gar nicht wissen, wie sie aussah. Sie fühlte sich schlapp und erschöpft, schmierig, unsauber und unwohl. Sie hatte das Labor seit geschlagenen sechse Stunden nicht verlassen. So langsam sehnte sie sich nach einem Bett oder wenigstens einem einigermaßen gemütlichen Stuhl. Außerdem wäre es nicht schlecht, sich mal wieder unter eine Dusche stellen zu können- heiß oder kalt, dass war ihr vollkommen egal; sie fühlte sich unsauber.

Ihr Vorgesetzter hatte vorhin einmal kurz vorbei geschaut. Sie mochte ihn nicht; er war ein arroganter, selbstverliebter, egozentrischer und neurotischer kleiner kanadischer Wicht, der es liebte andere herunterzumachen und sich nicht scheute anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben, so lange er nur heil davon kam. Er war verabscheuungswert und sie hatte seinetwegen nicht nur einmal eine Versetzung beantragt.
„ Sie sollten sich ein Quartier für die Nacht suchen“, hatte er gemeint, mit diesem falschen Lächeln. „ Bevor die besten weg sind.“ Sue war sich sicher, dass er sich schon eines gesichert hatte. Elender Schleimbeutel! Widerwärtiger…
„ Sie sollten etwas leiser über andere Leute herziehen. Man kann Sie bis um die Ecke herum hören, meine Liebe." Carson Becketts Stimme ereilte sie und ließ sie aufblicken- der schottische Arzt lehnte im Türrahmen und hatte die Arme vor dem Brustkorb verschränkt. Sein schelmisches Lächeln verriet, dass sie das letzte wohl laut gedacht haben musste.
Sue errötete und lächelte verlegen. „ Ich nehme an, dass ich nicht gerade freundlich geklungen habe.“
Carson grinste. „ Sie haben geschimpft ein Rohrspatz.“ Er stieß sich mit den Ellenbogen von dem Türrahmen weg und kam langsam zu ihr herüber geschlendert. „ Hat er es denn wenigstens verdient?“
„ Darauf können Sie sich selbst eine Antwort geben, Doc“, lächelte Sue, seufzte dann tief und rieb sich ihre müden Augen.
„ Sie sollten Schluss machen und sich ein bisschen ausruhen“, sagte Carson und runzelte die Stirn. „ Das würde Ihnen sicherlich gut tun.“
„ Ihre Sorge ist unbegründet, Doc, mir geht’s gut.“ Sue deutete auf ihren Computer. „ Außerdem möchte ich das noch fertig bekommen.“
„ Wir alle haben etwas Schlaf verdient, Sie inbegriffen.“
Sue stöhnte. „ Carson...“
„ Ich meine es ernst, meine Liebe.“
„ Ich auch“, erwiderte sie ihm und beugte sich demonstrativ über ihren PC, obwohl das Flimmern sie verrückt zu machen drohte. „ Es ist wichtig für mich.“
„ Wichtig für Sie oder für Dr. McKay?“, fragte ihr Gegenüber.
„ Darum geht es nicht“, murmelte Sue und schnitt eine Grimasse.
Carson lachte einmal kehlig, aber laut auf. „ Oh, doch. Und wie es darum geht. Ich dachte sie mögen ihn nicht besonders?“
„ Da mögen Sie vielleicht recht haben“, antwortete Sue. „ Er ist ein Ekel, aber das ist noch lange kein Grund, weshalb ich meine Arbeit nicht richtig erledigen sollte.“
Carson zuckte mit den Schultern. „ Wenn Sie meinen…“

Sue seufzte resigniert auf. Einerseits freute sie sich über etwas Gesellschaft, denn seit Amanda weg war, war es ruhig geworden. Anderseits fand sie die Art des Mediziners schon ein bisschen lästig.
Sie verschränkte ihre Arme, legte sie auf die Tischplatte, stützte ihren Oberkörper darauf und musterte den Arzt. „ Müssten Sie nicht eigentlich auf der Krankenstation sein?“
„ Hausbesuch“, meinte er einfach nur und wackelte verschwörerisch mit den Augenbrauen.
„ Was Sie nicht sagen.“ Sue konnte nicht anders und lächelte. Irgendwie schaffte es Carson immer, sie zum Lachen oder wenigstens zum Schmunzeln zu bringen.
Carson stimmte in ihr Lächeln an und drehte sich dann langsam um. „ Wenn Sie mir versprechen, dass Sie bald Schluss machen und sich dann ein wenig ausruhen, dann werde ich jetzt gehen.“
„ Großes Indianerehrenwort.“ Sue kreuzte theatralisch ihre Finger.
Carson setzte dieses Ich-glaube-Ihnen-kein-Wort-Gesicht auf, sagte aber nichts, lächelte, tippte mit dem Zeigefinger auf die Anzeige seiner Uhr und verabschiedete sich mit einem Lächeln.

Sue sah ihm nach, bis er verschwunden war und verdrehte dann lächelnd die Augen.

+++++++++++


„ Erhöhen Sie auf fünfzig oder wir vergessen das Ganze gleich wieder!“
Lt. Matt Scott verdrehte die Augen und fischte seufzend einen fünfzig Dollar Schein aus seiner Hosentasche. Was tat man nicht alles, für ein bisschen mehr Reichtum…
„ Aber nur, weil Sie es sind“, zischelte er zwischen zusammengekniffenen Lippen hervor und drückte Lt. Greg Everett den Geldschein in die Hand. Der Marine begann zu grinsen und tiefe Lachfalten bildeten sich in seinem sonnengebräunten Gesicht. Seine grauen Augen blitzten auf und ein spitzbübisches Grinsen huschte über seine Lippen.
„ Lieutenant, es hat mich gefreut mit Ihnen Geschäfte zu machen“, sagte er und sein Grinsen wurde noch breiter.
Lt. Scott schnaubte abfällig. „ Geschäfte? Ich sag Ihnen, was das ist… das ist Abzocke und sollte bestraft werden!“
Everett zuckte mit den Achseln und zog einen ganzen Batzen Geld aus seiner Westentasche, begann es zu zählen. „ Wenn Sie so ein schlechter Verlierer sind, dann hätten Sie gar nicht erst einsteigen sollen. Tja, ihr Pech, mein Glück.“

Scott gab sich einem weiteren Seufzen hin, stutzte dann aber und kniff die Augen zu engen Schlitzen zusammen. Misstrauisch fixierte er seinen texanischen Kameraden. „ Wer sagt mir, dass es wahr ist, was Sie behaupten?“
Lt. Everett zog eine Schnute. „ Sie werfen mir Betrug vor? Also, jetzt bin ich wirklich enttäuscht.“
„ Immerhin haben Sie mir letztens meinen Schokopudding gemopst“, erinnerte Scott ihn.
„ Nah“, machte Everett. „ Fragen Sie Dr. McLaine. Sie hat’s auch gesehen. Uns Sie werfen mir…“
„ Jaja, schon gut. Ich glaube Ihnen ja.“ Matt Scott runzelte die Stirn, während er betrachtete wie sein Fünfzigdollarschein in Everetts Hosentasche verschwand; zusammen mit den anderen- es mussten an die 250 Dollar sei, die der Lieutenant jetzt sein Eigentum nennen durfte. Es war einfach unerhört, so etwas.

Scott kaute lustlos auf seinem Kaugummi herum; es schmeckt schon lange nicht mehr und begann sich nun langsam in seinem Mund aufzulösen. Doch irgendwie hatte er keine Lust es auszuspucken. War immer noch besser, als daran zu denken, dass er gerade mal eben fünfzig Dollar verloren hatte. Das war echt eine Schande!
Er verfluchte den Tag, an dem er in diese dämliche Wette eingestiegen war. Leichtverdientes Geld, hatte er sich damals gedacht und Lt. Everett schon immer gestichelt, doch heute war es der Texaner der triumphal lächelte und spitze Kommentare von sich gab.
Scott verzog wütend die Mundwinkel. Bis vor ein paar Minuten hatte er Everett nicht geglaubt, als dieser ihm erzählte, dass er ihren Vorgesetzten dabei beobachtet hatte, wie er aus einem Quartier- das wohlgemerkt nicht das seine war- kam, dabei seine Uniform zuknöpfte und es sichtlich eilig hatte.
Es war nicht, dass er es dem Colonel nicht zutraute, aber ausgerechnet in so einer verzwickten Situation? Naja, er hatte so einige Geschichten über ihn gehört und ein Kind von Traurigkeit schien er nicht gerade zu sein.

„ Hey, träumen Sie etwa?“ Lt. Everetts Stimme riss ihn aus seinen Gedanken zurück in den spärlich beleuchteten Korridor, den die beiden schon seit gefühlten zehn Stunden auf und ab liefen. Col. Sheppard hatte sie angewiesen niemanden in das „Gaterium“ zu lassen, es sei denn dieser jemand hörte auf den Namen Dr. McKay, Dr. Weir, Dr. Jackson oder er war es selbst. Keine besonders anspruchsvolle Aufgabe, denn außer ein paar Wissenschaftlern hatte sich noch niemand hierher verirrt.
„ Ach, hören Sie auf“, knurrte Matt Scott und boxte seinem Kameraden in die Seite.
„ Hab’ ich Sie bei irgendetwas gestört, Lieutenant?“, fragte Everett und ein amüsiertes Grinsen stahl sich über sein Gesicht.
„ Sie sind albern, Mann. Wir sollten uns lieber auf unseren Befehl konzentrieren.“ Scott verschränkte die Arme vor der Brust; seine P90 baumelte locker an dem Befestigunsriemen vor sich hin. Er glaubte nicht, dass er sie gebrauchen müsste…
„ Während sich andere amüsieren?“ Wieder wackelte Greg Everett mit seinen Augenbrauen und wieder blitzten seine grauen Augen verschmitzt.
Scott stöhnte auf und holte aus, um ihn erneut in die Seite zu boxen, doch sein Gegenüber war diesmal vorbereitet und duckte sich lachend weg.

„ Wie ich sehe, haben Sie endlich an Ihrer Reaktion gefeilt, Lieutenant.“ Eine raue Stimme ließ sie beiden zusammenzucken und das selbstgefällige Grinsen in Everetts Gesicht verebbte binnen Sekunden. „ Sir, wir haben niemanden erwartet.“
„ Das nehme ich an.“ Ein verhaltenes Lächeln umspielte Col. Sheppards Mundwinkel, ehe er mit einer schnellen Handbewegung bedeutete: „ Stehen Sie bequem.“ Er duckte sich unter einem dicken, freihängenden Kabel hindurch und bewegte sich langsam auf sie zu. Als er sie erreicht hatte und sich vor ihnen aufbaute, musste Matt Scott unwillkürlich schlucken und an die 250 Dollar in Everetts Hosentasche denken. Ein unangenehmes Gluckern breitete sich in seiner Kehle aus und er wusste, dass er sich jetzt zusammenreißen musste.
Greg Everett schien es ebenfalls so zu gehen; er hatte die Lippen fest zusammengekniffen und er schien froh darüber zu sein, dass der Colonel sein knallrot angelaufenes Gesicht in diesem Licht nicht bemerkte.
Sheppard stemmte seine Hände in die Hüften und musterte sie beiden. Der Blick, der von seinen haselnussfarbenen Augen ausging, war ebenso unangenehm wie das Gluckern in Lt. Scotts Hals, das er angestrengt zu ignorieren versuchte.
„ Und… hier alles in Ordnung?“, fragte ihr Vorgesetzte schließlich nach scheinbar nicht enden wollenden Augenblicken.
„ Ja, Sir“, antwortete Everett schnell.
„ Hier ist alles in bester Ordnung, Sir“, fügte Scott hinzu, panisch darauf bedacht, dass das Gluckern nicht als Lachen über seine Lippen brach. Sheppard schien den seltsamen in Unterton in seiner Stimme bemerkt zu haben, runzelte skeptisch die Stirn, sagte aber nichts. Er nickte nur kurz.

Greg Everett begann von einem Bein auf das nächste zu hopsen und unmerklich das Gesicht zu verziehen, als ob ihm etwas wehtat. Vielleicht war es das Geld, was in seiner Hosentasche brannte.
Col. Sheppard schien das nicht zu bemerken und wenn doch, dann ließ er sich nichts anmerken. Er nickte ihnen noch einmal zu und verabschiedete sich mit einem „ Weitermachen, Jungs“.

„ Boah, das war knapp“, keuchte Everett, als der Colonel außer Sicht- und Hörweite war. Theatralisch wischte er sich über die Stirn.
Matt Scott verdrehte die Augen, musste dann aber grinsen. „ Sie sind echt unmöglich.“
Everett schloss sich seinem Grinsen an. „ Das müssen Sie gerade sagen, mein lieber Soldatenfreund.“

++++++++


„ Und wenn es Ihnen doch sage.“ Tamara McLaine’s Wangen waren puterot angelaufen und ihre kristallklare Stimme überschlug sich fast. „ Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Denken Sie ich würde Sie belügen?“
„ Das würde ich nie auch nur in Erwägung ziehen, aber…“ Dr. Jennifer Keller schüttelte mit dem Kopf. Sie hatte sich die Geschichte nun schon zweimal angehört, aber glauben konnte sie sie immer noch nicht wirklich. „ Ich finde, es klingt nicht wirklich… ähem…“
„… überzeugend?“, beendete ihre Kollegin ihren Satz und schüttelte dann mit dem Kopf. „ Glauben Sie mir… das, was ich gesehen habe, war mehr als überzeugend. Fragen Sie doch Lt. Everett- er wird Ihnen dasselbe erzählen.“
Jennifer legte ihre ineinander verschränkten Hände auf die Tischplatte und kräuselte skeptisch die Lippen. „ Und Sie sind sich wirklich sicher… der Colonel? Wirklich?“
Tamara seufzte und verdrehte die Augen in Richtung Decke. „ Nein, es sei denn, Sie kennen noch einen anderen Colonel mit schwarzen Haaren und grünen Augen.“
„ Haselnussfarben“, verbesserte Jennifer die energische Brünette leise.
„ Was?“, fragte diese.
„ Sie sind haselnussfarben“, erwiderte sie. „ Seine Augen meine ich.“
Tamara McLaine kniff ihre braunen Augen zusammen und fing leise an zu kichern. „ Aha, aha, aha. Was hör ich denn da? Gibt es da etwas, was ich vielleicht wissen sollte?“
Jennifer seufzte. „ Wenn es etwas gäbe, dann würde Sie das sowieso nichts angehen, meine Liebe. Und nein… er war vor einem Monat auf der Krankenstation, nachdem er und sein Team von ihrer Mission nach M5H8834 zurückgekehrt sind. Er hat ziemlich übel am Kopf geblutet und…“
Das würde ich jetzt auch behaupten.“
„ Tamara…“, stöhnte Jennifer und schnitt ihrer Kollegin eine Grimasse. Sie konnte es einfach nicht ausstehen, wenn Leute falsche Schlüsse zogen. Obwohl schon ihre Mutter damals immer zu ihr gesagt hatte, dass sie manchmal selber Schuld daran war, dass sich die Leute etwas anderes vorstellten; sie redete manchmal wirklich wirres Zeug.
„ Tja…“- Ihre Kollegin strich sich die braunen Locken aus dem Gesicht und verzog ihre vollen Lippen zu einem Grinsen-„… was auch immer Scheint so, als hätte sich der Colonel…“
„ Tamara!“, rief Jennifer schrill. „ Können wir bitte über etwas anderes reden? Dieses Getratsche über anderer Leute Privatleben macht mich wahnsinnig!“
Ihre Gesprächspartnerin zog die Stirn kraus. „ Sie sind nur sauer, weil Everett das ganze Geld abgeräumt hat.“
„ Ich wette nicht. Habe ich noch nie getan.“
„ Ich könnte Ihnen einen kleinen Einführungskurs anbieten.“
„ Nein, danke. Ich verzichte.“

Mit diesen Worten, erhob sich Jennifer Keller, schaltete mit ein paar geschickten Handgriffen ihren PC aus und klemmte sich ihn dann unter den Arm. „ Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, aber ich bin erschöpft und mein Bett ruft nach mir.“
„ Träumen Sie süß“, rief Tamara McLaine ihr hinterher und ihr schelmisches, helles Lachen war nicht zu überhören.
Jennifer verdrehte zwar schwach, musste aber grinsen, als sie aus der Krankenstation auf den Korridor hinaustrat.

TBC
Spieglein, Spieglein by Ailya
„ Ich brauche Paracetamol oder Aspirin oder am besten beides. Und zwar schnell.“
Carson Beckett blickte auf und verdrehte die Augen. Gerade erst war er von seiner Streife durch die Korridore zurückgekehrt, hatte sich vergewissert, dass Sue Thompson- die attraktive Wissenschaftlerin- auch wirklich gegangen war, um sich auszuruhen und dann das…
„ Ich freue mich auch Sie zu sehen, Rodney.“ In seiner Stimme schwang Sarkasmus mit, doch diesen quittierte der kanadische Physiker nur mit einer kühlen Grimasse; er sah erschöpft aus und Carson vermutete, dass Rodney den Maschinenraum, beziehungsweise das Labor seit Stunden nicht verlassen hatte- und das sah man ihm an! Sein Blick war müde und erschöpft. Unter seinen blauen Augen waren tiefe Schatten. Seine Gesichtszüge waren angespannt, hart, schienen wie versteinert.
„ Sparen Sie sich Ihren Sarkasmus, Carson“, grummelte Rodney, verzog schwach den Mund. „ Ich habe rasende Kopfschmerzen und die machen mich wahnsinnig!“
„ Sie sollten das Labor auch ab und zu mal verlassen“, meinte Carson, erhob sich von seinem Stuhl und ging zu seinem kleinen Erste Hilfe-Köfferchen, um darin nach einer Schmerztablette zu kramen. Rodney war nicht der Erste gewesen, der mit solchen Beschwerden gekommen war; Dr. Amanda Grisham- die Kollegin von Sue Thompson- hatte er schon vor ein paar Stunden in ihr Quartier geschickt. Vor einer Stunde hatten ihn zwei Marines aufgesucht und erst vor einer halben Stunde hatte Col. Mitchell bei ihm vorbeigeschaut. So langsam gingen seine Aspirin-Reserven zur Neige. Er hoffte, dass es nicht schlimmer wurde.

„ Sie haben Glück.“ Geschickt fischte er ein kleines, orange schimmerndes Döschen aus dem Koffer und reichte es Rodney. „ Sie scheinen nicht der Einzige zu sein, dem es elend geht.“
„ Ich bin das Elend in Person“, versuchte Rodney zu scherzen, als er die kleine Pille in seinem Schlund verschwinden ließ.
Carson seufzte und setzte sich wieder, musterte seinen Kameraden, als dieser angewidert das Gesicht verzog. „ Sie sollten wirklich…“
„ Das ist nett gemeint, doch im Moment gibt es Wichtigeres, um das ich mich kümmern muss“, unterbrach Rodney ihn barsch. „ Glauben Sie mir, wenn ich könnte, hätte ich schon längst meine Füße hochgelegt.“ Er seufzte schwer.
„ Sie sind immer noch mit den Energieschwankungen beschäftigt?“, fragte Carson.
„ Ja.“ Rodney lehnte sich gegen die Tischplatte, rieb sich über sein fahles Gesicht und seufzte wieder. „ Die Übersetzungen gestalten sich als schwierig; Elizabeth und Dr. Jackson können nicht immer helfen und wenn ich ehrlich sein soll… sie sehen noch schlechter aus als ich.“
„ Aha.“ Carson reckte sein Kinn ein bisschen, gab Rodney damit zu verstehen, dass er einsah, dass es sich dabei um ein Problem handelte. Keiner von ihnen beiden wollte, dass das Schiff samt Besatzung- wenn man es so nennen durfte- im Nirgendwo strandete.
„ Es ist kompliziert“, meinte Rodney nur; er hatte wieder sein Tablettlaptop in den Händen und tippte auf den flimmernden Bildschirm ein, als gäbe es kein morgen mehr.

Carson seufzte resigniert und beschloss, den Kanadier in Ruhe zu lassen, damit er seine Arbeit weitermachen konnte. Er war sich sicher, dass er eh gleich wieder verschwinden würde.
Nach einem weiteren Seufzen wandte er sich wieder seinem Computer zu, überflog die Zeilen; es waren Krankenakten der Besatzung, die damals auf der Artemis gelebt hatten. Er hatte sie zwar schon dreimal durchgelesen, aber vielleicht hatte er ja etwas übersehen. Sein Antikisch war nicht gerade das Beste und er war sich sicher, dass ihm der ein oder andere Fehler unterlaufen war.

Die Crew der Artemis- so hatte er es aus den Daten erschließen können- bestand zu Hochzeiten des Schiffes aus fast dreihundert Personen- vielleicht erklärte dies, die immense Menge an Wohnquartieren. Sie hatten sich- zu seinem Bedauern- bester Gesundheit erfreut… nur manchmal war eine leichte Erkältung oder ein Fieber aufgeführt.
So, wie er es aus den Daten erkennen konnte, bestand die Crew aus Männern, Frauen und sogar Kindern; es war ungewöhnlich, dass Kinder an Bord von Raumschiffe gelassen wurden und dann auch noch dort lebten. Doch Ausnahmen schien es schon damals gegeben zu haben…
Der Kommandant der Artemis hörte auf den Namen Eolion und war vor seiner Zeit als Kommandant Mitglied des lantianischen Rates gewesen, hatte eine Frau und zwei Söhne gehabt- der Name seiner Frau war Helia, die seiner Söhne Persus und Catan.
Carson fand es interessant, mehr über die Geschichte der Crew zu erfahren und vor allem über ihre zwischenmenschlichen Beziehungen; so wie es aussah, waren die meisten von ihnen verheiratet und hatten Kinder. Vermählungen und Geburten waren aufgezeichnet worden. Todesfälle waren dokumentiert. Die Artemis schien ein intaktes soziales System gewesen zu sein, bis… An diesem Punkt stutzte Carson. Urplötzlich gab es keine Aufzeichnungen mehr- sie hörten einfach auf. Merkwürdig…

„ Hhm“, machte Rodney und riss ihn aus seinen Gedanken; er starrte nachdenklich auf seinen Computer, hatte die Stirn gerunzelt, die Lippen fest aufeinander gepresst, sodass sie eine gerade Linie bildeten. „ Interessant.“
„ Was ist los?“ Carson beugte sich ein kleines bisschen vor, um einen Blick zu erhaschen, doch da war Rodney schon aufgesprungen. Den Blick fest auf seinen Computer fixiert, lief er an ihm vorbei.
„ Rodney?“, fragte Carson noch einmal, skeptisch, misstrauisch.
„ Es gab eben eine Energieschwankung“, erwiderte Rodney wie im Trance, sah ihn nicht an.
„ Oh, sollten Sie dann nicht lieber in den Maschinenraum zurückkehren oder wenigstens Elizabeth Bescheid geben?“
„ Ja und nein.“ Rodney ließ durch den Raum, wie ein aufgescheuchtes Huhn, schien nach etwas zu suchen. Sein Blick wanderte nervös durch den Raum, schien das, wonach er suchte, aber nicht zu finden. Mit einem Seufzen wandte er sich um. „ Gibt es hier irgendwo einen abgesperrten Bereich oder so?“
Carson hob die Augenbrauen. „ Wieso fragen Sie mich das? Sie sind der Wissenschaftler und ich bin nur der Arzt.“
„ Versuchen Sie ernst zu bleiben, Carson.“ Rodney verdrehte die Augen. „ Hier muss es einen abgesperrten Raum geben. Ich habe eine kräftige Energiespitze gemessen.“

Carson kniff die Augen zusammen und überlegte. Ihm fiel nur eines ein, dass Rodney vielleicht meinte.
„ Ja“, meinte er nickend, „ dort hinten gibt es einen Durchgang, der sich nicht öffnen lässt.“ Er deutete mit der Hand in die Richtung und sprang schnell von seinem Stuhl, als Rodney loslief und vor dem Durchgang zum Stehen kam. Rechts, neben der Tür, befand sich eine Steuerkonsole, die Rodney binnen Sekunden aufgebrochen hatte; bunte, schimmernde Kristalle ragten heraus.
Carson lugte Rodney über die Schulter, der leise vor sich hin fluchte, während er herumwerkelte.
„ Und… bekommen Sie es hin?“, fragte der Schotte vorsichtig.
„ Es würde wesentlich schneller gehen, wenn Sie nicht immer dazwischen quatschen würden“, antwortete Rodney spitz, seufzte dann und aktivierte sein Headset. „ Dr. Weir, hier Dr. McKay.“
„ Was gibt’s, Rodney?“, erklang Elizabeths Stimme Sekunden später aus dem Headset.
„ Sie sollten auf die Krankenstation kommen. Ich habe hier was Interessantes gefunden.“
„ Okay, ich bin in ein paar Minuten da.“
„ Und bringen Sie Col. Sheppard mit, falls Sie ihn treffen. Er könnte uns behilflich sein.“
„ Verstanden. Weir Ende.“

+++++++++++++


„ Was hat er denn diesmal weltbewegendes entdeckt?“, fragte John leicht entnervt, als er neben Elizabeth durch die Korridore hetzte. Er hatte sich gerade hingelegt, um wenigstens ein paar Minuten Schlaf zu bekommen, als ihr Funkspruch ihn hatte hochfahren lassen.
„ Versuchen Sie ihm gegenüber ein bisschen mehr Interesse an den Tag zu legen, John“, meinte die Expeditionsleiterin und sah ihn ernst an. „ Ich weiß, dass Sie erschöpft sind, aber das sind wir alle.“
„ Ich habe nur gefragt“, seufzte John. Es war unübersehbar oder beziehungsweise unüberhörbar, dass Elizabeth noch immer nicht gut auf ihn zu sprechen war, was wohl hauptsächlich an seiner missglückten „Schadensbegrenzung“ lag- aber wenigstens sprach sie wieder mit ihm und das war schon ein gutes Zeichen!

Den Rest des Weges legten sie beide schweigend hinter sich. Als die Tür zur Krankenstation in Sicht kam, entspannte sich John ein wenig. Die Tatsache, dass er gleich auf Rodney stoßen würde, war zwar schon etwas gewöhnungsbedürftig, aber wenn er ehrlich sein sollte, kam ihm die neuste Entdeckung des Kanadiers nur zu recht.
Mit einem Seufzen fiel er hinter Elizabeth zurück, um der Expeditionsleiterin den Vortritt zu lassen und betrat nach ihr die Krankenstation, nur um ein weiteres, leicht gequält klingendes Seufzen ertönen zu lassen.
Teylas braune Augen fixierten Elizabeth und ihn kurz, doch als er sie ansah, wandte sie sich weg und John seufzte tief und lang. Es war gerade einmal vier Stunden her, dass die Athosianerin ihn aus ihrem Quartier hinausgeworfen hatte, nachdem sie beide…
John schluckte den Rest des Gedanken runter. Ihm war bewusst, dass sie beide fast zu weit gegangen waren. Doch er hatte die Kontrolle über sich verloren, als sie den Kuss erwiderte und ihn gewähren ließ. Eigentlich hatte er nicht vorgehabt es so weit kommen zu lassen, dass sie beide fast miteinander… Er hatte es nicht so weit kommen lassen wollen. Und er war froh, dass sie es beendet hatte, da er nicht wusste, ob er dazu in der Lage gewesen wäre.

Ronon stand neben ihr und musterte sie beiden genau. Er schien die Blicke, die sie sich mehr oder weniger zuwarfen zu bemerken und zog die Stirn kraus. Es war schon manchmal ein Schauspiel: Ronon schien für Teyla wie ein großer Bruder zu sein. Und sie konnte glatt als seine Schwester durchgehen. Sie beide hielten zueinander und es war unmöglich sich die beiden ohne den anderen vorzustellen. Es ging einfach nicht…
John schenkte dem Sateder ein kurzes Nicken, ehe er an ihm und an Teyla vorbeischritt und sich zu Elizabeth gesellte, die bereits in ein Gespräch mit Rodney vertieft war. Der Kanadier hatte wie fast immer in den letzten Stunden- oder inzwischen mussten es schon fast drei Tage sein, die sie auf diesem verdammten Schiff waren- seinen Tablettlaptop in der Hand und tippte auf ihn ein, während er redete ohne dabei Luft zu holen.

John fing nur Gesprächsfetzen auf, zu sehr brannte ihm Teylas vernichtender und Ronons fragender Blick im Nacken. Außerdem fesselte etwas anderes seine Aufmerksamkeit: ein verschlossener Durchgang, vor dem Rodney stand und so wild mit den Händen gestikulierte, dass ihm fast sein Computer aus der Hand fiel. Die Steuerkonsole war demontiert worden- ohne jeden Zweifel Rodneys Werk.
Der Durchgang an sich war wie die Schiffwände mit antikischen Schriftzeichen verziert, die er nicht entziffern konnte. Er bestand aus einem gräulichen Metall, die Schriftzeichen aus einem etwas dunklerem.
„ Lassen Sie mich raten“, sagte er ihn Rodneys längst überfällige Atempause hinein, „ da müssen wir hinein.“
Rodney nickte. „ So sieht es aus. Ich habe versucht, ihn manuell zu öffnen und ich habe sogar versucht ihn kurzzuschließen… doch nichts. Ich dachte, dass Sie vielleicht…“
John nickte ergeben. Er konnte sich schon ungefähr denken, worauf sein kanadischer Freund hinaus wollte. Links der Tür befand sich seine Art Steuermodul, die der Steuerkonsole, die Rodney auseinander genommen hatte, zum Verwechseln ähnlich sah. In ihr waren zwei Vertiefungen hineingelassen und er konnte mit bloßem Auge erkennen, dass seine Hände dort geradeso hineinpassten.
„ Okay“, sagte er leise zu sich selbst, krempelte die Ärmel seines Uniformhemdes hoch, streckte beide Arme aus und…
„ Warten Sie!“, schrillte Elizabeth plötzlich und er zuckte zusammen, drehte sich zu ihr um.
„ Was ist?“, fragte Rodney, der ebenso überrascht war wie alle anderen im Raum Anwesenden auch. „ Was ist los?“
Elizabeth deutete mit zittrigem Finger auf die Schriftzeichen, zog ihre Konturen nach und presste die Lippen so fest aufeinander, dass sämtliche Farbe aus ihnen wich. Ihre Stirn warf Falten, ihre Miene wirkte angestrengt.
John zog seine Hände zurück. „ Was bedeuten diese Zeichen, Elizabeth?“
„ I…ich bin mir nicht sicher“, erwiderte sie und deutete auf das Erste der beiden, welches zudem auch größer aus sah. „ D…das bedeutet Tod.“ Sie zeigte auf das Zweite. „ Und dieses hier bedeutet Verderben.“
„ Oho“, machte Rodney und begann heftig mit dem Kopf zu schütteln. „ Also, wenn Sie mich fragen, sind „Tod“ und „Verderben“ nicht gerade die Wörter, die ich in einer solchen Verbindung sehen möchte.“

John runzelte die Stirn. Tod und Verderben- klang wie aus Abenteuerfilmen, die im alten Ägypten oder in Südamerika spielten. Meistens wurde derjenige, der sie missachtete, aufgespießt oder starb eines anderen, meist qualvollen und nicht gerade angenehmen, Todes.
Trotzdem war da etwas, was ihn dazu anstachelte es zu versuchen. Irgendetwas schien ihn zu rufen.
„ Wir sollten es trotzdem versuchen“, meinte er trocken und sah Elizabeth aus dem Augenwinkel hinaus nicken.
„ Was?!“, rief Rodney erschrocken. „ Haben Sie das denn nicht verstanden? Es könnte uns alle umbringen!“
John ignorierte die Protestrufe des Kanadiers und auch Teylas leicht alarmierten Blick. Vorsichtig legte er seine Handflächen in die beiden Vertiefungen und zuckte zusammen, als nur Sekunden später ein leichtes Kribbeln durch seinen Körper fuhr.
„ Colonel?“, hörte er Elizabeth besorgt fragen.
„ Warten Sie“, zischelte er und schloss konzentriert die Augen; das seltsame Kribbeln kroch durch seine Adern, brachte sein Herz zum Pochen und seinen Puls zum rasen. Er merkte, wie der Schweiß auf seine Stirn trieb. Seine Kehle war trocken und brannte wie Feuer. Seine Schläfen durchzog ein stechender Schmerz, der in Ohnmacht zu gipfeln drohte, doch er riss zusammen und verzog das Gesicht. Plötzlich…

John riss die Augen auf und schnappte erschrocken nach Luft, japste wie es auch ein Fisch auf dem Trockenen tat.
„ Verdammt, John!“ Elizabeth war binnen Sekunden neben ihm, ihre Hand lag auf seiner Schulter. Sie beobachtete sorgenvoll, wie er nach Luft japste und wie sich seine Augen unnatürlich weiteten. „ Ist alles in Ordnung mit…“

Ein leises Zischen unterbrach sie; die beiden Türhälften glitten auseinander, gaben den Blick frei, auf einen dunklen Raum. Er schien nicht sehr groß zu sein, am Boden leuchteten kleine Lämpchen auf, markierten den Weg.
„ Was zur…“, dröhnte Ronons Stimme an sein Ohr. Rodney gab einen erstickten Laut von sich. Teyla atmete leise. Elizabeth schien die Luft anzuhalten.
John tastete nach seiner 9mm und richtete den Lauf in die Dunkelheit hinein, den Finger am Abzug. Er glaubte zwar nicht, dass sie ein Monster um die nächste Ecke erwartete, aber man konnte nie vorsichtig genug sein.
„ Ronon.“ Er winkte dem Sateder zu, der daraufhin nickte und ebenfalls seine Waffe zückte.

Die beiden traten vorsichtig in die Dunkelheit hinein; John zuerst, Ronon folgte ihm auf dem Fuße.
Die Lampen sprangen an, kaum dass John den Raum betreten hatte; es war ein kleiner Raum, aber größer als erwartet. Er war etwa drei, vier Meter breit und acht bis zehn Meter lang. An den Seiten war er von länglichen Kästen flankiert, die ebenso wie die Schiffwände voll und ganz mit Schriftzeichen verziert waren.
„ Sagen Sie mir nicht, dass es das ist, wofür ich es halte“, sagte Elizabeth atemlos.
„ Sind das…“
„… Särge“, beendete John Teylas Frage. „ Das sind Särge.“
„ Ich empfange schwache Energiewerte“, murmelte Rodney und deutete auf drei der hinteren. „ Die da.“
Vorsichtig trat John auf die Särge zu, die Rodney gemeint hatte; an ihren Seiten waren kleine Monitore angebracht. Der eine schien völlig tot zu sein, an dem anderen blinkte ein rotes Licht auf.
„ Dieser Energiewert ist der stärkste“, sagte Rodney ihm, verzog aber gleichzeitig das Gesicht ganz nach dem Motto Rot ist niemals gut.
„ Okay.“ John steckte seine 9mm wieder weg, während Ronon seine Waffe auf den Sarg richtete. „ Dann wollen wir mal.“ Er biss sich auf die Unterlippe und berührte den Monitor.
Sekunden lang blieb es still; er hörte Rodneys nervöses Atem und er glaubte seinen eigenen Herzschlag zu hören.
Doch dann… Der Monitor begann wild zu blinken und dann zu flackern, zu
piepen und zu fiepen und dann…
John hielt erschrocken die Luft an und er wusste, dass es die anderen auch taten.
„ D…das…“, stotterte Rodney, verstummte aber sofort wieder. Die Mienen der anderen waren erstarrt.
John schluckte, als er in ein ihm nur allzu bekanntes Gesicht sah. Zwei haselnussfarbene Augen starrten ihn und die anderen an. Ein Moment der Stille folgte, ehe sich die Stimme erhob:
„ Hi, mein Name ist Lieutenant Colonel John Sheppard, US Air Force, 34 Jahre. Mir wurde gesagt, ich sollte ein paar Worte sagen, also… ähem… naja, ich habe eigentlich nicht viel zu sagen, außer dass ich niemals gedacht hätte, auf diese Weise zu sterben.“

TBC
Totenwache by Ailya
Though like the wanderer, the sun gone down,
Darkness be over me, my rest a stone.
Yet in my dreams I’d be nearer, my God to Thee.


„ Hi, mein Name ist Lieutenant Colonel John Sheppard, US Air Force, 34 Jahre. Mir wurde gesagt, ich sollte ein paar Worte sagen, also… ähem… naja, ich habe eigentlich nicht viel zu sagen, außer dass ich niemals gedacht hätte, auf diese Weise zu sterben.“
Seine Stimme klang überraschend gefasst; sie zitterte kein bisschen, er verhaspelte sich nicht einmal. Alles an ihm schien normal zu sein, doch… doch sein Gesicht sprach Bände.
Für einen 34 jährigen sah er ziemlich erschöpft aus; die Wangenknochen waren eingefallen, die Mundwinkel deuteten nach unten. Unter seinen matten, glanzlosen haselnussfarbenen Augen zeichneten sich dunkle Ringe ab. Er war bleich- seine Haut, ebenso seine vertrockneten Lippen. Unter der blassen Haut schimmerten die blauen, pulsierenden Adern hindurch.
Er hatte die Lippen fest aufeinander gepresst, sodass sämtliche, möglicherweise noch übrig gebliebene Farbe aus ihnen wich. Der Ausdruck in seinem fahlen Gesicht wirkte hart und angespannt. Die Augen zuckten in ihren Höhlen nervös umher. Immer wieder hielt er inne und warf einen verunsicherten, fast schon ängstlich wirkenden Blick über seine dürren Schultern.

Das bin nicht ich, fiel es John ein, als sich der Monitor verdunkelte, das Gesicht und die Stimme verschwanden, und er sich ein weiteres Mal vorbeugte und den Monitor berührte. Er hatte aufgehört zu zählen, wusste nicht wie oft er es sich jetzt schon angesehen hatte.
Obwohl es sein Gesicht war, in das er blickte. Obwohl es seine Augen waren, die ihn anblickten. Obwohl es seine Stimme war, die da zu ihm sprach… John konnte und wollte nicht glauben, dass er es war. Das war einfach unmöglich!

„ …naja, ich habe eigentlich nicht viel zu sagen, außer dass ich niemals gedacht hätte, auf diese Weise zu sterben“, tönte es da wieder aus den Lautsprechern des Monitors und wieder zuckte John zusammen. Er klang mitgenommen und schien ohne jede Hoffnung zu sein.
Der Monitor verdunkelte sich wieder und John seufzte. Wieder schoss sein Finger beinahe automatisch nach vorne, um die Aufnahme erneut starten zu lassen, doch diesmal hielt er sich zurück. Nein, noch einmal wollte er sich das nicht ansehen.

Elizabeth und die anderen hatten ihn allein gelassen, obwohl sie genau so wie er wissen wollten, was es damit auf sich hatte.
Die Expeditionsleiterin hatte ihm aufmunternd auf die Schulter geklopft und irgendetwas zu ihm gesagt, doch er hatte sie nicht verstanden.
Rodney hatte ihn nur geschockt angesehen und unwirsch mit den Händen gestikuliert, als Ronon ihn hinter sich her zog.
Teyla war wie versteinert stehen geblieben und hatte auf die Särge gestarrt, hatte dann doch tatsächlich ein kleines, aufmunterndes Lächeln erübrigen können und war dann den anderen gefolgt. Es wäre ihm lieber, einer von ihnen wäre bei ihm geblieben.

Da die Aufnahme nicht mehr lief, überkam eine fast schon unheimliche Stille den Raum und ihm wurde nur noch mehr bewusst, dass mit diesem Schiff etwas nicht stimmte.
Da, in diesem Kasten- er vermiet das Wort "Sarg", es wollte einfach nicht über seine Lippen kommen-….in diesem Kasten lag er oder zumindest eine Ausführung seinerselbst. Und das fand er unheimlich!
Er hatte während den drei Jahren, die er jetzt schon in Atlantis dienen durfte, so einiges erlebt: Lebenskraft raubende Weltraumvampire, bösartige sich ständig replizierende, menschenähnliche Maschinen und rachesüchtige Halbwesen, doch so etwas… nein, so etwas hatte er noch nicht erlebt! Er hatte davon gehört, aber er hatte es noch nie erlebt….

John sog scharf die Luft ein und fuhr sich unschlüssig durch seine schwarzen, wirren Haare.
Die Aufnahme war gestoppt, die Stimme verstummt, doch noch immer sah er in das Gesicht… in sein Gesicht. Je mehr John auch versuchte sich einzureden, dass dieser Mann er war, desto mehr stieß er auf Abneigung. Dieser Mann sah zwar wie er aus, sprach vielleicht wie er und hörte auf den gleichen Namen, doch das war er einfach nicht! Dieser Mann war anders als er. Irgendwie. John wusste nur noch nicht genau, warum.

Im hinteren Bereich der Krankenstation öffnete sich die Türe mit einem leisen Zischen, doch John ignorierte es und presste die Lippen fest aufeinander. Er wollte nicht, dass es vorbei war. Er brauchte noch etwas Zeit, um das Gesehene zu verarbeiten. Er war einfach noch nicht soweit.
„ John? Ist alles in Ordnung mit…dir?“ Es war Teyla. Er erkannte ihre sanfte und einfühlsame Stimme sofort, widerstand aber dem Drang sich zu ihr umzudrehen.
Er hörte, wie sie unschlüssig im Türrahmen stehen blieb. Doch dann hörte er ihre Schritte, hörte wie sie sich langsam auf ihn zu bewegte. Ein Teil von ihm sehnte sich nach ihr, der andere wollte sich zu ihr umdrehen und sie anschnauzen, dass sie ihn gefälligst in Ruhe lassen soll.
Sie sind viel zu sehr Gentleman, um so etwas zu tun, hatte Elizabeth irgendwann einmal zu ihm gesagt. Damals hatte er darüber nur geschmunzelt, doch jetzt wusste er, dass sie Recht gehabt hatte. Er konnte sie nicht zurückweisen, ganz gleich, was zwischen ihr und ihm vorgefallen war. Sie war immerhin noch seine beste Freundin. Zumindest hoffte er das…
„ Bist du okay?“ Teyla setzte sich neben ihn, so dicht, dass ihre Schultern einander berührten. Jetzt war sie nur eine Freundin, die mit ihm reden und ihm helfen wollte. Nicht mehr…
John zog die Schultern hoch und obwohl er vorhatte ehrlich und gewissenhaft zu antworten, übermannte ihn sein eigener Sarkasmus. Er grinste verächtlich und verzog den Mund.
„ Es ist verständlich, dass du dich so fühlst, John“, sagte Teyla und ihre Stimmlage wurde noch weicher.
„ Klar, jeder würde sich so fühlen, wenn er erfährt, dass er tot ist“, entgegnete er spitz. „ Aber soll ich ehrlich sein? Ich fühl mich beschissen.“
„ Ich verstehe das.“ Teyla legte ihm eine Hand auf die Schulter und als er sich dazu durchringen konnte, und sie ansah, brachte ihn ihr warmes, freundliches Lächeln fast um den Verstand. Zaghaft lächelte er zurück, obwohl ihm so gar nicht danach war.

Danach sagte sie beide nichts mehr, genossen einfach nur den ruhigen Moment. Teyla schien völlig darauf konzentriert zu sein, ihn zu trösten, und es erweckte den Anschein, dass sie nicht mehr an die Geschehnisse von vorhin dachte… und wenn doch, dann erweckte es den Anschein, dass sie nicht wollte, dass es ihm auffiel.
John seufzte leise. Obwohl er nicht wollte, dass das hier endete- der friedliche Moment zwischen ihm und Teyla-, schüttelte er ganz langsam ihre Hand von seiner Schultern und erhob sich ebenso langsam.
„ Rodney ist sicher ganz versessen darauf, hier zu wüten“, sagte er leise mit einem scheuen Lächeln.
Teyla sah zu ihm auf. „ Und dich interessiert das überhaupt nicht?“
John schüttelte mit dem Kopf. „ Nein. Ich habe mir das jetzt lange genug angesehen und ich muss den Kopf freikriegen. Bleibst… ähem… bleibst du hier?“
„ Wenn ich nicht soll, dann kann ich auch gehen“, antwortete die Athosianerin und erhob sich ebenfalls. „ Wenn du das möchtest. Aber wenn…“
„ Nein, schon gut.“ John nickte ihr schnell zu und sie nickte zurück; sie hatte verstanden.

Sie tauschten noch ein Lächeln aus, ehe sich John umdrehte und ganz langsam in Richtung Ausgang ging.
„ Colonel?“ Elizabeth erhob sich geschwind, als er aus der Krankenstation auf den Korridor hinaustrat. „ Ist alles in Ordnung?“
John bedachte sie nur eines flüchtigen Blickes, ehe er sich an Rodney wandte, der ihn ebenso erwartungsvoll ansah, wie Dr. Jackson und Col. Carter, die zu der kleinen Gruppe gestoßen waren: „ Sie können anfangen, McKay. Machen Sie mit ihm, was immer Sie für richtig halten.“
„ Aber…“, hörte er Elizabeths Einwand, doch er ignorierte sie. Stattdessen ließ er die Gruppe hinter sich und blieb nicht stehen, obwohl er die Blicke im Nacken spürte. Er musste den Kopf frei kriegen! Und zwar schnell!

+++++++++++++++


„ Oh, mein Gott“, murmelte Samantha Carter erschrocken, als die Aufzeichnung endete uns sich der Monitor verdunkelte. „ Das… das ist ja richtig…“
„…unheimlich“, beendete Daniel Jackson ihren Satz und wandte sich zu Rodney um. „ Und Sie sind sich sicher, dass…“
Der Kanadier blickte von seinem Computer auf. „ Nein, ich denke nicht, dass es sich hierbei um einen schlechten Scherz handelt. Und auch die Annahme, dass der Colonel einen Zwillingsbruder hat, scheint mir mehr als abwegig.“ Er sah zu Ronon herüber.
„ War nur `ne Vermutung“, brummelte dieser und verdrehte schwach die Augen.
„ Eine verdammt schlechte, wenn ich das hinzufügen darf“, zischte Rodney überheben.
„ Rodney“, tadelte Elizabeth, ohne ihn dabei anzusehen. „ Ich denke jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für Ihre albernen Kindereien.“
„ Jaja, schon gut“, murmelte Rodney und befasste sich wieder mit den Anzeigen auf seinem Tablettlaptop.

Mit gerunzelter Stirn musterte Samantha Carter den eisernen Sarg von allen Seiten, von oben bis unten.
„ Ist es möglich“, begann sie, „ dass wir es hierbei vielleicht mit…“
„ Ja, das ist durchaus möglich“, fiel Rodney ihr ins Wort.
„ Wissen Sie überhaupt, was ich sagen wollte?“, fragte Sam.
„ Bei Ihren Gedankengängen dürfte das kein Problem sein“, antwortete der Kanadier ihr und sie schnappte empört nach Luft, obwohl sie eigentlich schon an solche Sticheleien gewöhnt sein müsste.
„ Sie reden von der Möglichkeit einer alternativen Zeitlinie?“ Elizabeth sah zwischen ihnen hin und her, hatte dabei nachdenklich die Stirn in Falten geworfen und die Arme vor ihrem Oberkörper verschränkt.
„ Die Möglichkeit besteht“, antwortete Sam ihr mit einem Nicken. „ Es wäre nicht verwunderlich.“
Elizabeth legte den Kopf schief und ihre Miene wurde noch nachdenklicher, skeptischer. „ Das würde dann aber bedeuten…“
„ Ich glaube nicht, dass dieses Schiff fähig ist, durch Dimensionen zu springen“, sagte Rodney. „ Das ist höchste Physik und selbst bei Menschen kann es zu Problemen kommen, wie Sie sich eigentlich unschwer erinnern müssten.“
„ Sie meinen Rod…“
„ Wir hätten fast ein Loch in sein und in unser Universum gerissen. Daher halte ich für eher unwahrscheinlich, dass die Artemis…“
„ Aber was, wenn es nicht das Schiff ist.“ Daniel Jackson hielt sich sein Kinn und hatte ebenso nachdenklich wie Elizabeth das Gesicht verzogen. Er sah zu den anderen auf. „ Was, wenn es etwas anderes ist.“
Elizabeth zog die Stirn kraus. „ Ich fürchte, wir können Ihnen nicht folgen, Dr. Jackson.“
„ Es muss nicht immer das Schiff sein“, erwiderte der Archäologe und rückte seine Brille zurecht.
„ Das Gate“, sagte Sam atemlos. „ Er meint das Gate.“ Sie sah Rodney an. „ Das ist durchaus möglich und das wissen Sie auch, McKay.“

Der Kanadier antwortete nicht, sondern starrte stattdessen gebannt auf seinen Computer. Seine Augen wurden schmal und weiteten sich dann unnatürlich.
„ Rodney?“ Elizabeth konnte nicht verhindern, dass sie leicht nervös klang, machte einen zögerlichen Schritt auf den Astrophysiker zu. „ Was ist los, Rodney?“
„ Oh, nein“, brachte Rodney zustande und sah sie dann an. Leichte Panik flammte in seinen blauen Augen auf.
„ Diesen Ausdruck kenne ich.“ Ronon trat ebenfalls an den Wissenschaftler heran. „ Der ist nicht gut.“
„ Rodney“, versuchte es Elizabeth noch einmal. „ Was ist los? Was ist passiert?“
„ D…das können Sie ihn gleich selber fragen“, erwiderte Rodney.

Ein leises Zischen ließ alle im Raum Anwesenden zusammenzucken und erstarren. Die Symbole auf dem Sarg fingen an leicht bläulich zu leuchten und das Verdeck schien dahin zu schmelzen, wie es Eis in der Sonne tat.

TBC
Desire by Ailya
Sie hatte entschieden, dass es für sie besser war zu gehen. Er hatte es zwar nicht von ihr verlangt…trotzdem tat sie es. Er hatte es nicht gesagt, dennoch hatte sie geglaubt dieses traurige Funkeln in seinen Augen gesehen zu haben. Er war ihr Freund und sie wollte seine Entscheidungen respektieren. Deshalb war sie gegangen…
Aber, war das wirklich der Grund gewesen? War sie gegangen, weil sie es für richtig hieß? Oder war sie vielmehr gegangen, weil sie den Gedanken ihren mit Abstand besten Freund tot zu sehen, abstoßend fand?
Sie wusste es nicht. Vielleicht war es ja eine Mischung aus beidem; Respekt und Verabscheuung. Aber wer konnte das schon genau sagen…

Teyla verlangsamte das Tempo ein bisschen, als sie um eine Ecke bog und auf den Korridor trat in dem sich die Quartiere der Besatzung befanden.
Sie gähnte einmal herzhaft und rieb sich ihre erschöpften Augen; es war schon so lange her, seit sie zum letzten Mal ein Auge zugetan hatte. So lange, dass sie sich nicht mehr daran erinnern konnte. Auch ihr Magen gab leise Protestgeräusche von sich. Eigentlich hätte sie ja schon längst bei ihrem Volk sein sollen; die Festivitäten begannen kurz vor Sonnenuntergang.

Bei diesem Gedanken seufzte Teyla leise. Rodney hatte gemeint, dass das Schiff- und somit auch sie- sich in einem anderen Verhältnis zur Zeit befand. Niemand schien genau sagen zu können, was dies nun konkret bedeutete, doch jeder konnte sich seinen Teil zusammenreimen.
Für sie bedeutete es, dass das Tandulfest vorbei war. Es war bestimmt schön gewesen. Alle ihre Freunde hatten sich amüsiert und waren jetzt sicherlich schon gegangen. Halling, Jinto, Wex… und Kanaan.
Wieder seufzte Teyla. Sie hatte sich schon so darauf gefreut ihren Freund wiederzusehen. Sie beide hatten einander fast zehn Jahre nicht gesehen und nun… Ja, nun war sicherlich auch er schon gegangen. Und wieder hatten sie sich nicht gesehen. Was für eine Schande!

Die Tür ihres Quartiers kam in Sicht und Teyla gab einen erleichterten Laut von sich. Vielleicht gelang es ihr ja jetzt wenigstens für ein paar Stunden die Augen zu schließen und den Schlaf nachzuholen, den sie versäumt hatte.
Mit einer Hand öffnete sie den Reißverschluss ihres Uniformjacketts, mit der anderen wollte sie ihren Pferdeschwanz lösen und sich durch ihre rostbraunen Haare fahren, doch stattdessen ließ sie ein hinter ihr vorbeihuschender Schatten zusammenzucken.
Sie blieb stehen und lauschte… nichts. Nur das Brummen des Antriebs und das gelegentliche Knacken in den Leitungen- daran hatte sie sich schon gewöhnt und empfand es längst nicht mehr so unangenehm wie zu Anfang.
Teyla warf einen kurzen Blick über ihre Schulter, doch der Gang hinter ihr war leer. Sie zog die Augenbrauen zusammen und ging weiter; es wurde Zeit, dass sie endlich ein bisschen Schlaf bekam.

Obwohl sie sich sicher war, dass sie allein war und dass ihr niemand folgte, zog sie vorsichtshalber das Tempo an. Ihre Schritte wurden größer, ihre Bewegungen hektischer.
Sie wusste nicht warum, aber als sie die Tür zu ihrem Quartier erreicht hatte, lief es ihr eiskalt über den Rücken und als sie ihre Hand ausstreckte, um die Tür zu öffnen, erstarrte sie; ein Windzug ließ sie zusammenzucken und eine an ihr vorbeihuschende Gestalt ließ ihr den Atem stocken.
„ Hallo?“, fragte sie in die Stille hinein, wagte es noch immer nicht sich umzudrehen. „ Hallo, ist da…“

Teyla verstummte, als sie Schritte vernahm, die sich ihr ohne jeden Zweifel näherten und von einem eisigen, röchelnden Atmen begleitet wurden, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. In ihrer Brust fing ihr Herz an wild zu schlagen, Adrenalin jagte unaufhaltsam durch ihre Blutbahnen, stachelte ihr Herz an schneller zu schlagen. Ihr Magen flatterte, ihr Atem ging schnell und unregelmäßig.
Es überraschte sie selbst, dass sie die Beherrschung über sich selbst zu verlieren schien, doch da war irgendetwas was alles durcheinander brachte und ihre Sinne verrückt spielen ließ.

Sie begann am ganzen Körper zu zittern, als etwas Eiskaltes ihren Nacken streifte. Ein seltsamer Duft stieg ihr in die Nase: es roch angenehm süßlich nach Schokolade, doch zugleich widerlich rostig, metallen wie frisches Blut.
Teyla schloss ihre Augen; der süßliche Duft ließ ihr schwindelig werden. Zugleich stieg Übelkeit in ihr auf, kratzte unangenehm ihre Speiseröhre hinauf- der rostige, metallene Duft brannte in ihrer Kehle. Sie biss sich auf die Lippen.

Die Schritte wurden lauter und langsamer- wer immer da auf sie zukam, er war nahe.
Auch das Atem wurde lauter, fast schon aufdringlich. Es streifte ihren Nacken, ihre Haut- es war unheimlich.
Plötzlich spürte sie einen Blick im Nacken, der sie erschaudern ließ. Ihre Nackenhaare stellten sich auf und sie merkte, wie ihre Fingerspitzen nach ihrer 9mm tasteten.
„ Hallo?“, fragte sie noch einmal. „ Ist da jemand?“ Die Frage war abwegig- natürlich war da jemand. Teylas Finger klammerten sich um das kühle Metall ihrer Waffe, ihr Zeigefinger legte sich auf den Abzug.

In den nächsten beiden Sekunden passierten zwei Dinge; sie spürte, wie sich zwei starke Arme um ihre Taille schlangen und wie jemand nach ihrer Hüfte ausholte. Blitzschnell drehte sie sich um und zielte mit ihrer Waffe nach demjenigen, der die Frechheit besaß sich an sie heranzuschleichen.
Teyla erschrak. Genauso schnell, wie sie herumgewirbelt war und dabei ihre Waffe gezückt hatte, ließ sie sie auch wieder sinken und seufzte vor Erleichterung.
„ John…“, brachte sie außer Atem hervor. „ Herrgott, musst du mich so erschrecken?“
Der dunkelhaarige Soldat stand nur wenige Meter von ihr entfernt, hatte den Blick gesenkt… dennoch merkte sie, dass seine haselnussfarbenen Augen sie musterten. Er hielt die Hände in seinen Hosentaschen verborgen.
„ Hab ich dich etwa erschreckt?“, hörte sie ihn mit eisiger, blechern klingender Stimme fragen. Seine Lippen schienen sich nicht zu bewegen.
„ Ja, das hast du“, antwortete Teyla ihm und nickte. „ Du müsstest eigentlich wissen, dass ich es hasse, wenn man sich an mich heranschleicht.“ Sie sah kurz an sich herab, ließ ihre Waffe zurück in den Holster gleiten.
„ Das tut mir Leid.“ Seine Stimme klang plötzlich erschreckend nahe und als sie wieder aufsah, blickte sie direkt in sein Gesicht. Ein erschrockener und zugleich überrascht klingender Laut kam über ihre Lippen und sie wich zurück, stieß mit dem Rücken gegen die verschlossene Tür ihres Quartiers. „ Wie…“
„ Ich wollte dich nicht erschrecken, Teyla“, sagte John sanft. Sein eiskalter Atem kitzelte über ihre Lippen und seine ebenso kalte Hand umklammerte ihr Handgelenk. Sein Griff tat nicht weh, schmerzte nicht, war aber so fest, dass es unmöglich schien sich daraus zu befreien.
Teyla lächelte verlegen, obwohl ihr ganz anders zumute war. Ihr Herz schlug so schnell, dass sie Angst hatte, dass es einfach aufhören würde zu schlagen.
„ I…ich dachte, du wolltest d…dich ausruhen“, stammelte sie und eine leichte Röte schoss in ihre Wangen.
„ Das habe ich auch“, antwortete er und dabei schlug ihr dieser betörende Duft entgegen. Teyla konnte nicht anders und schloss ihre Augen. Ihre Nasenflügel bebten, als sie den süßlichen Duft einzog. Sie stöhnte leise und stützte sich gegen die immer noch verschlossene Tür, als ihr schwindelig wurde.
„ Und ich habe nachgedacht“, hörte sie John sagen; seine Stimme klang nun nicht mehr blechern und eisig- sie klang nunmehr wie ein sich bewegendes Windspiel, kristallklar und unglaublich verführerisch.
„ Worüber hast du nachgedacht?“, fragte Teyla ihn, ohne ihre Augen zu öffnen, immer noch diesen betörenden Duft genießend.
Er schwieg für einen Moment, ehe er antwortete. Im Vergleich zu seiner Stimme, klang das Rumoren des Antriebes schon fast brutal und dröhnte in den Ohren.
„ Ich habe über uns nachgedacht.“

Teyla öffnete ihre Augen und blinzelte ihn verwundert an. „ Über uns? Du hast über…“ Sie wollte weiterreden, vermochte es aber nicht, schnappte stattdessen nach Luft, als sich Johns Arme um ihre Taille schlangen und sie mit seinem Körper gegen die Tür drückte. Sein Gesicht war nur wenige Millimeter von ihrem entfernt.
„ In der Tat, dass habe ich“, sagte er so leise, dass es fast einem Flüstern gleich kam.
„ Du…“ Teyla vermochte es nicht, ihren Satz zu beenden. Vielleicht lag es aber auch daran, dass John einen seiner eiskalten Finger auf ihre Lippen legte, sanft ihre Konturen nachzeichnete und sich dabei in Faszination zu verlieren schien; sein Blick veränderte sich, es war, als läge sich ein Schleier vor seine Augen.
Die Berührung seines Fingers ließ Teyla erschaudern, doch sie war nicht in der Lage sich dagegen zu wehren. Still- ohne zu murren- ließ sie es über sich ergehen. Sie konnte sich einfach nicht dagegen wehren. Sie konnte es nicht…

Sie wehrte sich auch nicht, als Johns eisige Hände unter ihr Top glitten und seine Fingerkuppen über ihren Rücken tänzelten. Er schmiegte sich noch enger an sie, so nah dass sie seinen Atem über ihre Haut prickeln fühlte. Seine Lippen wanderten über ihr Gesicht, ohne es zu berühren; sie bebten, zitterten, flatterten… aber kein Wort kam über sie.
Teyla schloss ihre Augen wieder, sog beständig dieses betörende Duftgemisch ein, dass sie fortweg verrückt zu machen drohte. Sie schluckte, als sie sich daran erinnerte, wie sie ihn zurückgewiesen hatte. Sein enttäuschtes Gesicht hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt. Und jetzt…

John lehnte seine Stirn gegen die ihre, seine eiskalten Finger wanderten an ihrem Hals hinab, umfassten dann sanft ihr Kinn und hoben es sanft an, sodass sie ihm in die Augen sehen konnte. Doch sie tat es nicht, sie hielt ihre eigenen weiterhin geschlossen.
„ Ich liebe dich“, hauchte er ihr zu, glitt mit seinen Fingern an ihrem Kinn entlang und küsste sie dann zärtlich.

Teyla öffnete ihre Augen; ihr Magen flatterte und ihre Lippen kribbelten. Sie hatte das Gefühl, dass alles anfing sich zu drehen. Vor ihren Augen begann es zu flimmern.
Im Gegensatz zu seinen Händen und zu dem Rest seines Körpers waren seine Lippen warm… was immer sie berührten, begann zu brennen wie Feuer- ihr Gesicht, ihre Lippen, ihr Hals, einfach alles. Es fühlte sich fremd an, doch zugleich war es wunderschön und mit nichts anderem vergleichbar.
Teyla schlang ihre Arme um seinen Oberkörper. Ihre Hände zitterten, als sie über seinen Brustkorb strich, in dem sein Herz blechern schlug.
„ John…“, japste sie, als sich ihre Lippen für einen Moment voneinander lösten und sie beide nach Luft schnappten. „ Nicht…“

Er erwiderte nichts, drückte sie nur noch fester gegen sich, sodass sie das Gefühl hatte zu ersticken. Ihr Oberkörper spannte, doch es war ihr nicht unangenehm.
Sie stöhnte leise, als er sie unterhalb ihres Oberschenkels zu packen bekamm und mit seinen Fingern langsam an dessen Innenseite hochwanderte.
Seine Lippen schwebten über ihren Hals, bedeckten ihn mit Küssen, die eigentlich keine waren, sich aber so anfühlten.
„ Ich lass mir nichts mehr vorschreiben“, hörte sie ihn wispern. „ Nie mehr, hörst du? Nie mehr!“

Es war fast zu schön um wahr zu sein. Teyla merkte, wie es in ihrem ganzen Körper zu kribbeln anfing; ihre Finger zuckten zurück, als sie sich unter Johns schwarzes Shirt schoben und über seine Brust strichen. Wie vorhin fanden seine Lippen an ihr Ohrläppchen, verharrten dort aber nur für einen kurzen Moment, ehe sie langsam über ihre Gesicht hinab zu ihrem Hals wanderten. Es schmerzte jetzt geradezu, als er sie über ihre Haut zog.
Teyla stöhnte wieder und ihre Finger verkrallten sich instinktiv in den Stoff seines Shirts. Es war einfach…

„ Teyla!“ Eine laute, donnernde Stimme riss sie aus diesem ekstasenähnlichen Zustand. Mit einem widerwilligen Laut schlug sie ihre Augen auf, blickte über Johns Schultern hinweg und registrierte erst jetzt, dass sie beide sich noch immer auf dem Korridor befanden- alle konnten sie sehen… Eine leichte Röte stieg ihr in die Wangen und sie merkte, wie dieses besitzergreifende Gefühl, die Erregung, blitzartig verebbte.
„ Verdammt, Teyla!“, erklang da wieder die donnernde Männerstimme, wurde von einem elektrisch klingenden Klicken begleitet, dass sich ganz danach anhörte, als entsicherte da jemand seine Waffe. „ Verschwinden Sie da!“
Teyla sah verwirrt in Ronons wild flackernde Augen; die Mundwinkel des Sateders zuckten unaufhörlich, er hielt seine Waffe in ihre Richtung.
„ Ronon, was…“, setzte sich an, doch ein tiefes Grollen aus Johns Brustkorb unterbrach sie. Erschrocken starrte sie den dunkelhaarigen Mann an; er hielt sie nun nicht mehr in seinem Arm, hatte eine leicht kauernde Position eingenommen und…

„ Oh, mein Gott!“ Teyla wich entsetzt und ängstlich zugleich zurück, stolperte fast über ihre eigenen Füße. „ John, was…“
Der Mann, der sie bis eben noch in den Armen gehalten hatte, der sie mit zarten Küssen überhäuft hatte….fletschte wütend mit den Zähnen und ein fauchendes Geräusch drang aus seiner Kehle. Seine Augen hatten sich verdunkelt, sahen aus, als hätte sich ein schwarzer Schleier über sie gelegt. Undefinierbare Substanz triefte seine Mundwinkel hinab.
„ John!“ Teyla verspürte das Verlangen ihre Hände nach ihm auszustrecken, doch alles was er dafür übrig hatte, war ein trockenes Fauchen und ein dunkles, furchteinflößendes Knurren, was tief aus seiner Brust kam. Mit einem fast schon animalischen Schrei stieß er sich von dem Boden ab und machte einen Satz auf sie zu.

Was in den nächsten zweieinhalb Sekunden passierte, war wie aus einem Film: Als der grellrote Strahl von Ronons Waffe John traf, bäumte sich sein Körper kurz auf, ein wildes Knurren brach über seine Lippen und seine Augen verschwanden in seinem Hinterkopf, ehe er leblos zusammensackte und regunslos zu Teylas Füßen liegen blieb.

Die Waffe noch immer auf seinen regungslosen Freund gerichtet, sah Ronon zu ihr hinüber, hatte die Stirn kraus gezogen: „ Sind Sie in Ordnung? Hat er Ihnen was getan? Hat er Sie…“
Teyla schaffte es nicht dem Sateder zu antworten, starrte stattdessen auf John hinab, der besinnungslos, in einer unnatürlich gekrümmten Körperhaltung zu ihren Füßen lag; sein Gesicht war schmerzverzerrt, wirkte fahl.
„ W…was…“, stammelte sie, zuckte zusammen, als Ronon ihr eine seiner prankenartigen Hände auf die Schultern legte.
„ McKay sollte Ihnen das erklären“, meinte er und zerrte sie dann sanft mit sich. „ Ich sollte Sie jetzt lieber zu Dr. Beckett bringen.“
Teyla sträubte sich für einen Moment gegen die Hilfe des Sateders, blickte sich erneut zu John um. „ A..aber w…was ist…“
„ Das ist nicht Sheppard“, sagte Ronon ruhig, als sei es das Normalste auf der Welt.
Verständnislos sah Teyla ihren hünenhaften Freund an. „ W…was…“
„ Kommen Sie, Teyla. McKay wird Ihnen alles erklären.“

TBC
Remember me by Ailya
Es tat Elizabeth in der Seele weh, ihre Freundin so zu sehen; Teyla saß wie ein Häufchen Elend da, in sich zusammengesunken, zitternd am ganzen Leib. Sie sah mitgenommen aus, vollkommen am Ende. Die Tasse Tee, die Carson ihr gegeben hat, war noch immer unberührt- sie beachtete sie nicht einmal. Unaufhörlich schlugen ihre Lippen aufeinander, bebten still vor sich hin.

Elizabeth seufzte auf. Die Athosianerin tat ihr leid. Nicht im Geringsten wünschte sie sich das, was ihr widerfahren war, obwohl sie nicht alle Einzelheiten kannte. Und nachdem, was Ronon sich in seinen Bart gegrummelt hatte, war Elizabeth sich nicht sicher, ob sie überhaupt alles wissen wollte. Vielleicht war es besser, dass sie den Sateder gebeten hatte, ihr nur das Wichtigste zu erzählen.
Sie sah wieder zu Teyla; an ihrer Körperhaltung hatte sich nichts geändert, außer das sie ihren Kopf gegen Vala Mal Dorans Schulter lehnte, die ihr aufmunternd über den Rücken strich. Elizabeth traf den Blick der Schwarzhaarigen; Vala schürzte die Lippen, nickte dann aber.
Keine Sorge, ich kümmere mich um sie, schien sie sagen zu wollen und Elizabeth mühte sich um ein schwaches Lächeln, nickte erleichtert. Seit sie sie kannte, hatte sie die tapfere Kämpferin noch nie in einem solchen Zustand erlebt; Teyla schien geradezu geschockt zu sein!

Elizabeths stille Sorge um ihre Freundin wurde von leisem Fluchen begleitet; Rodney tippte unentwegt auf seinen Computer ein, während er eine Beschimpfungsarie auf den mehr oder weniger „sensationellen“ Fund herabregnen ließ. Es war schon verwunderlich, was für Ausdrücke der Kanadier dabei in den Mund nahm und scheinbar interessierte es ihn gar nicht, dass der ein oder andere entnervt die Augen verdrehte.
Elizabeth schüttelte nur mit dem Kopf, unterbrach ihn aber nicht, denn jedes Mitglied der Atlantisexpedition wusste, dass man einen Rodney McKay gefälligst in Ruhe zu lassen hatte, wenn er „arbeitete“.
„ Verdammt“, zischelte er in diesem Augenblick und schlug mit der flachen Hand auf den Monitor seines Laptops; tiefe Falten warfen sich auf seiner Stirn und ärgerlich zuckte er mit den Mundwinkeln, presste die Lippen wütend zusammen.
„ Rodney“, setzte Elizabeth an, doch der Kanadier hob nur seinen Finger und wedelte mit ihm vor ihrem Gesicht herum.
„ Geben Sie mir nur eine Minute, Elizabeth.“
Die Expeditionsleiterin sah ihn unverständlich an. „ Ich habe Ihnen mehr als eine Minute zugesprochen, Rodney.“
Er sah zu ihr auf. „ Da hatten wir aber noch nicht dieses Problem.“
„ Ich dachte, Sie hätten es im Griff!“
„ Hatte ich, bis Colonel Ich-weiß-alles-besser auf die dämliche Idee gekommen ist, mal zu schauen, wer sich wohl in den anderen… Särgen befindet.“

Elizabeth sah aus dem Augenwinkel heraus, wie Col. Mitchell den Kanadier empört ansah. „ Seien Sie ehrlich, Doc… Sie sind auch neugierig!“
Rodney löste seinen Blick von ihr und sah den Teamleader von SG1 an. „ Ja, ich bin neugierig, aber im Gegensatz zu Ihnen habe ich in der Schule aufgepasst und weiß, dass man fremde, merkwürdige Sachen nicht angrabbeln soll!“
Elizabeth seufzte. „ Rodney, bleiben Sie freundlich.“
„ Das fällt mir sehr schwer, wenn irgendwelche unwissenden Schwachköpfe dauernd über meine Füße stolpern und alle möglichen Sachen anfassen, von denen sie nicht wissen, wofür sie eigentlich da sind“, entrüstete sich der Kanadier und sein Gesicht nahm eine leicht rötliche Farbe an.
Cameron Mitchell hob die Augenbrauen. „ Ach, Sie nennen mich einen Schwachkopf!“
„ Haben Sie etwa ein Problem damit, Colonel?“, zischelte Rodney.
Mitchell setzte ein säuerliches Lächeln auf. „ Nein, natürlich nicht. Aber vielleicht sollten Sie öfters mal in den Spiegel schauen, Doktor.“
Rodney gab einen entsetzten Laut von sich. „ Sie…“

„ Okay, okay, jetzt kommen wir alle mal wieder runter und versuchen uns zu beruhigen!“ Elizabeth seufzte erleichtert auf, als John einen energischen Schritt nach vorne machte und sich zwischen die beiden Streithähne stellte; Rodney funkelte Mitchell wütend an, während der Colonel nur spitzbübisch grinste.
„ Beruhigen Sie sich bitte.“ John ließ die Arme wieder sinken. „ Wir haben keine Zeit für alberne Streitereien.“ Er warf Rodney einen warnenden Blick zu und bedachte Mitchell mit einem kurzen Nicken, ehe er sich wieder umdrehte und sich neben sie stellte.
„ Danke“, flüsterte Elizabeth ihm leise zu.
„ Ich sage es Ihnen- das wird eines Tages in einer Meuterei enden und dann kann ich für nichts mehr garantieren", wisperte John mit einem zaghaften Lächeln zurück.
„ Wenn Sie das meinen.“ Elizabeth war erleichtert. Auf das für ihn charakteristische schiefe Lächeln wartete sie zwar vergebens, aber wenigstens wirkte John ein kleines bisschen entspannter, als noch vor ein paar Minuten. Er sah zwar immer noch ziemlich betroffen aus und man konnte ihm ansehen, dass ihn das Ganze ganz schön mitgenommen hatte.
Er hatte Ronon still gelauscht, als dieser ihm erzählte, was vorgefallen war, und hatte regungslos da gesessen, doch seine immer härter werdende Miene hatte ihn verraten: Er fühlte sich schuldig für das, was passiert war! Und das blieb auch so, egal wie sehr man versuchte es ihm auszureden und sagte, dass es nicht seine Schuld war.

Elizabeth lächelte ihn noch einmal an, John lächelte schwach zurück und drehte dann seinen Kopf in die Richtung, wo Teyla und Vala saßen. Im Gegensatz zu ihr hatte er alles erfahren wollen und so hatte im Ronon auch alles erzählt. Im Nachhinein zweifelte Elizabeth, ob das wirklich eine gute Idee gewesen war.
John sah Teyla betroffen an. Die Athosianerin blickte zu ihm auf und ihre Miene wurde ausdruckslos. In ihren Augen blitzte etwas auf, das Elizabeth nicht genau zuzuordnen wusste.
Egal, was da vorhin vorgefallen war: Es ging beide etwas an- sowohl John als auch Teyla- und es schien unausweichlich, dass sie beide darüber reden mussten.

Doch- was immer es auch war-, es ging sie nichts an, also schenkte Elizabeth Teyla noch einen schnellen ermutigenden Blick, bevor sie sich wieder an Rodney wandte, der sich scheinbar beruhigt hatte.
„ Sie sagten, Sie hätten etwas für uns, Rodney“, sprach sie ihn mit ruhiger Stimme an.
Der Kanadier nickte, seufzte dann aber schwerlich und warf einen unmerklichen Blick zu Col. Mitchell. „ Es ist mir gelungen das Programm, mit dem die… Särge verbunden sind zu knacken. Somit kann ich auf alle Daten zurückgreifen, die wir benötigen.“
„ Was meinen Sie mit „ alle Daten“?“, fragte John stirnrunzelnd. „ Es gibt noch mehr?“
„ Können Sie mir nicht zuhören?“ Rodney seufzte. „ Nur ein einziges Mal? Mit „alle Daten“ meine wann die… Särge aktiviert wurden- sprich wie lange sie schon sie schon in Betrieb sind- und so weiter und so weiter…“ Er machte eine ausladende Handbewegung, die ausdrücken sollte, dass er diese Aufzählung noch unendlich weiterführen könnte.
Elizabeth stützte sich mit ihren Handflächen auf eine der Kisten- sie benutzte das Wort „Särge“ nicht gern, obschon es welche waren- und sah ihren Chefwissenschaftler fragend an. „ Und was bedeutet das nun konkret?“
„ Haha“, machte Rodney. „ Mir ist es außerdem gelungen, die Videodatei des Colonels weiter zu entschlüsseln. Sie werden überrascht sein.“
„ Das erklärt aber immer noch nicht die Tatsache, dass ein verrücktes zweites Ich in den Gängen Amok läuft und…“, zischelte John, der Rest des Satzes blieb ihm im Halse stecken und voller Unbehagen sah er zu Teyla herüber, die bei seinen Worten zusammengezuckt war.
„ Mein lieber Freund, Sie sollten niemals das Genie von Rodney McKay unterschätzen.“
John sah seinen Freund wieder an, zog die Augenbrauen hoch und rollte mit den Augen.
„ Vielleicht kann uns der Colonel ja sagen, was mit ihm und der Rest der Crew passiert ist.“ Bei Rodneys Worten blickten alle Anwesenden ihn an.
„ Ich verstehe nicht“, sagte Col. Mitchell.
„ Das können Sie allerdings laut sagen“, pflichtete ihm John bei und schüttelte mit dem Kopf. „ Was meinen Sie damit, Rodney?“
„ Die Aufnahme geht noch weiter“, platzte Elizabeth mit ihrem Gedanken heraus. Das war die einzige Möglichkeit. Die Aufnahme konnte noch nicht vorbei sein. Sie schaute Rodney an, der daraufhin langsam zu nicken anfing.
„ Bei weitem nicht“, erwiderte er und grinste.

+++++++++


„ Mir wurde gesagt, ich sollte ein paar Worte sagen, also…ähem… naja, ich habe eigentlich nicht viel zu sagen, außer dass ich niemals gedacht hätte auf diese Weise zu sterben.“ Unbehagen stand ihm in sein blasses, aschfahles Gesicht geschrieben. Er starrte in die Kamera, fuhr sich dann mit den Händen über sein Gesicht, als wollte er sich selbst aus einem schlechten Traum wachrütteln.

„ Vier Jahre“, begann er schließlich, nach einer langen Pause. „ Diesen Monat sind es vier Jahre. Ich hab’ nicht gedacht, dass Zeit so schnell verfliegen kann…es ist fast schon unheimlich.“ Ein schwaches Lächeln umspielte seine aufgesprungenen Lippen und für einen kurzen Augenblick hatte es den Anschein, als lichteten sich die dunklen Ringe unter seinen Augen. „ Vier Jahre sind ne’ verdammt lange Zeit.“ Er strich sich durch seine matten, wirren Haare und seufzte. „ Ich kann’s echt nicht glauben. Diesen Monat sind’s tatsächlich vier Jahre. Vier Jahre auf diesem verdammten Schiffen.“ Er biss sich auf die Lippen, wandte seinen müden Blick von der Kamera ab, blinzelte verunsichert über seine Schulter.
„ Ähem… ja… vielleicht, wenn das hier irgendjemand mal zu sehen bekommt. Ich…ähem… wurde darum gebeten unsere Geschichte… also, wir… wir kamen vor rund vier Jahren auf dieses Schiff. Dachten es sei ein Glücksfall. Ist es aber nicht. Dieses verdammte Ding bringt einem nichts als Tod. In den letzten vier Jahren habe ich mehr Leute zu Grabe getragen, als in den Jahren zuvor. Ne’ Schande ist das.“ Er grinste vielsagend. „ Mag sich jetzt vielleicht hart klingen, aber…man sollte von diesem Schiff verschwinden, solange man noch die Möglichkeit dazu hat.“

Seine Miene wurde wieder ernst und seine Augen verloren sich irgendwo hinter der Kamera, dort wo sie nicht hin konnte.
„ Ich habe viele meiner Freunde verloren“, sagte er mit ausdrucksloser Stimme, die in sich zusammenzusacken drohte. „ Und es werden bald noch mehr werden.“ Er seufzte betroffen, warf wieder einen nervösen Blick über seine Schulter und blickte- als er sich wieder umgedreht hatte- noch trauriger in die Kamera; in seinen haselnussfarbenen Augen schimmerten Tränen. Seine Stimme klang blechern, als er fortfuhr:
„ Es begann vor… vor vier Wochen. Das Schiff fiel aus dem Hyperraum, das Gate wählte sich automatisch an, wir stellten ein Team zusammen, erkundeten den Planeten, füllten unsere Vorräte auf, das wars. Alles war normal, bis…“ Er hielt inne, schien zu überlegen, ob es richtig war, was er tat. Man konnte den Konflikt sehen und dass es ihm schwer fiel, darüber zu sprechen. Immer wieder sah er über seine Schulter, als ob er fürchtete, rücklings überfallen zu werden.
„… bis das mit Lt. Matt Scott war“, fuhr er schließlich fort. „ Zuerst dachten wir, er hätte sich ne’ Erkältung eingefangen, als wir auf dem Planeten von einem starken Unwetter überrascht wurden. Carson gab ihm etwas, doch es wurde nicht besser. Es war unheimlich, zu beobachten, wie sich der Lieutenant immer mehr veränderte. Er hatte sich nicht mehr unter Kontrolle, es gab mehrere Übergriffe auf andere Crewmitglieder. Carson, Rodney und Sam taten ihr Bestes, um ihm zu helfen, doch…“ Er schluckte den Kloß hinunter, der in seinem Hals festzustecken schien. „…doch es war vergebens. Lt. Matt Scott verstarb sechs Tage, nachdem er von dem Planeten zurückgekehrt war. Wir dachten es sei vorbei, doch… da irrten wir uns.“

Er seufzte schwer und sein Blick löste sich von dem Nichtexistenten in der Ferne, fixierte wieder das Objektiv der Kamera. „ Vier Wochen ist das jetzt her und viele sind dem Lieutenant gefolgt. Elizabeth, Cam, Mike Branton… es würde zu lange dauern alle aufzuzählen. Rodney hat vorgeschlagen, die Übriggebliebenen auf den nächstbesten Planeten zu evakuieren, obwohl ich nicht weiß, was das bringen soll. Wir alle wissen, dass wir sterben werden müssen, doch keiner weiß, wen es als nächstes treffen wird. Ist wie Glücksspiel.“
Er lachte verbittert auf; sein Lachen klang wie ein kränkelnder Motor, der seine besten Zeiten schon längst hinter sich hatte.

„ So… sonst gibt’s eigentlich nichts mehr zu erzählen… außer, dass wir alle und langsam in blutrünstige Monster verwandeln, aber das ist in dieser Galaxie nichts Neues… wenn wir uns überhaupt noch in dieser Galaxie befinden. Gott weiß, was in den letzten vier Jahren alles passiert ist. Es würde mich schon interessieren, wie es auf Atlantis weitergegangen ist.“ Gedankenverloren kratzte er sich am Kinn.
„ Also…“, redete er dann weiter. „ Ich weiß nicht, wie viel dieses Ding aufnehmen kann, also… vielleicht noch ein paar persönliche Sachen zum Schluss. Mein Sohn…“- Ein breites Lächeln zuckte über sein Gesicht und seine Augen begannen zu funkeln- „… er wird morgen zwei Jahre alt. T.J ist ein klasse Junge und ich bin froh, dass ich ihn habe.“ Er rümpfte die Nase, das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht. „ Er ist das Einzige, was mir von…“

John zuckte zusammen, als die Aufnahme urplötzlich abbrach und der Monitor, den er in seinen leicht zitternden Händen hielt, sich verdunkelte.
„ Tut mir leid, aber das war alles“, hörte er Rodney sagen und spürte Elizabeths Hand auf seiner Schulter. Er sah nicht zu ihnen auf, starrte stattdessen weiter auf den dunklen Bildschirm, spielte die Aufnahme noch einmal in seinem Kopf ab.
Was auch immer mit seinem zweiten Ich und seinen Freunden passiert war… es konnte ihnen ebenso widerfahren!
Gegen das dumpfe Gefühl in seinem Kopf ankämpfend sah er zu Rodney auf, der erwartungsvoll zu ihm hinunterblickte. „ W…wer ist in den anderen…“
Rodney schien zu merken, dass es ihm schwerfiel das Wort „ Särge“ zu gebrauchen, signalisierte ihm mit einem schnellen Nicken, dass er verstanden hatte.
„ So wie es aussieht, sind nur zwei weitere aktiv“, antwortete er. „ Von dem einen geht nur ein schwaches Energiesignal aus. Das System steht kurz vor dem Zusammenbruch.“
„ Was ist mit dem anderen?“, fragte Elizabeth.
„ Das Signal ist stärker, aber nicht nur unmerklich. Beide Systeme arbeiten schon seit etlichen Jahren.“ Rodney schüttelte mit dem Kopf. „ Ich kann nicht sagen, wie lange sie noch mit Energie gespeist werden können.“
„ Können wir Sie nicht einfach öffnen, um zu sehen wer drin liegt?“, fragte Ronon. „ Ich meine, wir könnten doch…“

„ Nein.“ John war allein der Gedanke, noch eine dieser Bestien freizulassen, zuwider. Er wollte nicht noch mehr aufs Spiel setzen, schüttelte deswegen konsequent mit dem Kopf. „ Nein, das werden wir nicht tun.“
„ Wir sollten an unser eigener Wohl denken“, stimmte Elizabeth ihm zu. „ Es ist zwar davon auszugehen, dass sie uns nicht sonderlich viel anhaben können, aber ich möchte das Risiko nicht eingehen.“
„ Sollten wir sie nicht von hier wegschaffen?“, wandte Col. Mitchell ein. „ Sie scheinen die größten Energiefresser zu sein und da…“
Rodneys nervöses Schnipsen unterbrach ihn. „ Ich sage es nicht gerne, aber der Colonel hat Recht. Es könnte mir gelingen, sie vom Energiekreislauf abzukapseln und dann könnten wir sie problemlos…“
„ …entsorgen?“, beendete Ronon seinen Satz.
„ Ich hätte es anders gesagt, aber…ja.“ Rodney verdrehte schwach die Augen.
„ Es gilt immer noch zu bedenken, dass es sich dabei höchstwahrscheinlich um Mitglieder der Expedition handelt“, sagte Elizabeth und runzelte ihre Stirn. „ Ich befürchte, dass wir das nicht ignorieren können. Auch wenn sie nicht mehr die sind, die sie in den Augen der anderen einmal waren… sie haben trotzdem nicht so ein Ende verdient. Rodney, wann erreichen wir den nächsten Planeten?“
„ Hhm, gute Frage… den Daten des Schiffes zufolge, müssten wir in etwa einer Woche aus dem Hyperraum fallen“, antwortete der Kanadier und lächelte ein stilles Lächeln. „ Aber Sie wissen ja, dass darauf nicht sonderlich Verlass ist.“
Elizabeth nickte. „ Ich möchte, dass alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen werden.“

Es spielte sich alles wie ein Schwarzweißfilm vor seinen Augen ab: Seine Freunde diskutierten darüber, wie sie den Personen- wenn man sie überhaupt noch so nennen konnte- in den Särgen die letzte Ehre erweisen konnte. Elizabeth wies Mitchell und Rodney an, dass sie sich um alles weitere kümmern sollten und ging dann- Mitchell begleitete sie.
Rodney schnappte sich seinen Computer und machte sich an die Arbeit. Ronon sah ihm ein paar Minuten dabei zu, ging dann aber auch. Teyla war von Vala hinausbegleitet worden, bevor die Aufnahme gestartet wurde.

In sich zusammengesunken John einfach nur da, den Monitor noch immer in den Händen haltend, und ließ die vergangenen Minuten und die Aufnahme seinerselbst noch einmal Revue passieren. Mit den Worten seines zweiten Ichs hatte er nicht besonders viel anfangen können: Er war ein normaler Mann gewesen, so wie er. Sie beide hatte dasselbe Schicksal ereilt, nämlich auf diesem Schiff festzusitzen, ohne zu wissen, was wohl als nächstes passieren würde.
Aber wo er genauer darüber nachdachte, erkannte John, dass der „Andere“ vielleicht doch die schlechtere Karte gezogen hatte: Er wusste, dass er und alle seine Freunde sterben würden. Er wusste, dass sein… Sohn sterben würde.
John hatte verdutzt aufgeblickt, als sein zweites Ich von seinem Sohn zu sprechen begann; er schien doch ein anderes Leben zu führen, als er selbst. Vielleicht hatte das ja auch etwas zu bedeuten…

Mit einem leisen Seufzen legte John den Monitor weg und erhob sich schwerfällig. Er hörte, wie Rodney kurz von seiner Arbeit abließ und ihn anstarrte.
„ Alles in Ordnung?“, fragte der Kanadier.
„ Wie würde es Ihnen gehen, wenn Sie an meiner Stelle wären?“, fragte John zurück, bedachte seinen Freund mit einem eindringlichen Blick. „ Wenn Sie mich brauchen… ich bin in meinem Quartier.“ Langsam drehte er sich um, ging, wartete nicht mehr auf Rodneys Reaktion. Er hatte einiges, worüber er nachdenken wollte. Und da gab es etwas, was schwer auf seinem Herzen lastete…

TBC
Hello and Goodbye, Part I by Ailya
Bisher hatte sie immer ihre Zeit gebraucht, um Leuten vertrauen zu können. Sie wollte sie immer erst kennenlernen, bevor sie sich mit ihnen einließ. Sie wollte immer erst mehr über sie wissen, bevor sie sie an sich heranließ. Nein, sie war nicht die Art von Person, die sofort jedem ihr Vertrauen schenkte- das musste man sich erarbeiten, man musste sich es verdienen.

Doch bei Vala Mal Doran war es anders gewesen. Sie hatte die flippige Schwarzhaarige erst einmal gesehen und sie war ihr sofort sympathisch gewesen. Vala hatte ein durchweg freundliches Wesen, war stets gut gelaunt und zu Scherzen aufgelegt. Doch wenn man sie darum bat, konnte sie auch eine gute Zuhörerin sein. Sie konnte einen trösten, wenn man traurig war und sie konnte aufmuntern, wenn man entmutigt war.

Teyla mochte das Energiebündel von SG1 und unterhielt sich gern mit ihr, obwohl Vala das krasse Gegenteil ihrerselbst war. Vala lachte gern und viel, hielt sich nur selten zurück und es kam schon mal vor, dass ihr eine flapsige Bemerkung über die Lippen rutschte, wenn ihr etwas nicht passte. Da kannte Vala kein Pardon!
Sie war eine eigenwillige Person, die genau wusste, was sie wollte und auch nichts unversucht ließ, um ihren Willen zu bekommen oder durchzusetzen.
Und das gefiel Teyla an ihr. Sie selbst war eher zurückhaltend, hatte kein so lockeres Mundwerk wie die Schwarzhaarige und war längst nicht immer so gut gelaunt wie sie. Sie beide waren eigentlich wie Feuer und Wasser, passten aber dennoch perfekt zusammen.
Der Gedanke war abwegig- das wusste Teyla-, doch das war ihr egal. Sie mochte Vala, auch wenn ihre direkte Art manchmal etwas… gewöhnungsbedürftig war.


Und so war Teyla auf froh darüber, dass ihr Vala jetzt zur Seite stand; sie hatte ihr einen Arm um die Taille gelegt und stützte sie, obwohl das nicht nötig war. Sie hatte die ganze Zeit neben ihr gesessen und ihr aufmunternd entweder über den Rücken gestrichen oder ihr auf die Schulter geklopft.
Das alles war eigentlich nicht nötig gewesen, dennoch empfand Teyla Dankbarkeit dafür. Es war ein tolles Gefühl zu wissen, dass jemand für sie da war.


„ Nun“, meinte Vala, als sie auf den Korridor traten, wo sich die Quartiere befanden und wo es passiert war. „ Ich wusste gar nicht, dass Sie und der Colonel ein Paar sind.“
Teyla schluckte und verlangsamte das Tempo. Sie wusste, worauf Vala hinaus wollte: Sie wollte ihr helfen, dass Geschehene zu verarbeiten, obschon es vielleicht nicht danach klang.
„ Wir sind kein Paar“, erwiderte sie schnell. „ Wie kommen Sie da rauf, dass wir…“
„ Ach, nur so.“ Vala passte sich ihrem Tempo an, schien zu merken, dass der Korridor unangenehme Erinnerungen hervorrief.

Teyla spürte, wie ihr jeder Schritt schwerer fiel und wie ihr Herz wild in ihrem Brustkorb zu schlagen begann. Obwohl sie und Vala alleine waren… Die Erinnerungen reichten aus.
Sie hatte genaugenommen nichts Schlimmes getan, aber dennoch tat es ihr weh, sich daran zurückzuerinnern. Ihr Magen krampfte sich zusammen und ein eiskalter Schauer lief an ihrem Rücken hinab, als sie beide die Stelle passierten, wo er Zähne fletschend und wild knurrend von Ronon niedergeschossen worden war.
Teyla presste die Lippen zusammen, als die Bilder vor ihren Augen auftauchten; das wilde Flackern in seinen Augen, das furchterregende Knurren aus seinem Brustkorb, die gekauerte Angriffsposition- das alles, war nicht John gewesen, obwohl er versucht hatte, sie davon zu überzeugen.
Eigentlich hätte sie es gleich merken müssen. Schon als er plötzlich hinter ihr aufgetaucht war, als sie diesen seltsamen, betörenden Duft wahrgenommen hatte und als er sie mit seinen eiskalten Fingern berührt hatte. Sie hätte es dort schon merken müssen! Sie hätte merken müssen, dass etwas nicht stimmte! Doch stattdessen hatte sie sich hinreißen lassen. Er hatte sie schamlos um den Finger gewickelt. Gott weiß, was hätte passieren können.
Auf einmal verspürte Teyla eine große Dankbarkeit. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, was hätte passieren können, wenn Ronon nicht gekommen wäre. Allein der Gedanke daran war angsteinflössend.
Sie klammerte sich fester an Valas Arm, was die Schwarzhaarige mit einem freundlichen Lächeln quittierte.

Sie beide hatten ihr Quartier schon fast erreicht, als sie eine Stimme ereilte, die Teyla das Blut in den Adern gefrieren ließ. Vala registrierte das und spähte misstrauisch über ihre Schulter.
„ Colonel, was für eine Überraschung“, sagte sie voller Missgunst. „ Was verschafft uns die Ehre?“
„ Kann ich Teyla allein sprechen?“, hörte sie ihn fragen und spürte, wie sich Valas Griff im nächsten Augenblick verstärkte.
„ Ich denke nicht, dass sie…“
„ Bitte.“ In seiner rauen Stimme lag Nachdruck. „ Bitte lassen Sie mich allein mit ihr sprechen.“
„ Ich komme schon allein klar“, sagte Teyla zu Vala, die sie daraufhin fragend ansah und ihre Stirn runzelte. „ Wirklich. Gehen Sie.“
Die Falten auf Valas Stirn wurden noch tiefer. Sie schien nicht glücklich mit der Situation zu sein, nickte dann aber.
„ Rufen Sie mich, wenn Sie irgendetwas brauchen oder wenn…“- Sie hob den Blick, sah ihn an-„… irgendetwas sein sollte.“
Teyla lächelte schwach. „ Danke, Vala. Ich bin Ihnen etwas schuldig.“
„ Sie schulden mir rein gar nichts“, erwiderte die Schwarzhaarige und verabschiedete sich dann.

Kaum war sie gegangen, glaubte Teyla in ein tiefes schwarzes Loch zu fallen. Vala positive Energie und ihre Wärme war mit ihr gegangen. Eine unangenehme Stille breitete sich aus, schien alles zu verschlingen, was sich ihr in den Weg zu stellen wagte.
„ Wollen wir nicht weitergehen?“, fragte er.
Teyla wollte dem Drang widerstehen, doch vermochte es nicht. Sie hob langsam ihren Kopf, bis sie in seine haselnussfarbenen Augen blickte.
„ Ich wollte schon viel früher nach dir sehen“, sagte John verlegen drein blickend. Er schien nicht recht zu wissen, was er sagen sollte. Ein flüchtiges Lächeln blitzte auf und er fuhr sich nervös durch seine wirren Haare- so, wie er es immer tat, wenn er nicht weiter wusste.

Teyla starrte ihn weiter ein. So viele Gedanken schossen durch ihren Kopf, doch sie wusste sie nicht in einem Satz zusammenzufassen, der dann auch noch Sinn ergeben sollte.
„ Und warum hast du es nicht getan?“, wollte sie wissen.
„ Ich war mir nicht sicher, ob du mich auch sehen wolltest“, antwortete John. „ Ich war mir nicht sicher, ob es nicht zu früh…“
„ Es ist schön, dass du doch noch gekommen bist“, fiel Teyla ihm ins Wort, ehe er die Unterhaltung auf das Thema lenken konnte. Doch das schien unausweichlich zu sein.

John schien sich nicht wohl zu fühlen; zum zweiten Mal innerhalb einer Minute spähte er über seine Schultern hinweg. Als er sich wieder umwandte, hatte er die Lippen fest aufeinander gepresst und eine Miene aufgesetzt, die sich aus irgendeinem Grund nicht deuten ließ.
Ist irgendwas, wollte Teyla fragen, hielt stattdessen die Luft an, als John ihr einen Arm um die Taille legte und sie sanft vorwärts schob. Sie spürte Panik in sich aufsteigen und ihr Atem ging schneller.
Ihre Reaktion blieb ihm nicht verborgen; schnell ließ er sie wieder los und wandte seinen Blick. „ `Tschuldigung, ich wollte nicht…“
„ Schon gut, John. Es ist nicht schlimm“, versicherte ihm Teyla, obwohl sie sich nicht sicher war, ob sie diese Worte überhaupt ernst meinte.
„ Hör zu“, setzte John an, „ ich….ähem… ich wollte mich nur bei dir entschuldigen, was da vorhin…passiert ist. Es tut mir leid.“
Teyla schüttelte mit dem Kopf. „ Du musst dich nicht schuldig fühlen. Es ist doch nicht deine Schuld gewesen.“
John stimmte in ihr Kopfschütteln ein. „ Nein, Teyla, nein. Es fühlt sich aber so an. Du kannst mir sagen, was immer du willst. Die anderen können sagen, was immer sie wollen. Das ändert nichts daran, dass ich mich für das verantwortlich fühle, was…er getan hat. Kannst du das verstehen?“
Teyla nickte. „ Ich verstehe das.“ Diesmal tat sie es wirklich. Sie wusste zwar ebenso gut wie er, dass es nicht seine Schuld gewesen war, aber sie konnte sich genauso gut vorstellen, wie er sich jetzt fühlen musste. Wahrscheinlich hätte sie sich so ähnlich gefühlt- miserabel, schuldig, betroffen.

„ Er hat dir doch nicht wehgetan, oder?“ Seine Frage riss sie aus ihren Gedanken und sie realisierte, dass sie beide sich nicht mehr auf dem Korridor befanden, sondern in ihrem Quartier.
„ Wie bitte?“
„ Hat er dir… ähem…wehgetan?“, wiederholte John seine Frage verlegen, unterstrich sie mit einer wirren Handbewegung. „ Ich meine…“
„ Nein.“ Teyla schüttelte mit dem Kopf. „ Nein, er hat nichts dergleichen getan.“
„ Oh, gut.“ Ihre Antwort schien ihn sichtlich zu beruhigen, aber dennoch flackerte da immer noch eine gewisse Sorge in seinen haselnussfarbenen Augen.
Teyla kannte ihn schon lange genug, um zu wissen, was das zu bedeuten hatte. Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter. „ Er hat mir nichts getan, John. Wirklich.“
Er schüttelte mit dem Kopf. „ Das habe ich nicht bezweifelt. Es ist nur… naja, als ich auf dem Weg hierher war, hat Ronon mich abgefangen.“

Nein. Teyla seufzte. Es gab keine Person, deren Freundschaft sie mehr schätzte, als Ronon, aber manchmal… Der Sateder redete nicht besonders viel, aber wenn er es tat, dann tat er es richtig.
„ Also… er hat mir erzählt, was zwischen dir und… dem anderen passiert ist“, sagte John ruhig.
Was hatte Ronon ihm erzählt? Teyla wusste nicht, wie lange Ronon da gestanden und sie beobachtet hatte. Er hatte ein hitziges Temperament und wenn es darum ging, sie oder ein anderes Teammitglied- selbst Rodney- zu beschützen, fackelte der Sateder nicht lange. Was auch immer er gesehen hatte…
„ Es war…“, setzte Teyla zur Antwort ein, doch die Worte entfielen ihr, kaum dass sie den Mund aufgetan hatte. Was sollte sie ihm schon groß erwidern? Das, was er eh schon wusste?
„ Du musst dich vor mir nicht rechtfertigen.“ Johns Stimme war noch immer ruhig und er klang noch immer beherrscht, doch sie sah seine Hände zittern.
Er bemerkte ihren Blick, ließ seine Hände in den Hosentaschen verschwinden.
„ Darf ich dir eine Frage stellen?“
Teyla nickte. „ Natürlich darfst du das.“
„ Versprichst du mir, ehrlich darauf zu antworten?“
„ Warum sollte ich…“
„ Versprich es mir“, unterbrach John sie energisch. „ Versprich mir, dass du ehrlich antwortest, was auch immer ich frage.“
Sie konnte seinem durchdringenden Blick nicht ausweichen oder gar standhalten, deshalb nickte sie. „ Ich verspreche es dir.“

John, der bis jetzt einen gewissen Abstand gewahrt hatte, machte einen zögerlichen Schritt nach vorne. Er sah ihr dabei direkt ins Gesicht und ließ ihr keine Chance, ihren Blick abzuwenden.
„ Warum hast du das gemacht?“, fragte er. „ Warum hast du ihn gewähren lassen?“
Teyla sah ihn irritiert an, merkte wie ihr Herz wild zu flattern anfing und gegen ihren Brustkorb hämmerte. „ Ich verstehe nicht.“
„ Du kannst mir nicht weismachen wollen, Teyla, dass du keine Ahnung hattest.“
„ Du unterstellst mir, dass ich nicht unterscheiden kann? Ist es das?“, fragte sie.
„ Ich will dir gar nichts unterstellen“, entgegnete John. „ Das war nur eine Frage.“
„ Und du verlangst von mir darauf zu antworten?“ Teyla schüttelte mit dem Kopf.
„ Du hast mir eine ehrliche Antwort versprochen“, erinnerte er sie. „ Also, warum? Warum hast du das getan?“

Teyla schluckte ihre in ihr aufkeimende Wut wieder herunter. Er hatte es nicht verdient, dass sie ihn anherrschte, zumal das eine berechtigte Frage war. Warum hatte sie das getan?
Sie forschte in ihrem Gedächtnis und zuckte dann zusammen; die Antwort erschrak sie.
„ Ich… ich dachte…“
John machte einen Schritt auf sie zu, dann noch einen und noch einen, bis er direkt vor ihr stand. „ Was dachtest du, Teyla?“
Die Antwort war simpel, aber dennoch sträubte sich irgendwas in ihr, sie auszusprechen.
„ Ich dachte…“ Teyla blickte ihm in seine Augen. „ Ich dachte, du seiest es gewesen.“
Die Antwort schien ihn nicht sonderlich zu überraschen, trotzdem schüttelte John mit dem Kopf. „ Ich war es aber nicht. Hättest du es auch getan, wenn du gewusst hättest, dass ich es nicht bin?“
Teyla neigte ihren Kopf zur Seite. Die Antwort lag ihr auf der Zunge, doch auf einmal kam es ihr vor, als ob dieser süßliche Duft ihr wieder in die Nase stieg. Erschrocken fuhr sie zusammen. Nein, das konnte nicht sein.
Sie sah ihn an, streckte ihre Hand vorsichtig nach ihm aus. Wenige Millimeter von seinem Gesicht entfernt, hielt sie inne. „ Darf ich?“
John nickte nur verwundert.

Vorsichtig glitt Teyla mit ihrem Zeigefinger über seine Wange… und seufzte erleichtert auf. Seine Haut war warm, nicht eiskalt. Sie kribbelte unter ihren Fingerkuppen. Die Wärme zog sich durch ihre Finger, wanderte ihre Hand hinauf und verlor sich in ihrem Arm.
Teyla war erleichtert. Einen Moment lang hatte sie befürchtet gefangen in einem schlechten Traum zu sein, doch dem war nicht so.
„ Darf ich noch etwas probieren?“, fragte sie ihn.
„ Was willst du probieren?“, fragte John zurück und runzelte die Stirn.
„ Ich will nur etwas… überprüfen“, antwortete sie mit einem Lächeln und legte ihren Finger auf seine Lippen. „ Halt still.“

Er hielt still, bewegte sich nicht, machte keinen Mucks, als sie mit ihrem Finger über sie Lippen strich; sie waren auch warm.
Ihr Atem fing an zu flattern und sie hatte das Gefühl, ihr Herz würde aus ihrer Brust springen, so wild schlug es.
Teyla schloss ihre Augen, als sie sein Gesicht zwischen ihre Handflächen legte und mit ihren Lippen über die seinen wanderte. Sie berührten einander nicht, dennoch spürte sie die Wärme, die er ausstrahlte, auf ihrer Haut kribbeln.
„ Überprüfung abgeschlossen?“, hörte sie John wispern und der spitzbübische Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören. Teyla schlug ihre Augen wieder auf. Ihre Blicke trafen sich, seine Augen blitzten.
Sie schüttelte mit dem Kopf, was er voller Wohlwollen und mit einem schiefen Lächeln aufnahm.
„ Nein“, hauchte sie gegen seine Lippen. Ihre Mundwinkel umspielte ein Lächeln, als sie den ersten Knopf seines Uniformhemds öffnete. „ Nein.“
John ließ sie für einen kurzen Moment gewähren, umfasste jedoch dann ihre Hand mit seiner, legte einen Finger unter ihr Kinn und hob es an, sodass sie ihm in die Augen sehen konnte.

Ihre Gesichter waren nur wenige Millimeter voneinander entfernt, ihre Nasenspitzen berührten einander. Sein Atem kitzelte über ihre Lippen und über ihre Haut, als er sprach.
„ Ist es wirklich das, was du willst?“, säuselte er.
Teyla nickte. „ Denkst du, ich hätte es soweit kommen lassen, wenn ich es nicht wollte?“ Sie lehnte ihre Stirn gegen seine.
„ War nur eine Frage“, erwiderte John und lächelte, küsste sie zärtlich auf die Nasenspitze. Er ließ dabei den obersten Knopf ihres dunklen Tops durch seine Finger gleiten.
„ Ich will es“, erwiderte sie und diesmal entsprach es der Wahrheit. Es war keine Lüge gewesen! Sie machte sich nichts selbst vor. Nein, sie wollte es wirklich!
Die letzten Stunden- wenn es nicht sogar schon Tage waren- und das ewige Auf und Ab ihrer Gefühle hatten gehörig an ihren Nerven gezerrt. Nachdem, was alles passiert war, sehnte sie sich nach Geborgenheit und Zuneigung. Und sie wusste auch, wo sie danach zu suchen hatte…

Ihr Bettlaken erschien Teyla nun nicht mehr so kratzig wie noch vor ein paar Stunden und es fühlte sich angenehm kalt unter ihrem Rücken an, als sie sich auf das Bett sinken ließ. Mit den Ellenbogen nach Halt suchend rutschte sie auf der Matratze ein kleines bisschen höher, schob die zwei, im Moment nur störenden Kissen beiseite.

Als Johns Lippen ihren Hals und schließlich auch ihren Oberkörper und ihren Bauch mit zarten Kuss bedeckten, legte Teyla ihren Kopf in den Nacken und registrierte zum ersten Mal, das riesige Panoramafenster, das in die Wand über ihrem Bett eingearbeitet war. Der schwache Schein der vorbeifliegenden Sterne warf wilde Schatten auf Johns breite Schultern und auf den Rest seines Körpers.
Teyla fuhr mit ihren Fingern durch seine, in diesem Licht matt schimmernden schwarzen Haare und stellte fest, dass sie sich zum ersten Mal, seit sie auf dieses Schiff gekommen war, richtig wohl fühlte. Johns Wärme gab ihr Geborgenheit und sein sinnlicher Kuss zeugte von Zuneigung- beides etwas, wonach sie sich in den letzten Stunden gesehnt hatte. Und nun hatte sie nicht nur das gefunden, sondern viel mehr…

'Du solltest dich nicht verrückt machen. Genieße es lieber', flüsterte ihre innere Stimme gerade in dem Augenblick, als sie Johns warme Lippen wieder auf den ihren spürte.

+++++++++++


Elizabeth seufzte, als sie sich auf das Bett sinken ließ. Einhändig schob sie die schwere Bettdecke beiseite und legte ihren schweren Kopf auf das Kissen. Das Bettlaken war etwas kratzig und staubig und die Kissen und die Bettdecke hatten ihre besten Zeiten auch schon längst hinter sich gelassen, doch das interessierte sie jetzt nicht.
Der Tag schien nicht enden zu wollen und sie war hundemüde. Es war so viel passiert, da waren ein paar Stunden doch wohl nicht zu viel verlangt.

Sie zog sich die schwere Bettdecke bis unter die Nasenspitze und sah aus dem riesigen Fenster, das über ihrem Bett war. Die Sterne flogen vorbei, zogen ein jeder einen hell leuchtenden Schweif hinter sich her.
Elizabeth musste lächeln. Damals, als sie noch klein war, hatte ihr Vater ihr immer Geschichten von Astronauten und von anderen Planeten erzählt. Sie hatte ihm immer gerne zugehört. Vor allem aber seinen tollen Geschichten. Sie hatte sie gemocht… viel lieber als Geschichten über Prinzessinnen, verzauberte Prinzen und über Märchenschlösser. Das war nicht ihr Ding gewesen.

Leb deinen Traum, Liz, hatte ihr Vater immer zu ihr gesagt. Sie hatte seinen Ratschlag befolgt, hatte ihren Traum gelebt. Allein der Anblick der an ihrem Fenster vorbeifliegenden Sterne verriet ihr, dass sie es tatsächlich geschafft hatte.
Sie liebte ihren Job und sie wollte ihn um nichts in der Welt missen. Er war mit Abenteuer verbunden und das gefiel ihr. Ihr gefiel auch, dass sie dank ihm in den vergangenen drei Jahren so viele neue Freunde gewonnen hatte. Freunde, die sie wirklich schätzte und ohne die sie sich ihr Leben nicht vorstellen konnte.

Elizabeth seufzte noch einmal tief, lächelte dann zufrieden und schloss ihre müden Augen. Ja, sie hatte bisher echt Glück in ihrem Leben gehabt… wenn man davon absah, dass sie scheinbar unfähig war eine längere, feste Beziehung zu führen.
Simon. Der Gedanke an ihren Exfreund schmerzte noch immer, aber so langsam glaubte sie damit durch zu sein. Es gab noch andere Männer. Vielleicht nicht gerade auf Atlantis, aber irgendwo wartete sicher Mr.Right.

„ Dr. Weir, hier Col. Mitchell. Bitte melden Sie sich!“ Die Stimme des Colonels ließ sie zusammenzucken und von ihrer Matratze hochfahren. Wie im Trance griff sie nach ihrem Head-Set.
„ Ich höre, Colonel. Was ist los?“
„ Sie sollten sich unverzüglich im Gateraum einfinden“, antwortete Mitchell. „ Dr. McKay meint, das Schiff sei soeben aus dem Hyperraum gefallen.“
„ Jetzt schon?“ Elizabeth klang verwundert. „ Ich dachte erst in einer Woche…“
„ McKay meinte nur irgendwas von, Zeit habe hier keine Bedeutung mehr“, entgegnete Mitchell und man konnte hören, dass er schmunzelte. „ Sie sollten auf jeden Fall so schnell wie möglich kommen. Es scheint, als wüsste das Schiff, dass wir auf diesen Planeten wollen.“
„ Was meinen Sie damit, Colonel?“
„ Nun ja, es ist schwer zu erklären“, klang durch ihr Head-Set. „ Das Gate hat sich gerade selbst angewählt.“

Elizabeth zuckte zusammen und sprang geschickt auf die Beine. Tja, da hatte der Schlaf halt noch zu warten.
„ Ich komme sofort“, sagte sie. „ Informieren Sie bitte noch Col. Sheppard.“
„ Das habe ich versucht, Ma’am“, erwiderte Mitchell. „ Er ist nicht erreichbar.“
Sie nickte. „ Er wird sich hingelegt haben, nachdem was heute alles passiert ist. Ich werde jemanden nach ihm schicken.“
„ Ja, Ma’am.“
„ Okay, ich bin in ein paar Minuten da. Weir Ende.“ Sie beendete die Funkverbindung und schlüpfte in ihr Uniformsjackett. Zeit schien auf diesem Schiff in der Tat keine Bedeutung zu haben, ebenso wenig, wie Privatsphäre.

TBC
Hello and Goodbye, Part II by Ailya
Liebe ist die Bezeichnung für die stärkste Zuneigung, die ein Mensch für einen anderen Menschen zu empfinden fähig ist. So stand es jedenfalls im Internet

Wenn er jetzt so darüber nachdachte, fragte er sich, ob er so etwas je zuvor in seinem Leben gespürt hatte. Natürlich verband er etwas mit dem Wort Liebe, doch wenn man ihn fragen würde, ob er je innige Liebe verspürt hatte…
Er glaubte den Grund für seine Unfähigkeit Liebe mit Erinnerungen zu verbinden, in seiner Kindheit zu finden. Es war ihm schon damals immer schwer gefallen, Gefühle auszudrücken… vielleicht, weil man ihn so erzogen hatte.
Seine Mutter war die einzige Person, die er mit dem Wort „Liebe“ verband. Sie war die Reinkarnation der Liebe gewesen, das liebenswerteste Geschöpf, das er je gesehen hatte. Seine Mutter war in vielerlei Hinsicht das perfekte Vorbild gewesen und so hatte es ihn tief getroffen, als sie auf so tragische Art ums Leben gekommen war; sein Bruder Dave war damals fünfzehn gewesen, er siebzehn.

Sein Vater- nicht gerade die Person, die er mit dem Wort „Liebe“ verband. Er war oft unterwegs gewesen, manchmal sogar monatelang. Was er auf diesen „Dienstreisen“ unternahm, konnte er damals nur erahnen und als zwei seiner Geschäftspartner sich hinter seinem Rücken über die „feuchtfröhliche Eskapade in Moskau“ unterhielten wurde ihm eines klar: Sein Vater vergnügte sich lieber mit Hostessen oder anderen billigen Flittchen, als sich um ihn und seinen Bruder zu kümmern.
Wenn der Vater einmal zu Hause war, hatte er sich immer zurückgezogen. Sein Bruder war da ganz anders gewesen; er war ihrem Vater immer um den Hals gefallen und hatte gute Miene zum bösen Spiel aufgesetzt.

Die seltenen Besuche seines Vaters endeten fast immer in einem Streit, der das ganze Haus erzittern ließ.
Du hast den Sturrkopf deiner Mutter geerbt, hatte er immer geschrieen. Es waren hitzige Diskussionen gewesen, die meist darin gipfelten, dass einer von ihnen beiden wutentbrannt das Haus verließ. Da war keine Liebe zwischen ihm und seinem Vater gewesen… noch nicht einmal annähernd.

Eine der schönsten Seiten der Liebe- das Verliebtsein- lernte er in der Highschool kennen. Ihr Name war Pamela McGee; lange blonde Haare, verträumte eisblaue Augen, ein nettes Lächeln, schlanken Körperbau und Beine, die bis sonst wo hinreichten. Sie war seine erste große Liebe, war fast dreieinhalb Jahre mit ihm zusammen gewesen, bis ihr Vater in eine andere Stadt versetzt worden war und sie mit ihm gehen musste.
Danach- während seiner Collegezeit- folgten viele weitere: Susan, Therese, Rachel, Ashley, Sam, Kitty, Sarah… um nur einige zu nennen. Alle seine Beziehungen hielten nicht länger als höchstens drei Monate, die meisten waren nur Bettgeschichten, die er schnell wieder vergessen wollte.
Und darin lag sein Problem. Er fürchtete sich vor seinen eigenen Gefühlen! Und zwar so sehr, dass er vor ihnen davon lief. Immer wenn es in einer Beziehung „ernst“ zu werden drohte, lief er davon. Damals wusste er noch nicht einmal, warum er das tat, doch heute wusste er es: Er hatte Angst verletzt zu werden, wie schon sooft in seinem bis dahin recht kurzen Leben.

Doch dann kam Nancy Emmerson. Er lernte sie auf einem Empfang kennen, auf den ihn sein Vater mitgeschleppt hatte. Mr. Emmerson war ein Geschäftspartner seines Vaters und so sahen es beide nur zu gern, dass ihre Kinder miteinander anbändelten.
Sie beide waren damals jung gewesen- er war 23 Jahre alt, sie gerade einmal 20. Nancy war hübsch- das ließ sich nicht verleugnen: Sie hatte lange dunkle Haare und geheimnisvolle braune Augen, in denen er sich immer verloren hatte, wenn sie zusammen waren. Ihr Gesicht war hübsch und im Gegensatz zu den anderen so genannten „Collegeschönheiten“, wie zum Beispiel die Cheerleader, hatte sie sogar was im Kopf.

Er lernte sie schätzen und schließlich auch lieben. Doch er hätte erkennen müssen, dass ihre Hochzeit nur ein genialer Schachzug ihrer beider Väter gewesen war. Es hatte ihn auch gewundert, dass sein Vater mit dieser Ehe einverstanden gewesen war. Sie beide waren nur Marionetten ihrer Väter gewesen- sein Vater wollte sich seinen lukrativen Kunden nicht durch die Lappen gehen lassen und ihr Vater benutzte sie, um seinen Geschäftspartner zappeln zu lassen.
Schon bald nach ihrer Hochzeit hatten sie erkannt, dass man auf der Basis von oberflächlichen Gesprächen und Sex keine Ehe führen konnte. Es ging einfach nicht.

Der Tag, an dem er zu seinem Vater ging und ihm erklärte, dass er sich von Nancy scheiden lassen wollte, war der Tag, an dem er entschied zur Air Force zu gehen.
Damals glaubte er, es sei das richtige für ihn- man musste nicht über Gefühle oder gar über Liebe reden. Perfekt!
Doch auch hier merkte er schnell, dass ihm Entscheidendes fehlte. Er vermisste Zuneigung und Geborgenheit. Die Zeit der One-Night-Stands mit Kolleginnen begann…

Wenn er jetzt so auf sein Leben zurückschaute, konnte er durchweg behaupten, dass man ihn nicht dazu erzogen hatte zu lieben. Seine Mutter hatte es versucht, sein Vater hatte ihn geprägt und die Enttäuschungen in seinem Leben hatten ihn niedergeschmettert. Er lief seinen Gefühlen davon. Er ließ sie nicht zu. Er hatte es schon immer getan. Seit jeher. Warum sollte es dieses Mal anders sein? Warum sollte er diesmal zulassen, dass seine Gefühle ihn leiteten und nicht sein Verstand?

John lag auf dem Rücken und starrte die Decke an. Sein Kopf rauchte von dem ganzen Nachdenken, also beschloss er es sein zu lassen.
Er schloss seine Augen und seufzte leise. Das Brummen des Antriebs dröhnte in seinen Ohren und das Knacken in den Schiffswänden ließ ihn fortan zusammenzucken.
Er fröstelte leicht, obwohl sein ganzer Körper mit feinem Schweiß bedeckt war. Seine Zehen drohten einzuschlafen, deswegen bewegte er sie schnell. Das Rascheln der Bettdecke, die locker oberhalb seiner Hüften auflag, war zu hören.
Er seufzte wieder, verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und schaute zu dem Fenster hinauf, welches sich über dem Bett befand; es war riesig, ein Panoramafenster. Man konnte wirklich alles sehen. Die Sterne sausten nun nicht mehr in wahnwitziger Geschwindigkeit vorbei, was ihm verriet, dass das Schiff wohl aus dem Hyperraum gefallen sein musste.
Er fragte sich, ob es nicht vielleicht besser war, wenn er sein Headset wieder einschaltete. Nur für den Notfall, natürlich…

„ Sag mir, worüber denkst du nach?“ John legte seinen Kopf auf die rechte Seite und starrte in Teylas braune Augen; die Athosianerin lag auf der Seite, ihren Kopf in ihre Hand gestützt, die Augen aufmerksam auf ihn gerichtet.
„ Über Vergangenes“, antwortete er, streckte seine Hand nach ihrem Gesicht aus und fuhr mit dem Finger über ihre Wange.
„ Hat es sich gelohnt?“, fragte sie, ihr warmes Gesicht gegen seine Handfläche lehnend.
John schüttelte mit dem Kopf. „ Über so etwas lohnt es sich nicht nachzudenken.“ Er hörte ein leises Rascheln, sah Teyla näher zu sich heranrutschen. Der Rest der Bettdecke hatte ihren schlanken, fein mit Schweiß benetzten Körper umhüllt. Ihre rostbraunen Haare fielen ihr locker und ein kleines bisschen zerzaust auf ihre nackten Schultern.
„ Wie kannst du dir da so sicher sein?“, fragte sie und strich mit ihren Fingerkuppen über seine Brust, ohne dabei ihren Blick von seinem Gesicht loszureißen.
„ Gute Frage.“ John lächelte. „ Es sind keine schönen Erinnerungen gewesen, also denke ich nicht weiter darüber nach.“
„ Hast du deine Kindheit gedacht?“, fragte Teyla.
„ Ja“, antwortete er.
„ Hast du an deine Eltern gedacht?“
Er nickte. „ Ja, ich habe an meine Eltern gedacht.“
„ Erzähl mir von ihnen“, bat Teyla. Sie rutschte noch näher an ihr heran, schmiegte sich an ihn und lehnte ihren Kopf gegen seine Schultern. Ihre Fingerspitzen tänzelten über seinen Brustkorb und strichen dann über das glatte, glänzende Metall seiner Hundemarke.

John zog die Bettdecke etwas höher, sodass sich der schwere Stoff über ihrer beider Körper legte.
„ Meinen Vater habe ich nicht oft gesehen“, begann er. „ Er war sehr oft auf Reisen in andere Länder. Mein Bruder und ich waren fast das ganze Jahr über allein zu Haus. Naja, es waren noch andere Leute da. Personal. Der Stallbursche. Das Zimmermädchen.“
„ Aber dennoch hat er dir nicht gefehlt“, bemerkte Teyla. „ Warum?“
„ Es fing eigentlich schon viel früher an, aber mit dem Tod meiner Mutter ist es mir erst richtig bewusst geworden.“

John schluckte. Er hatte noch nie jemanden so viel erzählt- selbst Nancy nicht, als sie beide verheiratet waren. Es war ein seltsames Gefühl, aber dennoch sehnte er sich merkwürdigerweise danach, sich jemanden anzuvertrauen. Und er wusste, dass man Teyla alles anvertrauen konnte!
Er legte ihr einen Arm um die Schulter und zog sie noch näher zu sich, bis sich ihre Schultern berührten. Ein stiller Seufzer der Erleichterung für durch seinen Körper; er mochte es, sie neben sich zu spüren. Er mochte es, ihrem leisen Atem zu lauschen, der über seine Haut kitzelte.

„ Bevor meine Mutter gestorben ist, war mir nie aufgefallen, wenn er weg war“, fuhr John fort. „ Da war sie nämlich immer da und hat sich mit mir und mit meinem Bruder beschäftigt. Doch nach ihrem Tod… Ich habe nicht die Tage gezählt, an denen mein Vater weg war, sondern die, an denen er zuhause war und das waren nicht wirklich viele. Nicht mal zu Weihnachten war er da.“
„ Das muss schwer für dich und deinen Bruder gewesen sein“, murmelte Teyla leise.
„ Nein.“ Er schüttelte mit dem Kopf. „ Es war leichter, wenn er nicht da war. Manchmal habe ich gehofft, dass er von einer seiner Reisen nicht zurückkommt… ich meine jetzt nicht, dass er stirbt. Nein, ich wollte, dass er einfach dablieb. Es hätte mich nicht gestört.“

„ Erzähl mir von deiner Mutter.“ John hörte in Teylas Stimme, dass es ihr unangenehm war, ihn über seinen Vater sprechen zu lassen. Doch das musste ihr nicht unangenehm sein. Im Laufe der Jahre hatte er gelernt damit umzugehen und die schlimmsten Erinnerungen aus seinem Kopf zu verbannen. Trotzdem fühlte er sich besser, als sie ihn nach seiner Mutter fragte.
„ Meine Mum war eine wunderbare Person“, erwiderte er und spielte gedankenverloren mit einer rostbraunen Strähne ihres Haares, wickelte sie sich immer wieder um den Finger. „ Sie war das genaue Gegenteil meines Vaters: lieb, zuvorkommend, mitfühlend, sie hatte immer ein offenes Ohr für Leute, die Kummer hatten.“ Er musste unwillkürlich schmunzeln. „ Ich frage mich heute noch, wie die beiden überhaupt zueinander gefunden haben.“
„ Weil sie einander geliebt haben“, sagte Teyla.
„ Mein Vater hat das mit der Liebe nie richtig ernst genommen“, seufzte John. „ Er hatte ein Dutzend Affären und meine Mum… sie wusste davon, hat ihn aber nie zur Rede gestellt.“
„ Deine Mutter muss dich und deinen Bruder sehr geliebt haben, wenn sie diese Demütigung über sich ergehen ließ.“

Teyla hatte recht! Seine Mutter hatte von den unzähligen „Liebeleien“ ihres Mannes gewusst, aber dennoch hatte sie es nie an die große Glocke gehängt. Sprach sie jemand darauf an, hatte sie nur tapfer gelächelt. Damals hatte er gedacht, sie tat das, weil sie nicht wusste, was ihr Mann hinter ihrem Rücken tat. Doch Teylas Worte ergaben einen Sinn: Sie wollte ihre Söhne schützen!

„ Wie war ihr Name?“, fragte Teyla und legte ihren Kopf auf seinen Brustkorb.
„ Isabelle“, antwortete John.
„ Ein schöner Name für eine starke Frau“, wisperte Teyla gegen seine Brust, er spürte wie sich ihre Lippen im Takt zu ihrer samtenen Stimme bewegten.
„ Sie hätte dir gefallen.“ Er strich ihre Haare zurück und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. „ Du bist ihr sehr ähnlich.“
„ Wirklich?“ Teyla hob ihren Kopf an und drehte ihn in seine Richtung. Ihre tiefbraunen Augen funkelten in dem schummerigen Licht, das von der Decke ihres Quartiers auf sie hinabschien.
John nickte. „ Ja, wirklich.“ Das war keine Übertreibung oder gar eine Lüge. Seine Mutter war Teyla in vielen Punkten ähnlich; sie beide hatten eine durchweg positive Ausstrahlung, waren herzlich zu Freunden, waren einfach nur umwerfend.
„ Ich hätte sie gern kennengelernt.“
„ Und ich hätte dich ihr gern vorgestellt.“ John legte einen Finger unter ihr Kinn, hob es hoch und hauchte ihr einen sanften Kuss über die Lippen, der von Sekunde zu Sekunde immer mehr an Intensität und feurigem Verlangen zunahm.

Er rollte sie auf den Rücken, lehnte sich mit seinem Oberkörper über sie und hielt sie mit seinem Körpergewicht gegen die Matratze gedrückt.
Teyla schlang ihre Arme um seinen Hals und verschränkte sie hinter seinem Nacken, fuhr ihm durch seine dunklen Haare, die noch wilder von seinem Kopf abstanden, als sie es eh schon taten. Sie kicherte leise, als sich ihre Lippen voneinander trennten, damit sie Luft holen konnten.
John löste eine Hand von ihrem Gesicht und suchte damit die lästige Bettdecke wegzuschieben, doch Teyla war ihm zuvor gekommen und hatte sie mit ihren Füßen weggestrampelt.
Er musste lächeln und wanderte mit seiner Hand über ihre Hüfte, packte dann nach ihrem Oberschenkel und winkelte ihn vorsichtig an.
Teylas Fingerkuppen trippelten währenddessen fast schon ungeduldig über seinen Rücken und über seine Schultern. Ihr Atem ging wieder schneller und brannte in seinem Gesicht. Sie gab einen jauchzenden Laut von sich, als er ihre Lippen mit seiner Zunge auseinanderbrachte und ihre Zungenspitzen einander berührten. John merkte, dass sie voll und ganz ihm hingab und das gefiel ihm. Es hatte ihm auch schon vorhin gefallen.
Er strich ihre beiläufig eine Haarsträhne hinters Ohr, die ihr ins Gesicht gerutscht war. Seine Hände wanderten von ihren Schultern, über ihren Oberkörper und umfassten ihre wohlgeformten Hüften, zogen sie mit einem Ruck nach vorn.
Teyla japste überrascht nach Luft, ihre braunen Augen zuckten über sein Gesicht. Ein erwartungsvolles Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, ehe sie ihre Lippen mit den seinen zu einem leidenschaftlichen, sinnlichen Kuss verschmelzen ließ und ehe…

„ Verdammt, Sheppard, melden Sie sich gefälligst!“, krächzte eine nur zu bekannte Stimme plötzlich aus Johns Headset und ihm wurde bewusst, dass er es vorhin wohl doch „vorsichtshalber“ eingeschaltet hatte.
Teyla und er hielten in ihren Bewegungen inne und sahen einander an. Schuldbewusst seufzte er und lehnte seine Stirn gegen die ihre.
„ `Tschuldigung“, flüsterte er leise.
Sie lächelte. „ Rodney klingt ziemlich ungehalten. Vielleicht solltest du…“
Mit einem Murren rollte sich John auf die Seite, tastete nach seinem Headset und führte es an sein Ohr. „ Ja, ich höre, Rodney.“
„ Verdammt, Sie sind ja schwerer zu erreichen als der Präsident“, keifte der Kanadier drauf los. „ Wo zur Hölle stecken Sie? Wir versuchen schon seit fast einer Stunde Sie zu erreichen!“
„ Rodney, beruhigen Sie sich“, mahnte John seinen Teamkameraden und schielte zu Teyla hinüber. „ Ich war…beschäftigt.“
„ Pah“, machte Rodney. „ Sie sollten Ihren faulen Soldatenhintern jetzt lieber schnellstens hierher schwingen, bevor Elizabeth Sie noch holen lässt!“
„ Bleiben Sie freundlich, Rodney.“ John schüttelte mit dem Kopf und verdrehte die Augen. „ Sagen Sie Elizabeth, dass ich gleich da bin.“
„ Mit Vergnügen“, zischelte der Kanadier. „ McKay Ende.“

John holte tief Luft und stieß sie mit einem Zischen durch seine zusammengebissenen Zähne. Er saß auf der Bettkante, fuhr sich durch seine wirren Haare und seufzte einmal tief, ehe er sich zu Teyla umwandte. Sie lag wieder so da, wie sie es vorhin getan hatte- die Bettdecke um ihren erhitzten Körper geschlungen, den Kopf auf ihre Handfläche stützend.
„ Geh schon“, sagte sie schließlich.
„ Ich weiß, ich hätte das Ding auslassen sollen“, murmelte John und richtete sich auf, angelte nebenbei nach seiner Boxershorts und sammelte auf dem Weg seine restlichen, auf dem Boden verstreuten Klamotten ein.
Er spürte Teylas Blick auf sich liegen, während er sich hastig anzog. Er merkte, wie sie ihren Mund zu einem amüsierten Lächeln verzog, als sich seine Beine verhedderten und er um ein Haar über seine eigenen Füße gestolpert wäre.
„ Jetzt geh schon“, wisperte sie eindringlich, als er sich zu ihr herunter beugte und ihr einen zärtlichen Kuss über die Lippen hauchte.
John ließ seinen Finger sanft über ihre Wange gleiten, fixierte sie dabei mit seinem Blick. „ Ich liebe dich.“
Teylas Mund verzog sich zu einem Lächeln und sie erwiderte seinen Kuss. „ Ich liebe dich auch.“ Sie schlang einen Arm um seinen Hals und strich an seinem Nacken hinab. „ Du solltest gehen, bevor sie noch herausfinden wo du bist und das Quartier stürmen lassen.“

„ Na, gut.“ John seufzte tief, küsste sie zärtlich auf die Nasenspitze und stieß sich mit seinen Händen von der Bettkante ab. Er lächelte zu auf sie herab, sie lächelte zurück, schlang ihr Bein um die Bettdecke. In dem schummerigen Licht wirkten ihre braunen Augen geheimnisvoll und ihr Blick verführerisch.
John biss sich auf die Unterlippe, um sich daran zu erinnern zu atmen. Sein Herz begann wieder in diesem merkwürdigen Rhythmus zu schlagen. Es fühlte sich an, als flatterte es. Sein Brustkorb zog sich zusammen, sein Magen machte einen Salto.
Teyla schien sein Zögern zu bemerken und verdrehte schwach ihre Augen. „ John…“

„ Ich bin ja schon so gut wie weg“, murmelte er. Es fiel ihm schwer sie zurückzulassen, vor allem da er fand, dass die Stunde, die er bei ihr gewesen war, viel zu wenig Zeit war. Ihre Leidenschaft und ihr gegenseitiges Verlangen hatte sie überrollt wie eine Welle und es hatte nur ein paar Minuten gedauert, bis sie schweißgebadet und nach Atem ringend nebeneinander gelegen hatten, die Gesichter einander zugewandt, ein Lächeln auf den Lippen, ihre Finger ineinander verschränkt.
Teyla hatte ein ungewohntes Funkeln in ihren Augen gehabt und ihr Lächeln hatte sich über ihr ganzes Gesicht ausgebreitet. Eine verschwitzte Strähne hatte an ihrer Wange geklebt, doch das hatte weder sie noch ihn gestört. Es war geradezu unheimlich gewesen, wie hemmungslos sie übereinander hergefallen waren.

John ächzte und hauchte ihr einen letzten Kuss auf die Stirn. Er hoffte nur, dass Rodney einen trifftigen Grund hatte, ihn zu rufen, denn sonst würde der Kanadier seines Lebens nicht mehr froh.

TBC
Hello and Goodbye, Part III by Ailya
Natürlich war er nicht zum ersten Mal hier. Doch es war immer wieder aufs Neue erstaunlich, wie sehr ihn die Ausmaße dieser Anlage überraschte… so sehr, dass ihm beim ersten Mal glatt die Kinnlade heruntergeklappt war. Und das sollte schon was heißen! Schließlich war er ein Mitglied des Militärs und kein Wissenschaftler, der schon bei der noch so kleinsten Entdeckung hysterische Anfälle bekam. Er redete gern und vor allem viel, manchmal verstand er den Sinn selber nicht, aber das…das verschlug sogar ihm die Sprache.

„ Großer Gott. Was zur…“ Cameron Mitchell blieb stehen, kaum dass er das Gaterium betreten hatte. Im Gegensatz zu seinem ersten Mal, wirkte es heller und geradezu freundlicher. Wissenschaftler schwirrten wie Bienen um das DHD und um die anderen Konsolen herum, unterhielten sich dabei angeregt. Nicht selten klang es freundlich…

Cameron folgte einfach der lautesten und imposantesten Stimme. Deren Verursacher schimpfte wie ein Rohrspatz und überhäufte seine „ Untergebenen“ mit Anweisungen, die diese unverständlicherweise sofort ausfüllten.
Dr. Rodney McKay dirigierte seine Kollegen mit leicht errötetem Kopf herum, balancierte dabei noch seinen Tablettlaptop in seinen Händen und unterhielt sich zu alledem noch mit seiner Vorgesetzten, Elizabeth Weir.
Neben der Expeditionsleiterin entdeckte Cameron Col. Sheppard stehen. Der ranghöchste Offizier der Atlantisexpedition hatte die Hände in die Hüften gestemmt und schien im Gegensatz zu Dr. Weir einen nicht ganz so freundlichen Ton Dr. McKay gegenüber angeschlagen zu haben; er hatte die Mundwinkel nach unten gezogen und zog, während er mit Rodney sprach, die Augenbrauen hoch.

„… dachte, Sie hätten es geschafft“, hörte Cameron den dunkelhaarigen Piloten schimpfen, als er sich ihm und den anderen beiden näherte.
„ Verzeihen Sie, wenn ich Sie enttäuscht habe, aber Sie erwarten Unmögliches von mir.“
„ Sie sagten, Sie kriegen das hin“, knurrte Sheppard.
Rodney McKay verdrehte die Augen. „ Klar, und demnächst teile ich das Rote Meer.“
Sheppard zog seine Augenbrauen noch ein Stückchen höher, sodass sie fast im Haaransatz verschwanden. „ Rodney, werden Sie jetzt bloß nicht frech.“

Cameron konnte sich ein kleines amüsiertes Schmunzeln nicht verkneifen. Solange er die beiden kannte, hatten sie einander immer nur in den Haaren gehabt. So langsam glaubte er, dass es sich dabei um einen Dauerzustand handelte, aber es war immer etwas Besonderes die beiden bei ihren Streitigkeiten zu beobachten, vor allem da man nie so recht sagen konnte, welcher der beiden Männer denn nun dominant war.
Rodney McKay hatte ein lautes Sprechorgan, von dem er auch Gebrauch zu machen wusste. Und er verfügte über ein unglaublich streitlustiges Wesen.
Col. Sheppard schien nicht so offensiv wie der Kanadier vorzugehen, was aber nicht im Geringsten bedeutete, dass er sich schnell unterbuttern ließ. Oh, nein…

„ Tut mir leid. Ich sagte es schon Elizabeth, aber ich kann es für Sie gern noch einmal wiederholen“, zischelte Rodney provokant.
Sein Teamleader schüttelte allerdings nur mit dem Kopf. „ Ich bin nicht dumm, Rodney. Ich habe es auch schon beim ersten Mal verstanden.“
„ Na, da bin ich aber froh.“ Rodney funkelte ihn wütend an, ehe er sich wieder an Dr. Weir wendete, die ein erleichtert klingendes „ Ah, Col. Mitchell“ hervorstieß, kaum dass sie ihn erblickt hatte. Sie kam ihm ein paar Schritte entgegen und man sah ihr an, dass ihr diese ewige Streiterei der beiden Männer gehörig auf die Nerven ging.

Cameron zog das Tempo ein bisschen an, eilte verlängerten Schrittes über den Steg, der von dem Eingang zum DHD führte. Dieses wiederum war nur wenige Meter neben dem Gate aufgebaut.
Das Gate- es war größer als das im Stargatecenter, war auch größer als das in Atlantis, war größer als jedes andere, dass ihm auf seinen intergalaktischen Reisen begegnet war. Es hatte goldene statt orangene, beziehungsweise hellblaue, Chevrons, die mit einer solch starken Intensität leuchteten, dass er geblendet die Augen zusammenkneifen musste.
„ Alles bereit für die große Show?“, meinte er scherzhaft, als er seinen Blick von dem Gate hatte losreißen können.
„ Ich hoffe, Sie können uns das sagen“, gab Dr. Weir lächelnd zurück.
„ Nun ja… ich habe die Marines unterrichtet, so wie Sie es sagten“, antwortete Cameron. „ Sie schienen etwas…irritiert zu sein, aber sie waren kooperativ.“
„ Das heißt, wir können aufbrechen?“, fragte Dr. Weir.
Cameron nickte. „ Ich habe drei Trupps zusammengestellt, die die Särge überführen werden. Dürfte nicht länger als `ne Stunde dauern.“
Die Expeditionsleiterin nickte. „ Okay, verstanden. Sie werden mit mir zusammen die Trupps begleiten, wenn es soweit ist.“ Sie räusperte sich leise. „ Bis dahin würde ich Ihnen noch eine andere Aufgabe übertragen, wenn Sie damit einverstanden sind.“
„ Selbstverständlich, Ma’am“, erwiderte Cameron.

+++++++++++


Er hatte sie erst verwundert angeschaut, hatte dann aber genickt und ihr zu verstehen gegeben, dass er sich sofort daran machen werde.
Elizabeth seufzte, als sie dem Teamleiter von SG1 hinterher blickte, wie er sich durch die Unmenge an Wissenschaftler kämpfte und dann im Korridor, aus ihrem Sichtfeld verschwand.
„ Und Sie wollen die Trupps wirklich begleiten?“ John war hinter sie getreten und als sie sich zu ihm umwandte, blickte sie in fragende Augen.
„ Mir wird wohl nichts anderes übrig bleiben“, erwiderte sie. „ Und Ihnen wohl auch nicht.“
„ Nur, weil… ich…“- John stockte und biss sich auf die Oberlippe, suchte nach den richtigen Worten. Nach kurzen Momenten des Schweigens machte er eine wirsche Handbewegung. „ Hören Sie zu, Elizabeth. Das bin nicht ich und das wissen Sie auch.“
„ Wie hätten Sie an seiner Stelle reagiert?“, fragte sie ihn. „ Hätten Sie auch so reagiert?“
Er hob die Augenbrauen. „ Sie wollen mir befehlen, dass ich mitkomme?“
Elizabeth musste unwillkürlich lächeln. „ Ich werde Ihnen nichts befehlen, John. Sie können uns begleiten, müssen es aber nicht. Aber ich an Ihrer Stelle würde es tun. Ihm zuliebe.“
John zuckte mit den Schultern. „ Er hat sich nicht gerade sehr beliebt gemacht, finden Sie nicht auch?“
„ Sie wissen ganz genau, was ich meine“, seufzte Elizabeth. „ Schon klar, dass Sie nicht sonderlich darauf aus sind, aber… Überlegen Sie es sich.“

Sie sah John nicken. Sie hörte Rodney im Hintergrund mit einem Kollegen schimpfen, vielleicht aber auch mit seinem Computer- das wusste man bei ihm nie so genau.
Im Augenwinkel vernahm sie, dass immer intensiver und stärker werdende Leuchten der Chevrons. Die satte Farbe des Ereignishorizonts, der flüssigem Gold glich und sich so von allem anderen unterschied, flimmerte in ihren Augen und der Anblick des Gates war einfach nur überwältigend.

Den Antrieb und dann noch das Gate aktivieren? Halte ich für keine so gute Idee. Das Schiff könnte schlimmstenfalls in Stücke gerissen werden oder die Lebenserhaltungssysteme könnten zusammenbrechen. Rodneys Warnung hallte in ihrem Kopf wider und plötzlich sah sie das Gate nicht mehr als etwas Überwältigendes, sondern vielmehr als eine Bedrohung. Tiefe Sorgenfalten bildeten sich auf ihrer Stirn und es beruhigte sie nicht, dass Rodney ihr versichert hatte, dass nichts passieren würde. Im Gegenteil…

Das ist ja das Verrückte, hatte er gesagt und dabei gelacht. Die Anzeigen deuten auf keinerlei Energieverlust hin. Es würde mehr Energie verbrauchen, wenn Sie daheim eine Glühbirne anschalten.
Seine Worte klangen unwirklich und auch nachdem sie sich persönlich davon überzeugt hatte, dass der Kanadier die Wahrheit sprach, blieb sie skeptisch.
Das Gate hatte fast die doppelte Ausmaße wie ihres daheim in Atlantis, und sollte keine Energie verbrauchen?
Es lief einwandfrei, keine Mucken, keine Indifferenzen, keine Anomalien, nichts… Alles schien normal zu sein- nach 38 Minuten schaltete es ab, wählte sich nach wenigen Minuten wieder von selbst an.
Elizabeth traute der Ruhe nicht so ganz, hatte Rodney damit beauftragt näheres über die Funktionsweise des Gates herauszufinden, wenn sie zurückkehrten. Doch jetzt sollte er sich erst einmal darauf konzentrieren, dass die geplante Aktion ohne Probleme über die Bühne lief.

Sie musste zugeben, dass sie ein kleines bisschen nervös war, obschon sie wusste, was sie ungefähr erwartete.
Der Planet, der sich am anderen Ende des Wurmlochs befand, bot den Analysen zufolge ein ausgeglichenes Verhältnis von Sauerstoff und Stickstoff und eine relativ hohe Konzentration von Wasser und Kohlenstoff. Beides war wichtig, beides benötigten sie. Wasser, um ihre Trinkwasserreserven aufzufüllen. Kohlenstoff, um die Filteranlagen des Lebenserhaltungssystems zu reinigen, die sich- laut Rodneys Aussage- in einem „katastrophalen Zustand“ befanden.

Elizabeth ließ ihren Blick noch einmal über das Gate schweifen. Der Ereignishorizont schimmerte golden in dem schummerigen Licht der Wandleuchten. Bei dem Gedanken ihn zu durchqueren, fing es seltsamerweise an in ihrem Magen zu kribbeln. Was, wenn irgendetwas passierte?
Sie schüttelte hastig mit dem Kopf, hoffte dass die wirren Gedanken schnell wieder verschwanden.

John und Rodney waren wieder in eine hitzige Diskussion vertieft und beide schienen dabei auf ihr Recht zu pochen. Wenn sie ehrlich sein sollte: Sie wusste noch nicht einmal, worüber sich die beiden überhaupt stritten. Und eigentlich war es ihr auch egal, solange sie nicht aufeinander losgingen- obwohl das im Moment fast danach aussah: Rodney hatte einen hochroten Kopf und machte ausschweifende Handbewegungen, um seine Worte zu unterstreichen. John hatte die Hände in die Hüften gestemmt, funkelte den Kanadier wütend von oben herab an. Er verzog empört das Gesicht, als Rodney etwas sagte.

Elizabeth seufzte und schüttelte mit dem Kopf. Schnell vergewisserte sie sich noch einmal, dass John und Rodney einander nicht an die Gurgel sprangen und ging dann. Sie hatte wahrhaftig Besseres zu tun, als zwei Männer, die sich regelrecht pubertär verhielten, beim Streiten zuzusehen.

++++++++


Eine gute Freundin von ihr hatte einmal gesagt, dass man überall seine innere Ruhe finden konnte. Es kam nicht auf das Umfeld an; es konnte noch so unwirklich sein. Nein, man musste sich nicht an bestimmte Orte binden. Innere Ruhe war überall zu finden, man musste es nur wollen. Allein der Gedanke zählte, wenn man wahre Erholung und Entspannung suchte.

Mit geschlossenen Augen saß Teyla in der Mitte ihres Quartiers und hatte eine einigermaßen bequeme Position am Boden eingenommen.
Die Ereignisse in den letzten Tagen oder vielmehr in den letzten Stunden hatten sie aufgewühlt. Sie war viel zu aufgeregt, um sich ins Bett zu legen und zu schlafen… obschon ihr Körper danach verlangte. Es ging einfach nicht; sie war immer hellwach, wenn sie sich hingelegt hatte, obwohl sie zuvor fast im Stehen eingeschlafen war. Es war zum Verrücktwerden!

Die Meditation hatte ihr bisher immer geholfen, wenn sie innerlich aufgewühlt war und nicht schlafen konnte. In ihr fand sie Entspannung und sie konnte alles um sich herum vergessen, wenn sie sich in diesem tranceartigen Zustand befand- ihre Atmung war flach, ihr Herzschlag verlangsamt, ihr Puls schlug langsam und gleichmäßig.

Dennoch brodelte es in ihrem Inneren. Es fühlte sich an, wie ein loderndes Feuer, dessen Flammen ungehindert in ihr wüteten. Sie hatte das Gefühl innerlich zu verbrennen, dass sie etwas von innen heraus auffraß. Sie wollte schreien, obwohl es nicht wehtat.
Es war kein Schmerz, sondern mehr oder weniger eine Narbe, frisch und noch blutig. Doch da war kein Schmerz, kein Wehmut, wenn sie sie berührte. Nein, es war vielmehr ein nervöses Flattern, ein fast schon befreit klingender Aufschrei. Endlich!

Teyla seufzte, ohne ihre Augen zu öffnen. Sie konnte sich nicht konzentrieren, obwohl sie es versuchte. Aber vielleicht war das ja der Grund; sie machte sich zu viele Gedanken, die in ihrem Kopf herumschossen, wie aufgeschreckte Tiere. Sie wusste gar nicht, warum sie sich selbst so verrückt machte. Vielleicht lag es daran, dass sie auf diesem Schiff hier gefangen war und dass sie das ewige Herumsitzen nervös, zittrig, flatterig machte.
Aber vielleicht war es ja auch die Tatsache, dass sie heute mit einem wunderbaren Mann geschlafen hatte, der ungefähr das Gleiche bei ihr auslöste.

„ Woran denkst du gerade?“ Eine raue Stimme, die urplötzlich in ihr Ohr wisperte, und etwas, was über ihre Wange kitzelte, ließ Teyla erschrocken zusammenzucken. Sie hatte in den vergangenen Stunden schon genug erlebt, manches davon war geradezu unheimlich gewesen und so war das alles hier mit Vorsicht zu genießen.
Sie drehte sich um, doch ehe sie etwas sagen konnte, geschweige denn erkennen konnte, wer sich da so gemein und hinterhältig an sie herangeschlichen hatte, spürte sie, wie sich warme Lippen auf die ihren legten und sich eine maskuline Hand um ihren Taille legte.
Der Kuss war innig, dauerte bedauernswerterweise nur wenige Sekunden.

„ Hab ich dich erschreckt?“, fragte John und sah sie fast ein bisschen schuldbewusst an, strich mit seinem Finger an ihrem Kinn entlang.
Teyla lächelte und erlaubte ihm, seine Arme um ihre Hüften zu schlingen. „ Was machst du hier? Ich dachte, du wärst…“
„ Ich hab’ was vergessen“, antwortete er ihr, zog sie näher zu sich und hauchte ihr einen Kuss über die Stirn.
„ Und was?“, wisperte sie gegen seine Wange und verzog ihren Mund zu einem Lächeln.

Johns schwere Militärstiefel fielen dumpf zu Boden und seine Finger machten sich an ihrem Top zu schaffen.
Er lächelte, während er sie küsste, während er an ihrem Top einen Knopf nach dem anderen öffnete, bis die beiden Stoffhälften auseinander glitten und er ihr den Stoff von den Schultern streifte.
„ Lass es mir dir zeigen.“ Seine warmen Worte kitzelten über ihren Hals.
Das Brodeln in ihrem Inneren verstärkte sich und das Feuer fraß sich unaufhörlich durch ihre Glieder. Ihre Haut fing an zu kribbeln und sie merkte, wie ihr Herz schneller schlug und wie ihr geruhsamer Puls von einer Sekunde zur nächsten in die Höhe schoss.
Sie kicherte und schlang ihre Arme seinen Hals, als John ihre Oberschenkel packte und sie hochhob. Die beiden obersten Knöpfe seines Uniformhemds waren offen und sie sah das Metall seiner Hundemarken im schummerigen Licht aufblitzen.

Während seine Lippen ihren Hals mit zarten Küssen bedeckten und er mit seinen Händen durch ihre rostbraunen Haare fuhr, ihr ins Gesicht gerutschte Strähnen hinters Ohr strich und jeden Zentimeter ihres Gesichts mit seinen Lippen berührte, trug er sie durch den Raum, stolperte, als er mit den Knien gegen die Bettkante stieß.
Teyla schlang ihre Beine um seine Hüften und zog ihn mit ihren Armen näher zu sich.
Sein Atem war angenehm warm und sie schloss genießerisch seufzend ihre Augen, verkniff sich ein Kichern, als seine Nasenspitze über ihren Bauch kitzelte.
Sie strich durch seine dunklen Haare und blickte fasziniert in seine Augen, als er zu ihr aufblickte; die Iris schimmerte am Rand in einem dunklen Grün, das zur Mitte hin heller wurde und sich dann wieder in ein tiefes Braun wandelte. Man konnte sich in seinen Augen verlieren; sie wirkten geheimnisvoll, schienen auf der anderen Seite jedoch wie ein offenes Buch zu sein, das nur darauf wartete gelesen zu werden.

Ihr Schweigen und ihre faszinierte Betrachtung ließen John schmunzeln und er ließ seine Fingerkuppen über ihren Bauch tänzeln. Sie spürte, wie sich das leichte Trippeln an ihrem Körper hinab bewegte und wie sich seine Finger unter ihren Hosenbund schoben. John reagierte auf ihr Aufstöhnen mit einem schelmischen Lächeln.
„ Du wirst es gewiss versäumen, einen der Trupps zu begleiten, wenn wir so weitermachen“, wisperte Teyla gegen seine Wange, versucht ihr übersprudelndes Verlangen nach ihm im Griff zu behalten- mit mäßigem Erfolg.
Ihre Finger bohrten sich in seine nackten Schultern, denn inzwischen war sie seinem Uniformhemd und seinem schwarzen Shirt überdrüssig geworden und hatte es ihm kurzum über den Kopf gezogen.

John drückte ihr einen sinnlichen und sehnsüchtigen Kuss auf Lippen und sah sie dann leicht verwundert an. „ Woher weißt du…“
„ Elizabeth war vorhin hier, als du weg warst“, fiel Teyla ihm ins Wort und zog sein Gesicht zu sich runter, presste ihre Lippen auf die seinen… doch er löste sich aus dem Kuss.
„ Sie war hier? Du hast mit ihr geredet?“
Teyla schmunzelte. „ Das ist unumgänglich gewesen, John. Wir haben einander seit wir hier sind so gut wie gar nicht gesehen und da…“ Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht und ein Seufzen brach über ihre Lippen. Noch eben hatte sie begehrt und hatte sich nichts sehnlicher gewünscht, als dass sie beide ihrer Liebe und Leidenschaft Ausdruck verleihen konnten, doch jetzt… jetzt sah sie ihn geradezu ernst an. „ Sie hat mir auch erzählt, dass du sie nicht begleiten willst. Warum?“

John sog scharf die Luft ein, rollte auf den verbleibenden Rest des Bettes, das für zwei Personen eigentlich viel zu klein war, und schlang einen Arm um ihre Hüfte, presste sein Gesicht gegen ihren Hals.
„ Ich finde es einfach nicht richtig“, sagte er leise. „ Nachdem was passiert ist... bin ich einfach nicht bereit dafür.“
„ Ist das der einzige Grund oder liegt es womöglich doch an etwas anderem?“
Er blickte sie an und in seinen haselnussfarbenen Augen flammte etwas auf, was sie noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte. „ Was macht das für einen Unterschied?“
Teyla fuhr mit ihren Fingern durch seine dunklen, fast schon schwarzen Haare, und legte ihre Lippen auf seine Stirn. „ Ich würde es nur zu fair finden, wenn du gehst. Außerdem…“- Sie seufzte einmal tief- „… hat mir Elizabeth von dem Jungen erzählt.“
„ Teyla…“ John schüttelte mit dem Kopf.
„ Für dich mag das vielleicht kein Grund sein“, fuhr sie unbeirrt fort, ignorierte sein Kopfschütteln. „ Und ich weiß, dass du es nicht wahrhaben willst, dass er so war wie du, aber sein Sohn…“
John schüttelte wieder mit dem Kopf. „ Damit hat es gar nichts zu tun.“
„ Ich glaube schon, dass es damit etwas zu tun hat“, meinte Teyla leise. „ Glaub mir, ich verstehe, dass du dich unwohl fühlst.“

Sie spürte, wie er sich noch enger an sie kuschelte und wie er sein Gesicht in ihren Haaren verbarg. Er atmete gegen ihren Hals, seine Lippen lehnten sich gegen die Konturen ihres Gesichts.
„ Soll ich mitkommen?“, fragte sie leise und zuerst antwortete er ihr nicht, sondern küsste nur an ihren Gesichtskonturen entlang.
„ Das würde ich nicht von dir verlangen“, erwiderte John ihr schließlich.
„ Aber wenn ich es will?“, fragte Teyla zurück und wartete, bis er sie ansah. „ Ich will dich aber begleiten.“
John schüttelte mit dem Kopf. „ Das musst du nicht tun, Teyla.“

Sie seufzte und setzte sich nach kurzem Zögern auf seinen Oberkörper, beugte sich nach vorne, sodass ihr Kopf oberhalb seiner Brust ruhte.
„ Ich will es aber“, flüsterte sie, spürte das kalte Metall seiner Hundemarken unter ihrer Wange, spürte wie sich sein Brustkorb stetig hob und wieder sank, hörte seinen Herzschlag, spürte seine warme Hand, als er über ihren Rücken streichelte.
Sie wusste, dass John Sheppard von Natur aus stur war und manchmal wahnsinnig dickköpfig sein konnte. Doch sie bezweifelte, dass er ihr diesen Wunsch ausschlagen würde.
Er küsste sie sanft auf die Stirn und auf ihren Haaransatz, dann auf die Nasenspitze. Nein, er würde ihr diesen Wunsch nicht ausschlagen, auch wenn er nicht begeistert davon war.

+++++++++


Das Gate lag inmitten einer weitläufigen Wiese, deren Ende weitab des Horizonts zu sein schien.
Bunte Blüten hatten sich überall verstreut, Unmengen an kleinen, bunten Farbklecksen verteilt auf einer riesigen grünen Fläche. Das Gras wuchs wild, kniehoch. Nur am Ufer des kleinen Sees, der die einzige Grenze der Wiese zu sein schien, wuchs es nicht mehr allzu hoch, reichte nur noch knapp über die Knöcheln.
Fernab der Wiese konnte man die schneebedeckten Gipfel einer Bergkette sehen, doch sie verschwanden fast am Horizont.
Die Luft war warm, ein angenehm frischer Wind wehte über die Wiese. Kleine Tierchen und Pollen schwirrten durch die Luft, verschwanden in der flimmernden Hitze.

Weitab des golden schimmernden Ereignishorizont, am Ufer des kleinen, kristallklaren Sees, starrte Elizabeth auf die drei hölzernen, in den Boden gerammten Kreuze hinab. Sie waren schlicht gehalten, angemessen. Cameron Mitchell schien nicht nur mit Waffen umgehen zu können, sondern auch mit Pinsel und Farbe.
Auf jedem stand etwas geschrieben, auf zwei stand ein Name, auf dem anderen nur ein Spruch oder Bemerkung.
Lt. Col. John Sheppard stand in elegant geschlungener Schrift auf dem ersten Kreuz.
Einem Unbekannten, der für sein Land starb stand in ebenso eleganter Schrift auf dem zweiten Kreuz.

Der Schriftzug des dritten, kleineren Kreuzes ließ Elizabeth unwillkürlich schlucken.
T.J Sheppard stand dort geschrieben, der Rand verziert mit einer kleinen Blume. Es war wirklich eine Schande, dass der Junge so früh hatte sterben müssen. Zwei Jahre waren nicht viel.

Elizabeth ließ ihren Blick abermals über die drei Kreuze und die dazugehörigen Erdhügel schweifen. Sie wusste, dass sie etwas sagen sollte, doch sie wusste bei aller Liebe nicht was. Sie hatte diese drei Personen nicht gekannt, wusste nicht, wie sie gewesen waren und wie ihr Leben war. Das machte sie traurig! Nichts hasste sie mehr, als über Leute zu trauern, ohne etwas über sie zu wissen.

Mit einem wehleidigen Seufzen sah sie auf und traf Johns Blick; der dunkelhaarige Pilot schien dasselbe zu empfinden wie sie, hatte die Lippen fest aufeinander gepresst.
Teyla stand neben ihm, so dicht, dass sich ihre Schultern berührten und dass es zuerst gar nicht auffiel, dass sie ihre Finger ineinander verschränkt hatten.
Unweit von den beiden standen Ronon und Rodney. Beide schienen sich verloren vorzukommen.
Ebenso wie Col. Mitchell, Col. Carter, Daniel Jackson und Vala, die den dritten und letzten Trupp begleitet hatten.
Es war eine kleine Runde, die im stillen Gedenken ihre Köpfe gesenkte hatte,

Elizabeth würdigte die Gräber eines letzten kurzen, traurigen Blickes, ehe sie tief Luft holte und gen Gate nickte. Alle schienen sie zu verstehen und setzten sich langsam in Bewegung; zuerst SG1, dann Ronon und Rodney, gefolgt von John und Teyla, die noch immer so dicht beiander liefen, dass ihre Schultern im Laufen gegeneinander stießen, ihre Finger immer noch ineinander verschränkt.

„ Mögen Sie in Frieden ruhen“, wisperte Elizabeth leise, als sie ihren Freunden folgte. Zurück auf die Artemis. Zurück auf diesen gewaltigen, fliegenden Sarg. Zurück ins Ungewisse.

TBC
Verdachtsfälle by Ailya
In der Luft lag der Geruch von lodernden Flammen und heißen, beißenden Rauch. Der Duft von frischen Kräutern und Gewürzen stieg ihr in die Nase, gab ihr ein wohliges Gefühl.
Sie hörte Stimmen, lautes Gelächter, jauchzende Kinder und leises Summen. Sie hörte, wie sich das Feuer durch die Holzscheite fraß, wie sie in Asche zusammenfielen. Jemand legte weiteres Holz nach, die Flammen stoben hinauf in den sternenbedeckten Nachthimmel.
„ Das schmeckt wirklich gut“, erklang eine Stimme hinter ihr. Sie drehte sich um, sah einen Mann an ihrem Tisch sitzen, die Ellenbogen auf die Tischplatte gestützt, vor sich einen Teller stehend. Zwischen den Fingern drehte er eine dunkle Beere hin und her, betrachtete sie eingehend von allen Seiten, ehe seine dunkelbraunen Augen zu ihr aufblickten und er zu lächeln begann. „ Was ist das?“
„ Kanaan?“ Überrascht machte sie einen Schritt auf ihn zu und über ihre Lippen stahl sich ein Lächeln.
„ Ich wusste, dass Sie beide eines Tages zusammenkommen“, meinte da plötzlich eine raue Stimme neben ihr. Erschrocken zuckte sie zusammen und wandte ihren Kopf.
John. Er lächelte sie an, blickte dann zu Kanaan und dann wieder zu ihr, sein Lächeln wurde noch breiter. „ Sie beide passen wirklich gut zusammen.“ Er neigte den Kopf leicht und machte sich daran zu gehen. Sie folgte ihm mit ihrem Blick- verwundert, irritiert-, bis er aus ihrem Sichtfeld verschwunden war.
Sie spürte einen warmen Atem in ihrem Nacken und blickte in ihr vertraute braune Augen, als sie sich umdrehte. Sie wirkten traurig, zugleich aber auch wütend.
Kanaan lächelte nun nicht mehr. Seine Lippen waren ein schmaler Strich, aus dem jede Farbe gewichen war.
„ Ich wusste nicht, dass du so viel für ihn empfindest“, sagte er mit grollender Stimme.
Sie sah ihn verwirrt an. „ Was? Wovon redest du?“
„ Ich rede von dem Colonel“, antwortete er ihr, begann sie zu umrunden und zu mustern. „ Es ist mir unbegreiflich, dass du auf ihn hereinfallen konntest, Teyla.“
Ihre Stimme klang wie ein nervöses Zittern, als sie sprach. „ Ich verstehe nicht, was du meinst.“ Sie fühlte sich auf einmal unwohl. Kanaans Gesellschaft war ihr plötzlich unangenehm und sein eiskalter Blick ließ sie zusammenzucken.
„ Du hast dich verändert, Teyla“, hörte sie ihn sagen. „ Seit du nicht mehr hier, sondern in Atlantis lebst. Du bist auf ihn hereingefallen, auf seine charismatische Art. Er spielt nur mit dir. Er wird dir bei nächster Gelegenheit das Herz brechen. Du weißt wie er ist, Teyla. Er kann nicht anders.“ Seine trockene, gleichgültige Stimme verebbte und als sie herumwirbelte war er verschwunden- sie war allein.
Sie hörte seine Worte in ihrem Kopf widerhallen, sie hörte ihr Herz schlagen, sie hörte ihren Puls rauschen… und sie hörte einen markerschütternden Schrei.
„ TEYLA!“ Die ihr so vertraute Stimme wurde von dem Dröhnen und dem lauten Kreischen eines Wraithjäger übertönt. Ganz in der Nähe hörte sie Schreie, lautes Weinen und Wimmern.
„ Vater!“ Sie merkte, wie die Spannung in ihrem Körper außer Kontrolle zu geraten drohte und wie sich ihre Beine in Bewegung setzten. Sie eilte, dennoch wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie sich nicht von der Stelle bewegte.
„ TEYLA, HILF MIR!“, schallte es noch einmal, gerade als sie völlig außer Atem den Zelteingang erreicht hatte. Plötzlich stoben die beiden Stoffhälften auseinander und spitze Fingernägel bohrten sich in ihre Brust, drückten sie vom Eingang weg.
Seine gelblichen Augen wirkten leblos, sein Gesicht verzerrt. Seine Mundwinkel hingen nach unten, scharfe Zähne blitzten zwischen seinen Lippen hervor. Ein tiefes Grollen drang aus seiner Brust.
„ J..john“, keuchte sie und stöhnte auf, als sich seine Finger noch tiefer in ihre Brust bohrten und wie warmes Blut zu Boden tropfte. Er knurrte sie an, fauchte, seine Augen funkelten sie hungrig an.
„ N…nein, nein!“, jammerte sie, versuchte sich zu wehren, ihn wegzustoßen, doch die Schmerzen in ihrer Brust wurden immer stärker und sein selbstgefälliges Grinsen immer breiter. Sie schüttelte mit dem Kopf, sah ihn flehentlich an, doch er ignorierte sie und ihr Jammern.
„ N…nein, nein, John. B…bitte nicht, nein. Nei… NEIIIIIN!!“


„ NEIIIIIIN!“ Mit einem Schrei in den Ohren, den sie offensichtlich selbst ausgestoßen hatte, fuhr Teyla Emmagan aus dem Schlaf. Ihr ganzer Körper zitterte, ihre Schultern bebten. Panisch schnappte sie nach Luft, doch unsichtbare Hände hatten sich um ihre Kehle gelegt, erstickten ihren gellenden Schrei.
Ihr Herz ratterte in ihrem Brustkorb, schien sich fast zu überschlagen. Ihr Puls raste, ihr Blut kochte, rauschte durch ihre Adern, stachelte ihr Herz dazu an, schneller zu schlagen- schneller, als es gut war.
Teyla stöhnte auf und griff nach ihrer Brust, als ein stechender Schmerz durch ihren Oberkörper fuhr und ihr die Luft abschnürte. Sie japste nach Luft, wie ein Fisch auf dem Trockenen, aber nur langsam durchflutete er ihre Lungen.
Schweiß bedeckte ihren ganzen Körper, ließ sie unbewusst frösteln. Ihr Shirt klebte schweißdurchnässt an ihrem Rücken. Das Laken ihres Bettes war zerwühlt, zerknittert. Die Bettdecke hatte sich um ihre erhitzten, zitternden Beine gewunden.
Jede Faser ihres Körpers schien zu zittern und ihr Kopf fühlte sich an, als stünde er kurz vor der Explosion- ein ziehender, zugleich pulsierender Schmerz zog sich durch ihre Schläfen.
Ein ungutes Gefühl machte sich in ihr breit, ihr Magen krampfte sich zusammen, ihre Kehle begann zu kribbeln und sie hörte, wie sie zu würgen anfing.
Schnell rollte sie sich aus dem Bett, die Hand vor den Mund gepresst und stolperte in die Richtung, wo sie das Bad vermutete. Ihre Beine zitterten und ihre Knie drohten unter ihr nachzugeben. Schwindel überkam sie, verstärkte die Übelkeit nur noch.

Teyla hatte nicht daran geglaubt, dass sie es noch rechtzeitig ins Bad schaffen würde. Und so wunderte sie es auch nicht, als sie strauchelte und zusammensank, sich gerade noch mit ihren Handflächen abstützen konnte, ehe sie sich auf die dunkeln Fliesen erbrach.
Verdammt, dachte sie nur und wischte sich mit dem Handrücken über ihren Mund; es brannte sauer in ihrer Speiseröhre und der Geschmack in ihrem Mund, den sie vergeblich zu ignorieren versuchte, war einfach nur Ekel erregend.

Mit einem Ächzen robbte sie über die dunklen Fliesen- schwach, ausgelaugt, zittrig- und lehnte ihren pochenden Schädel gegen die kalte Wand, versuchte ihre wild in ihrem Kopf umhersausenden Gedanken zu ordnen, was sich ebenso unmöglich herausstellte, wie der Versuch nicht mehr an ihren Traum zu denken.
Teyla merkte, wie sie wieder zu zittern begann und wie ihr Magen wieder zu rebellieren drohte. Sie biss sich auf die Zähne, schloss ihre Augen, versucht möglichst ruhig zu atmen.

Sie spürte genau wie ihr Herz im Angesicht des Traum rasend schnell schlug. Nur nach und nach normalisierte sich der Rhythmus wieder.
Es dauerte noch einige Sekunden, ehe sie wieder einigermaßen Herr über ihre Sinne war und langsam die Augen öffnete.


Die Umgebung vor ihren Augen war noch ein kleines bisschen verschwommen, dennoch erkannte sie, dass sie es wohl noch ins Bad geschafft hatte… wenn auch nicht mehr ganz bis zur Toilettenschüssel.
Die sie umgebenden Wände waren mit dunklen Fliesen getäfelt. Links von ihr war eine kleine Duschkabine, gleich daneben eine eckige und ziemlich tiefe Badewanne.
Ihr gegenüber war ein Waschbecken in die Wand eingelassen, darüber ein breiter Spiegel, der ihr das Grauen offenbarte: Ihr Gesicht war aschfahl und ihr klebten Haarsträhnen in ihrem verschwitzten Gesicht. Außerdem war es nicht gerade appetitlich, sich selbst dabei zu beobachten, wie man seinen Mageninhalt auf den Fliesen verteilte.

Teyla stöhnte leise, schloss ihre erschöpften, vom Träumen ausgelaugten Augen wieder und sog den Geruch von Aftershave ein, der in ihrer Nase brannte, aber trotz alledem nicht unangenehm war; sie fand es roch nach Schokolade und es wunderte sie, woher er es wohl aufgetrieben hatte.

Sie hörte, wie im Schlafbereich die schwere Bettdecke beiseite geschoben wurde und wie nackte Füße über den Boden schlurften, immer schneller und lauter wurden. Schließlich waren sie ganz nah, doch sie hatte einfach keine Kraft, um aufzublicken. Sie wusste eh, wer da auf sie zugeeilt kam und neben ihr auf die Knie ging, ihr eine ins Gesicht gerutschte, rostbraune Haarsträhne hinters Ohr strich und einen Arm stützend um ihre Taille legte.
„ Ssht, ist gut. Alles okay. Es ist alles in Ordnung. Ganz ruhig. Ssht.“ Teyla wimmerte leise, als er mit seiner Hand über ihren Rücken strich, und verbarg ihr Gesicht in seinen Schultern.
„ Alles okay“, flüsterte er noch einmal. „ Es war nur ein Traum. Ganz ruhig.“

Teyla konnte nicht anders, als John für sein enormes Mitgefühl zu vergöttern. Seit vier Nächten ging das jetzt schon so: schreiend und schweißgebadet fuhr sie aus dem Schlaf, warf sich im Bett hin und her und vorgestern war sie zum ersten Mal orientierungslos durch die nächtliche Dunkelheit geirrt.
John zeigte Verständnis, auch wenn er jedes Mal vor Schreck fast aus dem Bett fiel, wenn sie wieder einen Traum hatte.
„ Wieder ein Alptraum?“, fragte er sie mit gesenkter Stimme, obwohl er ihre Antwort schon kannte.
Teyla nickte schwach, schluckte. „ J…ja.“
„ Ist alles in Ordnung?“ Er hob ihr Kinn mit seinem Zeigefinger an, sodass er ihr in die Augen sehen konnte.
Wieder nickte sie. „ N…nur Kopfschmerzen. Und m…mir ist schwindelig.“
„ Du solltest zu Carson zu gehen“, meinte John und half ihr vorsichtig wieder auf die Beine. „ Ich will nicht, dass du krank wirst. Das können wir im Moment gar nicht gebrauchen.“

Teyla seufzte, ergab sich dann aber ihrem Schicksal und nickte. So langsam gingen ihr diese Träume an die Substanz. Sie hatte das letzte Mal vor einer Woche eine Nacht durchgeschlafen, fühlte sich schlapp und ausgepowert.
Nicht nur John war das aufgefallen, sondern auch Elizabeth. Besorgt hatte sie sie am gestrigen Tag zur Seite genommen und gefragt, ob alles in Ordnung sei. Teyla hatte gelogen und gemeint: „ Alles okay, ich hab nur schlecht geschlafen.“
Sie wusste nicht, warum sie so schlecht schlief und warum sie so matt war. Aber eines wusste sie: Das musste sich schnellstens ändern. Spätestens, wenn sie ihr Team auf den nächsten Außenwelteinsatz begleiten wollte.

Die Artemis war am vorherigen Tag aus dem Hyperraum gefallen, kreiste nun in der Umlaufbahn zweier, eng beieinander liegender Planeten, die laut Rodney eine „ höchst menschenunfreundliche“ Oberfläche hatten und nicht nur der Kanadier schien sich zu fragen, warum das Schiff ausgerechnet hier einen Stopp gemacht hatte.
Zweieinhalb Wochen war es her, seit sie zurück in den Hyperraum gesprungen waren, nachdem sie „das andere Team“ beerdigt hatten. Zweieinhalb Wochen waren eine lange Zeit und Rodney hatte angefangen wie von der Biene gestochen herumzuirren. Für ihn war alles nur „unlogisch“ und wenn man ihn nicht im Labor oder im Maschinenraum antraf, dann aber in der Nähe einer seiner Kollegen- überwiegend Mike Branton-, dem er das Leben schwer machte.

Teyla seufzte. Sie glaubte zwar nicht, dass sie in den nächsten Tagen oder Stunden- bis die Artemis zurück in den Hyperraum fiel- ausrücken würden, zumal sie von dem Schiff nicht runterkamen, aber dennoch wollte sie sichergehen, dass sie ihr Team dann vollends unterstützen konnte.
„ Okay, ich werde morgen zu Carson gehen“, meinte sie leise, als sie wieder im Bett lag und sich fröstelnd die Bettdecke bis unter die Nasenspitze zog.
„ Braves Mädchen“, schmunzelte John und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn; er sah mindestens genauso übermüdet aus wie sie und konnte einem fast leid tun.
„ Ich liebe dich“, wisperte Teyla gegen seine Wange und kuschelte sich enger an ihn. Er war warm und sein gleichmäßiges Atmen beruhigte sie.
John murmelte etwas, was man als ein „ Ich dich auch“ interpretieren konnte, ehe sein Kopf zur Seite fiel und er leise zu schnarchen begann. Seine Hand ruhte auf ihrer Schulter, hielt sie fest gegen sich gedrückt, als ob er sie beschützen wollte.

Teyla legte ihre Hand auf seinen Brustkorb und stützte ihren Kopf darauf. Sie kräuselte ihre Stirn und seufzte tief, dachte über den Inhalt ihres Traums nach, ehe ihre Lider langsam schwerer wurden und sie ganz langsam in einen tiefen, traumlosen Schlaf abdriftete, der erst am nächsten Morgen endete, als der schrille Alarm von Johns Armbanduhr losging und sie merkte, wie sich dieser unter leisem Murren von der Matratze quälte.
Sie öffnete ein Augen, blinzelte den dunkelhaarigen Piloten müde an, fiel dann aber zurück ins Kissen.

+++++++++


„ Merkwürdig, Sie sind schon die zweite Person, die sich mit derartigen Symptomen bei mir meldet“, meinte Dr. Carson Beckett stirnrunzelnd, als er ein kleines orangenes Döschen hervorkramte und dann langsamen Schrittes zum Behandlungstisch ging, wo Teyla sich mit Mittelfinger und Daumen über die Schläfen strich.
„ Wirklich?“ Sie nahm das Döschen höchst dankbar entgegen und seufzte erleichtert.
„ Ja.“ Carson nickte und tastete mit seinen Finger nach ihrem Hals. „ Vor nicht mal einer Stunde war Col. Carter hier und hat über Kopfschmerzen und Schwindel geklagt. Sie meinte, sie habe nicht gut geschlafen in der letzten Nacht.“
„ Da ist sie nicht die Einzige“, seufzte Teyla und schwang sich zu einem schwachen Lächeln- mit mäßigem Erfolg. Ihr Kopf schmerzte, kaum dass sie ihre Mundwinkel verzogen hatte und so ähnelte ihr Lächeln doch eher einer schmerzverzerrten Grimasse.
Mit zittrigen Fingern öffnete sie das Döschen und ließ eine kleine, weiße Schmerztablette auf ihre Handfläche kullern.
„ Tut mir leid, dass ich nichts Stärkeres habe“, sagte Carson. „ Aber es müsste eigentlich genügen, wenn Sie eine davon nehmen. Könnten Sie bitte mal tief ein- und dann wieder ausatmen, meine Liebe?“
Teyla tat wie ihr geheißen, zuckte zusammen, als Carson das kalte Stethoskop auf ihre Brust legte und atmete tief ein und dann wieder aus.
„ Glauben Sie mir, Carson“, lächelte sie, „ allein der Gedanke, diese elendigen Kopfschmerzen loszuwerden und eine Nacht durchschlafen zu können, ist sehr… beruhigend.“
„ Haben Sie sonst noch andere Symptome?“, fragte der Mediziner und legte das Stethoskop beiseite. „ Koordinationsschwierigkeiten, Gleichgewichtsschwierigkeiten, Sehstörungen, Übelkeit oder derartiges?“
Teyla nickte. „ Ich hatte letzte Nacht und vorgestern Morgen Probleme mit dem Magen und musste mich…übergeben.“
„ Haben Sie eine Ahnung, ob Sie irgendetwas Verdorbenes gegessen haben?“ Carson leuchtete ihr mit einer kleinen, aber sehr grellen Lampe in die Augen, woraufhin sie sie reflexartig zusammenkniff.
„ Nein.“ Teyla schüttelte mit dem Kopf. „ Nichts, was Sie und die anderen nicht auch gegessen haben.“
Carson schmunzelte. „ Ich muss zugeben, dass ich mich an den Gedanken noch gewöhnen muss, etwas zu essen, das ein Computer hergestellt hat…bedient von Rodney McKay.“ Er ließ die kleine Leuchte in seiner Hosentasche verschwinden, wirkte wieder ernster. „ Wie lange haben Sie das schon, Teyla?“
„ Seit einer Woche“, erwiderte sie ihm. „ Und seit vier Nächten kann ich so gut wie gar nicht mehr schlafen.“
„ Col. Carter hat es mir so ähnlich beschrieben“, sinnierte Carson stirnrunzelnd. „ Also, rein körperlich fehlt Ihnen nichts, meine Liebe, aber… Darf ich Sie etwas Persönliches fragen?“
Teyla nickte. „ Natürlich dürfen Sie das, Carson.“
Der schottische Mediziner erwiderte ihr Nicken und zog sich einen Stuhl heran. „ Wenn Ihnen diese Frage unangenehm ist oder Sie nicht darauf antworten wollen, dann verstehe ich das natürlich. Aber vielleicht sollten Sie wissen, dass ich Col. Carter auch danach…gefragt habe. Es könnte relevant sein, also… Teyla, treffen Sie sich mit jemandem?"
„ Ich verstehe nicht recht“, erwiderte sie.
„ Ich meine, ob Sie im Moment mit jemanden… es geht mich natürlich nichts an und großer Gott, ich will Sie nicht ausfragen, aber… es könnte wie gesagt relevant sein.“

Teyla begegnete der Verlegenheit des Arztes mit Verwunderung, runzelte die Stirn und es dauerte einige Augenblicke, bis sie begriff, was Carson zu sagen versuchte. „ Sie denken, ich bin…"
„ Das heißt also, Sie…“, setzte er an und seine Miene lichtete sich, als sie nickte. Er räusperte sich und faltete die Hände auf seinem Schoß. „ Ohne einen Test wissen wir natürlich nichts und ich will mich nicht auf eine Vermutung stützen, aber die Symptome passen alle zusammen.“ Er verzog seinen Mund einem ermunternden Lächeln. „ Ich würde gerne einen Test machen, wenn Sie damit einverstanden sind. Nur, damit wir wissen woran wir sind.“

Die Athosianerin war so sehr in ihren Gedanken versunken, dass sie nicht einmal zusammenzuckte, als Carson ihr Blut abnahm. Nein, sie zuckte noch nicht einmal zusammen, als sich die Türen der Krankenstation öffneten und ein lautes „ Dr. Beckett“ die Wände erschütterte.

+++++++++++++


„ Es wird schon alles gut werden, meine Liebe.“ Carson lächelte und tätschelte Teyla über den Arm. Er ließ die junge Frau mit ihren Gedanken allein und versuchte sie möglichst nicht zu stören. Sie schien ihn gar nicht zu bemerken, zuckte noch nicht einmal zusammen, als die Nadel durch ihre Haut piekste. Er fragte sich, welcher Herr es wohl geschafft hatte, das Herz der edlen Kämpferin zu erobern.

Die sich zischend öffnende Tür und ein lautes, schallendes „ Dr. Beckett“ rissen ihn aus seinen Gedanken zurück auf die Krankenstation.
„ Oh, großer Gott!“, rief Carson, als er Col. Cameron Mitchell entdeckte, dessen graue Augen rastlos umherirrten. „ Colonel, was ist passiert?“
Mitchell sah auf Col. Samantha Carter hinab, die regungslos in seinen Armen lag- dunkelrotes, fast schon schwarzes Blut tropfte aus ihren Mundwinkeln auf seine Uniform.
„ Sie… sie...wir waren in der Mensa, haben was gegessen“, berichtete der Colonel, seine Stimme überschlug sich fast. „ Plötzlich meinte sie, sie fühle sich nicht besonders und sie wolle sich hinlegen gehen.“ Er machte eine kurze Pause, um Luft zu holen. „ Dann ist sie… sie ist zusammengebrochen und fing an aus dem Mund zu bluten.“
„ Legen Sie sie auf die Liege“, wies Carson den Soldaten an und fischte seine kleine Lampe aus der Hosentasche, leuchtete der blonden Wissenschaftlerin damit in die Augen. „ Colonel, können Sie mich hören? Samantha, können Sie mich…“

Ein dumpfes Geräusch ließ sowohl ihn, als auch Col. Mitchell aufhorchen. Carson wandte einen schnellen Blick über seine Schulter und erschrak, als er Teyla der Länge nach zu Füßen des Behandlungstisches liegen sah; das Gesicht schmerzverzerrt, die Hände um den Bauch geschlungen, dunkles Blut aus dem Mund laufend.
„ Verdammt, Teyla!“ Col. Mitchell hechtete zu der Athosianerin, schlang seine Arme um ihre Taille und zog sie vorsichtig hoch. „ Doc!“
„ Legen Sie sie hin, Colonel!“, rief Carson und schnappte nach seinem Headset. „ Jennifer, hier ist Carson, bitte kommen Sie unverzüglich auf die Krankenstation.“
„ Was ist denn los?“, erklang die Stimme, der hübschen Ärztin aus Wisconsin wenige Augenblicke später. „ Stimmt irgendetwas nicht?“
„ Ich würde es Ihnen gern erklären, doch ich brauch Sie hier. Und zwar sofort!“
„ Verstanden, ich komme sofort!“

TBC
Das Wesen by Ailya
Nur die Sterne leuchten nach dem Tod


John keuchte erschrocken auf und schnappte nach Luft, als das harte Holz in seine Kniekehlen schnellte und ihn zu Fall brachte; er machte einen stolpernden Satz nach vorne, versuchte vergebens irgendwo Halt zu finden und fiel der Länge nach auf den kalten Boden.

Dort blieb er liegen; völlig außer Atem und nassgeschwitzt. Sein Herz hämmerte gegen seinen Brustkorb, sein Puls raste und er hörte förmlich das Blut durch seine Adern rauschen.
„ Sie sind nicht bei der Sache, Sheppard“, bemerkte Ronon Dex trocken und stupste dem dunkelhaarigen Soldaten mit seinem Bantosstab in die Seite.
John verzog sein Gesicht zu einer Grimasse und rollte sich schwerfällig auf den Rücken, ignorierte das Brennen in seinen Kniekehlen. Seine Unterarme waren krebsrot und kribbelten. So langsam kam ihm der Verdacht, dass es dem Sateder Spaß machte, ihn leiden zu sehen.

Ronon grinste und streckte ihm seine prankenartige Hand entgegen, doch John bedachte ihn nur missbilligenden Blickes und stieß sich mit den Ellenbogen vom Boden ab.
Ächzend kämpfte er sich auf die Beine und verharrte dann einen Moment in seiner Bewegung, als sich alles um ihn herum zu drehen begann, aber daran hatte er selbst Schuld. Er hatte seinen hünenhaften Teamkameraden gebeten nicht zimperlich mit ihm zu sein. Es war etliche Wochen her, dass sie beide zum letzten Mal trainiert hatten- solange, dass er sich schon gar nicht mehr richtig daran erinnern konnte.

John seufzte tief und fokussierte Ronon, als der Schwindel langsam verflog und seine Gedanken wieder klarer wurden. Es war viel passiert in den letzten Wochen und er musste dringend den Kopf freibekommen. Von dem Training mit Ronon hatte er sich genau dies erhofft, doch so langsam fragte er sich, ob das wohl wirklich eine so gute Idee gewesen war; sein Hinterteil schmerzte, seine Kniekehlen brannten und sowieso erweckte er einen eher geschundenen Eindruck.

„ Alles in Ordnung? Sollen wir lieber aufhören?“, hörte er Ronon fragen, wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und schüttelte mit dem Kopf.
„ Mir geht’s gut“, erwiderte er schnell, klopfte sich den Staub von seiner Hose und funkelte den Sateder an. „ Lassen Sie uns weitermachen.“
Ronon zuckte mit den Schultern und nahm wieder seine Angriffsposition ein. „ Wie Sie wollen, Sheppard.“

Der Sateder begann um ihm herumzupirschen, wie ein Raubtier um sein ahnungsloses Opfer. Geschickt ließ er seinen Bantosstab durch seine Hände gleiten, zuckte manchmal binnen Sekunden nach vorne, täuschte einen Angriff vor.
Doch John kannte Dromoys lange genug, um zu wissen, dass er auf den richtigen Moment wartete. Ronon würde warten, bis er eine günstige Gelegenheit erhalten würde, um ihn wieder zu Boden zu schicken. Aber das würde ihm nicht gelingen!

Johns Blick folgte seinem Teamkameraden, nicht einmal das noch so kleinste Muskelzucken entging ihm. Nicht ein Schweißtropfen perlte von der Haut des Sateders ab und tropfte zu Boden, ohne dass er es bemerkte.
Ronon biss sich auf die Unterlippe und seine scheinbar undurchdringlichen braunen Augen studierten ihn unermüdlich. Er schien in seinem Kopf abzuwägen, wie er ihn überrumpeln wollte, wie er ihn demütigen wollte. Das würde nicht schwer werden, hatte er sich erst einmal für eine Methode entschieden.
Ronon hatte mit ansehen müssen, wie die Wraith seinen Planeten vernichtet hatten, wie sie seine Freunde getötet hatten. Jahrelang war er vor ihnen davongelaufen, war eine Art Freizeitbeschäftigung für diese Monster geworden. Er hatte sich nicht lange an einem Ort aufhalten können, ohne Vernichtung über ihn zu bringen.
John konnte sich nicht vorstellen, wie der Sateder diese Jahre der Einsamkeit hinter sich gebracht hatte. Wahrscheinlich damit, dass er kämpfte…
Er kämpfte wie kein Zweiter, konnte jeden Gegner binnen Sekunden einschätzen und wenn nötig ausschalten. Im Großen und Ganzen war er eine Bereicherung für das Team, auch wenn er es am Anfang schwer gehabt hatte.

Ronons tiefe Narben an seinem Arm stachen John ins Auge. Schon bei ihrem ersten Treffen hatte er begreifen müssen, dass der Sateder eine Nummer zu hoch für ihn war. Und selbst jetzt- eineinhalb Jahre später- war er sich darüber im Klaren, dass sie sich nie ebenbürtig werden würde.
Im Gegensatz zu ihm und Teyla. Seit sie einander kannten, hatte sie versucht ihn in die Kunst des traditionellen athosianischen Kampfes einzuweisen und inzwischen konnte sie sogar recht zufrieden mit ihm sein… meinte er zumindest. Im Laufe der Jahre hatte er sich verbessert, war nicht mehr ganz so tollpatschig wie zu Anfang und konnte seine Bewegungen besser koordinieren. Hatte sie ihn damals noch mühelos besiegen können, so musste sie sich jetzt anstrengen. Er nahm sich sogar die Freiheit zu behaupten, dass sie sich im Kampf ebenbürtig waren… auch wenn sie beide sich während ihres letzten Trainings nicht unbedingt auf den Kampf konzentriert hatten.

John musste schmunzeln, als er sich daran zurückerinnerte, wie Teyla und er versucht hatten, sich gegenseitig zu Fall zu bringen. Jeder hatte versucht den Kampf für sich zu entscheiden… der schließlich unentschieden in seinem Bett geendet hatte.

Er schürzte die Lippen, als ihm wieder einfiel, was heute Nacht geschehen war. Es war in letzter Zeit öfters passiert und er hatte sich schon fast daran gewöhnt, dass Teyla regelmäßig schreiend aus dem Schlaf fuhr und dabei wild um sich schlug. Doch diese Nacht war es so schlimm wie noch nie gewesen!
Er hatte nur gehört, wie sie mit einem kehligen Schrei erwacht war, wie sie sich aus dem Bett gekämpft hatte, in Richtung Bad gestürmt war und sich dort mit einem gurgelnden Laut erbrochen hatte. Merkwürdigerweise war er noch eine Weile liegen geblieben, bis er sich aufgerafft hatte und zu ihr geeilt war.
Sie war blass, wenn nicht schon aschfahl, gewesen und sah ausgelaugt aus. Diese scheinbar nicht enden wollenden Träume machten sie fertig und es war allerhöchste Zeit gewesen, dass sie zu Carson ging…

Seufzend schloss John die Augen für einen kurzen Augenblick, und sich- als er sie wieder öffnete- auf dem Boden zu Ronons Füßen liegend wiederfand, den Bantosstab des Sateders in die Seite gepresst, sein Knie in seiner Wirbelsäule spürend.
„ Sie sind nicht bei der Sache“, meinte Ronon wieder und es kam John vor, als klang leichte Belustigung in der Stimme seines Freundes mit. Er wollte ihm etwas erwidern, doch es überraschte ihn, als außer einem Krächzen nichts über seine Lippen kam, und er einen stechenden Schmerz verspürte, als er sich aufrichten wollte.

Ronon schien zu merken, dass er den Luftwaffenoffizier überrumpelt hatte, beugte sich nach vorne, reichte ihm seine Hand und zog ihn mit einem Ruck hoch.
John stöhnte leise auf und das Knacksen in seiner Rückengegend gefiel ihm überhaupt nicht, ebenso wenig der Schmerz, der Sekunden später durch seinen Rücken fuhr und ihn nach Luft schnappen ließ.
„ Stimmt etwas nicht?“, fragte Ronon und schleuderte seinen Bantosstab in eine Ecke des Raumes. Als er ihn ansah, zuckte er mit seinen mächtigen Schultern. „ Sie scheinen mir nicht bei der Sache zu sein.“
„Ach, wie kommen Sie denn da drauf?“, fragte John spitz, tat es seinem Kameraden gleich und humpelte hinter ihm her. Plötzlich sehnte er sich nach einem heißen Bad… und nach seinem I-Pod- nichts auf der Welt war in so einer Situation besser als Johnny Cash.

Er sah Ronon mit den Schultern zucken und dann nach seinem Handtuch angeln.
„ Ich weiß nicht“, brummelte er in das Handtuch hinein, als er sich das Gesicht trocken wischte. „ Vielleicht bedrückt Sie ja irgendwas. Kann ja mal vorkommen.“
John hob die Augenbrauen, wusste genau worauf der Sateder hinauswollte. Rein zufällig hatte Ronon erfahren, dass Teyla und ihn inzwischen etwas mehr als nur Freundschaft verband- er war unfreiwillig in einen mehr oder weniger leidenschaftlichen Kuss geplatzt und hatte sich mindestens genauso erschrocken, wie sie beide.
Erst war der Sateder skeptisch gewesen und John konnte ihm das nach den Geschehnissen vor zwei Wochen nicht verdenken… aber schlussendlich hatte er unter Zwinkern und Grinsen versprochen, dass ihr "Geheimnis" bei ihm sicher sein würde.

„ Nein, alles in Ordnung“, log John, nachdem er sich den Schweiß mit dem Handtuch vom Gesicht gewischt und es über seine Schulter geworfen hatte.
„ Sie wissen, dass ich merke, wenn Sie mich anlügen, Sheppard?“, sagte Ronon, ohne ihn dabei anzusehen.
John runzelte die Stirn. „ Warum sollte ich Sie jemals anlügen, Kumpel?“

Ronon zögerte mit dem antworten, als sie beide aus dem Trainingsraum hinaus auf den Korridor traten und sich auf den Weg in Richtung Mensa machten.
Der Korridor war hell erleuchtet und wirkte nun nicht mehr so düster und unheimlich wie noch bei ihrer Ankunft. Sie befanden sich auf der Ebene mit den Quartieren der Besatzung. Fast das ganze alltägliche Leben spielte sich hier ab; wen es nicht auf seinem Quartier hielt, vertrieb seine Zeit in der Mensa oder im Trainingsraum. Unter lautem Protest hatte Rodney jedem Expeditionsmitglied eine persönliche Sache zugesprochen, die er mithilfe des antikischen Materiekonverters generierte, was zur Folge hatte, dass Elizabeth sich vollends in ihr Quartier zurückgezogen hatte, um sich der Malerei hinzugeben, während Carson Beckett seine musikalische Seite zu entdecken versuchte.

Ronon hatte noch immer nicht geantwortet, als sie um die Ecke gebogen waren, die Mensa in Sicht kam und sich eine Stimme mit starkem schottischen Akzent aus seinem Headset meldete: „ Col. Sheppard, bitte kommen Sie unverzüglich auf die Krankenstation!“
Er und Ronon blieben mitten auf dem Korridor stehen und sahen einander verwirrt an.
„ Was ist passiert, Carson?“, fragte John.
„ Sie sollten sich lieber beeilen, Colonel“, erwiderte der schottische Mediziner. „ Das sollten Sie sich persönlich ansehen.“
John runzelte die Stirn und nickte, obwohl er wusste, dass Carson das nicht sehen konnte. „ Ich komme sofort.“
„ Beeilen Sie sich, bitte“, schallte es abermals aus seinem Headset, als er sich in Bewegung setzte.

+++++++++++++


Wie schon sooft in den vergangenen Minuten blickte Carson auf, kaum dass das Stöhnen seiner Patientin an sein Ohr drang. Mit einem fast schon wehleidig klingenden Seufzen beobachtete der Mediziner, wie sie sich nervös hin und her warf. Schweißtropfen traten wie Blutstropfen gleich über ihre Stirn, bahnten sich schwerfällig ihren Weg über ihr vom Fieber erhitztes Gesicht. Ihre Lippen und ihre Schultern bebten. Ihr zerbrechlich wirkender Körper wurde von immer neuen Fieberattacken geschüttelt; sie packten sie, ließen sie zusammenzucken und sich nervös auf die andere Seite werfen.
Immer wider stöhnte und ächzte sie leise, verzog ihr Gesicht unter den Schmerzenswellen. Ihre Augen zuckten rastlos unter den geschlossenen Lidern.
Ihr ganzer Körper war mit Schweiß bedeckte, ihr Top klebte nassgeschwitzt an ihrem vom Fieber gebeutelten Körper. Immer wieder wurde er von neuen Krämpfen geschüttelt. Immer wieder sank sie unter Ächzen und Stöhnen in sich zusammen. Immer und immer wieder…

Carson tat es unglaublich weh, zu sehen wie sehr sich Teyla quälte und zu wissen, dass er nichts tun konnte. Er hatte alles nur Erdenkliche und in seiner Macht Stehende getan, um der jungen Frau zu helfen, doch er wusste nicht, was ihr fehlte. Seit scheinbar nicht enden wollenden Minuten wurde sie von Krämpfen und Fieberattacken geschüttelt, doch egal was er auch versucht hatte… nein, die Athosianerin war auf nichts angesprungen. Es war fast zum Verzweifeln!
Diese Ungewissheit machte ihn verrückt! Es gab nichts, was er mehr hasste, als nicht zu wissen, was seinem Patient fehlte. Das hatte er schon damals auf der Universität gehasst und er hasste es heute immer noch.

Carson seufzte wieder, als Teyla sich wieder unter Stöhnen wand und ihr Kopf rastlose Ruhe auf dem Kopfkissen fand. Im Gegensatz zu Col. Carter, die überraschend nach ein paar Minuten erwacht war und sich jetzt mehr oder weniger normal fühlte, hatte sich der Zustand der Athosianerin verschlechtert. Weder er, noch seine neue Kollegin Dr. Keller wussten mit ihr etwas anzufangen.

„ Machen Sie mir ja keinen Unfug, meine Liebe“, sagte Carson leise und legte seine Handfläche auf Teylas vom Fieber erhitzte Stirn. „ Wir brauchen Sie hier doch noch.“ Er bezweifelte, dass sie ihn hören konnte, aber er konnte nicht einfach nur dasitzen und zusehen, wie sie litt. Es war einfach nur unerträglich, nicht zu wissen, wie ihr man ihr helfen konnte!

Das metallene Rasseln in Teylas Brust, ihr leises Jammern und ihr Winseln wurden von dem Zischen der sich öffnenden Türe und von den heraneilenden Schritten übertönt… doch Carson wandte sich erst um, als er aus dem Augenwinkel heraus sah, dass sich ihm jemand näherte.
„ W..was ist mit ihr?“ Col. Sheppard klang besorgt. Seine Atmung war beschleunigt, wahrscheinlich weil er den Weg von wo immer er auch gewesen war bis hierher gerannt war.
Carson wandte sich seufzend zu dem dunkelhaarigen Soldaten um, blickte ihn verständnislose haselnussfarbene Augen, die nach einer Antwort suchten.
„ Ich weiß es nicht.“ Das war die einzige Antwort, die Carson auf diese Frage zu geben wusste. Die Reaktion, die darauf folgte, hatte er schon erwartet: ein Schatten legte sich über das Gesicht des Colonels und seine Miene wurde ausdruckslos. Er presste die Lippen so fest aufeinander, dass das Blut aus ihnen wich.

Ein Moment der Stille folgte. Teylas Aufstöhnen ließ den Soldaten zusammenzucken und aus seiner Starre erwachen.
„ K…kann ich…“, brachte er stotternd zustande. Carson nickte, wusste was er wollte.
„ Gehen Sie zu ihr, mein Junge“, sagte er und trat einen Schritt von Teylas Bett weg, beiseite, machte Platz, gewährte Privatsphäre. Langsam entfernte er sich immer weiter, sah nur noch, wie der Colonel nach der Hand der Athosianerin griff und sie fest umklammerte, als wollte er sie festhalten.

Jennifer hatte gemeint, dass die beiden Teamkameraden eine innige Freundschaft verband und sie war es auch gewesen, die vermutet hatte, dass ihre Beziehung weit über Freundschaft hinausging. Eine Vermutung, die Carson schon viel früher gekommen war, die er aber immer wieder verworfen hatte. Doch diesmal…
Nein, dieses Mal ließ es sich nicht leugnen; zärtlich und behutsam strich der Zeigefinger des Colonels über Teylas zitternde Hand. Er hatte neben ihrem Bett Platz genommen, hatte ihre Hand an seine Lippen geführt. Er schien irgendetwas gegen ihre Handflächen zu wispern, doch Carson verstand es nicht. Wenn er es sich genau überlegte, wollte er es auch nicht wissen.
Im Schatten eines Pfeilers sah er den hünenhaften Ronon Dex stehen, der scheinbar auch beschlossen hatte, den beiden einen Moment allein zu gönnen. Als sich ihre Blicke trafen, nickte der Sateder nur und verschränkte die Arme vor seinem muskulösen Brustkorb.

Carson nahm wieder Platz, schob mit einem missmutigen Laut seinen Tablettlaptop beiseite- er hatte jetzt einfach keinen Nerv dafür. Er hatte die letzten Tage immer wieder darauf gestarrt und so langsam machte ihn das Flimmern des Bildschirms verrückt.
Sein Blick fiel auf ein unscheinbares, weißes Blatt Papier, welches schon länger auf seinem Schreibtisch gelegen hatte, er es aber noch nicht angesehen hatte- es war einfach zu viel passiert, er hatte keine Zeit gefunden.
Vorsichtig, als hätte er Angst die Schrift zu verwischen, strich er mit seiner Fingerkuppe über das raue Papier, auf dem in ebenso unscheinbarer Schrift das kleine Wörtchen Negativ zu lesen war- schwarz auf weiß.

Er seufzte und sah wieder zu dem Paar herüber; Teyla wurde wieder von einem Krampf geschüttelt, der Colonel ließ ihre Hand nicht los, hatte die Zähne fest aufeinander gebissen und schien um seine Beherrschung kämpfen zu müssen.
Sie jammerte auf, er zuckte zusammen. Sie stöhnte auf, er umklammerte ihre Hand noch fester, drückte seine Lippen noch fester gegen ihre Handfläche. Vielleicht war es besser so. Vielleicht war es besser, dass der Test negativ ausgefallen war…

+++++++++++++


Das Erste, was sie spürte, als ihre Sinne langsam zu ihr zurückkehrten, war der beißende Geruch nach Rauch. Dann spürte sie Schmerz, großen Schmerz in ihrem Kopf. In ihrem Magen. In ihren Beinen. Schmerz einfach überall.
Sie wollte ihre Augen öffnen, doch da war nichts außer Dunkelheit, Schwindel, Übelkeit und noch mehr Schmerz. Kälte kroch durch ihre Glieder, ließ sie frösteln.
Das Blut schien in ihren Adern zu gefrieren und sie fühlte sich, als hätte sie mehrere schlaflose Nächte hinter sich.
Ihr Mund und ihre Lippen waren trocken. Ihre Zunge klebte an ihrem Gaumen. Es brannte, als sie mit ihr über ihre trockenen, aufgesprungenen Lippen leckte.

Miéa kalina. Tuá miuó dué est. Eine sanfte Stimme erreichte ihr Ohr, fuhr durch ihren Körper, gab ihr die Kraft ihre Augen zu öffnen und dem Licht zu widerstehen, das viel, viel zu hell war.
Sie merkte, wie die Energie der Stimme durch jede Faser ihres Körpers strömte, merkte wie ihre Beine sich vom Boden abstießen. Ihr Magen begann zu flattern und sie hatte das Gefühl zu schweben.

Die Stimme, die sie aus dem tiefen schwarzen Loch gezogen hatte, war verebbt. Stattdessen drang ein leises, stetiges Brummen an ihr Ohr. Der Vorhang, der sich vor ihre Augen gelegt hatte, fiel… und sie sah einen hell erleuchteten Korridor vor sich liegen. Die Wände wurden von Leuchten beschienen und waren über und über mit Symbolen versehen, die sie nicht zu deuten wussten.
Langsam setzte sie sich in Bewegung. Mit jedem Schritt wurde sie sicherer. Sie spürte den kalten Boden unter ihren nackten Füßen. Die Kälte fraß sich durch ihre Fußsohlen, an ihrem Bein hinauf, ließ sie erschaudern und ihre Arme um ihren Körper schlingen.

Helia. Die sanfte Stimme ertönte wieder hinter ihr und sie drehte sich um, sah einen Mann mittleren Alters vor sich stehen. Er hatte dunkle Haare, warme haselnussfarbene Augen, die sie liebevoll und überrascht zugleich anfunkelten, und einen Dreitagebart. Er kam ihr vertraut vor und sie überkam ein warmes Gefühl, als sie sein Gesicht endlich einem Namen zuordnen konnte.
„ John“, stieß sie hervor und erschrak sogleich. Ihre Stimme war ein melodisches, silbernes Klirren. Es klang nicht nach ihr, es klang fremd. Sie schlug sich die Hand vor den Mund und blickte zu ihm auf; er lächelte sie an, streckte die Hand nach ihr aus und unwillkürlich setzte sie sich wieder in Bewegung, schwebte geradezu über den Boden.

Sie näherte sich einer riesigen Glasfront, langsam, stetig, und erschrak, als sie ihr Spiegelbild erblickte, was dennoch nicht das ihre war. Vor ihr stand ein geradezu vollkommenes Wesen mit langen honigblonden Haaren und bezaubernden blassgrünen Augen. Ihr Gesicht war gleich Porzellan- nicht die kleinste Unebenheit zeigte sich. Ihre Gesichtszüge waren weich, bildeten eine perfekte Harmonie zu ihren gelockten Haaren und ihren vollen Lippen.

Dieses perfekte Geschöpf starrte sie an und ihr wurde bewusst, dass etwas nicht stimmen konnte…

TBC
Lullaby Of Pain by Ailya
I am holding on to the hope I have inside
with you I will stay through every day
putting my understanding aside


Ein Tag, der mit einem schlechten Kaffee begann, konnte nur in einer Katastrophe enden, wobei ihm langsam der Verdacht kam, dass sich solche Tage in letzter Zeit häuften.
Mit einem missmutigen Seufzen schielte Rodney über den Rand seiner Tasse hinab, nur um gleich angewidert die Lippen zu schürzen- dieses Zeug, was sich „Kaffee“ nannte, war dünn und roch nach Spülwasser. Statt einer satten karamelfarbenen Farbe, schimmerte es leicht gräulich, und der kleine Keks, den ihm die Köchin daheim in Atlantis immer daneben gelegt hatte, fehlte zu allem Überfluss auch noch. Es war einfach zum Verzweifeln!

Mit dem Entschluss, seine Kaffeesucht zukünftig in den Griff zu bekommen, stellte Rodney seine Tasse beiseite und widmete sich wieder seinem Tablettlaptop, welches ihm nichts Besonderes verriet, außer vielleicht das, was er schon seit geraumer Zeit wusste: Er war umgeben von Idioten!
„ Das… das ist… das kann doch nicht…“ Sein Puls rauschte in die Höhe und fast im selben Augenblick lechzte sein Mund nach einem Schluck Kaffee, doch allein der Gedanke an dieses bittere, gräuliche, müffelnde Zeug war ekelerregend und Rodney beschloss es lieber nicht zu riskieren. Er hing an seinem Leben und war eigentlich ganz zufrieden damit…

Außer vielleicht mit der Tatsache, dass er mit einem Haufen unbefähigter Schwachköpfen zusammenarbeitete, die sich allesamt für die Reinkarnation von Einstein persönlich hielten! Das war einfach nur zu Verrücktwerden! Eine Farce!
„ Branton“, grummelte Rodney und kniff die Augen zusammen, während er die Berechnungen seines jungen Kollegen noch einmal überflog, dann aber zu dem Schluss kam, dass selbst seine Nichte Madison intelligenter war als dieser Kerl! Seine Berechnungen- falsch! Da brauchte er noch nicht einmal hinsehen! Das konnte er schon aus hundert Metern Entfernung riechen! Gegen den Wind!
Er konnte solche Möchtegernwissenschaftler nicht ausstehen und er hatte es Elizabeth nie verziehen, dass sie Mike Branton seinem und nicht Zelenkas Team zugeteilt hatte. Hätte diese vorwitzige, arrogante amerikanische Landpomeranze doch viel besser in das Team des Tschechen gepasst…

Ein leises Zischen drang an sein Ohr. Rodney musste nicht einmal aufsehen, um zu wissen, wer da gerade das Labor betreten hatte und sich ihm schweren Schrittes näherte. Zum einem tat das nur einer freiwillig und zum anderen, hatte er ihn hierher bestellt, hatte aber nicht damit gerechnet, dass er binnen Minuten hier auftauchen würde.

Seit drei, fast vier Jahren kannten sie einander, doch so hatte Rodney seinen Teamleader noch nie zuvor erlebt. Es war geradezu unheimlich!
„ Sie sagten Sie hätten was für mich.“ John Sheppards Stimme klang hohl und ausdrucklos- die einzelnen Wörter verschwammen ineinander. Sein Gesichtsausdruck sprach Bände, wirkte niedergeschlagen. Dunkle Schatten waren unter seinen glanzlosen, trüben Augen. Seine Mundwinkel hingen nach unten- im Großen und Ganzen erweckte er einen erschöpften und müden Eindruck…
Rodney vermutete, dass er schon seit längerer Zeit kein Auge mehr zugetan hatte und wollte sich deshalb gar nicht erst auf eine Diskussion mit ihm einlassen.
„ Wie geht’s ihr?“, fragte er vorsichtig. Er hatte schon Elizabeth gefragt, als sie vorhin bei ihm gewesen war, doch zu seinem Bedauern, hatte sie nur gemeint, dass es schon länger her war, dass sie auf der Krankenstation gewesen war und sie die jetzigen Umstände nicht wusste.
„ Sie… sie kann nicht alleine atmen und ihr Herz schlägt… unregelmäßig“, antwortete John in gleich bleibender Tonlage und presste die Lippen aufeinander. Rastlos wanderte sein Blick durch den Raum, als schien er nach etwas zu suchen, doch seine Suche schien nicht von Erfolg gekrönt zu sein.

Rodney verkniff sich einen Kommentar, zumal ihm kein angebrachter einfiel, der diese Situation gebessert hatte. Nein, zum wahrscheinlich ersten Mal in seinem Leben hielt er freiwillig seine Klappe und zog es vor zu schweigen. Vielleicht war es auch besser so…
Es war fast kaum zu fassen, dass schon zwei Tage vergangen waren, seit man Teyla auf die Krankenstation gebracht hatte. Er zog nur ungern Schlüsse aus anderer Leute Aussagen, doch so wie John auf seine Frage geantwortet hatte, stand es nicht gut um die Athosianerin.

Rodney versuchte sich daran zu erinnern, wann er das letzte Mal bei ihr gewesen war und musste geschockt feststellen, dass er das nicht konnte. War es wirklich schon so lange her? So lange, dass er sich nicht mehr daran erinnern konnte?
„ Carson meint, dass die nächsten vierundzwanzig Stunden entscheidend sind“, hörte er den dunkelhaarigen Piloten seufzen. Seiner Stimmlage nach zu folgern, glaubte er ebenso wenig daran, wie er es tat. Rodney wusste, dass die ganze Sache seinen amerikanischen Freund mehr mitnahm, als er zugeben wollte, und das da irgendwas war, was er ihm nicht sagen wollte.
„ Und wie geht’s Ihnen?“, hörte er sich plötzlich fragen, nicht wissend, warum er das getan hatte.

John blickte zu ihm auf und für einen kurzen Moment glaubte er ein schwaches Funkeln in seinen haselnussfarbenen Augen zu erkennen- doch es verschwand wieder, bevor Rodney sicher gehen konnte.
„ Ein Mitglied meines Teams stirbt! Wie sollte ich mich Ihrer Meinung nach fühlen?“, fragte der Militär trocken zurück und schluckte dann heftig.
Rodneys Augen weiteten sich, als die Worte des Colonels in seinem Gehirn ankamen. „ Sie wird…“ Er setzte zur Frage an, strauchelte dann aber über seine eigene Zunge, verstummte und sah seinen Gegenüber kopfschüttelnd an. „ Wirklich?“
Der Luftwaffenoffizier zog seine Mundwinkel noch weiter nach unten und starrte auf die staubigen Spitzen seiner Militärstiefel. „ Carson weiß nicht, was ihr fehlt. Er weiß nicht, ob…“ John schluckte abermals heftig und sah dann erwartungsvoll zu Rodney auf. „ Ich dachte, Sie könnten m… uns vielleicht weiterhelfen. Sie sagten, Sie hätten etwas gefunden.“


Möglicherweise lag es an dem grottenschlechten Kaffee, der nach einem langsamen, aber fatalen Vernichtungskreuzzug in seinem Magen angekommen war; in seiner Magengegend grummelte und blubberte es verdächtig.
Aber anderseits glaubte Rodney, dass sein plötzliches Unwohlsein vielmehr auf die Tatsache zurückgeführt werden konnte, dass John es in Betracht gezogen hatte, dass Teyla das Ganze nicht überleben würde! Wie um alles in der Welt konnte er nur so etwas denken?
John schien seinen entsetzten Gesichtsausdruck deuten zu können und machte einen bedachten Schritt auf ihn zu.
„ Rodney…“, sagte er mit gesenkter Stimme, zog seine Augenbrauen zusammen. „ Ich weiß, dass das schwer ist, aber…“

Empört sah Rodney seinen Freund an, schüttelte dann ungläubig mit dem Kopf. Manchmal wunderte er sich über diesen Kerl! Dafür, dass er eben noch eine Miene wie nach sieben Tagen Regenwetter gezogen hatte, wirkte er jetzt doch wieder ziemlich gefasst, geradezu ernst. Wahrscheinlich hatte das Verdrängen von Gefühlen zur Soldatenausbildung gehört, oder so. Wer- außer den Soldaten selber- konnte schon sagen, was auf den unzähligen Stützpunkten alltäglich geschah…
„ Es interessiert Sie gar nicht, wie es ihr geht?“, fragte er den Soldaten, noch immer mit dem Kopf schüttelnd.
„ Natürlich interessiert es mich, wie es ihr geht“, konterte John. „ Als Teamleiter muss mich das interessieren!“
„ Ach, wirklich?“ Rodney kniff die Augen zusammen. Irgendetwas war da noch- etwas, was seinem amerikanischen Kameraden die Sicherheit aus der Stimme nahm. John hatte die Lippen fest aufeinander gepresst und als er ihm geantwortet hatte, klang es eher wie ein hohles Zischen. Die haselnussfarbenen Augen des Militärs waren stur auf ihn gerichtet und als Rodney ihm Desinteresse vorgeworfen hatte, hatten sie wütend und empört zugleich aufgeblitzt.
„ Sie sagten, Sie hätten etwas für mich“, knurrte John und das Knirschen seiner Zähne verriet Rodney, dass er wohl soeben den wunden Punkt des Amerikaners gefunden hatte. Es stand außer Frage, dass der Colonel alles für jeden Einzelnen seines Teams tun würde und trotzdem hatte Rodney das infrage gestellt.

Rodney beschloss, nicht weiter auf diesem Thema herumzureiten und seinem Freund das Messer damit noch tiefer in die Brust zu rammen. Stattdessen schnappte er sich seinen Tablettlaptop und minimierte Mike Branton’s „ Chaosberechnungen“ in die Taskleiste- damit würde er sich auch später beschäftigen können.
„ Ich hab mir den Plan der Ebene, die unter dieser hier ist, noch einmal genauer angeschaut“, begann er und drehte den Laptop leicht nach rechts, sodass John mit hinein schauen konnte. Er deutete mit dem Finger auf eine ziemlich genaue Abbildung. „ Das hier… dieses Labor liegt genau eine Ebene unter dem Maschinenraum. Ich habe das System kalibriert und dabei entdeckt, dass die beiden Räume miteinander verbunden sind und dass das Labor mit einer ziemlichen Menge an Energie gespeist wird.“
„ Die Räume sind miteinander verbunden?“, fragte John, sich gedankenverloren am Kinn kratzend.
Rodney nickte. „ Ich bin mir noch nicht hundertprozentig sicher, aber ich vermute, dass die beiden Räume sich gegenseitig am Leben erhalten“
John sah zu ihm auf. „ Was hat das mit Col. Carter und Teyla zu tun?“
„ Vor zwei Tagen konnte ich eines der Programme so umschreiben, dass es mir gelungen ist, mehr Energie aus dem Kern in die Antriebe einfließen zu lassen“, antwortete Rodney. Geschwind ließ er seine Finger über den Display seines Computers gleiten. Aus dem Augenwinkel heraus, beobachtete er Johns Reaktion, wurde bedauernswerterweise aus dem geradezu eingefrorenen Zügen des Colonel nicht schlau.

„ Was… was ist das?“. fragte der dunkelhaarige Soldat und deutete mit seinem Finger auf eine ziemlich abweichende Zahl. „ Ein Energieanstieg?“
„ Ja“, sagte Rodney nickend. „ Zuerst ist er mir nicht aufgefallen, weil ich beschäftigt war, und ehe ich mich versah, waren die Energiewerte wieder im normalen Bereich. Ich habe mir dann nichts weiter gedacht, also…“
„ Elizabeth hat Col. Carter vor zwei Tagen diese Ebene erkunden lassen“, fiel John ihm ins Wort. „ Teyla und Lt. Scott haben sie begleitet.“
Der Astrophysiker nickte wieder. „ Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, dann würde ich mir diesen Raum noch einmal genauer ansehen.“
„ Sie glauben also, dass der Energieanstieg etwas mit der Sache und mit Teylas Zustand zu tun haben könnte?“, fragte John.

Das müssen wir herausfinden, dachte Rodney, doch ehe er diese Gedanken in Worte fassen und aussprechen konnte, knackte Johns Headset und eine Stimme mit einem starken schottischen Akzent krähte los: „ Col. Sheppard?“
Er und John wechselten einen kurzen, fast schon eingespielten Blick, ehe der Amerikaner antwortete: „ Ich höre, Doc. Was gibt’s Neues?“
„ Es geht um Teyla“, kam prompt die Antwort. „ Vielleicht sollten Sie lieber kommen; sie ist… aufgewacht.“

Rodney runzelte die Stirn. Ja, es war definitiv schon länger her, seit er das letzte Mal auf der Krankenstation gewesen war und nach seiner athosianischen Freundin gesehen hatte- er wusste nicht, dass es derart schlecht um sie stand!
„ Bin gleich da“, hörte er John erwidern und dann das Knacken der abbrechenden Funkverbindung. „ Rodney?“
„ Hhm?“ Der Wissenschaftler blickte ihn fragend an, begann dann aber abweisend mit dem Kopf zu schütteln, als er begriff, worauf der lantianische Befehlshaber hinaus wollte. „ Nein… i…ich sollte besser hier bleiben. Sie wissen ja… die Arbeit.“
John neigte den Kopf leicht zur Seite und sah ihn schief an. Dennoch schien ihn seine abweisende Art nicht zu stören, denn er begann dann langsam zu nicken. „ Wenn Sie meinen.“

Deine Ausreden war auch schon mal besser, alter Junge, tadelte sich Rodney selber, als er John hinterher blickte, bis er um die Ecke bog und sich die Tür des Maschinenraums schloss. Die Arbeit hätte er auch noch später erledigen können. Es war viel mehr die Angst, die da aus ihm gesprochen hatte und ihn hatte zögern lassen. Es war die Angst, Teyla in einem Zustand sehen zu müssen, von dem er nie gedacht hatte, sie einmal derartig zu erleben. Wenn er ehrlich sein sollte: Er hatte Angst um die Athosianerin!

++++++++++++++++


„ Carson?“, wandte sich Elizabeth an den schottischen Arzt und beobachtete nervös, wie seine Finger den Hals seiner Patientin abtasteten und mit einer kleinen hellen Lampe in ihre Augen leuchtete. „ Ist sie auch wirklich in Ordnung?“

Irgendwie machte Teyla nämlich nicht einen sonderlich gesunden Eindruck auf sie. Sie war zwar wach, aber schien trotzdem ganz woanders zu sein. Völlig apathisch saß die Athosianerin kerzengerade in ihrem Bett, die Finger in das Bettlaken gekrallt und den Blick stur nach in die Ferne gerichtet. Ihre Augäpfel zuckten nervös hin und her, doch ihre rehbraunen Augen wirkten leblos und glasig.
Ihre rostbraunen Haare waren vom Kopfkissen zerzaust und nach zwei Tagen auf der Krankenstation wirkte sie gefährlich blass, aschfahl.

„ Rein körperlich gesehen fehlt ihr nichts“, antwortete Carson Beckett ihr und seufzte schwer. „ Ihre Atmung ist stabil, ihre Herzrate ist gut und ihr Puls ist normal. Ich wüsste nicht, was ihr fehlen könnte.“
„ Aber es ist unübersehbar, dass etwas mit ihr nicht stimmt“, sagte Elizabeth.
„ Wenn ich doch nur wüsste was“, murmelte Carson und seiner Stimme war zu entnehmen, dass er sich große Sorgen um seine Patientin machte; Teyla reagierte so gut wie gar nicht auf äußerliche Einflüsse. Weder auf die Reflexteste hatte sie reagiert, noch als Carson sie direkt angesprochen hatte. Sie saß einfach nur da und hatte ihren Blick scheinbar auf irgendetwas in der Ferne gerichtet.

„ Wie lange geht das das schon so?“, fragte Elizabeth, ohne ihren Blick dabei von der Athosianerin abzuwenden.
„ Seit sie aufgewacht ist“, antwortete Carson und sah auf seine Armbanduhr. „ Das war vor nicht einmal einer halben Stunde.“ Besorgt kräuselte er seine Augenbrauen und warf die Stirn in Falten.
Elizabeth löste ihren Blick für einen kurzen Moment von Teyla und sah den Schotten ungläubig an. „ Und seitdem hat sie sich nicht gerührt?“
Carson schüttelte nachdenklich mit dem Kopf. „ Nicht einen Zentimeter. Ich mache mir langsam Sorgen, Elizabeth. Sie reagiert auf überhaupt nichts und ich weiß bei aller Liebe nicht, woran das liegen könnte.“

Die Expeditionsleiterin ließ ihn zu Ende reden und nickte dann. Mit einem Seufzen fuhr sie sich durch ihre dunkelbraunen Locken, strich sie sich aus dem Gesicht und trat einen zögerlichen Schritt auf Teylas Krankenbett zu. Noch immer hatte sich nichts verändert; nach wie vor verharrte die Athosianerin regungslos in derselben Position wie noch vor ein paar Minuten. Einzig und allein ihre Augen zuckten nervöser hin und her und ihre Lider flatterten ab und zu.
„ Teyla?“, fragte sie vorsichtig und streckte ihre Hand nach der jungen Frau aus, erschrak als ihre Fingerspitzen sie berührten; die Haut der Athosianerin war eiskalt und ein Schauer durchfuhr sie. Elizabeth zog ihre Hand schnell wieder zurück, verzog das Gesicht als hätte sie sich an einer heißen Herdplatte verbrannt.
„ Sie kann Sie nicht hören“, sagte Carson leise. „ Und wenn sie es kann, dann reagiert sie nicht darauf. Es ist wie verhext!“

Carson hatte Recht! Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht- das war mehr als offensichtlich. Das war keine Vermutung, das war eine Tatsache!
Während sie in Teylas ausdrucklose Miene starrte, versuchte sich Elizabeth daran zu erinnern, wann sie die Athosianerin zum letzten Mal herzhaft hatte lachen sehen. Das war gerade einmal zwei Tage her! Oder sollte sie besser sagen, dass es schon zwei Tage her war?
Sie hatten sich in der Mensa getroffen und zusammen gegessen; an dem Tag hatte es Schnitzel gegeben. Elizabeth musste schmunzeln, als sie sich daran erinnerte, wie Teyla sich über diesen von Rodney eingeführten „Schnitzeltag“ witzig machte. Da war sie noch putzmunter gewesen, hatten gelacht und gescherzt!
Elizabeth musste zugeben, dass es ihr nicht entgangen war, dass sie Athosianerin aufgelebt war und die Phase der Zurückgezogenheit anscheinend hinter sich gebracht hatte. Sie wusste nicht warum und wenn sie ehrlich sein sollte, interessierte sie das auch nicht.

Ja, das war vor zwei Tagen gewesen. Jetzt erinnerte gar nichts mehr an die so ausgelassene Athosianerin. Sie saß nunmehr apathisch in ihrem Bett und hielt nach Nichtexistentem Ausschau.
„ Und wir können wirklich nichts für sie tun?“, fragte Elizabeth, unterlegt mit einem langen, wehleidigen Seufzer.
Sie sah Carson aus dem Augenwinkel heraus mit dem Kopf schütteln. „ Ich wünschte ich könnte es, Elizabeth. Aber solange wir nicht wissen, was das ausgelöst hat, kann ich nichts für sie tun.“

Die Tür zur Krankenstation öffnete sich mit einem penetranten Zischen und das Geräusch der schweren Militärstiefel ließ Elizabeth erahnen, wer sich da näherte.
„ Colonel…“
John nickte ihr kurz und lieblos zu und es war nicht schwer zu erraten, was ihm wirklich durch den Kopf ging. Am Fußende des Krankenbettes blieb er stehen und umklammerte es mit beiden Händen. Er fixierte die im Bett sitzende Teyla und runzelte seine Stirn.
„ Wie geht’s ihr?“, fragte er und sah dabei kurz zu Carson.
„ Ich wünschte ich könnte es Ihnen genauer sagen, Colonel“, antwortete dieser so, wie er vorhin auch ihr geantwortet hatte. „ Körperlich gesehen geht es ihr gut. Alle ihre Werte sind im normalen Bereich, aber… Na, Sie sehen es ja selber.“
„ Kann sie uns hören?“, fragte John.
„ Wenn Sie möchten können Sie Ihr Glück versuchen“, meinte Carson seufzend. „ Aber ich befürchte, dass sie nicht reagieren wird. Wir versuchen es schon seit fast einer halben Stunde.“

Elizabeth bemerkte Johns anfängliches Zögern. Auch Carson schien dies nicht zu entgehen und er drehte sich weg. Warum drehte er sich weg? Gab es etwas, was er als Arzt nicht wissen durfte? Und wenn ja, was? Sollte sie sich auch wegdrehen? Sie sah keinen Grund dazu!
John war um das Fußende des Bettes herumgegangen, stand nun neben Teylas Seite und betrachtete sie eingehend. Sie sahen sich fast ein bisschen ähnlich- beide starrten! Doch im Gegensatz zu der Athosianerin fing sich John wieder und Elizabeth sah, wie seine Lippen zu beben begannen. Er redete leise…

So ging das eine ganze Weile lang; er starrte sie einfach nur an und schien leise zu sprechen. Doch dann ging er neben ihr auf die Knie und umschloss ihre Hand mit der seinen. Elizabeth verstand, warum Carson sich weggedreht hatte, beschloss dass auch sie es besser tun sollte. Und sie verstand endlich, warum sich Teyla in den letzten Tagen so verändert hatte.
Still schmunzelte sie in sich hinein. Insgeheim hatte sie so etwas ja schon länger vermutet- schon damals, daheim in Atlantis-, doch das hier war wohl die Bestätigung.
Elizabeth schmunzelte abermals. Sie freute sich- für beide. Beide hatten es verdient und sie glaubte, dass es nicht falsch war zu behaupten, dass sie einander verdient hatten…

Ihre Gedankengänge, die sie nur noch mehr zu Vermutungen anstachelten, wurden je unterbrochen… von einem hohen, spitzen und schmerzerfüllten Schrei.
Erschrocken wirbelte sie herum, sah nur noch, wie Carson ans Krankenbett stürmte und wie Johns starke Arme eine sich wild windende Teyla zurück in die Kissen drückten.
„ Was ist…“ Ihre Frage wurde von einem lauten Schrei übertönt, der sie erschaudern ließ. Mit geweiteten Augen versuchte sie einen Blick zu erhaschen, doch Carsons Körper und Johns breite Schultern versperrten ihr die Sicht.
„ Jennifer!“, hörte sie Carson bellen. „ Ich brauche hier 40 mg Diazepam! Sofort!“
„ Doc, was ist mit ihr?“, hörte sie John fragen, sah seine Armmuskeln vor Anstrengung zittern. Doch Carson antwortete ihm nicht, sondern kümmerte sich viel mehr darum, seiner epileptischen Patientin das Sedativum, welches ihm Dr. Jennifer Keller herangeschafft hatte, zu verabreichen. Das allerdings gestaltete sich als schwierig…

Teyla bäumte sich auf, versuchte sich aus Johns festem Griff zu winden und mit ihren Händen nach ihm zu schlagen, doch seinen geübten Militärgriffen konnte selbst sie als Kämpferin nichts anhaben- immer wieder drückte er sie zurück ins Kissen, versuchte sie still zu halten, während Carson ihr das Mittel verabreichte.
Die Finger der Athosianerin hatten sich in das Bettlaken und in die Bettdecke verkrallt. Unter lautem Stöhnen und Schreien wand sie sich hin und her, bäumte sich immer wieder auf, trat nach allem was ihr im Weg war, fauchte und knurrte durch zusammengebissene Zähne. Ihre braunen Augen waren in ihrem Hinterkopf verschwunden.

Geschockt und nicht fähig zu denken, beobachtete Elizabeth das ganze Szenario aus einiger Entfernung, sah wie sich Teyla ein erneutes Mal aufbäumte und dabei einen fast animalischen Schrei von sich gab und wie sie nach Johns Schultern packte, ihre Finger in seine Haut bohrte und ihn zu sich herunterzog.
John stöhnte vor Schmerz auf, versuchte sich aus ihrem Griff zu lösen, doch diesmal war es sie, die ihn unter Kontrolle hatte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an.
„ Tuá est jucándriá“, kam es heiser über ihre Lippen, ehe sie in sich zusammensank und besinnungslos zurück gegen die Kissen fiel. Erschrocken machte John einen Satz nach hinten und auch Carson entfernte sich einen Schritt von dem Krankenbett.

„ Was zur Hölle…“ John sah erst Carson an und drehte sich dann zu Elizabeth um, die noch immer nicht in der Lage war sich zu bewegen. Nein, das konnte nicht sein!
„ Ich mag mich vielleicht irren…“, setzte Carson an, kopfschüttelnd, in welches John mit einstieg und sie dann verwirrt ansah.
„ Was war das da gerade?“, hörte sie ihn fragen, reagierte aber nicht darauf, starrte stattdessen Teyla an, die regungslos auf dem Krankenbett zusammengebrochen war, alle Viere von sich gestreckt. Sie sah vollkommen fertig aus und was immer da gerade geschehen war, hatte sie ausgelaugt und…

„ Elizabeth!“ Johns energische und zugleich nervöse Stimme riss sie aus ihren Gedanken und erst, als sie ihn und Carson anblickte, war sie in der Lage auf ihre indirekt gestellte Frage zu antworten.
„ Das… das war antikisch“, haspelte sie, drohte über ihre eigene Stimme zu stolpern. „ Sie hat... antikisch gesprochen!“

TBC
Don't forget to breathe by Ailya
Das in jeder Hinsicht perfekt scheinende Wesen starrte sie an; der Blick der blassgrünen Augen wirkte kalt, ja fast schon ausdruckslos. Irgendwie hilflos stand es ihr gegenüber, wirkte dennoch stark und unerschütterlich. Es strahlte unfassbare Eleganz und Anmut aus, seine Schönheit war umwerfend, raubte ihr den Atem; sie hatte lange honigblonde Haare, die in sanften Wellen bis zur Mitte ihres Rückens flossen und ihr porzellangleiches Gesicht perfekt umrahmten. Ihre blutroten Lippen, ihre blassgrünen Augen, die leichte Röte ihrer Wangen- einfach alles an ihr schien perfekt! Sie war engelsgleich! Umwerfend, bezaubernd, atemberaubend, wunderschön…

Ihre Körperhaltung wirkte grazil und anmutig, doch zugleich stark und selbstbewusst. Sie erweckte einen zielstrebigen Eindruck, einen selbstsicheren.
Ihr athletischer Körper war in ein langes, bis zum Boden reichendes Gewand gehüllt. Das cremefarbene Chiffon schmeichelte ihren wohlgeformten Proportionen; es fiel locker über ihre Hüften, schlängelte sich um ihre schmalen Fesseln.
Um ihren Hals glitzerte ein goldener Flimmer; die Kette schien edel zu sein, gute Verarbeitung. Ein kleiner, unscheinbarer Anhänger mit einem schimmernden Edelstein war an ihrem Ende, setzte ihren Hals perfekt in Szene, ebenso wie den Rest ihrer beneidenswerten Körpers. Egal wohin man sah, alles an ihr schien perfekt- von der perfekten, makellosen Haut, von ihren glänzenden Haaren bis hin zu ihren vollen, sinnlichen Lippen. Alles an ihr war perfekt…

Doch statt mit ihrer Schönheit zu prahlen, sich in ihr zu sudeln und sich ihr zu nähern, blieb sie einfach stehen und starrte sie weiter an. Ihre Miene verrutschte nicht um einen Millimeter- sie stand einfach da und starrte sie an. Ihr Blick war durchdringend, dennoch konnte sie sich nicht dazu durchringen, wegzusehen. Es war beinahe so, als ob etwas sie dazu zwang. Eine starke Anziehung ging von dem wunderschönen Wesen aus…

„ Helia!“ Der Ruf einer heiseren Stimme ließ sie zusammenzucken und die Erinnerungen, die sie mit ihr verband, ließen sie erschaudern. Sie wollte sich zu der Stimme umdrehen, doch der Blick des Wesens hatte sie derartig in ihren Bann gezogen, dass sie es nicht konnte. Aus irgendeinem Grund konnte sie ihren Blick nicht von ihr lösen. Es war fast schon ein bisschen unheimlich.

Schritte näherten sich, doch noch immer sah sie keinen Anlass sich umzudrehen. Auch, als sie einen eiskalten Atemhauch auf ihrem Hals spürte und sich ihre Nackenhaare aufstellten, drehte sie sich nicht um.
Etwas kitzelte über ihren Nacken- sie konnte nicht genau bestimmen, was es war. Trotzdem jagte ein Kribbeln durch ihren Körper- von ihren Zehen bis in ihre Haarspitzen- und für einen Moment vergaß sie zu atmen. Ein betörender Duft stieg ihr in die Nase; er roch frisch und süßlich, war ihr aus irgendeinem Grund vertraut. Andererseits zuckte sie zusammen und wunderte sich, als sich Furcht durch ihren Körper fraß...

„ Helia?“, hörte sie die Stimme fragen und spürte eiskalte Fingerkuppen über ihren Nacken streichen. Langsam und widerstrebend drehte sie sich um, bis sie in haselnussfarbene Augen blickte, die ihr nur allzu bekannt vorkamen und die ihr ein wohliges Gefühl gaben.
Die dunkeln Haare standen widerspenstig von seinem Kopf ab. Dunkle Bartstoppeln ließen seine Gesichtszüge härter wirken, als sie eigentlich waren. Er hatte sein Kinn nach vorne geschoben, während er sie betrachtete.

Sie konnte nicht anders, als ihn anzustarren. Sein Körperbau war stattlich; er hatte breite Schultern, schmale Hüften, trainierte Arme und einen kräftigen, starken Oberkörper.
Er trug ein weißes, verblichenes Leinenhemd, das ihm bis knapp über die Hüften reichte, darüber eine Weste aus derberen, dunkleren Stoff. Ein lederner Gürtel lag um seine Hüften, seine Beine steckten in einer dunklen Hose.
Auch er machte einen starken Eindruck, schien noch unerschütterlicher zu sein, als das Wesen- die Frau. Seine freundlichen haselnussfarbenen Augen passten nicht zu seinem Auftreten- er wirkte wie ein Kämpfer, seine Augen waren die eines leidenschaftlichen Liebhabers.

„Du solltest dich ausruhe“, sagte er und streichelte mit einem Finger über ihre Wange. Sie wusste nicht, was sie dazu brachte, das Bewusstsein zu verlieren, die Haftung unter ihren Füßen zu verlieren und wegzusacken, doch plötzlich fühlte sie sich beflügelt und die Sekunden, die sie brauchte, bis ihr Kopf auf den harten Boden aufschlug, kamen ihr vor wie Stunden- Stunden, die nicht enden wollten…


+++++++


Unbehagen rutschte Ronon auf seinem Stuhl hin und her und fragte sich ernsthaft, was er hier eigentlich tat. Er hätte woanders sein sollen; Dr. Weir hatte eine Besprechung einberufen und als Mitglied von Sheppards Team bestand Anwesenheitspflicht- auch für ihn. Doch irgendwie war ihm nicht nach einer Besprechung…

Ronon seufzte schwer. Die letzten fast drei Wochen waren eine Qual für ihn gewesen und er glaubte so langsam den Verstand zu verlieren! Er hasste es, wenn er länger an einem Ort sein musste, den er nicht verlassen konnte. Zuletzt hatte er sich in einer solchen Situation befunden, als die Wraith ihre widerwärtigen Experimente an ihm durchgeführt hatten und ihn deshalb wochenlang, manchmal sogar monatelang auf ihren Schiffen gefangen hielten. Das war eine grässliche Zeit gewesen und obwohl das hier eine vollkommen andere Situation war, stiegen Erinnerungen in ihm auf und alte Narben rissen wieder auf.
Er versuchte sich zwar Abwechselung zu schaffen, doch inzwischen war ihm die Lust am Laufen vergangen und sämtliche Marines zogen es vor doch lieber allein zu trainieren. Dr. Beckett und Dr. Weir hatten ihn sogar gebeten umsichtiger mit den Soldaten umzugehen und Sheppard war in letzter Zeit nur selten auffindbar gewesen. Irgendwas in Ronon vermutete, dass der Mann sich vor ihm versteckte. Warum nur?

Zweieinhalb Wochen. Für ihn eine lange Zeit, die er bestmöglich zu überbrücken suchte. Niemand auf dem Schiff schien genau zu wissen, wann sie wieder nach Atlantis zurückkehren konnte und ob sie es überhaupt konnten. Aber andererseits schienen sie alle etwas zu wissen…

Ronon überlegte, ob er sich vielleicht öfters mal an Dr. McKay wenden sollte; schließlich war so ein bisschen wissenschaftliches Wissen gar nicht so schlecht und vielleicht verstand er dann auch, was der Mann von sich gab, wenn er mit ihm sprach.
Doch der Sateder verwarf den Gedanken schnell wieder, als er sich erinnerte, wie es das letzte Mal ausgegangen war. Ein Glück für McKay, dass Sheppard so ein gutes Timing hatte und so ein kleines „Missgeschick“ gerade noch rechtzeitig verhindern konnte…

Das regelmäßige Piepsen der Maschinen, riss Ronon aus seinen Gedanken zurück auf die Krankenstation und erinnerte ihn daran, warum er sich eigentlich nicht bei der Besprechung befand; sorgenvoll beobachtete er Teyla und runzelte die Stirn.
Man hatte ihm von dem Vorfall erzählt und er glaubte daher zu wissen, warum Dr. Weir alle sehen wollte. Sheppard hatte ihm mit ausdruckloser Miene berichtet, was vorgefallen war, und sein Gesichtsausdruck war noch finsterer geworden, als er meinte, dass Dr. Weir sie ans Bett hatte fesseln lassen. Völlig unnötig, hatte er geschimpft.

Die Athosianerin lag regungslos in dem Krankenbett- allein das nervöse Zucken ihrer geschlossenen Lider und ihr sich flatterhaft aufbäumender Brustkorb verrieten, dass sie noch lebte.
Ihr zierlicher Körper lag wie erschlagen da, ihr Kopf zur Seite gedreht, ihre rostbraunen Haare wirr und über das ganze Kissen verteilt. Die zerbrechlich wirkenden Handgelenke waren mit ledernen Manschetten an das Gitter des Bettes gefesselt.
Auch ihre Fesseln waren fixiert worden und Ronon musste schlucken, als er sah, dass das herbe Leder an manchen Stellen ihre Haut aufgeschürft hatte und dunkelrotes Blut in das weiße Bettlaken sickerte. Das alles erschien ihm so falsch! Warum sollten sie sie weiter so behandeln? Sie tat doch niemanden etwas!

Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, sie von ihren Fesseln zu befreien, doch er ließ es bleiben. Es musste einen Grund geben, warum man das mit ihr getan hatte und nachdem, was Dr. Beckett ihm gesagt hatte, mussten sie –solange sie nicht wussten, was ihr genau fehlte- jederzeit mit einem neuen „Anfall“ rechnen.

Ronon fand das Wort „Anfall“ abwertend und seufzte einmal schwer, ehe er sich einen Stuhl an das Krankenbett Teylas heranzog und sich setzte. Schweigend beobachtete er, wie sich ihr Brustkorb unter Pfeifen und Zischen hob und dann in sich zusammenfiel, wie ein Kartenhaus. Bei jedem neuen Atemzug rasselte es in ihrer Brust und irgendwie machte ihm das Angst. Was, wenn sie sterben würde? Beckett hatte zwar gemeint, dass er den Teufel nicht an die Wand malen würde und Sheppard hatte protestiert, dass er es so weit nicht kommen ließe, aber was wenn die beiden sich irrten? Was, wenn das hier ihre letzte Mission war? Dann wäre er ganz allein in Atlantis und das wollte er nicht.

Mit einem weiteren Seufzen gab sich Ronon seinen Erinnerungen hin- die Zerstörung seines Heimatplaneten, die jahrelange Flucht vor den Wraith, die Einsamkeit, die Wut und die überall zu sein scheinende Trauer. Er erinnerte sich an den Tag, an dem Sheppards Team ihn auf diesem gottverdammten Planeten aufgelesen und mit nach Atlantis genommen hatte. Sheppard und Teyla hatten sich um ihn bemüht, McKay und Weir auch- die anderen hatten ihn nur schief angesehen.
Doch es war immer wieder Teyla gewesen, die ihn aufgemuntert hatte, wenn er kurz davor war, alles hinzuschmeißen und einfach zu verschwinden. Immer wieder hatte sie ihm erzählt, dass auch sie anfangs gegen Misstrauen zu kämpfen hatte, dass sie auch mehrere Male daran gedacht hatte, wieder zurück zu ihrem Volk zu gehen. Doch immer wieder hatte sie dagegen entschieden und war geblieben.
Mich verbindet etwas mit diesem Ort, mit den Leuten hier, hatte sie zu ihm gesagt und dabei gelächelt. Im Laufe der Jahre, hatte er gelernt sie zu schätzen und war sie anfangs nur eine Anlaufstelle für ihn gewesen, wenn er niedergeschlagen war, so war sie heute mit Abstand seine beste Freundin. Er konnte sich ein Leben ohne sie ehrlich nicht vorstellen. Er wollte nicht, dass sie starb…

Unsicher und die Lippen fest aufeinander gekniffen beugte sich Ronon ein Stück vorne.
„ Die sagen, Sie hör’n mich nicht“, sagte er leise. „ Aber Beckett hat gesagt ich kann’s versuchen. Und das mach’ ich. Hören Sie zu… Teyla. Ich wollt mich… ich wollt mich bei Ihnen bedanken, dass Sie sich damals um mich gekümmert haben und das Sie mich immer wieder aufgehalten haben, wegzulaufen. Das war nett.“
Er verzog den Mund zu einer nachdenklichen Grimasse und räusperte sich, ehe er fortfuhr: „ Beckett meint, dass Sie das Ganze vielleicht nicht…“- Er stockte. Nein, das konnte er ihr doch nicht so sagen! – „ Ähem… Sie sollten nur wissen, dass wir Sie alle hier vermissen und nicht zulassen werden, dass das passiert. Wenn Sie mich hör’n, dann…dann wachen Sie doch bitte auf. Es gibt ein paar Leute, die fast sterben vor Sorge. Sheppard gehört übrigens dazu. Der wird verrückt, der arme Kerl!“

Ronon musste grinsen. Der dunkelhaarige Luftwaffenoffizier schob Überstunden und ging auf der Krankenstation ein und aus- so hatte es ihm zumindest Carsons Assistenzärztin- Dr. Jennifer Keller- zugeflüstert und dabei mit den Augenbrauen gewackelt und gegrinst.
Ich habe nicht genau gehört, was er sagt, hatte sie zu ihm gesagt, aber meiner Meinung nach, waren es sehr vertraute Gespräche.Die blonde Ärztin wusste nicht, was er wusste. Und er hatte auch nicht vor, es irgendjemanden zu sagen, zumal er versprochen hatte. Das Geheimnis seiner beiden Teamkollegen und Freunde war bei ihm sicher und er würde es nicht ausplaudern, selbst wenn man ihm Rodney McKay auf den Hals hetzen würde.

„ Bitte kommen Sie zurück“, sprach er weiter. „ Sie müssen kämpfen! Wir vermissen Sie schrecklich und es wäre für mich, Sheppard und die anderen unverzeihlich, wenn Sie…“

Die Maschinen schlugen aus und gaben einen entsetzlichen Laut von sich, der ihn bis auf Mark erschütterte.
Oho, dachte Ronon, als sämtliche Maschinen, an die die Athosianerin angeschlossen war, zu blinken und zu schrillen anfingen. Teylas zierlicher Körper verkrampfte sich, ihre Hände ballten sich zu Fäusten und versuchten in die Höhe zu schnellen, doch die Fesseln hinderten sie daran. Über ihre Lippen brach ein Stöhnen und mit einem spitzen Schrei bäumte sie auf.
„ Doktor!“, donnerte Ronon und empfand die Sekunden- bis Dr. Keller und eine Krankenschwester endlich herangeeilt kamen- als eine reine Tortur. Die blonde Ärztin eilte an Teylas Seite und versuchte sie zu halten, doch unter ihren Händen zappelte die Athosianerin, wie ein Fisch auf dem Trockenen.
„ Halten Sie sie fest“, wies Dr. Keller ihn und die asiatische Krankenschwester, von der glaubte, dass die Marie hieß, an.
„ W…was ist mit ihr? Ich hab nichts gemacht!“ Ronon erschrak; seine Stimme war ein nervöses Flattern.
„ Das ist nicht Ihre Schult“, erwiderte Dr. Keller und bedachte ihn mit einem schnellen Lächeln, das jedoch zusammenfiel, als eine der Maschinen einen langen, ohrenbetäubenden und nicht enden wollenden Laut von sich gab und Teylas Körper erschlaffte und zusammensackte.

Nein, dachte Ronon und begann mit dem Kopf zu schütteln. Nein, das konnte nicht wahr sein! Das konnte nicht passieren! Sie konnte nicht sterben! Nein!
Er sah, wie Dr. Keller mit der einen Hand nach Teylas leblosem Arm griff, dann ihre Finger an ihren Hals legte. Dann sah er, wie sich ihre blauen Augen weiteten, wie beide Hände auf Teylas Brustkorb hinabschnellten und in einem schnellen, regelmäßigem Takt zu massieren begannen. Die Lippen der Ärztin bebten ebenfalls regelmäßig. Eins, zwei, drei… Eins, zwei, drei…

Ronon trat einen Schritt von dem Bett weg und betrachtete das ganze Szenario, als ob es sich um einen schlechten Traum handelte. Er schüttelte noch immer mit dem Kopf und biss sich auf die Unterlippe, als er sah wie Dr. Keller nach ihrem Headset griff: „ Carson, ich brauch’ Sie hier! Sofort!“

+++++++++


Beide Ellenbogen auf der kalten Tischplatte abgelegt, das Kinn auf ihre gefalteten Hände gestützt, den Blick nach vorne gerichtet; Elizabeth registrierte jede einzelne Bewegung. Selbst das kleinste Muskelzucken entging ihr nicht.
Still ließ sie ihren Blick schweifen, sah in die Runde, blickte in Gesichter, die auf Antworten warteten.
Samantha Carter hatte die Arme um ihren Leib geschlungen, gab ihrem Unbehagen dadurch Ausdruck.
Col. Mitchell und Daniel Jackson saßen rechts und links von ihr; der Colonel hatte seinen Blick nach vorne, gen Kopfende des Tisches gerichtet, während Dr. Jackson sein Teammitglied besorgt beobachtete.
Carson saß ihr gegenüber, schien ebenso wie sie darauf zu warten, dass etwas geschah.
John hatte die Arme vor dem Oberkörper verschränkt und sich in seinem Stuhl zurückgelehnt, sah sich in dem Raum um.

Es war eine Art Besprechungsraum, ähnlich wie der in Atlantis, nur wesentlich größer. Er hatte ebenfalls Flügeltüren, die sich öffneten sobald man darauf zutrat. In der Mitte des Raumes, war ein kleines Podest, um das herum der U-förmige Glastisch aufgebaut war. Den Tisch säumten ein paar Stühle. An jedem Platz erschien eine kleine Projektion auf der gläsernen Tischplatte, sobald sich jemand setzte.
Die Wände des Besprechungsraumes unterschieden sich nicht wirklich von dem Rest des Schiffes; sie waren über und über mit antikischen Symbolen übersetzt, die die Geschichte von Atlantis und der Artemis erzählten. Sie war mit dunklen und helleren Platten getäfelt, die immer ganz bis auf den Boden reichten.

Elizabeths Blick war an John hängen geblieben. Er schien nervös zu sein, sein Fuß wippte ununterbrochen auf und ab und hin und her. Er hatte die Lippen fest aufeinander gepresst. Seine Finger vergruben sich in seiner Uniform.
Sie wusste, dass er nicht hier sein wollte und sie wusste auch, dass er- sobald sie ihn und die anderen entließe- aufspringen und davoneilen würde. Im Großen und Ganzen konnte sie es ihm auch nicht verübeln, jetzt da Carson ihr die „möglichen“ neuen persönlichen Umstände des Colonel „zugeflüstert“ hatte…

„ Und Sie fühlen sich wirklich gut?“, rutschte ihr da die Frage heraus und sie sah Col. Carter an.
Diese nickte schwach. „ Ich fühle mich etwas erschöpft und das Beruhigungsmittel hat mich umgehauen, aber … sonst geht es mir gut.“ Sie verzog ihren Mund zu einem wackeligen Lächeln. „ Ich hab’ sogar endlich eine Nacht durchgeschlafen.“ Schnell wurde sie wieder ernst und das Lächeln verschwand von ihrem Gesicht. „ Aber…“
„ Das ist gut zu hören“, unterbrach Elizabeth sie, ehe sie weiterreden konnte, und riskierte einen schnellen, prüfenden Blick zu John herüber; seine Hände hatten sich zu Fäusten geballt und seine Zähne gruben sich in seine Unterlippe. Wenn man ihn so sah, konnte er einem glatt leid tun…

Mit einem für die anderen unhörbaren Seufzen wandte sich die Expeditionsleiterin an Carson: „ Und Sie sind sich sicher, dass Col. Carter in Ordnung ist?“
Carson beugte sich vor und stützte seine Arme auf den Tisch. „ Ihre Werte sind im normalen Bereich.“ Er sah kurz zu den Mitgliedern von SG1 herüber, wandte sich dann aber wieder Elizabeth zu, runzelte die Stirn. „ Ich kann leider nicht sagen, ob wir uns darauf stützen können, da…“ Er verstummte und schien zu überlegen, wie er fortfahren sollte. Leise räusperte er sich, machte eine wirsche Geste und sah wieder Samantha Carter an. „ Sie werden sicher verstehen, dass ich auf Nummer sicher gehen möchte.“
Die blonde Wissenschaftlerin nickte und ein schwaches Lächeln stahl sich über ihre Lippen. „ Dessen bin ich mir bewusst, Dr. Beckett. Ich habe nicht vor, demnächst das Schiff zu verlassen, es sei denn…“
„ Dr. McKay arbeitet an dem Problem, sagten Sie?“ Col. Mitchell drehte sich zu Elizabeth und sah sie fragend an.
Sie nickte. „ Er meinte, dass es uns vielleicht Antworten bringt, wenn er den Komplex, denn Col. Carter erkundet hat, noch einmal überprüft.“
Mitchell zog die Augenbrauen hoch. „ Und Sie sind sicher, dass er etwas finden wird?“
Ein heiseres Lachen drang unvermittelt aus Johns Kehle und seine haselnussfarbenen Augen blitzten sein Gegenüber angrifflustig an. „ Bei allem Respekt, aber wir sprechen hier von Rodney McKay.“
„ Ich bin mir sicher, dass er etwas finden wird“, stimmte Elizabeth ihrem ersten Offizier zu. „ Er wird Antworten finden. Da bin ich mir sicher, Colonel.“

Die Flügeltüren des Besprechungsraums glitten begleitet von einem leisen Zischen auseinander und wurden dann von einer ihr nur allzu bekannten Stimme übertönt- leicht arrogant klingend: „ Ich versteh’ nicht, warum Sie alle immer in der Zukunftsform sprechen.“ Seinen Tablettlaptop in den Händen haltend, trat Rodney ein und baute sich vor dem Tisch auf, grinsend. „ Er hat etwas gefunden.“
John verdrehte schwach die Augen. „ Kommen Sie erst mal wieder runter von Ihrem hohen Ross und setzen Sie sich.“
„ Kein Grund gleich so ausfallend zu werden“, zischelte Rodney zurück. Er hatte sicher noch einen weiteren, weitaus giftigeren Spruch auf den Lippen, doch bevor es dazu kommen konnte, beschloss Elizabeth dazwischenzugehen.
„ Sie haben etwas für uns?“, wollte sie von Rodney wissen, der daraufhin zu nicken anfing und sich neben Carson auf einen Stuhl niederließ.

„ Sie erinnern sich an das Labor, das Col. Carter, Teyla und Lt. Scott erkundet haben?“ Der Kanadier blickte in die Runde, doch schien er die Frage rhetorisch gemeint zu haben, denn er fuhr ohne auf eine Antwort zu warten fort: „ Und Sie erinnern sich an die Energiespitze, die genau dann von den Computern aufgezeichnet wurde, als ich versuchte die Energiespeisung zu kalibrieren?“
Elizabeth schüttelte mit dem Kopf. „ Bitte drücken Sie sich deutlich aus, Rodney. Was wollen Sie damit sagen?“
„ Sie haben’s kaputt gemacht?“, fragte Dr. Jackson und schloss sich Elizabeths Kopfschütteln an.
„ Nein!“ Rodney sah zwischen beiden entsetzt hin und her. „ Ich bin ein tollpatschiger Mensch- ja, ich denke das wissen wir jetzt alle-, aber das heißt noch lange nicht, dass ich…“
John stöhnte auf. „ Rodney, kommen Sie zum Punkt!“
„ Okay, okay, okay.“ Der Kanadier schnappte sich seinen Computer und ließ seine Finger über den Bildschirm tanzen- so schnell, dass keiner ihm folgen konnte. „ Nachdem ich mit Sheppard gesprochen habe, bin ich mit Branton zusammen noch mal runtergegangen und wir haben uns alles noch mal angesehen.“ Er lachte einmal kurz trocken auf. „ Obwohl, viel zu sehen gab’s da nicht gerade. War alles tot und…“
„ Nein“, fiel ihm Samantha Carter ihm ins Wort, schüttelte mit dem Kopf und sah ihn irritiert an. „ Nein, das kann nicht sein. Ich erinnere mich daran, dass sämtliche Geräte aktiviert wurden, kaum dass wir den Raum betreten haben.“
„ Kein Kunststück“, sagte Col. Mitchell. „ Soweit ich mich erinnere hat Lt. Scott das Antikergen.“
„ Das haben Branton und ich auch“, erwiderte Rodney. „ Aber nichts. Alles tot.“
„ Können Sie sich das erklären?“, fragte Elizabeth.
„ Es könnte an der Energiespitze liegen, die ich gemessen habe“, meinte Rodney und kratzte sich nachdenklich am Kinn. „ Es waren ziemlich hohe und anormale Werte.“ Er sah zu Sam. „ Können Sie sich an irgendetwas erinnern? Sie waren zu dem Zeitpunkt des Energieanstiegs gerade dort unten.“
Die Angesprochene schüttelte mit dem Kopf. „ Nein, tut mir leid, aber da war nichts Außergewöhnliches. Wir sind rein, haben uns alles angesehen und sind dann wieder gegangen. Teyla meinte, dass wir vielleicht besser mit Daniel zurückkommen sollten, da wir das meiste nicht entziffern konnten. Es scheint ein älterer Dialekt benutzt worden zu sein.“
„ Wenn Sie noch ein Team zusammenstellen lassen, dann kann ich es begleiten“, meinte Daniel Jackson wissend nickend.
„ Ich bin auch der Meinung, dass wir es näher untersuchen sollten“, stimmte Carson dem Archäologen zu. „ Wir könnten eine Antwort gut gebrauchen.“

Elizabeth ließ sich den Vorschlag noch einmal, noch zweimal durch den Kopf gehen und nickte dann langsam. „ Gut, Sie können gehen. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, Dr. Jackson, wenn Sie Lt. Scott mitnehmen könnten. Er scheint sich in diesen Gefilden auszukennen.“
Daniel Jackson rückte seine Brille auf seiner Nase zurecht. „ Verstanden, Doktor.“

Die Expeditionsleiterin stemmte sich mit den Handflächen vom Tisch ab und warf noch einen letzten Blick durch die Runde, ehe sie sagte: „ Sie können jetzt gehen. Vielen Dank.“
Alle stimmten in ein kurzes Nicken ein, dann wurden die Stühle zurückgerückt und Aufbruchsstimmung legte sich über den Raum. Rodney heftete sich an Dr. Jacksons Fersen. Col. Mitchell begleitete Col. Carter und Carson folgte ihnen.
Als sie Johns Stuhl knarren hörte, räusperte sie sich leise, sah zu ihm auf und meinte nur: „ Sie nicht, John. Bleiben Sie doch noch einen Moment, bitte.“
John- halb sitzend, halb stehend- sah irritiert zu ihr, ergab sich dann aber seinem Schicksal mit einem kurzen Seufzen und setzte sich wieder hin. Er faltete die Hände, verschränkte seine Finger ineinander und stützte seine Arme auf die Tischplatte.
„ Ich weiß, dass das alles schwer für Sie ist“, begann Elizabeth. „ Aber Sie sollten nicht vergessen, dass es auch für uns, für mich, eine vollkommen neue Situation ist, mit der wir fertig werden müssen. Und das noch unter diesen Umständen.“
„ Sie würden nicht anders, reagieren wenn es sich um ein Mitglied Ihres Teams handeln würde“, entgegnete John ihr und es war zu hören, dass er diese Unterhaltung am liebsten sofort beendet hätte.
Elizabeth seufzte. „ Sind Sie sicher, dass es nur das ist? Und nicht vielleicht…“ Sie beendete ihren Satz nicht.
Er blickte zu ihr auf und ihn seinen haselnussfarbenen Augen blitzte Unverständnis auf; sie sprachen mehr als tausend Worte, doch über seine Lippen kam kein Ton.
„ Ich will Ihnen nichts vorwerfen oder geschweige denn vorschreiben“, sagte Elizabeth sanft. „ Aber Sie sollten eigentlich wissen, wie gefährlich es sein kann, sich auf persönliche Gefühle zu verlassen und ihnen zu gehorchen.“
John zog die Augenbrauen zusammen. „ Was meinen Sie damit?“
„ Sie wissen ganz genau, was ich meine, John“, erwiderte sie ihm. „ Wie gesagt, ich will Sie für nichts verurteilen. Es ist Ihre Entscheidung. Ich wollte Sie nur darauf hinweisen.“
Er nickte. „ Ich lasse mich selten von persönlichen Gefühlen beeinflussen und ich werde Ihren Hinweis zur Kenntnis nehmen.“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren erhob er sich, wartete jedoch.
„ Sie können gehen“, sagte Elizabeth und quittierte sein respektvolles Nicken mit einem Lächeln. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und sah ihm nach, bis die sich schließenden Flügeltüren ihr die Sicht versperrten.

++++++++++


Ich lasse mich selten von persönlichen Gefühlen beeinflussen. Er wusste nicht, warum er das gesagt hatte. Vielleicht hatte er sich vor Elizabeth rechtfertigen wollen, vielleicht hatte er aber auch einfach nur Angst. Angst, die unbegründet war, denn Elizabeth schien zu wissen, dass Teyla und ihn etwas mehr als das Team verband.

Schnellen Schrittes eilte John durch die Korridore der Artemis. Seine Füße schmerzten von dem ganzen Herumgelaufe in den letzten Stunden und sein Körper verlangte langsam aber sicher nach seinem wohlverdienten Schlaf. Doch das kam für ihn überhaupt nicht infrage! Es war viel zu viel los, als das er hätte schlafen können…

John bog in einen weiteren Korridor ab, auf dem sich einige Quartiere und die Mensa befanden. Neben der Mensa befand sich der Trainingsraum- ein schneller Blick verriet ihm, dass Ronon nicht hier war. Vielleicht hatte er sich ja zurückgezogen und einfach mal eben so das Briefing geschwänzt. Der konnte sich was erlauben! Einfach nur…

„ Colonel!“ Eine Stimme mit starkem schottischen Akzent unterbrach seine wirren Gedankengänge und als John sich umdrehte, sah er, dass Carson Beckett scheinbar auf ihn gewartet hatte; der Mediziner stemmte sich von einem Pfeiler weg und kam auf ihn zu.
„ Doc?“ John blieb stehen, wartete bis Carson zu ihm aufgestoßen war und dann setzten sie beide sich in Bewegung.
„ Ich hatte gehofft, Sie allein sprechen zu können“, meinte der Arzt leise.
„ Sie wollten mit mir sprechen, ohne dass Elizabeth es mitbekommt?“
Carson schmunzelte, doch es ähnelte eher einer schmerzverzerrten Grimasse. „ So kann man es auch ausdrücken.“ Er verbarg seine Hände in seinen Hosentaschen. „ Hören Sie... ich dachte, dass Sie es vielleicht zuerst erfahren sollten, bevor ich zu Elizabeth gehe. Schließlich sind Sie ihr Teamleader, also…“ Eine schnelle Handbewegung beendete seinen Satz.

John blieb stehen, als er die Regungen im Gesicht des Schotten bemerkte, und runzelte die Stirn. Schließlich sind Sie ihr Teamleader, also… Das, was Carson auf dem Herzen lag, ging weiter hinaus als das, und in ihm keimte ein leiser Verdacht auf.
„ Wer hat es Ihnen erzählt?“, fragte er den Mediziner. „ Ronon?“
„ Genaugenommen hat es mir keiner erzählt“, antwortete Carson und lächelte. „ Es war offensichtlich.“
John verzog den Mund. „ Ein Wunder, dass es noch nicht jeder weiß.“
„ Sie sollten es vielleicht an Rodney weitergeben, wenn Sie möchten, dass es bald jeder auf diesem Schiff weiß“, scherzte Carson, doch sein Lächeln wehrte nicht lange. Er räusperte sich verlegen. „ Wie dem auch sei… Ich will Ihnen beiden keinen Vorwurf machen und ich freu’ mich ehrlich für Sie und Teyla.“
„ Danke, Carson.“ John nickte schmunzelnd und setzte sich dann langsam wieder in Bewegung. „ Aber ich denke, es war unnötig mir aufzulauern“, um mir zu gratulieren. Ich befürchte, Elizabeth weiß es schon.“ Carson schloss sich seinem Schmunzeln an.

'Dr. Beckett, ich brauch’ Sie hier! Sofort!' Eine aufgerecht klingende Stimme, die aus dem Headset des Arztes dröhnte, riss John aus seinen Gedanken und er blickte Carson an, doch der schien ebenso wenig zu wissen, wie er selber.
„ Jennifer, was ist denn…“, setzte Carson an, wurde jedoch sofort wieder von der blonden Ärztin unterbrochen.
'Sofort, Carson! Es ist Teyla! Sofort!'

Er wusste nicht, ob es die aufgeregte Stimme der Ärztin war oder das Stöhnen im Hintergrund, dass ihn loslaufen ließ. Jedenfalls fand sich John plötzlich im Laufschritt wieder, Carson war nicht mehr neben sondern vor ihm.
Irgendwie machte sich in ihm ein furchtbar schlechtes und mieses Gefühl breit, dass ihn völlig außer Atem brachte. Wut, Trauer und Frustration stiegen zugleich in ihm auf, schwemmten als Tränen aus seinen Augenwinkeln.

++++++++


Carson hörte die donnernden Schritte des Colonels direkt hinter sich, als sie beide in die Krankenstation gerauscht kamen und ihm Jennifer mit bedrückter Miene entgegen kam, das Stethoskop um ihren nackten Hals gelegt.
Nein. Carson blieb stehen und starrte seine Kollegin fassungslos an. Nein, nein.

Die blauen Augen der blonden Frau aus Wisconsin waren mit Tränen gefüllt, die im Licht der Lampen glitzerten, als sie ihn und den Colonel ansah und ganz langsam mit dem Kopf zu schütteln begann.
„ E..es tut mir unendlich leid“, sagte die mit piepsiger Stimme. „ Ich habe alles getan, aber…“- Sie seufzte schwer- „... wir haben Teyla soeben verloren. Es tut mir leid, Colonel.“

Im Augenwinkel sah Carson, wie die Beine des Luftwaffenoffiziers unter ihm nachgaben und er sich gerade noch rechtzeitig auf einen Stuhl retten konnte und Jennifer fassungslos anstarrte.

TBC
Immortal by Ailya
hear your voice all the time
But it doesn´t stop the pain


„ Mark Wahlberg?“ McKay tauchte samt Tablettlaptop unter einer Konsole hervor, ungläubig mit dem Kopf schüttelnd. „ Das ist doch nicht Ihr Ernst, oder?“
Daniel Jackson sah den Kanadier über seine Brillengläser hinweg an und verzog seinen Mund zu einem süffisanten Lächeln. „ Haben Sie etwa ein Problem damit?“
„ Mark Wahlberg?“ Der lantianische Chefwissenschaftler schüttelte noch immer mit dem Kopf.
„ Ich finde, dass er ein sehr begabter Schauspieler ist“, erklärte Daniel und fügte hinzu: „ Und meiner Meinung nach, hat er die Rolle des Captain Leo Davidson sehr authentisch rübergebracht. Ein sehr angenehmer Mensch.“
„ Nur, damit wir uns nicht falsch verstehen.“ McKay kam nun endgültig unter der Konsole hervorgekrochen, klopfte sich die Staubflusen von der Uniform und hob die Augenbrauen. „ Sie finden, dass Mark Wahlberg ein besserer Schauspieler als Charlton Heston ist?“
„ Lassen Sie mich raten: Sie sind anderer Meinung?“, fragte Daniel sarkastisch.
McKay schnaubte abfällig. „ Charlton Heston hat „Planet der Affen“ geprägt und zu einem der besten Filme aller Zeiten gemacht, auch wenn ich der Meinung bin, dass diese schrottreife Mühle es nicht einmal bis in die Atmosphäre geschweige denn auf einen fernen Planeten geschafft hätte… aber das ist jetzt ein andere Thema.“ Der Kanadier machte einen selbstbewussten Schritt auf ihn zu und funkelte ihn angriffslustig an. „ Im Gegensatz zu Heston, ist Ihr Wahlberg doch nur ein kleiner Wicht!“
Daniel konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „ Wenn Sie das so sehen…“
„ Ein billiger Abklatsch!“, schimpfte der Kanadier weiter. „ Nur das Original verdient es als „Blockbuster“ bezeichnet zu werden und nicht diese… diese billige, völlig unglaubwürdige, wissenschaftlich nicht vertretbare Nachmache! So etwas sollte verboten werden!“

Vor sich her schimpfend verschwand McKay wieder unter der Konsole und Daniel sah zu Lt. Matt Scott, der belustigt im Türrahmen lehnte und die ganze Sache mit einem breiten Grinsen verfolgt hatte.
„ Sagen Sie mir, Lieutenant, irre ich mich oder ist er noch garstiger geworden?“, seufzte Daniel, rückte seine Brille zurecht.
„ Das kann ich schlecht beurteilen, Doktor“, erwiderte Scott lachend. „ Er war schon immer nervig.“
„ Hallo?“, schallte es unter der Konsole hervor und die darunter hervorlugenden Beine wippten im Takt der aufgebrachten Stimme hin und her. „ Er befindet sich mit Ihnen in einem Raum und kann Sie hören.“
„ Nehmen Sie es nicht persönlich, Rodney“, grinste Daniel und wartete auf eine Antwort, die jedoch nicht kam. Es blieb still und wenn er ehrlich sein sollte, machte ihn das nervös.

Er blickte wieder zu Lt. Scott, doch der junge Soldat zuckte nur mit den Achseln und schien genauso verwirrt zu sein wie er. Anscheinend hatte er es während seiner ganzen Zeit in Atlantis noch nicht erlebt, dass ein Rodney McKay nicht auf eine bissige Bemerkung reagierte.
„ McKay?“ Daniel beugte sich ein Stück nach vorne, um einen Blick zu erhaschen, wich jedoch schnell wieder zurück, als sich der Gerufene unter Ächzen und Stöhnen unter der Konsole hervorzukrabblen begann. „ Ist alles in Ordnung?“
Der Astrophysiker rappelte sich auf die Beine. „ Ich will keine voreiligen Schlüsse ziehen, aber ich denke, ich hab’ was gefunden.“ Zwischen seinen Finger hielt er einen zerbrechlich wirkenden, kristallähnlichen Gegenstand. Daniel nahm ihn vorsichtig in die Hand und betrachtete ihn.
„ Was ist das?“, fragte Lt. Scott und lugte neugierig über seine Schultern hinweg.
„ Sieht aus wie ein Steuerkristall“, antwortete er ihm und zog die Stirn kraus.
„ Wie ein ziemlich wichtiges Steuerkristall“, fügte McKay hinzu. „ Ich vermute mal, dass es zu einer der Konsole gehört.“

Daniel schürzte die Lippen und wendete den zerbrechlichen Gegenstand hin und her. Er war aus einem sehr feinen Glas, war über und über mit winzigen Gravuren bedeckt, die teils ineinander verliefen oder keinen Abschluss fanden, sodass es ihm schwer fiel sie zu entziffern. Genaugenommen vermochte er es überhaupt nicht.
„ Was ist?“ McKay sah ihn leicht alarmiert an und seine eisblauen Augen sprudelten vor Aufregung, Neugier und Sorge fast über. „ Was steht da?“
„ Es tut mir leid, aber dieser Dialekt ist mir nicht vertraut“, gab Daniel geknickt zu. „ Die Anordnung der Symbole… sie macht keinen Sinn für mich. Es ist alles so wild durcheinander, ungeordnet. Das reinste Chaos!“
„ Vielleicht sollten Sie Dr. Weir zu Rate ziehen“, schlug Lt. Scott vor und betrachtete das Kristall ehrfürchtig.
„ Wir könnten auch einfach versuchen rauszufinden, wozu es gedient hat“, meinte McKay. „ Schließlich sind wir hier um Antworten zu finden.“
Daniel stieß ein heiseres Lachen hervor. „ Sie wollen das riskieren, obwohl Sie nicht wissen, was passieren könnte? Wir wissen doch noch nicht einmal, zu welcher Konsole es gehört!“

Der Kanadier nahm ihm das Kristall vorsichtig aus der Hand und grinste dabei mehr als überheblich. Dieses dämliche Grinsen konnte einen nur wahnsinnig machen und so langsam fragte sich Daniel, wie man es in Atlantis nur mit einer solchen Person aushalten konnte, ohne durchzudrehen! Es erschien ihm wie ein Ding der Unmöglichkeit und er glaubte Radek Zelenkas Versetzungsanträge endlich nachvollziehen zu können.
„ Seien Sie nicht gleich immer so pessimistisch“, sagte McKay und ging zu der Konsole herüber, unter der er bis eben noch herumgekrochen war. Mit einer flapsigen Handbewegung beförderte er seinen Tablettlaptop auf die Oberfläche und schloss das Gerät binnen Sekunden an das Antikerartefakt an.
„ Ich bin nicht pessimistisch“, erwiderte Daniel und trat neben den Wissenschaftler. „ Ich habe nur einen gesunden und funktionierenden Menschenverstand, der mich manchmal vor Gefahren warnt.“
McKay blickte kurz von seiner Arbeit auf. „ Mich bezeichnet man als Pessimismus in Person, doch im Moment gibt es wesentlich wichtigere Dinge.“

Daniel biss sich auf die Zunge und nickte verständnisvoll. Im Laufe der vergangenen zehn Jahre, war er oft in ähnliche Situationen geraten, und obwohl es so viele waren, dass er sie schon gar nicht mehr zu zählen vermochte, war es immer noch schlimm und schmerzte immer wieder aufs Neue.
In seinen Augen war es fast so etwas wie Selbstverleugnung, aber er verstand McKay. Er selbst hatte schon oft miterlebt, wie das Leben eines Teammitglieds am seidenen Faden hing, und er erinnerte sich nicht gern daran.
Es war immer schwer, wenn die Möglichkeit bestand, dass einer vom Team von der Mission nicht zurückkehren würde. Und so einer Situation hatte sich McKay zu stellen…

„ Ich verstehe“, sagte Daniel daher einfach nur und machte einen Schritt zurück, um eine gewisse Distanz zwischen sich und dem lantianischen Chefwissenschaftler zu wahren.
McKay bedachte das mit einem scheuen, fast dankbaren Lächeln, ehe er sich wieder in seiner Arbeit verlor.
Das Kristall in der einen Hand haltend, mit der anderen seinen PC balancierend, wanderte sein Blick über das Steuerungsfeld der Konsole. Ein schneller flüchtiger Blick verriet Daniel, dass es sich um denselben Dialekt wie auf dem Kristall handelte.
„ Ich glaube ich hab’s gefunden“, murmelte McKay und legte seinen Tablettlaptop beiseite. Seine Finger zuckten über das Bedienfeld und stockten an einer kleinen Vertiefung.
„ Ist es das?“, fragte Daniel.
„ Das werden wir gleich herausfinden“, antwortete McKay und ließ das Kristall geschickt in die Vertiefung gleiten.

Ein ohrenbetäubendes Geräusch und ein markerschütterndes Heulen ließ die beiden Männer zusammenzucken und Daniel würde das miese Gefühl nicht los, dass das da eben ein schrecklicher Fehler gewesen war.

+++++++


Schwerfälligen Herzens beobachtete Carson Beckett, wie Teylas lebloser Körper von zwei Marines auf eine andere Liege gehievt wurde und wie Jennifer Keller schweren Herzens und mit verweinten Augen ein makelloses, weißes Laken über sie spannte.
Es war einfach nur eine Schande, dass eine so junge Frau, die noch so viel vorhatte in ihrem Leben, hatte sterben müssen. Warum konnte die Welt nur dermaßen ungerecht sein? Er verstand das einfach nicht!

Zu dem Schluss gekommen, dass er es wohl auch nie verstehen würde, drehte sich Carson seufzend um und ließ seinen Blick durch die Krankenstation schweifen. Er entdeckte Col. Sheppard nicht weit von sich auf einem Stuhl sitzend; das Gesicht in seinen Händen verborgen, die Ellenbogen auf die Knie gestützt. Seine bebenden Schultern verrieten, dass er mit den Tränen zu kämpfen hatte oder diesen Kampf bereits verloren hatte.
Neben ihm stand Dr. Weir, hatte einen Arm um seine Schulter geschlungen und redete auf ihn ein. Sie sah kurz auf, als sie Carsons Blick bemerkte und nickte ihm unmerklich zu.
Es gab Momente in seinem Beruf, die hatte er schon immer versucht zu vermeiden, doch manchmal ging es einfach nicht anders. Und heute war mal wieder ein solcher Moment gekommen!

Langsam näherte er sich den beiden und je näher er kam, desto mehr verstärkte sich der Verdacht, dass der Colonel den Kampf verloren hatte. Es zerriss Carson fast das Herz, als er den jungen Mann schluchzen hörte, aber zugleich überraschte es ihn auch. Bei John Sheppard, dem kampferprobten Soldaten und Piloten, gab es sowas wie eine verletzliche Seite nicht. Das dachten sicher einige Menschen, doch sie irrten sich…


Mit einem mulmigen Gefühl im Magen trat Carson auf den Colonel zu, der daraufhin mit tränengefüllten Augen zu ihm aufblickte. Warum, schien er fragen zu wollen, war aber nicht in der Lage etwas zu sagen.

„ Es tut mir leid, John“, sagte Carson leise und senkte bedrückt seinen Blick. „ Ich wünschte, ich hätte mehr für Teyla tun können. Es tut mir leid.“
Der Soldat erwiderte nichts, sondern nickte einfach nur. Carson wusste, was dies zu bedeuten hatte.
„ Mit Ihrem Einverständnis, würden Dr. Keller und ich…“, setzte er an, doch sein Gegenüber schüttelte mit dem Kopf.
„ Nein.“
„ John…“ Elizabeth tätschelte ihm die Schulter und sah ihn verwirrt an.
„ Ich muss mir das nicht überlegen, Elizabeth“, entgegnete John. „ Sie hätte es nicht gewollt.“
„ Aber nur so können wir herausfinden, was Teyla gefehlt hat“, meinte die Expeditionsleiterin.
„ Und ich hatte gedacht, Sie würden meine Entscheidung respektieren“, sagte John leise, klang fast ein bisschen enttäuscht. „ Wenigstens Teylas.“
„ Wenn Sie das nicht möchten, dann werde ich das auch nicht tun“, mischte sich Carson ein, bevor eine Diskussion losbrach. Er hoffte noch immer auf Ergebnisse von Rodney. Und wenn nicht, dann…

Ein spitzer Schrei erschütterte ihn bis aufs Mark und ließ sein Herz für einen Moment aussetzen.
„ Dr. Beckett!“ Es war Dr. Kellers Stimme, die da plötzlich loskreischte und eine hysterische Note hatte.
Carson zögerte nicht eine Sekunde und lief los- er hörte, dass Elizabeth und John ihr folgten.
„ Carson!“, rief Jennifer ein zweites Mal und als er sie erreicht hatte, kannte er auch ihren Grund.

„ Carson, was ist hier los?“, fragte Teyla und schob verwundert das weiße Bettlaken beiseite, ließ ihren Blick durch die Runde schweifen und schwang ihre Beine über die Bettkante. „ Was ist passiert?“

TBC
Ad infinitum by Ailya
„Ten thousand years and I still have you in my heart…“


Der Stoff des weißen Patientenkittels lag schwer auf ihrer Haut und kratzte unangenehm. Ihr Rachen war staubtrocken und ihre Kehle brannte wie Feuer- mit einem erleichterten Seufzer griff Teyla nach dem Glas Wasser, was ihr die Krankenschwester gebracht hatte und ließ das kühle Nass ihre Kehle hinablaufen. Einzelne Tropfen perlten von ihren Lippen ab, tropften hinab auf ihren Schoss, zogen in den Stoff ihrer Patientenkittels.
Unbeirrt von ihren Protestrufen und Beschwichtigungsversuchen leuchtete ihr Carson Beckett mit einer kleinen, ziemlich hellen Lampe in die Augen, woraufhin sich ihre Pupillen reflexartig zusammenzogen und sie geblendet die Augen schloss. Sie wusste nicht, wie lange das schon so ging, nur eines wusste sie ganz genau: Was auch immer Carson bei ihr zu finden suchte… es war nicht da! Sie fühlte sich richtig gut und zum ersten Mal seit Tagen hatte sie nicht das Gefühl, dass ihr Schädel explodieren würde. Und bis auf die Tatsache, dass sie in der vergangenen Stunde klinisch gesehen tot gewesen war, fühlte sie sich so gut wie schon lange nicht mehr und verspürte das Verlangen aufzustehen und herumzulaufen.

Klinisch tot. Jetzt, wo der Gedanke ihr noch einmal in den Sinn kam, musste sie sich daran zurückerinnern, wie sie Carson und Elizabeth angesehen hatte, als sie diese Behauptung aufgestellt hatten, die sich nach und nach zur brutalen Tatsache gewandelt hatte. Sie war tot gewesen! Das war paradox!
Je mehr sie darüber nachdachte, desto krampfhafter versuchte sich zu erinnern, was in der letzten Stunde passiert war. Ihre Erinnerungen waren schleierhaft und undurchsichtig. Das Einzige, woran sie sich wirklich erinnern konnte, war dass sie wegen ihren Träumen bei Carson gewesen war; sie erinnerte sich an jedes einzelne Wort, das der schottische Mediziner zu ihr gesagt hatte. Sie erinnerte sich daran, wie dankbar sie gewesen war, als Carson ihr die Tabletten gegeben hatte, und wie sehr sie sich darauf gefreut hatte, endlich wieder einmal eine Nacht ohne plagende Kopfschmerzen und Träume durchzuschlafen zu können. Und sie erinnerte sie, wie Carson ihr Blut abgenommen hatte.
Nur, damit wir wissen woran wir sind, hatte er gesagt und freundlich gelächelt. Sie sah sein Lächeln vor ihrem geistigen Auge, sah wie sich kleine Fältchen um seine Mundwinkel und seine Augen bildeten. Es war ein wirklich aufrichtiges Lächeln gewesen, fast so als hätte er sich über etwas gefreut. Doch über was nur?

Teyla konnte sich einen erschrockenen Seufzer gerade noch rechtzeitig verkneifen, als es ihr wieder einfiel und kniff die Lippen zusammen. Der Test! Sie hatte in dem ganzen Wirrwarr doch glatt vergessen, Carson zu fragen, wie der Test ausgefallen war!
Als sich ein unbeobachteter Moment ergab, wanderte sie mit ihrer Hand unmerklich über ihren Bauch und verspürte auf einmal dieselbe Nervosität, die sie vor einer Stunde schon einmal verspürt hatte.
Ein Kind. Wieder war da diese besitzergreifende Panik, die sich wie zwei unsichtbare Hände um ihre Kehle legte und fest zudrückte. Der Gedanke war noch immer erschreckend und es kostete sie einiges, nicht einfach aufzuspringen und Carson nach dem Ergebnis zu fragen. Das könnte sie auch noch später machen. Hoffte sie zumindest…

Sie beschloss, den Rest der Untersuchung schweigend über sich ergehen zu lassen und sich auf Carson zu konzentrieren, doch so sehr sie dies auch versuchte… Sie fand einfach keine innerliche Ruhe und die Ungewissheit prügelte schamlos auf sie ein.
Unruhig begann sie auf Krankenliege hin und her zu rutschen, hoffte natürlich, dass das niemand auffiel. Sie faltete die Hände auf ihrem Schoß und presste angespannt die Lippen aufeinander.
Vielleicht war es ja eine Abwehrreaktion ihres Körpers und er versuchte sich selbst beschäftigt zu halten, um sich abzulenken- sicherlich eine ansatzweise einleuchtende Erklärung dafür, dass sie an der Naht ihres Tops herumzuspielen begann und sich so darin vertiefte, dass sie zusammenzuckte, als Carson Beckett sie ansprach.

„ Der Donner soll mich treffen, aber… ich kann nichts finden. Ihr fehlt nichts!“ Er hatte sich ihr zwar zugewandt, blickte mit seinen blaugrauen Augen direkt in ihr Gesicht, doch seine Stimme verriet Teyla, dass er nicht mit ihr redete, sondern vielmehr mit Elizabeth, die einige Meter entfernt stand und dem Ganzen äußerst interessiert beigewohnt hatte.
Teyla glaubte Unglauben in der Mimik der Expeditionsleiterin zu entdecken, obwohl diese aussah wie immer; sie hatte die Arme vor dem Brustkorb verschränkt und bedachte Carson mit einem Blick, den John immer als „Diplomatenblick“ bezeichnete- die linke Augenbraue hochgezogen, sodass sie fast im Haaransatz verschwand, die Stirn in nachdenkliche Falten geworfen und die Lippen gekräuselt. Ja, das war der unverwechselbare „Diplomatenblick“!

Teyla musste unwillkürlich schmunzeln, als sie sich an eine Begebenheit erinnerte, die sich während der letzten Weihnachtsfeier ereignet hatte und ohne Radek Zelenkas Hilfe wohl nie zustande gekommen wäre. Der Tscheche besaß wirklich eine Gabe, was das Brauen von Hochprozentigem anging, und John und Major Lorne das Talent, mehrere kleine Gläser in sich hineinzuschütten und dabei immer noch total ernst zu bleiben- wenn man das aus ihrer Sicht betrachtete. Jedenfalls hatte das Ganze damit geendet, dass Major Lorne den Rest der Nacht auf dem Boden der Mensa zugebracht und John den „Diplomatenblick“ so perfekt imitieren konnte, dass es fast schon ein bisschen unheimlich war. Die glasigen Augen, das immer breiter werdende Grinsen und der leicht verwirrte Gesichtsausdruck hatten ihren Teil zu der Sache beigetragen…

John. Ein schweres Seufzen, das sie anscheinend selber ausgestoßen hatte, riss Teyla aus ihren Gedanken und ließ sie ihren Blick von Elizabeth abwenden. Neben der Expeditionsleiterin hatte sich John gegen eine Tischkante gelehnt und schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein. So wie es bei Elizabeth den „Diplomatenblick“ gab, so gab es bei dem Soldaten den „Denkerblick“, auch wenn der nun wirklich nicht sehr intelligent aussah.
Als er ihren forschenden Blick bemerkte, erwachte John aus seiner Starre und sah sie mit seinen haselnussfarbenen Augen so intensiv an, dass sie zusammenzuckte und ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken lief. Sie wartete auf sein schiefes Lächeln, dass für ihn so typisch war und dass ihr immer wieder aufs Neue sagte, dass alles in Ordnung war, doch sie wartete vergebens. Seine Mundwinkel blieben unten und seine Lippen weiterhin fest aufeinander gepresst.
Vielleicht könnte sie ihm ja ein kleines Lächeln entlocken. Einen Moment lang spielte Teyla mit diesem Gedanken, verwarf ihn dann aber wieder.

„ Und Sie fühlen sich wirklich gut?“, ereilte sie Elizabeths Frage und zerrte sie damit wieder zurück auf die Krankenstation.
„ Mir geht es gut“, antwortete Teyla einfach nur und bestärkte ihre Aussage mit einem Nicken. Sie wusste, dass Elizabeth und auch Carson und John eine andere Antwort erwarteten, doch die konnte sie ihnen nicht geben. Ihr ging es wirklich gut; sie hatte keine Schmerzen und sie fühlte sich seltsamerweise irgendwie befreit, als hätte jemand eine schwere Last von ihren Schultern genommen.
„ Und Sie können sich wirklich an nichts erinnern?“, wollte Elizabeth abermals von ihr wissen, obwohl sie die Antwort eigentlich schon kannte.
Teyla schüttelte mit dem Kopf. „ Das Letzte, an was ich mich erinnere, ist, dass ich hier war. Auf der Krankenstation. Dann bin ich wieder aufgewacht.“

Elizabeth runzelte ihre Stirn und Carson, der sich inzwischen zu ihr gesellt hatte, schien angestrengt nachzudenken. Er schien nach einer Erklärung zu suchen, doch Tatsache war, dass es keine gab!
Teyla konnte sich nicht vorstellen, was da gerade in den Köpfen ihrer Freunde vor sich ging, aber sie vermutete, dass es ein ziemliches Durcheinander sein musste. Und wenn sie ehrlich sein sollte, dann konnte sie das in irgendeiner Hinsicht sogar verstehen.

Gerade, als Elizabeth den Mund auftat- und Teyla konnte sich schon ungefähr denken, was sie sagen wollte-, knackte eines der Headsets und Teyla war zum ersten Mal froh, Rodneys Stimme zu hören. „Elizabeth, hier ist etwas, das Sie sich ansehen sollten.“
„ Kann das nicht warten?“, fragte die Expeditionsleiterin und es überraschte Teyla, dass sie ein kleines bisschen ungehalten klang.
„ Wir haben hier unten was gefunden“, meinte Rodney, „ und Dr. Jackson und ich sind der Meinung, dass es wichtig sein könnte.“ Einen Moment folgte eine Rodney untypische Stille, ehe er hinzufügte: „ Extrem wichtig sogar. Sie sollten runterkommen.“
Elizabeth ergab sich mit einem Seufzen ihrem Schicksal. „ Ich komme sofort, Rodney.“ Sie wandte sich Carson zu und flüsterte ihm leise etwas zu. Es war ihr nicht wichtig, zu hören, was die beiden da beredeten… Spätestens als Carson zu nicken anfing, konnte sich Teyla ungefähr zusammenreimen, worum es in dem kurzen Austausch der beiden gegangen war.

Elizabeth unterstrich mit einem kurzen Nicken und einem wissenden Blick ihre Aussage, ehe sie sich entschuldigte und ging.
Als Teyla sah, dass John sich daran machte seiner Vorgesetzten zu folgen, gab sie sich einen Ruck. So konnte das nicht weitergehen! Seit sie beide sich fast jede Nacht ein Bett teilten, fand sie es einfach nur unerträglich, wenn er sie so gnadenlos anschwieg. Doch das war nicht erst seit Kurzem so: Nein, schon früher war ihr aufgefallen, wenn ihn etwas beschäftigte oder auf der Seele lastete. Er war nicht die Art von Mensch, die anderen Leuten seine Probleme an den Hals hängte, er ging auch so gut wie nie zu Dr. Heightmeyer, auch wenn Elizabeth ihm danach immer eine lange Predigt über den Nutzen von psychologischen Untersuchungen hielt. Es war John relativ egal und nicht selten hatte er es als „ Humbug“ oder als „ unnötig“ bezeichnet.
Sie glaubte nicht, dass sein Verhalten ein Vorteil für ihn war und es gab noch einige andere, die ihre Ansicht teilten.

„ John.“ Als sie ihn rief, blickte er kurz zu ihr auf, sah dann Elizabeth hinterher, schien abzuwägen, ob er seiner Vorgesetzten nicht besser folgen sollte, kam dann aber anscheinend aber zu einem anderen Entschluss und stieß sich mit geballten Fäusten von der Tischplatte weg.
„ Ich werde dann mal gehen“, meinte Carson, deutete unmerklich in die Richtung, in der sein Computer stand, und verabschiedete sich dann auch. Das war eine Sache, die jedermann dem Schotten hoch anrechnete.

Teyla sah dem Mediziner hinterher, bis er hinter einer Säule verschwunden und somit außer Sichtweite war. Sie war sich bewusst, dass er sie noch immer hören konnte, doch Carson war noch nie für einen Lauschangriff zu begeistert gewesen. Er meinte immer nur, dass er die Privatsphäre seiner Patienten schätzte.
Eine angenehme und nachahmenswerte Eigenschaft, doch in diesem Augenblick wünschte sich Teyla nichts sehnlicher, als dass der liebenswerte Schotte in der Nähe oder zumindest in Sichtweite geblieben wäre. Denn auf einmal, als sich dieses Schweigen über den Bereich, in dem sie sich befand, legte, wurde ihr heiß und kalt. Und plötzlich waren da wieder diese Hände, die ihre Kehle unerbittlich zusammendrückten und ihr den Atem raubten.

Sie sah erst auf ihre noch immer gefalteten Hände hinab und dann zu John hinauf; er stand vor ihrem Krankenbett, hielt seine Hände in den Hosentaschen verborgen und hatte den Kopf leicht geneigt, als ob er nur darauf wartete, dass sie den Anfang machen und etwas sagen würde. Schließlich hat sie mich ja gerufen, schienen seine Augen sagen zu wollen.
Teyla seufzte tief und kam zu der Ansicht, dass diese Situation schlicht und ergreifend absurd war. Sie schliefen miteinander, aber dennoch hatten sie beide nicht die Courage, miteinander über das Vorgefallene zu reden. Es war in ihren Augen einfach nur absurd!

Sie änderte ihre Meinung jedoch, als John sich auf die Bettkante setzte, sie in die Arme schloss und sein Gesicht in ihren Haaren verbarg. Sein Atmen war beschleunigt und irgendwie abgehackt und als er ihr Gesicht zärtlich umfasste und sie anblickte, sah sie eine Träne in seinem Augenwinkel glitzern.
„ Ich dachte, ich hab dich verloren“, gestand er leise, so leise, dass es in dem Brummen der Maschinen und dem des Antriebs fast unterging.

+++++++++


Elizabeth musste zugeben, dass sich ihr Gewissen meldete, weil sie Teyla und die anderen einfach so allein gelassen hatte und so wie es aussah, war John zurückgeblieben. Sie konnte es ihm nicht verübeln und war sich sicher, dass er dort fürs Erste besser aufgehoben war, als bei ihr.
In dieser „schwarzen Stunde“ – so hatte sie die vergangenen sechzig Minuten genannt- war ihr aufgefallen, dass zwischen den beiden Teamkollegen mehr sein musste, als nur ein freundschaftliches Verhältnis unter Kollegen. Sie konnte es ihnen nicht verübeln, schließlich waren solche Situationen berüchtigt dafür, dass sie Leute zusammenführte, die sich dann gegenseitig trösten und auferbauen konnten. Und die Situation, in der sie sich befanden, zählte sicher zu dieser Art von Situationen…
Elizabeth beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken, sondern sich vielmehr für die beiden zu freuen und sich auf das nächstliegende Problem zu kümmern.

„ Elizabeth, na endlich! Da sind Sie ja!“ Rodney fing sie mit hochrotem Kopf im Korridor ab- wahrscheinlich war er wie ein aufgeschrecktes Huhn herumgelaufen und hatte dabei ständig unter leisem Gemurmel auf die Uhr gesehen.
„ Sie wollten mir etwas zeigen?“, erinnerte sie ihn und ignorierte seine leicht patzige Art; in den letzten drei Jahren hatte sie gelernt damit umzugehen.
„Kommen Sie.“ Rodney bedeutete ihr mit einer Handgeste, ihm zu folgen. „ Sie werden begeistert sein.“
„ Ich würde mich nicht so schnell freuen, Rodney“, meinte Elizabeth und folgte ihm in das Labor. In den vergangenen zweieinhalb Wochen hatte sie so einiges zu Gesicht bekommen, wovon sie nie gedacht hätte, es einmal in ihrem Leben zu sehen. Allein die Tatsache, dass sie sich auf einem Schiff der Antiker befanden, war überwältigend.

Das Labor überraschte sie nicht sonderlich. Es unterschied sich nur durch die vielen Konsolen und die an den Wänden angebrachten Monitore von den restlichen Räumlichkeiten des Schiffes. In der Mitte des Raumes war ein kleines Podest mit einer Art Hauptsteuerungskonsole; diese schien alle anderen Gerätschaften zu kontrollieren.
Im Großen und Ganzen ähnelte das Labor doch sehr der Krankenstation und Elizabeth glaubte sogar einige Ähnlichkeiten zu dem physikalischen Labor in Atlantis erkennen zu können. Sie sah Rodney, der neben ihr stand, an und zog langsam die Augenbraue hoch.
„ Und deswegen haben Sie mich gerufen?“, fragte sie ihn. „Wegen einem Labor?“
„ Ich gebe ja zu, dass das nicht gerade eine unserer spektakulärsten Entdeckungen ist“, erwiderte der Kanadier, hob dann aber seinen Finger und begann mit ihm herumzufuchteln. „ Aber das wollte ich Ihnen nicht zeigen. Uns ist bei der näheren Untersuchung des Raumes ein Kristall in die Hände gefallen.“
„ Ein Kristall?“
„ Ein Kontrollkristall um es genauer zu sagen“, verbesserte Rodney sie.
Elizabeth nickte. „ Ein Kontrollkristall für die Hauptkonsole?“
„ Ja und nein.“ Rodney blieb stehen und fuhr mit der Hand über ein Wandpanel. „ Es ist kompliziert, aber ich glaube, dass das Kristall eine Art Multifunktionsschlüssel ist. Ich konnte die Datenbänke aufrufen, doch einige Daten sind ziemlich gut verschlüsselt worden und es wird noch ein bisschen dauern, bis ich…“
„ Rodney!“, fiel ihm Elizabeth ins Wort. „ Sie sagten, Sie und Dr. Jackson hätten etwas extrem Wichtiges gefunden.“

Ein ohrenbetäubendes Geräusch übertönte Rodneys Antwort, doch im Gegensatz zu ihr, zuckte der Kanadier nicht zusammen und sah die sich öffnende Tür vollkommen entsetzt an.
„ Was zur…“ Es kam Elizabeth vor wie ein Déjà-vu, als die beiden Türhälften auseinander glitten und sie einen Blick erhaschen konnte, auf das, was sich dahinter befand. „ Oh, großer Gott.“

Der Raum, der hinter der Tür lag, war etwas kleiner als das Labor, erschien aber dennoch größer. Die Wände waren mit antikischen Symbolen und sie eingearbeiteten Wassersäulen geschmückt. Von der Decke her schimmerten drei, ovalförmige Lampen, die den ganzen Raum in ein angenehmes weiß-bläuliches Licht tauchten und die interessantesten Schattenspiele auf den Boden warfen.
Gegenüber der Tür, war ein Fenster in die Schiffwand eingearbeitet worden und man sah die Sterne daran vorbeifliegen. Oberhalb des Fensters und an den Seiten waren kleine Leuchten in die Wand eingelassen. Deren weißes Schattenspiel mischte sich mit dem der Deckenleuchten und zusammen führten die Schatten einen bizarren, formlosen Tanz auf.
Inmitten des Raumes befand sich etwas, was entfernt an die Gerätschaften erinnerte, die sie vor ein paar Wochen entdeckt hatten. Doch diese Kapsel wirkte nicht wie ein Sarg, auch wenn es gewisse Ähnlichkeiten vorzuweisen hatte; bläuliche Symbole verzierten es, doch es war zu dunkel, als hätte man sie entziffern können. Das schwache, bläuliche Glimmen war einfach zu schwach und auch die Raumbeleuchtung brachte nicht viel.

„ Dr. Weir!“ Daniel Jacksons Stimme riss Elizabeth aus ihrer faszinierten Betrachtung des Raumes und sie sah den Archäologen hinter der Kapsel hervorkommen. Sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln, war viel zu sehr damit beschäftigt, die Gerätschaft genauer zu mustern.
Sie ließ Rodney stehen und umkreiste die Kapsel oder was auch immer es war voller Staunen. Von nahem sah sie noch eindrucksvoller aus und das Glimmen der Symbole wurde stärker, schimmerte schließlich in einem kräftigem türkis.
Die Kapsel hatte eine Länge von ungefähr zwei Metern und eine Breite von einem Meter. Die Seiten flankierten ein Dutzend kleiner Leuchten, die ihr beim ersten Mal gar nicht aufgefallen waren. Je näher und je länger sie es jetzt betrachtete, desto mehr Details sprangen ihr ins Auge.
„ Ist es das, wofür ich es halte?“, fragte sie und sah Daniel Jackson über die Kapseln hinweg an.
Daniel nickte zur Erwiderung und Rodney, der inzwischen hinzugetreten war, meinte: „ Wir empfangen ein schwaches Energiesignal, das von der Kapsel ausgeht. Es ist stark genug, um jemanden über längerem Zeitraum am Leben zu erhalten.“
„ Es ist eine Stasiskapsel?“ Elizabeth wunderte sich, warum sie eigentlich gefragt hatte, da die Antwort doch auf der Hand zu liegen schien. Sie wartete die Antwort noch nicht einmal ab, sondern streckte ihre Finger aus und strich über das glatte Material der Kapsel. Ein Schauer durchlief sie und sie fand den Gedanken, dass sich dort drin möglicherweise seit fast zehntausend Jahren ein Antiker befand, aufregend.

„ Es ist eine Frau“, hörte sie Daniel Jackson erklären und blickte zu ihm auf. Der Archäologe rückte seine Brille zurecht und warf einen schnellen Blick auf seinen Tablettlaptop, ehe er fortfuhr: „ Ihr Name ist Helia und...“
„ Ja, ich habe von ihr in der Datenbank gelesen“, fiel Elizabeth ihm ins Wort und nickte. „ Während des Krieges mit den Wraith war sie der erste Offizier der Artemis…und die Frau des Kommandanten.“
Daniel lächelte charmant. „ So wie es aussieht, sind Sie fleißig gewesen.“
„ Es gibt nichts Besseres, als Antikergeschichte“, erwiderte Elizabeth und stimmte in sein Lächeln ein. „ Ich muss zugeben, dass es länger als sonst gedauert hat, aber ich glaube ich habe mein Wissensdefizit aufgeholt.“
„ Und, was machen wir jetzt mit ihr?“, fragte Rodney plump und sah zwischen ihr und Dr. Jackson hin und her.

Das war eine wirklich berechtigte Frage, die der Kanadier da gestellt hatte. Elizabeth musste zugeben, dass sie noch nicht so weit gedacht hatte.
„ Wenn wir sie wecken würden, dann würde sie das umbringen“, meinte sie leise, vielmehr laut gedacht als gesprochen.
„ Das wissen wir nicht genau“, warf Rodney ein. „ Es kann auch das Gegenteil der Fall sein.“
Elizabeth sah den Wissenschaftler an. „ Und wie hoch schätzen Sie dann unsere Chancen ein?“
„ Ich weiß nicht… eins zu hunderttausend? Wieso fragen Sie ausgerechnet mich das?“
„ Ohne beleidigend wirken zu wollen“, sagte Daniel und warf seine Stirn in tiefe Falten, „ aber meiner Meinung nach, ist das nicht besonders hoch.“
Rodney verdrehte die Augen. „ Das war ja auch nur eine vorsichtige Vermutung. Ich habe nur geschätzt. Wenn Sie endlich mal mit der Übersetzung fertig werden würden, dann wäre ich viel schneller fertig. Ich brauche Daten… schließlich bin ich nicht Superman!“
Daniel zog abschätzig die Augenbrauen zusammen. „ Hat das je jemand ernsthaft angenommen?“
„ Okay, okay“, fuhr Elizabeth dazwischen und verwarnte Rodney mit einem finsteren Blick. „ Wir sollten uns auf das Wesentliche kontrollieren.“ Sie schüttelte mit dem Kopf in Rodneys Richtung, ehe sie sich an Daniel wandte. „ Dr. Jackson, wie weit sind Sie mit der Übersetzung gekommen?“
Der Archäologe seufzte tief und ließ sich dann wieder auf den Stuhl sinken, auf dem er bis vor kurzem gesessen hatte. „ Manche Stellen sind leichter verstehen als andere. Wir wissen, dass die Antiker verschiedene Dialekte hatten.“

Elizabeth hörte ihm zu, nickte ab und zu, schüttelte mit dem Kopf, nickte dann wieder. Gedankenverloren strich sie mit ihren Finger wieder über die sauber verarbeitete Kapsel und versuchte einige Symbole zu entziffern, doch Daniel hatte recht: Am manchen Stellen fiel es ihr leicht, an anderen drohte sie zu verzweifeln. Es war ein wild durcheinander gemischtes Kauderwelsch, an manchen Stellen in einem älteren Dialekt geschrieben und an anderer Stelle wieder in neuerer Sprache gehalten.
Sie war leicht verwirrt und musste manche Sätze zwei- oder sogar dreimal überlesen, bis sie deren Bedeutung verstanden hatte.
„ Erleuchte meine Seele, erleuchte mein Herz. Meine Liebe zu dir wird auf unabsehbare Zeit währen“, las sie leise vor und fühlte sich an einen furchtbar kitschigen Liebesfilm erinnert, den sie in ihrer Jugendzeit einmal mit ihrer Highschoolliebe angeschaut hatte.
„ Klingt fast schon poetisch“, meinte Daniel Jackson, neigte seinen Kopf ein bisschen nach rechts und deutete mit seinem Finger auf eine Textpassage aus doch recht verständlichen Symbolen.
„ Eolion“, übersetzte Elizabeth. „ Er war der Kommandant der Artemis und ein hochrangiges Mitglied des lantianischen Rates gewesen.“
„ Das ist seine Signatur.“

Daniel und sie sahen einander an. Laut der Datenbank war Helia seine Ehefrau gewesen und sie hatte ihm in den Wirren des Krieges mit den Wraith zwei Söhne geboren- Persus und Catan. Dieses Ereignis war im Logbuch des Kommandanten festgehalten worden und er hatte Freude gezeigt, doch ein Jahr später endeten seine Einträge abrupt. Ebenso wie die Einträge der Wissenschaftler, der Ärzte und auch die der Piloten und Soldaten. Sie hörten einfach auf...

Ein schrilles Geräusch, ein in den Ohren gellendes Klingeln, ließ Elizabeth zusammenzucken und ihre Gedanken und Vermutungen beiseite schieben. Sie wandte sich erschrocken zu Rodney um, der damit beschäftigt schien, auf seinen Tablettlaptop einzutippen.
„ Keine Sorge“, versuchte er den Lärm zu übertönen und sah sie an. „ Das ist nur eine leichte Energiefluktuation.“
„ Eine leichte Energiefluktuation?“, echote Elizabeth alarmiert und ließ ein vorwurfsvolles „Rodney“ verlauten, als die Leuchten, die die Kapsel flankierten, aufzuflackern begannen. Sie konnte eine weibliche Silhouette erkennen, die inmitten der Kapsel lag.
Die Lichter begannen wieder zu flackern, doch diesmal nicht nur die der Kapsel sondern auch die Decken- und Wandleuchten. Die Symbole an den Wänden und an der Kapsel begannen bläulich-weiß zu glimmen.
Elizabeth musste schlucken und richtete ihre Augen unwillkürlich auf die Kapsel, von deren Innenleben ihr immer mehr offenbart wurde. Die sich darin befindende Person nahm Form und Gestalt an und als urplötzlich innerhalb der Kapsel auch noch Lichter zu flackern und aufzuleuchten begannen und jedes Detail der Frau verrieten, zuckte Elizabeth regelrecht zusammen.

Die Antikerin- Helia- war in ein langes weißes, sehr edel aussehendes Gewand gehüllt, das ihre alten knöcherigen Fesseln umspielte. Ihr Körper erschien trotz des Alters tadellos zu sein und ihr Gesicht- wenn auch von der Zeit gezeichnet, faltig und eingefallen- zeugte von Schönheit und Anmut.
Ihre Hände hatte sie über ihrem Bauch gefaltet. Ihre langen weißen Haare fielen in sanften Wellen über ihre Schultern. Um ihren Hals legte sich eine dünne goldene Kette mit einem kleinen Anhänger.
„ Oh, mein Gott.“ Elizabeth schlug sich die Hand vor den Mund, um ein entzücktes Jauchzen zu unterdrücken.
„ Keine Sorge“, hörte sie Rodney rufen. „ Das hatten wir vor einer Stunde schon einmal! Müsste gleich vorbei sein!“

Es sollte nicht vorbei sein. Voller Faszination starrte Elizabeth auf die Antikerin hinab, die so friedlich inmitten der blitzenden Lichter lag. Zu ihrer Zeit musste sie eine wahre Schönheit gewesen sein- schlank, lange Haare und vielleicht blaue Augen, sinnliche Lippen und wie ihre Stimme geklungen haben musste, wollte sich Elizabeth gar nicht erst vorstellen. Sie hatte immer noch eine gewisse Ausstrahlung, auch wenn die Zeichen der Zeit an ihrem Körper genagt hatten.
Es ist unglaublich, wollte Elizabeth ihren beiden Kollegen erwidern, als ihr etwas auffiel, das sie stutzen ließ. Schweren Herzens löste sie ihren Blick von der Statiskapsel und sah Rodney verwirrt an. „ Sagten Sie, vor einer Stunde?“
Der Kanadier wirkte leicht verunsichert, als er antwortete: „ Ja, das war genau das, was ich gesagt habe. Wieso?“

Elizabeth merkte, wie sich ihr Magen leicht zusammenkrampfte und wie sich ein ungutes Gefühl in ihr breit machte.
„ Dr. Weir?“ Daniel Jackson war von seinem Stuhl aufgestanden und hatte besorgt eine Hand nach ihr ausgestreckt. „ Stimmt irgendetwas nicht?“
„ Wer war noch einmal in dem Team, dass das hier alles erkundet hat?“, fragte sie.
„ Lt. Scott, Col. Carter und Teyla“, antwortete Rodney. „ Wieso? Ist irgendwas nicht in Ordnung?“
Elizabeth wusste nicht, was sie dem Physiker erwidern sollte, räusperte sich und meinte dann aber schließlich: „ Irgendwas sagt mir, dass hier was nicht stimmt.“

++++++++


Mit vor dem Brustkorb verschränkten Armen, stand John auf der anderen Seite des Paravents und wippte ungeduldig mit dem Fuß auf und ab, starrte dabei intensiv auf die Spitzen seiner schwarzen Militärstiefel. Kam es ihm nur so vor oder wirkten seine Füße in diesen Dingern wirklich so riesig und plump?
Er wippte den Fuß auf die andere Seite, neigte ihn ein kleines Stück und kam zu dem Schluss, dass er sich das wohl nur einbildete.

Er blickte auf, hob das Kinn in Richtung Paravent, hinter dem ein Schatten hin und her hüpfte, und schüttelte mit dem Kopf. Es erschien ihm einfach nur abwegig, dass sie es vorgezogen hatte, sich hinter diesem Teil umzuziehen, zumal er sie durchaus und mehrmals im völlig unbekleideten Zustand gesehen hatte.
„ Bist du sicher, dass du keine Hilfe brauchst?“, fragte er und grinste, als Teylas Kopf seitlich des Paravents hervorlugte.
„ Ich würde nicht besonders weit kommen, wenn du mir helfen würdest“, erwiderte die Athosianerin und lächelte.
„ Aber falls…“, setzte er an und ließ den Satz in eine Handbewegung übergehen.
„… dann werde ich dir Bescheid geben“, beendete Teyla seinen Satz und verschwand schmunzelnd wieder hinter dem Paravent.

Mit einem Seufzen ließ sich John auf einem der Stühle nieder und betrachtete das Schattenspiel, das sich ihm bot, mit einem amüsierten Schmunzeln. Er war Carson zutiefst dankbar, dass er Teyla erlaubt hatte, für ein, zwei Stündchen die stickige Krankenstation zu verlassen, um sich mal ein bisschen die Beine zu vertreten. Sie sollte sich aber in der Nähe aufhalten und dafür würde er schon sorgen! Ganz bestimmt…
John schielte an den Wänden des Paravents vorbei, hinüber zu dem Wandspiegel, beobachtete interessiert und mit einem immer weiter werdenden Grinsen, wie sich Teylas Spiegelbild das Top über den Kopf zog und sich mit den Fingern durch die rostbraunen Haare fuhr, dann ihren Kopf schüttelte, sodass ihre Haare ihr locker auf die Schultern fielen.

Dieser Anblick ließ ihn fast vergessen, was sich in der letzen Stunde abgespielt hatte… aber nur fast. Er fühlte sich elend, wenn er sich daran zurückerinnerte und ihm wurde speiübel bei der Vorstellung, sie für immer verloren zu haben. Noch einen Verlust in seinem verkorksten Leben hätte er mit Sicherheit nicht überwunden und schon gar nicht einer, von einer solchen Tragweite.
Zum ersten Mal seit Jahren, hatte er den Tränen nachgegeben und ihnen erlaubt, aus seinen Augen zu schießen. Schon lange nicht mehr, hatte er sich dermaßen deprimiert und niedergeschmettert gefühlt, wie vor einer Stunde. Es hatte sich angefühlt, als hätte man ihm den Boden unter den Füßen auf brutalste Art und Weise weggerissen. Er wusste bei aller Liebe nicht, was er gemacht hätte, wäre Teyla nicht wieder aufgewacht.

John sog scharf die Luft ein und kniff die Augen so fest aufeinander, dass sie schmerzten, und das nur, um diese Erinnerungen in den hintersten Teil seines Gehirns zu verbannen.
Als die Lider wieder aufschlug und seinen Blick wieder auf das Spiegelbild richten wollte, war es nicht da. Nur das vergilbte Weiß des Paraventstoffes und ein Teil einer Säule war zu sehen.
Er stutzte und richtete sich von seinem Stuhl auf, ging langsam in Richtung Paravent, spürte wie sein Herz wieder zu schlagen begann.
„ Teyla?“, fragte er und erschrak, als er hörte, wie schwach und flatterig seine Stimme doch klang. Alarmiert wartete er auf ihre Antwort, doch die kam nicht und so zog er das Tempo an und hechtete fast oscarreif um das Paravent herum. „ Teyla!“

Die Athosianerin war nach vorne gekippt und hatte sich mit einer Hand gegen die Wand gestützt. Sie hatte ihre Augen geschlossen- soweit er das beurteilen konnte- und atmete tief ein und aus. Ihr Körper zitterte und ihre Schultern bebten.
„ Hey, hey!“ John eilte zu ihr herüber und legte ihr stützend einen Arm um ihre zitternde Taille. „ Alles okay?“
„J…ja“, antwortete Teyla mit erstickter Stimme und brachte ein schwaches Nicken zustande. Ihre Knie schlotterten und ihre Zähne klapperten aufeinander. „ M…mir ist nur s…schwindelig. K…kopfschmerzen…“
„ Soll ich Carson holen?“, fragte er besorgt und verstärkte seinen Griff ein bisschen, als er merkte, wie ihre Knie unter ihr nachzugeben drohten.
„ N…nein, es g…geht schon.“

Das waren ihre letzten Worte, ehe ihre Augen in ihrem Hinterkopf verschwanden und sie in seinen Armen kollabierte, zusammensackte und zu Boden ging.
Reflexartig schlang John seine Arme um sie, versuchte ihren Fall zu mindern, doch ihr Gewicht riss ihn mit zu Boden.
„ Carson!“, bellte er los und legte Teylas Kopf stützend auf seinen Schoß. „ Carson!“

++++++++++++


Als sie erwachte, war das Erste, was sie verspürte, ein durchdringender Kopfschmerz und eine von ihrem Magen ausgehende Übelkeit. Ihre Organe fühlten sich an, als ob sie orientierungslos durch ihren Körper irrten und in ihrem Kopf drehte sich alles.
Leise ächzend öffnete sie flatternd ihre Augen, schloss sie aber sogleich wieder, als ihr ein helles Licht entgegenstrahlte und sie blendete.
Der Kopfschmerz meldete sich mit einem kurzen Schwindelgefühl und für einen Moment hatte sie das Gefühl wieder zurück in die Ohnmacht zu fallen, aus der sie erwacht war.

„ Alles ist in Ordnung“, hörte sie eine raue Stimme wie von weit her an ihr Ohr dringen und verspürte etwas Kaltes, das sich auf ihre erhitzte Stirn legte und ihr angenehme Milderung verschaffte.
Widerwillig startete sie einen erneuten Versuch ihre Augen zu öffnen und diesmal klappte es. Erst war alles verschwommen, doch dann entdeckte sie eine Gestalt, die sich über sie gebeugt hatte und sie freundlich anlächelte.
Es war ein Mann, etwa mittleren Alters. Er hatte schütter werdendes, schon leicht ergrautes Haar und ein wettervergerbtes Gesicht mit vielen Falten. Zwei freundliche braune Augen blitzten sie durch die Falten hindurch an und ein Lächeln zog sich über sein Gesicht.
„ Ich kann Euch nur gratulieren, Commander.“ Sie sah, wie sich eine Lippen bewegten, doch sie konnte seine Stimme nicht zuordnen. Sie kannte sie nicht.

In den nächsten zehn Sekunden realisierte sie vier Sachen. Erstens, dass sie auf etwas Weichem lag, wahrscheinlich ein Bett. Zweitens, wie sich eine plötzliche Kälte von ihrem Unterleib her ausbreitete. Drittens, dass sich ein regelmäßiges Bummern dem Takt ihres Herzens anpasste und viertens, dass sich etwas Warmes ihre Hand umschloss.
Sie wandte ihren Kopf zur Seite und blickte in ein strahlendes Gesicht und in zwei vor Freude übersprudelnde haselnussfarbene Augen. Als er bemerkte, dass sie ihn ansah, wurde sein Lächeln noch breiter und er beugte sich zu ihr, hauchte ihr einen Kuss über die Stirn.

Verwirrt sah sie ihn an, bemerkte überrascht, dass er sich von ihrem Verhalten nicht aus der Ruhe bringen ließ. Sein Blick war auf etwas rechts von ihr gerichtet und schienen sich nicht davon lösen zu wollen.
„ Sieh nur“, rief er entzückt und streckte seinen Finger aus. Sie folgte seiner Geste, wandte ihren Kopf nach rechts… und erstarrte.

Der kleine Monitor flimmerte; inmitten der Projektion sah sie ein kleines kräftiges Herzchen schlagen. Es war sehr verschwommen, aber dennoch konnte man die ruckartigen Bewegungen des kleinen Wesens erkennen.


TBC
Zeichen by Ailya
I'll be there for you.
Like I've been there before.


„ Verdammt, Carson, Sie sehen doch selber, dass was mit ihr nicht stimmen kann!“, donnerte Johns Stimme auf den schottischen Mediziner nieder. „ Sie ist überhaupt nicht in Ordnung!“
„ Rein körperlich gesehen fehlt ihr nichts.“ Carson Becketts Stimme klang ruhig und sachlich. „ Alle ihre Körperfunktionen sind stabil und ihre Werte sind normal.“
John schnaubte aufgebracht. „ Sagen Sie, wollen Sie mich für dumm verkaufen?“
„ Das würde ich nie wagen, Colonel“, antwortete Carson ruhig. „ Und das wissen Sie genauso gut wie ich.“
„ Und warum sagen Sie mir dann nicht, was ihr fehlt?“ Ein leichtes Zittern legte sich in Johns Stimme.
„ Colonel…“ Es folgte ein Moment der Stille und Carson atmete tief ein und aus. „ Ich wünschte, ich könnte Ihnen irgendetwas liefern, aber ich kann es nicht. Ihr fehlt nichts.“
„ Aber Sie irren sich“, schallte John so aufgebracht, dass sich seine Stimme dabei fast überschlug.

Elizabeth fand, dass sie nun lang genug gelauscht hatte, und trat hinter der Säule hervor, hinter der sie sich in den letzen Minuten versteckt und dem recht hitzigen Gespräch der beiden Männer gefolgt war.
„ Elizabeth…“ Es klang schon fast ein bisschen erleichtert, als Carson sie entdeckte und als sich sein Mund zu einem Lächeln verzog. Er machte einen Schritt auf sie zu, hielt dann aber in seiner Bewegung inne. „ Ich habe Sie nicht so schnell erwartet.“
„ Was ist passiert, Carson?“, fragte sie mit einem Seitenblick zu John, der neben dem Schotten stand und diesen wütend anblitzte. Er hatte die Arme vor dem Oberkörper verschränkt und die Lippen verärgert aufeinander gekniffen. Seine Schultern bebten, doch es war schwer festzustellen, ob sie es taten, weil die Wut durch seinen Körper zuckte oder weil sein Atmen beschleunigt war.
Als er ihren Blick erwiderte und zu ihr aufsah, hob Elizabeth nur ihre Augenbraue in seine Richtung, was er mit einem kurzen Nicken quittierte.

„ Es geht um Teyla…“, meinte Carson und zog sie an der Schulter hinter sich her, bis in einen etwas abgeschirmten Bereich der Krankenstation. Es war ein kleiner separater Raum, in dem zwischen zwei Säulen eine Krankenliege aufgestellt war.
Das Licht war gedämmt und verlieh dem Raum eine fast schon etwas unheimliche Atmosphäre. Bizarre Schattenmuster vollführten auf dem Boden einen unförmigen, taktlosen Tanz, so wie sie es schon gewöhnt war. Doch es dauerte, bis Elizabeth erkannte, dass es sich nicht um die Schatten der ovalförmigen Wandleuchten handelte…

Aus irgendeinem Grund hatte sie etwas anderes erwartet, als das, was sie vor sich sah. Inmitten der flackernden Kerzen saß Teyla in Meditationshaltung auf dem Krankenbett und hatte ihre braunen Augen starr geradeaus, in die Ferne gerichtet. Sie schien nicht einmal zu realisieren, dass sie nicht mehr allein im Raum war.

Schreckliche Erinnerungen tauchten in Elizabeths Gedächtnis auf und ihre Nerven drohten dem Schwall an finsteren Bildern, die vor ihren geistigen Augen aufblitzten, nachzugeben.
Plötzlich sah sie, wie sich Teylas Körper aufbäumte und wie die Athosianerin versuchte, sich aus Johns und Carsons Griff zu winden. Elizabeth zuckte zusammen, als sie glaubte den spitzen und erschütternden Schrei zu hören, doch als sie entsetzt nach Luft schnappte und sie Carsons Hand auf ihrer Schulter spürte, merkte sie, dass es sich dabei nur um Erinnerungen handelte. Um schlimme Erinnerungen, die sie eigentlich vergessen wollte…

„ Es fing vor einer viertel Stunde an“, erklärte Carson und trat an das Bett von Teyla. Die Athosianerin saß einfach nur da und hatte ihre Augen geradeaus gerichtet, so wie sie es an diesem Tag schon einmal getan hatte. Sie reagierte nicht, als Carson ihr das Kissen, das hinter ihren Rücken geschoben worden war, zurecht rückte. Sie saß einfach nur da und starrte.
„ Ich vermute mal, dass sie uns nicht hören kann, oder?“, fragte Elizabeth zögerlich, nachdem sie ihre Gedanken wenigstens einigermaßen geordnet hatte.
Carson seufzte und schüttelte dann mit dem Kopf. „ Es ist wie beim ersten Mal; körperlich ist sie bei uns, aber geistig…“ Er seufzte wieder. „ Sie reagiert auf rein gar nichts, weder auf Gesprochenes noch auf Berührungen.“
Elizabeth löste ihren Blick von Teyla. „ Wird sie…“ Sie konnte den Satz einfach nicht beenden. Es war zu schwer, ihre Gedanken in Sätze zu fassen, von denen sie geglaubt hatte, sie nie wieder sagen zu müssen.
„ Ich weiß es nicht“, gestand Carson kleinlaut und mit einem weiteren tiefen Seufzer, dem ein abschätziges und zugleich aufgebrachtes Schnauben von John folgte.

Elizabeth drehte sich um und sah den Soldaten im Türrahmen lehnen; grimmig starrte er zu ihnen herüber. Sie hatte beinahe das Gefühl, dass seine Miene noch finsterer geworden war.
Ich verstehe Sie, dachte Elizabeth, doch anstatt es ihm zu sagen, realisierte sie Carson mit einem kurzen Nicken, dass er sie und den Colonel für einen Moment allein lassen sollte. Carson verstand diesen Wink und ging ohne weiteren Protest.

„ Er kann die Situation auch nicht ändern, John“, meinte Elizabeth, als sich die Tür hinter dem Arzt geschlossen hatte und sie mit dem dunkelhaarigen Militär allein war. „ Wenn er es könnte, dann würde er es auch tun. Glauben Sie mir!“
Johns Lippen trieben auseinander und seine Zähne blitzten hervor. Er löste seine Arme, verbarg sie aber gleich wieder in seinen Hosentaschen und setzte sich langsam in Bewegung, auf sie zu.
„ Wenn Sie wüssten, was ich in den letzten Stunden durchmachen musste“, sagte er, während er auf sie zu schlenderte, „ dann könnten Sie meine Sorgen verstehen.“
„ Wir alle machen uns Sorgen um Teyla“, erwiderte Elizabeth ruhig. Sie wusste, dass sein Verhalten kein Anlass für sie war, forsch zu werden. „ Und ich verstehe, wenn Sie meinen, dass es für Sie besonders schwer gewesen war, aber…“
„ Aber, was?“ John schüttelte mit dem Kopf. „ Was, Elizabeth? Sagen Sie’s mir!“
„ Ich meine nur, dass Sie sich nicht besonders herausheben sollten“, antwortete sie. „ Sie wissen genauso gut wie ich, dass Sie nicht der Einzige sind, der sich um sie Sorgen macht. Und Sie wissen, dass jeder hier alles unternehmen wird, um…“
„ Haben Sie schon einmal jemanden verloren?“

Johns Frage brachte sie aus dem Takt. Sie vergaß, was sie hatte sagen wollen und wie das Ende ihres angeschnittenen Satzes lautete, und sah ihn verwirrt an. „ Wie bitte?“
„ Haben Sie schon mal jemanden verloren, der Ihnen wichtig war?“, fragte John sie noch einmal. „ Haben Sie?“
„ Ich…“, setzte Elizabeth an, verstummte dann wieder. Natürlich hatte sie schon einmal jemanden verloren. Während dieser Expedition hatten viele Personen ihr Leben lassen müssen und…
„ Jemand, der Ihnen am Herzen lag“, unterbrach John ihren Gedankengang und sorgte dafür, dass sie innerlich zusammenzuckte. Ihr waren die Mitglieder der Expedition wichtig und alle lagen ihr am Herzen, doch sie wusste, dass der Soldat nicht diese Art von Personen oder Beziehungen meinte.

Langsam fing sie an zu nicken und erwiderte ihm schließlich ein schwaches und nicht sehr überzeugt klingendes „Ja, das habe ich“. Sie hatte in ihrem Leben wirklich die eine oder andere Person verloren, die ihr extrem wichtig war und die sie ins Herz geschlossen hatte. Ihr Vater hatte ihr seine wertvolle Taschenuhr geschenkt und hatte sie und ihre Mutter nur wenige Monate später verlassen. Da war sie gerade einmal dreizehn Jahre alt gewesen! Ihre Mutter war an Brustkrebs gestorben, als sie ihr Studium beendet hatte. Und Simon… ihr Ex-Verlobter hatte sie für eine andere Frau verlassen.
Doch, man konnte sagen, dass sie in ihrem Leben schon viele wichtige Personen verloren hatte.

„ Ich weiß, dass Sie mich vielleicht nicht verstehen können“, meinte John und sah sie durchdringend an. „ Es ist schwer jemanden zu verlieren, ich weiß das aus Erfahrung. Aber ich erinnere mich daran, als Kind mal gesagt zu haben, dass ich nie zulassen werde, dass jemand stirbt, den ich liebe.“ Er stand auf der einen Seite des Bettes, sie stand auf der anderen Seite. Sie konnten einander in die Augen blicken und Elizabeth glaubte, einen feuchten Schimmer zu erkennen, der sich über seine Augen legte.
„ John, Sie müssen nicht…“ Sie schüttelte mit dem Kopf und sah ihn flehend an.
„ Sie glauben ja gar nicht, wie viele Verluste ich schon hinnehmen musste und wie oft ich irgendwelche Zeremonien besuchen musste.“ John kniff die Lippen aufeinander. „ Ich will das nicht und ich kann das nicht. Nicht mehr.“ Er seufzte tief, ehe er still hinzufügte: „ Ich liebe diese Frau, Elizabeth.“

Die Expeditionsleiterin gab einem spontanen Reflex nach, beugte sich über das Krankenbett hinweg und tätschelte die Hand des Soldaten. Als er sie ansah, schenkte sie ihm ein mildes Lächeln.
„ Ich weiß“, sagte sie leise.
„ Verstehen Sie mich jetzt?“, wollte John von ihr wissen und seine haselnussfarbenen Augen wirkten auf einmal so Mitleid erregend, dass sie nur nickte.
„ Ja, ich verstehe Sie.“
„ I…ich kann sie einfach nicht verlieren. Ich kann nicht noch jemanden verlieren.“

Elizabeth traf seinen bittenden Blick und auf einmal sah sie nicht den harten Soldaten vor sich, der wenn es sein müsste, sein Leben für andere geben würde. Nein, sie sah einen geradezu verzweifelten jungen Mann vor sich, der panische Angst davor hatte, die Frau, die er liebte, zu verlieren!
Sie musste schlucken, als ihr bewusst wurde, dass sie soeben eine ihr völlig neue Seite des John Sheppard entdeckt hatte. Er war nicht nur ein Kämpfer und Soldat- nein, er war viel mehr…
Sie tätschelte ihm noch einmal über den Handrücken. „ Ihr wird nichts passieren, John. Da bin ich mir sicher.“
Er schmunzelte schwach. „ Wie können Sie sich da so sicher sein?“
„ Ich weiß es einfach“, erwiderte sie ihm. „ Sie hat hier jemanden, für den es sich zu kämpfen lohnt und ich bin mir sicher, dass sie diesen jemanden nicht im Stich lassen wird. Glauben Sie das auch?“

Elizabeth bemerkte Johns Zögern. Tief in seinem Inneren wusste er, wie er zu antworten hatte, doch aus irgendeinem Grund wollten die Worte nicht über seine Lippen kommen.
Mit nachdenklicher Miene stand er ihr gegenüber, hatte seine Finger mit denen von Teyla verschränkt und strich mit seinem Daumen über den Handrücken der Athosianerin.
Er biss sich auf die Oberlippe, seufzte einmal schwer, bevor er sie ansah und meinte: „ Ja, das glaube ich auch.“
Die Expeditionsleiterin schenkte ihm ein erleichtertes Lächeln, in welches er nach wenigen Augenblicken einstimmte.

„ Rodney hat etwas entdeckt, was uns und Teyla vielleicht weiterhelfen könnte“, meinte sie schließlich und hoffte damit ein bisschen Hoffnung in dem Soldaten zu wecken.
John sah sie stirnrunzelnd an. „ In dem Labor?“
„ Es ist nicht direkt ein Labor“, erwiderte Elizabeth. „ Er und Dr. Jackson haben eine Stasiskapsel gefunden.“
Die Augenbrauen ihres Gegenübers hoben sich und sein Blick wanderte erst von ihr, dann zu Teyla und dann wieder zu ihr. „ Sie meinen, mit einem Antiker drin?“
„ Antikerin“, verbesserte sie ihn. „ Ihr Name ist Helia und sie war der erste Offizier dieses Schiffes.“
„ Und Sie glauben…“- John blickte wieder zu Teyla- „… dass das Ganze was mit ihr zu tun hat?“

Die Antwort lag Elizabeth schon auf der Zunge, doch ein lautes Aufstöhnen riss sie aus ihren Gedanken zurück auf die Krankenstation und sie registrierte im Augenwinkel eine langsame Bewegung.
„ Teyla?“ Johns Stimme klang leicht nervös und seine Finger umklammerten die Handgelenke seiner Freundin fest.

Die Athosianerin hatte ihren Kopf in seine Richtung gedreht, doch sie sah ihn nicht an, sondern schien vielmehr durch ihn hindurchzublicken. Ihre Lippen zuckten nervös hin und her, als ob sie leise redete, doch kein Ton war von ihr zu hören.
„ Teyla?“ Elizabeth berührte ihre Freundin vorsichtig am Arm und erschrak, als die junge Frau ihren Blick von John löste und sie ansah.
„ Wer sind Sie?“, fragte die Athosianerin mit hohler Stimme und ausdrucksloser Miene, sah sie irritiert an.
Elizabeth schüttelte mit dem Kopf. „ Wie bitte? Teyla? Sollen wir Carson holen?“ Während sie auf die Antwort wartete, nickte sie unmerklich in Johns Richtung, doch dieser rührte sich nicht von der Stelle; er hatte Teyla fixiert und einen Arm um ihre Taille geschlungen.

Die Athosianerin machte einen verwirrten Eindruck und als sie sich stirnrunzelnd umsah und ihren Blick durch den Raum schweifen ließ, dabei jedes Detail aufzunehmen versuchte, wurde Elizabeth auf einen Schlag so einiges klar.
Die Chancen standen zwar gering und man würde sie für verrückt halten- vielleicht war sie das ja auch-, aber auf einmal fügten sich die einzelnen Puzzleteile zusammen und es entstand ein wunderschönes und klares Bild.
„ Helia?“, fragte sie vorsichtig und sie hörte, wie sehr ihre Stimme zitterte und sich beinahe überschlug.
Teyla reagierte binnen Bruchteilen einer Sekunde und ihre braunen Augen begannen zu funkeln. „ Hoc sum.“
„ Was hat sie gesagt?“, fragte John und sah sie verwirrt an.
Elizabeth schüttelte mit dem Kopf. „ Das kann nicht sein… das… Sie sagte „Das bin ich“.“

+++++++++++


Die lauten Schreie gellten in ihren Ohren und er beißende Geruch von Rauch brannte in ihren Augen.
Lodernde Flammen schlugen ihr entgegen, als sie sich durch den verqualmten Korridor kämpfte, versucht nicht über am Boden liegende Trümmerteile oder Leichen zu stolpern.
Immer wieder wurde der Korridor erschüttert, immer wieder krachte es bedrohlich und sie blieb stehen, wandte ihren Blick gen Decke und wartete darauf, dass diese über ihr zusammenbrach. Doch dazu kam es nicht… Nur einzelne Trümmer- und Schutteile regneten herab, doch denen konnte sie immer noch rechtzeitig ausweichen.

Sie setzte sich wieder in Bewegung, zog das Tempo diesmal aber etwas an. Schweiß stand ihr auf der Stirn und der Geruch von verbranntem Fleisch ließ ihr übel werden. Der stechende Rauch trieb ihr die Tränen in die Augen und der dichte Qualm beschwerte das Atmen.

„ Helia!“, hörte sie eine entsetzt klingende Stimme rufen und sah ihn auf sich zueilen, als sie sich umwandte. „ Komm weg hier!“ Er stolperte über die Trümmer und über seine toten Kameraden hinweg und packte nach ihrem Arm, zog sie an seine Brust.
„ Was ist passiert?“, fragte sie ihn mit vor Angst zitternder Stimme und drückte sich gegen ihn.
„ Sie haben ein Geschwader losgeschickt“, antwortete er. „ Ich werde dich in die Stadt zurückbringen.“
„ Nein!“ Sie schüttelte mit dem Kopf. „ Mein Platz ist hier, bei dir und bei dem Schiff, bei der Mannschaft.“
„ Ich werde dich zurückbringen“, wiederholte er mit festem Ton und legte seine Hand beschützend auf ihren Bauch. „ Ich will nicht, dass euch was passiert.“
„ Du kannst mich nicht wegschicken“, konterte sie und legte ihre Hand auf die seine. „ Das kannst du nicht.“
„ Ich muss es tun.“ Er küsste sie zärtlich auf die Stirn. „ Janus wird dich zurück in die Stadt bringen. Dich und noch ein paar andere.“ Liebevoll ließ er seine Hand ein letztes Mal über ihren Bauch gleiten, lächelte sie an, ehe er sich umdrehte und loslief- auf die Brücke, um sein Schiff zu verteidigen.

„ Eolion!“, rief sie, doch er hörte sie nicht mehr. Auf einmal merkte sie, die Angst in sich aufsteigen. Sie hatte Angst um ihn und um dieses Schiff. Sie hatte Angst beides zu verlieren. Sie hatte Angst, dass ihr Kind seinen Vater nicht kennenlernen würde.
Ihren Blick in die Richtung gerichtet, wo er verschwunden war, streichelte sie über ihren Bauch und versuchte ihr Kind, das sie unter ihrem Herzen trug, zu beruhigen.
„ Alles wird gut“, wisperte sie leise, doch als ein weiteres Donnern das Schiff erschütterte und ein neuer Funkenflug vor ihr aus der Wand brach, fragte sie sich, ob das nicht eben eine Lüge gewesen war.


TBC
Helia by Ailya
Die Summe unseres Lebens sind die Stunden, in denen wir liebten.


Helia. Eine Welle der Erleichterung fuhr durch ihren Körper und ein scheinbar nicht enden wollendes Glückgefühl überkam sie, als die sanfte Stimme ihren Namen zu ihrem Ohr trug. Es war schon so lange her, seit sie ihn das letzte Mal gehört hatte. Sie konnte sich noch nicht einmal daran erinnern.
Der Klang der Stimme verebbte langsam, doch erst jetzt gewann er so richtig an Bedeutung. Die Stimme war sanft, doch zugleich auch ein bisschen ängstlich, verwirrt und fragend. Scheinbar war sie sich ihrer Sache nicht sicher.

Trotz alledem war es eine wunderschöne, melodische Stimme, die nur zu einer Frau gehören konnte. Sie war der Stimme schon fast ein bisschen dankbar, denn schließlich hatte sie sie aus diesem tiefen finsteren Loch befreit, von dem sie schon gedacht hatte, nie wieder hinaus zu kommen und bis in alle Ewigkeiten darin gefangen zu sein. Doch die Stimme hatte sie gerettet!

Innerlich war sie am jubeln und wollte der Person, zu der diese Stimme gehörte, ins Gesicht sehen, doch gleichzeitig regte sich etwas in ihr und sie hatte auf einmal das Gefühl, einen schlimmen Fehler zu begehen. Nicht selten hatte sie so ein Gefühl gehabt und fast immer war dann auch etwas furchtbar schief gelaufen. Es war dieses Gefühl, was sie vor Gefahr warnte und bisher hatte sie ihm immer vertraut!

Helia. Aber so sehr sie auch versuchte, auf ihr Gefühl zu hören… die Erleichterung und die Neugier brachten ihr Blut zum kochen. Der rote Lebenssaft raste durch ihren Körper und brachte diesen fast zum Explodieren. So sehr sie es auch versuchte, sie konnte dem Drang nicht länger widerstehen und erlag ihm schließlich.

Ein Licht am Ende des Tunnels erschien und allmählich kehrte Leben in ihren Körper zurück. Sie spürte, wie ihre Muskeln zu zucken begannen und heiß wurden, als sie ihren Kopf langsam in die Richtung drehte, aus der sie die klangvolle Stimme vernahm. Vor ihren Augen war noch alles ein bisschen unscharf, doch schon bald erkannte sie satte Farben und erste Umrisse. Sie erkannte Bewegungen, dann gedämpftes Licht und dann die flackernde Kerzenflamme. Es mussten an die zwanzig Stück sein. Sie sah zwanzig Lichter, zwanzig Flammen. Ja, es waren Kerzen.

Gefesselt von dem nervösen Spiel der Kerzenflammen vergaß sie, warum sie eigentlich aus ihrer Starre erwacht war und erst, als wieder diese Stimme an ihr Ohr drang und etwas leicht an ihrer Schulter ruckelte, erinnerte sie sich wieder an den Grund ihres Bestrebens.
Sie drehte ihren Kopf in die Richtung, aus der die Stimme klang, und schloss die Augen als ihr ein wohliger Duft entgegenschlug, der in ihrer Nase zu kitzeln begann. Es roch nach frischen Blüten und reiner Luft und wenn sie sich konzentrierte, glaubte sie auf einer Wiese zu stehen, umgeben von einem bunten Blumenmeer.
Die klare Stimme, der angenehme Duft… ja, sie war jetzt noch neugieriger als vorher und in ihr flammte das Verlangen auf, die geheimnisvolle Person kennenzulernen. Dennoch etwas zögerlich schlug sie ihre Lider auf und betrachtete die Frau, die vor ihren Augen auftauchte…

Sie kannte sie nicht, sie war fremd. So sehr sie sich auch zu erinnern versuchte… nein, das Gesicht der Frau war ihr fremd.
Die Frau stand wenige Meter von ihr entfernt und sah sie ungläubig, mit dem Kopf schüttelnd an. Sie hatte etwa schulterlange, leicht gelockte Haare, die in dem schummerigen Kerzenlicht dunkelbraun schimmerten. Ihre grünen Augen strahlten Wärme und Freundlichkeit aus, auch wenn sie im Augenblick verwirrt und verwundert wirkten.
Auch die Art, wie sie sich kleidete, war ihr fremd. Ihr schlanker Oberkörper steckte in etwas, was einer Uniform sehr ähnlich sah. Unter dem Jackett blitzte am Kragen roter Stoff hervor. An den Ärmeln waren seltsame Abbildungen angebracht, die sie nicht zu deuten wusste, trotzdem sie es versuchte.

Die Frau schien neugierig auf sie zu sein, aber dennoch wahrte sie eine gewisse Distanz. Scheinbar wusste sie nicht, was sie tun sollte und es dauerte, bis ein schüchternes, aber bezauberndes Lächeln über ihre Lippen zuckte und sich ihre Miene aufhellte.
„ Können Sie mich verstehen, Helia?“, fragte sie, während sie sich mit den Händen abstützte, und sogleich überkam sie wieder dieses befreiende Gefühl und sie empfand nichts als Dankbarkeit in ihrem Herzen. Wer auch immer diese Frau war, sie hatte sie aus dem finsteren tiefen Loch befreit. Sie nickte.
Ein weiteres Lächeln huschte über die Lippen der dunkelhaarigen Frau und die Unsicherheit verschwand aus ihren Augen. Ihr Blick wurde warm und freundlich.
„ Mein Name ist Dr. Elizabeth Weir“, stellte sie sich vor. „ Wissen Sie, wo Sie sich befinden, Helia?“

Sie sah an der Frau, die sich als Elizabeth Weir vorgestellt hatte, vorbei und ließ ihren Blick durch den doch recht kleinen Raum schweifen. Neben ihrem Bett standen zwei Säulen, die von oben bis unten mit Schriftzeichen übersäet waren. Ebenso die Wände und die Tür, sodass es ihr nicht schwer fiel zu erkennen, wo sie sich befand.
Ein warmes Gefühl jagte durch ihren Körper und sie spürte, wie feuchte Tränen in ihre Augen stiegen. Sie kannte diesen Raum! Sie verband viele Erinnerungen mit diesem Raum- schöne, atemberaubende. Diese Erinnerungen und Bilder hatten sich in ihren Kopf gebrannt und sie glaubte den Schrei ihres neugeborenen Sohnes zu hören, der an den Wänden widerhallte. Sie glaubte die Glückwünsche von Janus zu hören. Ach, Janus. Was wohl mit ihm geschehen war? Sie fragte sich, ob er es wohl zurück in die Stadt geschafft hatte.

„ Helia?“ Elizabeth Weirs Stimme riss sie aus ihren Erinnerungen und realisierte ihr, dass es sich nicht lohnte in vergangenen Zeiten zu schwelgen. „ Wissen Sie, wo Sie sich…“
„ Das ist mein Schiff“, fiel sie ihr ins Wort. Es überraschte sie nicht, als Elizabeth Weir auf ihre Antwort nur mit einem weiteren Lächeln reagierte.
„ An was erinnern Sie sich?“, fragte sie weiter. Die anfängliche Scheu und Vorsicht waren verflogen und nun blitzte Erwartung in ihren grünen Augen auf.

Helia wollte antworten, wollte ihr sagen, was für Erinnerungen in ihrem Kopf waren. Sie wollte ihr alles sagen, denn sie mochte Elizabeth Weir, obwohl sie sie eigentlich noch nicht einmal kannte und obwohl sie ihr trotz alledem ein bisschen merkwürdig vorkam. Ihre Art sich zu kleiden war ihr fremd und auch ihre Art zu sprechen. Aber dennoch besaß diese Frau eine beruhigende Art und ihre Stimme lenkte von allen Unzulässigkeiten ab.
Ja, sie wollte ihr alle erzählen. Der erste Satz lag ihr sogar schon auf der Zunge. Sie wollte ihr von ihrem Schiff erzählen und von allem, was sie hier erlebt hatte, doch bevor sie ihre wirren Gedanken ordnen konnte, brachte ein ihr bekanntes Gesicht alles zum Wanken. Mit einem Mal drohte sie wieder zurück in das tiefe Loch zu fallen. Mit einem Mal war ihr Kopf wie leer gefegt, denn sie sah ihn.
„ Eolion“, wisperte sie so leise, dass sie bezweifelte, dass es außer ihr noch jemand gehört hatte.

Er stand etwas weiter von ihr entfernt, wie Elizabeth Weir, und hatte die Arme vor seinem Oberkörper verschränkt. Obwohl er anders aussah, als in ihren Erinnerungen, fühlte sie sich gleich mit ihm verbunden und zeigte ihm das durch ein Lächeln, welches er nach scheinbar nicht enden wollenden Sekunden erwiderte. Sein Lächeln verwirrte sie. Es war anders. Nicht mehr so ausgelassen, wie sie es in Erinnerung hatte. Irgendetwas fehlte. War es die Leidenschaft oder das Blitzen seiner Augen? Oder waren es die kleinen Grübchen, die sich immer dann bildeten, wenn er sie anlächelte? Sie konnte es nicht so genau sagen, aber da war etwas, das anders war und sie verunsicherte…

Sie legte leicht den Kopf schief und betrachtete ihn so, wie sie vorhin Elizabeth Weir betrachtet hatte. Bis auf feinste Unterschiede, sah er noch genauso aus, wie die Bilder in ihrem Kopf: groß gewachsen, breite Schultern, schmale Taille, muskulöser Brustkorb, schwarze Haare, die den Eindruck erweckten, dass er eben erst aufgestanden sei und vergessen hatte, in den Spiegel zu sehen, und seine für ihn charakteristischen haselnussfarbenen Augen.
Auch er trug eine Uniform, die ihr fremd war. Im Gegensatz zu der von Elizabeth Weir war sie schwarz, wies aber dieselben Abbildungen an den Ärmel auf, wie die der brünetten Frau.

„ Eolion?“ Wieder Elizabeth Weirs Stimme. Helia sah aus dem Augenwinkel heraus, wie sie ihre Hand hob und mit ihrem Finger auf ihren Begleiter deutete. „ Erinnern Sie sich an ihn?“
Helia wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte, deshalb nickte sie nur und versuchte zu verhindern, dass Tränen aus ihren Augen strömten. Doch sein Anblick machte ihr dies unmöglich! Sie konnte es einfach nicht verhindern. Nein.

Ihre Kraft war noch nicht zurückgekehrt und ihre Glieder fühlten sich noch ziemlich schwach an, aber trotzdem hielt sie nichts mehr in diesem Bett. Wie im Trance rappelte sie sich auf, kletterte ungeschickt von dem Bett hinunter, hielt sich fest, als ihr schwindelig wurde und ihre Beine unter ihr nachzugeben drohten.
Sie wusste nicht, ob die Richtung stimmte, in die sie taumelte, denn die heißen Tränen brannten in ihren Augen und verwischten ihre Sicht. Ihr eigenes Schluchzen irritierte sie so sehr und das Brennen in ihrem Körper lenkte sie ab. Rasend schnell schoss das Blut durch ihren Körper. Ihre Muskeln zuckten, arbeiteten auf Hochtouren um dem Druck stand zu halten, doch sie schafften es nicht.
Helia wankte noch ein paar Schritte, eh ihre Kraft sie endgültig verließ und ihr Schluchzen in ein geschwächtes Stöhnen überging. Sie schloss ihre Augen und versuchte sich irgendwo anders hin zu versetzen, um dem Schmerz des Aufpralls zu entgehen… doch dieser kam nicht.

Sie spürte, wie zwei starke Arme nach ihr griffen und sie vor dem Sturz bewahrten.
„ Keine Sorge, hab dich“, hörte sie ihn sagen und öffnete ihre Augen wieder, blickte ihm ins Gesicht. Von Nahem bemerkte sie noch mehr kleine Unterschiede, die ihr vorher nicht aufgefallen waren. Sie streckte ihre Finger aus und strich ihm vorsichtig über seine Wange. Der Bart fehlte. Feine, kaum noch sichtbare Narben zogen sich über seine Wangen.
Er lächelte, während sie ihn eingehend betrachtete, und da waren sie wieder- die kleinen Grübchen, die sein leicht schiefes Lächeln erst ausmachten!

„ Eolion“, wisperte sie wieder, wünschte sie aber im nächsten Augenblick, es nicht getan zu haben, denn sein Lächeln erstarb und er starrte sie verwirrt und ernst zugleich an.

+++++++++


Elizabeth atmete auf, als ihr Herz wieder zu schlagen begann und nach nur wenigen Sekunden den verlorenen Rhythmus wiederfand. Sie zog ihre Arme, mit denen sie versucht hatte sie festzuhalten und vor dem Sturz zu bewahren, wieder zurück an ihren Körper. Vor lauter Aufregung vergaß sie ganz zu atmen und sie wusste nicht, was sie tun sollte. Was in den letzten Sekunden passiert war, hatte sie völlig aus dem Takt gebracht und so musste sie ihre Gedanken erst einmal ordnen.

Fast schon ein bisschen hilflos hatte sie mitangesehen, wie sich Teyla auf die Beine gekämpft hatte, zu John getaumelt war und kurz bevor sie ihn erreicht hatte, zusammengebrochen war. Das war der Moment gewesen, wo sie mit einem erschrockenen Laut ihre Arme nach der Athosianerin ausgestreckt hatte, obwohl es sich genau genommen gar nicht um sie handelte. Der Gedanke, dass eine Antikerin das Handeln ihrer Freundin bestimmte, war fremd, wenn nicht sogar ein kleines bisschen beängstigend.

Elizabeth machte einen Schritt nach vorne und sah, wie sich Johns Arme um den zitternden Körper der Athosianerin schlangen. Sie sah, wie sich ihre Lippen leicht bewegten, sie redete. Johns Lächeln verschwand aus seinem Gesicht, kaum dass es überhaupt aufgetaucht war und er blickte sie ernst an.
„ Was hat sie gesagt?“, wollte Elizabeth von ihm wissen.
„ Sie sagte `Eolion`“, antwortete John und sein Gesichtsausdruck wandelte sich von Ernsthaftigkeit zu Verwunderung.
„ Eolion war laut der Datenbank mit Helia verheiratet“, erklärte sie ihm schnell, obwohl sie sich sicher war, dass sie ihn irgendwann schon einmal darauf hingewiesen hatte.
„ Und sie denkt…“ John verstummte mitten im Satz und blickte auf Teyla hinab, die sich an ihn klammerte und zitterte wie Espenlaub. Auch ihm schien es schwer zu fallen, zu begreifen, dass es nicht die Athosianerin war, die er ihm Arm hielt und gegen seine Brust drückte. Er schüttelte mit dem Kopf, als ob er es nicht wahrhaben wollte oder als ob er es nicht verstand. Doch John verstand sehr wohl, was vor sich ging. Elizabeth musste zugeben, dass sie in den letzten drei Jahren ihrer gemeinsamen Arbeit so Einiges über den Soldaten gelernt hatte- auch, dass er viel schlauer war, als er immer zugab.

Elizabeth antwortete ihm nicht, da sie ihm zutraute, dass er sich den Rest zusammenreimen konnte. Schweigend beobachtete sie, wie sich sein Gesichtsausdruck veränderte und wie er den Körper der Athosianerin, der auf einmal so fürchterlich zerbrechlich wirkte, noch fester an sich drückte und dann sein Gesicht in ihren Haaren verbarg.
Sie hörte Teyla leise schluchzen, doch es kling hohl und ausdruckslos, als ob es nicht von ihr stammte.
Natürlich stammt es nicht von ihr, verbesserte sich Elizabeth selbst und schüttelte mit dem Kopf. Noch immer konnte sie sich nicht erklären, wie die Athosianerin in diese Lage geraten war und vor allem, wie sie ihr und Helia helfen konnten. Rodney und Dr. Jackson arbeiteten daran, doch das war auch das Einzige, was sie taten. Die Arbeit erwies sich als schwierig. Beide- sowohl Daniel als auch Rodney- waren erschöpft und sie konnte es den beiden nicht verdenken.

Elizabeth seufzte schwerfällig und wünschte sich, als sie zu ihrem befehlshabenden Offizier und zu der Athosianerin herüber sah, nichts sehnlicher, als das sie alle wieder zu Hause wären, in Atlantis. Alles wäre besser, schöner.

John hatte sein Gesicht noch immer in den rostbraunen Haaren seiner Freundin verborgen, doch er hatte sein Schweigen gebrochen und redete leise mit ihr. Seine Aussprache klang heiser und abgehackt und Elizabeth fragte sich, was er wohl zu ihr sagte. Er sprach in einer ungewohnten Stimmlage und es kostete die Expeditionsleiterin einige Sekunden, bis sie verstand, dass es die Antikersprache war, die trocken und mit starkem amerikanischen Akzent über seine Lippen perlte. Verwundert beobachtete sie John. Sie hatte nicht gewusst, dass er antikisch sprach, zumal er es ihr gegenüber nie erwähnt hatte! Genaugenommen hatte er es nie erwähnt!

Elizabeth zuckte zusammen, als Teyla einen Seufzer von sich gab und dann wieder mit dieser hohlen, ausdruckslosen Stimme zu reden begann: „ Ich erinnere mich nicht mehr an alles, doch die Erinnerungen, die mir geblieben sind, sind klar. Ich sehe Bilder, ich kann mich an Taten, Gesichter, Dialoge erinnern.“ Die Athosianerin blickte zu ihr auf und ihre rehbraunen Augen durchbohrten sie wie eine scharfe Klinge.
Ein eiskalter Schauer lief Elizabeth über den Rücken, als sie sich ins Gedächtnis rief, dass es nicht Teyla war, die da zu ihr sprach, und dass es sich nicht um ihre Erinnerungen handelte, sondern um Helias.

„ Ich erinnere mich an den Tag, an dem sie ihre Geschwader losschickten“, fuhr die Antikerin in Teylas Körper fort und ihre Miene wurde ebenso ausdruckslos wie ihre Stimme.
Elizabeth wollte sie nicht unterbrechen, tat es aber dann doch. „ Wen meinen Sie mit `sie`? Die Wraith?“
„ Ja“, kam die Antwort, ohne dass die Antikerin sie ansah. Sie faltete ihre Hände und legte sie auf ihren Schoß. „ Die Wraith. Widerwärtige Kreaturen. Es beschämt mich, zu wissen, dass wir für ihre Existenz verantwortlich sind. Die Wraith sind Bestien und ich will mich nicht daran erinnern, wie viele meiner Freunde ich an sie verloren habe.“
„ Sie befanden sich im Krieg gegen die Wraith“, meinte Elizabeth, um das Gespräch wieder ins Rollen zu bringen.
Helia sah sie an, doch die Expeditionsleiterin blickte in das Antlitz ihrer besten Freundin. „ Wir haben dutzende Schlachten gegen die Wraith geführt. Manche konnten wir für uns entscheiden. An anderen Tagen gehörte der Sieg den Wraith. Gegen Ende mehrten sich diese Tage und damit auch ihre Siege. Ich erinnere mich an den Tag, als sie Atlantis und mein Schiff angriffen. Ich erinnere mich daran, als sei es gestern gewesen.“…

Die lauten Schreie gellten in meinen Ohren und der beißende Rauch brannte in meinen Augen. Lodernde Flammen schlugen mir entgegen, während ihr durch den verqualmten Korridor stolperte und versuchte nicht über die von der Decke hinabgestürzten Trümmer- und Schuttteile zu stolpern. Teilweise bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Leichen säumten meinen Weg und der Geruch von verbranntem Fleisch ließ mir schlecht werden.

Immer wieder wurde der Korridor erschüttert. Die Wände zitterten und der Boden bebte unter meinen Füßen, als die nächste Salve auf die Schilde des Schiffes niederregnete und versuchte sie zu durchbrechen.
Ich blieb stehen, starrte verängstigt gen Decke und wartete nur darauf, dass sie über mir zusammenbrach und mich unter sich begrub. Doch es geschah nichts, die Schilde hielten und außer einem lauten Krachen passierte nichts. Nur einzelne Schutteile donnerten herab, doch ich konnte ihnen rechtzeitig ausweichen.

Ich setzte mich wieder in Bewegung, zog das Tempo diesmal etwas an. Schweiß stand mir auf der Stirn und der Rauch trieb mir brennende Tränen in die Augen. Der dichte Qualm machte es mir schwer zu atmen. Ich dachte ich müsse sterben!

Die Einschläge der Salven ließen mich nur erahnen, was sich außerhalb der schützenden Schiffswände abspielte. Draußen tobte ein erbitterter Kampf und ich wusste, dass schon viele meiner Freunde ihr Leben hatten lassen müssen und das nur, weil sie unsere Heimat beschützen wollten.
Das Aufeinandertreffen war nur eine Frage der Zeit gewesen. Schon als kleines Mädchen hatte ich von den Ältesten gelernt, dass die Wraith Diplomatie nicht so hoch setzten, wie unsereins das tat. Die Wraith waren Bestien, widerwärtigen Kreaturen, die nur auf die Lebensenergie ihrer hilflosen Opfer aus waren. Der Gedanke, dass meine Vorfahren für ihre Existenz verantwortlich waren, beschämte mich.

In den letzten Jahrhunderten hatte mein Volk immer wieder Krieg gegen die Wraith geführt, hatte Siege eingefahren, hatte aber auch Niederlagen einstecken müssen. Ich erinnere mich, dass es schon immer einen Konflikt zwischen meinem Volk und den Wraith gab, doch so eskaliert wie in den letzten Jahren war er noch nie.
Nach erbarmungslosen, kaltblütigen Streifzügen hatten es die Wraith geschafft, acht ihrer Basisschiffe in den näheren Umkreis von Lantea zu bringen, begleitet von mehreren Geschwadern Kreuzern, unzählbaren Jägern und einem Superhive. Es überraschte mich, dass bis jetzt nur drei ihrer Basisschiffe angegriffen hatten, während sich die anderen Schiffe zurückhielten und das Geschehen beobachteten.

Ich drückte mich mit dem Rücken gegen eine Wand, als ich einem Trümmerteil auswich, und musste schlucken, als ich eine blutige, zerschmetterte Hand darunter entdeckte. An dem Ringerfinger blitzte etwas auf, golden. In das edle Metall war der Name meines Schiffes eingraviert und ich wusste sofort, um wen es sich handelte. Ein lauter Schluchzer brach über meine Lippen, ich schlug mir die Hand vor den Mund und wollte auf die Knie gehen, doch ein weiterer Treffer meiner Feinde erinnerte mich an mein eigentliches Ziel: die Brücke.

Ich bedachte Kalios, meinen Versorgungsoffizier, noch mit einem kurzen Blick, ehe ich mich aufmachte, um zur Kommandobrücke zu gelangen. Ein kleiner Stups meines Kindes, das unter meinem Herzen heranwuchs, ließ mich lächeln und ich legte die Hände auf meinen Bauch, während ich mich weiter durch den brennenden, qualmenden Korridor kämpfte.

„ Helia!“ Eine entsetzt klingende Stimme ereilte mich und als ich mich umwandte, sah ich ihn auf mich zueilen. „ Komm weg hier!“ Er stolperte über die Trümmerteile und über seine gefallenen Kameraden hinweg. Als er mich erreicht hatte, ließ er einen erleichterten Seufzer erklingen, packte mich an meinem Arm und zog mich gegen seine Brust.
„ Was ist passiert?“, fragte ich ihn, drückte mich fest gegen ihn und ignorierte die blutige Wunde, die sich quer über sein Gesicht zog. Er war warm und sein Herzschlag beruhigte mich und unser Kind.
„ Sie haben ihre Geschwader losgeschickt“, antwortete er und ich wusste sofort, was das zu bedeuten hatte. Sie hatten die Jäger losgeschickt! Er löste sich aus meiner festen Umarmung und sah mich besorgt an. „ Ich werde dich in die Stadt zurückbringen.“
„ Nein!“ Ich schüttelte mit dem Kopf. „ Mein Platz ist hier, bei dir und bei dem Schiff, bei der Mannschaft.“
„ Ich werde dich zurückbringen lassen“, wiederholte er mit festem Ton und legte dann eine Hand auf meinen Bauch. „ Ich will nicht, dass euch beiden was passiert. Sie sind dabei, die Evakuierung einzuleiten. Du wirst in einer der ersten Gruppen sein.“
Ich schüttelte wieder mit dem Kopf und legte meine Hand auf die seine. Die lockere Haltung seiner Hand verriet mir, dass unser Kind gegen seine Handfläche trat. Wie sehr er solche Augenblicke doch genoss! Nur heute konnte er es nicht. „Du kannst mich nicht wegschicken.“ Ich sah ihm fest in seine haselnussfarbenen Augen, fragte mich im Geheimen, ob unser Kind, unser Sohn, wohl nach ihm kommen würde. „Das kannst du nicht.“
„ Ich muss es tun“, erwiderte er und küsste mich zärtlich auf die Stirn. „ Janus wird dich zurück in die Stadt bringen. Dich und noch ein paar andere.“ Er sah mich eindringend an, ließ seine Hand noch ein letztes Mal über meinen Bauch gleiten, versucht seinen Sohn zu beruhigen, und lächelte mich an. „ Ich werde schon bald nachkommen. Das verspreche ich dir, Helia.“ Er drehte sich um und lief los, in Richtung Brücke, um unser Schiff und um unsere Heimat zu verteidigen.

„ Eolion!“, rief ich ihm aufgebracht hinterher, doch er war schon verschwunden, hörte mich nicht mehr. Angst stieg in mir auf, als ich realisierte, dass ich ihn verlassen musste. Auf einmal hatte ich Angst um das Schiff und um ihn. Ich hatte Angst davor, beides zu verlieren und ich fürchtete mich davor, dass unser Kind seinen Vater nie kennenlernen würde.
Mein Sohn bewegte sich in meinem Inneren nervös hin und her- er schien zu spüren, dass etwas nicht stimmte. Das hatte er von seinem Vater.
Ich legte wieder meine Hände auf meinen Bauch und versuchte ihn zu beruhigen.
„ Alles wird gut“, wisperte ich leise, doch als ein weiteres Donnern das Schiff erschütterte und ein weiterer Funkenschwall aus der Wand brach, die Decke über mir zu wackeln begann und ein zerreißender Schmerz mich unter Stöhnen zu Boden gingen ließ, fragte ich mich, ob das eben nicht eine glatte Lüge gewesen war. …


Elizabeth schreckte regelrecht zusammen, als Helia ihren Bericht beendete und gedankenverloren in die Ferne sah. Ihre Erzählung war dermaßen authentisch gewesen, dass sie sich in ihr verloren hatte. Bilder waren vor ihren Augen aufgetaucht, so real, dass sie ihr fast Angst einjagten.
„ Was passierte dann?“, fragte sie gefesselt und kam sich vor, wie ein kleines Mädchen, dass seinen Vater anbettelte, er möge ihr doch endlich das Ende der Gute Nacht- Geschichte erzählen.
Helia seufzte, doch es war Teyla, die das Gesicht verzog. „ Danach sind meine Erinnerungen verschwommen. Es sind nur noch einige Gedankenfetzen, die in meinem Gedächtnis hängen geblieben sind.“ Ihre angespannte Miene lockerte sich ein wenig und das, was ihre Mundwinkel umspielte kam schon fast einem schwachen Lächeln gleich. „ Mein Sohn kam nur drei Stunden später zu Welt. Sein Name war Catan; nach dem Vater meines Mannes.“ Sie holte tief Luft. „ Danach ist fast gar nichts mehr. Meine Erinnerungen sind schleierhaft. Wenn ich meine Augen schließe, dann sehe ich Feuer und Tod. Ich höre Schreie und Donner. Und da ist noch mehr Tod.“

Elizabeth ließ das Gesagte auf sich wirken. Sie glaubte, die Traurigkeit aus der Stimme der Antikerin heraushören zu können, obwohl diese Annahme in jeder Hinsicht absurd war, da es Teylas Stimme war, die sie hörte. Die Stimme der Athosianerin klang hohl und ausdrucksloser, als sie es sonst tat, aber dennoch war da eine Spur von Helia oder vielmehr von ihren Gefühlen.
Die Antikerin schien das Handeln der Athosianerin vollkommen übernommen zu haben; Tränen glitzerten in ihren Augen und als sie John anblickte, erfüllte unüberwindbare Traurigkeit ihre Seele.

Der Soldat war dem Bericht der Antikerin ebenso still wie ihre Wenigkeit gefolgt und nun lag seine Stirn in tiefen Falten. Er hatte die Lippen fest aufeinander gepresst und hatte seinen „Denkerblick“ aufgesetzt. An seiner Körperhaltung war zu erkennen, dass ihm die Geschichte mehr ans Herz gegangen war, als dass er es eingestehen wollte; er hatte seine Arme immer noch um Teylas Körper geschlungen, auch wenn er wusste, dass es nicht sie war.
„ Du bist nicht nach Atlantis gekommen“, stellte er schließlich nach einer ganzen Weile der Stille fest.
„ So sieht es aus“, erwiderte ihm Helia seufzend. „ Wie gesagt, ich kann mich an nichts erinnern. Das Letzte, was in meinem Gedächtnis hängen geblieben ist, ist das Gesicht meines Sohnes. Ich habe ihm einer Amme gegeben, die nach Atlantis zurückgekehrt ist. Eolion und ich wollten, dass er mit seinem Bruder zusammen auf die Erde zurückkehrt.“
„ Wie bist du in diese Kapsel gekommen?“, fragte John.
Helia- oder vielmehr Teyla- sah ihn verwirrt an und ihre braunen Augen verwandelten sich in große, leuchtende Fragezeichen. „ Kapsel? Welche Kapsel?“ Sie drehte ihren Kopf in Elizabeths Richtung, um scheinbar sie nach einer Antwort zu fragen, doch ihr Blick blieb an etwas hängen.

Elizabeth wusste, was Helia in ihrem verzerrten Spiegelbild erkannte und beobachtete, wie sich die Antikerin auf die Beine hievte, zu dem Spiegel taumelte und sich, kaum dass sie ihn erreicht hatte, selbst betrachtete. Sie sah eine junge Frau mit rostbraunen Haaren und dunklen Augen vor sich. Ihr kleiner, anmutig wirkender Körper war in ein Gewand gehüllt, das bis zu den Knien reichte und ihr fremd sein musste.
Nach einer ganzen Weile der stillen Betrachtung streckte Helia ihre Hand aus und berührte die Spiegeloberfläche mit ihren Fingerkuppen. „ Wer ist das?“
„ Ich weiß, dass Sie das jetzt womöglich verwirren mag, aber…“, setzte Elizabeth an, doch Helia fiel ihr wieder ins Wort.
„ Was haben Sie getan?“ Sie wirkte auf einmal panisch und ihre Stimme klang nun nicht mehr hohl und ausdruckslos, sondern hoch und schrill. Ihre Augen blitzten sie angsterfüllt an und ein nervöses Zucken bebte durch ihren Körper. „ Was haben Sie mit mir gemacht?“
„ Es gab einen Zwischenfall… mit den Kapseln“, versuchte John es ihr zu erklären und es überraschte Elizabeth, wie ruhig der Soldat mit der Sache umging.
„ Zwischenfall?“, fragte Helia schrill. „ Was für ein Zwischenfall? Was haben Sie getan?“
„ Das wissen wir nicht“, antwortete Elizabeth schnell. „ Unsere Wissenschaftler arbeiten daran.“
Helia schüttelte mit dem Kopf und blickte ungläubig zwischen ihr und John hin und her. „ Sie wissen es nicht? Sie müssen sich darüber im Klaren sein, wenn etwas passiert, oder?“
„ Ich vergewissere Ihnen, dass…“

Elizabeth konnte ihren Satz, wie sooft in den letzten Wochen, nicht beenden, denn ein spitzer und schmerzerfüllter Schrei unterbrach sie. Der Jammerlaut, der aus Teylas Mund drang, fuhr ihr durchs Mark und ließ sie zusammenzucken.
Die Athosianerin donnerte ihre geballten Fäuste gegen ihre Schläfen und warf ihren Kopf weit in den Nacken. Adern fingen an ihrem Hals an zu pochen und binnen Sekunden begann ihr ganzer Körper zu beben. Ihre Knie zitterten und schlugen gegeneinander, gaben schließlich unter ihr nach. Mit einem lauten Stöhnen brach Teyla zusammen.
„ Teyla!“, riefen Elizabeth und John gleichzeitig. Die Arme des Soldaten schossen nach vorne und schlangen sich um die Taille der Athosianerin. Sein Blick sprach mehr als tausend Worte. Nein, nicht schon wieder.
Vorsichtig versuchte er ihren Kopf zu stützen und legte ihn auf seinen Schoß. Der Anblick der Athosianerin war erschreckend: sämtliches Blut schien innerhalb der letzten Sekunden aus ihren Adern gewichen zu sein und sie wirkte blass, fast so als hätte man ihr das Leben ausgesaugt.

Elizabeth wusste, was sie zu tun hatte und sprang auf, um Carson zu holen, doch sie kam nicht weit, als sie Rodneys aufgeregter Funkspruch ereilte. „ Elizabeth, Sie müssen sofort ins Labor kommen!“
„ Rodney, ich bin grad etwas beschäftigt“, gab sie zurück. „ Was ist los?“
„ Ähem… naja, wie soll ichs geschickt ausdrücken? Wir haben ein kleines Problem hier unten.“
„ Und das wäre?“
„ Sie ist weg.“
Elizabeth schob die Gedanken und die Sorge um Teyla für einen Moment beiseite und wiederholte die Worte des Kanadiers in ihrem Kopf. Sie ist weg.
„ W…was meinen Sie mit `Sie ist weg´?“, fragte sie.
„ Naja, dass sie weg ist“, antwortete Rodney. „ Hören Sie zu, ich kann mir das auch nicht erklären. Da war dieses helle Licht und dann… ach, kommen Sie einfach runter. Das wäre wohl das Beste.“

Zwei Sachen passierten in den nächsten dreißig Sekunden: Sie sagte Rodney, dass sie kommen würde und ein aufgebrachtes „ Elizabeth, schnell!“ schallte an ihr Ohr. Sie riss sich aus ihrer Starre und fegte ihren Kopf leer, um sich besser auf das von ihr Erwartete zu konzentrieren. Sie wandte sich halb um, nur um zu sehen, wie John seinen Arm stützend um Teyla legte und der Athosianerin aufhalf, die langsam zu sich kam und ihn benommen ansah.
„ Teyla?“, fragte er vorsichtig und streichelte mit seinem Finger über ihre Wange.
Die Athosianerin fasste mit ihren Fingern nach ihren Schläfen und ächzte leise auf, ehe sie zu dem dunkelhaarigen Soldaten aufblickte. „ John? W…was ist da eben passiert?“

TBC
Von nun an mein Begleiter by Ailya
“Wherever I will go, you’ll always be there by my side”


Sie konnte nicht wirklich verstehen, was geredet wurde. Es waren nur leise, undeutliche Wortfetzen, die die unsichtbare Blase, die sie zu umgeben schien, durchdrangen und ihre Ohren erreichten. Das Gesprochene war abgehakt und ergab für sie keinen Sinn. Vielleicht lag es aber auch daran, dass sie immer wieder die Kontrolle über sich selbst verlor und immer wieder zurück in das tiefe schwarze Loch zu rutschen drohte.

Die Schmerzen gepaart mit dem dumpfen, schwindeligen Gefühl, das von den Tabletten herrührte, die man ihr gegeben hatte, waren ihr unangenehm und manchmal wurde es so schlimm, dass es ihr schwer fiel ein Stöhnen zu unterdrücken.
Es erschien ihr fast so, als hätte irgendjemand einen Knopf gedrückt, der ihren ganzen Körper zum Erbeben brachte. Immer wieder fuhr dieses Zittern durch ihre Glieder, die schlapp an ihrem Körper hinabbaumelten und sich anfühlten, als seien es lästige Fremdkörper. Am liebsten hätte sie sie abgeschüttelt und weit von sich geschleudert, doch sie bezweifelte, dass sie dazu die Kraft aufbringen konnte. Also ließ sie es über sich ergehen, auch wenn es ihr schwer fiel.

Die Tabletten betäubten den Schmerz, der sich durch ihre Adern fraß wie ein loderndes Feuer, schon lange nicht mehr. Sie überlegte, warum die anderen nichts taten. Sahen sie denn nicht, dass sie litt? Warum unternahmen sie nichts?

Die Stimmen waren noch immer da. Es waren insgesamt drei, wobei sich eine hervorhob; sie war schrill und klang leicht süffisant. Sie musste nicht nachdenken, wem sie die Stimme zuzuordnen hatte, sondern überlegte, worüber sich Rodney nur so aufregte.
Sie hörte seine Stimme zwar nur undeutlich und abgehakt, verstand also nicht worüber er sprach, aber sie konnte ihn vor ihrem geistigen Auge sehen; sie konnte sehen, wie er eine genervte Grimasse zog und stetig die Augen verdrehte. Sie konnte sein rotes Gesicht vor sich sehen, welches er immer dann bekam, wenn er sich aufregte, meistens wenn irgendeiner seiner Kollegen ihn auf die Palme brachte oder wenn sich John mal wieder einen seiner Scherze erlaubte.

John. Sie konnte sich vorstellen, wie sich der Soldat im Moment fühlen musste und trotz alledem nicht von ihrer Seite gewichen war- sie war einigermaßen klar im Kopf, um das zu realisieren, und wenn sich ihre Lider flatternd öffneten, sah sie, dass er sich noch immer in ihrer Nähe befand. Entweder hatte er seine Arme um ihren Körper geschlungen oder er saß so dicht neben ihr, dass sich ihre Schultern berührten.
Es war beruhigend zu wissen, dass er da war und es linderte den Schmerz auch ein kleines bisschen. Das konnte natürlich auch Einbildung sein, aber trotzdem fühlte sie sich besser, wenn er in ihrer Nähe war.

Jetzt im Moment war er es. Sie spürte die Wärme seines Körpers nah bei ihrem und der Duft seines Aftershaves stieg ihr in die Nase. Er hatte einen Arm um sie gelegt und sie lehnte mit ihrem Kopf gegen seine Schulter, die sich im Takt seines Atmens hoben und wieder sanken. Er atmete ruhig, überraschend ruhig, das hatte sie nicht von ihm erwartet.
Sie versuchte sich sein Gesicht vorzustellen, sie versuchte die Erinnerungen an seine haselnussfarbenen Augen in ihrem Kopf wachzurufen und sie versuchte sich ein Bild von ihm in ihrem Kopf zu machen. Es war nicht einfach und allein der Versuch strapazierte sie dermaßen, dass sie wieder aufgeben wollte, doch da war eine Kraft die sie weitermachen ließ und sie schließlich mit einem Bild belohnte…

Das Bild war unscharf, aber dennoch war da alles, was sie sich gewünscht hatte. Sie sah ihn neben sich sitzen, einen Arm um sie geschlungen und die Augen geradeaus gerichtet. Er sah müde und erschöpft aus; dunkle Ringe lagen unter seinen Augen und sein Gesicht wirkte fahl. Aus dieser Position wirkte er ausgemergelt, was im Grunde genommen kein Wunder war. Die Anstrengung stand ihm ins Gesicht geschrieben und seinen herabhängenden Mundwinkeln entnahm sie, dass er länger nicht mehr geschlafen hatte.
Ein einvernehmender Drang, ihre Hand auszustrecken, ihm über die Wange zu streicheln und ihm zu sagen, dass er sich nicht so viele Sorgen machen sollte, überkam sie, doch ihre Kraft reichte einfach nicht dazu.

Das Bild wurde immer unschärfer und verschwand schließlich ganz. Die Dunkelheit übernahm wieder die Kontrolle und sie erschöpft in sich zusammensinken. Fast augenblicklich merkte sie, wie sich sein Arm fester um sie legte und wie sie näher an seinen warmen Körper gezogen wurde… und prompt tauchte ein neues Bild in ihrem Kopf auf. Sie sah sein besorgtes Gesicht vor sich. Angst blitzte für wenige Augenblicke in seinen Augen auf. Fragen schienen ihm durch den Kopf zu schießen, doch über seine Lippen kam kein einziges Wort- nein, sie blieben fest aufeinander gekniffen.

Fernab von dem Bild hörte sie noch immer die Stimme Rodneys, zu der sich eine zweite gesellt hatte. Sie konnte sich irren, doch sie glaubte Elizabeth zu hören. Die Expeditionsleiterin hatte eine wirklich unverwechselbare Stimme, voller Ruhe und Mitgefühl. Wenn sie redete erfüllte sie den Raum mit einer angenehmen Atmosphäre.
So auch jetzt. Ihre Stimme wirkte belebend. Zugleich machte sie sie neugierig, weil sich eine untypische Tonlage in die Stimme gemischt hatte, die Elizabeth eigentlich nicht eigen war. War es Verwunderung oder gar leichte Unsicherheit?

Leicht irritiert von dem seltsamen Tonfall ihrer Freundin versuchte sie die Schmerzen auszublenden und sich auf ihrer langsam verblassenden Erinnerungen zu konzentrieren. Im Großen und Ganzen gab es da nichts mehr, an das es sich zu erinnern lohnte. Es waren nur undeutliche Gedankenfetzen, die einem schwachen Flimmer am Horizont glichen, und vereinzelt Bilder, die immer unschärfer wurden und allmählich zu verschwinden drohten.
Eine dieser Erinnerungen war der Augenblick, als dieser unbeschreibbare Schmerz durch ihren Körper gejagt war, jeden Widerstand danieder gemacht hatte und so gewaltsam über sie gekommen war, dass sie gedacht hatte sterben zu müssen. Alles war in diesem Augenblick mit einem Schlag unwichtig geworden und alles- außer dem Schmerz und der Finsternis- war weit weg gewesen. Nur dieses zerreißende Gefühl, das auf sie einprügelte, war resistent gewesen.

Nach dem Schmerz war nichts als große Finsternis gewesen. Da war nichts gewesen. Kein Licht, kein Gefühl. Nur eine unglaublich große Leere, Kälte und ein großes Nichts.
Es war ein Moment der Verzweifelung gewesen, der zum Glück nicht lange angedauert hatte, denn kaum dass sie den Kampf gegen den Schmerz für verloren gehalten hatte, war da ein Licht aufgetaucht, sie hatte ihre Augen aufgeschlagen und seine warmen Augen gesehen, die ihren Körper binnen Sekunden mit Wärme und Licht durchflutet hatten.

Danach verblassten ihre Erinnerungen immer mehr, bis da schließlich gar nichts mehr war. Vielleicht war es auch besser, dass sie sich an nichts erinnerte, womit sie ihr Herz hätte belasten können.

Langsam begannen die Schmerzen weniger zu werden; sie vermutete, dass sich einer ihrer Freunde ihrer endlich erbarmt hatte und ihre missliche Lage bemerkt hatte. Wie dem auch immer gewesen war… endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, fühlte sie sich zum ersten Mal imstande einen Schritt nach vorne zu machen und öffnete ihre Augen. Zuerst war es nicht mehr als ein unkontrolliertes Flattern, dann ein Zucken. Doch sie schaffte es, auch wenn das Erste, was sie sah, nichts mehr als ein unscharfes Flimmern war- angedeutete Bewegungen.

Je länger sie es schaffte, ihre Augen offen zu halten, desto mehr erkannte sie. Sie hatte Recht gehabt! Nicht weit von sich entdeckte sie Elizabeth und Rodney; der Wissenschaftler schien der Expeditionsleiterin etwas zu erklären und sie lauschte ihm interessiert, wenn auch mit dem Kopf schüttelnd.
Neben ihren beiden Freunden machte sie eine weitere Person aus, einen Mann. Er war größer und deutlicher besser gebaut als Rodney, hatte kurze braune Haare und eine Brille auf der Nase sitzen- Daniel Jackson. Auch er lauschte Rodney, unterbrach ihn ab und zu mal, korrigierte ihn.

Nur unschwer konnte sie erkennen, wo sie sich befanden, zumal sie nur Umrisse und Schattierungen erkennen konnte. Wahrscheinlich waren sie auf der Krankenstation- wo sonst sollte man sich mit derartigen Schmerzen befinden? Der beißende Duft von Desinfektionsmittel war ein weiterer Hinweis auf ihren Standort, der ihr übel werden ließ.
Sie verzog das Gesicht und versuchte diesem Duft auszuweichen und verbarg ihren Kopf hinter Johns Schulter.
Dieser reagierte auf ihre zaghafte Bewegung sofort und sah sie an. „ Teyla?“

Wie schön war es doch ihren Namen aus seinem Mund zu hören. Ein geradezu überwältigendes Gefühl überkam sie und am liebsten hätte sie ihm mit einem lauten „Ja“ geantwortet, aber als sie ihre Stimme erklingen ließ, war es nicht mehr als ein heiseres, klangloses Krächzen, was über ihre trockenen Lippen bröckelte. Erschrocken über ihre eigene Schwäche riss sie ihre Augen so weit auf, wie es ihr nur möglich war.
„ Ssh, es ist alles okay.“ Auch John schien erschrocken zu sein, doch er konnte diese Art von Empfindungen viel besser verbergen, als sie es konnte. Er hatte es schon immer gekonnt. Sie hatte gelernt, dass er nicht die Art von Mann war, der offen mit anderen über seine Probleme sprach und seine Gefühle und Empfindungen lieber für sich behielt, als sie mit anderen zu teilen. Er selbst bezeichnete es immer als eine Unfähigkeit, als Makel, doch sie störte es schon lange nicht mehr. Sie hatte gelernt damit zu leben und ihn so zu respektieren, wie er war.

Wie kannst du sagen, dass alles okay ist, dachte sie, während sie ihn ansah und jeden Augenblick, in dem er sie mit seinen haselnussfarbenen Augen ansah, genoss als wäre es der letzte. Sie wusste, dass etwas nicht in Ordnung war und sie brauchte nicht einmal groß nachzudenken. Das lag auf der Hand. Das war eine Tatsache, wie Rodney es immer so schön formulierte.
John schien ihre Zweifel zu erkennen und presste die Lippen fest aufeinander, als er seine Fingerkuppen über ihre Wange gleiten ließ. „ Wirklich.“
Wie kannst du das sagen, wollte sie ihn fragen, doch ihre Lippen blieben unbewegt und stumm. Wie kannst du das behaupten?
„ Ich würde dich nie anlügen“, antwortete er auf die Frage, die sie ihm mit ihren Augen gestellt hatte. „ Aber ich…“
Du hast Zweifel, aber dennoch sagst du, dass alles in Ordnung ist. Sie deutete ein Kopfschütteln an. Wie passt das zusammen?

Darauf gab John ihr keine Antwort, möglicherweise weil er diese Frage nicht in ihren Augen hatte lesen können. In diesem Sinne war es auch keine Frage gewesen, sondern vielmehr ein Vorwurf, auch wenn sie es nicht so gemeint hatte. Er antwortete ihr nicht, zog sie stattdessen nur noch fester an sich und hauchte ihr einen zitternden Kuss auf den Haaransatz.
Sie merkte, wie sein Blick wieder zu Elizabeth, Rodney und Dr. Jackson wanderte, die in ein hitziges Gespräch vertieft zu sein schienen. Für sie war es sicher, dass er dieser Unterhaltung ebenso wenig wie sie gefolgt war.

Sie seufzte, was sich vielmehr wie ein keuchendes Röcheln anhörte und lehnte ihren schmerzenden Kopf wieder gegen Johns Schulter. Sich zu konzentrieren war anstrengend und die Müdigkeit baute sich langsam in ihrem Inneren auf, nur um dann wie eine Welle über sie hinwegzurollen, erbarmungslos. Ihre Augenlider wurden immer schwerer, bis sie schließlich zufielen. Ihr Körper schaltete einen Gang runter, ihr Atmen wurde wieder gleichmäßiger und das letzte, was sie hörte, ehe sie völlig wegdriftete, war ein gemurmeltes Alles wird gut und sie spürte, wie ein zarter Kuss über ihre Stirn gehaucht wurde.
Dann wurde alles schwarz.

++++++++


„ Wenn ich Sie erinnern dürfte“, warf Rodney ein und wandte sich mit erhobenem Zeigefinger zu Elizabeth, „ haben wir damit nicht gerade die besten Erfahrungen gemacht.“
Elizabeth hob die Augenbrauen und sah ihren Chefwissenschaftler eindringend an. „ Sind Sie sich wirklich sicher, Rodney?“
„ Seine Annahme beruht unzulässigen Messungen“, meinte Daniel Jackson und schüttelte mit dem Kopf. „ Ich befürchte, dass wir die nicht gelten lassen können.“
„ Was wir gelten lassen und was nicht, das überlassen Sie schön mir“, knurrte Rodney und würdigte den Archäologen mit einem herablassenden Blick, den Daniel wiederum nur mit einem Schulterzucken und einem „ Wenn Sie meinen“ quittierte.
„ Rodney.“ Elizabeth verdrehte schwach die Augen. „ Bitte… versuchen Sie nett zu bleiben. Ihre persönlichen Konflikte können Sie von mir aus später austragen.“

Der Kanadier schenkte Daniel Jackson noch ein bitterböses, nicht ernst gemeintes und zugleich herausforderndes Lächeln, bevor er sich zu seiner Vorgesetzten umdrehte und sie voller Ernst ansah. „ Elizabeth, Sie müssten wissen, was für einen Ärger wir mit diesem Ding hatten.“
„ Sie wären fast gestorben“, erinnerte sich die Expeditionsleiterin mit einem flüchtigen Nicken.
Rodney schnitt eine Grimasse. „ Nicht gerade eines meiner persönlichen Highlights.“
Elizabeth verschränkte die Arme vor dem Brustkorb, senkte ihre Stimme ein bisschen: „ Wir können uns keine Fehler leisten…“
„ Das weiß ich“, erwiderte Rodney. „ Hören Sie zu, ich bin mir sicher, dass wir es hier mit der Aufstiegstechnolgie zu tun haben. Ich kenn mich mit dieser Art von Technologie aus und… es gibt einfach keine andere Erklärung.“

Elizabeth ließ seine Worte auf sich wirken und nickte dann. Sie konnte sich diese Tatsache nicht wirklich vorstellen, aber die Erinnerungen an die Geschehnisse, die Rodney vor ein paar Monaten um ein Haar das Leben gekostet hatten, waren noch frisch. Damals hatte sie Angst gehabt ihn zu verlieren, als Wissenschaftler und vor allem als Freund.
Die Technologie, von der sprach und die er glaubte hier wieder entdeckt zu haben, war furchtbar kompliziert, aber sie glaubte schon, dass die Antiker imstande gewesen waren, sie „mobil“ zu machen. Nur der Zweck dieser Aktion lag noch im Dunklen verborgen.

„ Angenommen es handelt sich tatsächlich um eine Art… Aufstiegsmaschine“, setzte Daniel Jackson an, „ was hat sie dann auf diesem Schiff zu suchen? Ich dachte, die Artemis sei ein Versorgungsschiff gewesen.“
„ Das Schiff war durchaus in der Lage gewesen sich zu verteidigen, wie Helia meinte“, entgegnete Elizabeth. „ Nur in erster Linie war es für die Versorgung der Außenposten zuständig.“ Sie kräuselte die Stirn.
„ Denken Sie gerade an dasselbe, an was ich denke?“, fragte Daniel, warf die Stirn ebenfalls in Falten und blickte sie ernst an.
„ Absicherung.“ Elizabeth riss sich selbst aus ihren Gedanken. Nachdenklich begann sie mit ihren Fingern gegen ihre Lippen zu tippeln. „ Sie wussten nie, ob sie es zurück nach Atlantis schaffen würden.“
„ Sie hätten auf dem Schiff aufsteigen können“, warf Daniel ein.
„ Nicht in einer Kriegssituation“, sagte Elizabeth. „ Das Umfeld wäre zu hektisch, um sich auf den Aufstieg zu konzentrieren. Ein Mensch kann aufsteigen sobald er 90% seiner Gehirnaktivität aktivieren und nutzen kann. Sie müssten das wissen, Daniel.“
Rodney kratzte sich am Kinn. „ Korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre, aber ich bezweifle, dass das so einfach geht, wenn die Wraith dabei sind das Schiff zu zerstören. Ich hab das damals ja kaum geschafft.“
„ Das waren Antiker.“
Elizabeth nickte in sich hinein. „ Und sie hätten die Möglichkeiten dazu gehabt. Während der Belagerung der Wraith…“
„ Sie wussten, dass sie es nicht alle zurück auf die Erde schaffen würden“, sagte Daniel.
„ Also, Aufstieg“, kommentierte Rodney und machte eine wirsche Handbewegungen gen Decke.
„ Sie brauchten eine Technologie, mit deren Hilfe möglichst viele von ihnen in kurzer Zeit und unter beschwerten Bedingungen aufsteigen konnten“, schlussfolgerte Elizabeth.
„ So eine Art `Aufstieg am Fließband`?“ Rodney zog die Augenbrauen zusammen und schüttelte mit dem Kopf. „ Eine dämliche Idee.“
„ Sie befanden sich im Krieg, Rodney“, sagte Elizabeth. „ Ich denke, sie haben keine andere Möglichkeit gesehen. Sie wussten nicht, ob sie es noch nach Atlantis schaffen würden, bevor die Wraith sie erreichten. Sie wussten nicht, ob sie ihre Reise überhaupt überleben würden.“
Der lantianische Chefwissenschaftler wirkte noch immer ernst. „ Da ist es doch wohl klar, dass etwas schief läuft.“
„ Helia scheint die Einzige zu sein, die es damals nicht geschafft hat“, merkte Daniel an. „ Mitchell und Vala meinten, dass sie auf den anderen Decks noch weitere Kapseln entdeckt haben. Alle leer. Wahrscheinlich gab’s bei ihr einen technischen Defekt. Anders kann ich mir das nicht erklären.“
„ Was auch immer der Grund dafür gewesen ist“, seufzte Elizabeth, „ sie hat es nicht geschafft und ist zurückgeblieben. Sie musste alles aufgeben, ohne es jemals zu wissen.“

„ Ich finde das unmoralisch“, meinte Rodney plötzlich. „ Es erweckt fast den Anschein, als wäre die Besatzung gemeinsam aufgestiegen. Für mich klingt das nach `Steig auf oder stirb`.“
Ein verstohlenes Lächeln zuckte über Elizabeths Gesicht. „ Rodney, wir können Vergangenes nicht mehr ändern. Klar ist nur, dass die Antiker einen Grund gehabt haben mussten, von dieser Technologie Gebrauch zu machen, und dass es scheinbar bei Helia Komplikationen gegeben hat.“
„ Vielleicht haben sie sie auch mit Absicht zurückgelassen, um uns zu warnen“, erwiderte der Kanadier. „ So, wie Sie es damals getan haben.“
„ Das glaube ich kaum, Rodney.“ Elizabeth schüttelte mit dem Kopf. „ Damals wussten sie, dass wir kommen würden, aber woher hätten sie das dieses Mal wissen sollen?“

Ein Schweigen entstand, welches jeder der drei zum nachdenken nutzte. Elizabeth tippelte stärker mit ihren Fingerkuppen gegen ihre Lippen und fand sich schließlich im Takt eines alten Stevie Wonder- Songs wieder, den sie vor ihrer Zeit in Atlantis immer so gerne gehört hatte.
Sie musste zugeben, dass das stille Nachsinnen über den Songtext wesentlich angenehmer war, als sich über komplizierte Antikertechnologie den Kopf zu zerbrechen. In den vergangenen zweieinhalb Wochen hatte sie sich mehr mit den Erbauern der Stargates beschäftigt, als in den letzten dreieinhalb Jahren der Expedition und nun diese Sache mit Teyla und Helia…
In den letzten Tagen war es schon sehr anstrengend und Nerven aufreibend gewesen. Nicht selten hatte sie gedacht, dass es nicht mehr ging- spätestens, als sie Teyla zum ersten Mal verloren hatten.

Heimlich, still und leise warf sie einen verstohlenen Blick in die Richtung, wo Teyla in einem Krankenbett lag und schlief. Es war einfach nur zum Verrücktwerden, was die hübsche Athosianerin in den letzten Tagen alles hatte durchmachen müssen und vielleicht war es besser, dass sie sich an nichts erinnerte. All das Leid und den Schmerz… ja, es war besser, wenn so etwas einem Menschen vorenthielt. Elizabeth war zwar der Annahme, dass Teyla damit fertig werden würde, aber sie wollte sie nicht unnötig belasten. Ihre Freundin hatte schon genug durchgemacht.

Die Expeditionsleiterin seufzte schwerlich, als ihr Blick auf John fiel, der an der Seite seiner Freundin saß; sein Kopf war nach vorne auf ihre gefalteten Hände gefallen, er verbarg sein Gesicht in ihrem weißen Patientenkittel.
Elizabeth verleugnete nicht, dass es auch für ihn eine schwere Zeit gewesen sein musste und dass er nun mehr als erschöpft war. Er hatte gelitten, genau wie sie, wenn nicht sogar etwas mehr, und nach ihrem Gespräch von vor ein paar Stunden glaubte sie sein Verhalten besser zu verstehen.
Ich liebe diese Frau, Elizabeth. Sie hoffte inständig, dass es nun war mit dem ganzen Stress und dass die beiden ihre gemeinsame Zeit genießen konnten. Beiden war es zu wünschen…

Sie quittierte ihre beiden Freunde noch mit einem kurzen Lächeln, von dem sie wusste, dass John und Teyla es nicht sahen, bevor sie sich wieder zu Daniel und Rodney drehte, die leise miteinander redeten.
„ Es würde mich interessieren, was mit Helia passiert ist“, sprach Rodney seinen Gedanken laut aus und an seinem Gesichtsausdruck erkannte Elizabeth, dass der Kanadier ihr und Dr. Jackson damit indirekt eine Frage gestellt hatte.
„ Wenn diese Kapsel wirklich das ist, wofür wir es halten…“, setzte sie zur Antwort an, verstummte dann aber wieder und versuchte sich das einmal vorzustellen.
„ Sie glauben wirklich, dass sie aufgestiegen ist?“, fragte Daniel und würdigte sie skeptischen Blickes.
Elizabeth schmunzelte. „ Die Antiker sind zu vielem fähig gewesen, Daniel.“ Sie seufzte. „ Verwundern würde es mich nicht.“
Das SG1-Mitglied lockerte seine Gesichtsmuskeln. „ Das heißt, sie hat Teyla benutzt.“
„ Sozusagen als `menschliches Zwischenlager`?“, fragte Rodney, zog leicht angewidert von dem Gedanken die Augenbrauen zusammen. „ Bei aller Liebe, aber so etwas Sittenwidriges traue ich den Antikern nicht zu.“
„ Aber Sie können sich auch irren“, entgegnete Daniel.
„ Ich befürchte, dass werden wir nie herausfinden“, sagte Elizabeth und zuckte mit den Schultern.
„ Ist nur zu hoffen, dass die ganze Sache keine Auswirkungen auf Teyla hat“, meinte Rodney, warf einen kurzen Blick zu seinen beiden Freunden und lehnte sich dann gegen die Tischplatte.
„ Es kann anstrengend für einen normalen Menschen sein, ja“, stimmte Daniel ihm zu und zuckte mit den Schultern. „ Doch ich bin mir sicher… Ich kenne Teyla nicht so gut wie Sie beide, aber meiner Meinung nach, ist sie eine Person, die die Spiritualität sehr hoch stellt.“
„ Carson meinte, Col. Mitchell könnte ihr einige Meditationsübungen beibringen, die er während seiner Zeit unter den Sodanern erlernt hat.“ Elizabeth hatte Daniels Wink verstanden.
„ Ich habe schon mit ihm gesprochen“, erklärte der Archäologe nickend. „ Er ist einverstanden.“
„ Und Sie sind sich sicher, dass Teyla durch Meditation das Ganze verarbeiten kann?“, zweifelte Rodney. „ Wer sagt, dass sie nicht körperliche Schäden davonträgt?“
Elizabeth seufzte. „ Soweit wollen wir gar nicht denken. Es stimmt, wir wissen nicht, was für Auswirkungen es auf Teyla haben wird, doch Carson meint, dass ihr nichts fehlt. Und fürs Erste, will ich mich auf diese Aussage stützen.“ Sie gab sich einem zweiten und schließlich einem dritten Seufzen hin und strich sich eine ins Gesicht gerutschte Haarsträhne hinters Ohr. „ Das einzig Wichtige ist, dass es vorbei ist. Sie haben doch…“
Rodney nickte. „ Die Messungen weisen keinerlei Anomalien oder Energieströme in Richtung der Kapsel auf. Wo immer sie auch hin ist…“
Elizabeth gab sich für einen Augenblick ihren Gedanken hin, bevor sie zu nicken begann. „ Ich befürchte, dass wir auf diese Frage keine Antwort bekommen werden, Rodney.“
Daniel Jackson lächelte und wirkte dabei in seinen Gedanken versunken. „ Oder wir werden sie früher bekommen, als uns lieb ist.“

+++++++++


Einen Tag später


Irgendwas tief in ihrem Inneren ließ sie nicht zur Ruhe bringen. So sehr sie auch versuchte einzuschlafen… es wollte ihr partout nicht gelingen. Immer wieder schlug sie ihre Augen auf, obwohl sie sie erst einen Moment zuvor geschlossen hatte, und starrte die dunkle Zimmerdecke ihres Quartiers an, in der Hoffnung, dass die Müdigkeit sie überrumpelte und sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf riss. Doch das erwies sich in dieser Nacht als reines Wunschdenken!
Sie verspürte eine innere Unruhe, die durch ihren ganzen Körper kribbelte und die ihr keine ruhige Sekunde gönnte. Nicht eine Minute verging, dass sie sich nervös und rastlos auf die andere Seite drehte, sich abdeckte und wenige Sekunden später wieder bis unter die Nasenspitze zudeckte, da sie zu frösteln begann. Es war schlicht und ergreifend schlimm und unerträglich!

Zu ihrer Unruhe kam noch dieses merkwürdige Gefühl in ihrem Brustkorb. Sie spürte, wie sie zu japsen begann, als der Druck immer weiter zunahm und es sich anfühlte, als ob man ihr die Luft abschnürte. Sofort fing ihr Herz an zu rasen, ihr Puls schoss in die Höhe und eiskalter Schweiß trat auf ihre Stirn.
Immer wenn sie einatmete tönte ein leises, aber hohes Fiepen durch ihren Brustkorb und klingelte in ihren Ohren. Je länger sie diesem Fiepen lauschte, desto aufgeregter und nervöser wurde sie. Desto mehr japste sie nach Luft, bis sie sich schließlich wie ein Fisch oberhalb der Wasseroberfläche fühlte und es ihr endgültig die Luft abschnürte.

Mit einem Ruck setzte sich Teyla auf. Erleichtert seufzte sie auf, als sich die unsichtbare Barriere in ihrer Luftröhre löste und der wertvolle Sauerstoff durch ihre Atemwege und durch ihre Lungen strömte. Sie atmete einmal tief und wieder aus und blickte sich dann um. Ihre Augen hatten sich in den letzten schlaflosen Stunden an die Dunkelheit gewöhnt, weshalb es ihr nicht sonderlich schwer fiel zu bestimmen, wo sie sich befand.
Über ihr war das riesige Panoramafenster in die Schiffswand eingelassen worden und sie sah die Sterne vorbeifliegen, einen langen Schweif hinter sich her ziehend, der sich dann allmählich in den Weiten des Weltalls verlor. Einen Moment lang betrachtete Teyla das Schauspiel noch, bevor sie ihre müden, zittrigen Beine über die Bettkante hinweg schob und mit ihren nackten Füßen den kalten Boden berührte. Kaum hatte sie das getan, jagte ein eiskalter Schauer durch ihren Körper.
Teyla verharrte kurz und warf einen schnellen Blick über ihre Schulter; John lag mit dem Gesicht zu ihr, zog im Schlaf eine Schnute. Unwillkürlich musste die Athosianerin schmunzeln, als sie ihn so betrachtete und sich vorzustellen versuchte, was er wohl gerade träumte. Es musste etwas besonderes sein, denn er grinste im Schlaf.

Sie wollte sich gerade zu ihm beugen, als ein leises Wispern außerhalb ihres Quartiers ertönte, so leise, dass man es fast nicht wahrnehmen konnte. Doch in den vergangenen Wochen war sie empfindlich geworden, was dieses Thema anging, also lauschte Teyla angestrengt und zuckte regelrecht zusammen, als die Stimmen wieder –diesmal etwas lauter- zu hören waren. Scheinbar näherten sie sich ihrem Quartier…
Teyla stieß sich mit dem Handballen von der Matratze ab und tapste auf leisen Sohlen hinüber zur Tür. Das Zischen der sich öffnenden Türe ließ sie wieder zusammenschrecken und sich in Richtung Bett umdrehen- nein, John war nicht aufgewacht, aber anscheinend hatte sie ihn in seinem Traum gestört, denn er drehte sich unter leisem Murren auf die andere Seite, rückte sich im Schlaf das Kissen zurecht und zog sich die Bettdecke bis über den Kopf, sodass nur noch seine schwarzen, ungebändigten Haare unter der Bettdecke hervorlugten.
Mit einem Seufzen trat sie auf den Korridor hinaus…

Es war still, zu still- das war das Erste, was Teyla auffiel, als sie auf den Korridor hinausgetreten war und sich umsah. Die Lichter über ihrem Kopf flackerten so wie sie es auch am Tag taten, und das Brummen des Antriebes bildete zusammen mit dem Knacken des Metalls eine harmonische Geräuschkulisse, an die sie sich im Laufe der Zeit gewöhnt hatte.
Der Gang war leer, aber zu dieser Uhrzeit hatte sie auch nichts anderes erwartet und sie war eigentlich auch ganz froh, dass ihr kein anderes Expeditionsmitglied über den Weg lief, denn das hätte zwangsweise dazu führen können, dass man sie bei Carson anschwärzte und das hätte mit Sicherheit Konsequenzen für sie, denn der sympathische Schotte hatte ihre Bettruhe verordnet. Sie solle sich ausruhen, hatte er nur gemeint.

Langsam schritt Teyla den Gang entlang, in die Richtung, aus der sie glaubte das Flüstern gehört zu haben.
„ Hallo?“, fragte sie in die Stille hinein, als sie um die Ecke bog und den Korridor entlang spähte. Doch da war nichts! Außer dem immer lauter werdenden Flüstern, welches sich mit leisem Gekicher vermischte.
Bestimmt nur zwei Wissenschaftlerinnen, versuchte Teyla sich einzureden, doch dieses merkwürdige Gefühl, dass irgendwas nicht stimmte, wollte sie einfach nicht verlassen. Deshalb ging sie weiter…
Das Flüstern wurde immer lauter und damit auch klarer und verständlicher- nein, es konnte sich nicht um Expeditionsmitglieder handeln! Sie verstand nicht, was sie untereinander sagten. Die Art zu Sprechen war ihr fremd.

Als hinter ihr ein schallendes Kinderlachen losbrach, schreckte sie dermaßen zusammen, dass ihr Herz für einen Moment stehen blieb und sämtliche Körperfunktion für wenige Sekunden den Dienst quittieren. Wider ihrem Bestreben drehte Teyla sich um und blickte in die blassgrünen Augen einer wahren Schönheit.
Ihre langen honigblonden Haare flossen in sanften Wellen bis zur Mitte ihres Rückens; ihr schlanker Körper war in ein bis zum Boden reichendes weißes Gewand mit edlen Verziehrungen gehüllt.
Sie lächelte sie an; ihr Lächeln war einfach himmlisch und schien nicht von dieser Welt zu kommen.
Teyla neigte ihren Kopf, um die Frau näher zu betrachten. Diese wiederum wandte sich in diesem Moment um und ihr Lächeln würde noch breiter, als einen Mann aus dem Nichts auf sich zu sehen kam. Sie begrüßte ihn mit einer Umarmung und mit einem innigen Kuss; glücklich lächelnd lehnte sie ihre Stirn gegen die seine, während er ihr leise etwas zuflüsterte.
Teyla bemerkte das Funkeln in seinen haselnussfarbenen Augen und den fröhlichen Ausdruck in seinem Gesicht.

Zwei weitere Gestalten kamen aus dem Nichts, auf die beiden zugerannt; zwei Kinder, zwei Jungen. Der scheinbar Ältere von beiden hatte honigblonde Haare genau wie die Frau und strahlend grüne Augen. Der Jüngere hatte dunkle, fast schon schwarze Haare, die wild in alle Himmelsrichtungen von seinem Kopf abstanden. Er wirkte frecher als der Ältere und seine haselnussfarbenen Augen blitzten.
Der Mann lächelte auf die beiden Jungen herunter und schloss sie beide in den Arm, redete auch mit ihnen. Die Jungen fingen an zu strahlen und liefen davon, der Mann folgte ihnen ein paar Sekunden später.
Die Frau verweilte in ihrer Position, setzte sich dann aber in Bewegung. Ihre Bewegungen wirkten grazil, anmutig, fast schon königlich. Es sah aus, als schwebte sie über den Boden.
Kurz bevor sie verschwand, blieb sie allerdings stehen und wandte sich zu ihr um, lächelte. Danke, Teyla, für alles was du für mich getan hast.
Die Lippen der Frau bewegten sich nicht, aber dennoch hörte Teyla ihre Worte und sah ihr nach, bis sie verschwunden war.
„ Helia“, wisperte Teyla, doch sie konnte sie nicht mehr hören.

Noch eine ganze Weile stand sie dort und dachte über das Gesehene nach; über die Frau, den Mann und über die beiden Jungen. Sie wusste nicht, was das alles zu bedeuten hatte, doch da war ein Flimmer an Erinnerungen. Er war da, doch sie konnte keinen Zugriff zu ihm erlangen und das ärgerte sie.
Sie ärgerte sich auch immer noch, als sie in ihr Quartier zurückkehrte. Sie ärgerte sich immer noch, als sie sich ins Bett zurücklegte und sich zudeckte. Doch sie ärgerte sich nicht mehr, als sich John wieder auf die andere Seite drehte, seinen Arm um ihre Taille legte und sich eng an sie kuschelte.
Teyla lächelte, streichelte ihm über die Wange, dachte noch einmal an Helia und an ihre Familie und schlief dann ein.

Nein, da war nichts, über was sie sich ärgerte und wenn es doch etwas gab, so konnte es gewiss auch bis morgen warten.

TBC
Night by Ailya
Die Nacht ist voller Augenblicke, die man am liebsten nie aufgeben möchte.


„ Sie hätten sein Gesicht sehen sollen, als ich rief `Sir, in Deckung`!“ Col. Cameron Mitchell wedelte lachend mit seinen Pokerkarten vor seinem Gesicht herum. „ Das ist wirklich’ ne Nacht gewesen… Landrys Gesichtsausdruck ist wirklich unbezahlbar gewesen, nicht wahr Sam?“
Samantha Carter erwiderte ihrem Teamkollegen ein amüsiertes Grinsen und erinnerte sich nur zu gern an die verdatterte Grimasse ihres Vorgesetzten, damals in den Wäldern von Colorado. „ Ja, die war wirklich einmalig.“
„ Schade, dass niemand eine Kamera dabei hatte“, meinte Cameron bedauernd, studierte die Karten in seinen Händen ausgiebig. „ Das wäre `der` Schnappschuss gewesen. Wirklich.“

Lt. Matt Scott, der den beiden Mitgliedern von SG1 gegenübersaß und seine Karten ebenso angestrengt und konzentriert angestarrt hatte, ächzte auf und warf die Spielkarten auf den Tisch. „ Ich passe.“
„ Was!?“ Greg Everett sah ihn entsetzt an. „ Hey, Kumpel, das können Sie mir nicht antun. Ich gewinne!“
Scott schnitt seinem Kollegen eine Grimasse. „ Ja… Sie gewinnen.“ Er schnaubte abschätzig, nippte an seinem Getränk und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „ Ich passe.“
Everett schüttelte mit dem Kopf. „ Ich bin schwer enttäuscht von Ihnen, Mann. Das hätte unser Ding werden können… Ihrs und meins. Wollen Sie die beiden etwa gewinnen lassen?“
„ Hochmut kommt vor dem Fall, Lieutenant“, grinste Mitchell und zwinkerte unmerklich in die Richtung der beiden Soldaten. „ Also, an ihrer Stelle würde ich den Mund nicht so voll nehmen.“
„ Woher soll ich wissen, dass Sie nicht bluffen, Sir?“, fragte Everett und musterte den ranghöheren Offizier skeptisch mit gerunzelter Stirn.
„ So was würde ich nie tun“, bürgte der Teamleader von SG1 und griff nach seinem Glas. „ Außerdem steht viel zu viel auf dem Spiel.“
„ Eine Flasche Scotch?“ Samantha Carter lächelte. „ Noch dazu illegal besorgt?“
„ Illegal würde ich es nun nicht gerade bezeichnen“, erwiderte Mitchell. „ Es war eher eine notwendige Besorgung.“
Die blonde Astrophysikerin schüttelte amüsiert mit dem Kopf, sah erst ihn an und dann die beiden mit am Tisch sitzenden Soldaten. „ McKay wird Sie umbringen, wenn er das erfährt. Das ist Ihnen doch klar, oder?“
„ Ma’am…“ Scott räusperte sich. „ Dürfte ich Sie daran erinnern, wer dieses Spiel vorgeschlagen hat?“
Mitchell sah sein Teammitglied mit hochgezogenen Augenbrauen an. „ Tja, touché. Da hat er Recht.“
„ Einer Dame dermaßen in den Rücken zu fallen, ist nun nicht gerade die feine englische Art“, zischelte Carter und sah ihn finster an. „ Und immerhin sind wir noch in einem Team- wenn ich verliere, dann verlieren auch Sie.“
Mitchell grinste verschmitzt. „ Soll das eine Drohung sein, Sam?“
„ Wenn Sie Ihren Scotch haben wollen, ohne dass McKay davon etwas erfährt…“ Samantha sah ihn herausfordernd an.

Ein kurzes Schweigen entstand zwischen den beiden Teamkameraden, das jedoch von Lt. Everetts belustigtem Grinsen gebrochen wurde und er nur meinte: „ An Ihrer Stelle würde ich mir das noch mal überlegen, Sir.“
„ Die Aussicht auf einen schönen Scotch ist verlockend, Lieutenant.“ Mitchell lehnte sich zurück und betrachtete Samantha Carter mit einem misstrauischen Blick. „ Aber ich bin mir sicher, dass sie das nicht tun wird.“
Die blonde Wissenschaftlerin kniff die Lippen fest aufeinander und verzog sie dann zu einem verschwörerischen Grinsen. „ Sie kennen mich echt nicht gut genug, Cameron.“ Sie ließ eine kurze Pause zu, ehe sie ihre Karten langsam auf dem Tisch ausbreitete. „ Ich setze alles.“
Mitchell starrte auf ihre Karten und meinte dann: „ Es ist Ihnen doch klar, dass, wenn Sie das jetzt machen, wir beide auf den Scotch verzichten müssen?“
Lt. Scott schüttelte mit dem Kopf. „ Ich verstehe nicht, wie man nur so hinter einer Flasche her sein kann, die von einem Computer hergestellt wurde.“
„ Es geht ums Prinzip, Lieutenant“, erklärte Mitchell ihm. „ Wann haben Sie zum letzten Mal eine Flasche Scotch in den Händen gehalten? Da geht es nicht darum, wer oder was sie hergestellt hat. Da geht es einfach nur um das Besitzen.“
„ Sehr gesunde Einstellung, Sir“, lobte Greg Everett mit einem anerkennenden Nicken.
Mitchell sah ihn dankbar an. „ Endlich ist mal jemand meiner Meinung. Eh, vielleicht hätte ich mit ihm ein Team bilden sollen! Hier fallen einem die eigenen Teammitglieder in den Rücken.“
„ Das werde ich jetzt mal ignorieren“, sagte Sam Carter schmunzelnd und führte ihr Glas an ihre Lippen, nippte an ihrem Getränk.
Lt. Everett lachte heiser. „ Vielleicht hätten Sie das wirklich tun sollen, Sir.“ Er kratzte sich am Kinn, beugte sich dann ganz langsam vor und breitete dann seine Spielkarten sauber und ordentlich vor den anderen aus. „ Dann hätte der Scotch jetzt vielleicht Ihnen gehört.“

Cameron Mitchell sprang von seinem Stuhl auf, verteilte dabei die Hälfte seines Getränks über dem Tisch und seine Spielkarten segelten durch die Luft. Mit einem ärgerlichen Ton stemmte er seine Hände in die Hüften und sah seine Teamkollegin aufgebracht an. „ Sehen Sie? Das kommt davon! Das kann doch alles nicht wahr sein! Es war soooo knapp!“

Samantha lächelte süffisant, sammelte ihre Karten ein uns stapelte sie ordentlich. Dann legte sie ihre Finger um ihr Glas, führte es wieder zu ihrem Mund und ließ das inzwischen widerlich lauwarme gewordene Bier ihre Kehle hinab laufen.
„ Sie sollten sich in Geduld üben“, meinte sie schließlich und stützte ihr Kinn auf ihre gefalteten Hände, blickte auffordernd in die Runde. „ Spielen wir noch eine Runde?“
Matt Scott sammelte seine und Greg Everetts Karten ein, legte sie auf ihre und Mitchells Karten, mischte sie. „ Was ist Ihr Einsatz, Colonel?“
Sie nutzte den Moment aus, ehe sie antwortete: „ Eine versiegelte Flasche Château Latour.“ Sie musste lächeln, als Mitchell sie leicht verwirrt ansah. „ Tja, nicht nur Sie haben Beziehungen, Cameron. Und…“- Sie blickte wieder in die Runde- „… wer ist dabei?“

Scott und Everett sahen einander an, nickten dann, reichten ihr die gemischten Karten.
„ Cameron?“ Fragend sah Samantha ihren Kameraden an, der noch immer zu überlegen schien, sich dann aber setzte und ihr antwortete: „ Sie geben.“

++++++++


Laut dem Display ihrer Armbanduhr war es elf Uhr in der Nacht, als sie sich auf die andere Seite rollte und ein schwacher Lichtschein über ihr Gesicht zu kitzeln begann. Normalerweise ignorierte sie so etwas immer geflissentlich, doch heute war es schlicht und ergreifend störend und so öffnete sie mit einem Murren ihre Augen. Wer auch immer für diesen Lichtschein, der sie zu allem Übel auch noch geweckt hatte, verantwortlich war, sollte die geballte Kraft ihrer miesen Laune zu spüren bekommen. Niemand riss Vala Mal Doran aus ihrem Schlaf, schon gar nicht mitten in der Nacht! Das war eine Farce, eine Unverantwortlichkeit! Einfach nur eine Frechheit!

Unter leisem Murren strampelte Vala sich die Decke vom Körper, setzte sich auf, schob ihre Beine über die Bettkante hinweg und rieb sich müde und heftig gähnend ihre Augen. Verschlafen blinzelte sie in die Richtung, aus der der Lichtschein zu ihr herüber schimmerte und entdeckte eine ihr bekannte Silhouette; sie saß an einem Tisch und war in sich zusammengesunken. Der Kopf war nach vorne auf einen Tablettlaptop gefallen.

Vala seufzte, erhob sich und schlurfte langsam los. Sie erinnerte sich, dass sie ihn in der letzten Woche vier Mal ins Bett hatte holen müssen, weil er übermüdet und erschöpft über seiner Arbeit eingeschlafen war. Im Grunde konnte sie ihn ja verstehen, doch so langsam machte sie sich doch Sorgen um ihn, die nicht minder von den dunklen Ringen, die unter seinen Augen lagen, und von den eingefallenen Wangen herrührten. So sehr sie seine Arbeit auch schätzte… Nein, sie wollte nicht mitansehen, wie er sich kaputtarbeitete.

Sie ließ ihren Blick über seinen Schreibtisch schweifen. Es sah aus, als hätte eine Bombe dort eingeschlagen; überall verstreut lag Papier herum, mittendrin Verpackungen von Energieriegeln. Seine Kaffeetasse war umgekippt und der Schluck, der noch drin gewesen war, verteilte sich quer über sauber Niedergeschriebenes. Und inmitten dieses ganzen Chaos war er.
Vorsichtig streckte Vala ihre Hand nach ihm aus und ruckelte sanft an seiner Schulter. „ Daniel, wach auf.“

Erst reagierte er gar nicht auf sie, zuckte dann aber erschrocken zusammen, als sie etwas stärker an seiner Schulter zu ruckeln begann und ihn energischer rief.
Mit weit aufgerissenen Augen fuhr der Archäologe aus seinem Schlaf, verfrachtete dabei einen Teil seiner Aufzeichnungen und seinen Tablettlaptop auf den Boden und seine Brille rutschte ihm von der Nase, landete auf seinem Schoß. „ V…vala.“
„ Komm ins Bett, Daniel“, sagte sie sanft.
Schlaftrunken kramte er nach seiner Uhr, fand sie aber nicht und sah sie deshalb fragend an. „ W…wie spät i…ist es?“
„ Spät“, antwortete Vala ihm. „ Du und ich sollten jetzt schlafen.“ Sie wollte ihn hochziehen, doch er blieb sitzen und schüttelte mit dem Kopf.
„ I…ich kann nicht“, meinte er nur und suchte seine Aufzeichnungen zusammen und verzog das Gesicht, als er seinen ausgelaufenen Kaffee bemerkte. „ Ich m…muss das hier fertig machen.“
Vala seufzte. „ Das kannst du bestimmt auch noch morgen machen. Komm jetzt, es ist spät!“

Daniel schüttelte wieder mit dem Kopf und strich sich mit seinen Händen über sein vom Schlafen noch blasses Gesicht. „ Ich habe es Dr. Weir versprochen.“
„ Ich bin mir sicher, dass es ihr lieber wäre, wenn du ein wenig schlafen würdest, anstatt dich tagsüber mit Kaffee vollzupumpen.“ Vala setzte sich auf die Tischkante und sah ihn sorgenvoll an. „ Und mir wäre das auch lieber.“
„ Ich weiß“, gähnte Daniel und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, aber nur für einen kurzen Augenblick… dann griff er wieder nach seinem Computer und begann die Daten zu studieren.
„ Daniel…“, seufzte Vala und holte aus, um ihm den Computer aus den Händen zu reißen, doch er drehte sich weg,
„ Das, das macht hier alles keinen Sinn“, murmelte er, ohne sie dabei anzusehen. „ I…ich muss das fertig bekommen, Vala. Das ist wichtig!“
„ Du solltest wirklich ins Bett kommen“, versuchte sie es noch einmal, doch wieder erfolglos.
„ Gleich“, meinte er nur und sie bezweifelte, dass er sie überhaupt gehört hatte.

Vala seufzte wieder und ergab sich ihrem Schicksal. Sie hopste von der Tischkante und gab Daniel einen Kuss, den er recht lieblos erwiderte und sich dann wieder auf seine Aufzeichnungen stürzte.
„ Mach nicht mehr so lange“, bat sie ihn, er nickte und sie wusste, dass sie den Rest der Nacht allein in ihrem Bett zubringen würde.

+++++++++


Was zur Hölle tue ich eigentlich hier? Sicherlich war es eine berechtigte Frage, die er sich da stellte. Er musste geschockt feststellen, dass er sich darauf keine Antwort geben konnte und schluckte.
Was tat er eigentlich hier? Warum, in alles in der Welt, hatte er sich hierzu überreden lassen? Das war doch das reinste Selbstmordkommando! Das war… das war… sein Todesurteil!
Panisch versuchte er sich daran zu erinnern, wie es Elizabeth bloß geschafft hatte, ihn zu diesem Mist zu überreden. Es überraschte ihn, dass sie das Thema überhaupt angesprochen hatte, doch noch mehr überraschte es ihn, dass er ihr versprochen hatte es zu tun. War er denn wahnsinnig geworden? War es denn schon soweit, dass er sich so leicht um den Finger wickeln ließ und bezirzenden Augen nicht Stand halten konnte? Also wirklich, er hieß doch nicht John Sheppard, der jedes weibliche Wesen beschlagnahmte, das sich bei drei nicht auf den nächstbesten Baum gerettet hatte. Oh nein, auf ein solches Niveau würde er nie herabsinken!

Rodney schwitzte Blut und Wasser und es fielen ihm mindestens tausend Dinge ein, die er in der Zwischenzeit hätte erledigen können; er könnte sein Quartier aufräumen oder sich mit den neusten Messungen auseinander setzten, die ihm heute Morgen überreicht worden waren. Er könnte endlich anfangen an seiner neusten wissenschaftlichen Arbeit zu feilen, die schon seit Ewigkeiten auf der Festplatte seines Computers schlummerte. Oder er könnte Klavier lernen oder Klarinette. Er konnte ein Stillleben zeichnen. Und außerdem schrieben sich seine Memoiren nicht von allein. Ja, das alles würde nun nicht beendet werden können und das nur, weil er sich zu diesem Mist hatte überreden lassen.
So langsam kam ihm das Gefühl, dass dieser Tag wohl der Schlimmste seines Lebens werden würde- mit der Ausnahme, als das FBI ihn wegen seiner selbst gebastelten Atombombe 10 Stunden lang verhört hatte. Elende Anzugträger!

„ Augen immer geradeaus. Konzentrieren Sie sich auf mich.“ Pah, Ronon hatte ja gut reden! Der mit Muskeln bepackte hünenhafte Neandertaler hatte sich ihm gegenüber bedrohlich aufgebaut und starrte ihn dabei an, wie ein gefräßiger Dinosaurier. Apropos gefräßig: Just in dem Moment fiel Rodney ein, dass er heute nur ein Sandwich zu sich genommen hatte und das war definitiv zu wenig für seinen Magen!
„ Schauen Sie nie weg! Das zeigt Ihre Schwäche!“ Ronon funkelte ihn finster an. „ Sind Sie schwach?“
„ Uh…“ Was sollte man bitte schön auf eine so dämlich gestellte Frage antworten? „ Nein?“
„ Gut“, sagte Ronon und sein Gesichtsausdruck wurde so finster, dass Rodney erschrocken zusammenzuckte. Boah, dieser Typ jagte ihm Angst ein. „ Sind Sie bereit?“

„ Ähm…“ Rodney tippelte nervös von einem Fuß auf den anderen, um eine bessere Standposition zu finden. Er fand das alles einfach nur fürchterlich kompliziert und wusste plötzlich warum er Wissenschaftler geworden war- nicht aus Spaß an der Wissenschaft, sondern vielmehr weil das Berufsbild des Soldaten ihm viel zu viel Gewalt beinhaltete.
„ Sind Sie bereit?“, fragte Ronon noch einmal, dieses Mal etwas energischer.
„ Ähm… ja“, antwortete Rodney zögerlich und betrachtete diese Aussage im nächsten Augenblick als den wohl fatalsten Fehler seines bisherigen Lebens.

Mit einem fast schon animalisch anmutenden Schrei riss Ronon seine Bantosstäbe in die Höhe und sprang auf ihn zu.
Rodney wusste warum, aber die pure Angst brach in einem ebenso lauten Schrei über seine Lippen und er versuchte sich armselig mit seinen Stäben zu verteidigen. Es ging ihm einfach alles zu schnell. Wenn er eine Sportart bevorzugte, dann war es eine langsame, bei der man sich nicht so viel bewegen musste.

Ronons Bantosstab dreschte erbarmungslos auf ihn nieder und brachte ihn unter lautem Wimmern zu Fall. Nein, das war nicht Elizabeths Werk gewesen! So etwas würde die gutmütige Expeditionsleiterin niemals tun! Nein, dieses Teufelswerk trug jemanden anderes Handschrift und die Tinte stank entsetzlich nach einem gewissen Air Force-Piloten. Oh, John Sheppard würde Qualen leiden, wenn er ihn in die Finger bekommen würde! Darauf konnte er sich gefasst machen! Der Zorn des Rodney würde keine Gnade kennen!

Doch im Moment hatte sich der erbarmungslose Zorn des Rodney in den hintersten Winkel zurückgezogen und würde für die nächsten 24 Stunden nicht mehr hervorkommen.
Unter leisem Wimmern kämpfte sich Rodney wieder auf die Beine, nach Atem ringend und völlig erschöpft.
„ McKay, was habe ich Ihnen gesagt?“, donnerte Ronons Stimme. „ Sie sollen die Augen nie vom Feind abwenden! Das könnte Ihr Tod sein!“
„ Jaja“, japste Rodney und kam sich vor wie ein gestrandeter Wal. „ Lassen Sie uns weitermachen.“
„ Konzentrieren Sie sich“, grummelte Ronon und begab sich wieder in Angriffposition.

Ob es wohl auffallen würde, wenn plötzlich der befehlshabende Offizier unter mysteriösen Umständen verschwinden würde? Diese Frage spukte Rodney unwillkürlich durch den Kopf.
„ McKay, konzentrieren Sie sich auf Ihren Gegner“, schnauzte Ronon ihn an.
„ Hey“, wehrte sich der Kanadier, „ dass alles hier ist nicht meine Idee gewesen und ich bin ebenso wenig begeistert wie Sie, mein Freund. Also, wenn es nach mir ging, könnten wir das Ganze hier abbrechen.“
Sein Gegenüber zog die linke Augenbraue hoch. „ Sie wollen kneifen? Sie sagten, Sie seien bereit.“
„ Das war ich auch“, erwiderte Rodney schnell.
„ Sheppard hatte Recht“, murmelte Ronon stirnrunzelnd.
„ Womit hatte er Recht?“ Rodney hatte es doch gewusst: Nie im Leben hätte Elizabeth dieses Ganze hier in die Wege geleitet! Sie war nur die Marionette eines Luftwaffenoffiziers gewesen, der nicht Mann genug war, um das selber in die Hand zu nehmen. Dieser Möchtegern- Casanova sollte sich etwas schämen!

Eigentlich glaubte Rodney seinen Gegner in den letzten qualvoll langen Minuten eingeschätzt zu haben- doch da hatte er sich geirrt, was er schmerzlich feststellen musste. Ronon zuckte nur mit seinen breiten Schultern, meinte: „ Damit, dass Sie ein Schwächling und ein Weichei sind“. Schneller, als Rodney es hätte registrieren können, holte der Sateder mit seinen Bantosstab aus und schlug ihm damit in den Unterleib.
„ Uuuuuuh!“ Rodney verdrehte vor Schmerz die Augen und sank auf die Knie.
„ Ich sagte, Sie sollten sich konzentrieren“, kommentierte Ronon seinen Zusammenbruch kühl und begann seine Bantosstäbe zwischen seinen Fingern zu drehen. „ Sie lassen sich ablenken. Wäre das ein echter Kampf…“
„… w…wäre ich s…schon längst über a…alle Berge“, presste Rodney mühsam hervor.

Eines war sicher: Wenn er hier jemals lebend rauskommen würden, dann sollte sich John Sheppard vorsehen! Oh ja, dieser erzwungene Kampf war eine Sache für sich, doch niemand nannte Rodney McKay einen Schwächling und schon gar nicht ein Weichei!

++++++++


„ Was… aber wie…“ Elizabeth Weir stand die Überraschung ins Gesicht geschrieben, als sie die Türe zu ihrem Quartier öffnete und einem unerwarteten Besucher ins Antlitz blickte. „ Dr. Branton, was machen Sie denn hier?“
Mike Branton lächelte sie charmant an und hielt eine dunkelgrüne Flasche Wein in die Höhe. „ Ich dachte mir, Sie könnten vielleicht eine kleine Ablenkung gebrauchen.“
„ Aber…“ Elizabeth brachte ihren Satz nicht zu Ende und ließ den Wissenschaftler überrumpelt gewähren, als dieser sich an ihr vorbei in ihr Quartier schlängelte und sich interessiert umsah.
„ Hübsch“, meinte er und drehte sich zu ihr um; seine tiefbraunen Augen funkelten in dem gedämmten Licht.
„ Sollten Sie nicht eigentlich im Labor sein und Dr. McKay und Dr. Jackson bei der Entschlüsselung der Daten helfen?“, fragte Elizabeth ihn. Sie war überrascht, dass er so spät noch hier auftauchte- sie hatte nicht mit ihm gerechnet. Genau genommen hatte sie mit niemanden mehr gerechnet; sie wollte sich gerade schlafen legen, hatte vorher noch ein paar Aufzeichnungen von Dr. Jackson überflogen.
„ Ich denke, die beiden schaffen das auch ohne mich“, erwiderte Mike Branton ihr und zauberte zwei Weingläser hinter seinem Rücken hervor, deutete auf die Couch. „ Setzen Sie sich doch“ – Er grinste frech- „ Ich verspreche auch, Ihnen nicht zu nahe zu kommen.“

Zögerlich gab Elizabeth seiner Bitte nach und setzte sich, betrachtete ihn, während er ihr ein Glas Rotwein einschenkte, von dem sie nicht wissen wollte, woher er es hatte.
Mike Branton war ein interessanter Mann- und das galt nicht nur für sein Aussehen. Okay, sie musste zugeben, dass er ein sehr… sehr attraktiver Mann war und sie musste eingestehen, dass sie nicht abgeneigt war und es in Betracht zog, mehr Zeit mit ihm zu verbringen.
Du meine Güte. Elizabeth erschrak bei dem Gedanken. Hatte sie eben noch an seine guten Eigenschaften denken wollen, so war sie jetzt wieder ihrer Schwärmerei verfallen.

Ihr Gegenüber schien ihren Konflikt zu erkennen und lächelte ein zauberhaftes Lächeln, dass sie dahinschmelzen ließ wie Butter.
„ Was beschäftigt Sie?“, fragte ihr, reichte ihr das Weinglas und setzte sich dann neben sie.
„ Ich habe nachgedacht“, gestand Elizabeth, nippte an ihrem Wein; er schmeckte vorzüglich, war süßlich und prickelte angenehm auf der Zunge.
„ Darf ich erfahren, worüber Sie nachgedacht haben?“ Mike sah sie eindringend an und es kam ihr vor, als wollte er sie mit seinen braunen Augen durchbohren.
Elizabeth lächelte verlegen und drehte ihren Kopf ein Stück weg. „ Wenn ich ehrlich sein soll… ich habe über Sie nachgedacht.“
Ein spitzbübisches Grinsen zog sich über das Gesicht ihres Gegenübers und er blinzelte sie über den Rand seines Weinglases an. „ Wirklich?“
„ Das hört sich jetzt bestimmt ziemlich… verrückt an.“
„ Oh nein, gar nicht“, wehrte Mike ab und schüttelte mit dem Kopf. „ Es kommt nicht alle Tage vor, dass sich attraktive Frauen Gedanken um mich machen.“

Hatte er sie gerade als attraktiv bezeichnet? Elizabeth merkte, wie ihr eine leichte Röte in die Wangen schoss, und strich sich verlegen eine dunkelbraune Haarsträhne aus dem Gesicht. „ Dr. Branton, ich weiß nicht…“
„ Mike“, korrigierte er sie, charmant lächelnd. „ Sie können ruhig Mike zu mir sagen.“
Elizabeth blickte ihm ins Gesicht. „ Ich denke nicht, dass das angebracht ist.“
„ Warum denn nicht?“, fragte er. „ Ich finde, dass es angebracht ist. Wir trinken zusammen Wein, ich bin in Ihrem Quartier…“
„ Moment!“ Elizabeth hob abwehrend ihre Hände. „ Sie denken doch nicht etwa…“
Mike hob seine Augenbrauen. „ Sie etwa nicht?“
„ Nein!“, gab sie ihm zu zurück und stellte ihr Weinglas auf die gläserne Tischplatte.
„ Hhm“, machte er, führte sein Glas wieder an seine Lippen. „ Und ich dachte…“
Elizabeth erhob sich und blickte auf ihn herab. „ Hören Sie zu… Mike. Sie sind für mich ein brillanter Wissenschaftler und ich schätze Ihre Arbeit wirklich sehr, aber…“
„ Dr. Franklin hatte Recht“, fiel er ihr ins Wort und bedachte sie wissenden Blickes.
„ Womit sollte er bitte schön Recht haben?“, wollte sie von ihm wissen.
Mike seufzte tief, stellte sein Weinglas ebenfalls auf der Tischplatte ab und richtete sich dann auf, verbarg seine Hände in den Hosentaschen. „ Damit, dass Sie und Col. Sheppard…“ Er beendete seinen Satz nicht und vielleicht war das auch besser so.

Elizabeth verspürte auf einmal den Drang, sich zu setzen und sich den in der Flasche verbliebenen Rest Rotwein die Kehle hinunterzukippen. Entgeistert starrte sie Mike Branton an. „ Das hat er gesagt?“
Den Wissenschaftler schien ihre Überraschung zu verwundern, denn er zog die Stirn kraus. „ Stimmt es etwa nicht?“
Elizabeth lachte laut los und schüttelte mit dem Kopf. „ Nein, was denken Sie denn? Die Expeditionsleiterin und ihr militärischer Oberbefehlshaber? Also wirklich!“
Sie und John? Nein! Okay, vielleicht hatte sie sich anfangs wirklich mehr erhofft und die Tatsache, dass der Soldat sehr attraktiv war, ließ sich nicht verleugnen. Aber für sie war der Soldat ihr mit Abstand bester Freund, nicht mehr und nicht weniger. Nach alledem, was zwischen ihnen vorgefallen war, wollte sie dieses Verhältnis nicht aufs Spiel setzen, indem sie mehr von ihm verlangte. Und außerdem schien zumindest John eine intakte Beziehung zu führen…

„ Nein“, wiederholte Elizabeth noch einmal, „ nein, das stimmt nichts.“ Sie glaubte Erleichterung in Mike Branton’s Augen aufblitzen zu sehen und ein Lächeln zog sich über seine Lippen.
„ Tja“, meinte er nur, „ sieht so aus, als schulde Dr. Franklin mir zwanzig Mäuse.“
„ Sie haben gewettet?“, rief Elizabeth und sah ihn entsetzt an. „ Sie haben gewettet, dass ich und… Ich glaubs nicht!“
„ Das heißt, Sie und der Colonel sind nicht…“
Sie schüttelte mit dem Kopf. „ Nein, wir sind nicht zusammen.“
„ Das heißt, Sie sind sozusagen…“, setzte Mike an, doch Elizabeth unterbrach ihn.
„ Mike, was auch immer Sie zu erreichen versuchen. Sie sind mir wichtig, als Mitglied dieser Expedition. Es tut mir leid, aber da ist nicht mehr.“

„ Verzeihen Sie mir, Liz.“ Mike Branton seufzte und fuhr sich mit einer Hand durch seine dunkelbraun gelockten Haare. Er machte einen Schritt auf sie zu, dann noch einen, bis sie seinen Atem auf ihren Lippen spüren konnte. Er seufzte noch einmal, umschloss dann ihr Gesicht mit seinen Händen und küsste sie.

++++++++


Das letzte Mal hatte er das als kleiner Junge gemacht. Er erinnerte sich noch sehr gut daran. Es war ein regnerischer Novembertag gewesen; der Nebel hatte auf den Feldern gestanden, die Luft war kühl gewesen und hatte nach feuchtem Gras und moderiger Erde gerochen.
Es war sein Großvater gewesen, der ihm das Klavier geschenkt hatte… und damit wohl einen großen Einfluss auf sein Leben genommen hatte. Seine Eltern hatten ihm die Klavierstunden bezahlt, doch schon bald verlor er dieses Hobby aus den Augen und begann sich mehr für die Medizin zu interessieren.
Das Klavier war auf den Dachboden geschafft worden. Inzwischen musste es bestimmt vollkommen verstaubt und verstimmt sein. Eigentlich schade, ein so teueres Stück so zu verkommen zu lassen…

Carson Beckett seufzte, als er sich an die wunderschönen Stunden zurückerinnerte und an das eine Weihnachtsfest, wo er seiner Familie auf dem Klavier 'Heilige Nacht' vorgespielt hatte- sein Großvater hatte Tränen in den Augen gehabt!
Das war jetzt über dreißig Jahre her und es war schon ein komisches Gefühl jetzt wieder die schwarzen und weißen Tasten unter seinen Fingerkuppen zu spüren. Der Zauber vergangener Jahre schien wieder da zu sein und ein warmes Gefühl breitete sich in seinem ganzen Körper aus. Er hatte es vermisst zu spielen!
In Atlantis hatte er nie Zeit dazu gefunden und wenn er das Haus seiner Eltern besuchte, dann war er immer zu faul die Treppe zum Dachboden zu erklimmen, nur um auf einem verstaubten und völlig verstimmten Klavier zu klimpern. Und außerdem glaubte er eh, dass er im Laufe der Jahre einiges verlernt hatte.

Das Klavier, das inmitten seines Quartiers stand, sah edel aus. Die schwarze Verkleidung schimmerte matt in dem diffusen Licht der Deckenbeleuchtung. Zu den schwarzen Ebenholztasten bildeten die weißen Elfenbeintasten einen geradezu perfekten Kontrast, fühlten sich gut an, als er seine Finger über sie gleiten ließ.
Carson zögerte kurz, drückte dann eine der Tasten; ein glasklarer Ton erfüllte sein Quartier und ließ seine Ehrfurcht noch weiter anwachsen. Es fiel ihm schwer zu glauben, dass es sich hierbei um das Werk eines Schiffscomputer handelte, noch dazu von einer Antikertechnolgie- er bezweifelte, dass die Gateerbauer diese Art von Musikinstrumenten damals schon gekannt hatten. Aber vielleicht…

Carson schüttelte mit dem Kopf. Es war doch einfach nur absurd, darüber nachzudenken. Stattdessen sollte er dankbar sein, dass man diese Möglichkeit entdeckt hatte. Womöglich würde er sich jetzt zu Tode langweilen oder wieder einmal über Datenauswertungen brüten, wie sooft in den letzten Wochen. Er konnte nicht glauben, dass es echt schon Wochen waren! Dreieinhalb um es genau zu sagen…
Seit dreieinhalb Wochen befanden sie sich nun auf diesem Schiff, doch ihm kam es inzwischen wie eine halbe Ewigkeit vor. Nichts wünschte er sich sehnlicher, als endlich nach Hause zurückkehren zu können, doch glaubte man Rodney, so schien dies unmöglich zu sein.
Alle wussten, dass der Kanadier mit Hochdruck versuchte, sie nach Atlantis zurückzubringen. Doch ebenso wussten sie, dass es ihm nicht gelingen würde. Die Artemis war ein riesiges schwebendes Gefängnis, aus dem es kein Entkommen gab! So sehr man es auch versucht… man scheiterte immer wieder.

Nearer, my God, to Thee, nearer to Thee!
E’en though it be a cross that raiseth me,
Still all my song shall be, nearer, my God, to Thee.


Der Refrain eines alten Liedes, das ihm sein Großvater damals immer vorgesungen hatte, kam ihn in dem Sinn und fast automatisch legte Carson seine Finger auf die Tasten und begann zu spielen.
Die klare Tonfolge erfüllte den Raum und er fühlte sich von dem Klang dermaßen beflügelt, dass er sich irgendwann vollkommen der Musik hingegeben hatte. Für einen kurzen Moment vergaß er, dass er weitab von zuhause war. Da war nur er und die Musik! Der Rest verblasste und um ihn herum verstummte alles, außer dem Klang des Klaviers.

++++++


„ Ich… ich brauche einfach …“- Sie seufzte tief und ihre zaghaft leise Stimme zitterte- „… ich brauche Zeit für mich. Ich hoffe, du verstehst das.“

Nachdenklich beobachtete John seine Freundin dabei, wie sie ihre um das Bett verteilten Klamotten einsammelte und sich hastig wieder ankleidete. Ihre Worte wollten ihm einfach nicht aus dem Kopf gehen und es brachte ihn fast um den Verstand, als er sie immer wieder aufs Neue abspielte. Ich brauche Zeit für mich. Ich hoffe du verstehst das.

John fuhr sich mit den Fingern durch seine dunklen Haare und kniff die Lippen fest aufeinander. Hatte er vielleicht irgendetwas falsch gemacht? Nein, das konnte nicht sein!
Er hatte ihr ihren Freiraum gelassen, hatte es akzeptiert, wenn sie allein sein wollte, war für sie da gewesen und hatte sie getröstet, als sie dem Druck nicht mehr länger hatte standhalten können und in Tränen ausgebrochen war. Wann immer sie ihn brauchte, war er bei ihr gewesen. Wann immer sie allein sein wollte, war er gegangen. Was hatte er also falsch gemacht?

Immer noch schweigend beobachtete er Teyla, wie sie mit zittrigen Fingern versuchte den Reißverschluss ihrer Uniform zu schließen, was ihr aber nicht gelingen wollte.
Es tat ihm in der Seele weh, sie so verzweifelt zu sehen, weshalb er die Bettdecke beiseite schob, mit einem Arm nach seiner Boxershorts und nach seiner Hose angelte, die beiden Kleidungsstücke überzog. Langsam schlenderte er zu ihr rüber.
„ Lass mich das machen“, ermahnte er sie und schloss den Reißverschluss mit geschicktem Handgriff, sah sie dann an. „ Was ist los mit dir, Teyla?“
Die Athosianerin blickte auf ihre Füße hinab, ein leises Schluchzen brach über ihre Lippen. Als sie sich aufraffte ihm ins Gesicht zu blicken, glitzerten Tränen in ihren wunderschönen braunen Augen.
„ Du würdest es nicht verstehen“, sagte sie so leise, dass er sie fast gar nicht verstand.
John seufzte. „ Natürlich kann ich es nicht verstehen, wenn du es mir nicht sagst.“
„ Ich kann nicht“, erwiderte sie ihm mit tränenerstickter Stimme.
„ Versuch’ es wenigstens“, bat er sie.
„ Ich kann es nicht, John“, schluchzte Teyla und schüttelte mit dem Kopf. „ Ich wünschte, ich könnte es dir erklären, doch das kann ich nicht. E…es tut mir leid.“
„ Kannst du nicht mit mir darüber reden, oder willst du es einfach nicht?“, fragte er sie.
Die Athosianerin seufzte tief. „ John…“
„ Wenn du es mir nicht sagen kannst, dann verstehe ich das. Und auch, wenn du es mir nicht sagen willst, aber…“- Vorsichtig schob er einen Finger unter ihr Kinn und hob es an, sodass sie ihm in die Augen sehen musste. „ Ich mach mir Sorgen um dich, Teyla.“
Sie lächelte schwach. „ Ich wünschte ich könnte es dir sagen.“
„ Ich weiß“, erwiderte John.
„ Aber ich kann es nicht“, fuhr sie fort. „ Ich hoffe, du verstehst mich. Ich muss einfach eine Weile alleine sein, nur für mich. Zum Nachdenken.“
„ Du weißt, dass du immer zu mir kommen kannst, oder?“, fragte er sie und sie nickte.

Es war schon irgendwie verrückt, was in den letzten drei Tagen alles passiert war und wie sehr Teyla sich verändert hatte. Das Erlebnis mit Helia schien sie vollkommen aus der Bahn geworfen zu haben und diese Unwissenheit nagte gewaltig an Johns Nerven. Nur zu sehr wünschte er sich zu erfahren, was sie bedrückte… doch sie redete nicht mit ihm, sondern schwieg und fraß ihren ganzen Kummer in sich hinein.
Ihm gefiel dieses Verhalten nicht- es war absolut nicht Teylas Art! Seit er sie kannte, hatte sie immer mit ihm über ihre Probleme gesprochen und ihre Offenheit ihm gegenüber hatte er schon immer geschätzt. Sie beide hatten immer eine recht offene Beziehung geführt. Doch jetzt wollte ihn das Gefühl nicht loslassen, dass sie ihm etwas verschwieg. Er wollte sie fragen, doch er brachte es einfach nicht übers Herz.

Ihm war aufgefallen, dass die Athosianerin sich in den letzten Tagen zurückgezogen hatte. Sie war nicht zum gemeinschaftlichen Essen erschienen und Ronon hatte ihm gegenüber erwähnt, dass sie ihr geplantes Training abgesagt hatte.
Nachts, wenn er aufgewacht war, hatte er mitbekommen, dass sie wach neben ihm gelegen hatte und einmal hatte er sie leise schluchzen gehört. Sie hatte sich von ihm entfernt, war am heutigen Morgen und den ganzen Tag über unauffindbar gewesen. Heute Abend war sie dann wieder da gewesen, hatte aber kein Wort verloren.
Sie hatten miteinander geschlafen. Dabei gabs nicht viel zu reden. Danach hatten sie nur nebeneinander gelegen, die Zimmerdecke anstarrend und versucht einen möglichst gleichmäßigen Atemrhythmus wiederzufinden.

Teyla seufzte leise und machte einen zögerlichen, kleinen Schritt nach hinten, riss ihn aus seinen Gedanken. In ihren braunen Augen schimmerten Tränen und sie presste die Lippen fest aufeinander, um ein Schluchzen zu unterdrücken.
„ E…es tut mir leid“, wisperte sie nur und wandte sich weg, um zu gehen, doch John bekam sie noch an ihrem Arm zu packen.
„ Warte“, bat er sie. Sie drehte sich um. „ Es ist doch nicht wegen mir, oder?“
„ Nein.“ Teyla schüttelte mit dem Kopf. „ Du hast nichts damit zu tun. Ich brauche nur Zeit zum Nachdenken.“ Sie trat an ihr heran und lehnte ihren Kopf gegen seine Brust. „ Nur für ein paar Tage, okay?“
„ Nur ein paar Tage“, wiederholte John stumm und fragte sie flüsternd: „ Du weißt, dass ich dich liebe, oder?“ Er nahm ihre Hand und führte sie an seine Lippen, küsste sie zärtlich.

„ Daran wird sich nichts ändern“, erwiderte sie ihm leise, küsste ihn noch einmal auf seinen nackten Oberkörper und ging dann.

++++++++


„ Wir haben nur eine Runde gekämpft“, beteurte Ronon mit Unschuldsmiene, mit den Schultern zuckend. „ Ich war vorsichtig.“
„ Vorsichtig nennen Sie das?“, bellte Dr. McKay und funkelte den Sateder dabei so finster an, dass sie befürchtete, er würde tot umkippen. „ Nur wegen Ihnen sitze ich hier und werde verbluten!“
„ Wir wollen mal nicht übertreiben, Doktor“, lächelte Jennifer Keller und begutachtete die kleine Platzwunde am Kopf des Kanadiers. „ Sieht gar nicht mal so schlimm aus. Ich werde Sie nicht einmal nähen müssen.“
„ Halleluja“, grummelte der Wissenschaftler leise und verzog sein Gesicht dann zu eine düsteren Grimasse. „ Das war alles nur Sheppards Idee! Wenn ich ihn erwische…“
Jennifer tupfte die Wunde vorsichtig sauber. „ Ich bin mir sicher, der Colonel wollte nur das Beste für Sie.“
„ Indem er mich verprügeln lässt?“, knurrte Rodney.
„ Sie hätten sich wehren können“, warf Ronon ein und verschränkte die Arme vor seinem muskulösen Oberkörper.
„ Sie hätten weniger brutal sein können“, erwiderte ihm der Kanadier, schnitt eine schmerzverzerrte Grimasse, als das Desinfektionsmittel in seine Wunde floss.
„ Sie hätten besser aufpassen sollen.“ Ronon senkte den Blick und zog seine Augenbrauen zusammen. „ Ich habe Sie noch nicht mal richtig dran genommen.“

Jennifer schmunzelte, als sie aus dem Augenwinkel sah, wie Rodney McKay zum Gegenangriff übergehen wollte, aber ihm anscheinend keine bissige Erwiderung einfiel; er zog eine beleidigte Schnute und sein Blick wurde noch finsterer. Es war doch immer wieder überraschend, wie eingeschnappt dieser Mann sein konnte! Aber- vielleicht würde sie man deshalb für verrückt erklären- fand sie das irgendwie niedlich…
„ Sie können ruhig gehen“, sagte sie zu Ronon. „ Ich denke, ich krieg das hier schon alleine hin.“
„ Wenn Sie meinen.“ Der Sateder zuckte mit den Schultern und verabschiedete sich mit einem kurzen Nicken.
„ Jaja, gehen Sie ruhig“, keifte Rodney ihm hinterher. „ Hoffentlich brechen Sie sich den Hals, wenn Sie im Bad auf der Seife ausrutschen!“
Jennifer lächelte. „ War es denn wirklich so schlimm?“
Entgeistert sah sie ihr Gegenüber an. „ Soll das eine ernst gemeinte Frage sein? Natürlich war es schlimm! Dieser Kerl hat mir fast den Schädel eingeschlagen!“
„ Er meinte, Sie hätten sich vor Schreck das Ding selbst um die Ohren gehauen“, grinste Jennifer und legte vorsichtig ein Pflaster auf die gesäuberte Wunde.

Rodneys Miene verriet ihr, dass der Kanadier dies für eine Zumutung hielt und dass er gemeine Rachepläne gegen sein außerirdisches Teammitglied zu hegen begann.
„ So“, meinte sie und reichte ihm eine kleine Dose Schmerzmittel. „ Eigentlich müssten Sie die gar nicht brauchen, aber für alle Fälle… Kommen Sie einfach zu mir oder zu Carson, falls Sie irgendwelche anderen Beschwerden kriegen sollten.“
„ Und die wären?“, fragte der Wissenschaftler.
„ Kopfschmerzen, Übelkeit…“
„ Kopfschmerzen habe ich, seitdem ich nach Pegasus gekommen bin und von diesem Essen kann einem ja nur schlecht werden“, meinte Rodney und verzog theatralisch das Gesicht.
Jennifer lächelte. „ Kommen Sie einfach hierher, falls sich irgendetwas ändert… und falls Ihr Mordanschlag gegen Col. Sheppard oder Ronon schief läuft.“
Rodney eingefrorener Blick taute etwas auf und sie glaubte ein kleines Lächeln über seine Lippen huschen zu sehen.
„ Gute Nacht“, sagte er und verabschiedete sich mit einem Nicken, ebenso wie Ronon es getan hatte.
„ Gute Nacht, Rodney.“

+++++++++


Kaum hatte sich die Türe zu ihrem Quartier hinter ihr geschlossen, presste sich Teyla die Hand vor ihren Mund, um das laute Schluchzen, das auf ihrer Zunge lag, zu unterdrücken, doch es gelang ihr nicht. Tränen schossen ihr in die Augen und brachen über die Augenränder hinweg, strömten an ihren Wangen hinab und tropften auf den Boden.
Ihre Knie wurden wackelig und gaben schließlich unter ihr nach- mit einem lauten Schluchzen ging sie zu Boden, stützte sich mit der einen Hand auf den kalten Boden, hielt sich die andere noch immer vor ihren Mund gepresst.

Ihre Gefühle brandeten über sie hinweg, stärker als sie es je getan hatten und sie fühlte sie schwach und unbedeutend. Ihr blutendes Herz schien für einen Moment zu stocken und alles um sie herum verstummte- da war nur ihr lautes Schluchzen und ihre Gedanken, die gnadenlos auf die einprügelten.
Sie hatte ihm nicht dermaßen vor dem Kopf stoßen wollen, doch sie hatte keine andere Wahl gehabt. Die letzten Tage waren anstrengend gewesen und sie brauchte wirklich Ruhe und Zeit zum Nachdenken. Nicht, dass er ihr nicht genügend Freiraum gelassen hatte…
In den letzten beiden Tagen hatte sie versucht allen aus dem Weg zu gehen, doch es war ihr trotzdem immer irgendwer über den Weg gelaufen. In den schlaflosen Nächten hatte sie nachgedacht, wohl wissend, dass John wach neben ihr lag und sich fragte, warum sie wohl nicht schlief.
Obwohl sie es nicht gewollt hatte, hatte sie sich mehr von ihm zurückgezogen… doch lange hatte sie das nicht ausgehalten. Heute hatte sie ihre Sehnsucht nach ihm überwältigt und sie war zu ihm zurückgekehrt, obschon sie sich nicht dazu bereit gefühlt hatte. Sie hatte mit ihm geschlafen, obwohl sie seelisch so labil war, dass sie gefürchtet hatte, einfach zusammenzubrechen.

Sie war seelisch labil. Sie brauchte Zeit zum Nachdenken. Sie musste einfach allein sein. Diese Tatsachen waren sicherlich hart, doch nicht zu ändern. Seit der Sache mit Helia hatte sie sich verändert. Manchmal fiel es ihr schwer zu sagen, inwiefern, doch die Veränderung war nun nicht mehr zu ignorieren. Sie wusste auch, dass John es wusste… oder es zumindest erahnte. Und sie wollte ihn nicht belasten! Er hatte schon genug mit der ganzen Situation zu kämpfen, da sollte er sich nicht noch um sie sorgen!
Dennoch schmerzte es sie, sich von ihm zu trennen, auch wenn es nur vorrübergehend war. Der enttäuschte Ausdruck in seinem Gesicht und das traurige Funkeln in seinen Augen hatte ihr ein Stich ins Herz versetzt. Es blutete…

Teyla strich sich die heißen Tränen mit dem Handrücken von den Wangen, lehnte gegen die geschlossene Türe ihres Quartiers und starrte geradeaus.
„ Du musst es irgendjemanden sagen.“ Seine Stimme war allgegenwärtig- in den letzten drei Tagen hatte sie schon daran gewöhnt. Sie konnte es nicht ändern, also versuchte sie es erst gar nicht.
„ Es ist kompliziert“, entgegnete sie ihm und blickte zu ihm auf. Er stand nur wenige Meter von ihr entfernt und sah sie mit einem warmen Ausdruck in seinen haselnussfarbenen Augen an.
Es war schwer zu begreifen, dass es sich nur um ein Gespinnst ihrer Fantasie handelte- er wirkte so real!
Sie seufzte: „ Eolion?“
„ Ich würde es ihm sagen“, meinte er mit ernstem Gesichtsausdruck und gerunzelter Stirn.
„ Ich weiß“, murmelte Teyla, schloss ihre Augen und lehnte ihren brummenden Schädel gegen die kalte Tür. „ Aber ich kann es nicht.“
„ Irgendwann wirst du es jemanden sagen müssen. Für alles gibt es eine bestimmte Zeit, Teyla. Und deine ist nun gekommen.“

Als sie ihre Augen wieder öffnete, um ihm zu antworten, war er verschwunden- sie war allein in ihrem Quartier, allein mit ihren Gedanken. Nicht gerade ein sehr beruhigendes Gefühl!

TBC
Time after time by Ailya
Pleasure of love lasts but a moment. Rain of love lasts a lifetime


Sue Thompson ergab sich einem tiefen Seufzen und stopfte sich mitleidig einen Löffel, voll beladen mit undefinierbaren weißen Zeug, in den Mund und meinte mampfend: „ Seht doch nur, wie bedrückt sie ist.“
„ Sie wirkt so traurig“, pflichtete Kate Whitefield- eine Soldatin mit feuerroten Locken und pfefferminzgrünen Augen- ihr bei und nickte eifrig. „ Die Arme kann einem nur Leid tun.“
„ Das geht schon seit fast einer Woche so“, wusste Sue zu behaupten und leckte ihren Löffel sauber. Mit ihren grünblauen Augen funkelte sie ihre Freundin wissend an.
„ Kein Wunder…“ Tamara McLaine, eine dralle Brünette mit rehbraunen Augen und Pausbäckchen, hob die Augenbrauen und schüttelte angesäuert mit dem Kopf.
„ Was meinen Sie?“, fragte Kate, leicht irritiert von der Tatsache, dass ihre Freundin scheinbar mehr wusste als sie.
Tamara stützte sich mit ihren Ellenbogen auf die Tischplatte und lehnte sich leicht nach vorne. Mit ihren kurzen Fingern fuhr sie durch ihre langen dunkelbraunen Haare. „Ich weiß aus sicherer Quelle, dass sie und der Colonel sich getrennt haben sollen.“
Sue schlug sich die Hand vor den Mund. „ Nein, wirklich?“
Pures Entsetzen stand Kate ins Gesicht geschrieben. „ Oh, mein Gott, die arme Teyla.“
„ Ist das denn wirklich wahr?“, fragte die blonde Sue mit zittriger Stimme.
„ Du meine Güte, wie wird sie nur damit fertig?“ Kate schüttelte mit dem Kopf, sodass ihre roten Locken auf und ab wippten.
„ Tja, irgendwann wird aus jedem Prinz Charming ein elendig quakender Frosch“, meinte Tamara missbilligend und zog verachtend ihre Augenbraue hoch.

Still lauschte Jennifer Keller dem Tratsch ihrer Kolleginnen, die über dem Tisch die Köpfe zusammengesteckt hatten und mit Sicherheit die gemeinsten Beschimpfungen auf einen gewissen Luftwaffenoffizier herabregnen ließen- sicherlich schämten sie sich dafür noch nicht einmal. Wenigstens von Lt. Whitefield hatte sie etwas mehr Respekt ihrem befehlshabenden Offizier gegenüber erwartet, doch die zierliche Irin war mitunter die Schlimmste von den dreien, schimpfte wie ein Rohrspatz und betonte immerzu, wie gemein es war, eine Frau sitzen zu lassen und nur als Sexobjekt zu benutzen. Jennifer fragte sich, warum die Rothaarige keine Frauenrechtlerin geworden war…

Der weiße und unglaublich klebrige Brei in ihrer Schüssel schmeckte einfach nur widerlich; ziemlich lustlos stocherte Jennifer mit ihrem Löffel in ihm herum. Verhalten spähte sie über Dr. McLaines Schultern hinweg und sah Teyla allein an einem der Tische sitzen; die Athosianerin hatte ein Tablett vor sich, doch scheinbar schmeckte ihr dieser farb- und geruchslose Brei auch nicht, denn die Schüssel war unberührt.
Jennifer seufzte innerlich auf und fragte sich, ob sie nicht vielleicht zu ihr herübergehen und ihr ein bisschen Gesellschaft leisten sollte- entschied sich aber dann dagegen. Möglicherweise wollte Teyla ja allein sein. Wer konnte das wissen…

„ Diesen Kerl sollte man bestrafen“, schimpfte Tamara McLaine in diesem Moment und ihre beiden Freundinnen nickten energisch.
„ Recht so“, tönte Sue Thompson und Kate Whitefield entfuhr ein aufgebrachtes „ Unmöglich, so ein Verhalten“.

Jennifer versuchte das Geschimpfe der drei Frauen bestmöglich zu ignorieren und sah wieder zu Teylas Tisch; die Athosianerin hatte anscheinend beschlossen, dass sie heute Morgen keinen Hunger hatte. Sie hatte noch nicht einmal ihren Saft ausgetrunken, als sie aufstand, dass Tablett anhob und sich langsam in ihre Richtung absetzte.
Während sie sich ihrem Tisch näherte, betrachtete Jennifer sie ganz genau; irgendwie erweckte sie einen nicht so gesunden Eindruck. Ihre braunen Augen hatten ihren Glanz verloren. Sie hatte dunkle Runge unter ihren Augen und ihre Wangen waren eingefallen.
Als Teyla an ihrem Tisch vorbeischritt und die drei Tratschtanten endlich für einen Moment einmal den Mund hielten, fiel Jennifer auf, wie gefährlich dünn die Athosianerin doch war. Ihr Anblick war besorgniserregend.

„ Entschuldigen Sie mich, bitte“, meinte Jennifer, als Teyla ihr Tablett abstellte und daran war die kleine Kantine zu verlassen. Sie richtete sich auf und eilte der Athosianerin hinterher, rief:„ Teyla, warten Sie mal einen Moment!“
„ Dr. Keller.“ Teyla blieb tatsächlich stehen und empfing sie mit einem müden Lächeln. „ Was kann ich für Sie tun?“
„ Haben… haben Sie vielleicht Lust, sich mit an unseren Tisch zu setzen?“, fragte die blonde Ärztin. „ Dr. Thompson und Dr. McLaine lassen sich gerade über die Inkompetenz von Männern aus.“
Das erschöpfte Lächeln verschwand aus Teylas Gesicht. „ Ich würde Ihnen sehr gerne Gesellschaft leisten, Doktor, doch ich habe noch etwas vor.“
„ Oh.“ Jennifer entlarvte dies als eine billige Ausrede, doch Teylas braune Augen und ihr ausgemergelter Körper schrieen förmlich danach, sie gehen zu lassen, deshalb zuckte sie mit den Schultern und meinte nur: „ Na, dann wünsche ich Ihnen noch einen angenehmen Tag.“
„ Den wünsche ich Ihnen auch, Dr. Keller.“ Teyla verabschiedete sich mit einem Lächeln.

Jennifer sah ihr nach, doch bevor sie um die Ecke biegen konnte, schlugen ihre medizinischen Sensoren Alarm und sie setzte an, um der Athosianerin zu folgen. „ Teyla, warten Sie!“
„ Gibt es noch irgendwas?“, fragte sie die zierliche Brünette, als sie sie eingeholt hatte.
Jennifer nickte und vergewisserte sich mit einem schnellen Blick über ihre Schulter, dass sie beide allein waren. Sorgenvoll sah sie die Athosianerin daraufhin an. „ Geht es Ihnen gut?“
„ Natürlich“, antwortete Teyla. „ Wie kommen Sie auf den Gedanken, dass es mir nicht gut geht?“
„ Sie… sie wirken in letzter Zeit etwas abgespannt und müde“, erklärte Jennifer. „ Vielleicht sollten Sie zu Carson gehen, damit er Ihnen ein Mittel zum Schlafen gibt.“
Teyla lächelte. „ Mir geht’s gut und ich schlafe schon viel besser, als letzte Woche.“
„ Ich meine ja nur, dass Sie sich nicht übernehmen sollten.“ Jennifer sah sie bittend an. „ Das Letzte, was wir hier gebrauchen können, ist dass jemand ernsthaft krank wird.“
„ Ich versichere Ihnen, dass es mir gut geht und dass ich in der letzten Nacht nur zu wenig Schlaf bekommen habe“, sagte Teyla langsam. „ Es ist alles in Ordnung… wirklich.“

Mit einem furchtbar schlechten Gewissen verabschiedete sich Jennifer von ihr und kehrte dann langsam in die Kantine zurück. Irgendwie wollte sie der Gedanke nicht loslassen, dass man ihr soeben eine fette Lüge aufgetischt hatte.


+++++++


„ Carson, das müssen Sie sich ansehen!“ Dr. Biro fiel vor freudiger Erregung fast von ihrem Stuhl. Ihre mausgrauen Augen funkelten und über ihr Gesicht zog sich ein immer breiter werdendes Lächeln. Aufgeregt rutschte sie auf ihrem Stuhl hin und her, wobei ihre Wangen immer röter wurden- aber nicht vor Scharm, sondern von übersprudelnder Begeisterung.
Andrea Biro war eine sonderliche Person und man musste sich erst an ihren eigenwilligen Charakter gewöhnen. Die Wissenschaftlerin aus Louisiana war eine durchweg gut gelaunte Person, immer freundlich und für jeden Spaß zu haben. Und genau das war das Problem… Sie war immer gut gelaunt und sprach immer in einer Tonlage, für die man- laut Rodney McKay, der sie aus Prinzip nicht leiden konnte- einen Waffenschein benötigte!

Manche Leute schätzten Andrea wegen ihrer scheinbar angeborenen Fröhlichkeit nicht sonders und machten lieber einen weiten Bogen um sie. Carson jedoch, hatte im Laufe der Jahre, in denen er ihr zusammengearbeitet hatte, in Erfahrung gebracht, dass sie eine ziemlich angenehme Person sein konnte- wenn man ihr nur eine Chance gab.
„ Haben Sie etwas entdeckt?“, fragte er sie mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen.
„ Das ist einfach… unglaublich“, strahlte sie und schob ihm das Mikroskop unter die Nase. „ Ich hätte es ja nicht für möglich gehalten! Ein Osmunda regalis!“
Erschlagen von ihrem unglaublichen Lateinwortschatz sah Carson sie nur verwirrt an. „ Wie bitte… was? Ein was…“ Manchmal fühlte er sich ihr ein bisschen unterlegen. Schon damals- während seiner Studienzeit- war ihm das Lernen der Lateinvokabeln völlig gegen den Strich gegangen, doch er hatte es getan… nicht gerade gründlich, aber er hatte es getan. Der Wortschatz seiner Kollegin war um einiges weiter ausgereift und so überrumpelte sie ihn manchmal mit ihrem geballten Wissen und Wörter, deren Bedeutung er nur erahnen konnte. Und jetzt war mal wieder einer dieser Momente…
„ Ein Königsfarn, Carson!“ Andrea lachte; es war ein schrilles und hohes Lachen und wenn es verebbte, dann gluckste sie aufgeregt, als ob sie an etwas zu ersticken drohte.
„ Ein Farn?“, wiederholte Carson.
Andrea nickte eifrig. „ Ich habe Lt. Scott gebeten, mir von dem Planeten, den er und Col. Mitchells Team besucht haben, eine dort ansässige Pflanze mitzubringen. Ich hätte nie gedacht…“- Sie hantierte an dem Mikroskop herum- „… das er so etwas findet! Es ist einfach nur unglaublich!“
„ Auf den Planeten, die wir besucht haben, gab es viele Sorten von… Farnen“, milderte Carson ihre Euphorie, nur scheinbar schien ihm das nicht zu gelingen- ihr Grinsen wurde breiter.
„ Aber diese Art ist besonders“, lehrte sie und bedachte ihn wissenden Blickes. „ Hätten Sie sich die Vergrößerung angesehen, dann wäre Ihnen das aufgefallen.“
Carson lächelte. „ Sie könnten es mir auch einfach sagen, Andrea.“
„ Es wird Sie sicherlich überraschen…“
„ Ich arbeite in einer fremdem Galaxie, wo blutrünstige Außerirdische ihr Unwesen treiben, die nur darauf warten mir meine Lebenskraft aus dem Körper zu saugen, und falls Sie es noch nicht bemerkt haben, befinden ich mich auf einem Schiff der Antiker, dass Richtung Nirgendwo unterwegs ist. Also, ich glaube kaum, dass es irgendetwas gibt, was mich jetzt noch überrascht und…“
„… der Farn ist pink“, beendete Andrea ihren Satz, nachdem er ihr so unschön ins Wort gefallen war, und sah ihn über die Gläser ihrer eckigen Brille hinweg an.
„ Oh… naja, vielleicht…“ Carson dachte nach: Einen pinkfarbenen Farn konnte man nun nicht direkt mit Lebenskraft raubenden Außerirdischen vergleichen, aber immerhin musste er zugeben, dass er einem derartigen Gewächs noch nicht begegnet war. Bis jetzt zumindest…

Andrea Biro ergab sich einem triumphalen Lächeln, welches in ein Schmunzeln überging, und zog das Mikroskop wieder zu sich, widmete sich wieder ihrer Arbeit. Wenn er ehrlich sein sollte, wusste Carson nicht, warum sie es sich eigentlich zur Aufgabe gemacht hatte, außerirdische Pflanzen zu untersuchen. Als er sie nach ihrem Grund gefragt hatte, hatte sie nur gemeint: „ Sie wissen ja gar nicht, wie interessant die außerirdische Flora sein kann!“
Die Voraussicht eine Pflanze zu finden, die eine schmerzlindernde Wirkung hatte, war gut, denn heute Morgen hatte er Dr. Jackson die letzte Aspirin gegeben. Er wollte sich gar nicht vorstellen, was wohl passieren würde, wenn sie nicht bald so eine Pflanze finden würden. Allein Rodney mit seinen „Migräneattacken“... Ein schrecklicher Gedanke…

Carson seufzte, schob die schreckliche Vorstellung beiseite und wandte sich wieder seinem Computer zu. Die Datenbank der medizinischen Abteilung schien ein scheinbar unbegrenztes Speichervermögen zu haben. Nach nunmehr vier Wochen auf diesem Schiff war es ihm noch immer nicht gelungen sie durchzuarbeiten. Die Datenblöcke schienen kein Ende zu nehmen, die Berichte waren teils Seiten lang und waren in einem seltenen Dialekt der Antikersprache geschrieben, der schwer zu entziffern und zu übersetzen war. Die Auswertungen...

„ Dr. Beckett?“ Er blickte auf und sah Teyla unweit von sich, halb verborgen hinter einer Säule, stehen. Sie schaute zu ihm rüber und ihre Lippen hatten sich zu einem unsicheren Lächeln verzogen. Eine leichte Nervosität lag in ihrem Blick und sie hielt ihre geballten Fäuste in den Taschen ihrer Uniform versteckt.
„ Wie schön Sie mal wieder zu sehen, meine Liebe“, begrüßte Carson sie und erhob sich von seinem Stuhl. „ Was kann ich für Sie tun?“
Teyla schien sich sichtlich unbehagen zu fühlen; sie blickte nervös um sich und holte tief Luft, ehe sie ihm mit zittriger und leiser Stimme antwortete: „ Ich…kann ich mit Ihnen reden?“
„ Natürlich.“ Er nickte und bedeutete ihr, sich neben ihm zu setzen, doch die Athosianerin schüttelte mit dem Kopf.
„ Unter vier Augen“, bat sie. „ Ich würde gerne mit Ihnen alleine reden, wenn das möglich ist.“

Carson bemerkte ihren verstörten Blick, der suchend durch den Raum schweifte, ohne eigentlich zu wissen, wonach er zu suchen hatte.
„ Sicher“, erwiderte er ihr verständnisvoll. Er kam um den Tisch gebogen… und erschrak: Erst jetzt fiel ihm auf, wie gefährlich dünn die Athosianerin doch war! Sie war schon immer etwas zierlich gewesen, doch jetzt wirkte sie regelrecht ausgemergelt und es überraschte ihn, dass sie sich überhaupt noch auf den Beinen halten konnte. Ihre braunen Augen glänzten nicht, wie sie es sonst taten, sondern waren matt und sahen verquollen aus, als hätte sie die letzten Nächte nur damit verbracht sich die Seele aus dem Leib zu weinen. Ihre Wangen waren eingefallen und trotz ihres gebräunten Teints wirkte sie blass.

„ Kommen Sie, meine Liebe.“ Vorsichtig geleitete er sie in einen etwas abgeschotteten Bereich der Krankenstation und bedeutete ihr, sich zu setzen. Mit einem tiefen Seufzen tat die Athosianerin wie ihr geheißen, setzte sich.
Als sie ihn mit ihren rehbraunen Augen ansah, wusste Carson, dass etwas nicht Ordnung war.


++++++++


Ronon wollte nicht von sich behaupten, dass er gut in solchen Dingen war, aber er hatte sofort bemerkt, dass mit seinem besten Freund etwas nicht stimmte. Genaugenommen musste man dazu auch kein besonderes Talent haben- nein, selbst ein Blinder würde merken, dass irgendwas anders als sonst war.
„ Vielleicht sollten Sie mit ihr reden“, schlug er vor und duckte sie, als sein Gegenüber zu einem schlappen Schlag ausholte.
„ Hab’ ich versucht“, antwortete ihm Sheppard mit zusammengebissenen Zähnen und versuchte angestrengt sein Gesicht zu fixieren. „ Sie will nicht mit mir reden.“
„ Dann haben Sie es nicht richtig versucht“, schlussfolgerte Ronon, woraufhin ihn der Soldat nur wütend anfunkelte.
„ Sie will einfach nicht mir reden, klar?“ Er fuhr sich durch seine dunklen Haare und konzentrierte sich wieder auf seine Angriffhaltung. „ Sie braucht einfach nur ein bisschen Zeit für sich.“
Ronon zuckte mit den Schultern. „ Das hat sie vor einer Woche zu Ihnen gesagt, also…“
„ Verdammt, Mann!“ Sheppard machte einen Schritt nach hinten und senkte seine zum Boxen bandagierten Hände. „ Ich hab’ Sie nicht nach Ihrer Meinung gefragt.“
„ Ich mach mir nur Sorgen“, beteuerte der Sateder und hoffte, dass der Amerikaner sich beruhigte, doch der hatte nur ein aufgebrachtes Schnauben für ihn übrig.
„ Als ob Sie da der Einzige wären! Ich mach mir auch über so manches Sorgen!“
Ronon musterte ihn skeptisch. „ Sie machen sich keine Sorgen um sie?“
„ Natürlich mache ich mir Sorgen um sie“, erwiderte Sheppard. „ Aber was soll ich an der Situation ändern? Wir reden hier über Teyla…“
„ Vielleicht sollten Sie noch mal versuchen mit ihr zu reden.“

Ronon wusste, dass er das nicht hätte sagen sollen, aber irgendwie hatte es ihn überkommen und es war ihm einfach so rausgerutscht. Er machte sich Sorgen um seine beiden Freunde und wenn er ehrlich sein sollte, tat es ihm leid, sie so leiden zu sehen. Während Teyla sich von fast allen Aktivitäten abgekapselte, hatte sich Sheppard in der letzten Woche vermehrt auf seine Arbeit gestürzt, was in solch einer Situation sehr untypisch für ihn war.
Es war selbst für einen Nichteingeweihten zu sehen, dass die beiden nicht zufrieden mit der Situation waren. Zugleich waren sie zu stur, um sie einfach zu beenden.

Natürlich war es ihm nicht entgangen, wie Teyla sich im Verlauf der letzten Woche immer mehr von ihnen abgesondert hatte. Erst hatte sie ihr gemeinsames Training abgesagt. Jetzt war es so weit, dass sie nicht einmal mehr zum Essen erschien und wenn sie es einmal doch tat, dann nur für ein paar Minuten- höchstens fünf-, redete während der Zeit so gut wie gar nicht und ging dann, meistens mit der Ausrede, dass sie sich nicht wohl fühle.
Die Athosianerin hatte sich in den letzten sieben Tagen extrem gewandelt und so wie Ronon die Beziehung zwischen ihr und Sheppard in Erinnerung hatte, musste es den Colonel verrückt machen, zu wissen, dass sie allein sein wollte- ohne Gesellschaft.

„ Wenn das nur so einfach wäre“, reagierte der Amerikaner auf seinen Vorschlag und realisierte mit einem Kopfschütteln, dass er für heute genug hatte. Er ging zurück zu der kleinen Bank, die an einer Wand des Trainingsraums aufgestellt war, und schnappte nach seinem Handtuch und nach seiner Wasserflasche.
„ Sie sollten es einfach versuchen“, sagte Ronon und bemerkte selber, dass das gerade nicht gerade sehr ermunternd geklungen haben musste.
Sheppard lächelte ein nicht ernst gemeintes Lächeln. „ Seien Sie mal ehrlich, Ronon: Glauben Sie, ich würde hier noch stehen, wenn das so einfach wäre, wie Sie annehmen? Ich hab’ versucht mit ihr zu reden, doch sie will nicht.“
„ Sie beide haben sich aber nicht getrennt, oder?“, fragte Ronon vorsichtig, erwartete ein Donnerwetter, doch es folgte nur ein kurzes Seufzen.
Sein Gegenüber warf sich sein Handtuch über die Schulter und würdigte ihn ausdruckslosen Blickes. „ Ich wünschte ich könnte Ihnen darauf eine Antwort geben, Kumpel.“

Als Ronon eine viertel Stunde darauf den Trainingsraum verließ und zu seinem Quartier zurückging, musste er über den letzten Satz seines Freundes nachdenken. Was meinte er nur damit? Ich wünschte ich könnte Ihnen darauf eine Antwort geben… Das hörte sich nicht gut an und es erschien Ronon, als hätte sein Freund seine Beziehung in gewisser Hinsicht bereits aufgegeben.



++++++++


Unschlüssig stand Elizabeth in ihrem Quartier und betrachtete ihr trübes Spiegelbild skeptisch. Es gab nicht sonderlich viele Möglichkeiten, sich auf einem Antikerschiff zurecht zu machen und so erwartete sie von Mike etwas Akzeptanz, was ihr Aussehen anging. Das hier war nicht Atlantis und deshalb musste sie sich mit den vorhandenen Mitteln zufrieden geben…

Mike. Elizabeth kam sich vor wie ein naives Schulmädchen, als sie im Spiegel sah, dass sie rot anlief, als sie an ihr bevorstehendes Treffen mit dem Wissenschaftler dachte. Mike hatte sie in sein Quartier eingeladen und sie musste sich selbst eingestehen, dass sie fürchterlich nervös war- so weit hatte sie es noch nie gehen lassen. Es war das erste Mal, dass sie sich auf einen Mann einließ, seit… seit Simon. Es war schwer zu begreifen, dass das jetzt fast schon zwei Jahre her war. Für sie war die Wunde, die ihr Ex-Lebensgefährte ihr damit ins Herz gerissen hatte, noch immer frisch und es schmerzte, wenn sie sich daran erinnerte.

Bei Mike Branton hatte sie endlich wieder das Gefühl alles richtig zu machen. Der Kuss vor einer Woche sollte erst der Anfang gewesen sein und das wollte sie ihm heute zeigen.

„ Du hast ein Date“, sagte sie zu sich selbst und musste grinsen. „ Wow, du hast tatsächlich ein Date, Elizabeth!“ Sie musste noch mehr grinsen, denn irgendwie kam sie sich kindisch vor. Sie war eine erwachsene Frau, die es nicht nötig hatte, sich mit ihrem Spiegelbild zu unterhalten und vor einem Date dermaßen nervös zu sein, dass es sie fast umbrachte.

Als es an ihrer Tür schellte, versetzte es ihr einen derben Schlag in den Magen und sie zuckte zusammen. Geradezu panisch und nach Antworten suchend blickte sie ihr Spiegelbild an, das aber nicht gerade einen entspannten Eindruck machte.
Okay, keine Panik, dachte sie, holte tief Luft und meinte dann zu sich selbst: „ Es ist nur ein Date!“
Es schellte ein zweites Mal, diesmal etwas ungeduldiger. Sie strich sich mit zittrigen Fingern eine dunkelbraune Haarsträhne aus dem Gesicht und atmete noch einmal tief durch, ehe sich umdrehte und entschlossen zur Tür marschierte.
Ich schaff das schon, redete sie auf sich selbst ein, als sie über den Öffnungsmechanismus der Tür fuhr und diese sich mit dem gewohnten Zischen öffnete.

Das freudige Lächeln, welches sie aufgesetzt hatte, um ihm zu begrüßen, verrutschte um wenige Millimeter, als die Türhälften auseinander glitten und den Blick auf eine unerwartete Besucherin freigaben.
„ Teyla“, brachte Elizabeth überrascht hervor und versuchte ein freundliches Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern.
„ Ich hoffe ich komme nicht ungelegen“, meinte die Athosianerin leise.
„ Nein, nein“, log Elizabeth schnell, denn ihr fiel auf, wie unsicher und nervös ihre Freundin wirkte. „ Kommen Sie doch herein.“

Teyla kam ihrer Einladung zögerlich nach und Elizabeth sah Tränen in den Augenwinkeln der Athosianerin funkeln, als sie an ihr vorbeischritt. Sie konnte nicht genau bestimmen was, aber irgendwas war anders- die zierliche Brünette wirkte verwirrt und nervös. Ihre Bewegungen waren hastig und teils unkoordiniert. Immer wieder kniff sie ihre Lippen fest aufeinander und warf ihre Stirn in tiefe Falten.
Ihre Nervosität beunruhigte Elizabeth aus irgendeinem Grund und sie hob ihre Augenbrauen. Wachsam beobachtete sie die Athosianerin, die inmitten ihres Quartiers umher zu laufen begann, und verfolgte jede ihrer Bewegungen.
Teyla faltete ihre Hände vor ihrem Körper, hatte wieder die Lippen aufeinander gepresst.
„ Ist alles in Ordnung?“, fragte Elizabeth, woraufhin die Athosianerin in ihrem nervösen Lauf inne hielt und sie ansah, ihr jedoch nicht antwortete. Stattdessen schimmerten neue Tränen in ihren Augen und sie wandte schnell ihren Blick ab.

Spätestens da wusste Elizabeth, dass etwas nicht in Ordnung war- Teyla weinte nicht ohne Grund. Sie kam zu dem Schluss, dass Mike sich wohl ein paar Minuten gedulden müsste. Wenn es irgendjemanden schlecht ging, dann konnte Elizabeth nicht einfach gehen- zumal es zu ihren Aufgaben als Expeditionsleiterin gehörte, sich um die Mitglieder zu kümmern… und Teyla war ein Mitglied dieser Expedition!
„ Hey, was ist los?“ Elizabeth trat an Teyla heran und legte ihr vorsichtig eine Hand auf die Schulter. „ Sie können ruhig mit mir reden. Schließlich sind Sie ja nicht ohne Grund hierher…“
„ Ich erwarte ein Kind, Elizabeth“, fiel ihr die Athosianerin ins Wort und schaute sie mit ihren rehbraunen Augen an.
„ Oh…“, entfuhr es der Expeditionsleiterin und ihre Kinnlade gab der Schwerkraft nach.

Die Tatsache, dass ein Raumschiff, das sich unterwegs im Nirgendwo befand, nicht gerade der idealste Ort war, um ein Kind großzuziehen, war wohl allen bekannt, und deshalb überraschte Elizabeth das Geständnis ihrer Freundin. Mit einer Mischung aus überraschtem Erstaunen und angenehmer Fassungslosigkeit sah sie sie an. „ Sie sind schwanger? Sind Sie sicher?“
Teyla nickte. „ Dr. Beckett hat es mir bestätigt.“
„ Wie… wie weit sind Sie?“, fragte Elizabeth vorsichtig.
„ Gerade soweit, dass man es feststellen kann, meinte er“, kam die Antwort. „ An die zehn Tage.“
„ Wow, Teyla, das klingt sehr…“ Elizabeth suchte nach dem richtigen Wort, doch es wollte ihr noch einfallen.
„ … unglaubwürdig?“, beendete die Athosianerin ihren Satz mit einem schwachen Lächeln.
„ Ich wollte schön sagen“, flunkerte die Expeditionsleiterin. Natürlich klang es für sie merkwürdig, dass ihre Freundin in so einem frühen Stadium schon etwas von ihrer Schwangerschaft merkte. „ Oh, Teyla… ich freu mich für Sie!“ Sie schloss die Athosianerin in eine Umarmung und lächelte sie dann an. „ Was… was ist mit dem Vater?“

Teylas Lächeln verschwand und zurück blieb eine ausdrucklose Miene und ein geradezu verängstigtes Funkeln in ihren braunen Augen.
„ I…ich habe e…es ihm noch nicht gesagt“, stotterte sie und wich Elizabeths Blick aus.
„ Warum nicht?“, fragte diese. „ Ich bin mir sicher, dass John…“ Weiter kam sie nicht, denn ein lautes Schluchzen brach über Teylas Lippen und die Athosianerin sackte vor ihr auf die Knie. Tränen brandeten über ihre Augenwinkel hinweg und strömten über ihre Wangen.
„ E..er ist nicht d…der Vater“, schluchzte sie aufgebracht und versuchte sich die Tränen mit dem Ärmel ihrer Uniform aus dem Gesicht zu wischen… scheiterte jedoch.

Oh, mein Gott, dachte sich Elizabeth nur und war sich nicht so sicher, ob sie Teylas Antwort auf ihre nächste Frage überhaupt wissen wollte. Dennoch trieb sie ihre unbezwingbare Neugierde und deshalb rutschte ihr die Frage doch hinaus: „ Wessen… Baby ist es?“
Die Athosianerin sah sie mit tränenüberströmtem Gesicht an… und begann dann ganz langsam mit dem Kopf zu schütteln. „ Ich weiß es nicht.“

TBC
Schicksal - Destiny by Ailya
„ Siehst du die Sterne da?“ Torren Emmagan ging auf die Knie und beobachtete schmunzelnd, wie sein Töchterchen ihren kleinen Kopf in den Nacken lehnte und den sich über ihr erstreckenden Nachthimmel staunend betrachtete.
„ Und wie sie funkeln“, meinte die Kleine voller Ehrfurcht und ihre braunen Augen leuchteten. „ Vater, sieh’ doch!“ Sie streckte ihre zierliche Hand gen Himmel und meinte aufgeregt: „ Der Stern leuchtet!“
Torren lächelte und streichelte seiner Tochter über ihre braunen Haare. Es machte ihn einfach nur froh, sein Fleisch und Blut so glücklich zu sehen.

„ Komm her, Teyla.“ Er setzte sich auf einen alten Baumstumpf, ganz in der Nähe des Feuers, dass in der kalten Dezembernacht eine angenehme Wärme verbreitete, und hielt seiner Tochter seine offenen Arme entgegen.
Bereitwillig kletterte das Mädchen auf seinen Schoß und kuschelte sich an seine Brust.
„ Wusstest du, dass jeder Stern eine Geschichte hat?“, fragte er sie, woraufhin sie ihn verwirrt ansah.
„ Jeder einzelne?“
Torren nickte. „ Jeder einzelne.“ Er deutete mit seinem Finger in den funkelnden Nachthimmel. „ Siehst du diesen da? Über dem See?“
Die Kleine nickte eifrig und sah ihn mit ihren braunen Augen erwartungsvoll an. „ Was ist mit diesem Stern, Vater?“
„ Er ist etwas ganz Besonderes“, antwortete er ihr. „ Er ist von unseren Vorfahren dorthin geschickt worden.“
Die Augen seiner Tochter wurden groß und er musste unwillkürlich schmunzeln. Sie hatte diesen Ausdruck von ihrer Mutter geerbt und er sah seine Frau, wenn er in ihr Gesicht blickte.
„ Von den Antikern?“, fragte die Kleine. „ Warum haben sie das getan?“
„ Damals gab es in der Stadt der Vorfahren viele Kinder und die Antiker liebten sie so sehr, dass sie jedem einzelnen einen Stern geschenkt haben“, erklärte Torren ihr.
Seine Tochter zog die Stirn kraus und bedachte ihn nachdenklichen Blickes. „ Dann muss es da aber viele Kinder gegeben haben.“
Torren lächelte. „ Weißt du, dass jeder Stern einen Namen trägt, Teyla?“
Sie schüttelte mit dem Kopf, deutete dann mit ihrem Finger auf den funkelnden Stern über dem im Mondlicht schimmernden See. „ Wie heißt dieser da?“, wollte sie wissen.
„ Das ist Mijo“, antwortete er ihr. „ Das war ein kleines Mädchen. Sie war so alt wie du gewesen, als ihre Eltern ihr den Stern schenkten.“

Andächtig lauschte ihm seine Tochter, zog dann aber wieder die Stirn kraus und meinte: „ Und wieso leuchtet dieser dann? Die anderen leuchten nicht!“ Sie zeigte auf den leuchtenden Stern, der über der Hügelkette still vor sich hin blinkte.
„ Das ist Catan“, seufzte Torren und sah sie ernst an. „ Seine Eltern schenkten ihm auch einen Stern, doch er war ihnen nicht dankbar.“
„ Wieso denn nicht?“, fragte die Kleine in seinem Arm.
„ Nachdem sie ihm den Stern schenkten, machte er sie unglücklich und log sie an.“
„ Und was passiert jetzt mit ihm?“
„ Der Stern wird erlischen und vom Himmel fallen“, erwiderte Torren seiner Tochter. „ Die Vorfahren sind unglücklich und sie sind der Meinung, dass ein solch ungehorsames Kind es nicht verdient hat, einen Stern zu haben.“

Eine Schweigen entstand und sie beide betrachteten still den funkelnden Nachthimmel, ehe Teyla sich an seine Schulter kuschelte und meinte: „ Ich werde nie lügen, Vater. Nie im Leben werde ich ein falsches Wort in den Mund nehmen!“
Torren lächelte und drückte seiner Tochter an sich, hauchte ihr einen Kuss über die Stirn. „ Das weiß ich doch.“


Sie erinnerte sich an die vielen Abende, als ihr Vater an ihrem Bett gesessen und ihr die Geschichte von den „Sternenkindern“ erzählt hatte. Es war ihre Lieblingsgeschichte gewesen und sie hatte ihren Vater immer wieder darum gebeten, sie ihr zu erzählen. Immer und immer wieder…
Ihr Vater hatte es immer bereitwillig getan und hatte nie die Lust verloren. Ihm wurde die Geschichte nie zuwider und er erzählte sie selbst nach dem hunderten Male noch immer voller Begeisterung und Ehrfurcht.
Wenn sie jetzt darüber nachdachte, wusste sie schon gar nicht mehr, wie oft sie die Geschichte gehört hatte. Das Einzige, an das sie sich erinnerte, war, dass sie ihrem Vater immer versprochen hatte, nie in ihrem Leben zu lügen! Sie hatte es immer wieder getan, nach jedem Mal!

Sie hatte dieses Versprechen sehr ernst genommen, vor allem nachdem die Wraith ihren Vater geholt hatten. Es war ihr sehr ernst mit diesem Versprechen gewesen, auch wenn sie glaubte, dass ihr Vater es im Laufe der Jahre vergessen hatte. Doch sie hatte daran festgehalten, hatte immer daran gedacht… bis zum heutigen Tage.

Dem Brummen des Antriebs lauschend lag Teyla hellwach in ihrem Bett und starrte aus dem ihr gegenüberliegenden Fenster ins All hinaus. In einer nicht einzuordnenden Geschwindigkeit jagten die Sterne daran vorbei und zogen dabei einen langen funkelnden Schweif hinter sich her- in den vergangenen Wochen hatte sie sich an diesen Anblick gewöhnt, hatte fast jede Nacht die Sterne beobachtet, wie sie an dem Schiff vorbeizogen, hatte den Sternenschweifen nachgetrauert, die irgendwo im Nichts des Weltraums verglühten und einfach weg waren… doch heute Nacht war es anders!
Die vorbeifliegenden Sterne erinnerten sie an die Geschichte ihres Vaters, an ihr Versprechen und an ihre Lüge, die sich schon jetzt wie ein roter Faden durch ihr Leben zog.

Teyla vernahm Johns warmes und gleichmäßiges Atmen in ihrem Nacken. Er schlief- hoffte sie zumindest- und hatte einen Arm um sie geschlungen. Seine Hand lag zärtlich über ihrem Bauch, als ob er das unter ihrem Herzen heranwachsende Kind beschützen wollte… ein Kind, das nicht das seine war! Ein Kind, das sie erst in diese Lage gebracht hatte! Wegen diesem Kind hatte sie ihr Versprechen gebrochen und nur wegen diesem Kind fühlte sie sich jetzt furchtbar schlecht.

In all den Jahren hatte sie nie freiwillig auch nur ein einziges falsches Wort in den Mund genommen, noch nicht einmal als ihr Leben auf dem Spiel stand. Und jetzt hatte sie es doch getan und das nur, weil sie Angst hatte, nicht akzeptiert und geliebt zu werden. Sie hatte ihren Vater fürchterlich enttäuscht. Sie hatte gehandelt, ohne vorher über die möglichen Folgen nachzudenken. Allein der Gedanke, wie John reagieren würde, wenn er die Wahrheit herausfinden würde, machte ihr Angst und sie fürchtete sich schon jetzt vor diesem Tag. Sie hatte ihn in eine Lüge verwickelt und plötzlich wurde ihr klar, dass sich dieser rote Faden nicht nur durch ihr Leben zog, sondern auch durch seins… und dem des Kindes.

Obwohl da irgendetwas war, was sie tief in ihrem Inneren erschütterte, fühlte sich Teyla doch sehr zu dem Kind, das sie unter ihrem Herzen trug, hingezogen. Ein unsichtbares Band schien zwischen ihnen beiden zu sein, das durch nichts entzwei gerissen werden konnte.
Noch nie in ihrem Leben hatte sie so starke Gefühle für ein Lebewesen gehegt, wie für dieses Kind… für ihr Kind. Sie wusste nicht, wie es entstanden war, aber dennoch verspürte sie eine tiefe und bedingungslose Liebe zu ihrem Kind.

Ein dicker Kloß bildete sich in ihrem Hals und Tränen verwischten ihre Sicht, als sie daran dachte, dass ein zweites Herz in ihr schlug. Es machte sie ganz benommen zu wissen, dass sie sich von nun an um ein kleines Wesen zu kümmern und zu sorgen hatte.
Von stiller Ehrfurcht erfüllt zog Teyla ihre Hand unter der Bettdecke hervor und streichelte über ihren Unterleib. Es war geradezu ein ergreifendes Gefühl, bis sich ihr etwas in den Weg stellte und zu allem Überfluss auch noch zu zucken begann…

„ Du hast die ganze Nacht nicht geschlafen.“ Es war mehr eine Aussage als eine Frage. John presste sein Gesicht sanft gegen ihren Nacken und gab ihr einen zärtlichen Kuss.
„ Ich konnte nicht schlafen“, erwiderte Teyla ihm und verfluchte sich im selben Augenblick selbst. Schon wieder eine Lüge! Sie hatte sehrwohl schlafen können, sie war müde gewesen. Doch sie hatte gegen den Schlaf angekämpft, obwohl es ihr sehr schwer gefallen war, die Augen offen zu halten.
„ Warum nicht?“, hörte sie den dunkelhaarigen Soldaten fragen und spürte, wie seine Hand unter ihr Top glitt und wie er vorsichtig mit kreisenden Bewegungen über ihren Bauch zu streicheln begann.
„ Ich habe nachgedacht“, antwortete sie, während sich wieder dieses Gefühl durch ihren Körper fraß und schließlich mit einem dumpfen Gefühl in ihrem Magen ankam. Seine Berührungen fühlten sich falsch an. Die sanften Küsse, mit denen er ihren Hals bedeckte, fühlten sich falsch an.
„ Worüber hast du nachgedacht?“ John rollte sie auf den Rücken, sodass sie einander besser sehen konnten. Er lag auf der Seite, hatte seinen Kopf auf seinen linken Arm gestützt und war dabei sie eingehend zu betrachten. Trotz seiner Ernsthaftigkeit lag ein weicher Ausdruck in seinem Gesicht und seine haselnussfarbenen Augen strahlten eine angenehme Wärme aus, die sofort auf sie übergriff.
Teyla seufzte ein kleines bisschen weniger bedrückt. „ Ich habe einfach über alles nachgedacht, John. Über das Schiff, über Atlantis. Ich habe an mein Volk gedacht und an meinen Vater. Ich habe mich an eine Geschichte erinnert, die er mir damals immer erzählt hat. Und ich habe über… uns nachgedacht.“
„ Über uns?“ John zog seine Augenbrauen zusammen und meinte zaghaft lächelnd: „ Muss ich mir irgendwie Sorgen machen?“
Obwohl ihr seine Frage einen Schlag in den Magen versetzte, lächelte Teyla tapfer zurück. „ Ich habe über unsere Situation nachgedacht.“

John musterte sie für einen kurzen Augenblick, ehe er wieder über ihren Bauch zu streicheln begann. „ Ich versteh’ dich. Mir geht’s auch so.“
Sie hob die Augenbrauen. „ Wie bitte?“
„ Nicht nur du hast nachgedacht“, meinte er. „ Ich versteh’, dass unsere Situation grade etwas schwierig ist. Und glaub mir, ich wünsch’ mir auch andere Umstände für uns… und für das Baby, aber…“- Er seufzte tief- „… wir können es nicht ändern.“
„ Du machst dir Sorgen“, bemerkte sie.
John lächelte schwach. „ Ich mach’ mir Sorgen, seit wir auf dieses Schiff gekommen sind, Teyla. Und jetzt… ist es alles noch viel schwieriger geworden.“ Er lehnte sich nach vorne und hauchte ihr einen Kuss über ihren Bauch, murmelte lächelnd: „ Aber auch schöner.“

Teyla hatte nicht die Zeit, sich groß Gedanken darüber zu machen, denn dieser überaus widerliche Geschmack in ihrem Mund ließ ihr übel werden und vor ihren Augen begannen sich die Wände des Raumes zu drehen, zu winden und ineinander zu verschwimmen.
Das Wirrwarr vor ihren Augen ließ ihr schwindelig werden und ihr Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen, drückte die Übelkeit nur noch weiter ihre Speiseröhre hinauf. Ihre Kehle begann unter diesem Ansturm zu kribbeln und sie hörte, wie zu würgen anfing. Sie rappelte sich auf die Beine, kämpfte sich geradezu aus den Bettlaken, und steuerte blindlings in Richtung Bad, die Hand vor ihren Mund gepresst.

Das Letzte, was sie hörte, ehe ihre zitternden Knie über der Toilettenschüssel unter ihr nachgaben und sie sich in diese erbrach, war ein geradezu ohrenbetäubender Alarm, der gnadenlos in ihren Ohren gellte. Ein Ruck schien durch das Schiff zu fahren und schleuderte sie gegen das harte Keramik, kaum dass sie sich aufraffen hatte können.
Sie stolperte zurück und ging zu Boden, schlug mit ihrem Kopf kurz gegen die harte Wand, woraufhin sich ein dunkler Schleier vor ihre Augen legte und sie in ein dermaßen dunkles und tiefes Loch stürzen ließ. Sie konnte nichts sehen und die Geräusche drangen nur fetzenhaft durch ihren in Watte gepackten Verstand.

Der Boden unter ihr zitterte leicht und sie spürte, dass irgendwas passiert sein musste. Vielleicht lag es daran, dass das Brummen des Antriebs mit einem Mal verstummt zu sein schien. Es war ruhig, so ruhig, dass man sogar eine Feder zu Boden fallen hätte hören können. Selbst das stetige elektrisierte Zirpen der Energieleitungen wirkte auf einmal wie eingefroren. Alle Eigengeräusche des Schiffes schienen verstummt zu sein…

Ausgelaugt und noch immer gegen den Würgereiz und gegen die Übelkeit, die in ihrem Inneren hin und her schwabbte, kämpfend, versuchte sich Teyla an den Kanten der Toilette hochzuziehen… doch ein ziehender Schmerz zog sie stöhnend wieder zu Boden. Ein erstickter Schrei brach über ihre zitternden Lippen, als der Schmerz durch ihren Unterleib riss.
Auf einmal hatte sie Angst, schreckliche Angst. Teyla klammerte sich an die Toilette, noch immer versucht sich aufzurappeln, doch der Schmerz raubte ihr jeglichen Verstand. Immer weiter fraß sich das Gefühl der Taubheit durch ihren Unterleib und dann…

„ N…nein.“ Teyla begann mit dem Kopf zu schütteln, als etwas Warmes den Stoff ihrer Hose durchfeuchtete und der Schmerz zu pulsieren begann. Sie beugte sich nach vorne, jammernd, die Arme um ihren Bauch geschlungen. Die feuchte Wärme zog sich immer weiter durch den Stoff ihrer Hose und lautlos tropfte der erste dunkelrote Blutstropfen auf den kalten Fliesenboden.

„ Sieh mal dort, Vater!“ Aufgeregt seine kleine Tochter in den Nachthimmel hinauf. „ Der Stern… er fällt!“
Torren Emmagan erhob seine Augen und bekam gerade noch mit, wie der Stern- einen langen Schweif hinter sich her ziehend- zu Boden ging und am Horizont verschwand. Er schlang seine Arme um den zitternden Körper seiner Tochter und drückte sie fest an sich.
„ I…ist er jetzt t…tot?“, fragte sie ihn und Tränen schwammen in ihren weit aufgerissenen Augen.
„ Er ist gefallen“, antwortete Torren ihr und streichelte ihr liebevoll übers Haar. „ Die Vorfahren haben ihn vom Himmel geholt.“
„ P…passiert das mit jedem, der lügt?“, wollte die Kleine wissen.
Torren seufzte. „ Eines solltest du dir merken: Egal, was du sagst oder tust- du wirst für alles die Konsequenzen tragen müssen.“
„ Wieso?“ Zwei verwirrte braunen Augen blickten ihn an. Er beugte sich vor und küsste sie auf die Stirn.
„ Das ist Schicksal, Teyla.“


TBC
Vision by Ailya
Mit einem ausgedehnten Seufzen ließ Carson Beckett seinen Blick über seine Patienten schweifen. Es waren mehr geworden- zumindest erschien es ihm so.
Inzwischen mussten es an die zehn sein und irgendetwas sagte ihm, dass es damit noch nicht genug war.
„ Bleiben Sie liegen, mein Junge“, meinte er zu einem jungen Soldaten mit einer üblen Platzwunde an der linken Schläfe. Freundlich lächelnd tätschelte er ihm die Schulter. „ Es wird sich gleich jemand um sie kümmern.“
„ Klar, Doc.“ Der junge Mann bemühte sich um ein schwaches Lächeln. Er presste sich eine Kompresse auf seine Wunde, sein Mund verzog sich schmerzverzerrt.

Du meine Güte, dachte Carson bei sich, als er sich seinen Weg durch das Chaos der Krankenstation kämpfte. Nicht nur den jungen Lieutenant schien es übel erwischt zu haben: eine Wissenschaftlerin hielt sich ihren blutenden Arm. Neben ihr saß Dr. Henry Franklin; aus einer Wunde an seiner Stirn sickerte Blut und lief über seine erröteten Wangen.
Carson schaute sich um, bemerkte erschrocken, dass plötzlich Unmengen an Personen die Krankenstation zu stürmen schienen- die meisten hatten offene Wunden an Kopf und Armen. Andere wiederum erweckten einen leicht verstörten Anblick. Wieder andere, die hergekommen waren, um sich behandeln zu lassen, waren vor Erschöpfung eingeschlafen.
„ Dr. Beckett.“ Ein etwas pummliger junger Wissenschaftler packte nach seinem Arm, bekam ihn jedoch nicht zu fassen.
„ Ich bin gleich bei Ihnen, mein Sohn“, versicherte Carson ihm. „ Sie müssen sich noch ein bisschen gedulden.“
Der Wissenschaftler erwiderte ein geschwächt klingendes Seufzen und fiel zurück gegen den Stuhl, in dem er bis eben gesessen und eine blutgetränkte Kompresse gegen seinen Arm gepresst hatte.

Carson ging weiter, obwohl es ihm Leid tat, all die Menschen so leiden zu sehen. Manchen konnte man regelrecht ansehen, dass sie Schmerzen hatten. Ihm selbst ging es außer leichten Kopfschmerzen ganz gut; er hatte sich in seinem Quartier befunden, als es passiert war. Was genau passiert war? Er hatte versucht Rodney zu finden, doch der Kanadier war unauffindbar gewesen- er wusste die Antwort auf seine Frage nicht! Das Einzige, das er wusste, war, dass etwas passiert sein musste. Doch was…

„ Carson!“ Dr. Jennifer Kellers Stimme ereilte ihn und er blickte zu der blonden Ärztin auf, die vor einem Patienten stand und ihn über ihre Schulter hinweg anlächelte. „ Gut, dass Sie da sind.“
Carson zog das Tempo ein bisschen an, eilte zu seiner Kollegin und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „ Sind Sie in Ordnung, Jennifer?“
Sie nickte. „ Ja, mir geht’s gut. Ich war hier, als es passierte.“ Ein Seufzen entfuhr ihr und natürlich entging es Carson nicht, dass ihre Finger zitterten.
„ Soll ich das machen?“, fragte er sie vorsichtig; aus Erfahrung wusste er, dass es nicht einfach war, eine Platzwunde am Kopf zu nähen, wenn man innerlich unruhig war.
Jennifer versuchte erleichtert zu lächeln, doch ihre Mundwinkel zuckten nur nervös. „ Ich weiß…“ Sie verstummte mitten im Satz und machte ihm Platz. Sie schien erleichtert zu sein.
„ Dr. Biro könnte etwas Hilfe gebrauchen“, sagte Carson. „ Es scheinen immer mehr zu werden.“
„ Ich werde ihr helfen.“ Jennifer nickte mit zusammengekniffenen Lippen und wollte gehen… drehte sich aber noch einmal um und fragte mit gerunzelter Stirn: „ Und wie fühlen Sie sich?“
Carson lächelte. „ Leichte Kopfschmerzen, aber sonst geht’s mir gut.“
„ Vielleicht sollten Sie…“, setzte Jennifer an.
„ Ich schaffe das hier schon“, fiel ihr der Schotte ins Wort. „ Gehen Sie jetzt lieber Dr. Biro helfen. Haben Sie Dr. Hadley schon erreicht?“
Seine blonde Kollegin schüttelte bedauernd mit dem Kopf. „ Nein, noch nicht.“
„ Wir werden ihn brauchen, wenn es weiter so geht“, seufzte Carson schwerlich.
„ Ich werde es noch einmal versuchen. Er wird sicherlich bald kommen“, meinte Jennifer und ging dann, sich mit einem kurzen Nicken verabschiedend.
Carson sah ihr nach, wandte sich dann Jennifer Patienten- einer brünetten Soldatin- zu und lächelte sie freundlich an. „ Wie fühlen Sie sich, meine Gute?“
Die Frau verzog ihren Mund zu einem schwachen Lächeln. „ Was soll ich auf diese Frage antworten, Doktor? Ich wurde fast von einem Balken erschlagen? Soll ich mich dann gut fühlen?“
„ Haben Sie Schmerzen?“
„ Nein, Dr. Keller hat mir etwas gegen die Schmerzen gegeben. Es geht schon.“

Carson nickte still und versorgte die Wunde der jungen Frau; sie war nicht tief und blutete Gott sei Dank auch nicht so stark, weshalb er die ganze Sache recht schnell über die Bühne brachte. Erfahrung zahlte sich aus.
„ Sie sollten schwere Arbeiten fürs Erste vermeiden“, sagte er ihr und tupfte die Wunde vorsichtig sauber.
„ Danke, Doktor.“ Die Soldatin kletterte von der Patientenliege und griff nach ihrem Uniformsjackett, drehte sich dann noch einmal um. In ihren strahlend blauen Augen lag Furcht. „ Wissen Sie was… was da passiert ist?“
Carson seufzte. „ Ich wünschte, ich wüsste es, meine Liebe, dann könnte ich vielleicht besser und schneller helfen.“
„ Dr. Branton meinte, dass wir aus dem Hyperraum gefallen sind, aber Dr. McKay sagt, dass das unmöglich sei“, sagte seine Gesprächspartnerin.
„ Sie sollten sich darum keine Sorgen machen.“ Carson lächelte sie gutmütig an. „ Legen Sie sich ein bisschen hin und versuchen Sie zu schlafen. Das wird Ihnen sicher gut tun.“
Die Soldatin erwiderte sein Lächeln, allerdings verrutschte ihres um einige Millimeter, als sie seufzte. „ Schlaf ist auf diesem Schiff ein Luxus, den man sich nur schwer leisten kann, Doktor.“ Sie verabschiedete sich von ihm mit einem nicht gerade optimistisch klingendem „ Ich werde es versuchen“ und verschwand dann in der Menge.

„ Wie Recht Sie doch haben“, flüsterte Carson, obwohl sie ihn nicht mehr hören konnte. Die junge Frau hatte Recht! In den wenigen Wochen, die sie nun hier auf diesem Schiff waren, hatte er so wenig Schlaf wie noch nie bekommen. Manchmal kam es vor, dass ihm während seiner Schicht die Augen zufielen- so sehr er es auch versuchte, aber er konnte es nicht verhindern. Schlaf war schon seit er dieser Expedition beiwohnte ein Luxus… und die Soldatin hatte den Nagel buchstäblich auf den Kopf getroffen: Nicht jeder konnte sich ihn leisten!
Seinen Gedanken nachhängend räumte Carson seine gebrauchten Gerätschaften und die nunmehr blutgetränkten Tupfer ein, versenkte sie zielsicher in einer metallenen Box und verstaute den ganzen Rest in seinem orangen Erste Hilfe- Köfferchen, dessen Inhalt sich allmählich dem Ende neigte.
Als er aufblickte, sah er Dr. Andrea Biro in seine Richtung winken; vor ihr saß ein Marine mit einem feinen Schnitt über der rechten Augenbraue und mit einem völlig blut- und dreckverschmierten Arm. Feine Wunden zogen sich über seine Arme und über seine Schultern, aus denen Andrea kleinste Scherben pulte.
Die muntere Ärztin machte nun wirklich nicht gerade einen munteren Eindruck und ihr Blick verriet, dass sie Hilfe brauchte.
Carson holte einmal tief Luft, ehe er sich in Bewegung setzte, um seiner Kollegin zu helfen. Er hatte sie schon fast erreicht, als eine geradezu panisch klingende Stimme an sein Ohr schallte, die ihn zusammenzucken und ihn umdrehen ließ.

„ Carson, verdammt… ich brauch’ hier Hilfe!“ Col. Sheppard wälzte sich durch die immer dichter werdende Menschenmenge; ein Striemen zog sich über seine Stirn und aus einer frischen Wunde an seiner rechten Wange sickerte ein feiner Rinnsal Blut. Er zog sein linkes Bein hinter sich her und belastete den Fuß nicht. Erst als er näher kam, bemerkte Carson, dass der Stoff seiner Hose bis zum Knie hin eingerissen war. Eine tiefe Wunde klaffte an seiner linken Wade, hinauf bis zum Knie. Aber nicht nur das bemerkte Carson…

„ Oh, mein Gott!“ Er setzte sich in Bewegung, lief dem Colonel einige Schritte entgegen und legte seinen Blick auf Teyla, um deren regungslosen Körper der dunkelhaarige Soldat seine Arme geschlungen hatte; das Gesicht der Athosianerin war schmerzverzerrt, ihre Glieder hingen schlaff an ihrem Körper hinab, obwohl sie ihre Muskeln angespannt hatte. Auf ihrer Stirn standen dicke Schweißperlen, doch trotzdem zitterte sie am ganzen Körper. Aus einer Wunde an ihrem Hinterkopf rann tiefrotes Blut und sog sich in ihre rostbraunen Haare, die an ihrem verschwitzten Gesicht klebten.

Carson fiel nicht viel ein, was er dazu hätte sagen können… stattdessen bedeutete er dem Colonel mit einer schnellen Handbewegung ihm zu folgen. Er sah den furchterfüllten Ausdruck in den haselnussfarbenen Augen des jungen Mannes; seine Nasenflügel bebten vor Anspannung und Besorgnis. Er hatte seine Arme fest um Teylas Körper geschlungen, nicht daran denkend den Griff auch nur für eine Sekunde zu lockern. Die Muskeln an seinen Unterarmen waren angespannt, den Kiefer hatte er dermaßen fest aufeinander gepresst, dass Carson befürchtete, dass er ihm aus dem Gesicht schießen würde.
Col. Sheppard steuerte zielsicher auf einen etwas abgeschirmten Bereich der Krankenstation zu und legte die Athosianerin vorsichtig auf eine der dort stehenden Patientenliegen.
„ I…ich hab’ sie im Bad gefunden“, meinte er etwas außer Atem und zwischen vor Schmerz zusammengebissenen Zähnen hindurch. „ An… an den Fliesen war Blut. Am Boden war auch Blut… viel Blut…“ Er schüttelte aufgebracht mit dem Kopf, als er über seine eigene Zunge stolperte und sich dermaßen verhaspelte. „ D…das Baby…“

Carson sah nur aus dem Augenwinkel heraus, dass sich dunkelrotes Blut durch Teylas Hose fraß, doch das genügte ihm, um zu wissen, dass diese Situation alles andere als gut war.

++++++++


Es waren dieser dumpfe Schmerz in ihrem Kopf und dieser Druck, die gnadenlos auf sie einprügelten und sie dazu brachten ihre Augen aufzuschlagen. Zuerst war da nichts außer einem hellen Licht, das sie dermaßen blendete und sich wie tausend kleine Nadeln durch ihre Netzhaut zu bohren begann.
Sie stöhnte leise auf und schloss ihre Augen wieder, obwohl diese unheimliche Dunkelheit ihren Kopf noch näher an den Rand der Explosion zu trieben schien. Es war fast so, als schlug jemand mit einem spitzen Hammer auf sie ein, zertrümmerte ihren Schädel, bohrte sich in ihr Gehirn.
Sie wollte schreien, doch sie konnte es nicht. Kein Laut kam über ihre Lippen und das machte sie wütend! Innerlich drohte sie zu zerbersten und zu zerschellen, weil ihr eigener Schrei durch ihren Körper zitterte und ihr Blut zum Kochen brachte, doch nichts von ihren Leiden drang nach außen.

Die Dunkelheit und die damit verbundenen Schmerzen wurden immer größer und der Druck drohte sie zu zerreißen. Ein Kribbeln fraß sich ihre Kehle hinauf und drang als animalisch anmutender Schrei über ihre Lippen, halte an den in der Dunkelheit nicht vorhandenen Wänden wieder und donnerte in doppelter Lautstärke auf sie ein, ließ sie zusammenzucken und ihre schmerzenden Glieder eng an ihren vor Schmerzen bebenden Körper ziehen.

Obwohl sie ihre Augen geöffnet hatte, konnte sie nichts sehen… außer Dunkelheit. Da war rein gar nichts. Ihr eigenes Atmen machte ihr Angst. Das dumpfe Schlagen ihres Herzens verängstigte sie und sie hörte ihr Blut durch ihren Körper rauschen.
Langsam hob sie ihre Hand und wischte sich mit dem Handrücken den eiskalten Schweiß von der Stirn, der sich mit dunklen Blutstropfen vermischt hatte.
Erinnerungen und Bilder blitzten vor ihren Augen auf, brachten Licht ins Dunkle, aber dennoch waren sie viel zu verschwommen- sie wurde nicht schlau aus ihnen. Das Einzige, was sie mit den Bildern verband, war ein großer Schmerz, der über sie hinwegbrandete und sie immer wieder zurück in die Ohmacht zu reißen drohte.

Eine Welle Adrenalin jagte durch ihren Körper, als sie begann sich unter Stöhnen auf dem schmalen Gegenstand, auf dem sie lag, hin und her zu werfen- nicht gerade vorteilhaft, was ihre Kopfschmerzen betraf, doch dieses Kribbeln und Ziepen in ihren Zehen drohte sie wahnsinnig zu machen und war jedes Mal mit einem Schmerz verbunden, der sich anfühlte, als bohrte man ihr ein Messer in den Bauch.
Es war ein brennender Schmerz, der sich in ihrem Bauch ausbreitete und sich durch ihre Organe fraß. Ihr Unterleib schien in Flammen zu stehen und dieser schier unbeschreibbare Schmerz raubte ihr den Atem. In ihrem Inneren brodelte es und es schien für sie nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis alles überkochen und dann in sich zusammenfallen würde.

Ihr Stöhnen war unlängst in leise Schreie übergegangen, die sich gegenseitig aufzubauschen schienen- von Schrei zu Schrei wurde sie lauter! Dennoch schien die sie umgebende Dunkelheit sie zu verschlucken und allein deswegen war sie sauer- nicht wegen ihrem Geschrei, sondern wegen der noch immer vorhandenen Dunkelheit. Da war nicht ein kleiner Lichtstrahl der sich hierher verirrt hatte. Nein, da war rein gar nichts! Es war dunkel, kalt und angsteinflössend. Sie fürchtete sich...

Eine weitere flammende Schmerzenswelle brandete über sie hinweg und fachte das Feuer in ihrem Unterleib von Neuem. Der Schrei, der daraufhin über ihre Lippen brach, war nicht mehr als ein Wimmern… ihr fehlte schlichtweg die Kraft zum Schreien.
Sie warf den Kopf zurück und presste ihre Fäuste gegen ihre Schläfen, kugelte sich zusammen wie ein kleines Kind.
Nein, sie wollte nicht mehr. Die Erinnerungen und Bilder verblassten allmählich vor ihren Augen und fast hatte sie erwartet, dass auch die Schmerzen abflachten, doch da hatte sie sich geirrt- sie wurden eher schlimmer!

„ Ssht, ich bin da“, hörte sie ein undeutliche Stimme durch das Rauschen ihres Blutes sagen. Sie versuchte ihren Kopf zu heben, um zu sehen, wer da zu ihr sprach, doch sie vermochte es nicht. Die Schmerzen fesselten sie und sie warf ihren Kopf von der einen Seite auf die nächste.
Zwei kalte Hände legten sich um ihre feurigen, glühenden Handgelenke und das Blut in ihren Adern gefror, ihr Herz stockte für einen Moment und sie japste nach Luft, schlug ihre Augen auf. Adrenalin flammte durch ihre Muskeln und mit einem Ruck setzte sie sich auf. Ihre Lippen zitterten.
„ Ich bin da, Teyla“, sagte die Stimme noch einmal und allmählich nahm sie Gestalt an; eine wunderschöne Gestalt mit vertrauten haselnussfarbenen Augen, deren Blick auf ihrem Gesicht lag. „ Ich werde dich nicht allein lassen.“
„ E…eolion“, brachte sie mühsam zustande, ehe sie ein weiterer Schmerz erfasste und zurückriss. Stöhnend schlang sie die Arme um ihren Bauch, den es zu zerreißen drohte.
Durch den Schleier, der sich vor ihre Augen gelegt hatte, sah sie ihn aufmunternd lächeln. Er beugte sich vor und sie spürte seinen zarten Kuss auf ihrer Stirn.
„ Ich werde dich nicht allein lassen“, wisperte er leise und seine Hand legte sich auf ihren in Flammen stehenden Unterleib. „ Ich werde nicht zulassen, dass dem Kind etwas geschieht. Es wird leben.“

Sein Versprechen klang wie Musik in ihren Ohren, aber dennoch verunsicherte es sie ein bisschen. Sie wollte darüber nachdenken, vermochte es aber nicht, denn ein weiterer Schmerz bohrte sich durch ihren Unterleib, raubte ihr den Atem, ließ ihr Herz stocken und riss sie zurück in das Ungewisse- in die Dunkelheit. Immer weiter stürzte sie in sie hinein, sein Gesicht wurde immer kleiner. Sie versuchte noch nach ihm zu greifen, doch ehe sie dazu in der Lage war, hüllte sich ihre Welt komplett in Dunkelheit und die Schmerzen und das Feuer erloschen.


TBC
Call of the Artemis by Ailya
„ Es wird schon alles gut gehen“, richtete Jennifer Keller ihre mehr oder weniger tröstenden Worte an den vor ihr sitzenden Colonel, der vollkommen abwesend über ihre Schulter starrte. Seine Mundwinkel hingen nach unten, seine Lippen hatte er fest aufeinander gekniffen, sein Gesicht wirkte emotionslos. Nur seine Armmuskeln waren angespannt und seine Finger hatten sich in den Matratzenstoff der Patientenliege gekrallt.
„ Woher wollen Sie das wissen?“, fragte er sie, ohne seinen Blick abzuwenden um ihr ins Gesicht zu sehen. Nein, er saß einfach nur da und starrte, so wie er es schon in den letzten zehn Minuten getan hatte.

Jennifer seufzte. Sie hatte gehofft, dass er ihr diese Frage nicht stellen würde, denn sie hatte keine Antwort darauf. Es war einfach nur ein Gefühl, dass ihr sagte, dass alles gut gehen würde. Nur bezweifelte sie, dass sich Col. Sheppard damit zufrieden geben würde. In den vier Wochen, die sie nun schon auf Atlantis war und Carson Beckett assistierte, hatte sie gelernt, dass der Colonel ein Mann mit einem ziemlich trockenen Humor und einem angeborenen Misstrauen war. Es war bei aller Liebe manchmal nicht leicht, ihn für eine Sache zu begeistern.
„ Carson ist ein gute Arzt“, erwiderte sie ihm und wandte sich wieder seinem Bein zu. Vorsichtig fasste sie eine kleine spitze Scherbe und zog sie aus der noch immer blutenden Wunde heraus.
„ Auch der beste Arzt kann irgendwann einmal versagen“, grummelte der Colonel zurück und es erschien Jennifer fast so, als legte sich ein Schatten über sein Gesicht.
„ Sie bezweifeln, dass Carson nichts unversucht lassen wird?“, fragte sie ihn vorsichtig und tupfte mit einem in Jod getränkten Wattebausch an der Wunde entlang.
Der Colonel verzog das Gesicht- die erste wirkliche Regung seit zehn Minuten. „ Auch er kann es nicht verhindern, wenn es zu spät ist.“
„ Wer sagt Ihnen, dass es zu spät ist?“

Jennifer hätte sich am liebsten für diese Bemerkung selbst einen Klaps auf den Hinterkopf gegeben, doch der finstere Blick des Colonels war schon Strafe genug und versetzte ihr einen herben Schlag in die Magenkuhle.
Schnell senkte sie den Blick. „ Verzeihen Sie, ich wollte nicht…“
„ Sind wir hier fertig?“, fiel ihr der Colonel ins Wort.
Sie nickte. „ Ja, ich bin fertig.“ Sie ließ die Pinzette und die letzte Glassscherbe sinken. „ Sie sollten das Bein nicht allzu stark belasten und wenn Ihnen die Wunde am Kopf Probleme bereitet, dann…“
„ Danke, Doc. Ich werd’ schon zurecht kommen.“

Mit einem furchtbar schlechten Gefühl beobachtete sie den dunkelhaarigen Soldaten, wie er von der Patientenliege kletterte, nach seinem Uniformhemd griff und es sich mit ein paar geschickten Bewegungen überzog. Seine Miene war noch immer unverändert und zeigte keinerlei Emotionen, doch man musste keine besonderen Menschenkenntnisse haben, um zu erkennen, dass in ihm ein erbarmungsloser Kampf der Emotionen und Gefühle herrschte. Sie versuchten einander habhaft zu werden, sich gegeneinander aufzuspielen. Sie versuchten einander so weit zu reizen, dass sie aus der inneren Hülle nach außen brachen.
Jennifer wusste aus Erfahrung, dass selbst der härteste Soldat dem Druck, seine Gefühle zu unterdrücken, nicht ewig standhalten konnte- irgendwann wurde auch der widerspenstigste Geist gebrochen! Es war ein Kampf, den man nur verlieren konnte…

Col. Sheppard war ein guter Soldat, hatte sie sich sagen lassen. Man hatte ihr von den unzähligen Missionen und Einsätzen erzählt, die er und sein Team in dieser unwirklichen Galaxie bereits bestritten hatten. Für manche war er ein Held, für andere ein Vorbild… doch im Großen und Ganzen war er auch nur ein Mensch aus Fleisch und Blut, der bei weitem nicht jeder Prüfung standhalten konnte- egal, wie sehr er es auch versuchte.
Flink knöpfte er seine Uniform zu, ohne dabei zu ihr aufzusehen- vielleicht war es auch besser so.
Dennoch verspürte Jennifer den Drang, dem Soldaten etwas Aufmunterndes zu sagen, obschon ihr letzter Versuche mehr als in die Hose gegangen war.

„ John?“, rief sie ihn, als er daran war sich umzudrehen und sie hinter sich zurück zu lassen. Er verharrte in seiner Bewegung und drehte sich halb zu ihr um. Auch wenn er ihr nicht ins Gesicht sah, schenkte sie ihm einen warmen Blick. „ Es tut mir leid, wenn ich eben ein bisschen… taktlos rübergekommen bin. So meinte ich das nicht.“
„ Sie müssen sich nicht entschuldigen“, murmelte der Soldat als Erwiderung. „ Es ist nicht Ihre Schuld.“ Er setzte an, ihren Blick zu erwidern, schien es sich dann aber anders zu überlegen und ging.
„ John“, hielt Jennifer ihn zurück und zuckte überrascht zusammen, als er sich dieses Mal zu ihr umdrehte und sie ansah. „ Man unterschätzt oft den Lebenswillen von Babys- sie sind zäher, als man vermutet. Also falls… nun ja… ich…ich wollte nur sagen, dass es vielleicht noch nicht zu spät ist.“
Er schien über ihre Worte nachzudenken, ehe er in ein langsames Nicken einstimmte und ein zögerliches Lächeln über seine Lippen huschte. „ Danke… Jennifer.“
Die blonde Ärztin erwiderte ihm nichts, sondern lächelte nur und nickte zaghaft.

„ Jennifer?“ Carson Becketts warme Hand legte sich auf ihre Schulter und sie drehte sich zu dem Schotten um; sie hatte ihn nicht kommen hören. Er sah erschöpft aus, aber dennoch war da nichts, was sie beunruhigt hätte. Ein kleines Lächeln lag auf den Lippen ihres Kollegen. Er hielt ihren Blick noch für ein paar Sekunden, ehe er seinen Kopf leicht neigte und ein leichtes Nicken in die Richtung von Col. Sheppard andeutete. „ Bist du fertig?“
„ Ja.“ Jennifer nickte und schenkte Carson ein mildes Lächeln, welches dieser prompt erwiderte. Die neugewonnene Offenheit zwischen ihr und dem schottischen Mediziner war wirklich toll- die verzwickte Situation hatte sie beide nur noch enger zusammengeschweißt und es war eine Freundschaft entstanden, die sie nicht missen wollte.

Carson räusperte sich, ehe er den Colonel mit einer Handbewegung bedeutete ihm zu folgen: „ Vielleicht sollten Sie mit mir kommen, mein Junge.“
Besorgnis blitzte in den haselnussfarbenen Augen des Soldaten auf und er schluckte einmal. „ Carson…“
„ Sie ist wach und möchte Sie sehen“, antwortete der Mediziner voller Milde auf seine unausgesprochene Frage. „ Ich würde gerne mit Ihnen und Teyla reden, wenn Ihnen das recht ist.“
Es war nicht zu übersehen, dass Col. Sheppard mit seiner Fassung zu kämpfen hatte, und sein Nicken fiel unsicherer aus, als man es von ihm gewohnt war. Er sah kurz über seine Schulter und traf Jennifers Blick, hielt ihn für einige Sekunden.
Jennifer war überrascht, wie viele Emotionen sie in diesen wenigen Augenblicken in seinen Augen zu sehen glaubte; Angst vor dem Ungewissen, Nervosität, aber andererseits auch eine gewisse Erleichterung. Sie setzte zu einem freundlichen Lächeln an und wandte sich dann ab- sie hörte, wie die beiden Männer gingen, wie die dumpfen Schritte sich immer weiter entfernten und immer leiser wurden, schließlich von dem Lärm übertönt wurden.

++++++++


Ein erleichtertes Seufzen stahl sich über Elizabeths Lippen, als sie sowohl ihren Chefwissenschaftler als auch Mike Branton und Samantha Carter wohlbehalten im Maschinenraum auffand. Sie musste eingestehen, dass sie sich wirklich Sorgen gemacht hatte- sogar um Rodney…

„ Elizabeth, da sind Sie ja!“, begrüßte sie der Kanadier, halb unter einer Konsole verschwunden. Ein leicht zynischer Ton überlagerte seine Stimme und ein genervter Ausdruck zierte sein Gesicht. Ja, ihm ging es gut- mit Ausnahme einer kleinen Schramme an der Stirn. „ Wir haben uns hier schon Sorgen um Sie gemacht!“
„ Geht es Ihnen gut?“, fragte Dr. Branton sie und ein schelmisches Lächeln zog sich über seine Lippen. Er verdrehte seine hübschen braunen Augen kurz, realisierte ihr damit, wie sehr er es doch hasste, sie in anderer Leute Gegenwart zu siezen.
Elizabeth erwiderte sein Lächeln. „ Mir geht es gut, danke der Nachfrage. Und wie fühlen Sie sich?“
„ Kopfschmerzen… und Sie werden es nicht glauben, aber ich habe schrecklichen Appetit auf einen Blaubeermuffin.“ Rodney robbte unter der Konsole hervor, rappelte sich auf und klopfte sich den Staub von seiner Uniform.
„ Ich denke, Dr. Weir meinte Dr. Branton“, lächelte Col. Carter und blinzelte den Kanadier über den Rand ihres Tablettlaptops amüsiert an.

Elizabeth konnte sich ein Schmunzeln einfach nicht verkneifen, als Rodney sie leicht verwirrt ansah, dann die Augenbrauen hochzog und mit gespielter Gelassenheit meinte: „ Als ob mir das nicht aufgefallen wäre. Natürlich hat sie Branton gemeint, aber…“
Er verbringt eindeutig zu viel Zeit mit Col. Sheppard, schien Col. Carters Blick Elizabeth sagen zu wollen und sie bedachte sie blonde Wissenschaftlerin mit einem für Rodney unmerklichen Nicken, ehe sie die Arme vor ihrem Oberkörper verschränkte und Rodney mit hochgezogenen Augenbrauen ansah.
„ Ich weiß, was Sie sagen wollen, Elizabeth“, erwiderte dieser, „aber geben Sie mir noch ein kleines bisschen Zeit, damit ich mich vergewissern kann.“
„ Wollen Sie mir damit sagen, dass Sie nicht wissen, was passiert ist?“, fragte sie ihn.
Rodney kräuselte seine Lippen und schnappte nach seinem Tablettlaptop, das nicht unweit von ihm lag. „ Ich kann Ihnen nicht viel sagen, nur, dass wir früher als erwartet aus dem Hyperraum gefallen sind.“
Elizabeth runzelte die Stirn. „ Definieren Sie „früher“, Rodney.“
„ Genau kann ich das nicht sagen…“- Er kratzte sich am Hinterkopf- „… aber ich schätze mal zwei, drei Wochen.“
„ Zwei, drei Wochen?“ Elizabeth schloss ihre Augen und holte einmal tief Luft, ehe sie sich wieder in der Lage fühlte den Kanadier anzusehen und über das von ihm Gesagte nachzudenken. Ein nachdenklicher und zugleich besorgter Ausdruck zog sich über ihr Gesicht. „ Warum so früh?“
„ Das wissen wir nicht“, antwortete Col. Carter.
„ Es kann mit dem Hyperraumgenerator zusammenliegen oder mit dem Antrieb“, merkte Mike an und runzelte die Stirn.
„ Oder es liegt an etwas anderem“, fügte Rodney hinzu und zuckte mit den Schultern. „ Wir wissen nur, dass wir zu früh aus dem Hyperraum gefallen sind, aber nicht, warum. Es kann an allem möglichen liegen. Es kann auch ein Fehler im System sein.“
„ Sie meinen eine Art „Wackelkontakt“?“, fragte Elizabeth.
„ Das ist jetzt zwar sehr unwissenschaftlich ausgedrückt, aber im Großen und Ganzen… ja.“ Rodney nickte.

Elizabeth sah zwischen den drei Wissenschaftlern hin und her, ehe ihr Blick wieder an Rodney hängen blieb. „ Bekommen Sie das wieder hin?“
„ Es wird schwer, wenn nicht sogar unmöglich, genau zu bestimmen, wie es zu diesem Fehler gekommen ist“, meinte Col. Carter.
Rodney grinste süffisant. „ He, ich bin Dr. Rodney McKay, ich schaffe Dinge, die als unmöglich gelten, in weniger als ein paar Minuten und…“
„Ich habe versucht, nicht Ihr Ego zu füttern Rodney, ich habe einfach nur gefragt, ob Sie es wieder hinbekommen!“, tadelte Elizabeth ihn. „ Kann ich mich auf Sie verlassen?“
„ Oh… ja“, antwortete Rodney nach einer Weile und nickte verlegen. „ Geben Sie mir eine Stunde.“
„ Okay.“ Elizabeth stemmte sich mit den Handballen von dem Tisch weg, gegen den sie sich gelehnt hatte. „ Ich geben Ihnen eine Stunde- Col. Carter und Dr. Branton werden Ihnen behilflich sein.“
„ Aber…“, protestierte Rodney mit weit aufgerissenen Augen und sein Gesicht errötete leicht.
„ Das Letzte was wir jetzt gebrauchen können, ist ein Schiff mit einem defekten Antrieb“, mahnte die Expeditionsleiterin ihn. „ Ich denke, dass ist Grund genug, um mit anderen zusammenzuarbeiten, Rodney. Und wenn Sie…“
„ Dr. Weir, bitte kommen Sie unverzüglich in den Torraum“, knackte es plötzlich aus ihrem Headset und ließ sie zusammenfahren. Sie bedachte Rodney noch tadelnden Blickes, ehe sie sich daran machte, den Funkspruch zu erwidern.
„ Was gibt es, Sergeant?“
„ Das Tor hat sich angewählt und wir haben eine stabile Verbindung“, kam die Antwort wenige Sekunden blechern aus dem kleinen Lautsprecher. „ Und da ist etwas, was Sie und Col. Sheppard sich vielleicht mal ansehen sollten.“
Elizabeth nickte. „ Okay, geben Sie dem Colonel Bescheid. Ich bin gleich da“ Weir Ende.“

„ Das Tor hat sich angewählt, meinten Sie?“, fragte Col. Carter nachdem Elizabeth die Funkverbindung zum Torraum beendet hatte.
„ Sergeant Volker sprach von einer stabilen Verbindung… ja“, erwiderte ihr die Expeditionsleiterin nickend und zog dann misstrauisch ihre Augenbrauen zusammen. „ Woran denken Sie, Colonel?“
Samantha zog ihre Schultern zusammen. „ Es ist nur eine Frage, aber… warum sollte sich das Gate anwählen, wenn wir zu früh aus dem Hyperraum gefallen sind? Für mich ergibt das keinen Sinn.“
„ Vielleicht hat das Schiff die Adresse angewählt“, mutmaßte Mike.
„ Das Schiff soll den Planeten angewählt haben?“, wiederholte Rodney seinen Kollegen stirnrunzelnd und meinte dann frech: „ Das ist das Naivste, was ich in den letzten Wochen gehört habe! Die Artemis ist ein Schiff… und keine zweite Ausgabe von R2D2!“
„ Wäre so etwas überhaupt möglich?“, fragte Elizabeth.
„ Theoretisch…“, murmelte Mike.
Rodney schnalzte laut mit der Zunge. „ Nehmen wir für einen wahnsinnigen Moment lang mal an Sie hätten Recht…theoretisch ist alles möglich, aber wie hätte das Schiff das machen sollen? Mal eben im Adressbuch nachschlagen und den nächstbesten Planeten anwählen?“ Der Kanadier schüttelte nur mit dem Kopf. „ Sie müssen sich doch selbst eingestehen, dass das absoluter Blödsinn ist.“
Elizabeth teilte die Meinung des Physikers nicht und ein schneller Blick zu Mike und Col. Carter verriet ihr, dass die beiden ebenfalls mehr als skeptisch waren. Sie machte einen kleinen Schritt auf Rodney zu. „ Überprüfen Sie das für mich.“
„ Was?“ Rodney sah sie überrascht an. „ Sie glauben doch nicht wirklich, dass…“
„ Überprüfen Sie es, Rodney“, wiederholte Elizabeth sich in fester Tonlage und legte den Blick ihrer grünen Augen auf den Kanadier. „ Das ist keine Bitte.“
„ Elizabeth…“
„ Tun Sie es einfach! Wie Sie das anstellen, ist mir egal, nur tun Sie es!“

Die Expeditionsleiterin war leicht ärgerlich über Rodneys scheinbare Unfähigkeit zu Kooperation, als sie sich umdrehte, auf den Korridor hinaustrat und den Maschinenraum mit eiligen Schritten hinter sich ließ. Sie hatte wahrlich Besseres zu tun, als sich mit Rodney zu streiten! Zumal dieses Unterfangen auch meist keinen Sinn hatte. Rodney konnte unnahbar sein, wenn es für ihn darum ging, eine andere Meinung zu akzeptieren. Manchmal konnte er etwas anstrengend sein…

Sie war noch nicht einmal bis zum Ende des Korridors gekommen, als sie eine Stimme zurückrief. Sie drehte sich um und sah Mike den dunklen Korridor entlang joggen.
Er lächelte, als er sie einholte. „ Erwartest du noch immer meine Antwort?“
Elizabeth erinnerte sich an Sergeant Volkers Funkspruch und seufzte einmal kurz. „ Mike, ich…“
„ Ich wollt’ dir nur sagen, dass es mir auch gut geht.“ Seine braunen Augen strahlten und mit einem Lächeln auf den Lippen beugte er sich vor und küsste sie zärtlich.
„ Danke, dass du mir extra hinterher gelaufen bist, nur um mir das zu sagen“, schmunzelte Elizabeth.
„ Beruhigt?“, fragte Mike.
„ Ungemein“, antwortete sie, verzog ihr Gesicht dann zu einer leidigen Grimasse. „ Tut mir leid, aber ich muss jetzt los…“
Mike seufzte theatralisch, grinste dann aber. „ Ich versteh’ schon- du musst mal wieder die Welt retten!“
Elizabeth stimmte in sein Lächeln ein und gab ihm einen Kuss auf seine Wange. „ Nun übertreib’ mal nicht gleich.“ Mit einem Augenzwinkern verabschiedete sie sich von ihm und lief eiligen Tempos durch den Korridor, bog galant um die Ecke.
Sie spürte Mikes Blick noch einige Momente lang in ihrem Nacken, hörte dann jedoch, wie er leise lachte und dann zum Maschinenraum zurückging. Sie blieb stehen und spähte um die Ecke herum, starrte ihm hinterher, bis er in den Maschinenraum einbog.

Um ein Haar hätte sie vergessen, warum sie eigentlich gegangen war, doch ein Funkspruch erinnerte sie. „ Dr. Weir?“
„ Ich komme sofort, Sergeant“, erwiderte sie dem jungen Mann und setzte sich nach einem letzten geradezu sehnsüchtigen Blick gen Maschinenraum wieder in Bewegung.

++++++++


„ Das diesige Gefühl in Ihrem Kopf wird bald verschwinden“, beruhigte Carson sie und schenkte ihr ein wirklich aufrichtiges Lächeln; kleine Lachfältchen bildeten sich um seine stahlblauen Augen herum und seine Lippen kräuselten sich. Er fasste hinter ihren Kopf, rückte ihr Kissen so zurecht, dass sie sich bequem dagegen lehnen konnte. „ Ich habe Ihnen ein leichtes Mittel gegen die Kopfschmerzen gegeben. Keine Sorge… auch die werden bald besser werden.“
Man konnte auf die freundliche Art des Arztes nur mit einem Lächeln reagieren… und so lächelte Teyla.

Sie fühlte sich noch immer etwas schwindelig und wirr, und ihre Gedanken schwirrten ohne jegliches System durch ihren Kopf, aber sie vertraute Carson. Mit Sicherheit würde es bald besser werden. Er hatte schließlich keinen Grund sie anzulügen…
Mit einem leisen Seufzen lehnte sich Teyla in das Kissen und schloss für einen kurzen Augenblick ihre Augen; sie hoffte so, ihre Gedanken ordnen zu können… kam aber nach nur wenigen Augenblicken zu dem Schluss, dass das eine im Moment unüberwindbare Aufgabe war, und öffnete ihre Augen wieder.
Carson war noch immer da, stand vor ihr und lächelte sie aus vollem Herzen an. Er wirkte gelassen und kein bisschen angespannt… vielleicht ein gutes Omen und sie konnte den nervösen Händedruck an ihrer rechten Hand ignorieren…
John saß neben ihr, hielt ihre Hand und starrte Carson ebenso erwartungsvoll an, wie sie es tat- nur mit dem feinen Unterschied, dass er nervöser zu sein schien, als sie. Aus irgendeinem Grund verspürte sie keine Nervosität und saß ganz ruhig da.
Sie sah zu John, der sich ein schwaches Lächeln abrang, als er ihren skeptischen Blick bemerkte, und ihre Hand tätschelte. Vielleicht war ihm auch alles irgendwie zu viel geworden; Teyla bemerkte den kleinen Cut an seiner Schläfe und sein zerrissenes Hosenbein, unter dem eine säuberliche Naht hervorblitzte. Und seine müden Augen…

Carson räusperte sich und als sie zu ihm aufblickte, war sein Lächeln verschwunden. Er wirkte ernster und gefasster, professioneller…aber dennoch immer noch wie der Carson Beckett, den sie kannte- freundlich und aufmunternd.
„ Ich wünschte, es wäre nicht so weit gekommen“, begann er und ließ seinen Blick zwischen John und ihr hin und her schweifen, fixierte sich dann schließlich aber auf sie- und plötzlich war ihre Gelassenheit verschwunden und kalter Angstschweiß trat auf ihre Stirn.
Sie schluckte und wollte mit dem Kopf schütteln, doch irgendwie konnte sich der Befehl dazu nicht durch ihren in Watte gepackten Verstand kämpfen- blieb irgendwo auf halber Strecke liegen. Nein, dachte sie und spürte, wie ihre zitternden Finger beschützend über ihren Bauch glitten. Nein, bitte nicht.

Carsons Gesichtausdruck war nicht leicht zu deuten und das machte Teyla nur noch nervöser… und auch ängstlicher. Plötzlich hatte sie das Gefühl, dass sich zwei mächtige Pranken sich um ihren Hals legten und mit aller Kraft zudrückten. Ihr Magen krampfte sich zusammen.
Carson schien ihre Nervosität zu spüren und machte einen Schritt nach vorne, griff nach ihrer Hand. Nun hatte sie an jeder Hand jemanden hängen- John rechts, Carson links. Irgendwie ein beklemmendes Gefühl und auf einmal wünschte sie sich nichts sehnlicher, als dass Carson endlich mit der Wahrheit herausrückte. Sie wollte es wissen…

„ Teyla, Sie hatten eine Blutung in der Gebärmutter…“, schleuderte Carson ihr die Wahrheit um beide Ohren- und es war noch schlimmer, als sie erwartet hatte; ihr Herz stockte für einen kurzen Moment, nur um dann in wahnsinniger Geschwindigkeit Blut und Adrenalin durch ihren Körper zu pumpen… und endlich schaffte es auch der Befehl „Kopfschütteln“ durch die Barrikade.
„ Und…was genau heißt das?“, erhob John nach scheinbar nicht enden wollenden Augenblicken seine Stimme und er drückte ihre Hand noch fester. Man konnte den Kloß in einem Hals förmlich hören.
„ In einem solchen frühen Stadium einer Schwangerschaft können häufiger Komplikationen auftreten“, meinte Carson und ließ Teylas Hand wieder los, trat einen Schritt zurück. „ Blutungen- selbst von solch geringem Ausmaß- können schwere Schäden für das Ungeborene nach sich ziehen, aber…“ Er versetzte sich in ein kurzes Schweigen.

Teyla konnte nicht mehr. Sie verkrallte ihre Finger in das Bettlaken der Patientenliege, um nicht geradewegs nach hinten zu kippen. Einerseits hing sie regelrecht an Carsons Lippen und andererseits fürchtete sie sich vor dem Aufprall- die Wunde an ihrem Hinterkopf hatte genäht werden müssen!
Geradezu panisch versuchte sie etwas in dem Gesicht des Mediziners zu lesen. Irgendetwas, was ihr die Wahrheit ein kleines bisschen verständlicher machte. Sie erwartete einen traurigen Blick und ein „Tut mir leid“… und demnach überraschte es sie, als Carson wieder anfing zu lächeln.
Sie stutzte einen Augenblick lang, versuchte dieses plötzliche Lächeln zu verstehen, und dann hellte sich ihr Gesicht auf.
„ W…wirklich?“, presste sie mühsam hervor. Das Glucksen, das sich in ihrer Kehle zusammengebraut hatte, brach als Lachen über ihre Lippen, als Carson nickte.
„ Es ist alles in Ordnung.“ Seine Worte waren wie Balsam für ihre Seele und ließen die große Last, die sich auf ihre Schultern gelegt hatte, verschwinden.
„ Wirklich?“, wiederholte sich Teyla.
Und wieder nickte Carson und erfreute sie mit seinem gutmütigen, friedfertigen Lächeln.
„ Heißt das…“ Die Worte des Arztes schienen nun auch bei John angekommen zu sein, und auch wenn er einen skeptischen und leicht ungläubigen Ausdruck auf seinem Gesicht hatte- er lächelte, lächelte ein Lächeln voller Glück.
Carson schob sein Kinn leicht nach vorne, was sein Lächeln und das Glitzern seiner Augen nur noch verstärkte. „ Ihr Baby ist eine richtige Kämpfernatur. Ich muss zugeben, dass es mich überrascht… aber es ist völlig in Ordnung, als wäre nie etwas passiert.“
John lachte auf und drückte einen Kuss auf ihre Hand. „ Da kommt es voll und ganz nach seiner Mom.“

Teyla sah zu ihm auf. Sein Gesichtsausdruck verriet Freunde und Erleichterung und Zufriedenheit- er fühlte sich genauso, wie sie. Ein warmes Lächeln lag auf seinen Lippen und ein leises Funkeln ließ seine haselnussfarbenen Augen förmlich strahlen. Sein Händedruck war fest, zeugte ebenfalls von Erleichterung.
„ Und, ist das Baby jetzt noch…“ John brachte seinen Satz nicht zu Ende, sondern vollendete ihn mit einer schnellen Handbewegung, die aber nicht falsch gedeutet werden konnte.
Carson räusperte sich und wandte sich mit wissendem Blick an Teyla. „ Sie sollten es in den nächsten Tagen ruhig angehen lassen. Es können immer noch Komplikationen auftreten. Wir müssen sicher gehen, dass Sie die Schwangerschaft halten können. Das heißt keine Trainingseinheiten! Wenn ich Sie auch nur einmal beim trainieren erwische...“ Er hob warnend den Finger, doch er lächelte nebenbei.
„ Und was ist mit...?" John machte eine umständliche Handbewegung. „ Sie wissen schon...Sex?", fragte er, woraufhin Teyla ihn mit halb offenem Mund anstarrte und Carson einem amüsierten Schmunzeln verfiel.
„ Sex während der Schwangerschaft schadet weder der Mutter noch dem Kind“, antwortete der Schotte.
„ Oh, okay, ja." Johns Wangen nahmen zwar einen leichten Rotton an, aber grinste.
Carsons Lächeln verrutschte um einige Millimeter, doch noch immer war da dieser freundliche Ausdruck in seinem Gesicht und seine Stimme war warm, als er meinte: „ Ähem, ich werde mal nach Dr. Keller und Dr. Hadley sehen, wenn Sie nichts dagegen haben.“ Er ging mit einem Lächeln, machte dann aber nach wenigen Meter Halt und wandte sich noch einmal um. „ Lassen Sie sich Zeit.“
Dann ging er.

Kaum war er gegangen, stemmte sich Teyla mit ihren Händen von der kratzigen Matratze der Patientenliege ab- sie hatte wahrlich genug von dem ganzen Liegen-, wurde aber wieder zurück in die Kissen gedrückt, als John ihr Gesicht mit beiden Händen umfasste und ihre Lippen mit einem Kuss bedeckte, der mehr verriet als nur Leidenschaft- da war Erleichterung, unglaubliche Erleichterung und auch Freude.
Teyla lächelte, als sich ihre Lippen voneinander lösten und nach Luft schnappten, und schlang ihre Arme um seinen Nacken, zog ihn zu sich heran und lehnte ihre Stirn gegen seine.
„ Ich hatte Angst“, gestand John, berührte mit seinen Lippen sanft ihre Nasenspitze und glitt mit seiner Hand über ihren Unterleib, gab sich für einen kurzen Moment stiller Bewunderung hin.
„ Ich hatte auch Angst“, wisperte Teyla zurück und sie hatte sich wirklich gefürchtet! Sie erinnerte sich nicht mehr an viel- die Kopfschmerztabletten hatten sie fertig gemacht. Da waren nur noch schwache Erinnerungen. Sie erinnerte sich, wie sie sich im Bad übergeben hatte, wie die Wände angefangen hatten zu wackeln. Sie erinnerte sich an ihren Sturz und an den furchtbaren Schmerz. Dann war da nichts als große Dunkelheit und Angst und noch etwas, was sie aber nicht wirklich einzuordnen vermochte- es waren unscharfe Bilder, die starke Emotionen bei ihr hervorriefen. Sie hörte auch eine Stimme, eine ihr sehr bekannte Stimme, die mit ihr redete. Es klang wie ein Versprechen. Doch was versprach die Stimme ihr? Sie wusste es nicht, sie konnte sich nicht erinnern.

John lachte und riss sie aus ihren Gedanken. Er hatte seine Stirn noch immer gegen ihre gelehnt, betrachtete sie eingehend und hatte einen Arm um ihre Hüfte geschlungen. „ Wir müssen verrückt sein. Ein Baby… hier!“
Sie runzelte die Stirn. „ Du meinst, dass wir uns falsch entschieden haben?“
„ Nein.“ Er schüttelte mit dem Kopf. „ Nein, wir haben alles richtig gemacht, okay? Wir bekommen ein Baby… und verdammt ja, ich freu’ mich! Ich werde Dad und ich freu’ mich wirklich! Nur…“- Er seufzte schwer und nahm ihr Gesicht wieder zwischen seine Hände und hob es an, sodass sie ihm in die Augen sehen musste- „… es ist gefährlich hier. Das heute hat mir gezeigt, wie gefährlich.“
Teyla schmunzelte. „ Du machst dir Sorgen.“
„ Ich will nicht, dass so etwas noch mal passiert, Teyla“, erwiderte John. „ Hör zu: Ich halte das nicht für einen Fehler. Ich freu’ mich auf das Baby, nur ich…“
Gerührt lehnte sie ihren Kopf gegen seine Schulter. „ Ich weiß, was du sagen willst und du sollst wissen, dass ich verstehe.“
„ Wirklich?“ John hob die Augenbrauen. „ Normalerweise haben die meisten Leute Probleme mich zu verstehen.“
„ Ich werde auf mich und auf das Baby aufpassen“, versprach Teyla ihm mit einem Lächeln. „ Du musst dir keine Sorgen machen.“
John war nicht glücklich mit dieser Antwort. Skeptisch runzelte er die Stirn und schürzte die Lippen. „ Ich hab’ trotzdem das Gefühl, dass jeden Moment was Schlimmes passiert.“
„ John, hier ist Elizabeth. Sie sollten in den Torraum kommen und sich etwas ansehen!“

++++++++


„ Sind das die Bilder von dem Planeten?“, fragte Elizabeth mit zittriger Stimme und schluckte den Ekel runter.
„ Ja, Ma’am.“ Sergeant Ernest Volker- ein junger Mann Mitte zwanzig mit strubbligen blonden Haaren und rehbraunen Augen- nickte. „ Sie sind soeben eingetroffen.“
„ Okay.“ Elizabeth betrachtete die Videoübertragung mit einer Mischung aus Ekel und Trauer. Sie war dermaßen versunken, dass sie nicht merkte, wie sich John ihr eiligen Schrittes näherte und ein entsetztes „ Oh, mein Gott“ verlauten ließ, kaum dass er einen Blick auf den Bildschirm erhascht hatte.
„ Was zur Hölle ist das?“, fragte er mit verzogener Grimasse.
Elizabeth seufzte und wandte ihren Blick von dem Bildschirm ab, sah stattdessen ihn an. „ Ich will, dass Sie und Ihr Team sich das ansehen. Es scheint mir, als hätte uns das zu interessieren.“

TBC
Neue Welten und ein alter Bekannter by Ailya
In der Fremde erfährt man, was die Heimat wert ist.


Es kam, kaum dass sie durch das Gate getreten war und mit ihren Füßen den trockenen Waldboden betreten hatte- dieses überschwängliche Gefühl, welches sich mit nichts vergleichen ließ. Es war die Art von Gefühl, das durch den ganzen Körper kribbelte und jedes noch so kleinste Teilchen elektrisierte. Ihr Herz machte einen freudigen Hüpfer und ihr Atem fing erregt an zu zittern, als sie den Geruch von trockenem Holz und Erde einatmete.

Sie fühlte sich, als wäre sie nach Hause gekommen! Alles erinnerte sie an den Ort, wo sie geboren worden war. Die moosbewachsenen Bäume, deren Stämme knorrig in die Höhe ragten. Die Baumwipfel über ihren Köpfen, die hoch oben in ein riesiges grünes Blätterdach zusammenschmolzen. Der trockene Waldboden, der mit Tannennadeln, Blättern und kleinen Zweigen übersäet war. Ja, sogar das laute Kreischen der Vögel, die durch die Baumwipfel von Ast zu Ast hüpften, erinnerte sie an zuhause!

Teyla spürte, wie feuchte Tränen in ihren Augen zu schwimmen begannen und ihre Sicht zu verwischen drohten. Schnell hob sie ihre Hand und versuchte die Tränen aus ihren Augenwinkeln zu wischen. Sie wollte nicht weinen, doch dieser Ort rief einfach zu viele Erinnerungen in ihr wach… und sie konnte dem Druck, der sie innerlich zerriss, nicht länger standhalten. Eine einzelne Träne brach aus ihrem Augenwinkel und perlte an ihrer Wange hinab und tropfte dann auf den verdorrten Waldboden.

„ Ich verstehe immer noch nicht, warum Sie ausgerechnet mich bei dieser ganzen Sache brauchen“, hörte sie Rodney schimpfen und als Teyla sich halb zu ihm umdrehte, sah sie den Kanadier neben dem Gate stehen, welches sich genau in diesem Augenblick deaktivierte. Er wirkte nicht gerade begeistert, hatte eine missmutige Miene aufgesetzt und war sichtbar schlecht gelaunt- seine Lippen hatte er fest zusammengekniffen und seine blauen Augen waren nicht vielmehr als schmale Schlitze.
„ Sie sind Mitglied meines Teams- deshalb brauche ich Sie“, erklärte ihm John gelassen. „ Und außerdem wird Ihnen etwas frische Luft sicher gut tun. Immer nur in diesem stickigen Maschinenraum…“
Rodney zog die Augenbrauen zusammen. „ Seit wann machen Sie sich bitte schön Sorgen um mich? Womit habe ich diese Aufmerksamkeit nur verdient?“
„ Charmant, Doktor.“ Col. Cameron Mitchell lachte und zog sich seine schwarze Kappe tiefer ins Gesicht, um sich vor den Sonnenstrahlen zu schützen, die vereinzelt durch das dichte Blätterdach brachen. „ Da will man mal nett sein…“
„ Sehen Sie es einfach als freundliche Geste“, pflichtete John dem Teamleiter von SG1 bei und setzte sich seine Sonnenbrille auf die Nase.
„ Pah“, machte Rodney kopfschüttelnd und folgte den beiden, widerwillig über den Waldboden stapfend und quittierte amüsierte Blicke von Vala Mal Doran und Ronon.
Der Sateder und die temperamentvolle Schwarzhaarige sahen einander grinsend an, ehe auch sie sich in Bewegung setzten und den beiden Soldaten folgten.

Teyla lächelte Col. Mitchell freundlich an, als dieser an ihr vorüber schritt, und hoffte sehnlichst, dass ihre Tränen bereits getrocknet waren. Das Gleiche tat sie auch, als Rodney gefolgt von Ronon und Vala brummelnd an ihr vorbeiging, um Mitchell tiefer ins Unterholz zu folgen.
„ Ich sagen Ihnen, das ist eine schlechte Idee“, moserte er dabei. „ Ich sollte jetzt besser bei Carter und Jackson sein!“
Mitchell lachte hämisch. „ Ich bin mir sicher, dass die beiden auch mal `ne Auszeit gebrauchen können.“ Er warf ein schnelles Zwinkern über seine Schultern, auf das Rodney nur mit einem frechen „ Was soll denn das jetzt schon wieder heißen“ reagierte.
„ Das, was er gesagt hat“, meinte Ronon trocken und tauschte einen vielsagenden Blick mit Vala aus.
Rodney drehte sich zu ihm um und funkelte ihn böse an. „ Sie halten sich da mal schön raus, mein um sich schlagender Freund!“

Die Gruppe entfernte sich immer weiter, bis Teyla den Sichtkontakt zu ihnen verlor und nur noch Rodneys aufgebrachtes Schimpfen und Ronons warnende Stimme hörte. Sie hoffte inständig, dass der Sateder seinem Teamkollegen nichts tat.
„ Teyla.“ Sie hatte befürchtet, mit dieser Sache konfrontiert zu werden und nun schien der Moment gekommen zu sein. Langsam drehte sie sich zu John um, der ein paar Meter von ihr entfernt stand, seine Sonnenbrille genau in diesem Moment absetzte und dann seine Ellenbogen auf seine P90 stützte.
„ Ich weiß was ich tue“, sagte sie, nachdem sie einmal tief Luft geholt hatte.
„ Du weißt, wie ich darüber denke“, sagte er, schüttelte dann mit dem Kopf und sah sie verständnislos an. „ Ich kann einfach nicht verstehen, warum du Elizabeth dazu überredet hast!“
„ Es ist meine Entscheidung, John“, erwiderte Teyla ihm. „ Und ich bin noch immer ein Mitglied deines Teams. Du selbst hast das gesagt. Vergiss das nicht.“
„ Jetzt ist es aber anders“, sagte er und sein Blick wurde weicher. „ Es ist einfach anders, Teyla.“
„ Nichts ist anders.“ Sie schüttelte mit dem Kopf. „ Wie rum du es auch immer drehst, ich bin noch immer in deinem Team. So lange, bis du…“ Sie verstummte, ließ dann schnell von diesem abwegigen Gedanken ab. „ Aber ich weiß, dass du das nicht tun wirst.“
„ Aber…“
„ Ich erwarte ein Kind, John. Ich bin nicht krank.“ Teyla lächelte leicht und machte einen kleinen Schritt auf ihn zu. Sie neigte ihren Kopf leicht, damit sie seinen gesenkten Blick erhaschen konnte. „ Hörst du, ich bin nicht krank und das heißt, dass ich…“
„ Ich will einfach nicht, dass euch beiden was passiert“, fiel John ihr ins Wort und hob seinen Blick, sah ihr ins Gesicht. „ Du weißt, wie gefährlich dieser Ort und diese Galaxie sind. Ich könnte es einfach nicht ertragen, wenn…“- Er seufzte schwer und ließ seinen Satz unvollendet, machte stattdessen einen Schritt auf sie zu und legte seine Lippen an ihr Ohr. „ Sei einfach vorsichtig. Bitte.“
Sie erwiderte ihm ein Lächeln. „ Dieses Kind hat ein Anrecht darauf, die Heimat seiner Eltern kennen zu lernen. Natürlich werde ich vorsichtig sein.“
„ Versprech’s mir“, verlangte John.
„ Ich versprech’s dir“, erwiderte Teyla. „ Ich werde vorsichtig sein.“

Der dunkelhaarige Luftwaffenoffizier verzog nicht gerade sehr beruhigt aussehend seinen Mund, doch bevor er darauf eingehen konnte, knackte sein Headset und Cameron Mitchells Stimme erfüllte die kleine Lichtung, inmitten der das Gate mit den goldenen Chevrons in die Höhe ragte.

„ Col. Sheppard, ich glaub’ wir haben gefunden, wonach wir gesucht haben.“

++++++++++


Das Leben konnte manchmal nicht mehr sein, als eine Verschwendung von wertvoller Zeit und Sauerstoff! Gelangweilt saß er einfach nur da und verfolgte mit starrem Blick das seltsame Treiben dieses Narren, der doch tatsächlich versucht war, ihn zu unterhalten. Wie konnte dieser zerlumpte Mann nur glauben, dass er Gefallen an seinem Herumgehopse fand? Normalerweise fand er es lachhaft, einen dermaßen verarmten Mann zu beobachten, während dieser sich vor seinem gesamten Hofstaat lächerlich machte, doch heute… Heute war ihm nicht zum Lachen zumute und das alles langweilte ihn nur zu Tode.

Die Musik verstummte und der Narr beendete seinen wirren Tanz, trat einen Schritt zurück und verbeugte sich tief.
„ Ihr könnt nun gehen“, wies er den Mann an. „ Ich werde Euch rufen lassen.“
„ Wann immer Majestät wünscht“, erwiderte der Zerlumpte. Er verbeugte sich noch einmal und ging dann.
„ Wache“, verlangte er, kaum dass die schwere Eichentür zurück ins Schloss gefallen war.
Ein stämmiger Mann trat vor, verneigte sich kurz. „ Ihr wünscht, Majestät?“
„ Sorgt dafür, dass dieser Narr nie wieder an meinem Hof gesehen wird… und bringt mir sein Weib.“
„ Ja, Majestät“, gab sich der Stämmige gehörig und machte sich daran, den ihm erteilten Befehl auszuführen. Auf dem Weg hinaus winkte er zwei Männer zu sich, die ihm auch prompt nachfolgten.

Der Harfenspieler stimmte ein weiteres Stück an und wieder überkam ihn eine schreckliche Langeweile. Er lehnte sich nach hinten, gegen die hölzerne Lehne seines Thrones und schloss für einen Augenblick seine Augen… bis die Tür zum Saal mit einem lauten Knall aufflog und ein kleiner, zierlicher Mann hineingestolpert kam.
„ Majestät!“, rief er aufgebracht und schlidderte über den glatten Steinboden, wedelte mit seinen dürren Armen, um sein Gleichgewicht halten zu können.
„ Gajan“, erboste er sich über die Störung. „ Wie oft habe ich Euch gesagt, Ihr sollt nicht einfach so hereinplatzen?“
„ Ich bitte um Vergebung, Majestät.“ Der kleine Mann verbeugte sich noch tiefer, als es der Narr getan hatte- er berührte mit seiner Nasenspitze fast den Boden. „ Aber ich habe eine Nachricht für Euch, die meine Majestät sicher interessieren wird!“
„ Was ist so wichtig, dass Ihr meinen Schlaf stört?“, wollte er wissen. Er hatte zwar nicht geschlafen, aber dennoch war er zornig über das plötzliche Auftauchen seines nichtsnutzigen Kammerjungen.
„ Fremde haben das Tor passiert“, berichtete Gajan, noch immer leicht außer Atem. „ Procilla hat es mir soeben gesagt.“

Fremde haben das Tor passiert. Er erhob sich, als Gajans Worte seinen Verstand erreicht hatten. Nein, das konnte nicht die Möglichkeit sein! Es war einfach nur undenkbar! Hatte diese alte Jungfer Recht behalten?“
Erbost schnaubte er einmal, ehe er sich wieder setzte und Gajan erregt anwies: „ Bringt mir diese alte Jungfer aus dem Sumpf- Jolanda. Schnell!“
„ Was ist mit den Fremden?“, fragte Gajan vorsichtig.
„ Procilla soll sie weiterhin beschatten“, antwortete er und bedeutete seinem Kammerjungen mit einem Handwink, dass er allein sein wollte. Er musste nachdenken.
„ Ja, Majestät.“ Gajan neigte seinen Kopf, deutete eine Verbeugung an und verschwand dann ebenso schnell, wie er gekommen war.

+++++++++


John presste angewidert die Lippen aufeinander und versuchte möglichst konzentriert an diese Sache heranzugehen… was sich allerdings nicht gerade einfach erwies. Es schien unmöglich zu sein, bei einem solchen Anblick ruhig zu bleiben und professionell vorzugehen.
Er schluckte heftig, als er den Kopf hob und mit zittrigen Fingern sein Feldmesser aus der Halterung zog.

Ein, zwei Meter über ihm hing etwas in der Luft, das unschwer als ein menschlicher Körper zu erkennen war. Die Gestalt regte sich nicht mehr, wahrscheinlich lag es an dem faustbreiten Holzpfahl, den man durch ihren Brustkorb gebohrt hatte.
Die schrumpelige Haut spannte über den Knochen. Das Blut war längst vertrocknet. Der letzte Atemzug musste Wochen, wenn nicht sogar Monate her sein.
Über das dürre Skelett legte sich die Uniform der Atlantis-Expedition wie ein übergroßer Kartoffelsack. Die P90 baumelte wie fehlplaziert an dem knöcherigen Arm und zog ihn nach untern. Eine schwarze Kappe war über den schrumpfenden Kopf gestülpt. Die klapperigen Beine steckten in einem Meer von Stoff.

John spannte sich unwillkürlich an, als er sich leicht auf die Zehenspitzen stellen, um die menschlichen Überreste überhaupt erreichen zu können. Sein eigenes Handeln war ihm zuwider, doch er musste es tun! Ganz vorsichtig schob er mit dem Messer den Kragen der Uniform auseinander, fuhr suchend an dem mageren, allmählich verwesenden Hals hinab, bis er schließlich das fand, wonach er gesucht hatte.
Ein Ruck… und die Hundemarke rutschte an der matten Klinge und an dem dunklen Schaft hinunter.
John holte tief Luft und blickte zu seinen Begleitern auf: Cameron Mitchell und Ronon beobachteten ihn mit starrer Miene. Vala und Teyla waren geschockt und Rodney zeigte seinen Ekel ganz offen.
„ W…wer ist es?“, hörte John Teyla mit zittriger Stimme fragen und als er sie ansah, entdeckte er Tränen in ihren Augen glitzern. Er seufzte und strich über das vergilbte Metall der Hundemarke. Sie war verdreckt, Erde hatte die Schrift unleserlich gemacht- es dauerte eine Weile, bis er erkennen konnte, um wen es sich bei dem Toten handelte.
„ Es ist Major Robbins. Major Timothy Robbins“, sagte er leise und erinnerte sich.

Timothy Robbins war ein junger Bursche gewesen, der es faustdick hinter den Ohren gehabt hatte. Er war Brite und war stolz auf seine Herkunft gewesen; jeden Tag hatte er seinen Fünf Uhr-Tee getrunken und hatte immer begeistert von den Pferderennen erzählt, die er als kleiner Junge immer zusammen mit seinem Großvater besucht hatte.
John erinnerte sich noch ganz genau an den Tag, an dem Robbins verschwunden war. Er hatte die Athosianer besuchen wollen; es war bekannt gewesen, dass er in eine junge Athosianerin namens Solia verliebt war. Doch er war nie dort angekommen. Man hatte nach ihm gesucht, doch man hatte ihn nicht gefunden. Bis heute…

„ Wie ist er hier hingekommen?“, fragte Rodney kopfschüttelnd und John sah an der Miene des Kanadier, dass auch er sich an den jungen Soldaten mit den roten Haaren und den freundlichen grünen Augen erinnerte. „ Das ist doch jetzt schon zweieinhalb Jahre her…wenn nicht sogar mehr.“
„ Ich weiß es nicht“, antwortete John auf die Frage seines Freundes und blickte wieder zu Robbins stark verwestem Leichnam auf. Er wusste nur, dass es sich nun nicht mehr lohnte nach ihm zu suchen.
„ Sollen wir ihn mitnehmen?“, fragte Ronon.
„ Sie wollen eine Leiche mitnehmen?“ Vala sah ihn entsetzt an. „ Wirklich?“
„ Fürs nächste Halloween“, brummelte Mitchell, doch diese Aussage war keineswegs als schlechter Scherz aufzunehmen. Nein, der Colonel schien vollkommen ernst.
„ Wir können ihn doch nicht mitnehmen“, empörte sich Rodney. „ Eine Leiche auf einem Raumschiff- als hätten wir davon nicht schon genug gehabt.“
„ McKay hat Recht“, pflichtete John dem Kanadier zu, ließ Robbins’ Hundemarke in der Tasche seiner Überlebensweste verschwinden. „ Wir können ihn nicht mitnehmen.“
„ John.“ Teyla trat an seine Seite und legte ihm sanft die Hand auf die Schulter. „ Du willst ihn hier lassen? In diesem Zustand? Wir sollen ihn so hier…“- Sie schluckte- „… hängen lassen?“
„ Wir können ihn nicht mitnehmen“, antwortete er ihr sanft, nachdem er das Glitzern ihrer Tränen in ihren braunen Augen entdeckt hatte, und wandte sich dann an die drei anderen. „ Vielleicht sollten wir Elizabeth verständigen, bevor…“
„ Sheppard!“ Ronon fiel ihm ins Wort; der Sateder hatte seinen Blick stur geradeaus gerichtet, wirkte alarmiert.
„ Sieht so aus, als hätten wir Besuch bekommen“, hörte John Mitchell leise sagen und sah aus dem Augenwinkel heraus, wie sich die Finger des Colonels zögerlich um seine Waffe klammerten und sein Zeigefinger nervös über den Abzug zuckte.
John drehte sich um.

Die kleine Lichtung, auf der sie auf Robbins’ Leichnam gestoßen waren, war nicht sehr groß, hatte einen Durchmesser von gerade einmal zwanzig Metern, wenn nicht sogar nicht weniger.
Ein junger, verwegen aussehender, Mann mit wirren blonden Haaren, die ihm strähnig ins Gesicht fielen und überhalb seiner dünnen Augenbrauen ihr Ende fanden, stand höchstens zehn Meter von ihnen entfernt. Er schien nicht älter als achtzehn zu sein; die noch recht kindlichen Züge in seinem Gesicht verschleierten sein wahres Alter.
Trotz seines noch jungen Alters wirkte er ziemlich stämmig, hatte mit Muskeln gepackte Oberarme und stramme Waden. Seine meeresblauen Augen funkelten feindselig, aber zugleich auch überrascht.

Er war nicht allein. Neben ihm stand ein junges Mädchen- vielleicht seine jüngere Schwester. Ebenso wie der junge Mann hatte sie strohiges, blondes Haar, welches sie in einem lockeren Pferdeschwanz zurückgebunden hatte. Auch sie musterte die ihr Fremden mit Vorsicht. Der Blick ihrer blauen Augen verriet aber auch Neugier und Tatendrang. Sie schien nicht so feindselig gestimmt zu sein wie ihr Bruder oder was auch immer er für sie sein mochte.

Die beiden waren mit aller Wahrscheinlichkeit Einheimische- das erkannte John an ihrer Kleidung. Die Schnitte und die Stoffe erinnerten ihn an die Mittelalter-Filme, die er damals als Teenager immer gesehen hatte. Der Junge trug eine Hose aus braunem Stoff und ein weißes leinenes Hemd, darüber eine leichte Jacke. Das Mädchen hingegen hatte ihren grazilen Körper in ein langes bis zum Boden reichendes Kleid aus grünem Stoff verhüllt, trug eine golden glitzernde Kette um ihren schlanken Hals.

Weder der junge Mann noch das Mädchen sagten etwas, sondern beobachteten einfach nur. Ihre Blicke wanderten hin und her, und als sie jedes einzelne Teammitglied begutachtet hatten, fingen sie wieder von vorne an. Sie schienen nicht sicher zu sein, wie sie sie einzuordnen hatten.
John räusperte sich, woraufhin die beiden ihn anstarrten, und machte einen bedachten Schritt nach vorne. „ Hi, ich bin Lieutenant Colonel John Sheppard und…“
Der junge Mann fixierte seinen Blick auf ihn und brachte ihn damit zum Schweigen. Seine blonden Haare wehten im Wind, als er seinen Kopf leicht in die Richtung von Robbins’ Leichnam neigte und fragte: „ Kennt Ihr diesen Mann?“
„ Weißt du, das ist eine lange Geschichte.“ John lächelte.
„ Ihr seid von seinem Volk, nicht wahr?“, meldete sich das Mädchen zu Wort und trat neben den jungen Mann. „ Ihr tragt ein ähnliches Gewand wie er.“
„ Kennt Ihr diesen Mann?“, fragte der junge Mann noch einmal und sah John intensiv an. Dieser wich seinem Blick für einen kurzen Moment aus, hatte das Gefühl durchbohrt zu werden.
„ Ja, ich kenne diesen Mann“, antwortete er schließlich. „ Er ist Soldat gewesen und…“

John verstummte abrupt und wich erschrocken einen Schritt zurück, als junge Mann mit seinem langen Arm über seine kräftige Schulter packte und aus einem ledernen Köcher, den er über seinen Rücken gespannt trug, einen Pfeil zog und ihn binnen weniger Sekunden in einen Bogen gespannt und in seine Richtung gerichtet hatte.
Ronons Waffe gab ein elektrisiert klingendes Geräusch von sich und auch Col. Mitchell entsicherte seine Waffe.
„ Whoah!“ John hob beschwichtigend einen Arm, schob mit dem anderen Teyla, die direkt neben ihm stand, hinter sich. „ Ich denke, wir sollten es nicht gleich übertreiben!“
„ Wieso fühl’ ich mich plötzlich an die alten Robin Hood-Filme erinnert?“, maulte Rodney leise im Hintergrund.
„ Wer ist Robin Hood?“, hörte man Vala ebenso leise fragen und man konnte ihren verwirrten Gesichtsausdruck förmlich in ihrer Stimme hören.

„ Ihr solltet dahin zurückkehren, wo Ihr hergekommen seid“, donnerte der junge Mann mit warnender Stimme, zog seinen Bogen noch etwas an. „ Das wäre besser für Euch.“
Sein impulsives Handeln schien das Mädchen überrascht zu haben. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an und ihr Mund bewegte sich leicht- sie schien auf ihn einzureden, doch so sehr John sich auch anstrengte sie zu verstehen… er konnte es nicht. Doch scheinbar waren es einflussreiche Worte, denn der junge Mann begann seinen Mund zu verziehen und seine angespannten Muskeln lockerten sich sichtlich.
Es dauerte dennoch eine ganze Weile und es kam John wie Stunden vor, ehe der Mann seinen Bogen senkte und das Mädchen einen zögerlichen Schritt nach vorne machte. Als sie stehen blieb lächelte sie ihn freundlich an und ein Glitzern lag in ihren blauen Augen.
„ Ihr müsst das rüde Verhalten meines Bruder entschuldigen“, sagte sie. „ Es sind einfach zu viele Erinnerungen.“ Ihr Lächeln wurde noch breiter. „ Mein Name ist Tara und das ist mein Bruder Matti. Ihr seid Col. Sheppard, nicht wahr? Tim hat viel von Euch und Eurem Team berichtet.“
„ Tim?“ John hob die Augenbrauen… als es ihm klar wurde. Timothy Robbins- er war hier gewesen! Die beiden kannten ihn!
„ Euer Freund“, meinte Tara und lächelte traurig, blickte zu Robbins’ Leichnam. „ Er lebte einige Zeit bei mir und bei meiner Familie, bis er…“ Sie verstummte und der Ausdruck verschwand aus ihrem Gesicht. Mit trüben Augen starrte sie an ihm vorbei, in die Ferne.
„ Es ist gefährlich für Euch hier zu sein“, übernahm ihr Bruder, Matti, das Reden. „ Ihr solltet gehen. Es ist besser für alle.“

„ Was ist mit Tim geschehen?“ John merkte, wie sich sein Körper erneut anspannte, als Teyla seine Hand, die er fast schon automatisch beschützend vor ihren Bauch gelegt hatte, beiseite schob und hinter ihm hervortrat. Nein, das gefiel ihm absolut nicht, sie so ungeschützt zu sehen! Doch Teyla schenkte ihm nur ein Lächeln und machte dann noch einen Schritt nach vorne.
„ Wieso interessiert Euch das?“, fragte Matti misstrauisch.
„ Er war unser Freund“, antwortete Teyla.
Matti überlegte kurz, ehe er meinte: „ Ich kann es Euch nicht sagen. Es wäre zu gefährlich.“
„ Matti.“ Teylas Stimme war sanft und weich. „ Interessiert es dich denn nicht, zu wissen, was mit deinem Freund passiert ist? Bitte, sag es uns. Sag uns, was mit Tim geschehen ist.“
„ D…die kalten Wesen haben ihn geholt“, erklang Tara’s blasse Stimme und mit Tränen in den Augen blickte sie auf. „ Sie haben ihn geholt und dann hierher gebracht.“
„ Die kalten Wesen?“, fragte Teyla. „ Wer sind diese Wesen? Warum tun sie so etwas?“ Sie näherte sich den Geschwistern, bis sie schließlich direkt vor ihnen stand… und das machte John nervös, denn Matti hielt noch immer seinen Bogen in den Händen und es wäre für ihn ein Leichtes, ihn erneut zu spannen und… John kniff die Lippen aufeinander. Nein, sie hatte ihm versprochen vorsichtig zu sein, also vertraute er ihr!
„ Tara“, warnte Matti seine jüngere Schwester, doch sie ignorierte ihn einfach.
„ Niemand von uns hat sie jemals gesehen“, erzählte sie. „ Doch wir alle kennen die Geschichten. Nur eine Person hat die kalten Wesen bisher zu Gesicht bekommen.“
„ Tara!“ Mattis Stimme wurde ernster und auch lauter. Doch auch diesmal ließ sich das blonde Mädchen nicht beirren.
„ Jolanda“, sagte sie. „ Eine alte Frau, die draußen im Sumpf lebte, jenseits der Stadtmauern. Sie kennt die wahre Geschichte.“
„ Könnt ihr uns zu ihr führen?“, fragte Teyla.
„ Leute, wie Ihr es seid, sind nicht gern gesehen“, ernüchterte Matti sie. „ Die Wesen zögern nicht.“
„ Aber wir könnten Euch helfen“, fiel Matti ihrem Bruder in den Rücken, der sie daraufhin erzürnt anfunkelte. „ Doch Ihr und Eure Freunde müsstet genau auf uns hören.“

John trat neben Teyla und auch die anderen vier rückten näher. „ Was müssen wir machen?“

+++++++++++


„ Nein!“ Rodney stemmte aufgebracht die Hände in die Hüften und schüttelte mit dem Kopf. „ Nein, das werde ich nicht machen! Nein! Das ist einfach nur unmöglich!“
„ Hör’n Sie auch zu meckern und zieh’n Sie sich lieber an“, brummte Ronon ihn an. „ Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!“
„ Das ist eine ganz blöde Idee“, stänkerte Rodney unbeirrt weiter. „ Wieso lassen wir uns von diesen verzogenen Gören überhaupt was vorschreiben? Für wen halten die sich eigentlich?“
„ Für welche, die uns helfen werden, herauszufinden, was mit Robbins passiert ist“, antwortete John ihm, während er kritisch sein Spiegelbild betrachtete.

Ihr müsst alles tun, um nicht aufzufallen, hatte Tara gesagt und daraufhin sechs „Outfits“- wenn man es aus ihrer Sicht so nennen konnte- besorgt und jedem von ihnen eines in die Hand gedrückt.

John seufzte und drehte sich einmal um. Er fühlte sich, als sei er einem alten Mittelalter-Film entsprungen- eine dunkelbraune Hose, ein weißes leinenes Hemd, eine dunkle Jacke und braune Stiefel, die ihm fast bis an die Knie reichten.
Col. Mitchell hatte sich bereitwillig seinem Schicksal ergeben und wartete nunmehr vor Tara’s und Mattis Hütte. Ronon hatte Glück- er musste sich nicht umziehen, denn Tara meinte, es würde schon gehen. Und Rodney… ja, der Kanadier sträubte sich bis jetzt.

„ Ich finde diesen Plan absolut absurd.“ Der Wissenschaftler war noch immer am Mosern und vor allem noch immer nicht bekleidet. Sie hatten nicht den ganzen Tag lang Zeit und deshalb nickte John einmal kurz unmerklich in Ronons Richtung, woraufhin der Sateder grinste und einen bedrohlichen Schritt auf Rodney zu machte. Dieser wich erschrocken zurück, ehe er seinen tödlichsten Gesichtsausdruck aufsetzte und John böse anfunkelte.
„ Das wird Ihnen noch leid tun“, grummelte er und begann sich unter Ronons Aufsicht umzuziehen.
„ Ziehen Sie sich erst mal um, dann reden wir weiter“, grinste John und verließ amüsiert schmunzelnd das Zimmer, das Matti ihnen zu Verfügung gestellt hatte.

Die Hütte der beiden Geschwister befand sich am Rande des kleinen Waldstücks und erinnerte ihn ein wenig an das Hexenhaus aus dem Märchen „Hänsel und Gretel- nur halt ohne die Hexe und ohne die ganzen Leckereien. Tara und Matti lebten allein- so hatte es Matti jedenfalls erzählt. Ihre Eltern seien recht früh gestorben und da war niemand, der sich um sie gekümmert hatte. Das Haus hatten sie beide allein aufgebaut.

Vor dem Haus erstreckte sich eine große Wiese, durch die sich ein schmaler Bach schlängelte. Sonnenstrahlen brachen durch das Blätterdach, das den beiden Geschwistern im Sommer immer angenehmen Schatten bot, und fielen auf den kleinen Hof des Hauses.
John entdeckte Col. Mitchell und Vala- die beiden Teammitglieder unterhielten sich leise. Vala trug ein Kleid aus blauem Stoff, welches ihre Knie sanft umspielte. Ihre schwarzen Haare hatte sie geflochten und zurückgesteckt, sodass ihre kecken Gesichtszüge perfekt zur Geltung kamen.
Neben Vala war eine Bank gegen die weiße Hauswand gelehnt und John entdeckte Teyla… und er musste sich eingestehen, dass sie einfach nur bezaubernd aussah.
Die Athosianerin trug wie Vala ein Kleid, das bis zu den Knien reichte. Ihr Kleid war aus einem feineren rötlichen Stoff genäht, der um ihren Oberkörper leicht enger wurde, dann aber weit über ihre Hüften fiel und fließend ihre Knie umspielte.
Ihre rostbraunen Haare, die sie vorhin noch zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden hatte, fielen ihr nunmehr offen über ihre Schultern und ihre braunen Augen funkelten geradezu.

„ Sheppard!“ Mitchell hatte ihn entdeckt und löste sich aus dem Gespräch mit Vala. Schnellen Schrittes eilte er zu ihm herüber, gefolgt von der temperamentvollen Schwarzhaarigen und von Teyla, deren grazile Bewegungen John fast den Atem raubten. Er achtete gar nicht so genau darauf, was Mitchell zu ihm meinte, sondern vielmehr auf das geradezu einladende Dekolletee seiner Freundin und ihr Lächeln. Vielleicht lag es an ihrer Schwangerschaft, vielleicht auch an etwas anderem… dennoch, sie strahlte.

Unverheiratete Frauen sind in der Gesellschaft mit dem Vieh gleichgestellt, hatte Tara noch gemeint und wenn er ehrlich sein sollte, gefiel ihm die Regelung, die sie alle zusammen getroffen hatten- auch wenn Col. Mitchell nicht sehr begeistert schien, als sich Vala an seinen Arm klammerte und ihn verliebt anplinkerte.
„… müssen bald aufbrechen“, beendete Cam Mitchell seinen Satz. „ Ich werde noch mal nach Ronon und Dr. McKay sehen, wenn Sie erlauben.“ Er verabschiedete sich mit einem kurzen Nicken und auch Vala verschwand schon bald darauf, unter dem Vorwand mal „ für kleine Prinzessinnen“ zu müssen.
Kaum dass die beiden Mitglieder von SG1 weg waren, schlang John seinen Arm um Teyla, zog sie dicht zu sich heran und küsste sie lang und leidenschaftlich.
„ Hat dir schon jemand gesagt, wie verdammt gut du aussiehst?“, fragte er sie leise, als sie ihre Lippen voneinander lösten und einander lächelnd ansahen.

Teylas Lächeln wurde noch strahlender, als es ohnehin schon war, doch bevor sie ihm etwas erwidern konnte, peitschten mehrere Pfeile um ihre Ohren und bohrten sich nur Zentimeter von ihnen entfernt in den Waldboden.
„ Verdammt, was zur…“ John schon Teyla wieder hinter seinen Rücken und funkelte wütend in die Richtung, aus der sich ihnen vier kräftige Männer näherten, allesamt in prächtiger Robe. Ihr Anführer- ein großer stämmiger Mann mit schwarzen Haaren und braunen Augen- ging vorne weg und als er kurz nickte, verharrten die drei anderen in ihren Bewegungen und blieben stehen.
„ Mein Name ist Lemalian“, stellte er sich mit tiefer, grollender Stimme vor und deutete eine Verneigung an. „ Meine Majestät wurde über Eure Ankunft informiert und wünscht Euch nun kennenzulernen. Er lässt zu Euren Ehren ein Bankett veranstalten.“
John musterte Lemalian skeptisch. „ Und was wäre, wenn wir uns weigerten?“
„ Eure Majestät verlangt nach Euch“, erwiderte Lemalian trocken. „ Außerdem gewährt er Euch und Euren Freunden Sicherheit auf Eurer Reise.“ Er grinste fies und seine gelben Zähne blitzten zwischen seinen Lippen hervor. „ Es wäre doch zu schade, wenn Euch oder Euren Freunden etwas zustoßen würde, nicht wahr?“ Sein Blick wanderte zu Teyla, die daraufhin nach Johns Arm griff und ihn fest umklammerte. „ Eure Gemahlin…“
„ Richtet Eurer Majestät aus, dass es uns eine Ehre wäre, dem Bankett beizuwohnen“, sagte John schnell und wieder fand er seine Hand schützend über Teylas Bauch wieder.
Lemalian neigte seinen Kopf zur Seite, lächelte. „ Es wird mir eine Freude sein, Euch anzukündigen.“

TBC
Am Tisch des Königs sollst du speisen by Ailya
And the answer that you're seeking
for the question that you found
drives you further to confusion
as you lose your sense of ground
Alexi Murdoch - Breathe


„ Wenn Sie mich fragen… mir gefällt diese ganze Sache überhaupt nicht. Wir sollten besser verschwinden!“ Ronon war zu ihm aufgeschlossen und trabte leichtfüßig neben ihm her. Der düstere Blick des Sateders schweifte nervös hin und her, als ob er einen Angriff aus dem Hinterhalt erwartete, und er ballte seine Hände zu Fäusten.
„ Ich bin auch nicht gerade begeistert von der Situation“, raunte John ihm zu und wandte seinen Blick für einen kurzen Augenblick von dem vorangehenden Lemalian und seinen Komparsen ab.
Ronon musterte die dunklen Gestalten und meinte dann abschätzig: „ Die haben irgendwas zu verbergen! Die gefallen mir nicht!“
„ Wenn wir rausfinden wollen, was mit Robbins passiert ist, dann müssen wir deren Spiel mitspielen“, erwiderte John. „ Und das heißt, dass wir ihrer Einladung nachkommen… und vor allem uns anständig benehmen und nicht auffallen.“
„ Ich werde diesen Kerl erschießen, falls der Anstalten macht…“, knurrte Ronon.
John hob warnend die Augenbrauen. „ Wenn Sie auch nur daran denken!“
„ Nur Betäubung“, grummelte der Sateder.
„ Sie werden auf niemanden schießen, wenn ich es Ihnen nicht sage.“ John schüttelte mit dem Kopf. „ Haben Sie mich verstanden? Nicht schießen!“
Ronon war nicht begeistert von dieser Anweisung und rang sich ein verbissenes Nicken ab.
John seufzte leise. „ Es wird nur für ein paar Stunden sein. Elizabeth erwartet uns gegen Abend zurück.“ Er sah Ronon eindringlich an. „ Nur ein paar Stunden.“

Lemalian und seine der Komparsen hatten sie aus dem Wald hinaus in eine von einer dicken Mauer umgebene Stadt geführt, die John an die Kulissen alter Mittelalter-Filme erinnerte.
Schmale Gassen schlängelten sich durch die ganze Stadt, trafen auf dem zentralen Marktplatz aufeinander, wo sich allerlei Gesindel herumtrieb. Händler versuchten lautstark ihre Waren an den Mann zu bringen. Ein dicklicher Mann mit einer Knollnase verscheuchte zwei lachende Kinder, die sich frei an seinem Obststand bedienten, und schleuderte ihnen eine faule Frucht hinterher, die einen der Jungen am Kopf traf und ihn zum Straucheln brachte. Eine Verkäuferin mit langen roten Haaren lehnte gelangweilt gegen ihren Stand, während ihr hager aussehender Sohn ein Geschäft mit einem zerlumpten Mann abschloss.
Eine zwielichtige Gestalt beobachtete das Geschehen aus der Dunkelheit einer Gasse, zog sich ihren Umhang tief ins Gesicht, als Lemalian zu ihm herübersah und verschwand in den Wirren des Marktgeschehens.
Ein junger Mann mit dünnen Armen und ebenso dünnen Beinen führte ein knöcherig aussehendes braunes Pferd am Zügel, welches widerwillig neben ihm her trabte.

Der Geräuschpegel war laut; die Verkäufer priesen lautstark ihre Waren an, Händler feilschten kreischend, Kinder lachten laut, in der Nähe schrie jemand laut und schrill und ein Hund fing an laut zu bellen und die Vorübergehenden anzukläffen.
Die Luft roch nach vollem, nur nicht angenehm. Es roch nach fauligem Fisch, nassem Stroh und Mist. Eine unwirkliche Feuchte lag in der Luft und erschwerte das Atmen ungemein.

John verzog angewidert das Gesicht und sah sich misstrauisch um. Im Grunde fielen sie durch ihr Aussehen nicht weiter auf, aber allein die Tatsache, dass Lemalian und seine Männer sie eskortierten, machte sie interessant für die Bewohner. Der junge Mann mit dem braunen Pferd blieb stehen und starrte zu ihnen herüber. Der Sohn der Verkäuferin und sein Kunde verharrten in ihrem Handel und starrten zu ihnen herüber. Die beiden Jungen stoppten einige Meter vor ihnen, starrten sie an. Der Obstverkäufer starrte sie an. Einfach jeder auf dem Marktplatz schien für einen Moment innezuhalten und sie anzustarren.
Aus dem Augenwinkel heraus sah John, wie eine junge Frau ihn angsterfüllt ansah. Er wandte seinen Kopf in ihre Richtung, lächelte sie an, doch sie drehte sich erschrocken weg und zog sich ihren Umhang tief ins Gesicht.

Verwundert schüttelte John mit dem Kopf und sah wieder geradeaus und bemerkte, dass Lemalian stehen geblieben war. Der große kräftige Mann blickte in die Runde und wohin auch immer sein finsterer Blick wanderte, gingen die Menschen wieder ihrer Arbeit nach… als sei nie etwas geschehen, auch wenn ihre Tätigkeiten nunmehr nervöser und achtsamer wirkten.
Lemalian verharrte noch immer in seiner Bewegung, drehte sich dann aber um und ein falsches Lächeln zog sich über seine aufgesprungenen Lippen. „ Ihr müsst entschuldigen. Es kommt nicht oft vor, dass Fremde in unsere Stadt kommen.“
„ Und deshalb schüchtern Sie Ihre Leute ein?“, fragte Teyla, die bis jetzt schweigend neben John her gegangen war, misstrauisch.
Lemalian lachte heiser und trocken auf. „ Wie kommt Ihr nur auf diesen Gedanken?“ Dann drehte er sich um und ging weiter; die Menschen machten ihm Platz, wichen ihm aus, ohne dass er auch nur ein Wort verlor.

„ Glauben Sie mir jetzt, dass mit dem Kerl was nicht stimmt?“, raunte Ronon im Vorbeigehen und John kam es in den Sinn, dass der Sateder vielleicht Recht hatte- Lemalian war ein grobschlächtiger Typ und hinter seinen braunen Augen verbarg sich etwas. John war sich sicher, dass er das Geheimnis des Mannes nicht wissen wollte…
„ Vielleicht sollten wir wirklich zurückgehen“, murmelte er leise, als er sich wieder in Bewegung setzte und Ronon und den anderen folgte. Er schlang seinen Arm fester um Teylas Hüfte und zog sie noch näher zu sich, ließ seinen Blick vorsichtig umherschweifen; die Leute beobachteten wieder, er spürte ihre Blicke im Nacken.
„ Irgendetwas stimmt hier nicht“, pflichtete Teyla ihm bei und der Blick ihrer braunen Augen verriet großes Misstrauen und auch Angst. „ Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache, John. Ich befürchte Ronon hat Recht.“

Sie beide tauschten einen vielsagenden Blick aus, ehe sie der vorangehenden Gruppe in eine schmale Gasse folgten, die ihr Ende in einem riesigen Platz fand. Es war ein mit Stein gepflasterter Hof, der umgeben war von einer Mauer, deren Ausmaße locker mit der der Stadtmauer mithalten konnte. Ein großes, hölzernes Tor, bewacht von zwei stattlichen Männern, stand offen und gewährte den Blick auf einen noch größeren Hof.
Lemalian bedeutete dem Team mit einem Handwink doch voranzugehen und winkte dann einem kleinen Mann zu sich, der inmitten des Hofes scheinbar auf ihre Ankunft gewartet hatte.
„ Das ist Gajan“, stellte Lemalian den hageren Mann vor, der sich daraufhin leicht verneigte. „ Er wird Euch und Eure Freunde von nun an begleiten.“
„ Es ist mir eine Freude Euch willkommen heißen zu dürfen“, sagte Gajan und lächelte ein Lächeln, das nicht minder falsch aussah, wie das von Lemalian.

John musterte den Mann skeptisch; Gajan war von zierlicher Gestalt, hatte dünne Arme und dünne Beine. Seine dunkelblonden Haare hatte er sich aus seinem mageren Gesicht gestrichen. Die Farbe seiner Augen biss sich mit der bleichen Farbe seiner Haut- seine Augen waren dunkelbraun und blitzten listig und unnahbar.
Er hatte hohe Wangenknochen und eine ebenso hohe Stirn, auf der sich seine Augenbrauen verloren und wie zwei einzelne dünne Striche wirkten. Auch sonst machte sein Gesicht einen weniger freundlichen Eindruck- seine Gesichtszüge waren hart, wirkten wie eingefroren. Das Lächeln auf seinen blassen Lippen wirkte nicht echt, sondern aufgesetzt.

Gajan sah ihn auffordernd an, zog dabei seine dünnen Augenbrauen hoch und seine Stirn warf tiefe Falten. „ Ich kenne Euch nicht. Von welcher Welt stammt Ihr?“
John wollte ihm antworten, doch es war Teyla, die sich aus seiner Umarmung löste und einen bedachten Schritt auf Gajan zu machte. „ Wir sind Reisende. Unser Planet wurde vor sehr langer Zeit von den Wraith zerstört.“
„ Wraith“, wiederholte Gajan, sah Teyla abschätzend an, ehe er sich mit einem arroganten Gesichtsausdruck an John wandte. „ Ihr solltet Eure Gemahlin besser zurückhalten. Eure Majestät erfreut sich nicht daran, ein aufmüpfiges Weib in seinem Haus zu haben.“
„ Wie war das? Ich…“ John verstummte, als Teyla an seinem Hemdsärmel zupfte und ihn warnenden Blickes bedachte. Sie erinnerte ihn an Tara’s warnende Worte: Ihr müsst alles tun, um nicht aufzufallen.
Widerwillig presste er die Lippen aufeinander, ehe er Teyla grob hinter sich schob und Gajan versprach: „ Ich werde gewiss darauf Acht geben, dass sie Eurer Majestät nicht unangenehm auffallen wird.“
Gajan lächelte ein listiges und selbstzufriedenes Lächeln und bedeutete ihnen dann, ihm zu folgen: „ Sehr gut. Bitte hier entlang. Eure Majestät erwartet uns bereits.“

John wartete, bis die anderen an ihnen vorbei gegangen waren- erst Ronon, dann Rodney, gefolgt von Col. Mitchell, der mehr oder weniger freiwillig einen Arm um Valas Hüfte gelegt hatte- und drehte sich dann mit einem nach Verzeihung suchendem Blick zu Teyla um, doch bevor er etwas sagen konnte, legte sie ihm ihren Zeigefinger auf die Lippen und schüttelte mit dem Kopf… und er verstand. Wenn er sich jetzt für sein Handeln bei ihr entschuldigen würde, riskierte er, dass ihre Tarnung aufflog und sie nie herausfinden würden, was mit Major Robbins geschehen war.

+++++++++


Gajan führte sie in einen Raum, dessen dunkle Holzvertäffelung das durch das Fenster fallende Licht verschluckte… und wenn es trotzdem einem Lichtstrahl gelang, den Fängen der Wände zu entgehen und auf den Boden traf, dann verlor es sich sofort wieder in dem dunklen Holz.
An den Wänden hingen Bilder und Wandteppiche, deren Schönheit durch die Dunkelheit um einiges geschmälert wurde und auch das dämmerige Kerzenlicht verriet nur einen kleinen Teil ihres wahren Wertes.

Inmitten des von Dunkelheit umgebenen Raumes stand ein großer Tisch aus massiven und dunklem Holz, um den sich schon einige Gestalten, deren Gesichter man wegen der Dunkelheit nicht wirklich erkennen konnte, verteilt hatten. Mit lautem Schmatzen und anderen undefinierbaren Geräuschen machten sie sich über die erlesesten Speisen her, unter deren Gewicht sich der Tisch bog, und hatten nur kurz aufgeblickt, als sich die Türe geöffnet und Gajan die Gäste hereingeführt hatte.

Die meisten von den Anwesenden waren Männer, die sich entweder weit über den Tisch gelehnt hatten und lautstark mit ihrem Gegenüber diskutierten oder sich mit einer Frau vergnügten- fast jeder von ihnen hatte eine Frau auf dem Schoß sitzen, die sie entweder mit kleinen Brot- oder Fleischstückchen fütterte oder für einen kurzen Moment unter der Tischplatte verschwand, worauf die Männer mit wohligem Grinsen gegen die Lehne ihrer Stühle fielen und unmissverständliche Laute von sich gaben.

Am Kopf des Tisches hatte sich ein stattlicher Mann in einer prächtigen Robe platziert und ließ sich gerade von einer drallen Blondine füttern, als Gajan den Raum betrat.
„ Eure Majestät“, grüßte Gajan den Mann, der nicht älter zu sein schien, als dreißig Jahre, und verneigte sich tief.
„ Ich sehe unsere werten Freunde sind meiner Einladung nachgekommen“, freute sich der Mann und gab der Frau mit einem Klaps auf ihr Hinterteil zu verstehen, dass sie gefälligst aufstehen sollte. Wortlos kam die Blondine seinem Wunsch nach und stellte sich ruhig neben seinen Stuhl. Der Mann richtete sich auf, klopfte sich die Brotkrümel von seinem Gewand und kam dann um den Tisch gelaufen.

John studierte den Mann aufmerksam, während dieser sich ihm langsam und mit leicht torkelnden Schritten näherte. Er schien nicht älter als seine Wenigkeit zu sein, hatte hellbraune Haare, die er sich wie Gajan aus dem Gesicht gestrichen hatte und der Blick seiner grauen Augen verriet Stolz und Anmut… und das ein oder andere Gläschen Wein.
Er trug ein prächtiges, silbern schillerndes Gewand, das ihm bis zu den Knien reichte, und darunter eine dunkle Hose. Silberne Ringe mit wertvoll aussehenden Edelsteinen zierten seine Finger und Armreifen lagen um seine Handgelenke. Ein Geschmeide aus Gold und Silber schmückte seinen freiliegenden Hals, an dem sich unübersehbar bereits die ein oder andere Frau verewigt hatte.

„ Seid gegrüßt.“ Mit unglaublich tiefer Stimmlage trat er auf John zu. „ Mir wurde von Eurer Ankunft berichtet. Es ist mir eine besondere Freunde, nach so langer Zeit einmal wieder Gäste empfangen zu dürfen.“ Er lächelte leicht überheblich. „ Mein Name ist Aaron, ich bin der Herrscher dieser Welt und Besitzer dieses wunderschönen Fleckchens Erde.“
Gruselkabinett trifft’s wohl eher, dachte John und setzte ein Lächeln auf, von dem er hoffte, dass der König es ihm abnahm. „ Mein Name ist John Sheppard.“
„ Euer Name kommt mir bekannt vor“, meinte Aaron stirnrunzelnd. „ Sind wir uns schon einmal begegnet? Mir kommt es so vor, als wäre dem so.“
„ Nein, wir sind einander noch nicht begegnet“, antwortete John, woraufhin sein Gegenüber das Kinn reckte und in die Richtung der anderen nickte.
„ Wer sind Eure Freunde?“, wollte er wissen.
John trat einen Schritt beiseite und deutete auf die anderen seines Erkundungsteams. „ Cam Mitchell und seine Frau Vala, Rodney McKay, Ronon Dex und…“
„ Und wer seid Ihr?“ Ein charmantes Lächeln huschte über Aarons Lippen, als er Teyla bemerkte, und er machte einen selbstsicher wirkenden Schritt auf sie zu. „ Eine so liebliche Gestalt, wie Ihr es seid…diese Schönheit. Ich fühle mich geradezu geblendet. Verratet mir, wie ist Euer Name, mein Kind?“
„ Ich fürchte, ich habe nicht die Erlaubnis zu Euch zu sprechen, Majestät“, erwiderte Teyla und senkte den Blick.
„ Wer spricht für Euch, meine Liebste?“ Aaron lächelte, als er ihre Hand nahm und sie an seine vor Wein triefenden Lippen führte- so, als hätte er nie etwas anderes getan.
„ Ich spreche für sie“, ging John dazwischen, in dessen Gunst ‚seine Majestät’ gerade um einige Plätze gesunken war. Er stellte sich an Teylas Seite und legte demonstrativ seine Hand um ihre Taille. „ Sie ist meine Frau.“

Überrascht ließ Aaron ihre Hand wieder los und betrachtete John mit einer Mischung aus Verwirrtheit und Missgunst. Er lächelte, doch seine Augen verrieten etwas anderes.
„ Nun denn“, rief er aus, klatschte zweimal in die Hände, woraufhin die Köpfe der am Tisch Speisenden aufflogen. „ Es ist Zeit sich zu Tisch zu begeben. Ich lade Euch und Eure Freunde herzlichst ein, mir und meinen Frauen Gesellschaft zu leisten.“ Er ging wieder zu seinem Platz zurück, wedelte dabei mit den Händen und alle, die sich um den Tisch versammelt hatten, erhoben sich unter Murren und leisem Protest und zogen ab- allein oder in weiblicher Begleitung.

John zögerte, ob er dem Herrscher folgen sollte, doch nachdem er sich kurz mit Col. Mitchell verständigt hatte, beschloss er Aaron Gesellschaft zu leisten. So schwer es ihm auch fiel, es war ihre einzige Chance zu erfahren, was mit Major Robbins geschehen war… und das war ihm sehr wichtig! Der junge Mann hatte immerhin unter seinem Kommando gestanden.
Wenn auch widerwillig setzte er sich an Aarons Seite, der sich daraufhin vorbeugte und ihn gegen den Ellenbogen stieß. „ Ich möchte Euch gerne meine Frauen vorstellen. Flora! Aurora!“
„ Sagte er gerade ‚Frauen’?“, fragte Rodney, der sich John gegenüber gesetzt hatte, sichtlich irritiert und sah seinen Teamleader an. „ Er sagte ‚Frauen’.“

„ Flora! Aurora!“ Aarons Gesicht lichtete sich, als zwei zierliche Gestalten, den Saal betraten.
„ Seht doch nur! Wir haben Besuch! Ist das nicht wunderbar! Nach so langer Zeit! Kommt und begrüßt Sir John und seine Freunde!“
„ Sir John?“, wieder war es Rodneys Stimme, diesmal leicht amüsiert klingend, doch John ignorierte den Kommentar seines Freundes und studierte vielmehr, die beiden Frauen, die sich zögerlich der Tafel näherten.
„ Das ist Flora“, sagte Aaron und wies mit seiner Hand auf eine kleine Blondine, mit einem recht ausladenden Dekolletee. Ihre moosgrünen Augen harmonierten mit dem grünlichen Stoff ihres bodenlangen Kleides, dass Johns Meinung nach, ihre wahre Schönheit verschleierte. Ihre langen Haare hatte sie zu einem Zopf zusammengebunden, der bis zur Mitte ihres Rückens reichte. Flora hatte ein hübsches Gesicht mit weichen Zügen und einer Haut gleich feinem Porzellan. Doch trotz ihrer geradezu überwältigen Schönheit war sie zurückhaltend und sah beschämt weg, als John sie anlächelte.

Aurora hingegen, war das genaue Gegenteil. Sie war groß und schlank, hatte einen ebenso „überzeugenden“ Vorbau vorzuweisen. Ihr graziler Körper steckte in einem ebenfalls bodenlangen Kleid aus schwarzem Samt, das über ihre Kurven spannte, wie eine zweite Haut. Im Gegensatz zu Flora trug sie ihre rabenschwarze Haare offen; sie fielen ihr locker über ihre Schultern und glänzten im Kerzenschein.
Ihre Gesichtszüge waren um einiger härter und frostiger als die von Flora, doch ihre eisblauen Augen und ihre blutroten Lippen gaben ihr etwas Sinnliches, Begehrenswertes. Aber auch sie war von der Natur mit unvergleichbarer Schönheit gesegnet worden und achtete man nicht auf ihre verschiedenen Charaktere, so konnte man sie und Flora glatt für Schwestern halten.

„ Sind sie nicht wundervoll?“, erkundigte sich Aaron und gab beiden einen Kuss auf den Handrücken, schickte sie dann weg, holte sich stattdessen wieder die dralle Blondine heran, die zuvor auf seinem Schoß gesessen hatte.
„ Und wer ist das?“, wollte John wissen.
„ Das ist Norena, meine Mätresse“, antwortete Aaron wie selbstverständlich und grinste, als er sich zu John beugte und meinte: „ Wenn Ihr wollt, kann ich sie Euch heute Nacht kommen lassen. Ihre Dienste sind die besten im ganzen Lande.“
„ Oh…“ John winkte mit einem geradezu überrumpelten Kopfschütteln ab und umschloss Teylas Hand. „ Ich denke nicht, dass das nötig sein wird.“
„ Na, wenn Ihr meint.“ Aaron zuckte mit den Schultern und flüsterte Norena etwas ins Ohr, woraufhin sie sich erhob. Er holte mit seiner Hand aus und klatschte sie auf ihren verlängerten Rücken. Sie jauchzte kurz auf und warf ein verführerisches Zwinkern über ihre Schultern, ehe sie hüftschwingend verschwand.
Der König blickte ihr begierig nach und hob dann die Augenbrauen in Johns Richtung. „ Und Ihr seid Euch Eurer Sache sicher? Norenas Dienste können wirklich sehr befriedigend sein.“
John schüttelte mit dem Kopf. „ Was... oh... nein...ähem... das wird nicht...nötig sein.“ Er spürte die Blicke sämtlicher Anwesender auf sich lasten und Ronons amüsiertes Grinsen fraß sich förmlich durch seine Haut.
„ Das glaube ich Euch gern“, griente Aaron und zwinkerte Teyla mit seinen grauen Augen zu.
„ Eure Gemahlin muss ohne dieses Gewand eine Augenweide sein.“
Teyla öffnete ihren Mund, schloss ihn dann aber wieder und biss sich auf die Lippen. Ronon konnte sich ein Prusten nicht länger verkneifen. Rodney verschluckte sich und Col. Mitchell und Vala versuchten krampfhaft in eine andere Richtung zu sehen.
„ I…ich denke, dass ich d…das am besten bewerten kann“, stotterte John und fand seine Hand auf Teylas Oberschenkel liegend wieder. Die Athosianerin warf ihm einen verstohlenen Blick zu, sagte aber nichts. Sie machte ihre Sache sehr gut, spielte ihr Rolle perfekt.
„ Dem will ich einfach mal zustimmen“, lachte Aaron und klatschte wieder in die Hände. „ Aber nun lasst uns essen! Sonst wird das Mahl noch kalt und es wäre doch zu schade um die Wachteln und um die Buttersoße.“
Rodney horchte auf und seine Augen fingen zu glänzen an. „ Sagten sie gerade ‚Buttersoße’?“
Aaron lehnte sich nach vorne und griff nach einer Schale mit Früchten, die einem Apfel ähnelten. Er nahm sich eine der Früchte und zerteilte sie in zehn kleine Stücke, reichte sie dann an John weiter. „ Ihr solltet von dieser Frucht probieren. Sie ist etwas ganz Besonderes!“
„ Vielen Dank“, sagte John und obwohl es gefährlich in seinem Magen grummelte und so etwas ihn normalerweise warnte, nahm er ein Stück und steckte es sich in den Mund. Es schmeckte fürchterlich süß, nicht nach Apfel sondern vielmehr nach Erdbeeren.
„ Hier, meine Teure.“ Aaron reichte ein Stück an Teyla, die es zögerlich entgegennahm. „ Es wird Euch gewiss munden.“ Ein zufriedenes Lächeln huschte über seine Lippen.
Teyla warf John einen misstrauischen Blick zu, ehe sie die Frucht drehte, um sie von allen Seiten genau zu begutachten. Sie schien genauso zu zögern, wie er es getan hatte, doch als Aaron sich leise räusperte, ließ die Athosianerin die Frucht in ihrem Mund verschwinden.
„ Meine Liebe, Ihr werdet sicher Wohlgefallen daran finden“, säuselte Aaron. „ Und Ihr sicher auch, Sir John. Man kann von diesem Genuss nur profitieren.“

Hinterher wusste John nur noch eines… er hatte in seinem ganzen Leben noch nie so gut und vor allem so viel gegessen, wie an diesem Abend. Es war ein ausladendes Festmahl geworden und ihm Laufe des Abends und nach dem ein oder anderen Krug Bier hatte sich die Laune gebessert. Aaron hatte viel wissen wollen und mithilfe von Mitchells und Teylas unmissverständlichen Gesichtsausdrücken war es John doch tatsächlich gelungen, dem König eine einigermaßen glaubhafte Geschichte aufzutischen. Vielleicht hatte er sie ihm geglaubt, aber vielleicht war er auch viel zu sehr mit Norena beschäftigt, die ihn neckisch grinsend mit Weintrauben gefüttert hatte.
Ja, es war ein recht versöhnliches Essen gewesen und nicht nur ihren eigentlichen Plan, Jolanda, die alte Frau aus dem Sumpf, aufzusuchen, hatte John völlig vergessen, sondern auch die Uhrzeit. Als einer der Diener herein kam und das Fenster öffnete, war es draußen bereits dunkel und die kühle Nachtluft wehte durch den Raum.

++++++++++++


Mit einem Kaffeebecher zwischen ihren Händen trat Elizabeth in das Observatorium und schlenderte zu einem der Sofas herüber, setzte sich und legte ihren Kopf in den Nacken, um die Sterne durch das Panoramafenster besser sehen zu können. Es war schon komisch, dass sie hier auf diesem Schiff gefangen war, obwohl da draußen ein Raum war, dessen Größe sie als Mensch nicht begreifen konnte…

„ Sie kommen gerade aus dem Torraum, nicht wahr?“ Elizabeth hatte Samantha Carter nicht bemerkt, da sie im Schatten einer Säule an einem Tisch gesessen hatte. Die blonde Wissenschaftlerin hatte ebenfalls eine dampfende Tasse vor sich stehen.
„ Ja“, erwiderte Elizabeth lächelnd und rückte ein Stück beiseite, als Samantha zu ihr herüber kam, sich neben sie setzte und ebenfalls die Sterne über ihrem Kopf betrachtete.
„ War die Mission erfolgreich?“, fragte sie die Expeditionsleiterin und nippte an ihrem Getränk, das dem Duft nach zu ordnen, Kamillentee sein musste.
Elizabeth lehnte sich gegen die Lehne des Sessels. „ Sie haben einen unserer Männer gefunden- Major Robbins- und wollen nun eine Frau aufsuchen, um zu erfahren, was mit ihm passiert ist. Sie wollen morgen zurückkommen, die Nacht dort verbringen.“
Sam seufzte.
„ Werden sie genug Zeit haben?“, fragte Elizabeth, woraufhin Sam mit den Schultern zuckte.
„ Das kann ich nicht sagen“, meinte sie. „ Die Arbeiten erweisen sich schwieriger als gedacht und ich muss zugeben, dass es mit Dr. McKay schneller gehen würde.“
Elizabeth grinste. „ Sie vermissen Rodney?“
Sam rollte die Augen. „ Ich vermisse nicht ihn, sondern vielmehr sein Wissen… auch wenn ich bewiesen schlauer bin als er.“

Die beiden Frauen schmunzelten und tranken beide einen Schluck von ihren Getränken, schwiegen und betrachteten den Himmel und die unzähligen Sterne.
„ Ich denke, sie werden genug Zeit haben“, meinte Sam schließlich nach einer ganzen Weile.
Ich hoffe Sie haben recht, dachte Elizabeth als Erwiderung, doch sie sprach ihre Gedanken nicht aus. Sie wusste, dass Samantha Carter die mit Abstand beste Wissenschaftlerin des Planeten Erde war und sie konnte sich nicht irren! Dafür bürgte sie und würde sogar ihre Hand ins Feuer legen!

++++++++++++


Sie holte tief Luft, durchflutete ihre Lungen mit der klaren Nachtluft und lehnte sich gegen die Brüstung des Balkons, der zu ihrem Gemach gehörte. Von hier aus hatte sie einen schönen Blick über die Stadt und ausgenommen von dem Geruch und dem Lärm war die Stadt um diese Uhrzeit doch recht ansehnlich- überall in den Häusern brannten Lichter, selbst die Straßen waren beleuchtet!

Teyla schloss ihre Augen und verschränkte die Arme vor ihrem Brustkorb, ließ sich den Wind durch ihre offenen Haare wehen. Der Stoff ihres leichten Nachtgewands, das ihr Flora, die Frau des Königs, überlassen hatte, schmiegte sich sanft an ihren Körper und umspielte sanft ihre Knie. Es war außerordentlich liebenswürdig von Flora gewesen, ihr eine solche Geste zu erweisen…

Es war ein langer Tag gewesen und nun war sie müde. Ihre Augen wurden schwer, doch trotz alledem war da eine gewisse Unruhe in ihr, die eine Hitze in ihr entfachte, welche sie nicht beschreiben konnte. Kaum hatte sie ihr Gemach betreten, waren Schweißperlen auf ihre Stirn getreten und sie hatte die Fenster und die Balkontüre weit aufreißen müssen, um nicht zu ersticken.
Teyla blies sich eine widerspenstige Haarsträhne aus demGesicht, doch diese klebte an ihrer verschwitzten Haut. Mit zittrigen Fingern strich sie die Strähne hinters Ohr und fuhr sich dann mit ihrer Zungenspitze über ihre bebende Unterlippe. Noch immer hatte sich der süßliche Geschmack der Frucht, die Aaron ihr gegeben hatte, wie ein dünner Film über ihre Lippe gespannt. Zu ihrer inneren Unruhe und zu der Hitze, die durch ihren ganzen Körper strömte, kam dieses Kribbeln in ihrem Mund.

Sie seufzte leise, leckte sich erneut über ihre in Flammen stehenden Lippen und beschloss, dass es jetzt an der Zeit war, schlafen zu gehen. Es war ein langer Tag und vor allem ein langer Abend gewesen und sie wusste nicht mehr genau, wie lange sie noch mit Aaron und seinem ständigen Begleiter Gajan zusammengesessen hatten.
Teyla trat zurück in ihr Gemach und erinnerte sich daran, dass man ihnen vier Räume zugewiesen hatte, was Col. Mitchell nur widerwillig hingenommen und zu Vala gemeint hatte, dass er sie erschießen würde, falls sie auch nur daran dachte, ihn anzufassen. Die beiden hatten das Gemach nebenan und sie hatte die beiden noch lange miteinander zanken gehört, bis endlich gegen Mitternacht Ruhe eingekehrt war. Aus Rodneys Zimmer, welches gegenüber von ihrem Gemach lag, drang seit bereits mehreren Stunden ein leises, aber dennoch sehr aufdringliches Schnarchen und deswegen machte sie sich keine Sorgen. Ebenso wenig um Ronon, der nicht auf ihrem Flur schlief, sondern ein Stockwerk unter ihnen.
Sie teilten sich das Stockwerk mit einem Adelsmann, der ein guter Freund des Königs war und seit jeher in dem Schloss wohnte, und mit seiner jungen Ehefrau.

Teyla schritt weiter in ihr Gemach, dass sich im Grunde nicht von den anderen unterschied: ein riesiges Bett aus dunklem Holz mit einem ebenso dunklen Bezug und einem Baldachin aus dunkelroten, schweren Stoff, das zu allem einlud, nur nicht zum Schlafen. Gegenüber des Bettes stand ein mächtiger, ebenfalls dunkler Kleiderschrank mit den verschiedensten Verziehrungen. Daneben eine Couch , bezogen mit dunkelgrünem Samt .
Das Zimmer war sehr schlicht eingerichtet, zählte man die teuren Kunstwerke an den Wänden nicht mit und den Marmorboden und die Goldverzierungen an dem Bett und…

Ein kalter Windhauch wehte durch das offene Fenster hinein, verschaffte ihr jedoch keine Erleichterung. In ihr schien ein Feuer zu brodeln. Es fraß sich durch ihre Adern und egal, was sie auch versuchte, sie war nicht in der Lage, das Feuer abzuschwächen oder gar zu löschen.
Teyla ächzte leise und legte eine Hand gegen ihre heiße Stirn und die andere auf ihren Bauch- sie hatte dermaßen viel gegessen und hoffte, dass ihr Kind ihr das nicht übel nahm. Wenn sie sich nur vorstellte, was morgen folgen würde…

Widerwillig schlurfte sie zu dem offenen Fenster und schloss es- ihr war zwar warm, doch diesen Gestank nach Mist wollte sie nicht die ganze Nacht ertragen. Die Übelkeit, die von ihrem vollem Magen herrührte, war schon schlimm genug…
Als Teyla sich umdrehte, sah sie in der Spiegelung des Fensters, dass die Tür zum Badezimmer einen Spalt weit geöffnet war und Licht aus dem Inneren hinaus schimmerte. Sie hielt die Luft an, als sie sah, wie John sein Hemd über den Kopf zog und es neben sich auf den Marmorboden fielen ließ. Sein nackter Oberkörper schimmerte in dem dämmerigen Kerzenschein und sie konnte sein verzerrtes Spiegelbild erkennen- er strich sich über sein frisch rasiertes Gesicht, betrachtete sein Abbild skeptisch. Sie sah, wie er seinem Spiegelbild eine Grimasse schnitt. Seine Hände fielen an den Rand des Waschbeckens und er stützte sich darauf ab. Seine breiten Schultern bebten und er verkrallte sich so sehr in das Waschbecken, dass das bronzene Metall seinen Fingern nachgab. Immer und immer wieder hoben und senkten sich seine Schultern krampfhaft.

Teyla beobachtete ihn noch eine Weile, drehte sich dann aber um, als die lodernden Flammen in ihr zu wüten begannen und sie befürchtete, dass sie sie zerrissen. Hastig schnappte sie nach Luft und setzte sich in Bewegung, um sich auf andere Gedanken zu bringen… doch mit nicht gerade sonderlich viel Erfolg.
Immer wieder tauchten Bilder von ihm vor ihren Augen auf, selbst wenn sie sie schloss. In ihrem Inneren begann es zu brodeln und als sich plötzlich, wie aus dem Nichts zwei Arme um ihren Körper schlangen, drohte ihr Blut überzukochen und ein erwartungsvoller Laut brach über ihre Lippen.
John lehnte sich mit seinem Oberkörper gegen ihren Rücken und trotz des Stoffes ihres Gewandes spürte sie das kalte Metall seiner Hundemarke an ihrer Haut. Seine Finger zupften an dem sauber verarbeiteten Saum ihres Nachtgewands und schoben sich dann unter dieses, strichen an den Innenseiten ihrer Schenkel hinauf, bis sie…

Teyla stöhnte leise und riss ihre Augen weit auf. Sie atmete schnell und ihr Herz überschlug sich fast in ihrem Brustkorb. Über ihre lustvoll verzogenen Lippen huschte ein Lächeln, als John mit seinen Händen nach ihren Hüften packte und sie mit einem Ruck zu sich umdrehte, sodass sie ihm in seine haselnussfarbenen Augen sehen konnte.
„ John“, wisperte sie leise, doch er glitt nur mit seinem Zeigefinger über ihre Lippen, ehe er sie küsste und sie mit seinem Körper in Richtung Bett zu schieben begann.

Auf dem Weg dorthin schlang Teyla ihre Arme um seinen Nacken, während er versuchte ihr das Nachthemd endgültig von den Schultern zu streifen, nur um dann ihren ihm entblößten Oberkörper zu küssen.
Teyla kicherte und verkrallte sich geradezu in seinen Rücken, als sie über ihr nunmehr am Boden liegendes Nachthemd strauchelten, gegen die Kante des Bettes stießen und als sie rücklings auf die harte Matratze fiel. Sie stöhnte wieder auf und sah ihn nach Atem ringend an.
„ W..worauf wartest du?“, fragte sie ihn und zog ihn zu sich herunter, um ihn zu küssen und John nahm die Einladung mehr als bereitwillig an… löste sich dann nach wenigen Sekunden aber wieder von ihr, glitt mit seiner Nasenspitze an ihrem Körper hinab.
„ Ich...ich will dem Baby nicht wehtun." Er zögerte, blickte kurz zu ihr auf, ehe er ihre Körpermitte mit sanften Küssen bedeckte.
„ Dem Baby wird’s gefallen“, antwortete Teyla ihm, ergab sich einem lustvollen Seufzen und umklammerte mit ihren Händen die Kanten des Bettes. „ Bitte… i…ich will dich! Jetzt!“
„ Darum brauchst du mich nicht bitten“, grinste John schelmisch, löste ihre Hände von den Kanten des Bettes und legte sie um seine Hüften.

++++++++


Das anfängliche Kichern war nunmehr zu einem lustvollen Stöhnen herangereift, welchem ein entzückter, von feuriger Leidenschaft geprägter Jauchzer folgte, der nach mehr verlangte. Die Wände waren dünn, die alten Holzdielen knarrten und auch die Federn des Bettes hätten eine Ölung dringend nötig gehabt. Es war unschwer zu erraten, was sich da gerade im Nebenzimmer abspielte und Vala musste neidlos eingestehen, dass das wohl der intensivste und geräuschvollste Höhepunkt war, den sie je zu Ohren bekommen hatte.

Sie hatte die Hände über ihrem Bauch gefaltet, starrte die Decke ihres Zimmers an und lauschte dem Liebesspiel ihrer Freunde. Es war ja nicht so, dass sie sich das ausgesucht hatte oder dass sie es freiwillig tat! Vielmehr hatte das Schicksal bestimmt, dass sie ausgerechnet heute Nacht ihm Zimmer nebenan schlafen musste. Und außerdem störte sie das nicht… es waren zwei erwachsene Personen, die einem ganz natürlichem Trieb nachgingen. Was war also schon dabei?

Ein spitzer Schrei brach durch die Wand und Vala konnte nicht anders, als ein anerkennendes „Wow“ verlauten zu lassen.
„ Ich wusste ja gar nicht, dass Teyla…“
„ Vala.“
„ Und der Colonel scheint…“
„ Vala!“
„ Ob die beiden…“
„ VALA!“
Die Schwarzhaarige drehte ihren Kopf auf die Seite und plinkerte Cameron Mitchell, der neben ihr lag, verwirrt an. „ Was denn?“
„ Ich versuche hier zu schlafen“, brummelte der Soldat und presste sich das Kissen aufs Gesicht.
„ Pah“, machte Vala und deutete ein Nicken in die Richtung des Nachbarzimmers an. „ Als ob man bei diesem Lärm schlafen kann. Ob wir vielleicht mal…“
„ Denk’ nicht mal dran“, warnte Mitchell sie. „ Du wirst schön hier bleiben.“
Vala grinste mädchenhaft. „ Gib’s schon zu- du stehst drauf, dass ich in deinem Bett bin.“
„ Gute Nacht, Vala“, kam es von der anderen Bettseite und die Decke raschelte leise.
„ Du gibst es also zu?“, fragte sie. Oh nein, so schnell ließ sie nicht locker und außerdem machte es viel zu viel Spaß den Soldaten zu ärgern.
Mitchell rollte sich auf die andere Seite. „ Ich versteh’ echt nicht, wie Jackson das nur mit der aushält.“
„ Ist das nicht witzig?“, kicherte Vala. „ Ich habe es nie für möglich gehalten, mit Männern zu schlafen, mit denen ich zusammenarbeitete. Und nun hab’ ich schon den zweiten im Bett.“
„ Amen.“ Mitchell sah sie über seine Schulter hinweg an. „ Damit eines mal klar ist: Wenn ich dich erwische, wie du auch nur daran denkst, deine Finger in meine Richtung zu bewegen, dann…“

Ein lautes Stöhnen und ein fast schon animalisch anmutender Schrei, unterbrachen ihn und im nächsten Moment hörten sie beide, wie zwei Körper zurück auf die Matratze fielen und dann… Stille, nichts als Stille.
„ Ich glaub’ sie sind fertig“, flüsterte Vala.
„ Manchmal bewundere ich deine Begabung das Offensichtliche in Worte zu fassen“, murmelte Mitchell und wahrscheinlich verdrehte er dabei seine Augen.
„ Wow“, sagte Vala in die Stille hinein. „ Wie lange war das jetzt? Zehn Minuten? Fünfzehn Minuten? Was auch immer die beiden gegessen haben, ich will davon was mitnehmen. Diese Frucht soll ziemlich lecker schmecken." Sie grinste breit. „ Und du weißt, wie sehr Daniel auf Süßes steht!“
Mitchell seufzte, rollte sich wieder auf die andere Seite und zog sich die Bettdecke über den Kopf.

TBC
Wahrheit by Ailya
Author's Notes:
Anmerkung vorneweg: Die Antiker waren schon ein komisches Völkchen und so ganz werden wir sie wohl nie verstehen.
' ... Es war dunkel, so dunkel, dass sie noch nicht einmal die Hand vor Augen sehen konnte. Damals, als kleines Mädchen, hatte sie sich immer vor der Dunkelheit gefürchtet. Ihre älteren Freunde hatten ihr immer die schauerlichsten Geschichten erzählt, und die meisten hatten immer in der Dunkelheit gespielt. Nachts im Wald, in den dunklen Höhlen, auf einer verlassenen Lichtung… es war immer dunkel gewesen!
Immer wenn es dunkel gewesen war, waren die bösen Träume gekommen. Sie hatte Stimmen in ihrem Kopf gehört und war dann weinend aufgewacht und zu ihren Eltern gerannt. Ihr Vater hatte sie dann immer getröstet und war stets versucht ihr zu erklären, dass sie sich nicht zu fürchten brauchte. Doch sie fürchtete sich! Sie mochte die Dunkelheit nicht, sie hasste sie regelrecht! Die Dunkelheit und sie- das war etwas, was nicht zusammenpasste, wie Feuer und Wasser.

Es war dunkel und sie konnte ihre Hand vor Augen nicht sehen. Sie war in einem Raum, in einem ziemlich kleinen Raum, und sie hörte, wie die Wände ihr aufgeregtes Atem abprallen ließen und in ihre Richtung zurückschleuderten.
Sie schnappte nach Luft, nicht weil sie das Geräusch ihres Atmens überraschte sondern viel mehr, weil die Luft immer dünner wurde und sie das Gefühl hatte zu ersticken. Eine unsichtbare Schlinge hatte sich um ihren Hals gelegt und zog sich immer fester zu. Sie versuchte die Schlinge zu packen und weit von sich zu schleudern, doch da war nichts, was sie hätte von sich werfen können. Da war nur ihre Haut, über die sich kalter Angstschweiß gelegt hatte.

Sie öffnete ihre Augen, obwohl sie gewahr war, dass dies nichts nützte, und atmete tief ein. Egal was auch passierte, sie musste ruhig bleiben. Jetzt war nicht gerade der beste Zeitpunkt um panisch nach der immer knapper werdenden Luft zu schnappen. Sie musste nachdenken, auch wenn das mit Anstrengung verbunden war. Mit einem Seufzen führte sie ihre eisigen Fingerkuppen an ihre pulsierende rechte Schläfe und begann kleine, massierende Kreise zu ziehen.

Ein nervöses Zucken pulsierte durch die Dunkelheit, verlor auf dem Weg zu ihr an Kraft, traf nur noch als schwaches Flüstern auf sie, aber dennoch genügte es, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Sie drehte sich langsam an und hielt angespannt ihren Atem an, als sie in die Dunkelheit blickte und auf das wartete, was dieses Zucken verursacht hatte. Sie kniff die Augen fest zusammen. Sie hasste die Dunkelheit, sie hasste es, nicht sehen zu können, was sie erwartete. Sie verabscheute die Dunkelheit!

Leise Schritte erklangen plötzlich und es dauerte nicht lange, bis sie eine Gestalt entdeckte, die sich ihren Weg durch den dunklen Smog bahnte und sich ihr langsam, mit bedachten Schritten näherte. Sie spürte, wie sie ein geradezu durchdringender Blick traf, der ihr Inneres und ihre Gefühle dermaßen durcheinander wirbelte, dass sie einen aufgeregten Seufzer aus ihrer Kehle brechen ließ und einen Schritt zurück machte.
„ Du fürchtest dich noch immer.“ Es war mehr eine Feststellung, die die Gestalt verlauten ließ, und dann stehen blieb, ihren Kopf leicht nach rechts neigte und sie interessiert musterte.
„ Wieso fürchtest du dich noch immer vor mir?“
„ Ich fürchte mich nicht vor dir“, erwiderte sie der Gestalt.
„ Ich verstehe das nicht.“ Die Gestalt hatte ihre Lüge schamlos aufgedeckt und zog die Augenbrauen hoch. „ Es gibt keinen Grund für dich, sich vor mir zu fürchten.“
„ Ich kenne dich viel so gut“, sagte sie leise und bedrückt. „ Vielleicht ist das der Grund warum du… warum du mir so fremd bist, Eolion.“

Er trat auf sie zu und kaum, dass er dies getan hatte und sich direkt vor ihr aufbaute, hüllte sich ein gleißendes Licht um ihrer beider Körper… und sie konnte ihm ins Gesicht sehen; es verriet Unverständnis. Der Blick seiner haselnussfarbenen Augen wurde weicher, doch er wahrte eine gewisse Distanz.
„ Doch ich weiß nicht alles von dir“, fügte sie hinzu, woraufhin er seine Stirn in Falten warf. „ Es gibt noch so vieles, was ich von dir wissen möchte. Du könntest mir so vieles sagen.“
Er lächelte sanft. „ Nicht alles ist für dich und deinesgleichen bestimmt, Teyla. Es gibt Dinge unter den Himmeln, die ihr nicht verstehen könnt.“
Sie hatte jegliche Angst verloren, als sie näher auf ihn zutrat- er hatte Licht, das sie vor der Dunkelheit schützte. Sie hasste die Dunkelheit!
„ Wir sind sehr wissbegierig“, lehrte sie ihn. „ Wir wollen Dinge, die wir nicht verstehen, versuchen zu verstehen.“
„ Ihr seid noch weit davon entfernt alles zu verstehen“, lächelte er zur Erwiderung. „ Es beeindruckt mich, dass ihr trotz euer Niederlagen so ehrgeizig und verbissen seid.“

Sie wandte ihren Blick kurz ab und dachte über seine Worte nach, kam dann aber zu dem Schluss, dass er in gewisser Weise recht hatte. Er musste es wahrlich besser wissen als sie…
„ Verrat mir nur eines“, bat sie ihn, und ihre Blicke verschmolzen wieder ineinander. Er lächelte nur, wahrscheinlich wusste er schon längst, was sie ihn fragen wollte.
„ Die Wahrheit wird sich dir eines Tages offenbaren, Teyla“, flüsterte er.
„ Was, wenn ich sie aber sofort wissen will?“, fragte sie.
„ Es gibt für alles eine Zeit.“ Er streckte seine Hand nach ihrem Gesicht aus und strich ihre eine Strähne hinters Ohr.
„ Ich kann nicht mehr warten, Eolion.“
Sein Lächeln verrutschte um einige Millimeter, aber dennoch war es immer noch das wundervollste, das sie je gesehen hatte, und sie schmolz förmlich dahin. „ Wenn du ihn siehst, siehst du mich. Und wenn du mich siehst, siehst du ihn. Was würde die Wahrheit für einen Unterschied machen?“
„ Ich will ihn nicht weiter anlügen müssen“, antwortete sie. „ Ich kann das einfach nicht. Es macht mich fertig, die Wahrheit vor ihm zu verbergen. Ich kann ihn nicht länger belügen. Bitte.“

Er reagierte auf ihr Flehen mit einem weiteren Lächeln, strich ihr abermals eine Haarsträhne aus dem Gesicht und meinte dann einfach nur: „ Du belügst ihn nicht, und das weißt du auch.“ Er legte seine Handfläche auf ihren Brustkorb. „ Tief in deinem Inneren wusstest du es. Du hast ihn nie angelogen, Teyla. Nie.“ ... '


Sie schlug ihre Augen auf, blinzelte benommen gegen die Decke ihres Zimmers, dachte nach, dachte an den Traum, dachte an ihn. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, obwohl es kein Alptraum gewesen war. Es war eine Offenbarung gewesen! Vielleicht hatte sie sich vor der Dunkelheit gefürchtet. Sie hasste die Dunkelheit…

'Tief in deinem Inneren wusstest du es. Du hast ihn nie angelogen'. Sie dachte an seine Worte an daran, was sie für sie bedeuteten. Hatte er ihr die Wahrheit gesagt oder hatte er sie angelogen? Sie wusste es nicht.
Langsam schloss sie ihre Augen wieder und lauschte in ihrem Inneren seiner langsam verklingenden Stimme, bis sie vollends von der Dunkelheit verschluckt wurde. Sie hasste die Dunkelheit…

Neben sich hörte sie die Bettdecke leise rascheln und als sie sich umdrehte, sah sie John neben sich liegen; er hatte ihr seinen nackten Rücken zugewandt, die Bettdecke locker oberhalb seiner Hüften aufliegend. Seine Schultern waren noch immer leicht gerötet und selbst jetzt konnte sie noch immer die Stellen erkennen, wo sie sich mit ihren Fingernägel verkrallt hatte. Es war eine unbeschreibliche Nacht gewesen, es hatte sie überrascht und geradezu überrumpelt. Es war nicht geplant gewesen, aber dennoch hatten sie beide es nicht abwenden können! Es war schlichtweg über sie gekommen! Was auch immer dafür verantwortlich gewesen war...

Sie streckte ihre Finger aus, um sie über seine Schultern gleiten zu lassen, zog sie dann aber wieder zurück und betrachtete ihn einfach. Während sie dies tat, erinnerte sie sich an ihren Traum und an das, was Eolion zu ihr gesagt hatte. Doch die erinnerte sich an noch mehr; sie erinnerte sich an eine Nacht und diese Bilder in ihrem Kopf lösten Wohlbefinden bei ihr aus. Sie konnte nicht sagen warum, aber sie fühlte sich erleichtert und die ganze Last schien von ihren Schultern abzufallen. Was auch immer ihren Verstand verblendet hatte, ob es nun mit dem ganzen Stress zu tun hatte oder ob Eolion seine Finger im Spiel gehabt hatte- es verschwand und es blieben Erinnerungen. Erinnerungen an eine Nacht. An eine Nacht vor nicht mehr als drei Wochen. An eine Nacht... mit John.

Teyla richtete sich auf und betrachtete ihr Antlitz in dem Spiegel, der an der gegenüber liegenden Wand hing. Ihre wirren, umher sausenden Gedanken hatten sich gelegt und plötzlich sah sie alles klar. Sie konnte auf alles zurückgreifen. Ein erleichtertes Lächeln legte sich über ihre Lippen, als sie sich der Bedeutung von all diesem bewusst wurde.

++++++++++++


Gajan senkte seine Stimme, als er sich zu ihm runter beugte und ihm leise ins Ohr zu flüstern begann: „ Es ist an der Zeit, dass wir Baku rufen lassen sollten, Majestät.“
„ Nein“, erwiderte Aaron schroff und lehnte sich in das weiche Polster seines Sessels zurück.
„ Ich will nicht, dass wir Baku in diese Sache verwickeln.“
„ Mit Verlaub, Majestät“, setzte sein Diener zum Protest an, blickte vorher misstrauisch über seine Schulter. „ Ich bin mir sicher, dass Baku nicht erfreut sein wird, wenn er erfahren wird, dass Ihr ihn hintergangen habt. Ich muss Euch nicht daran erinnern, dass man sich lieber nicht mit Baku und seinen Männern anlegen sollte.“
„ Die Angelegenheit ist noch nicht sicher, Gajan“, entgegnete Aaron. „ Was denkt Ihr, würde Baku tun, falls es sich alles als ein Missverständnis herausstellt.“
„ Ihr glaubt der Seherin nicht?“, fragte Gajan überrascht.
„ Ihr scheint es zu tun.“
„ Sie hat sich noch nie geirrt, meine Majestät“, gab Gajan zu Bedenken und runzelte die Stirn.
„ Und wenn sie sich diesmal auch nicht irrt, dann…“
„ Schweig still!“ Aaron hatte nun endgültig genug, von dem naiven Geplärre seines Gefährten und funkelte ihn warnend an. „ Ich habe genug gehört. So sehr es Euch auch zuwider sein mag, ich werde Baku nicht holen lassen. Es ist besser, die ganze Situation noch eine Weile zu beobachten.“
Gajan deutete seine widerwillige Verneigung an. Es war ihm anzusehen, dass er nicht zufrieden mit der getroffenen Entscheidung war. „ Wie Ihr es wünscht.“

Aaron stützte sich auf seine Ellenbogen und faltete seine Hände vor seinem Gesicht. Nachdenklich blickte er an seinem Gefährten vorbei, ehe er in entschlossener Tonlage meinte:
„ Sorge dafür, dass uns unsere Gäste noch ein bisschen bei uns bleiben.“
Ein zufriedenes Grinsen zog sich über Gajans Gesicht. „ Ich werde Eurem Wunsch nachkommen.“ Er verneigte sich und verließ dann eiligen Schrittes den Raum.
Als die Tür hinter ihm zu gefallen war und sich seine Schritte immer weiter entfernten, seufzte Aaron laut auf und erhob sich aus seinem Sessel. Gemütlich schlenderte er zu dem weit geöffneten Fenster, welches ihm einen guten Blick über die Stadt gewährte.
Am Horizont begann sich das Sonnenlicht das über Nacht verloren gegangene Territorium zurück zu erobern und die Vögel begannen mit ihrem zarten, lieblichen Gesang. Ein neuer Tag brach heran und damit eine neue Möglichkeit die Fremden besser kennen zu lernen!

Während er aus dem Fenster hinaus blickte, begann Aaron mit seinen Gedanken abzuschweifen. Er hatte schon oft Leute um sich gehabt, von denen er nicht mehr als ihren Namen kannte. Meistens hatte es ihn auch nicht sonderlich interessiert, mit wem er zu speisen und zu feiern pflegte. Doch dieses Mal war es anders! Diese Fremden interessierten ihn, denn sie waren anders.
Ihr Anführer war ein stattlicher Mann mit stolzen grünen Augen und einer recht eigenwilligen Frisur. Gleich, als er ihn zum ersten Mal gesehen hatte, wusste er, dass dieser Mann mit seinem Charme jeden um den Finger wickeln könnte. Doch da war auch etwas, was nicht so recht ins Bild passen wollte- er schien irgendein Geheimnis zu haben, ebenso wie seine Begleiter.

Seine Begleiter: Da waren drei andere Männer- der eine wirkte nicht minder stattlich, der andere erinnerte ihn an einen Hünen und seine Frisur war noch eigenartiger als die des Anführers, und da war ein kleiner Wicht mit einer kreischenden Stimme, der einen scheinbar unbändigen Appetit und einen leichten Hang zur Arroganz hatte.
Zwei Frauen begleiteten sie. Eine Schwarzhaarige mit einem feurigen Temperament, das er beim gestrigen Mahl erlebt hatte, und eine stillere Brünette, Teyla.

Teyla war eine Schönheit und wenn er an sie dachte, verschlug es Aaron die Sprache und ein beklemmendes Gefühl in seiner Brust. Ihr Antlitz war geradezu überwältigend und er wünschte sich nichts sehnlicher, als ihren grazilen Körper zu liebkosen und mit seinen Lippen zu berühren. Allein ihre tiefbraunen Augen sorgten bei ihm für wildes Herzflattern und ihr mildes Lächeln verzauberte ihn immer wieder…
Es war ihm schwer gefallen, sich zu beherrschen, als sie ihm am gestrigen Abend gegenüber gesessen hatte. Ihr Lachen war nie abgebrochen und sie hatte gestrahlt. Er war geblendet gewesen!
Er war ihr nachgegangen, als sie sich verabschiedet hatte, um sie in ihrem Gemach zu besuchen. Es hatte ihm ein Stich ins Herz verpasst, als der Anblick des stattlichen Anführers an ihrer Seite, ihn daran erinnerte, dass sie nicht die Seine war. Ihre Liebe und ihr Körper gehörten jemanden anderem, aber…

„ Ihr, kommt mal her!“ Aaron winkte eine der Wachen zu sich heran. „ Ich bitte Euch um einen Gefallen. Es ist von äußerst hoher Priorität und es eilt.“ Er bedeutete der Wache, dass sie sich zu ihm runter beugen sollte, und flüsterte ihr leise ins Ohr. Danach blickte er den Mann fragend an.
„ Habt Ihr mich verstanden?“
Der Mann erwiderte ein Nicken. „ Ich werde Euch nicht enttäuschen, Majestät.“
Aaron, schon wieder auf dem Weg zurück zu seinem Sessel, drehte sich um und bedachte die Wache warnenden Blickes. „ Das hoffe ich. Ich mag es nicht enttäuscht zu werden.“ Mit diesen Worten setzte er sich und sah der Wache nach, wie sie sich eingeschüchtert daran machte, seinem Befehl nachzukommen.

++++++++++


Die Luft war noch immer von einem leicht fauligen Geruch durchzogen, als Teyla auf den kleinen Balkon ihres Gemachs hinaustrat, sich gegen die steinerne Brüstung lehnte und ihren Blick über die Dächer schweifen ließ. Die Stadt machte jetzt- in den frühen Morgenstunden- einen viel freundlicheren und schöneren Eindruck als gestern im Zwielicht der herannahenden Nacht. Im rötlichen Licht der aufgehenden Sonne wirkte alles so friedlich und wirklich nichts erinnerte an das turbulente und laute Markttreiben. Es war absolut still und wirklich nichts zerriss diese Ruhe. Nur ein krähender Hahn jenseits der Stadtmauern und die zwitschernden Vögel machten sich nichts aus dieser, von der Nacht noch verbliebenen Ruhe.

Teyla seufzte zufrieden und schlug den Kragen des Mantels, den ihr Flora am Abend vorm Zubettgehen noch gegeben hatte, etwas höher; trotz der aufgehenden Sonne war es kalt und sie fröstelte leicht. Ruhig blickte sie auf die Häuser hinunter, die jenseits der Schlossmauern waren und wunderte sich wie dicht sie alle beieinander waren. Es war ein Leichtes in das Nachbarhaus zu sehen.
Die Häuser waren alle klein, doch man konnte gewisse Unterschiede sehen; man konnte erkennen, welcher Hausbesitzer mehr finanzielle Mittel zur Verfügung hatte und wer auch das letzte bisschen zusammenkratzen musste, um das Haus halten zu können. Alle Häuser waren in einem tristen Grau gestrichen, wahrscheinlich war es Lehm. Manche hatten ein Reetdach, andere wiederum hatten stabilere Dachziegel.
Von hier oben aus konnte man die Gassen, die sich durch die Häuserreihen schlängelten, gut erkennen… auch, wer sich da unten herumtrieb; eine Gruppe Kinder jagte sich durch die Gassen und Teyla musste lächeln, als sie ein junges Paar entdeckte, dass eng umschlungen gegen eine Hauswand lehnte.

Als Teyla über die Dächer der Häuser hinweg in Richtung Wald sah und an Tara und Matti dachte, war die Sonne bereits fast aufgegangen und hüllte den Himmel in ein zartes Rosa. Von hier aus gesehen wirkte der Wald so klein, doch er war näher, als man vielleicht annahm.
Ob es Tara und Matti wohl gut ging, fragte sich Teyla im Stillen und musste an die beiden Geschwister denken. Tara war schockiert gewesen und hatte ängstlich mit dem Kopf geschüttelt, als Lemalian und seine Männer aufgetaucht waren, um sie und die anderen zu holen. Ihr Bruder, Matti, hatte nur schweigend daneben gestanden, aber auch ihm war das Misstrauen nicht aus dem Gesicht gewichen. Er schien zwar nicht begeistert zu sein, dass seine kleine Schwester sich mit den Fremden so gut verstand, aber die Tatsache, dass Wachen des Königs gekommen waren, schien ihn auch nicht sonderlich zu gefallen.
Der Gedanke, dass den beiden vielleicht etwas zugestoßen war, war beunruhigend und Teyla hoffte inständig, dass dem nicht so war und dass man die beiden in Ruhe gelassen hatte.

Ganz in der Nähe- diesmal innerhalb der Stadtmauer- krähte ein Hahn auf und riss Teyla aus ihren Gedanken. Sie blickte auf die Häuser hinunter, genau in dem Moment, als ein Fenster geöffnet wurde und sich die rothaarige Verkäuferin, die sie gestern auf dem Markt gesehen hatte, hinaus lehnte. Als sie zu ihr hinaufblickte, winkte Teyla und lächelte freundlich. Die Frau musterte sie skeptisch… und mit einem Rums flog das Fenster wieder zu.

Charmant, dachte Teyla, und beschloss nach einem kurzen Kopfschütteln nicht länger darüber nachzudenken, sondern vielmehr die Stille und die Morgenröte zu genießen. Sie versuchte sich daran zu erinnern, wann sie das letzte Mal einen Sonnenaufgang gesehen hatte, und sie musste schockiert feststellen, dass sie das nicht konnte. War es denn wirklich schon so lange her?
Sie kniff angestrengt ihre Lippen aufeinander und konzentrierte sich, um besser denken zu können, doch bevor sie überhaupt dazu kam, nachzurechnen, wie lange sie nun schon auf der Artemis waren, legten sich von hinten zwei Arme um ihre Hüften und ein warmes Gesicht lehnte sich gegen ihren Hals.
Teyla lächelte, als sie einen zärtlichen Kuss auf die Wange gedrückt bekam und die Arme sie behutsam zurückzogen. „ Guten Morgen, John.“
„ Guten Morgen, Schönheit“, wisperte der Soldat sanft zurück und gab ein zufriedenes Seufzen von sich, als sie ihren Kopf gegen seinen Brustkorb lehnte.
„ Ich hoffe, du hattest eine angenehme Nacht“, lächelte die Athosianerin.
„ Ich hatte noch nie eine bessere“, antwortete John ihr und sie konnte an seiner Stimme hören, dass er seinen Mund zu einem schelmischen Grinsen verzogen hatte. Teyla verdrehte schwach ihre Augen, lächelte und drehte sich zu ihm um.

Johns haselnussfarbene Augen waren noch leicht glasig und seine dunklen Haare wirkten noch wirrer und zerzauster als sonst, was nur den Schluss zuließ, dass er eben erst aufgestanden war.
„ Habe ich dich geweckt?“, fragte Teyla ein kleines bisschen schuldbewusst und wuschelte ihm durch seine Haare.
„ Nein.“ John schüttelte mit dem Kopf. „ Ich war schon wach. Konnte nicht schlafen. Ich war nicht müde.“
Teyla lächelte. „ Nicht das du mir nachher einschläfst. Ich bin mir sicher, dass es dem König nicht gefallen wirst, wenn du an seinem Tisch einschläfst und Rodney wird sich gnadenlos über dein Frühstück hermachen.“
„ Wenn er nicht schon heute Nacht die Vorratskammer überfallen hat“, merkte John an und musste grinsen; der Gedanke, Rodney inmitten der königlichen Vorratskammer wiederzufinden, schien ihn zu amüsieren. Vorsichtig legte er seine Arme daraufhin um ihren Unterleib, schloss seine Augen und ließ seine Nasenspitze über ihre Wange wandern. Seine Nasenflügel bebten, als er ihren Duft einatmete.
„ Wie fühlst du dich heute?“, fragte er sie leise und seine Augen trafen auf ihre, schienen ihren Blick für einen Moment zu bannen und sie mit Freundlichkeit zu überschütten, ehe er sie wieder frei gab. Seine Hand lag zärtlich auf ihrem Bauch und er zeichnete mit seinem Daumen kleine Kreise.
„ Mir geht es gut“, antwortete Teyla und legte ihre Hand auf die seine; seine Präsenz erfüllte sie mit einem wohligen Gefühl und ihr Herz schwoll. Am liebsten hätte sie laut gejauchzt, doch sie beließ es lieber bei einem milden Lächeln, welches John prompt erwiderte und sein Kinn auf ihre Schulter abstützte.

Die Sonne war fast aufgegangen und auch in die Gassen und Wege unterhalb des Balkons kehrte immer mehr Leben ein. Die Verkäufer brachen auf, um ihren Stand am Markt zu beziehen und um ihre Ware möglichst früh an den Mann zu bringen.
Der schlaksige junge Mann, dem sie gestern schon auf dem Marktplatz begegnet waren, führte wieder einen alten klapprigen Gaul am Zügel, diesmal einen Schwarzen, der ihm aber nicht minder widerwillig folgte, als der Braune.
Die rothaarige Verkäuferin und ihr Sohn traten aus ihrem Haus; die Frau riskierte keinen Blick sondern schleppte einen schwer aussehenden Karren hinter sich her, während ihr Sohn lustlos hinter ihr her trabte und dabei scheinbar Wichtigeres zu tun hatte… mit großen Augen starrte er einer vorbeigehenden jungen Frau hinter her und wäre beinahe mit einem brummigen Kerl zusammengestoßen, der ihn daraufhin lautstark anschnauzte.
Die Gruppe Kinder, die sie vorhin schon einmal gesehen hatte, kam zurück gestürmt; auf den zweiten Blick erkannte Teyla, dass es nur Jungen waren, gefolgt von einem kleinen Mädchen mit blonden Zöpfen. Sie lachten laut, sprangen wild umher und schlängelten sich dann ihren Weg durch die dichter werdende Menschenmenge.

Teyla lächelte und folgte ihnen mit ihrem Blick, bis sie sie nicht mehr sehen konnte. Das warme Gefühl in ihrem Herzen kehrte zurück, breitete sich aber diesmal in ihrem ganzen Körper aus, sodass ihre Finger anfingen zu zittern und ihre Unterlippe vor unterdrückter Freude zu beben begann. Es war einfach nur ein wundervolles Gefühl zu wissen, dass sie ein kleines Wesen unter ihrem Herzen trug, das irgendwann einmal auch so durch die Gegend laufen und sich dabei freuen würde.
„ Bin ich bereit?“, fragte John plötzlich und sein Blick war nachdenklich auf ihren Bauch gerichtet. „ Ich meine, bin ich bereit… für ein Kind?“ Er presste die Lippen aufeinander und sah sie fragend an. „ Ich hatte nicht gerade das beste Vorbild und ich… ich weiß nicht, wie man ein Dad ist.“
„ John, die Kinder meines Volkes lieben dich“, erwiderte Teyla. Sie lächelte und legte sein Gesicht zwischen ihre Handflächen. „ Ich bin mir sicher, dass du ein guter Vater sein wirst. Du musst dir nur selbst vertrauen.“
John seufzte. „ Und das ist genau das, wovor ich Angst habe.“ Er lehnte sein Gesicht gegen ihre Handflächen. „ Ich hab’ Angst, dass ich dich und unser Baby…“ Nach den richtigen Worten suchend, fuhr er sich durch seine dunklen Haare. „ Hör zu, Teyla, du und das Baby, ihr beide seid das Wichtigste für mich und ich will nichts falsch machen. Ich will nicht so wie mein Vater werden.“
„ Davor hast du Angst?“, fragte Teyla, küsste ihn kurz und schenkte ihm dann ein einfühlsames Lächeln. „ Du brauchst davor keine Angst zu habe. Jeder macht in seinem Leben einmal Fehler, John. Aber ich weiß, dass du alles richtig machen wirst.“

Johns Gesichtausdruck wurde friedlicher und die Sorgenfalten verschwanden von seiner Stirn. Er legte einen Arm um ihre Taille und richtete seinen Blick nachdenklich geradeaus gen Horizont. Sie wusste, dass sie ihm diese Angst nicht vollständig nehmen könnte, aber sie wollte ihm trotzdem helfen, so gut wie sie nur konnte.
Teyla legte beide Hände über ihren Bauch, auch wenn da noch nichts war, was darauf hindeutete, dass sie ein Kind erwartete. Es war schlichtweg noch zu früh; Carson meinte, dass es frühestens in dreieinhalb Monaten so weit wäre. Trotzdem fühlte sie schon jetzt dieses innige Band zwischen ihr und ihrem ungeborenen Kind.
„ Mädchen oder Junge?“, murmelte sie auf einmal leise. Dieser Gedanke war einfach so über sie gekommen, als sie kurz darüber nachgedacht hatte, wem ihr Kind wohl ähnlich sehen würde oder von wem es wohl mehr auf den Weg mitbekommen würde.
John löste seinen Blick von dem Sonnenaufgang und schmunzelte. Er löste seinen Arm von ihrer Taille und legte seine beiden Hände auf ihre. „ Was hättest du lieber?“
„ Ich habe ehrlich gesagt noch nicht darüber nachgedacht“, gestand sie ihm verlegen lächelnd. „ Es ist noch alles so neu und ungewohnt. Ich musste mich erst einmal zurechtfinden.“ Sie neigte ihren Kopf. „ Hättest du lieber einen Sohn oder eine Tochter?“
John grinste und küsste sie auf die Stirn, streichelte über ihren Bauch. „ Ich weiß nicht. Mir wäre beides recht. Ich lasse es einfach auf mich zukommen, wir haben noch Zeit.“
„ Für mich ist es wichtig, dass es gesund ist“, sagte Teyla. „ Und das es glücklich ist.“
„ Ich bin sicher, dass das Baby gestern sehr glücklich war. Genau wie sein Daddy.“ John grinste sie spitzbübisch an; sie wusste genau, was dieses Lächeln zu bedeuten hatte. Sie hinderte ihn nicht daran, als er ihr den Mantel von den Schultern streifte.
„ Vielleicht können wir das Baby noch mal glücklich machen… und sein Daddy auch“, sagte sie leise.
„ Gute Idee“, wisperte John gegen ihre Lippen, griff dann hinter sich und schloss die Balkontüre mit einer Hand, während er sie mit der anderen zurück in das Zimmer schob.

John gab einen überraschten Laut von sich und sah sie mit geweiteten Augen an, als sie ihre kalten Hände unter sein weißes Hemd schob, es ihm über den Kopf zog und ihn aufs Bett warf und sich auf ihn drauf setzte. Sie sah, wie sich sein Gesichtsausdruck in Wohlwollen wandelte, als sie begann die Verschnürrungen ihres Nachthemdes zu öffnen. Er streckte eine Hand aus, um ihr erst den Stoff von den Schultern zu streifen und sie dann zu sich runter zu zerren und ihre Lippen mit seiner Zunge auseinander brach.

Ihnen beiden war klar, dass sie noch viel weiter gegangen wären, hätte nicht ein donnerndes Klopfen an der Tür sie aufschrecken lassen.
„ Sheppard!“ Es war Ronon. „ Verdammt, Sheppard! Machen Sie die Tür auf!“ Sein Klopfen wurde aggressiver und er schien mit bloßer Faust auf das harte Holz einzuschlagen. John sah Teyla mit sorgenvollem Blick an, ließ sie trotzdem nur widerwillig im Bett zurück.
„ Moment“, antwortete er auf Ronons Klopfen und öffnete die Tür. Der Sateder stürzte hinein, kaum dass er das getan hatte. Zuerst schien ihn die Tatsache, dass sein Teamleiter halbnackt vor ihm stand, zu irritieren, doch dann machte er ein so ernstes und finsteres Gesicht, das selbst den blutrünstigsten Wraith hätte einschüchtern können. „ Sie müssen mitkommen, Sheppard. McKay ist verschwunden!“

TBC
Coup D'etat by Ailya
Author's Notes:
In diesem Kapitel werden es unsere tapferen Atlantis-/Artemis-Recken mit einem neuen Feind zu tun bekommen.
Außerdem werden sich alle Shep-Whump-Fanatiker über dieses Kapitel freuen*grins*.
hurt myself today to see if I still feel
I focus on the pain
The only thing that’s real
Johnny Cash - Hurt


Gajan schnappte erschrocken nach Luft und winkelte seine Arme an, um sich zu verteidigen, doch da hatte man ihn schon in den Schatten des Mauervorsprungs gezogen und ihn fest gegen den kalten Mauerstein gedrückt. Er spürte, wie sich sein Magen verkrampfte, als jemand gewaltsam eine geballte Faust in den Bauch rammte, und sackte kurz in sich zusammen… doch bevor der Schmerz übermächtig wurde, zog man ihn am Kragen seines Gewands wieder hochzog. Eine prankenartige Hand legte sich über seinen Mund und wütende braune Augen trafen seinen Blick und hielten ihn für ein paar Augenblicke, ehe sie ihn wieder frei ließen.

„ Wie töricht kann man sein“, zeterte Lemalian aufgebracht und entließ Gajan aus seinem festen Griff, ließ ihn aber nicht aus den Augen. „ Warum habt Ihr das getan?“
Gajan richtete seinen Kragen und sah den Wächter dann mit hochgezogenen Augenbrauen an. „ Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht“, meinte er und verzog seinen Mund zu einer arroganten Grimasse.
„ Der König wird dieses Verhalten nicht dulden, wenn er davon erfährt“, knurrte Lemalian mit bebenden Lippen. „ Ich habe Euer Gespräch von heute Morgen mitbekommen. Ich weiß, wie er darüber denkt.“
Gajan neigte den Kopf zur Seite und betrachtete sein Gegenüber mit einer Mischung aus Missgunst und wachsendem Misstrauen. „ Ihr vertraut mir nicht mehr?“
„ Ich bin nur der Meinung, dass dieser Schritt vielleicht nicht gerade von Vorteil war“, erwiderte Lemalian. „ Der König wird es herausfinden und…“
„ Den König wird es schon bald nicht mehr interessieren“, fiel Gajan ihm ins Wort. Er legte seine Hand an Lemalians Rücken und schon den Wächter weiter in den Schatten hinein. „ Ihr steht doch noch auf meiner Seite?“
Lemalian nickte. „ Natürlich…“
„ Baku wird schon bald hier sein“, sagte Gajan leise, „ und ich bin mir sicher, dass es ihm nicht gefallen wird, zu sehen, wie der König über seine Untertanen herrscht. Er wird eingreifen.“
„ Aber was haben die Fremden damit zu tun?“ In Lemalians Stimme lag Unsicherheit. Er schien es nicht zu verstehen…
Gajan hielt seinen Blick für einige Augenblicke gefangen, ehe er ihm trocken antwortete. „ Diese Leute sind nicht das, wofür wir sie halten. Ich habe sie belauscht. Ihre Absichten sind nicht ehrlich.“
„ Und deshalb…“, setzte Lemalian an. „ Was ist mit diesem kleinen nervigen Mann?“
„ Seine Freunde werden schon bald nach ihm suchen. Sorgt dafür, dass sie nicht mehr hier sind, wenn Baku und seine Männer eintreffen. Ein Aufeinandertreffen könnte unsere Pläne zunichte machen.“
„ Ich fürchte, dass sie sich an den König wenden werden“, merkte Lemalian nachdenklich an.

Gajan seufzte. Diese mangelnde Kompetenz und diese stetigen Zweifeln drohten ihn wahnsinnig zu machen. Er hielt an und packte nach Lemalians Hemdärmel.
„ Diese Herrschaft wird schon bald ein Ende finden, Lemalian“, zischte er leise. „ Der rechtmäßige Herrscher wird schon bald zurückkehren, um über seine Untertanen zu herrschen. Und wir helfen ihm dabei! Wir sollten uns nicht von Landstreichern abbringen lassen. Sie werden ihren Freund sicher schon vermissen und nach ihm suchen.“ Ein hinterhältiges Lächeln schlich sich über sein Gesicht. „ Wenn sie ihn sehen wollen… bring’ sie zu ihm und sorge dafür, dass sie dort eine Weile bleiben.“
Lemalian nickte widerwillig. „ Was immer Ihr von mir verlangt, Gajan.“ Er riss sich aus dem Griff und verschwand dann in der Menge.
Gajan blickte ihm nach und zog dich dann die Kapuze seines Umhangs tief ins Gesicht. Heute sollte ein triumphaler Tag werden und er hatte noch so viel zu tun!

+++++++++++


Es dauerte nicht mehr als ein paar Sekunden, bis John merkte, dass etwas nicht stimmte… was nicht zuletzt auf diese fürchterlichen Kopfschmerzen zurück zu führen war, die ihn fast umbrachten. Er stöhnte leise auf und fasste sich an seine Schläfe; kalter Schweiß stand auf seiner Haut und ließ ihn unbewusst frösteln.
John strengte sich an, um über den Schmerz, der sich nunmehr durch seinen ganzen Körper zu fressen schien, hinweg zu sehen… doch mehr als ein zum Scheitern verurteilter Versuch wurde daraus nicht. Es fühlte sich an, als hätte man seine Wirbelsäule an beiden Enden gepackt und zog sie nun langsam in die Länge, doch sie wollte nicht nachgeben und wehrte sich dagegen.
Scheiße, dachte John nur und ließ sich wieder auf das zurücksinken, das sich anfühlte wie ein kalter Beton- oder Steinboden, so genau konnte er das nicht zuordnen. Er hatte in seinem Leben schon auf vielem geschlafen oder hatte schlafen müssen…

Die Schmerzen in seinem Kopf wurden stärker und sein Körper schien auch nicht mehr als ein einziger Muskel zu sein, der sich immer wieder anspannte und zusammenzuckte. John versuchte gar nicht erst seine Beine zu bewegen oder mit den Zehen zu wackeln, so wie Carson es immer von ihm verlangte, wenn sie auf einer Mission mal wieder in einen Hinterhalt geraten waren und man auf sie geschossen und getroffen hatte. Diese leidige Prozedur war ihm will zu anstrengend und vor allem viel zu schmerzhaft. Allein der Gedanke daran zuckte wie ein Stromschlag durch seinen Körper.

Der Boden- was auch immer es war- war kalt und die Kälte begann sich allmählich durch den dünnen Stoff seines Hemdes zu fressen… doch da war noch etwas anderes, etwas Warmes an seinen Rippen und das machte ihm viel mehr Sorgen. An der Stelle brannte seine Haut wie Feuer und sämtliche Nerven, die dort entlang liefen, standen in Flammen. Erst jetzt bemerkte er den stechenden Schmerz, der von dieser Stelle herrührte und das dumpfe Pochen in seinem Schädel alt aussehen ließ.
John ächzte leise und versuchte seine Hand in die Richtung zu treiben. Er hatte schon viele Kampfverletzungen gehabt und hatte in den vergangenen Jahren gelernt Schmerzen der Schwere der Verletzung zuzuordnen… und hierbei konnte es sich nur um etwas Schlimmes und Gravierendes handeln, denn als er mit seinen Fingern über seine Hüfte strich wurde ihm schwindelig.

„ John, nein“, sagte eine ruhige und zugleich tadelnde Stimme und er spürte, wie etwas seine Finger von der Wunde weglenkte und wie sich etwas Kaltes auf seine Stirn legte. Er kannte die Stimme, wusste wie sie sich anhörte… wie sie sich normalerweise anhörte- normalerweise war sie ruhig und es war eine Wonne ihr zu lauschen. Doch jetzt lag ein nervöses Zittern in der Stimme und es fiel ihm schwer, sich auf das Gesagte zu konzentrieren.
John öffnete seine Augen und es überraschte ihn, dass es einige Sekunden dauerte, bis er alles klar erkennen konnte und sich der Schleier, der sich vor seine Augen gelegt hatte, lichtete.
„ Du bist wach.“ Teyla hatte sich über ihn gebeugt und strich mit ihrer kalten Hand behutsam über seine Stirn.
„ I…ich bin wach“, krächzte er und lächelte schwach; wahrscheinlich ähnelte es eher einer schmerzverzogenen Grimasse, als einem Lächeln. Er holte tief Luft und wollte sich mit seinen Ellenbogen abstützen, doch der Schwindel packte ihn und riss ihn wieder zu Boden.
„ John!“, rief Teyla aufgebracht.
„ Geht schon“, log der Soldat und schloss mit einem tiefen Seufzen seine Augen.
„ Du solltest dich nicht so viel bewegen“, hörte er die Athosianerin sagen und merkte, wie sie seinen Kopf auf ihren Schoß legte und mit ihren Fingern durch seine schwarzen Haare zu streichen begann. „ Es ist besser für dich.“
„ W…was ist passiert?“, fragte John und die eigene Unsicherheit seiner Stimme, die jeden Moment zusammenzubrechen drohte, überraschte ihn so sehr, dass er seine Augen wieder aufschlug und Teyla verwirrt anblinzelte.

Die Athosianerin antwortete ihm nicht. Der Blick ihrer braunen Augen wich von ihm und sie strich sich eine Strähne ihres rostbraunen Haars aus dem Gesicht. Ihre Haltung zeugte von Unsicherheit und auch von Angst. Ein unbändiges Gefühl überkam John, als er sie so da sitzen sah, und mehrere Alarmglocken begannen in ihm zu schrillen. Irgendetwas stimmte nicht.

Soweit es ihm sein Körper gestattete, hob er seinen Kopf und sah sich um. Sie waren nicht mehr in ihrem Zimmer. Kalte Wände aus feuchtem Stein umschlossen sie und hielten sie in etwas gefangen, was einer Zelle zum Verwechseln ähnlich sah. Alles war sehr beengt und es war dunkel. Die Luft war warm und stickig.
An einer der vier Wände war ein schmales Holzbrett angebracht und John entdeckte Col. Mitchell, Vala und Ronon. Die drei starrten zu ihm und zu Teyla herüber. Als Mitchells Blick den seinen traf, lächelte der Colonel kurz. Es war ein nicht sehr glaubwürdiges Lächeln, vielmehr eines nach der Art Wir-werden-hier-alle-draufgehen.
Vala und Ronon saßen neben ihm, hatten sich auch noch irgendwie auf das Holzbrett gequetscht, welches sich unter dem Gewicht der drei gefährlich bog. Vala massierte sich ihre Schläfen und Ronon hatte es sich scheinbar zur Aufgabe gemacht die ihm gegenüberliegende Wand zu Tode zu starren.

Okay, dachte John und rappelte sich wider seiner Schmerzen und wider dem Druck, den Teylas Hand auf seinen Brustkorb verübte, um ihn ruhig zu halten, auf.
„ John, bitte“, versuchte Teyla ihn aufzuhalten, doch sie hatte scheinbar schon längst begriffen, dass sie das nicht vermochte. Mit einem Seufzen nahm sie ihre Hand von seinem Brustkorb.
„ W…wo sind wir?“, fragte John und sah sich erneut um. Nein, sie waren definitiv nicht mehr in einem ihrer Zimmer. Die feuchten Wände, die allmählich erlischende Fackeln und die dichten Gitterstäbe vor dem einzig erkennbaren Ausgang bestärkten diese These.
„ Ich hab’ Ihnen gleich gesagt, dass das keine gute Idee war“, murmelte Ronon leise. Sein Blick verriet Missgunst und Zorn.
„ Was…“
„ Man hat uns in einen Hinterhalt gelockt, John“, antwortete Teyla. „ Es war Lemalian. Er sagte uns, dass er weiß, was mit Rodney geschehen ist. Er hat uns in den Wald geführt und dann…“
„ Heilige Scheiße!“, rief John aus und packte sich an seinen Kopf. Er erinnerte sich daran! Zwar nur schwach, aber er erinnerte sich, wie Lemalian zu ihnen gekommen war! Sie hatten in einem Raum gesessen und krampfhaft überlegt, warum und vor allem wohin Rodney verschwunden war. Sie konnten sich sein Verschwinden nicht erklären und John musste sich zugeben, dass er sich wohl noch nie so große Sorgen um den Kanadier gemacht hatte.
Dann war Lemalian gekommen, mit einem seiner Männer als Begleitung, und hatte verkündet, dass er wisse, wohin Rodney verschwunden war, und dass er sich bereit erklärte, sie zu ihm zu führen. John hätte sich gleich denken müssen, dass mit diesem Mann etwas nicht stimmte, doch in seiner Naivität war er ihm gefolgt. Oder war es vielleicht die Sorge um Rodney gewesen, die ihn geritten hatte?

Von dem ganzen Nachdenken rauchte John der Kopf und es fiel ihm schwer sich zu konzentrieren. Die Erinnerungen tauchten nur noch brockenhaft vor seinen Augen auf und das Letzte, woran er sich bewusst erinnerte, war dass sie auf einer einsamen Lichtung mitten ihm nebeldurchzogenen Wald stehen geblieben waren und das daraufhin ein greller Blitz auf ihn zugeschnellt war, dass irgendetwas Hartes ihn getroffen und zu Boden gerissen hatte. Dann war er hier aufgewacht und das Einzige, was zurückgeblieben war, war ein betäubtes Gefühl in seinen Gliedern.
„ Man hat uns betäubt und hierher gebracht“, ergänzte Col. Mitchell Teylas Bericht… oder beendete ihn vielmehr, denn die Athosianerin nickte nur stumm- sie hatte dem nichts hinzuzufügen.
Ein dicker Kloß bildete sich in Johns Hals, den er mit aller Mühe herunter schluckte. „ Alles in Ordnung bei dir?“, fragte er Teyla mit gesenkter Stimme.
„ Ja“, erwiderte sie ihm, doch allein wie sie ihm geantwortete hatte, machte John nervös und er hob seine Augenbrauen an.
„ Wirklich?“, hakte er vorsichtshalber nach.
„ Mir geht’s gut, John“, versicherte Teyla ihm. Ein angespanntes Flattern lag in ihrer Stimme und sie winkelte ihre Beine an ihren Körper, schlang ihre Arme um ihre Knie. Sie schien sich ihrer Antwort nicht sicher zu sein, wollte ihn aber vom Gegenteil überzeugen und lächelte, als er sie ansah.
„ Gut“, meinte John einfach nur. „ Das ist gut.“ Sie sorgte sich genauso wie er um die Gesundheit ihres Kindes. Die Ungewissheit, ob es bei der ganzen Aktion Schaden genommen hatte, machte ihm schwer zu schaffen, zumal sie es schon einmal fast verloren hatte. Doch so sehr er sich auch um das Ungeborene sorgte… John wusste, dass es ihm Moment noch andere Probleme gab, um die er sich zu kümmern hatte.

Als Erwiderung auf seinen Gedanken wurde jenseits der Gitterstäbe eine schwere Tür geöffnet und plötzlich hallten schwere Schritte durch das feuchte Gemäuer. Im Augenwinkel sah John, dass sowohl Ronon als auch Mitchell sich erhoben; Vala blieb sitzen.
Die Schritte wurden lauter, jeder Einzelne war wie ein dumpfer Schlag in die Magenkuhle und ein beklemmendes Gefühl breitete sich in Johns Brustkorb aus. Er hatte bei der Sache gar kein gutes Gefühl! Und dieses Gefühl verstärkte sich nur noch mehr, als die Schritte stoppten und eine düstere Gestalt vor der verschlossenen Tür Halt machte und als sich blasse Finger um die Gitterstäbe legten.
„ Aufmachen!“, befahl die Gestalt schroff. Ein kleiner Mann kam herangeeilt und öffnete mit zitternden Fingern die Tür, verschwand dann ebenso so schnell, wie er auch gekommen war.
Die Scharniere der Tür gaben ein jaulendes Geräusch von sich, als sie aufgestoßen wurde und die düstere Gestalt erhabenen Schrittes in das Innere der Zelle stolziert kam.
„ Wer sind Sie?“, verlangte John zu wissen. Soweit er das beurteilen konnte, handelte es sich bei ihrem Besucher um einen Mann. Er war von stattlicher Statur, schlank und recht groß. Ein langer schwarzer Mantel lag schwer auf seinen kräftigen Schultern und bedeckte seinen ganzen Körper. Im schwachen Licht, das vom Flur außerhalb der Zelle hinein schimmerte, glich seine Haut wie reinstes Elfenbein, so klar und so weiß. Einzig und allein seine Lippen waren blutrot und seine Augen… seine Augen leuchteten rubinrot. Das Rot war so intensiv, dass es schwer war, die Pupille zu entdecken.

John schreckte zurück und über die Lippen des Fremden zog sich ein amüsiertes Lächeln. „ Die meisten reagieren so, wenn sie mich zum ersten Mal sehen“, meinte er schmunzelnd.
„ Wer sind Sie?“, fragte John noch einmal und trat noch einen Schritt zurück, denn er fühlte sich in der Gegenwart dieses Mannes nicht wohl. Ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken, als er den Blick der roten Augen auf sich liegen spürte.
„ Fragen über Fragen“, lächelte der Mann und bleckte seine perlweißen und geradezu perfekten Zähne. „ Und nur so wenig Antworten. Es ist eine Schande.“
„ Ich werde nicht noch einmal fragen“, presste John mühsam zwischen seinen eng aufeinander liegenden Lippen hervor. Er mochte diesen Kerl nicht, der hatte etwas Falsches an sich!
Sein Gegenüber verharrte noch eine kleine Weile mit seinem Blick auf ihn, ehe er antwortete. Während er dies tat, begann er fast geräuschlos durch den Raum zu tänzeln. „ Mein Name ist Baku. Vielleicht habt Ihr schon einmal von mir gehört.“
John folgte ihm mit seinen Augen. „ Tut mir leid Sie enttäuschen zu müssen.“
„ Hhm…“ Baku blieb stehen und lachte ein Lachen, was überhaupt nicht zu einem Mann seiner Statur passte- es war kristallklares Lachen und es ließ einem die Nackenhaare zu Berge stehen.
„ Das überrascht Sie?“ John hob seine Augenbrauen an und bedachte Baku misstrauischen Blickes. Der Mann blieb stehen und sah ihn tiefgründig an; der Blick seiner roten Augen brannte sich förmlich in Johns Gesicht und es fiel diesem schwer, standzuhalten.
„ Ich habe mich Euch anders vorgestellt, Col. Sheppard“, sagte Baku und machte einen Schritt auf ihn zu. Er lächelte, als John ihn verwirrt ansah, und verbarg seine schneeweißen Hände in der Tasche seines Mantels. „ Ja, ich weiß sehr wohl, wer Ihr seid, und ich muss zugeben, dass mich Euer Täuschungsmanöver Aaron gegenüber überrascht hat. Das hätte ich nicht von Euch erwartet.“
„ Woher wissen Sie…“ John unterbrach sich selbst. Die Antwort auf diese Frage konnte er sich denken. Robbins.
„ Ich kenne jeden aus Eurem Team“, erwiderte Baku in einem Tonfall, von dem John schlecht wurde, und blickte zu Ronon. „ Ronon Dex, der furchtlose Krieger von Sateda. Ich fühle mich geehrt, Euch endlich einmal persönlich kennen zu lernen.“
„ Genießen Sie das Gefühl, solange Sie noch dazu in der Lage sind“, grollte Ronon und verbarg seine Missachtung nicht. Doch Baku schien das Verhalten des Sateders nicht zu stören oder er ignorierte es einfach. Ein geradezu selbstgefälliges Lächeln perlte von seinen blutroten Lippen ab und er machte einen mehr als selbstbewussten Schritt auf Teyla zu.
„ Teyla Emmagan“, sprach er ihren Namen voller Achtung aus. „ Tochter von Tagan und Anführerin der Athosianer. Man hat in Bezug auf Eure Schönheit nicht gelogen, meine Teure.“

John ließ ein abschätziges Schnauben verlauten, welches Baku’s Aufmerksamkeit erregte und er zu ihm sah. „ Und Lt. Col. John Sheppard. Ich habe schon viel von Euch gehört. Ihr sollt ein großer militärischer Anführer sein.“
„ Es wird viel über einen erzählt“, feuerte John zurück. Seine Missachtung für diesen Kerl stieg von Sekunde zu Sekunde. Er traute ihm einfach nicht über den Weg. Irgendetwas stimmte hier nicht und es hatte was mit diesem Baku zu tun!
Dieser ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, fast so als ob er nach etwas suchte. „ Aber wo ist denn Dr. McKay? Es ist zu schade, dass ich einen solch bedeutenden Wissenschaftler nicht kennen lernen darf!“
„ War das jetzt eine rhetorische Frage?“ John verschränkte die Arme vor dem Brustkorb. „ Wir wissen ganz genau, dass Sie etwas mit seinem Verschwinden zu tun haben. Sonst wären wir ja wohl kaum hier, oder?“

Baku zog seine dünnen Augenbrauen zusammen... und was darauf geschah, war einfach nur viel zu schnell, als dass John es hätte realisieren können. Ein Grollen drang tief auf Baku’s Brustkorb hervor und brach als Knurren über seine Lippen. Er bleckte seine perfekten Zähne und seine blutroten Augen loderten auf. Zähnefletschend und knurrend riss er Teyla mit einem Arm zu sich und drückte sie fest an seinen Körper. Die Athosianerin wimmerte erschrocken auf.
„ Teyla!“ John machte einen barschen Schritt nach vorne und wäre wahrscheinlich noch weiter gegangen, hätte Baku nicht eine glänzende Klinge unter seinem Mantel hervor geholt und sie Teyla gegen die Kehle gepresst, die daraufhin einen erstickten Laut von sich gab. In John brodelte es und seine geballten Fäuste zuckten. Nur zu gern hätte er diesem Mistkerl seine Fäuste um die Ohren gehauen…

„ Für mich gibt es unter den Völkern einen besonderen Namen.“ Baku legte eine Hand um Teylas Kehle und hob ihr Kinn leicht an, sodass sie ihm notgedrungen in die Augen sehen musste. Er hielt ihren Blick für einige Sekunden lang gefangen, ehe er ihren Kopf so drehte, dass sie ihn in den Nacken legen musste. Mit gefletschten Zähnen näherte er sich ihrem entblößten Hals, hielt aber wenige Zentimeter vorher inne.
„ Wenn Sie ihr auch nur ein Haar krümmen“, warnte John ihn und ballte seine Fäuste dermaßen, dass sie schmerzten.
„ Man behauptet von mir, ich sei eiskalt“, fuhr Baku fort, ohne auf Johns Einwand zu reagieren. „ Für die Völker bin ich nichts weiter, als ein eiskaltes Wesen, das nach ihrem Blut dürstet.“ Er lächelte. „ In dieser Hinsicht mögen sie vielleicht recht haben, doch ich töte nie einen Unschuldigen. Dann wäre ich ja ein… ein Monster.“ Er hielt Teyla noch immer fest gegen sich gedrückt und das machte John nervös.
„ Lassen Sie sie gefälligst in Ruhe“, knurrte er.
„ Ich werde ihr nichts tun“, beteuerte Baku. „ Wer bin ich, dass ich zwei unschuldige Leben gefährden würde.“
John schnappte nach Luft, Teyla erzitterte und Baku grinste. „ Ja, ich weiß von Eurem süßen Geheimnis“, flötete er bittersüß und fuhr mit seiner blassen Hand über Teylas Bauch. Die Athosianerin schnappte entsetzt nach Luft und ein weinerlicher Laut drang aus ihrer Kehle.

„ Elender Scheißkerl!“ John konnte sich nicht länger zurückhalten, machte einen gewaltigen Satz auf Baku zu und donnerte ihm seine Faust ins Gesicht. Er hörte seine Knochen zersplittern und jammerte vor Schmerz auf, aber wenigstens hatte er das erreicht, was er hatte erreichen wollen: Baku ließ von Teyla ab und stolperte zurück. Die Athosianerin sank auf ihre Knie und kippte nach vorne; sie japste nach Luft und hatte ihre Arme um ihren Bauch geschlungen. Sie war geschockt, Tränen strömten über ihre Wangen…

Vala sprang von dem Holzbrett auf und wollte zu ihrer Freundin herüber eilen, doch… wurde augenblicklich wieder zurückgeschleudert. Sie prallte mit dem Rücken gegen die harte Zellenwand, rutschte wie eine tote Fliege daran hinab und sank schließlich in sich zusammen.
„ Sie…“ Mitchell funkelte Baku wütend an, der zwar noch immer am Boden saß, aber siegessicher vor sich hin grinste. „ Sie mieser…“ Cameron setzte sich in Bewegung, doch auch er wurde von Baku gegen die Steinwand geschleudert, ohne dass dieser Mistkerl auch nur einen Finger gekrümmt hatte. Er schien die Angriffe mit seinen Gedanken abwenden zu können… und so vermochte er es auch, Ronon aufzuhalten und ihn mit einem bloßen Nicken zu dermaßen hart zu Fall zu bringen, dass er liegen blieb und sich nicht mehr rührte.
Leichtfüßig richtete sich Baku daraufhin wieder auf, klopfte sich den Staub von seinem Mantel und griff nach seinem Messer, das er zu Boden hatte fallen lassen. Sein Blick wanderte wieder zu Teyla, die noch immer auf dem kalten Boden kauerte und leise schluchzte.
„ Fassen Sie sie auch nur noch einmal an“, fauchte John und hielt sich eine schmerzende Hand; binnen Sekunden hatte sie sich blau verfärbt und er musste kein Experte sein, um zu wissen, dass sie gebrochen war. Der Schmerz pulsierte durch seinen ganzen Arm.
„ Sie haben einfach kein Vertrauen in mich“, sagte Baku und ließ von Teyla ab, wandte sich stattdessen ihm zu. Je näher er ihm kam, desto mehr hatte John das Gefühl, nicht mehr richtig atmen zu können. Vielleicht war das wieder einer von Baku’s Tricks… und wenn es einer war, dann aber ein schrecklich unangenehmer.
John japste nach Luft, wie ein Fisch auf dem Trockenen, und packte nach seiner Kehle, in der Hoffnung, dass sich die Situation dadurch verbesserte… doch sie tat es nicht. Es wurde sogar noch schlimmer…
„ Ihr seid schwach und könnt die Wahrheit einfach nicht begreifen.“ Baku lächelte arrogant auf ihn hinunter- jetzt, wo er direkt vor ihm stand, wirkte er auf einmal viel mächtiger und er war nunmehr fast einen ganzen Kopf größer als er. John schluckte.

Baku’s stählerne Faust donnerte ohne Vorwarnung auf ihn ein. John stöhnte laut auf und stolperte benommen ein paar Schritte zurück. In seinen Ohren klingelte es und es kam ihm fast so vor, als hätte eine riesige Abrissbirne seinen Kopf gerammt und vom Rest des Körpers abgetrennt.
„ Schwach“, wiederholte Baku und rammte seinen Ellenbogen voller Macht und Gewalt in Johns Brustkorb, woraufhin das Herz des Soldaten für einen Moment aussetzte, nur um dann noch schneller zu schlagen und das Adrenalin und den Schmerz durch seinen Körper zu tragen. Ein lauter Schrei brach über seine Lippen und seine Knie gaben unter der Welle von Schmerzen nach. Er sackte in sich zusammen und noch während er fiel, dem kalten Steinboden entgegen strebte, fasste John sich an die Brust, als sein Herz erneut stehen blieb.

Der Aufprall schien sich um Stunden zu verzögern, doch als sein Schädel schließlich auf dem harten Stein aufschlug, war es brutal und äußerst schmerzhaft. John wurde übel und für einen Augenblick wurde ihm tatsächlich schwarz vor Augen. Schnell blinzelte er, um die Finsternis, die ihn zu überkommen drohte, zu vertreiben… und es funktionierte. Die Welt blieb, wie sie war, doch leider bedeutete dies, dass er sah, wie Baku sich zu ihm herunterbeugte und ihn am Kragen hochzog.
John schluckte. Eine wirklich widerliche Säure breitete sich auf seiner Zunge aus und er konnte es gerade noch verhindern, sich zu erbrechen… obwohl er es gern getan hätte, als Baku seinen eisigen Atem in sein Gesicht hauchte.
„ Je mehr Ihr Euch wehrt, desto mehr werden Eure Freunde leiden müssen“, meinte er mit einem Nicken in Richtung Vala, Mitchell und Ronon, die noch immer besinnungslos auf dem kalten Boden lagen.
„ Das wagen Sie nicht“, presste John mühsam hervor. Jeder Atemzug tat ihm weh; es fühlte sich an, als hätte sich eine Rippe in eine Lunge gebohrt und ehrlich gesagt, hätte ihn das auch nicht überrascht.
„ Oh, Ihr wisst nicht, wozu ich in der Lage bin“, erwiderte Baku.
„ Sie töten keine Unschuldigen“, erinnerte John ihn.
Baku lachte heiser und rau auf. „ Ich nicht, aber meine Männer. Sie können manchmal unberechenbar sein.“

Wie auf Kommando öffnete sich die Türe zur Zelle ein zweites Mal und vier kräftige Männer kamen herein; sie alle hatten schneeweiße Haut und blutrote Augen. Ihre Münder lechzten förmlich nach Blut.
„ Schafft sie hier raus“, wies Baku die Gestalten an. „ Bringt sie zu dem anderen. Ich kümmere mich später um sie.“
„ Ja, Meister.“ Drei der Männer zerrten Mitchell, Vala und Ronon hinter sich her und der vierte, packte Teyla gewaltsam an ihren Armen, die unter dem Druck zu brechen drohten.
„ John!“ Die Athosianerin wehrte sich gegen die grobe Behandlung und sah furchterfüllt zu ihm. Sie stemmte ihre Füße in den Boden und krallte mit ihren Fingernägeln in den Arm des Mannes, doch der ließ sich davon nicht beirren und zerrte sie weiter hinter sich her. Teyla schimpfte, tobte und fluchte, versuchte sie vergebens aus dem Griff des Mannes zu befreien.

„ Teyla!“, rief John ihr krächzend hinterher. Sein Krächzen ging in einen Schrei überging, als Baku’s Faust sein Kinn traf. Er hörte, wie der Knochen unter dem Druck zerbarst. Voller Qual aufstöhnend taumelte John zurück, stolperte und landete auf seinem Hinterteil, fiel nur wenige Sekunden später nach vorne und landete mit dem Gesicht ihm Staub. Der metallene Geschmack von Blut erfüllte seinen Mund und brannte in seinem Rachen. Angewidert verzog er das Gesicht und spuckte den Lebenssaft auf den Erdboden, tränkte ihn in ein sattes, warmes Rot.

Langsam rollte er sich auf den Rücken, begleitet von einer weiteren Schmerzenswelle, die erbarmungslos über ihn hinwegrollte und jeden Widerstand zum Einsturz brachte.
„ Ihr seid schwach“, hörte er Baku spotten und augenblicklich gesellte sich zu seinem Leid unbändige Wut. Er hasste diesen Kerl! Er hasste einfach alles an ihm! Er hasste diesen Kerl so sehr, verabscheute ihn bis aufs Blut! Doch… er konnte ihm nichts erwidern.


John Sheppard war am Boden… und das nicht nur sinnbildlich. Schwach blinzelte er zu Baku auf, der sich mit einem siegessicheren Grinsen über ihn gebeugt hatte. Hinter ihm war der Wächter, der Teyla hinausführen sollte, stehengeblieben und hielt die Athosianerin noch immer fest am Arm. Sie sollte mit ansehen, wie der Vater ihres Kindes starb! Das war Baku’s Plan! Er wollte, dass sie ihn leiden sah!
Teyla sah entsetzt und mit Tränen in den Augen zu ihm rüber; es machte sie fertig, dass sie ihm nicht helfen konnte.
„ Ich hätte nicht erwartet, dass Ihr Euch so schnell geschlagen gibt“, zog Baku ihn auf. „ Die Geschichten des großen John Sheppard… alle gelogen!“ Die Klinge seines kunstvoll geschmiedeten Messer blitzte auf und John schluckte.


Er hatte seine Augen nur halb geschlossen, atmete nur noch flach. Die Platzwunde an seinem Kopf hatte wieder angefangen zu bluten und der Erdboden zu seinen Füßen färbte sich dunkelrot.
Die blitzende eiskalte Klinge fuhr langsam an seinem Hals hinab, sein Gegenüber lachte hämisch, zögerte aber dennoch. Er fragte sich, warum er das tat. Warum tötete er ihn nicht einfach? Warum ließ er ihn leben? Um ihn zu quälen? War es das, was er wollte? Wollte er ihn leiden sehen?

Als diese Fragen wurden Nichtigkeit, als er spürte, wie das Messer tief in seine Seite gerammt wurde. Ein lauter Schrei brach über seine Lippen und er fing an zu zittern. Es war ein seltsames Gefühl: die ersten zehn Sekunden ließ der Schmerz nach, doch dann wünschte er sich den Tod herbei.
Sein Gegenüber schien seinen Wunsch in seinen gläsernen Augen lesen zu können und grinste spöttisch: „ Keine Sorge, Colonel. Ich werde Euch Euren Wunsch erfüllen.“ Er lachte laut und trocken auf und trieb das Messer noch tiefer in sein wundes Fleisch hinein.

Wie es sich wohl anfühlte zu sterben? Das fragte John sich, als die Schmerzen seinen Körper vibrieren ließen und er sich aufbäumte. Er merkte, wie das Blut aus seiner Wunde strömte und sich über dem kalten Zellenboden ergoss… und er merkte, wie sich der dunkle Schleier immer mehr vor seine Augen legte.
„ JOHN! NEIN!“, kreischte Teyla geradezu hysterisch und schlug wild um sich, als der Wächter sie wieder am Arm zu packen bekam und sie davonschleppte.
„ Lass sie ruhig schreien“, rief Baku dem Mann hinterher und ließ von John ab. Er betrachtete ihn noch ein letztes Mal abschätzend, trat ihm noch einmal gegen die Seite, woraufhin zwei seiner Rippen mit einem Knarcksen nachgaben.

Johns Kopf fiel zur Seite und seine Welt hüllte sich in Schweigen. Das Letzte, was er sah, war Teyla, die sich in den Armen des Wächters hin und her wand. Er sah Baku, wie er hämisch lachte. Und er sah einen hellen Lichtblitz, der den ganzen Korridor erhellte. Baku’s Lachen verschwand aus seinem Gesicht und ein erboster Schrei ließ sein Gesicht erzittern.
Wie es sich wohl anfühlte zu sterben, dachte John noch einmal, als er einen letzten Atemzug unternahm und er in eine erlösende Dunkelheit glitt… den letzten verzweifelten Schlag seines Herzens im Ohr.

++++++++++


Es war spät, als die Neuigkeit Tara und Matti in ihrer einsamen Hütte am Waldrand erreichte. Die rothaarige Marktfrau Malika war am Abend zu ihnen gekommen- sie tat das jeden Mittwoch, brachte frisches Obst und Gemüse, manchmal auch ein Stück Fleisch oder ein paar Eier… und heute hatte sie auch die neusten Nachrichten mitgebracht.

Seine Gemahlin hat ihn gefunden, hatte Malika berichtet und nur ungläubig mit dem Kopf geschüttelt. Die Kehle hat mit ihm aufgeschnitten. Wie hinterlistig! Eine Schande ist das… Er war ein guter König!

„ Was wohl jetzt werden wird“, sinnierte Tara leise und blickte in die lodernden Flammen ihres Kaminofens.
„ Das weiß wohl keiner so genau“, antwortete ihr Bruder. Er streckte seine Beine weit von sich und lehnte sich zurück. „ Aber wir werden es bald erfahren.“
„ Matti?“
„ Ja?“
„ Ich habe Angst“, gestand sie.
„ Du brauchst keine Angst zu haben.“ Matti schlang die Arme um seine Schwester und drückte sie an sich. Er küsste sie auf die Stirn. „ Ich werde immer auf dich aufpassen.“
„ Immer?“, fragte Tara und sah ihn mit ihren blauen Augen groß an.
„ Immer“, versprach er ihr und strich ihr eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht.

Einen Tag später


„ Eine Schande ist das, wirklich eine Schande“, meinte Malika, die Marktfrau und schüttelte mit dem Kopf. Aufgebracht wickelte sie zwei Kohlköpfe in ein Laken ein.
„ Sie waren doch noch so jung“, bedauerte ihre Kundin mit betroffener Miene und nahm die Ware entgegen.
„ Jaja“, stimmte die Händlerin ihr zu. „ Sind in ihrem eigenen Haus verbrannt. Das ist wirklich eine Schande.“ Schnell ließ sie das Geld für die Kohlköpfe in der Tasche ihrer Schürze verschwinden. „ Ich kannte Tara und Matti sehr gut.“
„ Sie sind jetzt an einem besseren Ort“, sagte ihre Kundin leise und ließ ihren Blick gen Horizont schweifen.

TBC
12 weeks, 6 hours, 48 minutes, 3 seconds by Ailya
You hold me without touch.
You keep me without chains.
No matter what I say and do, you're still with me
Sara Bareillas - Gravity



Bleiche Gesichter. Haut so weiß wie Elfenbein. Augen leuchtend wie Rubine. Lippen so rot wie Blut. Zähne so blendend wie feinste Perlen.
Langsam näherten sich ihm die Gestalten mit tänzelnden Schritten, schwebten über den staubigen Boden. Ihre athletischen und wohlgeformten Körper steckten in engen schwarzen Anzügen, die ihre Vorzüge einen fast ins Auge springen ließen.
Sie beide waren von übernatürlicher Schönheit und es war fast zu schön um wahr zu sein. Ihre langen Haare waren dunkel wie Ebenholz und bildeten somit einen krassen Kontrast zu ihrer schneeweißen Haut, harmonierten aber perfekt zu ihren rubinroten Augen.
Ihre Augen- sie waren etwas Besonderes. Zwei rote Augenpaare starrten ihn an und dieses tiefe Rubinrot und das etwas hellere Rot um ihre Pupillen hatte etwas Hypnotisierendes und er füllte sich zu den beiden hingezogen, wollte ihre blasse Haut berühren und mit seinen Fingern durch ihre schwarzen Haare fahren.

Sie spürten sein Verlangen und bewegten ihre Hüften verführerisch, näherten sich ihm immer weiter, bis sie direkt vor ihm standen. Ihre eiskalten Hände ließen sie an einem Arm rauf und runter gleiten, verzogen ihre perfekten, zum Küssen verführende Münder zu einem undurchdringlichen Lächeln, bleckten ihre perlweißen Zähne.
Beide beugten sich vor und wanderten mit ihren Lippen und Zungen über seinen Hals. Sie surrten leise tief in ihrer Kehle und das beruhigte ihn. Er schloss die Augen und ließ sich ihre Fürsorge gefallen.
Eine eiskalte Zunge strich über seinen Hals, Lippen bedeckten ihn mit Küssen… und zwei harte Fangzähne bohrten sich in seine Hauptschlagader, rissen an ihr.

Er schrie vor Schmerz auf und spürte, wie das warme Blut aus seinem Hals sprudelte, seine Uniform in ein tiefes Rot färbte. Er sah sie beide lächeln, während sie sich mit dem Blut besudelten. Voller Wonne ließen sie den roten Lebenssaft ihre Kehlen hinablaufen. Ihre Augen wurden dunkler und dunkler… waren fast schwarz, als er zu ihnen aufblickte. Ein Knurren drang tief aus ihrem Brustkorb heraus und wie zwei Raubtiere stürzten sie sich auf ihn, rissen ihn zu Boden, rammten ihre Krallen in seinen Körper und bohrten ihre Zähne tiefer in seinen Hals.

Er schrie.


Mit seinem eigenen Schrei in den Ohren, fuhr Rodney McKay hoch und blickte sich für einen Moment orientierungslos und vollkommen verstört um. Er keuchte, japste nach Luft und war schweißgebadet.
„ Rodney, alles in Ordnung?“ Eine Hand legte sich von hinten auf seine Schulter und wieder zuckte der Wissenschaftler zusammen, ohne es überhaupt zu wollen. Mit einem Ruck sprang er von seinem Stuhl auf und schnellte herum… allerdings nicht ohne mit einem piesackenden Schmerz im Rücken- er musste wieder über seiner Arbeit eingeschlafen sein, wie sooft in den letzten Wochen. Das war nicht gut für ihn und schon gar nicht für seinen eh schon lädierten Rücken. Seit dieser Sache auf dem Planeten, wo sie alle sich die verrücktesten Dinge eingebildet hatten und er die Verwundeten und Leichen hatte schleppen müssen, plagte ihn sein Ischias… und der war sehr nachtragend, wenn es um die falsche Schlafposition ging.

Rodney verzog sein Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse und stöhnte leise auf. Die Schmerzen vereinnahmten ihn dermaßen, dass er vergaß, warum er eigentlich aufgestanden war… bis sich wieder eine Hand auf seine Schulter legte und er erneut ertappt und erschrocken zugleich zusammenzuckte.
„ Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“ Samantha Carter stand hinter ihm und musterte ihn misstrauisch. Als sie bemerkte, wie er sich hastig umsah, zog sie ihre Augenbrauen zusammen und der Blick ihrer blauen Augen wurde weich. „ Sie hatten wieder einen Traum, nicht wahr?“
„ Woher…“ Rodney unterbrach sich selbst. Die Frage, die er zu fragen gewillt war, war überflüssig, zumal er seiner Kollegin- so sehr er sie auch verabscheute- nichts vormachen konnte. Sie war die letzten Male immer dabei gewesen, wenn er aus einem seiner Alpträume erwacht war.
Diesen Gedanken im Hinterkopf, nickte Rodney und blickte verstohlen auf seine Füße. „ Ja.“
„ Vielleicht sollten Sie zu Carson gehen“, schlug ihm Sam vor; ihre einfühlsame Art überraschte ihn schon lange nicht mehr.
„ Und soll mit ihm über einen Traum reden?“, entgegnete Rodney ihr patzig; viel patziger, als er es eigentlich vorgehabt hatte. Doch Sam’s besorgter Gesichtsausdruck verrutschte nicht einen Millimeter.
„ Rodney…“, redete sie auf ihn ein, doch er riegelte ab und machte einen Schritt zurück.
„ Es ist nur ein Traum, mehr nicht!“, sagte er schnell. „ Kein Grund sich Sorgen zu machen.“

Doch dieser Traum war nicht nur ein Traum. Genaugenommen war es auch kein Alptraum, sondern schrecklich reale Erinnerungen an eine schreckliche Zeit. Die beiden Frauen waren wirklich zu ihm gekommen und sie hatten ihm wirklich ihre spitzen Fangzähne in die Haut gerammt; er hatte noch immer eine Narbe davon! Sie waren trunken von seinem Blut gewesen und hatten es sogar vom Boden aufgeleckt… wie die Hunde!

Das alles hatte ihn an alte Vampirromane erinnert. Die hatte er damals schon nicht gern gelesen… waren ihm viel zu unheimlich gewesen.
Doch diese beiden Frauen waren keine Einbildung irgendeines Autoren gewesen. Nein, sie waren real gewesen, hatten ihn auf brutalste Art und Weise immer wieder gefoltert! Er hatte schon gedacht sterben zu müssen und er hatte nicht mehr damit gerechnet, dass die Artemis ihn zurückrufen würde. Doch sie hatte es getan!
Das Einzige was zurückblieb, waren die Erinnerungen, die Narben an seinem Körper und das klaffende Loch in seinem Herzen, welches nie wieder gefüllt werden konnte…

Fast augenblicklich krampfte sich sein Herz zusammen und sein Magen gab einen rebellierenden Laut von sich, den sogar Sam gehört hatte und ihm wieder ihre Hand auf die Schulter legte. Rodney seufzte schwer.
„ Ich hätte es verhindern sollen.“ Enttäuscht schüttelte er mit dem Kopf. Er hätte es verhindern sollen! Er hätte das Schiff daran hindern sollen, zurück in den Hyperraum zu springen! Er hätte ihn retten können! Er hätte seinen besten Freund retten können! Er hätte John retten können!
„ Rodney“, sagte Sam sanft und ihr Blick erinnerte ihn an das, was er eigentlich zu vergessen suchte: Auch wenn es ihm gelungen wäre das Schiff aufzuhalten… John war tot und daran konnte weder er noch sonst irgendwer etwas ändern!

Rodney sank mit einem weiteren Seufzen zurück auf seinen Stuhl und ihn überkam ein geradezu überwältigendes Gefühl in Tränen auszubrechen und um seinen verlorenen und gefallenen Freund zu trauern.
„ Nicht nur Sie vermissen ihn.“ Sam tätschelte seine Schulter. Er wusste, dass sie recht hatte, aber trotzdem wollte er es nicht wahrhaben. Er war es gewesen, der dreieinhalb Jahre mit John Sheppard in einem Team gewesen war. Der Soldat war sein bester Freund gewesen und er hatte den Amerikaner regelmäßig an den Rand der Verzweifelung getrieben.
Sein egozentrisches Denken über den Colonel überraschte Rodney und er verfluchte sich innerlich selber. Wie konnte er nur so verquert denken? Und wie konnte er nur so eine Behauptung aufstellen?

Okay, er musste zugeben, dass John und er nicht immer die besten Freunde gewesen waren. Sie beide hatten sich immer gegenseitig in den Wahnsinn getrieben: Rodney mit seiner ganzen Art zu reden und John mit diesen stichelnden Anmerkungen. Trotzdem waren sie gut miteinander ausgekommen und Rodney hatte den Soldaten zu schätzen gelernt. Dass er nun nie mehr zurückkehren sollte, betrübte den Kanadier zutiefst. Durch John Sheppards Tod hatte die Expedition nicht nur ein ungemein wichtiges Mitglied verloren… nein, er- Meredith Rodney McKay- hatte auch seinen mit Abstand besten Freund verloren und das machte ihn traurig.

Auch in Samanthas blauen Augen lag Trauer; sicher bedauerte sie auch Johns Tod, doch da war noch etwas anderes und auch das betrübte Rodney. War es denn nicht schon Strafe genug, dass sie ein Mitglied dieser Expedition zurücklassen mussten? Warum mussten sie nun zwei Männer betrauern? Warum, wieso, weshalb?
„ Sam?“, fragte Rodney vorsichtig. Seine blonde Kollegin zuckte zusammen. Tränen schwammen in ihren blauen Augen. Sie vergoss Tränen um ein verlorenes Teammitglied- ein Teammitglied, das ihr in den letzten beiden Jahren sichtlich ans Herz gewachsen war und zu dem sie eine innige Freundschaft aufgebaut hatte. Doch dieses Teammitglied weilte nicht mehr unter ihnen, wie Sheppard, doch im Gegensatz zu dem Colonel, wusste niemand genau, wie es dazu gekommen war.

Mike Branton und er hatten mit Hochdruck daran gearbeitet und hatten versucht, die Frage, die sich alle stellten, zu beantworten, doch schon bald mussten sie feststellen, dass sie dazu nicht in der Lage waren und kapitulierten. Sie konnten die Frage nicht beantworten. Einzig und allein die Tatsache, dass es Col. Cameron Mitchell unter bisher noch ungeklärten Gründen nicht zurück auf das Schiff geschafft hatte, blieb.
Elizabeth hatte den leisen Verdacht geäußert, dass es vielleicht mit der jeweiligen Situation der Person zusammenhing und hatte damit unbewusst Parallelen zu Col. Sheppard gezogen- John war tot und wurde von der Artemis nicht zurückgeholt. Auch Col. Mitchell war nicht auf das Schiff zurückgekehrt…
Dieser Verdacht stimmte SG1 und auch die anderen traurig. Auch wenn es nicht bestätigt war… diese These war sehr glaubwürdig und inzwischen gab es niemanden mehr, der daran glaubte, dass die beiden Soldaten noch am Leben waren. Keiner glaubte mehr daran.

Heute waren es genau zwölf Wochen, sechs Stunden, 48 Minuten und… drei Sekunden. Man glaubt gar nicht, wie schnell Zeit dahinschwinden konnte, wenn man sich mit Arbeit ablenkte. Trotzdem konnte Rodney es immer noch nicht verstehen, dass es an diesem heutigen Tag zwölf Wochen her war, dass die Artemis sie zurückgeholt hatte und in den Hyperraum gesprungen war. Zwölf Wochen! Eine geradezu unverschämte Zeit und wenn Rodney daran dachte, prügelte Wut, Enttäuschung und Trauer auf ihn ein. Zwölf Wochen- das waren drei Monate! Drei gottverdammte Monate, die sie länger auf diesem gottverdammten Schiff zugebracht hatten. Ob man in Atlantis wohl noch immer versuchte, sie zu finden? Oder hatte man die Suche nach ihnen schon längst aufgegeben und ihrer aller Posten neu besetzt?
Rodney fragte sich, wer wohl seinen Posten übernommen hatte. Der Gedanke, dass man Radek erwählt hatte, war schrecklich und ihm wurde schlecht. Ausgerechnet Radek Zelenka, sein unfähiger tschechischer Kollege! Atlantis war dem Untergang geweiht!
Evan Lorne hatte bestimmt Sheppards Posten übernommen und irgendein zwielichtiger Typ vom IOA saß mit seinem Diplomatenhintern auf Elizabeths Stuhl und handelte genau nach Vorschrift. Wie widerlich!

„ Rodney?“ Sam’s Stimme riss ihn aus seinen Gedanken zurück in das kleine, staubige Labor im Herzen der Artemis. Sie sah ihn groß an- wahrscheinlich hatte sie ihn etwas gefragt und er hatte mal wieder nicht zugehört.
Schnell schüttelte er mit dem Kopf, um wieder einen einigermaßen klaren Gedanken fassen zu können. „ Ich habe gerade nachgedacht“, entschuldigte er sich und versuchte sich zu wahrem Interesse zu zwingen. „ Was haben Sie gesagt?“
„ Ich habe gefragt, ob Sie vielleicht Lust hätten mich zu der Feier zu begleiten“, wiederholte Sam.
Rodney hob irritiert die Augenbrauen: „ Welche Feier?“ Hatte er schon wieder einen Geburtstag verschlafen? Hoffentlich nicht, denn Elizabeth sah ihn deshalb noch immer böse an, wenn er ihr begegnete.
Samantha Carter lächelte ein unecht wirkendes Lächeln und kräuselte ihre Lippen. „ In der Mensa. Sie wissen schon… für Teyla.“
„ Ah…“, machte Rodney. Das hatte er ganz vergessen! Beschämt senkte er den Kopf, doch schon bald mischte sich Trauer und Verzweifelung mit seiner Verlegenheit. „ Die Babyparty“, sagte er leise und Sam nickte.

Er hatte von Teylas Schwangerschaft erst kurz nach ihrer Rückkehr auf die Artemis erfahren. Es war eine wirklich „einschlagende“ Neuigkeit gewesen…

Er hielt sich seine Hände vors Gesicht gepresst und versuchte sich aus dem Griff seiner Wächterin zu befreien. Er murrte laut und zuckte zusammen, als ihn jemand an der Schulter berührte.
„ Rodney, beruhigen Sie sich!“, redete eine ruhige Stimme auf ihn ein und allmählich begriff er, dass er sich nicht mehr zu fürchten brauchte. Vorsichtig spähte er durch seine Finger hindurch und sah Elizabeth vor sich stehen. Erleichterung überkam ihn und er rappelte sich auf.
„ Oh, mein Gott, Rodney“, rief die Expeditionsleiterin entsetzt aus und griff nach seinem Arm. „ Sie sind ja verletzt!“ Voller Entsetzen wischte sie mit ihrem Ärmel das Blut von seiner Wange. „ Ich werde Sie zu Carson bringen lassen!“
„ Der ist schon hier!“ Carson Beckett schlängelte sich und seinen Erste Hilfe- Koffer durch die Menge und seine Augen weiteten sich, als er ihn entdeckte. „ Großer Gott, Rodney!“

Während der Schotte ihn verarztete, ließ Rodney seinen Blick schweifen…nicht zuletzt, um diese schrecklichen Bilder aus seinem Kopf zu bekommen. Er entdeckte Vala Mal Doran und Ronon nicht allzu weit von ihm entfernt- zwei Sanitäter kümmerten sich um sie und Dr. Jackson hatte sich über die Schwarzhaarige Vala gebeugt.
„ Nein, nein!“ Eine hysterische Stimme verlangte geradezu nach seiner Aufmerksamkeit und er sah, wie Teyla sich aus dem Griff zweier Marines wand und auf Elizabeth zustürmte. Die Expeditionsleiterin fing sie ab und schlang ihre Arme um die zitternde Athosianerin.
„ Ganz ruhig“, redete sich auf sie ein. „ Versuchen Sie sich zu beruhigen, meine Liebe.“
„ Er war da“, jammerte Teyla und Tränen strömten über ihr Gesicht. Sie vergrub ihr Gesicht. „ Sie haben ihn umgebracht.“
„ Ssht“, machte Elizabeth und drückte die junge Frau fest an sich.
„ Sie haben ihn umgebracht“, krächzte Teyla. „ Sie haben den Vater meines Kindes… sie haben… sie haben John…“

Rodney sah schockiert zu den beiden Frauen. „ Sie… sie sind schwanger?“ Am liebsten hätte er sich auf die Zunge gebissen, als Elizabeth ihn wütend anfunkelte und Teyla in ihren Armen zusammenbrach. Es dauerte, bis er die Zusammenhänge verstand, doch dann wurde ihm heiß und kalt und er schlug sich die Hand vor den Mund. „Oh, mein Gott!“


Das alles hatte sich vor nunmehr zwölf Wochen, sechs Stunden, 47 Minuten und… ca. 50 Sekunden abgespielt. Es versetzte ihn noch immer in Aufruhr, daran zurückzudenken und sich vorzustellen, wie sich Teyla im Moment fühlen musste.
Er hatte nicht gewusst, dass die Athosianerin und der Colonel ein Verhältnis hatten. Okay, ihm war aufgefallen, dass sie vertrauter miteinander umgegangen waren und die Sorge, die John an den Tag gelegt hatte, war schon merkwürdig gewesen… aber trotzdem hatte Rodney sich nichts dabei gedacht. Und nun musste er erfahren, dass Teyla ein Kind erwartete… ausgerechnet von dem Mann, der sein Leben hatte lassen müssen.

Es war geradezu tragisch und Rodney seufzte. „ Sind Sie sicher, dass sie schon so weit ist?“, fragte er Sam, die daraufhin nur mit den Schultern zuckte.
„ Das kann ich nicht sagen, Rodney“, erwiderte sie. „ Mich würde es nicht überraschen, wenn es noch eine Weile dauern würde. Und das würde ich verstehen.“
„ Wusste John…“ Rodney fühlte sich nicht in der Lage den Satz zu beenden. Die Stimme drohte ihm zu versagen.
Sam nickte. „ Sie hat es ihm gesagt, direkt vor dem Einsatz. Er wusste es. Ich bin mir sicher, dass er sich gefreut hat.“
Ja, dass hat er bestimmt, dachte Rodney, sprach seinen Gedanken aber nicht aus. Er konnte sich vorstellen, dass John sich über die Neuigkeit, dass er Vater werden würde, gefreut hatte. Er konnte doch so gut mit Kindern- im Gegensatz zu seiner Wenigkeit. Die athosianischen Kinder liebten ihn und Rodney musste neidlos eingestehen, dass sogar seine Nichte Madison in den Soldaten vernarrt war, seit dem Tag als er sie einmal besucht hatte. John Sheppard wäre mit Sicherheit ein guter Vater geworden! Dafür legte Rodney seine Hand ins Feuer!

Ein Schweigen entstand zwischen ihm und Sam, eines, das erst gebrochen wurde, als Sam seufzte und zu einem weiteren Versuch zu lächeln ansetzte. „ Sie sollten mal sehen, was Vala für das Baby gemacht hat. Wirklich niedlich!“
„ Ich hab’ das dumme Gefühl, dass es einfach noch viel zu früh ist“, milderte Rodney die Stimmung, doch Sam schien das nicht zu stören- sie lächelte tapfer weiter.
„ Kommen Sie dann?“, fragte sie nach einer ganzen Weile, in der sie beide nichts gesagt hatten.
„ Ich weiß nicht, ob das richtig ist“, beanstandete Rodney mit düsterer Miene. Es fühlte sich für ihn einfach falsch an.
Samantha seufzte. „ Tun Sie es nicht für sich, Rodney. Tun Sie es für Teyla. Und tun Sie es für John. Er hätte sich sicher gefreut, sie dort zu sehen.“

Das überzeugte Rodney. Er hatte im Moment eh nichts anderes zu tun und die Alpträume konnten gefälligst bis zur Nacht warten. Wenn Teyla schon ohne den Vater ihres Kindes auskommen musste, dann sollte sie wenigstens ihre Freunde um sich herum haben.

+++++++++


Es war schon fast eine gelassene und freudige Stimmung, die da in der Mensa Einzug gehalten hatten. Ein paar Marines standen beieinander und lachten. Zwei Wissenschaftlerinnen hatten die Köpfe zusammengesteckt und schienen sich köstlich zu amüsieren.

Doch der Großteil der fast zwanzig Anwesenden hatte sich um einen kleinen Tisch verteilt, auf dem sich bereits an die zehn, fein säuberlich verpackte Geschenke häuften. Die Gesichter strahlten und ganz in der Nähe blitzte eine Kamera auf, als Teyla eines der Geschenke vorsichtig auspackte.
„ Oh, Vala“, rief die Athosianerin entzückt und hielt den Inhalt in die Höhe. Es war ein kleines schwarzes Shirt mit einem U.S AirForce-Logo- wahrscheinlich hatte es mal einem der Marines gehört, ehe es auf Babygröße geschneidert worden war. Teyla lächelte und umarmte Vala, die neben ihr saß. „ Ich wusste gar nicht, dass Sie nähen können.“
„ Kann ich auch nicht“, gestand Vala kleinlaut und verzog ihren Mund. „ Naja, nicht wirklich. Ich hoffe, dass es nicht auseinander fällt.“
„ Nein, es… es ist wunderschön. Ich danke Ihnen, Vala.“

Elizabeth beobachtete die Szene aus einiger Entfernung. Sie war froh, dass Teyla Spaß zu haben schien, aber dennoch musste es für die Athosianerin eine gewaltige Überwindung sein, hier zu sein und immer um ein Lächeln bemüht zu sein.

Drei Monate waren einfach zu wenig Zeit, um über den Tod hinwegzukommen. Damals in Atlantis hatten sie keine andere Wahl gehabt, doch jetzt… Sie hatten Zeit zum Trauern, sie hatten alle Zeit der Welt.
Elizabeth seufzte und fuhr sich mit ihren Händen übers Gesicht. In den letzten Wochen hatte sie nicht gut geschlafen und noch immer verfolgten sie die schrecklichsten Alpträume. Sie sah John und Col. Mitchell. Sie sah, wie blasse Wesen ihnen das Blut aus den Adern saugten, und sie sah, wie die toten Körper der beiden Soldaten von der Finsternis in Empfang genommen wurden. Es war schlichtweg schrecklich und immer erwachte sie mit einem kehligen Schrei, war schweißgebadet und keuchte…

Sie war sich der Tatsache bewusst, dass die Chancen die beiden Männer zu finden gering waren- wenn sie nicht sogar gleich null waren. John war tot, ermordet von einem zwielichtigen Mann und Col. Mitchell… niemand wusste genau, was mit dem Leiter von SG1 geschehen war und warum die Artemis ihn nicht wie die anderen zurückgeholt hatte. Wahrscheinlich…
Elizabeth schüttelte mit dem Kopf und schluckte kräftig. Eines war klar: Auch wenn sie für die beiden Soldaten nichts mehr tun konnten und sie tot waren, so verdienten sie doch eine ehrwürdige Beisetzung. Sie fühlte sich dazu verpflichtet! Bisher hatten sie eine Gedenkansprache immer wieder aufgeschoben, weil sie gehofft hatten, John und Cameron zu finden… oder zumindest etwas, was sie beerdigen könnten. Doch Elizabeth war sich bewusst, dass sie es nicht mehr lange aufschieben konnte. Sie musste es irgendwann tun…

„ Oh, mein Gott!“ Teylas überraschte Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Die Athosianerin hielt einen Holzkasten in den Händen, den Lt. Matt Scott ihr überreicht hatte, und blickte den Lieutenant mit großen Augen an. Vorsichtig griff sie in das Innere des bunt bemalten Kastens und förderte miteinander verschraubte Metallteile hervor. Die Kanten waren abgeschliffen, sodass man sich nicht daran verletzen konnte. Es erinnerte an einen Truck.
„ Wie niedlich“, kommentierte Vala das Geschenk und Daniel Jackson, der neben ihr saß, nickte anerkennend.
„ Was ist das?“, fragte Ronon und beugte sich über den Tisch, um das Gebilde näher zu betrachten.
Teyla drehte ergriffen an einem der Räder und blickte dann zu Lt. Scott auf. „ Haben Sie das selbst gemacht?“
„ Wenn’s ein Mädchen wird, kann ich was anderes machen“, erwiderte der junge Mann verlegen, doch Teyla schüttelte mit dem Kopf.
„ Es ist perfekt“, sagte sie, als sie Scott umarmte und ihn dankbar anlächelte.

Als wieder eine Kamera aufblitzte, näherte sich Elizabeth dem Tisch und lächelte in die Runde. „ Sie scheinen sich zu amüsieren“, meinte sie zu den versammelten Leuten, die sie daraufhin anstrahlten.
„ Setzen Sie sich doch, Dr. Weir“, lud Vala sie ein und schob Daniel beiseite, der einen beleidigten Flunsch zog, dann aber bereitwillig Platz machte.
„ Schön, dass Sie es doch noch einrichten konnten, zu kommen, Elizabeth“, begrüßte Teyla sie. Ihre braunen Augen strahlten und es kam Elizabeth fast so vor, als dächte die Athosianerin für einen Moment mal nicht an die tragischen Umstände- doch nur fast… Tränen schwammen in Teylas Augen. Sicher, man konnte meinen, dass die Athosianerin überwältigt von der Freundlichkeit war, aber alle wussten, dass dem nicht so war.
„ Nächstes Geschenk.“ Dr. Jennifer Keller strich sich ihre blonden Haare aus dem Gesicht, griff hinter sich und reichte Teyla etwas, das aussah wie eine zusammengelegte Decke. „ Tut mir leid, dass es nicht neu ist. Ich habe es in einem Quartier gefunden und dachte mir, dass es Ihnen vielleicht gefällt.“
Teyla lächelte die Ärztin herzerwärmend an und faltete die Decke sorgfältig auseinander. Alle Anwesenden hielten für einen Moment die Luft an, als die Athosianerin das Geschenk auf dem Tisch ausbreitete, damit alle es sehen konnten.
„ Wie schön“, flötete Vala.
„ Sieht gut aus“, meinte Ronon.
„ Wirklich ein wunderschönes Stück“, fügte Daniel Jackson hinzu.
Voller Faszination betrachtete Elizabeth die Decke, die an den Rändern mit lantianischen Schriftzeichen bestickt war. Sie war aus einem bunten, sehr edel aussehendem Stoff gefertigt, der sich wahrscheinlich weich anfühlen musste. Der Dialekt, in dem die Schriftzeichen standen, war sehr alt und es fiel ihr erst schwer ihn zu entziffern- es war ein lantianisches Schlaflied.
„ Jennifer, vielen Dank.“ Auch die junge Ärztin wurde von Teyla in den Arm genommen, ehe die Athosianerin gerührt in die Runde blickte. „ Ich danke Euch allen. Das bedeutet mir sehr viel.“
Ronon lachte auf und zauberte eine kleine Schachtel hinter seinem Rücken hervor. „ Denken Sie mal nicht, dass wir hier schon fertig sind.“


Elizabeth fand Teyla eine Stunde später allein in der Mensa an einem Tisch inmitten ihrer Geschenke sitzend. Alle hatten sich wirklich große Mühe gegeben und es war doch noch ein schöner Abend geworden. Von Ronon hatte Teyla eine kleine Puppe bekommen, die der Sateder auf dem Planeten erstanden hatte, und Samantha Carter hatte ihr voller Stolz ein selbst gebasteltes Mobile überreicht. Sogar Rodney hatte ein kleines Präsent dabei gehabt- eine kleine Rassel.
Langsam näherte sich Elizabeth der Athosianerin, die etwas verloren in dem großen Raum wirkte. Sie war mit Sicherheit völlig erschöpft und so überraschte es Elizabeth, dass sie sie um diese Uhrzeit noch hier antraf.

Teyla hatte sie kommen gehört und drehte sich zu ihr um. Auf ihren Lippen stand ein erschöpft aussehendes Lächeln und unter ihren Augen waren dunkle Ringe. Ungeachtet dessen, bemerkte Elizabeth erleichtert, dass sich der körperliche Zustand ihrer Freundin in den letzten Wochen gebessert hatte- trotz der Umstände. Die Schwangerschaft stand ihr gut und ihre Gesichtszüge ebneten sich langsam. Nichts war mehr von dem knöcherigen Gesicht zu sehen und auch die Figur der Athosianerin hatte sich gewandelt; noch konnte man nur eine kleine Wölbung ihres Bauches sehen, aber Teyla sah besser aus, als noch vor ein paar Wochen, wo sie einen gefährlich dünnen Eindruck gemacht hatte. Jetzt sah sie gesund aus…

Elizabeth zog sich einen Stuhl an den Tisch heran und setzte sich ihrer Freundin gegenüber. „ Wie fühlen Sie sich?“
„ Ich bin müde“, antwortete Teyla. „ Ich glaube, ich bin die Aufmerksamkeit von so vielen Leuten nicht mehr gewohnt.“ Sie lächelte und begann Paketband um ihren linken Zeigefinger zu wickeln.
„ Es ist schön, dass Sie das gemacht haben“, sagte Elizabeth. „ Das hat mich sehr gefreut. Aber nicht nur mich.“
Teyla sah sie an und irgendetwas lag in ihrem Ausdruck, was Elizabeth sagte, dass etwas nicht in Ordnung war. Eben hatte die Athosianerin noch gelächelt, jetzt hatte sie ihre Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst.
„ Es ist schlimm genug, dass mein Kind ohne seinen Vater aufwachsen muss“, seufzte Teyla und streichelte sich gedankenverloren über ihren Bauch, „ da ist es wichtig, gute Freunde zu haben.“
Elizabeth tätschelte den Handrücken ihrer Freundin. „ Ihr Baby wird hier eine Familie haben, was auch immer passieren wird.“ Ein kurzes Schweigen entstand zwischen ihnen beiden und sowohl sie als auch Teyla schienen für einen Augenblick ihren Gedanken nachzuhängen.

„ Ich… ich habe es heute zum ersten Mal gesehen“, verkündete Teyla auf einmal mit leiser Stimme.
„ Oh…“, machte Elizabeth und wusste nicht, wie sie mit dieser Aussage umzugehen hatte, entschied sich dann aber, einen fröhlichen und positiven Ausdruck auf ihr Gesicht zu zaubern, um Teyla nicht zu verunsichern. „ Sie… wirklich?“
Ein scheues Lächeln umspielte die Mundwinkel der Athosianerin und ihre braunen Augen funkelten, als sie nickte. „Ja… Carson hat eine Vorrichtung gefunden… sie schadet dem Kind nicht.“ Sie pausierte kurz und fuhr dann voller Ehrfurcht fort: „ Ich habe heute mein Kind gesehen, Elizabeth. Ich habe sein Herz schlagen hören.“
Die Expeditionsleiterin nahm ihre Hand. „ Das ist schön. Ich freu’ mich für Sie, Teyla. Ist denn alles in Ordnung mit Ihnen und dem Baby?“
„ Ja, es ist alles in Ordnung“, antwortete die Athosianerin und nickte. „ Carson meint, dass alles normal verläuft.“ Teyla begann zu schmunzeln und drückte Elizabeths Hand. „ Es wird ein Mädchen- ich bekomme eine Tochter.“
„ Sind Sie sich sicher?“, fragte Elizabeth überrascht. „ Ich meine, ist Carson sich sicher?“
„ Hundertprozentig kann man sich bei einer solchen Sache nie sein“, kam die nachdenkliche Antwort, aber dann lächelte Teyla wieder. „ Aber er ist sich sehr sicher. Und ich glaube auch, dass ich eine Tochter bekomme. Ich fühle es.“
„ Ein kleines Mädchen also.“ Elizabeth stimmte in Teylas Freude mit ein und hob dann ihre Augenbrauen. „ Und haben Sie schon über einen Namen nachgedacht?“
„ Charin Isabelle“, erwiderte Teyla. Anscheinend hatte sie sich schon sehr wohl Gedanken darüber gemacht.
„ Ich erinnere mich an Charin“, sagte Elizabeth. „ Sie war eine wirklich besondere Frau. Und Isabelle…“
„… nach Johns Mutter“, beendete Teyla den Satz. Wehmütig presste sie ihre Lippen aufeinander und versuchte die Tränen wegzublinzeln. Sie senkte ihren Blick auf ihre Hand, die schützend über der leichten Wölbung ihres Bauches lag. „ Charin Isabelle Sheppard.“
„ Der Name hätte ihm gefallen“, versicherte Elizabeth ihr. Sie versuchte sich Johns Tochter vorzustellen. Ob sie wohl sehr nach ihm kommen würde? Wenn sie auch nur einen Hauch von dem berühmtberüchtigten Charme ihres Vater erben würde, dann würde sie die Männerwelt mit Sicherheit um den Finger wickeln. Es war zu schade, dass John das nicht mehr erleben würde. Dabei amüsierte Elizabeth die Vorstellung, wie der Soldat die ersten Freunde seiner Tochter mit hochgezogener Augenbraue in die Flucht schlug. Charin Isabelle Sheppard würde sich nie mit ihrem Vater streiten und im Hause würden nie die Türen wütend zu geschlagen werden. Es war einfach nur ungerecht, dass dieses kleine Wesen seinen Vater nicht kennenlernen durfte!

Teyla schien an dasselbe zu denken wie Elizabeth. Sie unternahm einen letzten verzweifelten Versuch ihre Tränen zurückzuhalten… scheiterte aber maßlos. Mit einem Schluchzen warf die Athosianerin sich in Elizabeths Arm. Die Expeditionsleiterin gewährte ihr, strich ihr beruhigend über den Rücken und ihr wurde bewusst, dass das Geschehene noch sehr lange in Teylas Gedächtnis bleiben würde.
„ I…ich vermisse ihn“, schluchzte die Athosianerin in den Stoff von Elizabeths Uniform. „ E..er hätte heute dabei sein sollen. Er hätte s…seine Tochter sehen sollen.“
„ Ich weiß“, flüsterte Elizabeth ihr leise ins Ohr und verdrückte ihrerseits ein paar stille Tränen der Trauer um einen herausragenden Soldaten, den die Welt einfach viel zu früh verloren hatte. „ Ich weiß.“

+++++++++++


Arme und Beine waren an einem kalten Metallstuhl festgebunden; das Seil war straff gebunden und hatte die Haut an seinen Handgelenken aufgerissen, doch er spürte dort weder Schmerz, noch ein Brennen. Er hatte schon längst kein Gefühl mehr in seinen Gliedern. Nur mühsam konnte er seinen Kopf aufrecht halten und immer wieder drohte er zusammenzubrechen… doch da waren die Fesseln, die dies verhinderten.
Schweiß rann über seine Stirn und über seine blutverkrusteten Wangenknochen. Seine Pupillen wanderten unruhig hin und her, aber seine Umgebung schien ineinander zu verschwimmen. Das Verarbeiten der Bilder bereitete ihm Qualen… und es handelte sich nur um Schatten- mehr konnte er nicht erkennen! Nur Schatten und vereinzelt mal ein Lichtstrahl!

Wie viel Zeit wohl vergangen war? Er konnte sich darauf keine Antwort geben; er hatte jegliches Zeitgefühl verloren, schließlich war da nichts, woran er sich hätte orientieren können. Kein Licht, keine Sterne, nichts…
Erschöpft lehnte er gegen die kalte Wand. Sie war kalt und feucht. Die Wände waren aus blankem Stein, der an manchen Stellen größere und kleinere Risse hatte. Es gab keine Fenster. Die Tür konnte er nicht sehen- sie lag in der Dunkelheit verborgen und er hatte einfach keine Kraft, um sich aufzurappeln und nach ihr zu suchen.
Vorsichtig fuhr er sich mit der Zungenspitze über seine aufgeplatzte Lippe. Blut tropfte aus seinem Mundwinkel- es widerte ihn schon lange nicht mehr an, gehörte vielmehr zu seinem Alltag. Einem Alltag, der sich wieder durch Schritte ankündigte, die sich seiner Zelle näherten. Mit einem unverwechselbaren Knirschen öffnete sich die Türe und ein heller Lichtschein fiel hinein…

Bitte nicht, dachte er und schlug seine Augenlider auf, um seinem Peiniger ins Gesicht zu blicken. Erst blinzelte er, denn das Licht, das vom Korridor hinein schien, war viel zu hell. Doch dann wurde sein Bild klarer und er erkannte, dass sich eine andere Person, als die die er kannte, vor ihm aufgebaut hatte. Es war eine Frau mit einem schlanken, athletischen Körper. Sie hatte lange honigblonde Haare, die in sanften Wellen bis zur Mitte ihre Rückens flossen, und soweit er das beurteilen konnte, hatte sie grüne Augen. Sie war keine von denen!
Mit eleganten Bewegungen kam sie auf ihn zu; ihr Körper steckte in einem engen, schwarzen Anzug, der ihre wohlgeformten Hüften perfekt und verführerisch zur Geltung brachte. Um ihre Hand trug sie eine Art Bandage… und ihm wurde bewusst, dass sie trotz ihrem Aussehens nicht anders war, als die anderen. Sie war gekommen um ihn zu holen!
Doch statt ihn gewaltsam an den Haaren hochzuziehen, kniete sie sich neben ihn nieder und lächelte. „ Col. Mitchell, Sie sind wach!“
„ W…wer sind Sie?“, presste der Soldat mühsam hervor und ihm wurde schwindelig.
Die Frau lächelte noch immer und strich sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht. „ Normalerweise bin ich nicht so, aber Ihnen zuliebe werde ich eine Ausnahme machen. Mein Name ist Larrin.“
„ S…schöner Name“, meinte Mitchell.
„ Hören Sie auf sich einzuschleimen“, zischelte Larrin. „ Das wird Ihnen eh nichts bringen.“ Sie richtete sich wieder auf und drehte sich in Richtung Tür. „ Bringt den anderen rein!“

Zwei Männer kamen in die Zelle getorkelt und zerrten einen leblosen, in sich zusammengesackten Körper hinter sich her, ließen ihn achtlos auf den harten Steinboden sinken, wo er regungslos liegen blieb.
„ V…verdammt, Sheppard“, fluchte Mitchell und robbte sich mit der ihm verbliebenden Kraft zu seinem Kameraden. Dessen Körper sah noch schlimmer aus, als der seine. Man hatte ihn geschunden und er wollte sich nicht vorstellen, was für Schmerzen John bevorstanden, wenn er erwachen würde. Wenn er erwachen würde…
„ Nehmt ihn mit“, hörte er Larrins Anweisung und ihm wurde schlecht. Die zwei Männer trotteten zum ihm rüber und packten ihn unter den Armen, schleiften ihn hinter sich her, wie sie es auch mit Sheppard getan hatten. Larrin warf noch einen letzten Blick zurück, um sich zu vergewissern, dass Sheppard noch immer regunglos da lag, wo ihre Männer ihn hatten fallen lassen, und folgte dann…

TBC
The Enemy Within by Ailya
Die Nacht, in der es zum ersten Mal passiert war, verdiente es, als die wohl schlimmste Nacht ihres Lebens bezeichnet zu werden. Seit dieser Nacht fürchtete sie sich regelrecht davor, schlafen zu gehen. Noch nie zuvor hatte sie es erlebt, dass ihr die Bilder in ihrem Kopf solche Angst einjagten und ihr geradezu die Luft abschnürten.
Nein, noch nie hatte sie sich so gefürchtet, wie in jener und jeder darauf folgenden Nacht. Es war schlichtweg unerträglich… es gab einfach keine Worte, um es zu beschreiben.

Es waren immer dieselben Bilder, aber trotzdem fürchtete sie sich jedes Mal davor. Immer wieder zuckte sie zusammen, obwohl sie das Szenario schon sooft hatte mitanschauen müssen. Sie fürchtete sich noch immer davor…

Still saß er da, auf dem alten Metallstuhl. Es schien ihn nicht zu interessieren. Die Fesseln um seine Handgelenke schnitten sich in seine Haut. Blut tropfte zu Boden. Er schien es noch nicht einmal zu bemerken.
Mit leerem Blick starrte er geradeaus- doch da war nichts! Da war nur Dunkelheit! Nichts, was es zu beobachten lohnte. Nur Dunkelheit und Finsternis. Alles verschlingende Dunkelheit…
Er atmete schwer, keuchte erschöpft. Seine spröden, aufgeplatzten Lippen lechzten nach etwas zu Trinken. Doch, wie sollte er trinken? Er schaffte es ja noch nicht einmal aufrecht zu sitzen?
Sein Kopf war auf seine Brust gefallen, sein Oberkörper neigte sich immer mehr. An seiner linken Schläfe sickerte dunkelrotes Blut aus einer Wunde.
Er hatte seine geschundenen Finger zu Fäusten geballt, aber es fiel ihm schwer, sie so zu halten. Er war wütend! Er konnte es nur nicht zeigen! Er war zu schwach…

Mitleid ergriff sie und ihre Gefühle überrollten sie wie eine Welle. Sie begann zu laufen, auf ihn zu. Sie wollte bei ihm sein, ihn stützen. Sie wollte ihm einfach nahe sein!
Immer schneller rannte sie, doch die Zeit schien still zu stehen und er entfernte sich immer weiter von ihr. Sie streckte ihre Arme nach ihm aus, rannte und rannte. Ihre Beine fühlten sich schwer an und sie schleifte sie förmlich hinter sich her. Eigentlich hatte sie keine Kraft dazu, wäre am liebsten stehen geblieben oder umgekehrt, doch die Sehnsucht nach ihm zog sie an wie ein Magnet.

Er blickte noch nicht einmal auf, als sie ihn erreichte und neben ihm auf die Knie ging. Sein Blick forschte noch immer in der fernen Dunkelheit- er schien ihre Anwesenheit noch nicht einmal zu bemerken.
„ Ich bin hier“, wisperte sie, als sie sein Gesicht zwischen ihre Hände nahm und den stillen Hilferuf in seinen glanzlosen Augen sah. „ Ich bin hier.“
Sein Blick war leer. Eine lange, blutende Narbe zog sich über seine rechte Wange. Seine Lippe war aufgeplatzt. Sein linkes Auge war fast zu geschwollen, sein rechtes Auge tränte. Das Blut der geplatzten Arterien verfärbte seinen rechten Augapfel in ein dunkles Rot.

„ Ich bin hier.“ Ihre verzweifelte Stimme wurde von einem dunklen Grollen übertönt. Panisch sah sie auf. Da war Dunkelheit, nur Dunkelheit und nichts anderes. Und da war Wasser… Unmengen an Wasser. Wo kam dieses Wasser nur auf einmal her? Von allen Seiten strömte es herbei, riss sie zu Boden. Sie hatte das Gefühl, der Ozean sei über ihr zusammengebrochen und verschlang sie bei lebendigem Leib. Die Wassermassen rissen sie immer weiter in die Tiefe, wirbelten sie umher, wie ein Stück Treibholz, schleuderten sie hin und her, sodass ihr schwindelig wurde und sie den harten, trockenen Aufprall nicht mehr mitbekam.


Jede Nacht war es dasselbe… und trotzdem machte es ihr noch immer Angst. Dunkelheit und unbändige Wassermassen- nicht gerade eine Kombination, der sie sich stellen wollte!

Sonnenstrahlen kitzelten über ihre Haut und ließen sie aus ihrer Ohmacht erwachen. Langsam, langsam…
Sie kam wieder zu sich, schlug ihre Augen auf und blinzelte in den blauen Himmel. Die Sonne schien, keine Wolke war am Himmel zu sehen. Ganz in der Nähe hörte sie das Meer rauschen. Wellen brachen an großen, zerklüfteten Felsen. Möwen kreischten über ihrem Kopf. Die Luft roch nach Salz. Der Sand war kalt und nass. Einzelne Sandkörnchen kribbelten über ihre Haut.

Sie richtete sich auf, sah sich um. Niemand war da. Sie war allein. Der Strand war leer. Auf dem Wasser war meilenweit niemand zu sehen. Sie war allein. Nur die Möwen kreischten und zeterten über ihrem Kopf und kreisten in gewagten Manövern durch die Luft. Sie waren so unbeschwert, konnten tun und lassen was sie wollten. Sie waren frei. Im Gegensatz zu ihr…
„ Siehst du, wie sie in der Luft schweben?“, meinte da plötzlich eine Stimme und sie sah ihn barfuss über den Sand schlendern, den Blick fasziniert gen Himmel gerichtet. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen und seine Augen strahlten, wie sie es noch nie zuvor getan hatten. Er war zufrieden.
„ Als ob sie tanzen würden“, merkte er an und verschränkte die Arme hinter seinem Rücken. Seine wirre Frisur zuckte im Wind und die Ärmel seines Hemdes flatterten.
Sie streckte ihre Hand nach ihm aus, bekam ihn zu fassen. Sein Blick löste sich von den Möwen und er starrte sie an- seine Augen waren dunkel und furchterregend. Erschrocken zuckte ihre Hand zurück und presste sich vor ihren Mund. Sie gab einen ängstlichen Laut von sich, als seine Haut aufriss. Dunkles, fast schwarzes Blut bahnte sich seinen Weg über sein Gesicht, tropfte auf sein weißes Hemd hinab, doch er rührte sich nicht, sondern starrte sie einfach nur an.
„ Hilf mir“, kam es über seine formlosen Lippen; seine Stimme war hohl und ausdruckslos. „ Bitte, hilf mir.“ Er griff grob nach ihrem Handgelenk, zwang sie ihn anzusehen. „ Hilf mir, Teyla.“


Keuchend riss es sie aus dem Schlaf. Mit ihrem eigenen Schrei in den Ohren, der von Leid und Angst zeugte, fuhr Teyla auf und starrte die ihrem Bett gegenüber liegende Wand an. Ihr Herz raste in ihrer Brust, hämmerte gegen ihren Brustkorb. Schmerzen.
Sie japste nach Luft, keuchte und prustete, doch kaum dachte sie an die Bilder zurück, überrollte sie erneut eine Welle der Angst und schüttelte sie. Einen Moment lang war sie orientierungslos, in ihrem Kopf drehte sich alles und ein dumpfes Pochen in ihrem Magen ließ sie würgen. Sie kippte nach vorne hielt sich ihren Bauch. In ihrem Inneren krampfte sich ihre Magen zusammen.
Tränen strömten über ihre Wangen und sie schluchzte, als sie dem übermächtigen Drang nachgab und sich auf ihre zerwühlte Bettdecke erbrach.

Erschrocken schlug Teyla sich die Hand vor den Mund und versuchte ein Schluchzen zu unterdrücken- mit nichtigem Erfolg. Sie fiel zurück gegen das Kopfteil ihres Bettes, spürte ihr Top an ihrem verschwitzten Rücken kleben.
„ John…“, jammerte sie leise und sogleich erschien sein Abbild vor ihren Augen; mit schmerzverzerrter Miene und geschundenem, blutigem Körper. Sie presste sich ihre Hände vor die Augen und hoffte, dass die Bilder verschwanden… doch das taten sie nicht- sie wurden intensiver und intensiver, bis schließlich…

„ NEIN!“, schleuderte Teyla ihre Stimme gegen die Wände ihres Quartiers und wühlte sich aus ihrem Bett. Ihre Beine drohten unter ihr nachzugeben, aber das war ihr egal. Unsicheren Schrittes wankte sie durch den Raum. Vor ihren Augen drehte sich alles; Tränen verwischten ihre Sicht.
Schluchzend stieß sie die Tür zum Badezimmer auf und torkelte hinein, vermied dabei den Blick in den Spiegel. Sie wollte das Leid nicht sehen! Sie wollte sich nicht ins Gesicht sehen müssen! Das erinnerte sie nur an das Leid, das ihr widerfahren war und das sie einfach nicht vergessen konnte.

Hilf mir. Seine Stimme war noch immer in ihrem Kopf. Sie beugte sich über das Waschbecken und wusch sich ihren Mund mit kaltem Wasser aus, wischte sich das Erbrochene aus den Mundwinkeln… und blickte in den Spiegel, sah das Leid, zuckte zusammen, schluchzte.
Rot verquollene Augen blickten sie an und fragten sie, womit sie das alles nur verdient hatte.
„ Ich weiß es doch auch nicht“, wimmerte sie, griff nach dem Handtuch und schleuderte es gegen ihr Spiegelbild. Sie hatte es satt, sich immer sehen zu müssen.

Teyla stellte den Wasserhahn wieder ab und schlurfte zurück in ihr Quartier. Angewidert knüllte sie ihre Bettdecke zusammen, warf sie in die Ecke und setzte sich seufzend auf die Kante ihres Bettes. Sie fühlte sich allein. Sie war allein mit sich, der Dunkelheit und der Stille. Sie seufzte und schluchzte in diese Stille hinein, legte ihre zitternde Hand auf ihren Bauch. Womit hatte dieses Kind so viel Leid verdient, obschon es noch nicht einmal auf der Welt war?
„ Alles okay“, flüsterte Teyla, streichelte über ihren Unterleib, versucht ihre unter ihrem Herzen heranwachsende Tochter zu beruhigen und ihre eigenen Tränen zurückzuhalten. Ob ihr Kind spürte, dass etwas nicht stimmte? Ob ihre Tochter spürte, dass das Herz ihrer Mutter zerbrach?

Der rote Truck von Lt. Scott stand auf dem kleinen Tisch. Valas AirForce-Shirt lag über der Lehne der Couch. Ronon hatte die Puppe in das Führerhaus des Trucks gesteckt oder viel mehr gequetscht. Jennifer hatte die Decke sorgfältig wieder zusammengelegt und das Mobilé von Col. Carter baumelte über dem Ganzen. Ihre Freunde hatten sich so viel Mühe gegeben, diesen Abend für sie besonders zu machen. Und irgendwie war es ihnen auch gelungen… zum ersten Mal seit zwölf Wochen hatte sich Teyla wieder geborgen gefühlt. Es war das erste Mal, dass sie nicht allein in ihrem Quartier gesessen hatte und in ihrer Trauer versunken war. Sie konnte ihren Freunden dankbar sein, dass sie sich so sehr um sie bemühten und versuchten ihr ein Stück Lebensfreude wieder zu geben. Ihr Baby wird hier eine Familie haben, was auch immer passieren wird.
Doch trotz der ganzen Mühe ihrer Freunde, wusste Teyla, dass es nie mehr so wie vorher sein würde. Egal, wie sehr man sich auch anstrengen und es versuchen würde…
Mit John war nicht nur der Mann, den sie liebte und der Vater ihres Kindes gegangen… nein, mit ihm hatte diese Expedition auch ein wichtiges Mitglied verloren. Ein Mitglied, das man nicht ersetzen konnte.

Es machte Teyla traurig, daran denken zu müssen, und so biss sie sich auf die Unterlippe. Mit einer Mischung aus Seufzen und Schluchzen ließ sie sich auf ihr Bett sinken. Sie drehte ihren Kopf zur Seite und ihr Blick fiel auf Johns Armbanduhr, die auf dem kleinen Nachtkästchen lag. Sofort überkam sie ein überwältigendes Gefühl und obwohl sich alles in ihr dagegen sträubte, griff sie nach der Uhr. Er musste sie vergessen haben.
Still betrachtete Teyla die Uhr- sie war vielleicht das Einzige was ihr von ihm noch geblieben war und was seine Tochter später einmal an ihren Vater erinnern würde.

Und sie war stehengeblieben…

++++++++++


Abschätzig starrte Cameron auf den Teller hinab, den man ihm vorgesetzt hatte. „ Ist das auch so ne’ Art Folter?“, fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen und blickte zu Larrin, die ihm ein bitteres Lächeln erwiderte.
„ Sie werden sich daran gewöhnen müssen“, meinte sie kühl. Sie hatte ebenfalls einen Teller vor sich stehen, doch ihre Mahlzeit sah um einiges appetitlicher aus, als das, was man Cameron aufgetischt hatte. Lustlos stocherte der Soldat in seinem Essen herum- wenn man es überhaupt als solches bezeichnen konnte.
Es war mehr oder weniger labbriger Salat, der da auf seinem Teller gestapelt worden war, umringt von einer bräunlichen Soße und grauen Fleischbrocken.
„ Wie charmant“, presste Cameron hervor und würgte einen Fleischbrocken herunter, spülte diese trübe Suppe hinterher, die Larrin als Wasser bezeichnete. Das alles hier- das Essen und das Trinken-, das grenzte schon an Körperverletzung… von den ganzen physischen Wunden mal abgesehen.
„ Und, wie schmeckt es Ihnen?“, erkundigte sich Larrin und auf ihren Lippen lag ein gemeines Lächeln- sie wusste ganz genau, wie sehr ihn das alles anwiderte, und es machte ihr eine Freude, ihm dabei zuzusehen.
„ Ich finde, Sie haben schon genug gefragt“, erwiderte Cameron ihr und schob den Teller mit gespreizten Fingern von sich. Er hatte genug von diesem Zeug! Er war nicht hungrig… zwar zog sich sein Magen immer wieder schmerzhaft zusammen und gab gurgelnde Laute von sich, aber eher wäre er gestorben, als nur noch einen Bissen von diesem Fraß zu nehmen.

Larrin saß ihm gegenüber. Sie konnte ihn perfekt beobachtet- und das tat sie auch! Der Blick ihrer grünen Augen lag auf ihm und nicht mal das winzigste Muskelzucken entging ihr. „ Und Sie denken, dass mich das interessiert?“, kam es süffisant über ihre Lippen.
Cameron schnitt eine Grimasse. Er hatte keine Lust mehr auf diesen Blödsinn. Und die Show, die sie ihm ablieferte, war einfach nur lächerlich. „ Was wollen Sie von uns? Wieso halten Sie uns hier gefangen?“
Seine Frage schien sie nicht zu überraschen, scheinbar hatte sie bereits damit gerechnet. Larrin atmete langsam ein und dann wieder aus und erhob sich dann von dem Tisch. Mit bedachten Schritten begann sie um ihn herum zu stolzieren. Doch sie antwortete nicht.
„ Das Sie unsere Gesellschaft genießen, wird wohl kaum ein Grund sein, oder irre ich mich?“, fragte Cameron sarkastisch. Sein Blick folgte ihr und er zuckte zusammen, als sie sich vorbeugte. Sie packte ihn am Kinn und zog es hoch, sodass er ihr in die Augen sehen musste.
„ Nennen Sie mir einen Grund, warum ich Sie nicht töten sollte“, zischte sie.
„ Sie haben noch immer nicht auf meine Frage geantwortet“, merkte Cameron an, was zur Folge hatte, dass Larrin mit ihrem Knie den Stuhl, auf dem er saß, zu Fall brachte. Der Stuhl gab mit einem Knarcksen nach und er landete im Dreck.
„ Wieso sollte ich Ihnen antworten?“ Larrin sah von oben auf ihn herab, machte nicht einmal Anstalten ihm aufzuhelfen.
„ Normale Menschen antworten, wenn man ihnen eine Frage stellt“, erwiderte Cameron mit zusammengekniffenen Lippen; er lag mit dem Gesicht zur Erde. Schritte näherten sich ihm und er spürte, wie sich schwere Stiefelsohlen gegen seinen Rücken drückten. Larrin kniete sich neben ihn auf den Boden.
„ Sie wissen ja gar nicht, von welchen Nutzen Sie für mich, mein Volk und für unsere Verbündete sind“, raunte sie ihm ins Ohr und rammte ihm ihr Knie in die Rücken. Cameron stöhnte auf und schloss seine Augen.

Nutzen. Was hatte es für diese Frau für einen Nutzen, ihn langsam zu Tode zu foltern und zu quälen? Ganz ehrlich, er verstand die Logik nicht und wenn das alles eine Taktik sein sollte, dann hatte er so eine noch nie gesehen…
„ W…was wollen Sie von mir?“, krächzte der Soldat und rang sich auf, um der blonden Frau ins Gesicht zu sehen.
Larrin lachte auf. „ Soll ich ehrlich sein, Colonel? Dann haben Sie für mich nur minderen Wert.“ Grob rollte sie ihn auf den Rücken. „ Aber Sie wissen etwas, was ich wissen möchte.“
„ Ich werde Ihnen nichts sagen“, sträubte Cameron sich, zog eine selbstsichere Grimasse. Er glaubte nicht, dass Larrin das einschüchtern würde- und er sollte Recht behalten!

Die blonde Frau bedachte ihn arroganten Lächelns und richtete sich dann auf, ließ ihn einfach liegen. Mit langsamen, fließenden Bewegungen entfernte sie sich von ihm, umrundete den hölzernen Tisch und blieb vor der schweren, eisernen Tür stehen, hämmerte mit geballter Faust dagegen. Eine kleine Luke öffnete sich und Cameron konnte ein Paar graue Augen sehen, die Larrin erwartungsvoll anfunkelten.
„ Bringt ihn rein“, befahl sie in einem schroffen Ton, woraufhin der Besitzer der grauen Augen unterwürfig nickte und die Luke wieder schloss.
Cameron hörte, wie sich schwere Schritte entfernten und eine Minute später wieder zurückkehrten. Ein Schlüssel drehte sich im Schloss herum, Metall knirschte. Die Scharniere der Tür quietschten, als man sie mit einem Fußkick aufstieß. Ein schwacher Lichtstrahl fiel in den Raum, dennoch war er hell genug, damit Cameron erkennen konnte, wen Larrins Männer hinter sich her zerrten, wie ein Tier.

Larrin lächelte amüsiert und ging ihren beiden Wachen ein Stück entgegen. In ihren grünen Augen blitzte es, als sie John Sheppard an den Armen der Männer hängen sah. Sie drehte sich zu Cameron und sah ihn wissend an.
„ Wenn Sie es mir nicht sagen, dann wird er es tun“, bemerkte sie und wandte sich wieder um. Still betrachtete sie den Soldaten und strich ihm dann über die Wange; Sheppard zuckte kaum merkbar zusammen und seine Schultern erzitterten.
„ Er wird es Ihnen auch nicht sagen“, wand Cameron schnell ein. „ Was auch immer Sie tun… weder er noch ich.“
„ Sie sollten darüber nachdenken, Colonel.“ Larrin ließ ihre Hände in einen schwarzen, ledernen Handschuh gleiten und zog einen metallenen Gegenstand aus ihrer Tasche; dieser war nicht größer als ein Kugelschreiber, hatte jedoch einen größeren Durchmesser. Wieder ließ sie ihre Finger über Sheppards Wange gleiten. „ Es wäre schade um das schöne Gesicht.“

Cameron starrte seinen Kameraden an, doch John schüttelte mit dem Kopf. Er war ausgemergelt und seine Kraft schien von Sekunde zu Sekunde immer mehr zu schwinden. Sein Atmen war flach und sein Brustkorb hob sich nur noch in unregelmäßigen Abständen. Sein rechtes Auge war blutunterlaufen und geschwollen. Cameron wollte sich nicht vorstellen, was sie seinem Kameraden angetan hatten, als sein Blick an Sheppards Nase hängen blieb, die irgendwie nicht mehr ganz an ihrer eigentlichen Stelle saß. Die Lippe des dunkelhaarigen Soldaten war aufgeplatzt; an der Hand des einen Wächters klebte noch das Blut.

Auf einen unmerklichen Befehl Larrins, trat einer der Männer mit aller Kraft in Sheppards Kniekehlen, worauf dieser stöhnend zusammensackte. Er kniff die Lippen aufeinander, so fest, dass das Blut auf den staubigen Boden tropfte. Die beiden Männer traten einen Schritt zurück und verschränkten ihre Arme hinter dem Rücken. Larrin schob ihren Finger unter Sheppards Kinn und hob es an.
„ Ich bin mir sicher, dass Sie es mir sagen werden“, flötete sie und plinkerte mit ihren dichten Wimpern. „ Warum sollten Sie es mir nicht sagen? Es steht so viel für Sie auf dem Spiel…“ Sie grinste ihn hämisch an. „ Ihre Freunde und Ihre Familie… es muss schwer für einen Mann sein das alles zu verlieren.“
„ N…niemals.“ Es kostete ihn Mühe, dennoch funkelte Sheppard die Frau finster an und verzog den Mund so sehr, dass seine Schultern vor Anstrengung zu beben begannen.

Larrins Lächeln verrutschte um wenige Millimeter und ihr Ausdruck gewann an Argwohn. Sie schnaubte verächtlich, doch es klang wie ein wütendes Fauchen. Sie kniff ihre grünen Augen zu Schlitzen zusammen und ballte ihre linke Hand zu einer Faust.
„ Schafft ihn weg“, knurrte sie und die beiden Männer verließen ihre beobachtende Position und donnerten auf Cameron zu. Der Soldat straffte seine Schultern, als die beiden ihn packten und unsanft hinter sich her zogen. Als sie sich Larrin näherten und an ihr vorbei gingen, sah er, wie sie das metallene Ding zwischen ihren Fingern hin und her gleiten ließ, ehe sie es mit einem einzigen Handgriff aktivierte und ein grellroter Strahl auf Sheppards Stirn traf.

Cameron wollte stehen bleiben, doch die Männer zerrten ihn weiter, aus dem Raum hinaus. Er sah, wie sich Sheppards Gesicht vor Schmerz verzog und wie er seine Fäuste gegen seine Schläfen presste; noch nie hatte Cameron einen Menschen derartig schreien gehört. Es fuhr ihm durch die Knochen und er bekam eine Gänsehaut. Aus Reflex heraus, blieb er stehen, doch einer der Männer zog ihn weiter.
„ Nicht stehen bleiben“, knurrte der Grobian und stieß die schwere Eisentür hinter sich zu. Cameron sah, wie Larrin den roten Energiestrahl weiter auf Sheppard einhämmern ließ, ehe der Soldat mit einem Ächzen nach vorne kippte und sie ihm mit einem sicheren Tritt in die Seite den Rest gab. Das Brechen der Rippen war selbst durch das schwere Metall der sich schließenden Tür zu hören…


+++++++++++++


"Ich möchte das Erkundungsteam auf den Planeten begleiten."
Elizabeth legte ihr Buch beiseite und atmete tief ein. In solchen Momenten fragte sie sich, warum sie diesen Job angenommen hatte. Es stimmte, sie konnte gute Entscheidungen treffen, doch das war nicht immer leicht für sie. Gen. O’Neill hatte einmal gesagt, dass sie für diesen Job geboren sei, doch manchmal zweifelte sie seine These an. Wie zum Beispiel jetzt…
Sie holte noch einmal tief Luft und versuchte sich auf ihre Gedanken zu besinnen, bevor sie sich in diese bevorstehende Diskussion stürzen konnte. „ Teyla, wir hatten dieses Thema schon einmal“, sagte sie sanft, mit einem kleinen Vorwurf in ihrer Stimme. „ Und meine Meinung dazu hat sich nicht geändert.“

Teyla Emmagan saß ihr ruhig gegenüber, hatte die Hände vor ihrem Körper gefaltet und sah sie an, seufzte. „ Ich bin mir der Gefahren bewusst, Elizabeth. Ich weiß auch, wie es das letzte Mal ausgegangen ist, doch Sie müssen verstehen, dass ich einfach nicht die restliche Zeit auf dem Schiff bleiben kann.“
„ Sie sagen selbst, Sie wissen, wie gefährlich es ist.“ Elizabeth erhob sich. „ Hören Sie, ich will einfach nur verhindern, dass etwas passiert. Und vielleicht sollten Sie dann besser hier bleiben und nicht hinaus in diese Galaxie laufen.“
„ Ich habe noch immer Hoffnung, dass wir zurückfinden“, erwiderte Teyla ihr. „ Warum sollte ich nicht dabei helfen? Wir können nicht ewig auf diesem Schiff bleiben. Das wissen genauso gut wie ich, Elizabeth.“
„ Teyla…“
„ Ich bitte Sie, Elizabeth.“ Die braunen Augen der Athosianerin starrten bedingungslos auf sie ein. „ Was soll mein Kind für eine Perspektive haben? Welche Chancen hat es auf ein normales Leben? Es ist schlimm genug, dass es seinen Vater nie kennenlernen wird…“ Teyla schluckte und wieder glitzerten Tränen in ihren Augen. „ I…ich kann mir einfach nicht vorstellen, meine Tochter auf diesem Schiff großzuziehen.“

Elizabeth legte ihr einen Arm um die Schulter. Auch wenn die Athosianerin in den letzten drei Monaten sooft bei ihr gewesen war und sie mit ihr über das Geschehene gesprochen hatte… sie konnte das Leid ihrer Freundin noch immer nicht fassen und es würde noch dauern. Sie fand es erstaunlich, wie Teyla es schaffte, ihre Emotionen den anderen Expeditionsmitgliedern gegenüber zurückzuhalten. Und ebenso überraschte es sie, wie sehr sie unter dem Ganzen litt, wenn sie zu ihr kam.
„ Sie werden Ihre Tochter hier nicht großziehen müssen“, sagte Elizabeth, woraufhin Teyla sich die Tränen aus dem Gesicht wischte.
„ Dann lassen Sie mich gehen“, bat die Athosianerin. „ Meine Tochter…Johns Tochter, sie verdient etwas Besseres, als das hier. Bitte, lassen Sie mich das Team begleiten.“
„ Wieso bringen Sie mich immer nur in solche Lagen?“ Elizabeth lächelte schwach. Auf einmal fühlte sie sich, als hätte man ihr die Probleme einer ganzen Nation auf die Schultern gelegt, und sie drohte unter der Last zusammenzubrechen. Es gab Tage, an denen sie sich ernsthaft fragte, warum sie diesen Job angenommen hatte. Warum war sie nicht Anwältin geworden, so wie es sich ihr Vater gewünscht hatte?

++++++++


Baku fauchte wütend auf und legte die Hand schützend vor sein Gesicht, als sich die Tür öffnete und ein greller Lichtstrahl auf ihn fiel und sich durch seine empfindliche Haut brannte. „ Larrin!“, knurrte er erbost, als er die blonde Frau entdeckte. Sie blieb für einen Moment im Türrahmen stehen und schien es zu genießen, ihn leiden zu sehen.
„ Verzeihung“, flötete sie schließlich und knallte die Tür zu, sodass er zusammenzuckte. Er hatte ein empfindliches Gehör. Warum schaffte es diese Frau nicht, sich das zu merken?
„ Was hast du für mich?“ Wütend funkelte er sie an, als sie sich ihm näherte. Sie trat in den grünlichen Lichtschimmer- die einzige Art von Licht, die er ohne weitere Schmerzen ertragen konnte.
„ Nicht viel“, antwortete sie und biss die Zähne zusammen. „ Sie sind beide stur. Es wird noch dauern, bis ich sie so weit habe.“
Baku knirschte mit den Zähnen. „ Ich hätte sie umbringen sollen, als ich die Gelegenheit dazu gehabt hatte.“ Erzürnt fauchte er. „ Aber nein, du musstest mir ja widersprechen.“
Larrin hob die Augenbraue. „ Wir haben eine Abmachung, Baku, vergiss das nicht.“
„ Ich will Ergebnisse sehen, Larrin“, herrschte er sie an. „ Nur dann ist die Abmachung gültig.“ Er blinzelte sie herausfordernd an. „ Du willst doch nicht, dass deinem Volk etwas zustößt, oder?“

Zufrieden beobachtete er, wie sich Larrins Gesicht verfinsterte und sie auf dem Absatz kehrt machte. „ Du wirst deine Ergebnisse bekommen, Baku. Sei dir da sicher.“
„ Du wirst sie töten, nicht wahr?“, warf er ihr seine Frage hinterher und sie blieb stehen, drehte sich dann ganz langsam um.
„ Wenn es nötig ist, um an die Informationen zu kommen… ja“, antwortete sie.
Baku erhob sich und schlenderte auf sie zu. Er bemerkte ihr Zittern erst, als er direkt vor ihr stand und der Blick seiner roten Augen über ihre Haut kratzte. „ Zügle dich, Larrin. Es geht um Atlantis… wir werden sie noch brauchen.“
„ Atlantis“, wiederholte sie und fügte dann widerspenstig hinzu: „ Dazu brauchen wir nicht beide. Sheppard, er kennt sich aus. Er wohnt dort. Der andere stammt nicht von dort, sondern von der Erde.“

Baku überlegte kurz, ehe er nickte. „ Pass’ auf, dass deine Männer Sheppard nicht zu grob dran nehmen.“
„ Und was ist mit dem anderen?“, fragte sie.
„ Mach’ mit ihm, was immer du willst“, antwortete er und entließ sie mit einem Nicken. Larrin lächelte finster und ging.

TBC
Memento mori by Ailya
Widerlicher Dreckskerl! John biss fest die Zähne zusammen und schloss seine Augen. Er versuchte den Schmerz zu ignorieren, doch nichts erwies sich schwieriger als das. Seine Muskeln waren verkrampft und sein geschundener Körper war übersäet mit blutenden Wunden und blauen Flecken, die sich immer weiter über seine Arme und Beine zogen.
Bei jedem Atemzug, den er machte, zuckte er zusammen. Immer wieder brandete der Schmerz durch seinen Körper, machte ihn fertig, laugte ihn aus, trieb ihn bis zum Äußersten. Er hatte schlichtweg keine Kraft mehr. Er hatte versucht aufzustehen, doch seine Beine hatten einfach unter ihm nachgegeben- er war in sich zusammengefallen, wie ein Kartenhaus. Ihm fehlte die Kraft! Sein Körper war dehydriert und sein Magen zog sich immer wieder aufs Neue zusammen, verlangte nach Nahrung, die er sowieso nicht bekommen würde. John wusste nicht, wann er zum letzten Mal etwas Festes gesehen, geschweige denn gegessen hatte…

Der Soldat atmete schwer aus. Er öffnete seine Augen und blickte seinem Peiniger ins Gesicht; ein grobschlächtiger Mann mit prankenartigen Händen und muskelbepackten Armen. Sein Name war Moros. Kein Wunder, dass man ihn für diese Aufgabe erwählt hatte: Moros sah furchterregend aus! Er hatte ein von Wind und Wetter gegerbtes Gesicht und über seine linke Wange zog sich eine nicht richtig verheilte Narbe. Mit seinen blitzenden grauen Augen starrte er jeden Feind zu Boden. Und seine wirren aschbraunen Haare gaben ihm einen verwegen und wild aussehenden Eindruck.

Moros schritt um ihn herum und ballte dabei seine Hände zu Fäusten. „ Sie sind zäh“, meinte er mit einer unglaublich rauchigen Stimme. „ Ich bin bisher nur sehr wenigen Männern begegnet, die so wie Sie waren.“
John sah ihn an und konnte sich ein sarkastisches Grinsen nicht verkneifen. „ Ach, wirklich?“
Moros lächelte süffisant, was ihn nur noch unsympathischer machte. Sein Lächeln wirkte nicht echt, sondern aufgesetzt. Seine Mundwinkel zogen sich für einen kurzen Augenblick nach oben und sein vernarbtes Gesicht legte sich in tiefe Falten…

John wusste sogleich, dass er einen Fehler gemacht hatte. Er kniff seine aufgeplatzten Lippen zusammen und schloss seine Augen- so sah er Moros’ Faust nicht auf ihn zu schnellen, merkte sie erst, als sie mit voller Wucht auf seinen Kieferknochen traf und dieser knirschend nachgab.
„ S….scheißkerl“, presste John mühsam hervor und japste nach Luft, ehe er sich vor Schmerzen krümmte. Seine gebrochene Rippe bohrte sich in sein Fleisch und ließ ihm schwindelig werden. Vor seinen Augen begann sich alles zu drehen und er nahm Moros’ Bewegungen nur noch schemenhaft wahr.
„ Sie sollten aufhören sich zu sträuben“, bemerkte Moros und beobachtete mit selbstzufriedenem Blick, wie sich der Soldat krümmte. Es gefiel ihm, dass die Schmerzen ihn peinigten und immer wieder aufstöhnen ließen. Er wusste, dass der Colonel zäh war, doch selbst der stärkste Kämpfer konnte gebrochen werden.

Mühsam schaffte es John seinen Kopf zu heben und Moros finster anzufunkeln. Er verabscheute diesen Mann aufs Tiefste! Er war ein Widerling uns es gab nichts, was sich John mehr wünschte, als diesem Mann all das heimzahlen zu können, was man ihm angetan hatte. Er hätte ihn schon längst überwältigt, hätten es ihm seine Kräfte zugelassen.
Stattdessen studierte er Moros nur von oben bis unten, bedachte ihn immer wieder mit wütenden Blicken. Ihm fiel auf, wie schäbig sein Peiniger aussah. Seine Uniform verdiente diesen Ausdruck eigentlich nicht mehr. Sein Gesicht war schmutzig und die Augenhöhlen tief eingefallen und von dunklen Rändern gezeichnet. Um seinen Oberarm hatte er eine Binde gewickelt, die bereits rot verfärbt war und der ein oder andere blaue Fleck zierte sein Gesicht.

Moros bemerkte den musternden Blick des Soldaten, doch anstatt ihm mit einem flotten, süffisanten Spruch zu antworten, donnerte er ihm erneut die Faust ins Gesicht… und diesmal gelang es John nicht, seine Emotionen zurückzuhalten: Mit einem leisen Schrei fiel er nach hinten weg und schlug mit seinem Hinterkopf auf den kalten Steinboden. Für einen Moment wurde alles schwarz. Er versuchte möglichst flach und gleichmäßig zu arbeiten, doch der Schmerz, der sich von seiner Rippengegend durch seinen ganzen Körper fraß, hinderte ihn daran.
Auf einmal schmeckte er Blut und verschluckte sich fast an dem roten Lebenssaft, der über seine Lippen quoll und an seinen Mundwinkeln hinabtriefte.
Widerwillig drehte John seinen Kopf zur Seite und hustete das Blut über die Steinplatten; Moros beobachtete ihn dabei, lächelte wohlwollend. Drecksschwein!

Schritte näherten sich und sie Tür zu dem kleinen, fensterlosen Raum wurde aufgestoßen. Die stickige Luft entwich und John konnte nicht anders, als erleichtert aufzuseufzen und die frische Luft, die von draußen in den Raum strebte, einzuatmen. Er genoss jeden einzelnen Atemzug, auch wenn es schmerzte. Das Licht der Lampen war zwar hell, aber es war mal wieder schön nach Wochen der Finsternis. John blinzelte dem Licht entgegen, genoss es ebenso wie die frische Luft… bis sich ein Schatten vor das Licht stellte.
„ Gehen Sie“, hörte er eine schroffe, weibliche Stimme und merkte, wie Moros enttäuscht das Gesicht verzog. Widerstrebend entfernte sich sein Peiniger.

Sie sah ihm nach, bis er die schwere Eisentür hinter sich geschlossen hatte und drehte sich dann um. „ Es gab Zeiten, da haben Sie mich wenigstens begrüßt, Sheppard.“ Auf ihren Lippen lag ein Lächeln.
„ Larrin“, bemerkte John ihre Anwesenheit spöttisch und schaute zu ihr herüber. Es war gerade einmal vier Stunden her, dass er sie das letzte Mal gesehen hatte, und diesen Besuch hatte er in schlechter Erinnerung behalten.
Sie trug noch immer den schwarzen, engen Lederanzug und ihre blonden Haare fielen ihr offen über ihre Schultern. Mit ihren meergrünen Augen starrte sie auf ihn herab, erfreute sich über seine beschämende Lage… und reichte ihm dann ihre Hand. John zog die Augenbrauen hoch.
Larrin bemerkte sein Zögern und verdrehte ihre Augen. „ Denken Sie wirklich so von mir?“, fragte sie.
„ Ich weiß nicht, was ich von Ihnen denken soll“, antwortete John und griff noch immer misstrauisch nach ihrer ihm entgegen gestreckten Hand. Was hatte er denn schon groß zu verlieren? Larrin zog ihn hoch, während er aufstöhnte, als sich seine zersplitterte Rippe weiter in sein Fleisch bohrte und ihm aufs Neue schwindelig wurde. Er drohte nach hinten zu kippen, doch Larrin bekam ihn an seinem Handgelenk zu packen.
„ Ich will Sie nicht umbringen, Sheppard“, erklärte sie ihm in einem fast normal klingenden Tonfall. „ Ich will nur mit Ihnen reden.“ Sie vergewisserte sich, dass er ohne ihre Hilfe stehen konnte und drehte sich dann um, ging zur Tür zurück und bediente einen, in der Dunkelheit versteckten Schalter.
John zuckte erschrocken zusammen, als es über seinem Kopf zu Brummen und zu Flackern begann und nur Sekunden später zwei Wandleuchten den Raum in ein dämmeriges Licht tauchten.
„ Setzen Sie sich“, sagte Larrin und bedeutete mit einladender Geste auf einen Tisch mitsamt zwei Stühlen, die man in der Finsternis nicht hatte erkennen können.

+++++++++++++++


„ Ach, du meine Güte“, begann Rodney lautstark zu schimpfen, kaum dass er durch den Ereignishorizont getreten war und ihm eine starke Böe ins Gesicht geschlagen hatte. Schützend legte er sich die Hand vor Augen. „ Das darf doch wohl nicht wahr sein!“
„ Na, das nenne ich mal einen anständigen Planeten“, lächelte Vala und stemmte die Hände in die Hüften. Der Wind wehte durch ihre schwarzen Haare, die sie in zwei Zöpfen seitwärts ihres Kopfes gebändigt hatte. Neben ihr tauchten Dr. Jackson und Ronon auf, blickten sich ebenso interessiert um, wie die flippige Außerirdische es tat.
„ Ich wundere mich darüber, dass wir anscheinend immer noch nicht alles gesehen haben“, stellte Daniel Jackson mit einem amüsierten Grinsen fest und ließ seinen Blick über die vor ihm liegende Landschaft schweifen.

Das Gate befand sich auf einer kleinen Anhöhe, errichtet aus festem Stein, welcher den Naturgewalten standhalten konnte. Fünf Treppenstufen führten von dieser Empore hinab; wahrscheinlich waren es einmal mehr gewesen, doch weißer, feinkörniger Sand war an den steinernen Wänden hoch geweht worden, hatte einige der Stufen unter sich begraben.
Rechts des Gates wuchs ein kleines Palmenwäldchen in die Höhe und die großen Blätter spendeten angenehmen Schatten vor den heißen Sonnenstrahlen.
Auf der linken Seite erstreckte sich ein riesiger Ozean, dessen Enden man nicht erkennen konnte. Die ungeheuren Wassermassen schienen bis an den Horizont zu reichen… und noch viel weiter.
Über ihren Köpfen segelten Möwen durch den strahlendblauen Himmel und kreischten laut.
„ Möwe!“, erschrak sich Rodney und suchte hinter Ronon Schutz, als sich eines der Tiere aus dem Schwarm löste und zielsicher auf ihn zusteuerte. Die anderen lächelten nur, als der Vogel wieder abdrehte, eingeschüchtert von Ronons finsterem Blick… aber vielleicht war es auch der quiekende Laut gewesen, den Rodney von sich gegeben hatte.

Während sich die anderen noch über den Kanadier amüsierten, löste sich Teyla aus der kleinen Gruppe und ließ ihren Blick sehnsüchtig über den leeren Strand schweifen. Sie kannte diesen Ort…

Sonnenstrahlen kitzelten über ihre Haut und ließen sie aus ihrer Ohmacht erwachen. Langsam, langsam…
Sie kam wieder zu sich, schlug ihre Augen auf und blinzelte in den blauen Himmel. Die Sonne schien, keine Wolke war am Himmel zu sehen. Ganz in der Nähe hörte sie das Meer rauschen. Wellen brachen an großen, zerklüfteten Felsen. Möwen kreischten über ihrem Kopf. Die Luft roch nach Salz. Der Sand war kalt und nass. Einzelne Sandkörnchen kribbelten über ihre Haut.


Wie in ihrem Traum bewegten sich die Kronen der Palmen im Wind und das Meer rauschte genauso intensiv, die Luft roch nach Salz… und sogar die Möwen kreischten. Teyla hatte auf einmal das Gefühl, als ob ihr jemand den Boden unter den Füßen weggerissen hatte. Sie fühlte sich schwindelig und der Strand begann sich plötzlich vor ihren Augen zu drehen. Ihre Knie wurden weich und sie spürte, wie ihre Beine unter ihr nachgaben und sie nach vorne wegsackte.
„ Teyla!“ Jemand packte in letzter Sekunde nach ihrem Arm und verhinderte ihren Sturz. „ Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“
Die Athosianerin schüttelte mit dem Kopf, um diesen wirren Gedankengang loszuwerden, doch es gelang ihr nicht. Sie kannte diesen Strand und so sehr sie auch versuchte, er wollte ihr einfach nicht aus dem Kopf gehen...
Sie schnappte erschrocken nach Luft und schluckte. Das Gefühl, welches sich da in ihr aufbauschte, war schwer zu beschreiben. Sie fühlte auf einmal, dass Tränen in ihre Augen stiegen- schnell wischte sie sie mit ihrem Handrücken weg.

„ Teyla?“ Ronons besorgt klingende Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Der Satedaner schien zu ahnen, dass mit ihr etwas nicht stimmte und vor allem wusste er, woran das lag. Sie hatte ihm von ihren Träumen erzählt. Er war neben Elizabeth und Carson die dritte Adresse, zu der sie ging, wenn sie Kummer hatte. Sie hatte ihm alles erzählt. Inzwischen musste er ihren Traum mindestens so gut, wie sie selber kennen.
Ronon runzelte die Stirn und sein Blick veränderte sich. „ Sind Sie sicher?“, fragte er so leise, dass nur er und Teyla es hören konnten.
„ Ja.“ Die Athosianerin erwiderte ihm ebenfalls mit gesenkter Stimme und nickte.
„ Ist alles in Ordnung?“ Daniel Jackson trat auf die beiden Freunde zu und musterte Teyla skeptisch. „ Solche Einsätze können eine Menge Stress verursachen. Und jetzt, wo Sie ein Kind erwarten…“
„ Es geht mir gut, Dr. Jackson“, fiel Teyla ihm ins Wort und löste sich aus Ronons Griff. „ Wirklich, mir ist nur kurz schwindelig geworden.“
„ Sind Sie sicher, dass es eine gute Idee ist, in Ihrem Zustand auf Einsätze zu gehen?“ Der Archäologe ließ nicht locker.

Teyla wusste nicht recht, wie sie ihm darauf zu antworten hatte. Sie wusste, dass John es ihr mit Sicherheit nicht gestattet hätte das Team zu begleiten; er hatte ihr gesagt, dass er sich Sorgen um sie und um das Baby machte, und sie hatte ihn respektiert. Doch nun war es etwas anderes…
Sie seufzte verhalten. „ Ja, ich bin mir sicher“, antwortete sie auf die Frage des Archäologen. Zum Teil war das gelogen, denn sie fühlte sich immer unwohl und ungeschützt, wenn sie durch das Gate trat. Und obwohl sie wusste, dass die Leben zweier Männer, die enorm wichtig für diese Expedition waren, auf dem Spiel standen, musste sie doch immer an Johns Worte zurückdenken…

Ich will einfach nicht, dass euch beiden was passiert. Du weißt, wie gefährlich dieser Ort und diese Galaxie sind. Ich könnte es einfach nicht ertragen, wenn… sei einfach vorsichtig, bitte…

Sie hatte ihm versprochen vorsichtig zu sein und nun tingelte sie von einem Planeten zum anderen- dieser Gedanke ließ Teyla unwillkürlich schmunzeln. Diese Widersprüche waren paradox. Aber da war etwas, das ihr sagte, dass sie richtig handelte. Sie handelte nicht nur für sich oder für die Expedition… nein, sie handelte auch, um das Wohlergehen ihres ungeborenen Kindes zu gewährleisten. Was sollte es für ein Leben haben, wenn es seinen Vater nicht kannte? Sie selbst hatte so eine Kindheit erlebt; ihre Mutter war bei ihrer Geburt gestorben und ihr Vater war das Einzige gewesen, was ihr geblieben war. Als sie ihn dann auch verloren hatte, war ihre Welt zusammengebrochen. Und das wollte sie ihrem Kind- ihrer Tochter- nicht antun.

Teyla straffte ihre Schultern und ließ ihren Blick an der Wasserkante des Ozeans entlang schweifen. Der Wind hatte zugenommen und zerfurchte das Wasser. Strahlendweiß tänzelte die Gischt über die Meeresoberfläche und glitzerte in der Sonne. Kleine Wellen brachen tosend an der Ansammlung von grauen Felsen, die einige hundert Meter vom Strand entfernt aus dem Meer ragten, und das Wasser zerspritzte in alle vier Himmelsrichtungen. Einige Möwen, die es sich auf den Felsen gemütlich gemacht hatten, schnatterten empört und stiegen unter lautem Protest in den hellblauen Himmel empor.

Der Anblick des Meeres, der Wellen und der Gischt ließ Teyla wehmütig seufzen- es erinnerte sie an Atlantis. Wie lange war es schon her, dass sie den lantianischen Ozean zum letzten Mal gesehen hatte? Die sagenumwobene Stadt der Antiker, die sich aus dem Meer emporhob… sie fehlte ihr. Dieser Ort strahlte eine besondere Präsenz aus, die sie in den letzten Wochen, Monaten hatte missen müssen. Ihr fehlten die Leute, die dem Bild der Stadt erst richtig Leben einhauchten. Atlantis und seine Bewohner fehlten ihr. Was wohl jetzt gerade dort passierte? Ob man nach ihnen suchte? Oder hatte man die Suche nach ihnen schon längst aufgegeben?

Teyla versuchte sich vorzustellen, wie man in Atlantis auf ihr Verschwinden reagieren würde, doch Valas plötzlich erklingende Stimme riss sie aus ihren Vorstellungen zurück auf den Strand.
„ Sieht so aus, als kriegen wir Besuch“, meinte die Schwarzhaarige. Ihr Tonfall war betont locker, sehr Vala untypisch. Demnach konnte es sich bei dem, was sich ihnen näherte, um keine große Gefahr handeln. Trotzdem hörte Teyla, wie Ronon seine Waffe mit einem geschickten, kaum bemerkbaren Handgriff auf Betäuben stellte.

Eine kleine Gestalt kam ihnen entgegen; als sie näher kam, konnte Teyla erkennen, dass es sich um eine alte Frau handelte. Ihren zierlichen Körper hielt sie unter einem bis zum Boden reichenden braunen Umhang verborgen und ihre langen grauen Haare hatte sie mit einem Tuch bedeckt. Einzig und allein ihr faltiges und vom Alter gezeichnetes Gesicht lugte hervor; ihre blauen Augen musterten sie neugierig.
Auf eine ihr nicht verständliche Art und Weise fühlte sich Teyla zu der alten Frau hingezogen und so machte sie einen Schritt nach vorne. Ronon hielt sie zurück.
„ Was machen Sie denn?“, wollte er von ihr wissen und schüttelte mit dem Kopf.
Teyla sah erst ihn an, dann blickte sie zu der alten Frau und dann wandte sie sich wieder ihrem Teammitglied zu. „ Ronon“, bat sie ihn mit sanfter Stimme. Zweifel lag in seinen hellbraunen Augen und er hatte sie wieder an ihrem Handgelenk gepackt, hielt sie zurück. Sie lächelte ihn freundlich an und bedeutete ihm mit einem Nicken, dass alles in Ordnung war.
„ Zwingen Sie mich nicht, Sie zurückzuholen.“ Ronon reckte sein Kinn und entließ sie dann aus seinem Griff. Dankbar lächelte Teyla ihn an und sah über ihre Schulter: Die Frau kam immer noch näher und es waren nur noch wenige Meter, die sie voneinander trennten.

Langsam begann Teyla auf die Fremde zuzugehen. Der Blick ihrer eisblauen Augen lag auf ihr, doch es war unangenehm. Diese Frau hatte etwas, was Wohlwollen bei Teyla auslöste. Je näher sie sich kamen, desto mehr verspürte Teyla das Verlangen, die Frau kennenzulernen.
„ Hallo“, grüßte sie sie schließlich, als sie einen Meter voneinander entfernt stehenblieben und einander interessiert musterten.
Die Frau schien neugierig zu sein, denn kaum dass sie stehengeblieben war, setzte sie auch schon wieder einen Fuß vor den anderen… bis sie schließlich nur noch wenige Zentimeter von Teyla entfernt war; ihre Kleidung roch nach Rauch, Waldboden und nach nassem Holz.
Die Miene der alten Frau hellte auf und ihre blauen Augen fingen an zu leuchten. Sie streckte ihre Hand aus und fuhr damit vorsichtig über Teylas Wange. „ Wie ist dein Name, mein Kind?“, fragte sie.
„ Mein Name ist Teyla Emmagan“, antwortete Teyla. In ihr tobte ein Kampf. Diese Frau faszinierte sie, aber sie wusste nicht warum. Es war nichts Besonderes an ihr und dennoch schmerzte es, wenn sie auch nur einen Augenblick nicht an sie dachte.
„ Den Vorfahren sei Dank“, rief die Frau aus und schlug die Hände über dem Kopf zusammen, ehe sie Teylas Kopf zwischen ihre Handflächen nahm und sie auf die Stirn küsste. „ Ich habe schon gedacht, ihr würdet nie kommen. Komm bitte, ich muss dir etwas zeigen.“ Sie streckte ihre mit Altersflecken übersäte Hand nach ihr aus…

Teyla zögerte. Obschon sie ein scheinbar starkes, unsichtbares Band mit dieser Frau verband, fühlte sie auf einmal eine Welle des Misstrauens in sich aufschwappen. Unschlüssig, was sie tun sollte, sah sie der Frau in die Augen.
„ Nimm meine Hand“, beharrte die Frau. „ Ich muss dir etwas zeigen. Es ist sehr wichtig.“
Gegen das Gefühl einen schrecklichen Fehler zu machen ankämpfend, griff Teyla nach der Hand, woraufhin die Fremde zu lächeln begann, dann ihre Augen schloss und sie mit einem festen Händedruck aus dieser Welt riss. Teyla schnappte nach Luft und ergab sich widerstandslos ihrem Schicksal. Ihr Herz pumpte, das Adrenalin schoss durch ihren Körper… und Bilder tauchten vor ihren Augen auf. Neue Bilder. Bilder, die sie noch nicht kannte. Fremde Bilder. Beängstigende Bilder…

Eine Lichtung. Es war unverkennbar eine Lichtung. Sie war gesäumt von großen, majestätischen Bäumen, deren Kronen in fast fünfzig Metern Höhe ineinander wuchsen und ein dichtes, undurchdringlich scheinendes Blätterdach bildeten. Inmitten dieser Lichtung war eine grüne Grasfläche.
Ein Mann. Dort war ein Mann. Er sah furchterregend aus! Groß, stämmig, mit Muskeln am ganzen Körper. Ein Bein stand auf einem Baumstumpf. Er trug eine alt aussehende Uniform- schwarzbraunes Leder, zwei Knopfleisten, an manchen Stellen schon eingerissen, verstaubt, sah schäbig aus. Der Mann hatte aschbraunes, schütteres Haar, das von gräulichen Strähnen durchzogen wurde. Sein vergerbtes Gesicht wirkte emotionslos und seine grauen Augen waren auf etwas in der Ferne gerichtet. Trotz seines Aussehens machte er den Eindruck eines erfahrenen Kriegers.

Hilferufe. Protestgeschrei. Empörte Laute. Zwei Männer zerrten einen sich heftig wehrenden Körper hinter sich her. Der Gefangene sträubte sich, wand sich hin und her, versuchte sich aus dem festen Griff seiner Wärter zu befreien… doch es gelang ihm nicht. Gnadenlos schleppten sie ihn hinter sich her und ließen ihn dann fallen, wie ein faules Stück Obst.
Der eine Mann holte aus und trat dem am Boden Liegenden mit der Spitze seines Stiefels in die Seite, woraufhin ein Schrei und das Brechen von Rippen die Stille der Lichtung zerrissen.
Der zweite Mann beobachtete das Ganze nur, zuckte noch nicht einmal mit der Wimper. Als sein Kamerad ihn ansah, nickte er nur und die beiden verschwanden in dem Dickicht des Waldes.

Der Gefangene lag leblos im grünen Gras, war allein mit dem Krieger… doch nicht für lange. Drei weitere Gestalten folgten: Ein Mann mit blasser Haut unter der seine Adern bläulich schimmerten, mit kahlem Kopf, nach Blut lechzenden Lippen und rubinroten Augen, die auf dem Gefangenen ruhten. Er war groß, doch nicht größer als der Krieger, und trug einen langen, schwarzen Mantel, der ihn noch blasser machte als er in Wirklichkeit war.
Eine Frau mit langen blonden Haaren, die eine wahre Schönheit war. Ihr athletischer Körper steckte in einem schwarzen, sehr betonendem Kleid. In ihrer Hand hielt sie eine Waffe… und diese Waffe hielt sie gegen die Schläfe der dritten Person- ein Mann mittleren Alters, schwarze, wirr von Kopf abstehende Haare, panische, haselnussfarbene Augen.

Der Mann mit der leichenblassen Haut sagte etwas zu dem Krieger, woraufhin der sich erhob, zu dem Gefangenen marschierte und diesen an den Haaren packte und hochzog. Der Gefangene… es war ein Mann, ebenfalls mittleren Alters, kurze braune Haare und stahlgraue Augen. Er sah geschunden aus. Seine Wunden im Gesicht, auf den Armen und am Körper prangerten die Folter, die ihm widerfahren war, förmlich an.
Der Krieger grinste ihn an, packte ihn im Nacken und zerrte ihn hinter sich her, zwang ihn, keinen Meter von der Frau entfernt, auf die Knie. Er wartete, bis die Frau zurückgetreten war und die beiden Männer einander in die Augen sahen, zog seine Pistole aus dem Holster, legte sie an die Schläfe des Gefangenen und drückte ab…ohne auch nur mit der Wimper zu zucken oder Reue zu zeigen.

Der Schuss hallte durch die ganze Lichtung; ein Schwarm Vögel flatterte erschrocken auf. Ein Zucken fuhr durch den Körper des Gefangenen und seine Augen verloren auf einen Schlag jeglichen Glanz, machten einem leeren, trostlosen Blick Platz. Der Körper sank in sich zusammen und kippte nach vorne, blieb mit dem Gesicht zu Boden regungslos liegen. Blut sickerte aus der Wunde an seiner Schläfe, bildete eine Lache zu Füßen des Mannes mit den schwarzen Haaren und den nunmehr weit aufgerissenen, haselnussfarbenen Augen.

Der Krieger mit den aschbraunen Haaren trat zurück und der Leichenblasse kämpfte sich an ihm vorbei, stürzte sich mit einem animalischen Aufschrei auf den leblosen Körper des Gefangenen, trieb seine spitzen Zähne in das tote Fleisch. Blut spritzte in alle Richtungen. Das Gras, der Boden… alles wurde in ein dunkles Rot getaucht.
Der Leichenblasse sudelte sich in dem Blut. Es spritzte in sein Gesicht, lief an seinen Mundwinkel hinab, klebte an seinen Fingern, sickerte in seine Kleidung. Ein tiefes Knurren drang aus seiner Brust und er fauchte, ehe er aufsprang und sich auf den Kameraden des gefallenen Mannes stürzte.
Der Dunkelhaarige erschrak, stolperte zurück, doch es war zu spät, um zu fliehen. Er schrie auf, als sich die Zähne des Leichenblassen in sein Fleisch bohrten und ihm das Blut aus den Adern gesaugt wurde…


Mit einem lauten Schrei zwang Teyla die Bilder aus ihrem Kopf zu verschwinden und presste ihre geballten Fäuste gegen ihre Schläfen. Der Druck in ihrem Kopf wurde immer stärker und sie jammerte laut. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie die alte Frau an, schüttelte dann mit dem Kopf, immer und immer wieder. Sie riss sich los und taumelte zurück, ihre Augen lösten sich nicht von der Frau.
„ Teyla!“, donnerte Ronon und kam über den Sandstrand zu ihr geeilt. Wieder fing er sie auf, bevor sie fallen konnte. Auch die anderen- Vala, Daniel und Rodney – kamen angelaufen, allesamt mit erschrockenen Gesichtern.

Ein Kribbeln fuhr durch Teylas Körper und entzündete ihre Blutbahnen, die daraufhin aufflammten. Der Schmerz, verursacht durch ihr sich zusammenziehendes Herz, zuckte durch ihren ganzen Körper und sie begann zu zittern. Ihre Lippen schlugen aufeinander und ihre braunen Augen füllten sich mit Tränen. Teyla musste schlucken, als sie die alte Frau ansah. „ N…nein“, wisperte sie schluchzend.
Die alte Frau lächelte selig und streckte ihre knorrige Hand nach ihrem Bauch aus. „ Du trägst ein anderes Leben in dir.“
Teyla schluchzte noch immer. Der Druck in ihrem Kopf raubte ihr den Verstand. „ W…was…“, jammerte sie, konnte ihren Satz aber nicht zu Ende bringen- ihr fehlte die Kraft dazu.
Die Frau legte ihre andere Hand auf ihren Brustkorb. „ Du wirst ihn finden. Finde ihn mit deinem Herzen. Es wird dich nicht enttäuschen.“
„ W…wie ist d…dein Name?“, japste Teyla.
„ Mein Name ist Jolanda“, antwortete die Frau. „ Möge dir dieser Name immer in Erinnerung bleiben, meine Kind.“

Teyla wurde schwindelig und sie kollabierte in Ronons Armen. Für einen kurzen Moment versank sie in der Dunkelheit, doch sie kämpfte sich zurück, öffnete schwerlich ihre Augen… Jolanda war nicht mehr da. Der Strand war leer. Nur sie und die anderen. Weit und breit niemand außer ihnen.
„ Ich bring’ Sie auf das Schiff zurück.“ Ronon schlang stützend einen Arm um ihre Taille und auch Daniel Jackson kam herangeeilt, um die Athosianerin zu stützen.
„ N…nein, nein“, wehrte sie Teyla kopfschüttelnd und wand sich aus dem Griff der beiden Männer. Für einen Moment stand sie sicher, musste sich dann aber wieder an Daniels Schulter stützen.
„ Keine Diskussion“, meinte der Archäologe daraufhin. „ Wir bringen Sie zurück.“
„ W… wir können nicht“, krächzte Teyla und trotzte gegen Ronon, als dieser sie hochheben und den Rest bis zum Gate tragen wollte. Sie fühlte sich noch immer schwindelig und das, was sie gesehen hatte, versetzte sie in Aufruhr.
„ Teyla…“, bat Vala sie ruhig.
„ W…wir können nicht gehen“, beharrte die Athosianerin und ärgerte sich, dass sie ihre wirren Gedankengänge nicht kontrollieren konnte. Sie hatte so viel gesehen und es viel ihr schwer alles zu verstehen.
„ Warum nicht?“, fragte Rodney und hob die Augenbrauen. „ Sie müssen zurück. Vielleicht…“
„ John und Col. Mitchell sind hier“, brachte Teyla zustande und japste nach Luft, blickte zwischen ihren Freunden hin und her, ehe sie hinzufügte: „ S…sie sind hier auf dem Planeten. Man wird sie u…umbringen.“

++++++++++++


Larrin schmunzelte und musste sich eingestehen, wie sehr sich ihre beiden Gefangenen doch ähnelten. „ Schmeckt es Ihnen etwa nicht?“, fragte sie amüsiert.
John Sheppard stocherte mit seiner Gabel auf dem Teller herum, den sie ihn hatte bringen lassen, und schaute dann zu ihr auf, hob seine rechte Augenbraue. „ Was soll das hier werden? Folter?“
„ Sie und Col. Mitchell sind sich ähnlich“, sinnierte Larrin und erinnerte sich daran, dass auch der andere Soldat sich strikt geweigert hatte zu essen.
Ihr Gegenüber schob den Teller von sich- ähnlich wie es schon sein Kamerad getan hatte- und lehnte sich zurück. „ Dann wissen Sie auch, dass ich Ihnen nichts sagen werde.“

Larrin ließ diese Aussage unkommentiert und stieß sich mit ihren Händen von der Tischplatte ab, erhob sich. „ Sie haben seit Tagen nichts gegessen“, sagte sie, während sie um den Tisch herumging und den Soldaten musterte. „ Sie müssen hungrig sein.“
Sheppard antwortete ihr nicht, aber das hatte sie von ihm auch nicht erwartet. Er saß einfach nur da, verzog seinen Mund zu einer missachtenden Grimasse und wich ihrem Blick aus.
„ Sie müssen mit Ihren Kräften am Ende sein“, redete Larrin weiter auf ihn ein und setzte sich dann neben ihm auf die Tischkante. „ Sie müssen etwas essen. Uns ist beiden daran gelegen, dass Sie sich wohlfühlen.“
Endlich kam Bewegung in Sheppards Gesicht; er hob eine Augenbraue. „ Ach, tatsächlich?“, fragte er und blickte auf seine an den Stuhl gefesselten Hände hinunter.
„ Vorsichtsmaßnahme“, kommentierte Larrin. „ Wer kann mir versichern, dass Sie nicht auf mich losgehen, wenn ich die Fesseln löse?“
Sheppard grinste schelmisch. „ Das kann wohl niemand.“ Es wurde sofort klar, dass er sie damit nur ungeduldig machen wollte- aber das sollte ihm nicht gelingen!

Larrin ging nicht weiter auf diesen Kommentar ein, sondern betrachtete den Soldaten. Im Laufe der letzten vier Jahre hatte sie viel von ihm gehört. Sie und ihr Volk waren Reisende- sie lebten auf Schiffen, reisten durch die quer durch die Galaxie, immer auf der Suche nach Vorräten. Auf ihren Reisen waren ihr natürlich nicht die Geschichten über die glorreiche Stadt Atlantis und deren neue Bewohner entgangen. Und so hatte sie auch von Atlantis’ Vorzeigeteam gehört, Col. Sheppard mit einbegriffen. Er war ein Anführer, erzählte man sich, der schon viele Siege gegen die Wraith erzielen konnte. Er war ein Draufgänger, Frauenheld und ein Kindskopf. Manche meinten sogar, dass er es mit den Vorschriften seiner Vorgesetzten nicht allzu genau nahm. Und er hatte schon viele Schlachten hinter sich…

Trotz seiner abenteuerlichen Geschichten konnte man John Sheppard seinen eigenwilligen Humor ansehen. Wenn er schief grinste, erkannte man, dass er wirklich faustdick hinter den Ohren hatte. Larrin gefiel das! Hinzu kam, dass er trotz seines Kindskopfes ein recht attraktiver Mann war. Seine Gesichtszüge waren markant. Über seinen hohen Wangenknochen blitzten haselnussfarbene Augen hervor. Zwar lagen erste kleine Fältchen um seine Augen, aber sein warmes Lächeln machte dies wieder weg. Die dunklen, fast schwarzen Haare trug er etwas eigenwillig; den Pony hatte er irgendwie aus dem Gesicht zur Seite weg gestrichen und der ganze Rest hatte sich aus der erzwungenen Form zum Teil wieder befreit und stand nun nach oben ab- im Grunde reichte es, seine Frisur als wirr und verwegen zu bezeichnen.
Auch sonst war der Soldat sehr ansehnlich: Er war schlank, sehnig und recht groß. Ein sehr attraktiver Mann… wenn man nicht auf das geschwollene, tränende Auge achtete und auf die Platzwunde an seiner Schläfe und auf seine aufgeplatzten Lippen. Doch selbst das schien ihn nicht zu entstellen!

Er schien ihren musternden Blick zu bemerken, denn er beugte sich plötzlich zurück, sodass er zur Hälfte im Schatten verschwand und sie seinen Blick nicht mehr fassen konnte. Larrin schlug die Beine übereinander und löste eine kleine Feldflasche von ihrem Gürtel, stellte sie ihm hin. Statt zu trinken, musterte Sheppard sie nur, regte sich nicht.
„ Sie können das ruhig trinken“, sagte Larrin. „ Das ist nur Wasser. Oder denken Sie ich bin so primitiv und vergifte Sie?“
„ Nennen Sie mir einen Grund, warum ich Ihnen vertrauen sollte?“, fragte der Soldat.
Larrin versuchte sein Gesicht auszumachen. „ Na, ich habe Sie bis jetzt am Leben gelassen.“
Er lachte höhnisch auf. „ Oh, ja, vielen Dank dafür. Ich fühle mich Ihnen jetzt sehr verbunden.“ Sie konnte hören, wie er die Nase rümpfte. Dann beugte er sich wieder vor, griff nach der Feldflasche und trank nach kurzem Zögern einen Schluck. Er gurgelte das Wasser in seinem Mund herum, ehe er es runterschluckte und sie dann ernst ansah. „ Was wollen Sie von mir?“
„ Liegt das nicht auf der Hand?“, fragte sie zurück.
„ Sie haben sadistische Neigungen und lieben es Männer zu fesseln und sie zu quälen?“ Wieder war da das schelmische, bubenhafte Lächeln auf Sheppards Lippen.
Larrin neigte sich vor, packte nach seinem Kinn und zog es hoch, dass sie ihm in die Augen sehen konnte. „ Sie haben Informationen, die ich haben will.“
„ Die übliche Leier, also?“ Sheppard schnaubte abschätzig und funkelte sie an. „ Ich werde Ihnen nichts sagen. Sie können es noch so lange versuchen.“
„ Gut, wenn Sie meinen.“ Larrin zuckte mit den Schultern. „ Ich muss Sie noch daran erinnern, dass sich, wenn Sie sich weigern sollten zu kooperieren, mein Freund Moros Ihres Freundes annehmen wird.“ Sie zwinkerte ihm zu. „ Und Sie wissen, dass Moros seine eigenen… Methoden hat.“
„ Das wird Ihnen nichts bringen“, knurrte Sheppard erbost. Die Idee, dass Moros bei Mitchell war, gefiel ihm nicht… das konnte man mit bloßem Auge erkennen.

Larrin lächelte. Sie griff an ihren Gürtel und zog ihr Messer aus der Halterung. „ Vielleicht sollten Sie sich das noch einmal überlegen, Sheppard“, sagte sie, beugte sich vor und legte die Klinge an seine Fesseln.
Der Soldat hob seine Augenbrauen. „ Vielleicht sollten Sie sich das noch mal überlegen. Wer sagt Ihnen, dass ich mich nicht auf Sie stürze und Ihnen mit Ihrem eigenen Messer die Kehle durchschneide?“ Ihre Blicke trafen sich und Larrin fühlte sich für einen Augenblick irritiert in ihrem Vorhaben, fing sich dann aber wieder.
„ Ich vertraue Ihnen“, antwortete sie ihm, schnitt seine Fesseln durch und setzte sich auf seinen Schoß. Ihre Blicke hingen noch immer aneinander; nur kurz zuckten die haselnussfarbenen Augen des Soldaten, als sie ihre Arme um seinen Hals legte.
„ Wieso machen Sie das hier alles?“, fragte Sheppard sie mit leicht kratziger Stimme.
„ Informationen, schon vergessen?“, schmunzelte Larrin und deutete ein Augenrollen an. Sheppards Mundwinkel zuckten; er verkniff sich ein Grinsen.
„ Und die beschaffen Sie sich immer so?“
„ Es gibt die Methoden, es gibt die anderen Methoden“, antwortete sie. „ Ich bevorzuge aber immer die anderen Methoden.“
„ Die da wären?“

Larrin legte ihre Lippen auf seine. Der Kuss war zärtlich und er schloss die Augen. Seine Lippen waren warm und weich. Larrin streichelte ihm über seine Wange, während sie sich küssten, und schob ihre Hand unter sein Hemd… doch Sheppard zuckte zusammen, löste sich aus dem Kuss und biss sich schuldbewusst auf die Unterlippe. „ Das sind Ihre Methoden?“, wollte er wissen und lehnte sich weit gegen die Lehne seines Stuhls.
„ Meine Methoden werden von meinen Gefangenen geschätzt“, entgegnete Larrin, fuhr sich mit der Zungenspitze über ihre Lippen und verzog ihren Mund dann zu einem lasziven Grinsen, als sie merkte, dass der Blick des Soldaten an ihren Lippen hing.
„ Ich werde Ihnen nichts sagen“, beharrte er allerdings, doch sein Ego hatte einen haarfeinen Riss bekommen. Und das nutzte Larrin aus… Sie beugte sich wieder vor und fuhr mit ihrer Hand durch seine dunklen Haare. Sein Atem ging schneller und sie spürte, wie sein Herz gegen seinen Brustkorb hämmerte.
„ Erzählen Sie mir von Atlantis“, wisperte sie gegen seine Lippen, küsste seinen Mundwinkel.
„ Ich werde Ihnen nichts sagen.“ Sheppard klang nicht mehr sehr bestimmt und die gleichgültige Miene, die er zu halten versuchte, verrutschte um einige Millimeter.

Larrin strich mit ihrer Handfläche an seiner Wange entlang, lehnte sich dann zurück. „ Das habe ich mir schon gedacht“, sagte sie in einem Tonfall, der zwischen Freundlichkeit und Hinterhältigkeit hin und her pendelte. Sie lächelte… ehe sie ihm den Schaft ihres Messers in die Seite rammte und so seiner sowieso schon lädierten Rippe den Rest gab. Sheppard konnte sich ein Stöhnen verkneifen, presste aber seine Lippen fest aufeinander. Seinen Nasenflügel bebten und seine Schultern begannen vor unterdrücktem Schmerz zu zittern.
„ Erzählen Sie mir von Atlantis“, begann Larrin erneut und bedachte ihn süffisanten Lächelns. „ Ich werde Sie nicht noch einmal fragen.“

TBC
Ghost Town by Ailya
Far from all living
there is a place
where no one can hear you scream


John konnte nicht genau sagen, was ihn geweckt hatte. Waren es die Schmerzen, die unaufhörlich durch seinen Körper rasten und die seine Muskeln dazu brachten sich krampfhaft zusammenzuziehen? Oder war es doch das Leid seines Kameraden, dem sein Schrei fast in der Kehle stecken blieb, als Moros erneut ausholte? John wusste es nicht und sowieso hinterfragte er den Gedanken, warum er überhaupt seine Augen geöffnet hatte…

Cameron Mitchells Rücken war übersäet mit feuerroten Striemen und seine Muskeln zuckten bei jedem noch so kleinen Windhauch. Die Schultern des Soldaten zitterten und John wollte sich nicht einmal vorstellen, welche Qualen der Leiter von SG1 gerade durchmachen musste.
Mitchell war mit dem Gesicht zum feuchten Kerkergemäuer gewandt, sodass John nicht in seinem Blick lesen konnte. Doch allein sein Jammern verriet John, dass der Teamleader von SG1 mit seinen Nerven am Ende war… und wie sehr er unter dieser Peinigung litt. Camerons Körper kam kurz zur Ruhe, nur um danach in ein noch stärkeres, unaufhaltsameres Zittern auszubrechen. Schweiß rann über seinen Rücken, mischte sich mit den teils dunkelroten Blut, das aus den Striemen quoll.
Verdammte Scheiße, war alles was John einfiel, und obwohl er innerlich tobte, kam kein Wort über seine Lippen. Warum- das wusste er selbst nicht so genau. Er stand einfach nur da und beobachtete wutentbrannt, wie man seinen Kameraden bis zu seinem Äußersten quälte… aber er unternahm nichts dagegen. Vielleicht lag es ja an den eisernen Fesseln, die man um seine Handgelenke gelegt hatte und die sich bei jeder Bewegung tiefer in seine Haut schnitten…

John sah, wie Moros mit seinem kräftigen Arm erneut ausholte und die Peitsche aus verschlissenen, schwarzen Leder auf Mitchells Rücken hinab schnellen ließ. Das peitschende Geräusch, als das Leder noch ein Stückchen tiefer durch das Fleisch des Soldaten streifte, hallte dumpf in der kleinen Zelle wieder. Mitchells Reaktion verzögerte sich um wenige Sekunden, bis ein schmerzerfüllter Schrei aus der Kehle des Soldaten gellte und seine Knie unter ihm nachgaben. Er sackte in sich zusammen, wie ein instabiles Kartenhaus, doch Moros packte ihn an der Schulter und zog in wieder hoch. Für einen kurzen Moment ließ der Peiniger sein Folterinstrument sinken, aber nur, um die Fesseln des Soldaten fester zu ziehen. Mitchell keuchte auf, als das rostige Eisen durch seine Haut schnitt.

Moros schien sich an seiner „Arbeit“ zu erfreuen; mit einem triumphalen Grinsen umrundete er Mitchell, packte sein Kinn und riss es hoch. John blieb es verwehrt in Moros’ Gesicht zu sehen, doch ihm war klar, dass sich der Mann an dem Anblick seines Gefangenen ergötzte und dass er bereits den nächsten Schritt plante. Moros war ein Mann, der nicht lange zögerte, das wusste John.
„ Angst?“, hörte er Moros süffisant flüstern und John sah, wie Mitchell zusammenschreckte. Der Soldat erwiderte seinem Peiniger nichts, er hatte einfach keine Kraft dazu. Moros- erfreut über die Reaktion- lächelte und bohrte seinen Zeigefinger in Mitchells Brustkorb. „ Das habe ich mir gedacht.“
John hielt die Luft an, als er bemerkte, dass Moros’ wieder ausholte. Er biss die Zähne zusammen und starrte mit wutentbranntem Blick in Richtung Tür... dorthin wo sie schon seit gefühlten drei Stunden stand und all das beobachtete.

Larrin stand neben der hölzernen Tür und hatte die Hände in die Hüften gestemmt. Der Blick ihrer grünen Augen war eisig und zeugte von keinerlei Emotionen. John wusste nicht, wie lange sie da schon stand, aber er wusste, dass sie in dieser Zeit nicht einmal mit der Wimper gezuckte hatte… und er wusste, dass sie während dieser Zeit ohne Unterlass zu ihm herüber gestarrt hatte- ihr Blick war nicht von ihm gewichen. Es war offensichtlich, dass sie auf eine Reaktion wartete. Sie wartete auf den Augenblick, in dem er nachgeben würde.
Je länger sie zu ihm herüber starrte, desto mehr verabscheute John diese Frau. Ihm wurde übel, als er sich daran zurückerinnerte, wie sie ihn um den Finger gewickelt hatte. Bei dem Gedanken, dass er sie geküsst hatte, wurde ihm ganz elend.

Irgendetwas musste Larrin in seinem Blick entdeckte haben, denn auf einmal setzte sie sich in Bewegung und kam zu ihm geschlendert. Ein süffisantes Lächeln lag auf ihren Lippen. Je näher sie ihm kam, desto schwerer fiel es John an seinem Prinzip, nie eine Frau zu schlagen, festzuhalten. Die Art, wie sie sich ihm näherte und wie sie ihn dabei ansah, machte ihn wütend und er ballte seine Hände zu Fäusten. Der Drang ihr seine Faust ins Gesicht zu donnern wurde immer stärker, doch allein Moros’ Gegenwart hinderte ihn daran. Diesem verdammten Mistkerl traute er alles zu…

„ Und Sie wollen es sich wirklich nicht überlegen?“ Larrin stand nunmehr direkt vor ihm und hauchte ihm ihren Atem ins Gesicht. Ebenso wie Moros schien ihr zu gefallen, ihn so wehrlos zu sehen. Der Gedanke, dass er ihr gegenüber nichts ausrichten konnte, gefiel ihr.
„ Sie kennen meine Antwort“, presste John wütend zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor und funkelte sie finster an. Doch das schien Larrin nicht im Geringsten zu beeindrucken. Stattdessen begann sie um ihn herumzugehen, wie es auch Moros bei Mitchell getan hatte.
„ Ihr heldenhaftes Auftreten wird Ihnen nichts nützen, Sheppard“, zischelte sie und warf ihre blonden Locken zurück. „ Sie schaden nur sich selbst damit…“- Sie lächelte hämisch-„… und ich bin mir nicht sicher, wie lange Col. Mitchell noch standhalten wird.“

Wie auf Kommando holte Moros ein weiteres Mal aus und seine Peitschte streifte über Cameron Mitchells Rücken, der daraufhin einen fast schon animalisch anmutenden Laut von sich gab und nach vorne kippte. Doch dieses Mal zerrte Moros ihn nicht wieder zurück, sondern verharrte in seiner Bewegung.
Nur mühsam schaffte es John den Kloß, der sich in seiner Kehle gebildet hatte, herunterzuschlucken. Er kniff seine Lippen noch fester aufeinander und schloss die Augen, um sich zu konzentrieren, doch das wollte ihm nicht so recht gelingen. Unbändige Wut tobte in ihm und es fiel ihm schwer sich unter Kontrolle zu halten. Er wollte Larrin und Moros gegenüber keine Schwäche zeigen, weil es das war, worauf sie warteten. Nein, er wollte ihnen keine Gelegenheit zum Triumph geben und er wusste, dass Mitchell derselben Ansicht war. Egal, was sie von ihm wollten, sie würden es nicht bekommen.
John holte ein tief Luft und öffnete seine Augen wieder. Larrin hatte sich direkt vor ihm aufgebaut und starrte von oben herab auf ihn hinunter. Allein ihr siegessicherer Gesichtsausdruck ließ ihn noch wütender werden und obwohl er es nicht beabsichtigt hatte, brach ein aufgebrachtes Schnauben aus seiner Kehle.

Larrin hob ihre schmalen Augenbrauen und ihre roten Lippen verformten sich zu einem boshaften Grinsen. Langsam wandte sie sich um, warf Moros einen verstohlenen Blick zu und meinte trocken: „ Gehen Sie jetzt.“
Es war Moros anzusehen, dass ihm dieser Befehl nicht behagte, doch er neigte unterwürfig seinen Kopf. Seine Peitsche rollte er zusammen und befestigte sie an seinem Gürtel. Bevor er ging, drehte er Mitchells leblosen, in sich zusammen gesackten Körper so, dass John ihm ins Gesicht blicken konnte.
„ Sehen Sie sich ihn an.“ Larrin ließ von ihm ab und machte sich daran, Mitchells Kinn anzuheben. Die Lider des Soldaten flatterten; er hatte schlichtweg keine Kraft um sie zu öffnen. Schweiß so dick wie Blutstropfen rann über sein Gesicht und tropfte auf den steinernen Kerkerboden. Blut lief auf seiner Nasen. Sein geschundenes Gesicht war mit Striemen, Kratzern und blauen Flecken übersäet.
John starrte Larrin hasserfüllt an, was sie aber nur mit einem Grinsen und einem gespielt unschuldigen Schulterzucken hinnahm. Sie griff in Mitchells Haare und zog den Kopf des Soldaten hoch. Cameron riss vor Schmerz seine grauen Augen weit auf.
Es war das erste Mal, seit Stunden, dass er John so direkt ins Gesicht sah. Camerons Blick war so eindringlich und von Schmerzen gezeichnet, dass John augenblicklich über wurde. In dem Gesicht seines Kameraden zu lesen, fiel ihm nicht schwer und man musste keine besondere Ausbildung genossen haben, damit man erkannte, dass Cameron am Ende seiner Kräfte war und dieses Leid nicht mehr lange ertragen konnte.

John schnaubte zornig, als Larrin mit ihren schwarz lackierten Fingernägeln über Mitchells Gesicht strich. Scheinbar war die Farbe auf ihren Fingernägeln noch nicht getrocknet, denn sie hinterließ auf seiner Wange einen schmalen schwarzen Strich. Über einer blutenden Wunde, die sich quer über Camerons Wange zog, hielt sie inne. „ Wissen Sie, was das Geheimnis dieser satten, schwarzen Farbe ist, Colonel?“ Sie verwendete den Rang, sodass man nicht genau bestimmten konnte, wen sie gerade angesprochen hatte. Doch John wusste, dass sie ihn gemeint hatte.
„ Es nennt sich Talmiak.“ Larrin gab ihm keine Zeit zu antworten, sprach sofort weiter. „ Es wird aus einer einheimischen Pflanze gewonnen und ist bereits in kleinen Mengen tödlich.“ Sie drehte ihren Finger und fuhr an dem Rand von Camerons Wunde entlang. Der Soldat zuckte zusammen und japste erschrocken nach Luft. Tränen stiegen ihm in die Augen und seine Gesichtsfarbe wandelte sich innerhalb weniger Augenblicke in ein nicht gesund aussehendes Weiß. Seine Lippen begannen aufeinander zu schlagen und selbst in diesem schummerigen Licht konnte John erkennen, dass sich die Pupillen seines Kameraden unnatürlich weiteten- sie wurden so weit, dass man fast gar nichts mehr von Camerons gräulicher Iris erkennen konnte. Mit einem fast schon seligen Lächeln fuhr Larrin immer weiter an Camerons Wunde entlang…

„ Nein.“ Johns Lippen trieben wütend auseinander und es überraschte ihn, dass er trotz Schmerzen und Entkräftung in der Lage war, die Lautstärke seiner Stimme dermaßen in die die Höhe zu treiben. Sämtliche Muskeln in seinem Körper spannten sich schon fast schmerzhaft an, als er Larrin voller Verachtung anfunkelte. „ HÖREN SIE AUF!“
Die blonde Frau hielt in ihrer Bewegung inne. „ Sie sind also bereit mit mir zu reden?“ Langsam tippelte sie mit ihrem lackierten Fingernägel über Camerons Wange.
„ Verdammt, ich hab’ gesagt, Sie sollen aufhören!“, keifte John erbost und ruckte mit seinen Fäusten nach vorne, doch das Klirren der eisernen Kette erinnerte ihn, dass er sich nicht wehren konnte. Wütend über diese ernüchternde Tatsachte ächzte er.
„ Ich werde erst aufhören, wenn Sie mir die Informationen geben, die ich haben will“, gab Larrin ihm in säuerlichen Tonfall zu verstehen. Musternd betrachtete sie Cameron. „ An Ihrer Stelle würde ich nicht allzu lange warten.“
„ Was wollen Sie eigentlich von uns?“ Johns Nasenflügel bebten und er zerrte an seiner Kette, die sich dadurch aber nur noch tiefer in seine Handgelenke schnitt. „ Sie wollen etwas über Atlantis wissen, nicht wahr?“ Diesmal war er es, der ihr keine Zeit zum Antworten gab. „ Dann brauchen Sie mich und nicht ihn!“
„ Da irren Sie sich, Sheppard.“ Larrin ließ von Mitchell ab und kam eleganten Schrittes auf ihn zu marschiert. Sie trat vor ihn, zog ihre Augenbrauen zusammen und senkte ihren Blick. „ Wieso denken Sie, dass ich ihn nicht brauche?“
John erwiderte ihr nichts. Ihm fiel kein Grund ein, warum er es hätte tun sollen. Er verabscheute diese Person, obwohl er eingestehen musste, dass sie eine ziemlich attraktive Frau war, die sehr wohl wusste, wie sie mit ihren Reizen umzugehen hatte. Trotzdem- er verabscheute sie zutiefst!

Larrin ihrerseits quittierte sein Schweigen mit einem Lächeln; sie lächelte immer, auch wenn sie nicht zufrieden war. John war sich sicher, dass sie durch ihr Lächeln ihre wahren Gefühle und Emotionen wie Wut und Zorn verbergen oder unter Kontrolle halten wollte. Ihren wahren Charakter konnte man schwer einschätzen, denn sie schien sich hinter einer Art Maske zu verstecken. Irgendein dunkles Geheimnis lauerte in ihrem Inneren und sie war panisch versucht, es ihm nicht zu offenbaren.

„ Aus der Reaktion lernt man viel über die Persönlichkeit“, meinte Larrin plötzlich und strich sich eine ins Gesicht gefallene Locke hinters Ohr, plinkerte mit den Wimpern. „ Sie sagen, dass ich Col. Mitchell nicht brauche, um an meine Informationen zu kommen.“ Wieder lächelte sie und die Art und Weise wie sie lächelte, ließ John übel werden.
„ Genauso ist es“, erwiderte er. „ Er weiß nichts.“
„ Sie lügen.“ Larrin griff hinter ihn und zog seine Fesseln strammer, packte ihn dann im Nacken, sodass er gezwungen war, ihr ins Gesicht zu sehen. „ Sie sind einfältig, John Sheppard. Es ist nicht schwer sie zu durchschauen. Denken Sie, ich bin wirklich so naiv?“
„ Sie sind nicht hier, um mir meine Unfähigkeit vorzuhalten“, kommentierte John trocken.
„ Ich werde keine Informationen von Ihnen erhalten“, stellte Larrin scharfsinnig fest. „ Weder wenn ich Moros weitermachen lasse, noch wenn ich ihm befehle es nicht zu tun. Sagen Sie mir, sind Sie immer so verbissen und stur?“
„ Soll ich das jetzt als Kompliment ansehen?“, fragte John sarkastisch zurück.
„ In meinem Volk wäre dies ein Grund getötet zu werden“, merkte Larrin beiläufig an. „ Niemand wagt es, so mit einem befehlshabenden Offizier zu sprechen.“
John konnte sich ein freches Grinsen nicht verkneifen. „ Na, wie gut, dass ich nicht unter Ihrem Kommando stehe.“
„ Ich verbitte mir diesen Ton“, knirschte Larrin. Ihre Hand schnellte nach vorne, bekam ihn am Kinn zu fassen und zog es mit einem Ruck nach vorne. John wurde schwindelig, als er fühlte, wie Larrin die beiden lockeren Kieferknochen aneinander zu reiben begann. Das Lächeln war nun endgültig aus ihrem Gesicht verschwunden. „ Wenn Sie mir die Informationen nicht geben, dann wird es jemand anderes tun. Aber keine Sorge, ich habe Zeit. Ich habe sehr viel Zeit. Nur ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihnen so viel Zeit geben will, Sheppard. Überlegen Sie es sich besser. Ich kenne einige Leute, die langsam ungeduldig werden und nur darauf warten, dass ich Sie und Ihren Freund ausliefere.“
„ Sollte ich mich jetzt bei Ihnen dafür bedanken?“, schnappte John zornig.

Larrin setzte an, um ihn zu antworten, doch bevor sie ihn verbal und körperlich nieder machen konnte, wurde die Tür aufgestoßen. Ein gleißender Lichtstrahl fiel in die dunkle Zelle und John kniff geblendet die Augen zusammen; es war schon etwas her, seit er zum letzten Mal Licht gesehen hatte.
Im hölzernen Türrahmen erschien eine dunkle Gestalt und verharrte dann in ihrer fließenden Bewegung. Larrin schien sie auf Anhieb zu erkennen, denn sie ließ John los und machte einen Schritt beiseite. Die Gestalt trat mit einem großen Schritt in die Zelle hinein und sah sich um.
„ Baku“, hörte John Larrin sagen und schreckte augenblicklich zusammen. Zwar hatte er erst einmal das ‚Vergnügen’ gehabt diesen Mann oder was auch immer er war kennenzulernen, doch das hatte ihm schon gereicht. Er fürchtete sich vor Baku und verabscheute ihn sogar noch mehr als die Wraith.
„ Ich bedaure es wirklich, dass Sie sich forthin weigern, zu kooperieren, Colonel“, wandte sich Baku an John und verformte seine schmalen Lippen zu einem gespielt traurigen Lächeln. „ Und dabei dachte ich, dass wir uns irgendwann einmal einig werden.“
„ Da haben Sie falsch gedacht“, knurrte John und blickte Baku hasserfüllt an. Er deutete ein schwaches Kopfnicken an. „ Was soll das hier alles? Halten Sie uns hier nur fest, um Informationen zu erhalten? Warum tun Sie das?“
Baku pirschte um ihn herum. „ Es musste sein, Colonel. Ihr Freund… ich glaube sein Name war Tim Robbins…er war nicht gerade sehr kooperativ.“
„ Sie haben ihn umgebracht.“ John schüttelte so gut wie es ihm möglich war mit dem Kopf und versuchte sich zu erinnern. Es erschien ihm wie eine Ewigkeit, dass sie den Major gefunden hatten… oder vielmehr das, was von ihm übrig geblieben war.
„ Ich habe ihn nicht umgebracht“, konterte Baku. „ Ich bringe keine Menschen um.“
„ Sie haben einen meiner Männer umgebracht“, fauchte John. „ Der Junge hatte eine Familie!“ Irgendetwas sagte ihm, dass diese Tatsache Baku nicht im Geringsten interessierte.
„ Ich hatte auch einmal eine Familie, Colonel“, gab Baku zurück. Seine Laune schien sich zu wandeln; auf einmal wirkte er ernster und ärgerlicher, doch zugleich mischte sich etwas in seine Stimme, was John mit Trauer und Bedauern verband. Er versuchte Baku’s Blick zu halten, doch dieser wich ihm immer wieder aus. „ Wir alle hatten einmal eine Familie. Ich hatte eine Frau und ein Kind- eine Tochter. Ich verfluche noch immer den Tag, an dem ich sie beide verloren habe.“ Baku fauchte und rümpfte seine Nase. Sein eisiger Blick glitt über Larrin zurück zu John. „ Aber damit hat all das nichts zu tun. Es sind andere Zeiten angebrochen. Zeiten, in denen mein Volk Hunger leidet.“

„ Ist das der Grund, warum Sie nach Atlantis wollen?“, fragte John, obschon er die Antwort nicht wirklich wissen wollte. In den letzten Tagen und Wochen hatte er oft mit ansehen müssen, wie sich Baku’s Männer ‚ernährten’ und jedes Mal wurde ihm aufs Neue übel und der Vergleich zu den Wraith sprang ihm förmlich ins Auge. Die Tatsache, dass Baku seine Leute nach Atlantis führen wollte, von wo aus er mit genügend Kenntnis zur Erde gelangen konnte, war beängstigend.
„ Atlantis, die Stadt der Vorfahren“, sinnierte Baku und ließ seinen Blick gen Ferne schweifen. „ Sie müssen zugeben, dass sie Sie noch immer fasziniert.“
„ Egal, was Sie von mir erwarten... Sie werden es nicht bekommen“, beharrte John eisern. Mit festem Blick starrte er zu Baku herüber, der sich aus seiner träumerischen Starre löste und geradezu wutentbrannt zu ihm herumwirbelte. Seine roten Augen zuckten in den Augenhöhlen umher und seine blassen Lippen stoben auseinander. Ein tiefes Grollen drang aus Baku’s Brustkorb und er bleckte seine spitzen Zähne. Seine Knie beugten sich, seine Arme winkelten sich an seinen Körper und mit einem angsteinflößenden Knurren stieß er sich von dem Kerkerboden ab.
John blieb nicht die Zeit, um darüber nachzudenken, ob er stehen bleiben oder zurückweichen sollte. Es ging alles viel zu schnell, als dass er es hätte realisieren können. Plötzlich war Baku direkt vor ihm und packte mit seiner prankenartigen Hand um den Hals den Soldaten… und drückte zu. „ Man hat Ihnen hoffentlich gesagt, dass ich es hasse, auf etwas warten zu müssen.“
Der Soldat erwiderte ihm nichts- er konnte ihm nichts erwidern. John wollte nach Luft japsen, doch Baku’s Hand hinderte ihn daran. Immer fester drückte er zu und John merkte, wie sein Herz von Sekunde zu Sekunde schneller schlug. Ihm wurde schwindelig. Er riss seine Augen weit auf und versuchte sich aus Baku’s Griff zu winden, doch das war ein Ding der Unmöglichkeit.
„ Meine Geduld neigt sich dem Ende zu, Colonel“, warnte Baku. „ Ich warte nicht gerne.“ Er verstärkte den Druck seiner Hand noch einmal, ehe er losließ. John fiel haltlos in sich zusammen, sackte auf die Knie und keuchte auf.

Baku beachtete ihn nicht weiter, sondern wandte sich an Larrin, die allem still gelauscht hatte. „ Ich habe genug von den beiden“, herrschte er sie an. „ Ich brauche zwei deiner Männer.“
Larrin sah ihn misstrauisch an. „ Was hast du vor mit ihnen zu tun?“ Sie forschte in Baku’s Blick… und als sie etwas darin erkannte, schnappte sie nach Luft. „ Das kannst du nicht machen!“, rief sie empört. „ Wir haben noch nicht…“
„ Ich werde meine Informationen schon bekommen“, knurrte Baku sie an.
„ Aber, das hier ist unsere beste Chance“, setzte Larrin sich zur Wehr und schüttelte mit dem Kopf. „ Gib mir nur noch etwas mehr Zeit, Baku!“
„ Ich habe dir drei Monate gegeben“, erwiderte er ihr trocken. „ Und du hast deine Chance verspielt.“ Wütend stieß er die Tür auf, blieb aber im Türrahmen stehen und drehte sich zu ihr um. „ Zwei deiner Männer. Ich will sie auf der Lichtung haben. Eine Stunde. Nicht mehr.“ Er zog seine Augenbrauen zusammen. „ Enttäusch mich nicht noch einmal. Auch dir gegenüber währt meine Geduld nicht ewig.“
Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, knallte er die schwere Holztür hinter sich zu und die Zelle hüllte sich wieder in Dunkelheit…

++++++++++++


„ Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass ich diese Idee für absoluten Schwachsinn halte?“, fragte Rodney McKay in die Stille hinein. Mit herabhängenden Mundwinkeln stapfte er Ronon hinterher und blickte sich dabei mürrisch um.
Daniel Jackson schloss von hinten zu ihm auf. „ Ich frage mich ernsthaft, ob es Ihnen irgendwann einmal gelingt, mehr Interesse an den Tag zu legen.“
„ Darauf warte ich schon seit zwei Jahren“, meinte Ronon über seine Schultern hinweg. „ Hoffnungsloser Fall, sag’ ich Ihnen.“
„ Hey“, empörte sich Rodney. „ Bin ich denn hier der Einzige, dem das alles merkwürdig vorkommt? Eine alte Frau, eine Vision von einer einsamen Lichtung und nun…“- Mit einem abschätzigen Laut deutete er um sich-„… auch noch das! Hab ich Ihnen schon mal erzählt, wie ich mich als Sechsjähriger in einem Wald wie diesem verlaufen habe?“
„ Wir wollen keine Ihrer Geschichten hören, McKay“, warnte Ronon ihn und stapfte weiter.
„ Sie übertreiben“, fügte Daniel Jackson hinzu und zog kopfschüttelnd an ihm vorbei.
„ Eines will ich hier aber mal klarstellen…“- Rodney streckte seinen Zeigefinger in die Höhe-„… wenn etwas passiert, dann kommen Sie beide mir bloß nicht heulend angekrochen. Ich sag’s Ihnen, hier stimmt irgendetwas nicht. So was rieche ich auf zehn Kilometer Entfernung!“

Ronon und Daniel Jackson erwiderten ihm nichts, sondern bahnten sich weiter ihren Weg durch das immer dichter werdende Unterholz. Murrend folgte der Wissenschaftler den beiden und es dauerte nicht lange, bis seine Stimme nur noch ein entferntes, durch den Nebel gedämpftes Jaulen war. Teyla atmete erleichtert auf…
„ Ist der immer so drauf?“, fragte Vala Mal Doran, die friedlich neben ihr her stapfte.
„ Das ist noch harmlos“, erwiderte Teyla lächelnd, woraufhin Vala nur mit dem Kopf schüttelte.
„ Also, ich könnte das nicht aushalten“, meinte die Schwarzhaarige ernst und verdrehte die Augen. „ Das würde mich verrückt machen! Ich glaube, ich hätte ihn schon längst erschossen. Es wundert mich, dass der Muskelprotz sich bis jetzt zurückgehalten hat.“
Teyla schmunzelte. „ Ronon scheint auf irgendeine Art immun dagegen zu sein… ebenso wie Carson und Elizabeth.“ Es gab wirklich nur sehr wenige Leute, die mit der doch sehr eigenwilligen Art des Kanadiers zurecht kamen. Rodney hatte einen schwierigen Charakter, an den auch sie sich zuerst hatte gewöhnen müssen. Es gab aber selbst heute noch Tage, an denen sie sich fragte, warum sie sich so manche Gemeinheit gefallen ließ…

Valas Seufzen riss sie aus ihren Gedanken. Die Schwarzhaarige lief neben ihr her und hatte den Blick auf ihre Stiefel und auf den modrigen Boden gerichtet. Als sie den forschenden Blick bemerkte, hob sie ihren Kopf.
„ Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“, fragte Teyla sie vorsichtig, worauf Vala nickte.
„ Alles okay“, antwortete sie und lächelte. Vala hatte ein ansteckendes Lächeln, das einfach perfekt zu ihrer durchweg freundlichen Persönlichkeit passte. „ Ich hab’ nur nachgedacht.“
Teyla neige ihren Kopf. „ Und worüber haben Sie nachgedacht?“
„ Ich…ich hab’ mich gefragt, wie es weitergehen soll“, antwortete Vala und seufzte. „ Ich meine, wenn wir die beiden nicht finden und…“ Sie unterbrach sich selber mit einem Kopfschütteln. „ Was soll passieren, wenn wir nie wieder zurückfinden? Wenn wir für immer auf diesem Schiff gefangen sind? Ich kann mir solch ein Leben nicht vorstellen.“
„ Aber Sie haben so etwas doch schon einmal erlebt“, erinnerte sie Teyla sanft.
Vala schnitt eine Grimasse. „ Daran kann ich mich aber nicht erinnern und deshalb denke ich auch nicht daran. Doch das hier… es ist so real!“
„ Ich frage mich auch oft, wie es weitergehen soll“, gestand Teylas leise und atmete tief ein und aus. „ Ich mache mir fast jeden Abend Gedanken darüber.“

Sie verlangsamten ihre Schritte und schlenderten nebeneinander durch den Wald. Der Nebel wurde immer dichter, doch sie konnten noch immer hören, wie Rodney sich aufregte. Das war nunmehr ein Zeichen, dass sie einander noch nicht verloren hatten…
„ Denken Sie oft an ihn?“, fragte Vala plötzlich und fügte, als Teyla sie ansah, hinzu: „ Ich meine, an den Colonel. Denken Sie oft an ihn?“
Teyla blickte auf ihre Füße hinab, die über den modrigen Waldboden schleiften. Sie hätte wissen müssen, dass diese Frage eines Tages kommen würde. Elizabeth hatte sie bereits einmal angedeutet gehabt, hatte dann aber ein anderes Thema eingeschlagen. Und das war ihr auch nur zu recht gewesen…
Vala schien ihr Zögern zu bemerken und wandte ihren Blick peinlich berührt ab. „ Tschuldigung“, murmelte sie leise. „ Daran hätte ich denken müssen. Es tut mir leid.“
„ Nein, es ist schon in Ordnung“, entgegnete Teyla ihr und ignorierte den dicken Kloß in ihrer Kehle. Vala hatte doch recht! Irgendwann hätte sie sich mit dieser Frage konfrontieren müssen und sie hätte nicht ausweichen können…
Teyla seufzte tief, ließ ihren Blick durch den nebeldurchzogenen Wald schweifen. „ Ich denke oft an ihn“, begann sie, fuhr erst fort, als sie sich vergewissert hatte, dass Vala ihr zuhörte. „ Am Tag. Am Abend. In der Nacht. Einfach immer. Ich träume sogar von ihm. Es gibt schlechte Tage und es gibt bessere Tage.“
„ Sie vermissen ihn, nicht wahr?“ Es war vielmehr eine Aussage, als eine Frage, die da über Valas Lippen gekommen war.
Teyla nickte traurig. „ Er ist der Vater meines Kindes, natürlich vermisse ich ihn.“ Sie löste ihren Blick von Vala und sah in die Ferne, blinzelte ihre Tränen hinfort. „ Es tut einfach unglaublich weh, wenn ich daran denke, dass mein Kind seinen Vater nicht kennenlernen wird. Ich versuche mir oft vorzustellen, wie es weitergehen soll und wie ich das alles ohne seine Hilfe schaffen soll.“
„ Wir alle werden Ihnen helfen“, versicherte Vala ihr. „ Und ich bin mir sicher, dass wir den Colonel finden werden. Ich hab’ so ein Gefühl und mein Gefühl hat mich bisher nur selten enttäuscht…“

Es verlangte nur wenige Sekunden, in denen sie einander ansahen und dann loslachten. Warum sie lachten, konnte Teyla nicht sagen, aber sie fühlte sich besser. Vala war eine freundliche Person und neben Elizabeth war sie ihre beste Freundin an Bord der Artemis. Freundschaftlich griff die Athosianerin nach der Hand ihrer Begleiterin, woraufhin Vala sie anlächelte und ihre Hand fest drückte.

Sie beide verfielen in ein Schweigen und folgten den drei Männern weiter durch den Wald. Nach ein paar hundert Metern stießen sie auf Ronon, Daniel und Rodney, die allesamt auf einer kleinen Lichtung stehen geblieben waren, die am Hang einer kleinen Anhöhe lag.
Daniel Jackson drehte sich um, als Teyla mitsamt Vala auf die Lichtung getreten kam. „ Erinnern Sie sich?“, erkundigte er sich vorsichtig, da er nur zu gut wusste, wie ungern sie sich an ihre Vision erinnerte und wie viel Kummer es ihr bereitete.
Teyla seufzte und blickte sich wehmütig um, schüttelte nach wenigen Sekunden mit dem Kopf. „ Nein, das ist nicht die Lichtung“, antwortete sie, woraufhin Rodney seine Arme gen grauem Himmel streckte und sie dann wieder hinab plumpsen ließ.
„ Großer Gott“, jammerte der Kanadier und fragte in die Runde: „ Wissen Sie eigentlich, wie viele Lichtungen es auf diesem Planeten gibt?“
„ Rodney…“, seufzte Teyla.
„ Nichts gegen Ihre ‚hellseherischen Fähigkeiten’, Teyla“, fiel ihr Teammitglied ihr ins Wort, „ aber das ist Wahnsinn. Wir können uns noch nicht einmal sicher, ob das hier überhaupt der richtige Ort ist!“
„ Ich bewundere Ihre feinfühlige Art, Rodney“, merkte Daniel Jackson sarkastisch an und schüttelte mit dem Kopf. „ Können Sie es nicht einmal positiv sehen? Nur ein einziges Mal? Ist das so schwer?“
„ Hoho, ich bin extrem feinfühlig“, verteidigte sich Rodney. „ Nur im Moment wollen sich die Puzzleteile in meinem Kopf einfach nicht zusammenfügen. Ich kann mich nur wiederholen: Irgendetwas stimmt hier nicht!“
„ Halten Sie die Klappe“, brummelte Ronon, der noch immer am Abhang stand. Empört starrte Rodney ihn daraufhin an.
„ Ich lass’ mir von Ihnen doch nicht den Mund verbieten“, moserte er, woraufhin sich Ronon umdrehte und ihn böse anfunkelte.
„ Nein, Sie sollen die Klappe halten, McKay!“, zischelte er, legte den einen Fingern warnend vor seine Lippen und deutete mit dem anderen den Abhang hinunter.

Von der Kante des Abhangs ging es etwa zwanzig Meter in die Tiefe. Ein kleines Dorf erhob sich aus dem dichten Unterholz, mit einem Marktplatz und vielen kleinen Hüten, die ihre besten Tage anscheinend schon hinter sich gebracht hatten. Die Stadt schien verlassen. Die Straßen und winzigen Gassen waren leer. Die Hütten machten einen schäbigen Eindruck, manche Türen waren eingetreten, Fensterglas war über dem moosigen Waldboden verstreut, Fensterläden hingen nur noch an rostigen Scharnieren.
„ Hier war schon lange niemand mehr“, fasste Vala die Situation zusammen und ließ ihren Blick über das verlassene Dorf schweifen.
„ Das ist wohl offensichtlich“, stimmte ihr Rodney eifrig nickend zu und rümpfte abwertend die Nase. Neben ihm zuckte Ronon zusammen und deutete hinunter auf den Marktplatz.
„ So verlassen scheint dieser Ort aber nicht zu sein“, meinte er und fokussierte mit seinen braunen Augen eine Gestalt, die sich aus dem Nebel löste.
Teyla japste nach Luft und schreckte zusammen, als sie die Gestalt erkannte. Sie stolperte gegen Valas Schulter und augenblicklich begann sie sich leicht schwindelig zu fühlen und ihr Lächeln verrutschte um wenige Millimeter. Ihr Magen rumorte und ein nervöses Kribbeln schoss durch ihren Körper. Schnell blinzelte sie, um dem Schwindel nicht zum Opfer zu fallen, und fasste sich mit einer Hand an die Stirn…

Ein Mann. Er sah furchterregend aus! Groß, stämmig, mit Muskeln am ganzen Körper. Ein Bein stand auf einem Baumstumpf. Er trug eine alt aussehende Uniform- schwarzbraunes Leder, zwei Knopfleisten, an manchen Stellen schon eingerissen, verstaubt, sah schäbig aus. Der Mann hatte aschbraunes, schütteres Haar, das von gräulichen Strähnen durchzogen wurde. Sein vergerbtes Gesicht wirkte emotionslos und seine grauen Augen waren auf etwas in der Ferne gerichtet. Trotz seines Aussehens machte er den Eindruck eines erfahrenen Kriegers…

Die anderen schienen ihn auch zu erkennen; Ronons Miene verfinsterte sich, Vala schnappte erschrocken nach Luft, Daniel Jackson rümpfte angewidert die Nase und Rodney…war einfach Rodney und sagte ausnahmsweise einmal gar nichts, sondern starrte nur auf den Marktplatz hinunter.
„ Teyla…“ Vala hielt sie an ihrem Arm. Sie hielt sie an ihrem Arm, als sie beobachteten, wie der Mann sich umdrehte und zwei düsteren Gestalten entgegenblickte, die einen leblosen Körper hinter sich her zerrten.
„ John“, wisperte Teyla und ihr ganzer Körper spannte sich schmerzhaft an, ehe ihre Muskeln alle auf einmal nachgaben und sie zusammensackte.

TBC
Dunkles Erwachen by Ailya
So here we are again
Knowing this will never end
So I must let go
This is my last goodbye


Der Boden, über den sie ihn zerrten, war feucht und matschig. Immer wieder sank er knöcheltief in den sumpfigen Grund. Es bereitete ihm Anstrengung zu laufen und mit den anderen Schritt zu halten, obschon er das eigentlich nicht tun musste. Zwei starke Händen hatten ihn am Kragen seiner Uniform gepackt uns zerrten ihn hinter sich her. Sie schwiegen… genaugenommen hatten sie noch gar nicht gesprochen!

John fror erbärmlich, sein ganzer Körper erschauderte. Es war kalt und es regnete ihn Strömen. Unbarmherzig trommelte der Regen auf ihn ein, ließ ihn nur noch mehr zittern. Seine Haare hingen formlos und strähnig herunter, seine von Nässe durchtränkte Kleidung klebte wie eine zweite Haut an seinem Körper.
Seine Handgelenke waren mit einem rauen seil aneinander gefesselt, doch das hinderte sie nicht daran zu zittern. Seine Knie schlodderten unter der Anstrengung und er war sich sicher, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis sie ihren Dienst quittierten und er nach vorne, in den Schlamm kippen würde.

Ganz in der Nähe kreischte ein Vogel auf und scheuchte erschrocken auf. Er hörte, wie einer seiner Begleiter schnaubte. Er hörte, wie sich die kahlen Zweige im Wind hin und her bewegten. Er hörte, wie die dicken Regentropfen auf die moosbewachsenen Baumstämme trommelten. Er hörte, wie ein alter, modriger Zweig krachend zu Boden stürzte. Er hörte seinen Begleiter abermals schnauben; anscheinend hatte er sich seinen Tag auch etwas anders vorgestellt, wollte wohl lieber drinnen im Warmen sitzen, anstatt hier draußen durch den strömenden Regen zu irren.

Wo sie sich wohl befanden? John spielte mit dem Gedanken, einfach stehen zu bleiben, doch wahrscheinlich würde ihm das nichts bringen… und wenn doch, dann nur die geballte Wut seiner Begleiter.
John riss die Augen auf, sich der Tatsache bewusst, dass sich an seinem Zustand in der letzten Stunde nichts geändert hatte. Er wusste nicht, was man mit ihm getan hatte. Er wusste nur, dass man etwas getan hatte.
Vor seinen Augen war nichts als ein großer, dunkler Raum, der sich allmählich mit Licht füllte. Er glaubte mehr als noch vor einer Stunde zu erkennen, doch da konnte er sich auch irren. Seine Augen schmerzten, brannten wie Feuer und deshalb hatte er sie nur selten geöffnet. Es war wahrscheinlich, dass sie ihn damit nur noch weiter quälen wollten. Er sah es nicht, als eine Art Erleichterung an. Nein, das war es nicht! Wieso sollten sie so etwas tun?

John wusste, dass Baku’s Geduld ihm gegenüber abgelaufen war… und er wusste auch, was das bedeutete. Er hatte sich schon immer gefragt, wie er sterben würde. Mit Sicherheit war es kein schöner Tod, der ihn erwartete. Er war lang genug mit Baku und seinen Männern zusammen gewesen, um zu wissen, dass sie sich am Tod ergötzten und das sie jede einzelne Sekunde, in der ihre Opfer litten, genossen. Es würde kein angenehmer Tod werden…

Der Soldat stolperte weiter und senkte dabei seinen Kopf. Es gab so viel, was er in seinem Leben noch nicht gemacht hatte. Er war noch nicht um die Welt gereist, so wie er es als kleiner Junge immer vorgehabt hatte. Er hatte noch nicht den Mount Everest bestiegen- eine dämliche Idee, die ihm während seiner Collegezeit gekommen war. Er hatte kein Buch geschrieben, hatte weder eine bedeutende Entdeckung gemacht, noch hatte er große Taten vollbracht.
Er war lediglich Pilot gewesen, der Hubschrauber in die entlegensten Gegenden der Welt geflogen hatte. Er war Soldat gewesen, der tatenlos zugesehen hatte, wie unschuldige Menschen ihr Leben lassen mussten. Und er war ein schlechter Kamerad gewesen, der seinen mit Abstand besten Freund hatte sterben lassen.
Was hatte er in seinem Leben schon erreicht? Da war nichts, auf was John hätte stolz sein können. Mit seinem Vater hatte er sich zerstritten und sein Bruder redete nicht mehr mit ihm. Hätte er vielleicht versuchen sollen, das zu ändern? Er wusste es nicht…

John seufzte schwer, als ihm einfiel, was er alles nach seinem Tod zurücklassen würde. Sein verkorkstes Leben war nur ein Aspekt, seine Freunde ein ganz anderer.
Seine Gedanken begannen zu wandern und auf einmal fühlte er sich furchtbar schlecht. Elizabeth, Rodney, Ronon und die anderen.. Bei dem Gedanken, sie zurücklassen zu müssen, wurde John ganz anders. Ihre Freundschaft bedeutete ihm viel und es beschämte ihn, dass er das ihnen nie gesagt hatte. Er war sich sicher, dass sie nach ihm gesucht hatten. Er war sich sicher, dass sie ihn nicht aufgeben wollten. Doch ihm war auch klar, dass sich die Suche nach ihm und nach Mitchell wie eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen erwies. Wenn er so darüber nachdachte, erfand er den Gedanken gar nicht mehr so tragisch, dass sie eines Tages nicht mehr nach ihm suchen würden. Was erwarteten sie zu finden? Bald würde sowieso nicht mehr viel von ihm übrig bleiben…

Seine Freunde. Vielleicht hatte er in seinem Leben doch nicht nur Fehler gemacht. Die letzten vier Jahre waren anders gewesen. Er hatte eine Veränderung gespürt. Er hatte Freunde gefunden, Freunde, die es ernst mit ihm meinten und nicht nur mit ihm zusammen waren, weil sie erhofften, dass etwas von dem Vermögen seines Vaters für sie rausspringen würde. Nein, seine Freunde, seine Freunde in Atlantis waren anders. Sie waren nicht so, vielleicht, weil sie irgendwie mit ihm fühlen konnten. Auf irgendeine Art und Weise schienen sie alle miteinander verbunden zu sein.

Atlantis.Er verleugnete die Tatsache nicht, dass seine Zeit auf Atlantis die mit Abstand beste in seinem Leben gewesen war und er bedauerte es geradezu, dass sie nunmehr vorbei sein sollte. Atlantis vereinte Menschen, schloss Freundschaften und gab allen das Gefühl zusammenzugehören. Er verband die Stadt mit Wärme, Freundlichkeit und Liebe…

Liebe. Eine Emotion, die bisher nicht die gerade ausschlagkräftigste in seinem Leben gewesen war. Als Kind, nach dem Tod seiner Mutter, hatte er sie nur selten erfahren. Sein Vater war nicht in der Lage gewesen, seine Söhne zu lieben, er hatte sich noch nicht einmal angestrengt.
John hatte Angst vor der Liebe gehabt und in einem gewissen Maße fürchtete er sich heute noch immer vor ihr! Liebe stand immer in Verbindung mit der Gefahr enttäuscht oder verletzt zu werden. Und das wollte er nicht! Er musste Personen erst besser kennenlernen, ehe er sie schätzen oder lieben konnte. Er war vorsichtig, auch wenn das manchmal nicht den Anschein erregte. Die Tatsache, dass er sterben musste, jetzt, da er endlich gelernt hatte zu lieben, stimmte ihn traurig und wieder einmal drängte sich ihm die Frage auf, warum das Leben so ungerecht war…

Die Anstrengung für seine brennenden Augen wurde zu groß, also schloss er sie… und sah Teylas Antlitz vor sich. Er erinnerte sich an ihren entsetzten Gesichtsausdruck, als man sie fort geschleppt hatte. Er erinnerte sich an jede einzelne Träne, die sie seinetwegen vergossen hatte und er wünschte sich, dass er ihr dieses Leid hätte ersparen können. Und er wünschte sich, dass ihre Liebe nicht so geendet hätte. John verfluchte den Tag, an dem er sie verloren hatte. Es erschien ihm, als seien Jahre vergangen, seit er sie zum letzten Mal gesehen hatte und bei dem Gedanken, dass sie nunmehr für immer von ihm gegangen war, wurde ihm ganz elend.
Teyla Emmagan, Tochter von Tagan, war mitunter die beste Entscheidung, die er in seinem Leben getroffen hatte und er bereute es, dass er diese Entscheidung nicht schon früher getroffen hatte, sondern erst jetzt, wo es für sie beide zu spät war. Sie hatten einander geliebt und von ihrer Liebe zeugte ein Kind- ein Kind, das das Licht der Welt niemals erblicken würde.

John seufzte in sich hinein. Wieder ein Aspekt, der ihm nicht gefiel. Nicht nur, dass er all seine Freunde und die Frau, die er liebte, verlor. Nein, warum konnte das Leid nicht vor einem so kleinen, unschuldigen Wesen halt machen? Es schmerzte, zu wissen, dass nicht nur sein Leben bald zu Ende sein sollte, sondern auch dass man seinem Kind das Leben genommen hatte. Es schmerzte und es machte ihn wütend. Nur zu gern hätte er seinen Sohn oder seine Tochter aufwachsen sehen. Er hatte sich fest vorgenommen, dass er anders als sein eigener Vater sein würde. Er hatte sich so viele Pläne gemacht… die nun alle auf einmal Nichtigkeit waren. Und das machte ihn wütend…

„ Stehen bleiben!“, knurrte plötzlich einer seiner Begleiter und riss an seinem Arm. John schreckte aus seinen Gedanken und befand sich wieder in dieser aussichtslosen Lage wie zuvor. Er hob seinen Kopf und versuchte seine Augen zu öffnen, doch da war noch immer nichts als Finsternis und ein paar verzerrte, sich rasch bewegende Schatten, die er aber nicht zuordnen konnte.
Er hörte, wie sich ihm von hinten Schritte näherten. Ein Fuß wurde trotz des schlammigen Untergrunds elegant vor den anderen gesetzt. Es musste eine Frau sein. Nur eine Frau konnte sich so fortbewegen. Und ihn Bezug auf seine jetzige Situation fiel ihm da nur eine ein…

„ Es tut mir leid, dass es so enden muss“, sagte Larrin mit trauriger Stimme, die John irritierte. Hörte er da etwa Bedauern in ihrer klaren Stimme? Es war ihm auch egal und statt ihr etwas zu erwidern, schnaubte er nur abschätzig.
Ein Moment der Stille folgte und das trommeln des Regens war alles, was er hörte. Doch dann näherten sich ihm die Schritte wieder und eine hand legte sich um sein Kinn, zog es hoch und er spürte im nächsten Augenblick, wie seine Augen zu brennen begannen und Tränen über seine Lider brachen. Leise winselte er auf und führte seine zitternden Hände an seine Augen.
„ Der Schmerz wird bald vorübergehen“, meinte Larrin trocken. „ Es musste sein.“
„ Wie oft ich das in den letzten Tagen gehört“, knurrte John erzürnt und hätte sie, wenn es ihm möglich gewesen wäre, wütend angefunkelt. Doch der Schmerz und das Brennen in seinen Augen waren viel zu groß. Es war ihm, als hätte man Benzin auf seine Augäpfel gekippt und das Ganze mit einem Streichholz angezündet.

Es vergingen gefühlte Minuten, in denen er seine Augen am liebsten ausgekratzt und sie weit von sich geschleudert hätte. Larrin stand die ganze Zeit neben ihm; er hörte sie leise atmen. Auch seine beiden Begleiter standen noch immer hinter ihm, hielten ihn an seinen Schultern gepackt. Als ob er in diesem Zustand einen Fluchtversuch starten würde!
„ Es müsste jetzt besser werden“, bemerkte Larrin schließlich und das erste Mal seit Wochen hatte sie ihm keine Lüge aufgetischt. Als John zögerlich seine Augen öffnete, sah er mehr als verzerrte Schatten- er sah Farben und Umrisse, die zwar noch verschwommen waren, aber er sah sie…

Soweit er das beurteilen konnte, hatte man ihn auf eine Lichtung gebracht. Sie war gesäumt von großen, majestätischen Bäumen, deren Kronen in fast fünfzig Metern Höhe ineinander wuchsen und ein dichtes, undurchdringlich scheinendes Blätterdach bildeten. John bemerkte, dass er auf feuchtem, saftgrünem Gras kniete. Die Nässe fraß sich weiter durch seine Kleidung und erinnerte ihn daran, wie entsetzlich kalt ihm doch war. Fast augenblicklich begann er wieder zu zittern…
Sie waren nicht allein auf der Lichtung. Als er seinen Blick weiter schweifen ließ, erblickte er in einiger Entfernung Moros stehen. Oh, wie sehr er diesen Kerl doch hasste!
Moros stand da wie immer: furchterregend, groß, stämmig, mit Muskeln am ganzen Körper. Ein Bein stand auf einem Baumstumpf. Er trug eine alt aussehende Uniform- schwarzbraunes Leder, zwei Knopfleisten, an manchen Stellen schon eingerissen, verstaubt, sah schäbig aus. Sein schütteres, aschbraunes Haar war von dem Regen durchnässt und klatschte gegen sein Gesicht. Sein vergerbtes Gesicht wirkte emotionslos und seine grauen Augen waren auf einen vor ihm knienden Mann gerichtet.
Es verlangte John sehr viel Anstrengung, bis er erkannte, um wen es sich bei dem Mann handelte. Er schreckte zusammen und erstarrte dann…

Cameron Mitchell, gehalten von einem hölzernen Joch auf seinen Schultern, kniete vor Moros, war kaum in der Lage seinen Kopf zu heben. Der Regen trommelte auf seinen nackten Oberkörper und vermischte sich mit dem Blut, was nunmehr aus seinen Wunden gespült wurde. Der Atem des Colonels ging schwer und seine geschundenen Schultern hoben sich nur unregelmäßig. Er zitterte am ganzen Körper und man musste ihm nicht ins Gesicht sehen, um zu wissen, dass er den innerlichen Kampf gegen sich selbst aufgegeben hatte. Sein Körper schien nach Erlösung zu schreien…

„ Sie hätten uns helfen sollen“, meinte da eine gehässige Stimme neben John und der Soldat drehte seinen Kopf. Salzige Tränen vermischten sich mit dem Regen und ließen seine Sicht noch mehr verschwimmen, doch es reichte, um zu erkennen, dass sich Baku neben ihm aufgebaut hatte. Oh, wie er diesen Kerl doch hasste!
„ Es muss schwer für Sie sein, Ihre Freunde und Ihre Familie zurückzulassen, Colonel“, stichelte Baku und lächelte boshaft, als John nach Luft schnappte und ihn ansah. „ Jetzt wissen Sie, wie es sich anfühlt, wenn man jemanden verliert, den man liebt. Ja, Sie verstehen mich richtig. Ich konnte es nicht übers Herz bringen Ihre Frau umzubringen. Sie hat mich zu sehr an meine Vergangenheit erinnert. Sie lebt und wird irgendwann ihrem Kind erzählen müssen, was mit seinem Vater passiert ist.“
„ Scheißkerl“, fauchte John. Er wollte sich aufraffen um diesem Idioten seine Faust ins Gesicht zu schlagen, doch Baku’s Männer hielten ihn zurück.“ Sie widerlicher…“
„ Sparen Sie sich Ihre Worte, Sheppard“, fiel ihm Baku ins Wort und schien sich an seinem Leid zu erfreuen. Langsam beugte er sich zu ihm runter und funkelte ihn mit seinen rubinroten Augen an. „ Wie fühlt es sich an, wenn man weiß, dass man sterben wird? Wie können Sie das nur ertragen? Zu wissen, dass das eigene Kind das Licht der Welt erblicken wird, ohne das man dabei ist. Dass es ohne einen aufwachsen wird, sich verlieben, verloben und heiraten wird. Das muss schrecklich wehtun, kann ich mir vorstellen.“ In seine Stimme mischte sich eine Gehässigkeit, für die allein John ihn nur zu gerne umgebracht hätte, und er schien eine Antwort des Soldaten zu erwarten.

John schwieg und wandte seinen Kopf ab. Er wollte diesem Mistkerl keinen Gefallen tun! Es gab nichts, was er diesem Moment lieber getan hätte, als aufzustehen und Baku all das, was er ihm und Mitchell angetan hatte, zu erwidern. Er hatte sie angelogen, gefoltert und Leid ausgesetzt, das sie nur schwer hatten ertragen können. Wie sie das geschafft hatten, wusste John nicht. Das Einzige, was er wusste, war, dass es jetzt alles vorbei sein würde…

„ Sie können es sich noch anders überlegen“, meinte Baku mit gespielter Freundlichkeit und beugte sich dicht zu ihm, flüsterte ihm ins Ohr. „ Los, erzählen Sie mir von Atlantis und Ihnen wird nichts passieren. Dafür bürge ich.“
John spie vor ihm auf den Boden und sah ihn hasserfüllt an. „ Fahren Sie zur Hölle“, schnauzte er, mahlte seine Kieferknochen aufeinander- den Schmerz, der von diesen ausging, ignorierend- und straffte seine Schultern.
„ Sie bringen mich immer wieder zum Lachen.“ Baku ließ ein heiseres Lachen aus seiner Kehle dringen, das aber genauso schnell wie es gekommen war, auch wieder verschwand. Er presste die Lippen fest aufeinander. Seine blasse Haut wirkte in dem strömenden Regen durchsichtig und seine blauen Adern schimmerten hindurch, pochten und zuckten erzürnt. Baku’s rubinrote Augen flackerten und verwandelten sich von einer Sekunde auf die nächste in ein undurchdringliches Schwarz. Mit einem Knurren, das tief aus seiner Brust brach, fletschte er die Zähne. John schloss die Augen und erwartete, dass man sich auf ihn stürzte, doch Baku fauchte nur und nickte. Kaum hatte er dies getan, zerriss ein schellender Schuss die Stille die Richtung und John sah aus dem Augenwinkel heraus, wie Mitchell haltlos in sich zusammensank und dann nach vorne kippte…

Was dann geschah, erschien John wie ein Traum; er konnte nicht genau sagen, ob es real war oder ob es sich ein Gespinst seiner Fantasie handelte…
Ein zweiter Schuss, dann ein dritter, ein vierter und dann ganz viele, dicht aufeinander folgende Schüsse, abgefeuert von einer automatischen Waffe, zweifellos. Panik. Moros zuckte zusammen, fuhr herum, zog seine Waffe, doch bevor er sie abfeuern konnte, zerschnitt eine Kugel die Luft und donnerte in seinen Brustkorb, trieb diesen entzwei. Mit einem erstickten Schrei sank Moros auf die Knie, fiel leblos in das feuchte Gras. Noch mehr Panik. Noch zwei Schüsse. Noch zwei Tote; seine Begleiter stürmten nach vorne, ließen ihn los, wurden von zwei grellroten Schüssen zurückgeschleudert. Der eine fiel zu Boden. Der andere schleuderte gegen einen Baumstamm- Knochen brachen, zerbarsten unter dem Druck.
Baku fauchte auf, knurrte und stürmte los, ebenso, wie es seine beiden nunmehr gefallenen Wachen getan hatten. Schüsse rissen durch die Luft, wurden nur noch von seinem Knurren und Fauchen übertönt. Es war ein ungleicher Kampf, der dort geführt wurde. Baku tobte auf die Schüsse zu, sie trafen ihn, doch er ging nur minimal auf die Knie, rappelte sich immer wieder auf, stürmte immer wieder aufs Neue los. Die Schüsse donnerten auf ihn ein, doch hinderten ihn nicht, hielten ihn nicht auf. Der Kampf war ermüdend… plötzlich schien auch Baku das zu bemerken, schlug einen Haken, schoss durch das dichte Unterholz davon, türmte. Man konnte das Abschaben von Rinde hören, als er einen der Baumriesen hinauf kletterte und verschwand.
Das Rascheln der Baumkronen war noch nicht verklungen, als ein weiterer grellroter Schuss und Larrins schmerzerfüllter Aufschrei durch den Wald brachen.

John sah, wie Larrins schlanke Gestalt zu Boden ging, ein Messer zwischen ihren langen Fingern haltend. Sie schlug auf dem feuchten Waldboden auf, die Klinge fiel aus ihren Händen. Langsam drehte sie ihren Kopf in seine Richtung, ihre grünen Augen blickten ihn nach Hilfe suchend an. Für einen Moment fühlte er sich für sie verantwortlich, wollte ihr helfen, hielt dann aber in seinen Bewegungen inne. Nein, es war falsch ihr zu helfen…
Larrins Körper begann zu zucken, wie es eine Fliege tat, die man an der Fensterscheibe zerquetscht hatte. Blut quoll aus ihren Mundwinkeln… und dann war sie still. Das Leuchten verschwand aus ihren grünen Augen und ihr Körper kam zur Ruhe. Ihr Brustkorb hob sich noch ein letztes, verzweifeltes Mal und dann verklang das Schlagen ihres Herzens, ihr Atem stoppte und ihr Blick richtete sich starr gen wolkenverhangenen Himmel. Es war vorbei…

Die Stille, die daraufhin eintrat, hatte etwas Beängstigendes an sich. Es war still, so still, dass John sein Herz gegen seinen Brustkorb hämmern hören konnte. Er hörte, wie sein Blut durch seinen Körper rauschte und er hörte, wie er immer wieder nach Luft schnappte. Das machte ihm Angst! Er wollte nicht realisieren, dass es nunmehr vorbei war und richtete seinen Blick erst auf Larrins leblosen Körper und dann auf ihre beiden Komparsen, die verkrümmt auf dem feuchten Waldboden lagen und sich mit ihren verzerrten, im Tode erstarrten Gesichtern, an ihre letzten Augenblicke zu erinnern schienen.
Sie hatten ihn aufgezerrt, doch nun gaben seine Knie nach und John sackte zusammen. Fassungslos und am ganzen Körper zitternd fiel sein Blick auf Cameron Mitchells regungslosen Körper. Doch er war nicht mehr alleine- eine Frau und ein Mann knieten über ihm! Die Frau hatte lange schwarze Haare und hievte den Colonel behutsam auf. Der Mann half ihr dabei. Ihre Bewegungen waren schnell, aber professionell. Aber, warum kümmerten sie sich um ihn? Er war tot, ermordet, brutal hingerichtet…

„ John!“ Es war lange her, dass er seinen Namen verbunden mit so viel Erleichterung und Freude gehört hatte- und allein diese Tatsache, ließ ihn aufblicken. Sein Blick war noch immer getrübt und seine Augen brannten noch immer. Seine Pupillen zogen sich schmerzhaft zusammen. Seine Tränen, die er weinte, schwammen in seinen Augen, beschränkten seine Sicht auf nur wenige Meter. Und so war es nur eine verschwommene Gestalt, die durch die Bindfäden, die es vom Himmel regnete, auf ihn zueilte. Auf dem Weg zu ihm, ließ sie irgendetwas fallen, über das sie dann um ein Haar gestolpert wäre, sich aber im rechten Augenblick noch fangen konnte.
„ John!“ Sie hatte ihn noch nicht erreicht, als sie ihre Arme nach ihm ausstreckte. Ihre Knie gaben unter ihr nach, als sie sich gegen ihn warf und sich gegen ihn drückte. Sie zitterte am ganzen Körper, das konnte er spüren. Ihre Arme schlangen sich um ihn und sie drückte sich gegen seine Brust. Eine Welle der Erleichterung brandete über ihn hinweg, als sie sein Gesicht zwischen ihre zitternden Hände legte und ihn inbrünstig mit ihren braunen Augen ansah.
„ Teyla“, wisperte er. Sie schluchzte und nickte. Tränen liefen über ihre Wangen, obschon es auch Regen hätte sein können.
„ Ja“, erwiderte sie ihm, ehe sie ihn küsste. Der Kuss war hingebungsvoll und ihre Unterlippe bebte leicht. Als sie sich voneinander lösten, hatte sie noch mehr Tränen in den Augen als zuvor. Sie zog seinen Kopf zu sich heran und lehnte ihre Stirn gegen seine. „ Wir holen euch hier raus, versprochen.“

John konnte ihr nur ein schwaches Nicken erwidern und lehnte sich gegen sie. Er schloss seine Augen und lauschte ihrem zitternden Atem. Seine Finger zuckten über ihre Wange und sie verformte ihre Lippen zu einem Lächeln. Der Soldat öffnete seine Augen wieder, doch bevor er etwas sagen konnte, legte sie ihren Finger vor seine Lippen.
„ Später“, flüsterte sie, ihre Stimme verlor sich fast in dem strömenden Regen. Sie schniefte und lehnte sich gegen ihn. Er betrachtete sie. Ihre rostbraunen Haare waren durchnässt und hingen an ihrem Gesicht hinter. Der Regen hatte ihre schwarze Uniform durchfeuchtet. Der Verschluss ihrer Schutzweste hatte sich durch ihren Lauf geöffnet und voller Erstaunen erblickte John die leichte, fast kaum wahrnehmbare Wölbung ihres Bauches unter ihrem schwarzen Top. Er streckte seine Hand aus und berührte mit seinen Fingerspitzen vorsichtig den nassen Stoff.
Teyla lächelte. „ Wir haben dich vermisst“, säuselte sie und John war klar, dass sie damit nicht die anderen, wie Rodney und Ronon, die sich langsamen Schrittes näherten, gemeint hatte.
„ Ich hab’ euch auch vermisst“, hauchte John seine Worte gegen ihre Lippen und fühlte sich unglaublich erleichtert. Bis auf die Tatsache, dass Vala Mal Dorans und Daniel Jacksons Mienen finster wurden und dass sie ihre Blicke traurig von Col. Cameron Mitchells Körper lösten.

TBC
Und am Ende bleibt nur eins by Ailya
Yesterday I died, tomorrow's bleeding.
Fall into your sunlight.
The future's open wide, beyond believing.
To know why, hope dies.
Losing what was found, a world so hollow
Trading Yesterday - Shattered



Sie fand ihn widererwarten nicht in seinem Quartier, sondern in der weitläufigen Mensa, unterhalb der riesigen Scheibe auf einem der weißen Sessel sitzend. Er hatte seinen Kopf weit in den Nacken gelegt, beobachtete die Gestirne, die an der Außenhülle des Schiffes vorbeibrausten und sah ihnen nach, bis sie in der Dunkelheit des Alls verschwanden und nichts mehr von ihnen blieb, als eine vage Erinnerung und ein immer mehr entschwindendes Bild.
Elizabeth seufzte leise, als sie ihn da so allein sitzen sah. Sie hatte schon immer gewusst, dass er nicht der Mensch war, der sich gern unter Leute mischte und besonders nicht jetzt, nach dem, was ihm widerfahren war, und sie verstand ihn. Vielleicht hätte sie an seiner Stelle anders gehandelt, doch es war nicht bei ihr, Entscheidungen zu treffen, die ihn etwas angingen…

Still saß er da und betrachtete noch immer die Sterne. Es sah nicht danach aus, als hatte er vor etwas anderes zu tun oder als wollte er von irgendjemandem gestört werden. Es sah vielmehr danach aus, als wollte er allein sein- allein mit sich und seinen Gedanken. Elizabeth überlegte, ob sie wieder gehen sollte, aber entschied sich dagegen. Irgendetwas sagte ihr, dass sie sie zu ihm gehen und mit ihm reden sollte.
Sie seufzte abermals leise und holte tief Luft, ehe sie mit einem Lächeln auf ihn zutrat. „ Hallo, John.“
Er zuckte zusammen, wie ein kleiner Junge, der von seiner Mutter beim Bonbonklauen erwischt worden war, und drehte sich zu ihr um. In seinem Gesicht lag etwas, das sie nicht deuten konnte. Sie fragte sich, ob es wohl richtig gewesen war, zu ihm zu gehen, oder ob sie ihn nicht besser hätte allein lassen sollen.

John blinzelte sie träge an und zwang sich ein freundliches Lächeln auf die Lippen. Seine Gedanken schienen woanders zu sein, nur sein Körper saß ihr gegenüber und fragte sich, ob er sich über ihre Anwesenheit freuen oder ob er lieber abblocken sollte.
„ Elizabeth“, grüßte er sie mit einem Nicken und in einem respektvollen Ton, ließ sich nichts anmerken. Einen Moment lang schwiegen sie sich an- eine Stille entstand, die ihnen beiden peinlich zu sein schien-, doch dann rutschte der Soldat ein Stück zur Seite und legte seine mit feinen Narben übersäte Hand auf die Sitzfläche des Sessels.
„ Darf ich mich setzen?“, hinterfragte Elizabeth seine mehr als offensichtliche Geste.
John nickte verhalten. „ Ein bisschen Gesellschaft tut immer gut“, raunte er leise und verfiel wieder in ein Schweigen, als sie langsamen Schrittes zu ihm herüber kam und sich ebenso langsam neben ihn auf den Sessel sinken ließ.

Elizabeth biss sich auf die Unterlippe und stützte ihre Handgelenke auf ihre Knie, als sie bemerkte, dass der Soldat ihrem Blick auswich… mehr oder weniger. Er reckte seinen Hals wieder gen Scheibe und seine haselnussfarbenen Augen klebten förmlich an den Sternen.
Während er die Himmelkörper bestaunte, erhaschte Elizabeth einen Blick auf seinen Hals, den eine feine, fleischfarbene Narbe zierte, bis hinauf zu seinem linken Ohr. Sie schnitt sich mit einer breiteren Narbe, die einmal quer über seine Wange verlief. Carson hatte gemeint, dass man von diesen Narben schon bald nichts mehr sehen würde, doch Elizabeth wusste, dass diese beiden nicht die einzigen Hinterlassenschaften seiner Gefangenschaft waren. Sie war ihm zum ersten Mal nach seiner Rückkehr auf der Krankenstation begegnet… und hatte erschrocken die Luft angehalten. Fast sein ganzer Oberkörper war mit Narben und teils noch frischen Wunden übersäet, von den beiden Stellen, wo man ihm das Messer in die Seite gerammt hatte, mal ganz abgesehen. Blutergüsse, in allen Größen, Formen und Schattierungen sprenkelten sich über seinen Oberkörper und über seinen Rücken. Seine eine Schulter war leicht abgesenkt.
Doch war vielmehr sein Gesicht, in dem man das ihm zugefügte Leid sehen konnte. Ein dunkler, grünlichbraun schimmernder Bluterguss lag unter seinem Auge, zog sich halb über seine Wange und verlor sich dann auf seiner Nase, die sichtlich in Mitleidenschaft genommen worden war. Seine Lippe war an mehreren Stellen aufgeplatzt, an anderen schon wieder verkrustet und zugeheilt.
Elizabeth war schlichtweg geschockt gewesen, als sie ihren Millitärkommandanten so zu Gesicht bekommen hatte. Sie war sich gewiss, dass manche dieser Narben nie verheilen würden- im Gegensatz zu anderen. Und so schmerzlich es auch war, aber sie würden John immer und immer wieder an die drei mitunter schlimmsten Monate seines Lebens zurückerinnern. Drei Monate voller Leid und Schmerzen und Trauer…

Wie sehr sie es sich doch wünschte, er hätte diese Erfahrung nie machen müssen. Elizabeth seufzte schwer und scheinbar hatte es sich dermaßen bemitleidenswert angehört, dass John seinen Blick von den Sternen löste und sie musternd ansah. Natürlich blieb sein sorgenvoller Blick ihr nicht unbemerkt, aber sie erwiderte ihn nicht, sondern hob den Kopf ihrerseits in die Höhe.
Es dauerte nicht lange und der Soldat tat es ihr gleich- und so saßen sie beide dort nebeneinander und beobachteten die Sterne. Vielleicht erwies es sich auch als besser, dass sie nicht redeten. Elizabeth merkte, wie John neben ihr sichtlich entspannte und ihr den Eindruck vermittelte, dass er dankbar darüber war, nicht reden zu müssen. Umso mehr überraschte es sie, als er seine heisere Stimme erhob: „ Es ist spät. Warum schlafen Sie noch nicht?“
Ein recht einseitiges und belangloses Gesprächsthema, doch Elizabeth sah über diese Tatsache hinweg. „ Ich kann nicht schlafen“, antwortete sie ihm und verkniff sich das ‚ Das Gleiche könnte ich Sie fragen’, was ihr auf der Zunge lag. Mit Sicherheit wäre es mehr als unpassend gewesen.
„ Ah“, machte John einfach nur- scheinbar reichte ihm diese aus dem Ärmel geschüttelte Antwort vollkommen… oder er wollte einfach nicht mehr wissen.
„ Ja.“ Elizabeth klappte ihren Mund wieder zu, verschränkte ihre Finger ineinander und legte sie auf ihr Knie.

Wieder ein peinliches Schweigen, das für sie beide absolut untypisch war. Früher hatten sie stundenlang miteinander geredet, hatten zusammen gelacht, geschimpft und sie hatten sich gefreut. Elizabeth musste zugeben, dass sie das ein bisschen vermisste. Nicht nur ihr war aufgefallen, dass ihr Verhältnis zu John, seit sie auf der Artemis waren, nicht mehr ganz so locker war, wie auf Atlantis. Und sie musste auch die eine oder andere Diskussion zugeben, bei der sie beide sich nicht wirklich vorbildlich verhalten hatte. Und seit der Sache mit Teyla… Das bedeutete um Himmels Willen nicht, dass Elizabeth eifersüchtig auf die Athosianerin war. Nein, sie freute sich für die beiden, sie freute sich sogar sehr. Sie verstand es, dass sich der Soldat fortan Sorgen um seine Partnerin und Mutter seines ungeborenen Kindes machte. Doch sie musste sich eingestehen, dass ihre freundschaftlichen Gespräche dadurch geradezu zum Erliegen gekommen waren und das fand sie schade.

„ Ich kann es nicht glauben, dass…“ Wieder war es John, der das Gespräch wieder aufnahm. Er schluckte schwer und der Rest des Satzes verlor sich irgendwo in seiner Kehle. Er wollte auf das Thema hinaus, welches Elizabeth zu vermeiden versucht hatte. Es war ein schwieriges und vor allem pikantes Thema, über das es sich nun nicht mehr zu reden lohnte.
„ Es ist nicht Ihre Schuld“, sagte die Expeditionsleiterin und legte dem Soldaten eine Hand auf die Schulter.
„ Es fühlt sich aber so an“, erwiderte dieser und runzelte die Stirn. „ Es fühlt sich aber verdammt danach an, Elizabeth.“
„ Sie haben sich nichts vorzuwerfen, John“, gab sie ihm zu verstehen, doch er schüttelte nur mit dem Kopf.
„ Ich hätte ihn retten können“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch. „ Wär’ ich doch nur schneller gewesen, dann…“ Er unterbrach sich selbst, schlug die Hände vor sein Gesicht. „ Verdammt!“
„ Er ist nicht tot“, versuchte Elizabeth die Lage zu entschärfen, doch schüttete stattdessen nur noch mehr Salz auf die blutende Wunde. John ließ seine Hände nach vorne auf seine Knie fallen und funkelte sie mit seinen haselnussfarbenen Augen an.
„ Nennen Sie das etwa ein Leben?!“, fragte er sie aufgebracht. „ Herrgott, an Maschinen angeschlossen zu sein- das ist doch kein Leben! Verdammt, scheiße!“ Mit einem Ruck erhob er sich und machte zwei große Schritte, lehnte sich mit bebenden Schultern gegen das eiserne Geländer, welches sich an der, bis zum Boden reichenden, Scheibe entlang schlängelte.

Elizabeth blieb sitzen. Sie ließ ihm seinen Freiraum- er brauchte das. Sein schweres Atmen trug sich bis zu ihr und seine bebenden Schultern und sein zitternder Körper verrieten ihr, dass sie beide zu weit gegangen waren. Sie hätte nicht so penetrant auf den ‚Weiter-Knopf’ drücken sollen, um das Gespräch zum Laufen zu bringen. Auf einmal fühlte sie sich so elend, dass ihr übel wurde. Für John schien das Thema „Cameron Mitchell“ abgeschlossen zu sein und er war sich sicher, dass er seinen Kameraden umgebracht hatte- obschon dem nicht so wahr.
Es stand schlecht um den Teamleader von SG1- das wagte niemand zu bezweifeln. Carson hatte nur geseufzt und gemeint, dass die nächsten vierundzwanzig Stunden entscheidend sein würden.
Sie alle hofften und bangten um das Leben des Colonels, welches nunmehr an einem seidenen Faden hing. Alle bis auf John. Für ihn schien der Faden schon längst gerissen zu sein…
Es war eine Ansicht, an der sie nicht rütteln konnte, egal wie sehr sie es auch versuchte.

Noch eine ganze Weile saß Elizabeth dort, ehe sie sich aufrichtete, ihre Uniform glatt strich und in Johns Richtung meinte: „ Ich bin mir sicher, dass er es schaffen wird. Machen Sie sich keine Sorgen.“ Der Soldat reagierte nicht. Sie seufzte nur und verabschiedete sich. Langsam drehte sie sich um und machte sich daran, in ihr Quartier zurückzukehren, um wenigstens ein paar Stunden zu schlafen.
Sie war noch nicht an der Tür angekommen, als sie seine Stimme ereilte, woraufhin sie sich umdrehte und sah, dass John sich ihr zugewandt hatte.
„ Schlafen Sie gut, Elizabeth“, sagte er leise und mit gesenktem Blick, aber mit einem kleinen Lächeln. „ Und… danke.“
Die Expeditionsleiter bedachte ihn mit einem Nicken. „ Ich wünsche Ihnen auch eine gute Nacht, John“, sprach sie, drehte sich um, ging und ließ ihn allein. Irgendwie ließ sie der Gedanke nicht los, dass er auch morgen noch da stehen würde.

++++++++++


Anfangs war es ihm nicht leicht gefallen, zu akzeptieren, dass man ausgerechnet diesen Mann als Ersatz für Jack ausgesucht hatte. Genaugenommen hatte Jack ihn ja höchstpersönlich als Ersatz für sich erwählt, doch das hielt nichts zur Sache- Jack O’Neill war acht Jahre Leiter des Teams gewesen und es waren acht tolle Jahre gewesen. Was sie nicht alles zusammen erlebt hatten! Das konnte man nicht in Worte fassen! Es war schlichtweg unglaublich gewesen!
Doch dann fanden diese acht wunderbaren Jahre ein Ende, alle gingen ihre eigenen Wege- erst Jack, dann Sam, dann Teal’c… und er hätte es wahrscheinlich auch getan, wäre da nicht dieser heißblütige Colonel auf der Bildfläche erschienen, der es sich zum Ziel gesetzt hatte, SG1 wieder zu neuem Glanz zu verhelfen.

Doch im Großen und Ganzen hatten er und Cam Mitchell- und natürlich auch die anderen- sich sehr schnell aneinander gewöhnt und vielleicht war das auch der Grund, dass aus der schwierigen Anfangszeit nunmehr zwei, fast drei Jahre geworden waren. Mitchell machte seine Sache wirklich gut, auch wenn niemand es wagte, ihn mit Jack O’Neill zu vergleichen- nicht einmal er selber tat das, dafür war seine Achtung vor dem General viel zu groß. Der Einzige, der es wagte, Parallelen zwischen Mitchell und dem General zu ziehen, war Jack selbst. Er betonte immerzu, wie sehr Cameron ihn doch an sich selbst in jungen Jahren erinnerte. Kein Wunder also, dass Jack bei Mitchells Beförderung zum Teamleader von SG1 seine Finger im Spiel gehabt hatte.

Jacks Anerkennung hatte dem Team weitergeholfen. Zwischen ihnen und dem nunmehr ‚General O’Neill’ war noch immer eine enge Freundschaft und wenn Jack schon meinte, dass Mitchell ein würdiger Nachfolger für ihn war…
Sam kannte Mitchell schon länger, wahrscheinlich noch aus seiner Zeit, als er als Kampfpilot Antarctica vor Anubis’ Flotte verteidigt hatte. Teal’c war wie immer gewesen- er fällte sein Urteil über Menschen und Mitchell hatte zu der Sorte von Mensch gehört, die der Jaffa für gut empfand. Nur ihm war es etwas schwer gefallen. Zu oft erinnerte er sich an die schöne Zeit, die sie mit Jack gehabt hatten. Ja, er musste zugeben, dass er anfangs nicht geglaubt hatte, dass Mitchell es schaffen würde. Doch er hatte es geschafft- in mehr als einer Hinsicht…

Daniel Jackson schreckte hoch, als er merkte, dass er wieder weggenickt war. Er schüttelte mit dem Kopf, versuchte sich den Schlaf aus den Augen zu blinzeln und rückte seine Brille auf seinem Nasenrücken zurecht. Schnell warf er einen verstohlenen Blick auf seine Armbanduhr, nur um festzustellen, dass diese noch immer nicht funktionierte. Sie war vor drei Monaten stehen geblieben und er hatte sich noch immer nicht darum gekümmert, obwohl er sich das fest vorgenommen hatte…
Ein erschöpftes Gähnen unterdrückend, tastete Daniel nach seiner Kaffeetasse, die auf dem kleinen Tisch neben Mitchells Bett stand. Er führte das kalte Metall an seine Lippen und trank einen Schluck.
„ Verdammt“, fluchte er leise und ließ den Schluck wieder in die Tasse laufen, denn er war ebenso kalt, wie das Metall der Tasse. Es gab nichts Schlimmeres, als kalten, abgestandenen Kaffee!
Der Archäologe seufzte tief und blickte sich dann suchend um. Er war noch immer auf der Krankenstation, saß neben Mitchells Bett und war mal wieder eingeschlafen. Er wusste nicht, wie spät es war und obwohl er in nicht allzu großer Entfernung Dr. Jennifer Keller sitzen sah, konnte er sich nicht dazu aufraffen, sie nach der Uhrzeit zu fragen… und außerdem fühlte er sich verpflichtet, seinem Teamleader beizustehen.

Cameron Mitchell lag still in dem Bett, war blass und machte einen bemitleidenswerten Eindruck. Sein geschundener Körper war an allerlei antikische Geräte angeschlossen, die man auf der Krankenstation der Artemis entdeckt hatte und die seine Körperfunktionen überwachten, ihn beatmeten und sonst noch alles für ihn taten. Daniel musterte die Maschinen kurz, sah dann aber wieder zu Mitchell. Der Colonel hatte sich nicht geregt- warum sollte er das auch tun?
Dr. Beckett war nach seiner und Col. Sheppards Rückkehr über drei Stunden bei ihm gewesen und hatte nicht mehr tun können, als ihn an diese Maschinen anzuschließen. Eine Kugel sei direkt durch seinen Brustkorb geschmettert, hatte der schottische Mediziner betrübt gemeint, und sie sei nur knapp an seinem Herzen vorbeigeschrammt. Es war knapp! Er hatte Glück!
‚Glück im Unglück’ war wohl eher eine bessere Beschreibung der verflixten Situation, fand Daniel. Niemand konnte so genau sagen, wann Mitchell aus dem Koma erwachen würde… oder ob er überhaupt erwachen würde.
Daniel fand, dass Mitchell das nicht verdient hatte. Er war ein guter Mann, der es nicht verdient hatte, auf solche Weise zu sterben.

Noch einmal seufzte er tief und voller Trauer, hörte dann Schritte auf sich zukommen. Er hatte eigentlich keine große Lust sich umzudrehen, um zu sehen, wer da kam. Doch als die Schritte inne hielten, tat er es doch- er warf einen schnellen Blick über seine Schulter.
Es war Sam. Sie hatte sich gegen eine Säule gelehnt, die Stirn gerunzelt und beobachtete ihn. „ Wie geht es ihm?“, fragte sie mit zittriger Stimme.
„ Nicht besser als noch vor ein paar Stunden“, antwortete Daniel und wartete auf ihre Reaktion. Sam stieß sich von der Säule ab und kam auf ihn zugeschritten. In ihrem Blick lag Trauer, Verzweifelung und Angst. Sie kniff die Lippen zusammen, damit sie nicht unkontrolliert zitterten.
„ Du solltest schlafen gehen“, meinte sie und ihre traurigen, blauen Augen trafen seinen Blick. „Ich bleib’ bei ihm.“
Daniel lächelte schwach. „ Und was ist mit dir? Du solltest auch schlafen, Sam.“
„ Ich ernähre mich seit Wochen ausschließlich von Kaffee und Energieriegeln“, witzelte sie. „ Wer kann da noch ans Schlafen denken. Ich bin nicht müde.“
„ Sam?“ Daniel hob seine Augenbrauen.
„ Es ist okay“, versicherte die Wissenschaftlerin ihm. „ Jetzt geh. Ich werde mich schon melden, falls sich etwas ändert.“
„ Nur, wenn du mir versprichst, dass du aufhörst dieses Zeug in dich reinzufuttern“, mahnte er sie, woraufhin sie lächelte.
„ Du weißt, wie es ist mit einem neurotischen Kanadier zusammenzuarbeiten“, seufzte Sam. „ Da braucht man Energie und starke Nerven.“

Daniel ließ das unkommentiert und erhob sich mit einem Lächeln. Er fuhr sich durch seine kurzen, braunen Haare und rückte ein letztes Mal sein Brillengestell zurecht, ehe er sich von Mitchell verabschiedete und Sam aufmunternd auf die Schulter klopfte.
„ Daniel?“ Er war keine zehn Schritte gegangen, als sie ihm hinterher rief. Er blieb stehen und er drehte sich zu Sam um. Betrübt sah sie aus. Ihre Körperhaltung war unsicher und sie war auf dem Stuhl in sich zusammengesunken. Verzweifelt blinzelten ihre strahlendblauen Augen ihn an. „ G…glaubst du, dass er wieder…“ Sie brachte ihren Satz nicht zu Ende.
Daniel wusste nicht so recht, was er auf diese Frage zu antworten hatte. Es war ihm klar, dass es schlecht um Mitchell bestellt war und Sam schien das ebenso wenig wie er zu bezweifeln, doch tief in seinem Inneren wünschte er sich, dass sich doch noch alles zum Guten wenden würde.
„ Er wird wieder gesund, Sam“, antwortete er und ihr Lächeln, welches ihre Lippen verformte, verriet ihm, dass auch sie die Hoffnung noch nicht aufgegeben hatte.
„ Ja, da bin ich mir sicher“, entgegnete Sam und fuhr sich mit ihren gespreizten Fingern durch ihre blonden, offen über die Schultern fallenden Haare, strich sie sich dann aus dem Gesicht, hinters Ohr. Mit einem schwachen Lächeln meinte sie: „ Es wird ihm besser gehen. Cam ist ein Kämpfer.“
„ Und das hat er nicht nur einmal bewiesen“, fügte Daniel hinzu. Er schenkte Sam ein letztes stärkendes Lächeln, ehe er sich umdrehte und ging. Einerseits fürchtete er sich vor der Nacht, doch andererseits sehnte er schon den nächsten Tag herbei, der hoffentlich erfreulicher war, als dieser Letzte es gewesen war.

++++++++++++++


Als sich die Tür zu ihrem Quartier leise zischend öffnete, war es schon weit nach Mitternacht und Teyla hatte bereits geschlafen. Es war ein überaus ereignisreicher und anstrengender Tag gewesen und sie war am Abend todmüde in ihr Bett gefallen. Es hatte nicht lange gedauert, bis sie einen tiefen, traumlosen Schlaf gefallen war, der jetzt ein abruptes Ende gefunden hatte.

Teyla musste ihre Augen nicht öffnen, um zu wissen, wer da auf leisen Sohlen durch ihr Quartier schlich. Sie rümpfte nur einmal ihre Nase und drehte sich dann auf die andere, noch leere Seite ihres Bettes. Im Hintergrund lief er leise umher- wahrscheinlich konnte er noch nicht einmal daran denken, sich schlafen zu legen. Das konnte man ihm auch nicht verdenken!
Doch genau darüber machte Teyla sich Sorgen. Bereits auf dem Planeten hatte er irgendwie abwesend gewirkt und er hatte noch kaum ein Wort mit ihr geredet, seit sie auf das Schiff zurückgekehrt waren. Nein, er hatte nicht ein einziges Wort darüber verloren, was in den drei Monaten passiert war. Er wollte nicht darüber reden- weder mit ihr, noch mit sonst irgendwem-, hatte sämtliche Versuche, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, abgewimmelt und hatte sich mit irgendeiner Ausrede davon geschlichen…
Seinem Verhalten und seiner Zurückhaltung nach zu urteilen, musste ihm Schlimmes widerfahren sein. Und auch wenn er nicht reden wollte- die Narben, die sich fast über seinen ganzen Körper zierten und die unzähligen Blutergüsse, deren Farbe nunmehr ins dunkle Blau reichte, sprachen für sich.

Seine Bewegungen waren ruhiger geworden- scheinbar beschäftigte er sich mit etwas. Teyla schlug ihre Augen auf, richtete sich auf und blinzelte verschlafen in die Dunkelheit ihres Quartiers.
„ `Tschuldigung, ich wollt’ dich nicht wecken“, hörte sie ihn plötzlich sagen und seine Stimme klang ihr so nah. Er saß nicht unweit von ihr in einem der Sessel, mit denen alle Wohnquartiere der Artemis staffiert waren, und seine haselnussfarbenen Augen waren in ihre Richtung gerichtet.
„ Du hast mich nicht geweckt“, log sie, setzte sich auf und schlug die dünne, noch immer kratzige Bettdecke um ihre Beine. Sie sah John verstohlen lächeln; es war nicht mehr dasselbe Lächeln- nein, es war leer und geradezu ausdruckslos, es war nicht sein Lächeln.
„ Hhm…“, murmelte er nur. Er lehnte sich in dem Sessel zurück, sodass sein Gesicht im Schatten verschwand. Seine langen Finger bearbeiteten einen kleinen Gegenstand und Teyla musste ihre noch nicht an die Dunkelheit gewöhnten Augen sehr anstrengen, um zu erkennen, dass es sich um Lt. Scotts feuerroten Truck handelte.
„ Lt. Scott hat das gemacht“, erklärte sie und beobachtete, wie John gedankenverloren an den kleinen Rädern herumspielte. Sein Blick lag auf dem sauber verarbeiteten, roten Metall und es war eine gewisse Faszination in seinen Augen zu erkennen. Galant strich er über das Metall und dann über das liebevoll gestaltete Führerhaus des Trucks.
„ Ich wusste gar nicht, dass der Lieutenant so begabt ist“, kommentierte er das Geschenk des Soldaten, hob es mit einer Hand hoch und betrachtete es weiter. Er drehte es in alle Richtungen- nach oben und nach unten, nach links und nach rechts.
„ Er hat seine Sache gut gemacht“, sagte Teyla. „ Es ist ein sehr nettes Geschenk.“
„ Hhm…“, machte John wieder und stellte den Truck wieder auf den kleinen Tisch, der neben den Sesseln aufgestellt war. Schweigend ließ er seinen Blick auch über die anderen Geschenke gleiten und meinte daraufhin stirnrunzelnd: „ Sieht so aus, als hätt’ ich die Party verpasst.“ Der Ausdruck in seinem Gesicht wurde undurchsichtig und er schien sich in seinen Gedanken zu verlieren.

Teyla blinzelte zu ihm herüber, zog ihre Beine unter der Decke hervor und schob sie dann über die Bettkante. Einen Moment lang befürchtete sie, wieder nach hinten zu kippen- ein warmes Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus und ihr wurde schwindelig. Sie atmete schwer aus, ehe sie sich träge erhob und langsam mit nackten Füßen über den kalten Boden schlurfte. Als sie näher kam, sah sie, dass Johns Gesicht in tiefen Falten lag- er sah noch nicht einmal zu ihr auf, als sie sich gegen die Armlehne des Sessels lehnte.
Sie beugte sich leicht vor- sich noch immer leicht schwindelig fühlend- legte ihren Zeigefinger unter sein Kinn hob es an. Der Blick seiner haselnussfarbenen Augen traf ihren. Sie versuchte zu verstehen, was in seinen Augen geschrieben stand- doch ohne Erfolg. „ Du willst es mir nicht sagen, oder?“, fragte sie.
John antwortete ihr nicht, sondern schwieg eisern. Für einen kurzen Augenblick trieben seine Lippen auseinander, schlossen sich daraufhin aber gleich wieder und sein Blick wurde nur noch betrübter.
„ Ich mache mir Sorgen“, flüsterte Teyla.
„ Ich weiß“, kam die Erwiderung.

Ein langer Moment des Schweigens folgte und ein jeder schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Der Lärm des Antriebs dröhnte in ihrer beider Ohren und das Knacken der Energieleitungen ließ sie selbst nach Monaten auf diesem Schiff noch immer erschrocken zusammenzucken.
„ Es ist schlimm genug, dass ich es erleben musste.“ Es war John, der das Schweigen brach. Er streckte seine Arme nach ihr aus und legte sie um ihre Taille. Ein tiefes Seufzen entrann seiner Kehle, ehe er sie ganz dicht an sich heran zog und seine Stirn behutsam gegen ihren Bauch lehnte. „ Ich kann einfach noch nicht darüber reden. Was mit mir und Cam…“
„ Es ist nicht deine Schuld, John“, wisperte Teyla und strich mit ihren Fingern durch seine dunklen Haare. „ Du hast dir nichts vorzuwerfen.“
„ Wenn ich nur…“
„ John!“, fiel Teyla dem Soldaten unschön ins Wort und kniete sich vor ihm nieder, blickte ihm tief in die Augen. „ Du weißt, dass das nicht wahr ist. Du bist nicht Schuld, an dem, was mit Col. Mitchell passiert ist.“
Er sah sie an, er sah sie lange an. Dann begann er langsam mit dem Kopf zu schütteln. „ Es ist meine Schuld“, beharrte er.
„ Wieso denkst du, dass es deine Schuld ist?“, wollte Teyla wissen und neigte ihren Kopf zur Seite. Sie ließ sich neben ihm, auf der schmalen Sitzfläche des cremefarbenen Sessels, nieder.
John kniff die Lippen zusammen und ließ seine Schultern fallen. „ Sie… sie wollten Informationen.“
„ Über dich und Col. Mitchell?“
Er schüttelte mit dem Kopf. „ Sie wollten die Gateadresse und den genauen Standort von Atlantis. Sie suchen nach neuen Nahrungsquellen.“
„ Warum haben sie dann Col. Mitchell…“, setzte Teyla zur Frage an… und schnappte nach Luft, als ihr die Zusammenhänge klar wurden. Entsetzt sah sie ihn an. „ Nein!“
„ Sie haben es vor meinen Augen getan“, presste er zwischen seinen zusammengekniffenen Lippen hervor. „ Sie haben es immer getan und wenn ihnen langweilig wurde, dann haben sie mich…“ Seine Stimme quittierte nun vollkommen.
„ Oh, mein Gott, John!“ Teyla legte ihre Hand an seine Wange. Auf einmal verstand sie, warum er sich Vorwürfe machte. Es musste unglaublich schwer für ihn gewesen zu sein, die Folter über sich ergehen zu lassen und dann auch noch tatenlos dabei zuzusehen, wie man seinen Kameraden misshandelte.
„ Sie haben die Geduld verloren“, fuhr John fort, obwohl es ihn sichtlich Überwindung kostete. „ Sie haben uns in den Wald gebracht und wollten uns umbringen. Sie meinten, dass sie ihre Informationen auch woanders her bekommen würden und dass sie uns nun nicht mehr brauchten.“ Er schluckte schwer und sah sie dann an. „ Sie… sie haben gesagt, dass ihr alle tot wärt, dass sie euch getötet hätten. Ronon, Rodney und dich und auch…“ Sein Blick wanderte über ihren Unterleib- die leichte Wölbung ihres Bauches lag verborgen unter einem weiten Shirt. Teyla nahm seine Hand drückte sie zärtlich und legte sie dann auf ihren Bauch.
„ Es geht uns allen gut“, versicherte sie ihm ruhig und mit einem liebevollen Lächeln. Sie streckte ihre Hand aus und strich ihm durch seine Haare. „ Es geht Ronon gut. Es geht sogar Rodney gut. Und es geht mir und unserem Kind gut.“ Teylas Lächeln wurde breiter und ihre braunen Augen begannen zu funkeln. „ Ich habe es vor ein paar Tagen zum ersten Mal gesehen.“
„ Wirklich?“ Für einen kurzen Augenblick verschwand der ernste Ausdruck von Johns Gesicht und ein Grinsen huschte über seine Lippen. „ Du… aber… wirklich?“ Er reckte sein Kinn nach vorne und sah sie dabei mit einem Blick an, der nach mehr verlangte. „ Ist mit dem Baby alles in Ordnung?“
„ Unserem Baby geht es sehr gut“, antwortete Teyla und fügte dann mit einem stillen Lächeln hinzu: „ Wir bekommen eine Tochter.“
„ Ein Mädchen?“, wiederholte John sie, hob dabei seine Augenbrauen, sodass sie fast in seinem Haaransatz verschwanden.
„ Ein Mädchen.“ Teyla seufzte zufrieden, als sie sah, wie John still in sich hinein schmunzelte, während er seine Hand immer wieder sanft über ihren Unterleib gleiten ließ.


Sie saßen noch eine ganze Weile beisammen und redeten miteinander, lachten zusammen über die Geschenke, die die Besatzung zusammengetragen hatten und verloren sich immer wieder in ihrem Staunen über die Tatsache, dass sich ihr Leben in ein paar Monaten so stark verändern würde und dass sie in ein paar Monaten nicht nur für sich, sondern auch für ein kleines Wesen zu sorgen hätten. Keiner von ihnen erwähnte noch ein Wort über die letzten drei Monate, doch es war John anzumerken, dass er ständig daran denken musste. Auch wenn er sich über Ronons Babygeschenk amüsierte- er dachte daran zurück, was man mit ihm gemacht hatte, doch sagen tat er nichts dergleichen.

Es war weit nach zwei Uhr Nachts, als Teyla müde ins Bett fiel- allein. Erst fiel es ihr gar nicht auf und als es ihr auffiel, war sie zu müde, um sich aufzuraffen und nach ihm zu sehen. Gähnend legte sie ihren brummenden Schädel auf ihr Kopfkissen und das Letzte, was sie merkte, bevor sie im Schlaf entschwand, war, dass John sich neben sie legte und sie fest an sich zog. Er hauchte ihr einen Kuss in den Nacken, legte seine Hand auf ihre und schien dann ebenso einzuschlafen wie sie.

Drei Monate waren eine sehr lange Zeit und das Letzte, was Teyla dachte, war, dass sie nur unendlich froh war, ihn zurückzuhaben. Sie war sich sicher, dass sie die anderen Aufgaben auch bewältigen würden und dass sich alles zum Guten wenden würde.

TBC
Nichts währt für immer by Ailya
„ Ich glaubs einfach nicht. Das ist doch… Wie um alles in der Welt… Das ist doch wohl vollkommener Schwachsinn!“ Ella Brennan warf ihre rotblonden Locken zurück und ihre minzgrünen Augen funkelten den Tablettlaptop, den sie in ihren Händen hielt und der sich entschlossen hatte, nun endgültig den Geist aufzugeben, erzürnt an. Sie stieß einen erbosten Laut aus und trommelte mit ihrer Faust gegen das Gehäuse des Computers. „ Blödes Ding!“

So weit sie sich zurückerinnern konnte, hatte sie es noch nie mit Computern und diesem anderen ganzen Technikkram gehabt. Sie hatte es schon von klein auf bevorzugt, persönlich mit Leuten zu reden, anstatt ihnen eine Email zu schreiben, deren Inhalt man teils aus dem Internet herunterladen konnte. Als Jugendliche hatte sie weder ein Mobiltelefon noch einen eigenen Computer gehabt- zumal sie die rasante Entwicklung auf dem Technikmarkt und das Gelaber ihrer Klassenkameraden immer zur Weißglut getrieben hatten. So etwas Naives aber auch, hatte sie immer geschimpft.
Es hatte durchaus Vorteile, wenn man Handgeschriebenes bevorzugte, aber mindestens doppelt so viele Nachteile. Einmal hatte sie stundenlang suchen müssen, ehe sie ihre schriftliche Ausarbeitung gefunden hatte- nur um dann erschrocken festzustellen, dass sich unwiderruflich ein satter, caramellfarbener Kaffeefleck in das Papier gesogen hatte. Ja, es war manchmal regelrecht zum Verzweifeln gewesen…

Doch das war alles nichts im Vergleich zu diesem Schlamassel! Ella schnaubte und startete einen letzten, geradezu verzweifelten Versuch die Lebensgeister ihres Computers zu wecken- scheiterte jedoch auf ganzer Linie und wurde mit einem kleinen Stromschlag bestraft. Überrascht ließ sie den Tablettlaptop auf den Tisch fallen, was ihm nichts anhaben konnte, da er eh seine letzte Reise angetreten hatte.
„ Blödes Ding“, beschimpfte sie den Computer, der so still, wie er da auf dem Tisch lag, eigentlich einen ganz friedlichen Eindruck machte, als schien er nur darauf zu warten, dass sie ihn noch mal in die Hand nahm und er noch mal einen Stromschlag durch den Körper jagen konnte- doch da hatte er seine Rechnung ohne sie gemacht!

Ella ergab sich einem tiefen Seufzer und fiel dann gegen die Lehne ihres Stuhls, der in den letzten dreieinhalb Stunden alles getan hatte, um ihren verlängerten Rücken zu malträtieren. „ Das darf doch alles nicht wahr sein“, murmelte sie und schlug sich die Hände vors Gesicht. Womit hatte ein friedfertiger Mensch wie sie nur so etwas verdient? Sie war immer artig gewesen, hatte sich so gut wie nie mit ihren Eltern und ihren Geschwistern gestritten. Sie hatte immer bereitwillig das Chaos in ihrem Zimmer beseitigt und selbst in der Schule hatte sie sich freiwillig angestrengt! Nichts hatte sie aus der Ruhe bringen können… außer diese Ausgeburt erfinderischen Wahnsinns, deren Entwickler ihr die vollkommen unpassende Bezeichnung „Personal computer“ gegeben hatte- an diesem Ding war gar nichts ‚personal’!

„ Na na, Dr. Brennan, Sie werden sich doch wohl nicht von ein paar defekten Schaltkreisen aus der Ruhe bringen lassen, oder etwa doch?“
„ Wären Sie mir damit vor einer halben Stunde gekommen, dann hätte ich Ihnen vielleicht auch geantwortet“, erwiderte Ella lächelnd und wandte sich um.
„ Wollen Sie damit andeuten, dass sie jetzt nicht mehr mit mir reden wollen und dass ich allein essen gehen muss?“ Lt. Matt Scott lehnte im Türrahmen, hatte sie Arme locker vor seinem Brustkorb verschränkt und grinste sie verschmitzt an.
„ Hhm…“ Ella legte einen Finger an ihre Lippen und rollte ihre Augen nachdenklich gen Decke. „ Genaugenommen, lieber Lieutenant, haben Sie mich noch nicht einmal gefragt, ob ich Sie begleiten möchte.“
„ Ich bin davon ausgegangen.“
„ Machen Sie das eigentlich immer so?“, fragte Ella und erhob sich von ihrem Stuhl.
Scott hob seine schmalen, braunen Augenbrauen. „ Was meinen Sie?“
„ Ich meine, ob Sie immer so vorgehen, wenn Sie sich an ein Mädchen ranmachen wollen“, erwiderte Ella.
„ Das muss ich nicht“, gab Scott ihr zur Antwort.
„ Ach, nein?“
„ Nein…“ Selbstsicher schüttelte der Soldat mit dem Kopf und machte einen Schritt auf sie zu. Grinsend wie ein pubertärer Schuljunge schlang er seine Arme um ihre Taille und funkelte sie mit seinen hellblauen Augen verschmitzt an. „ Ich kann nichts dafür. Meinem Charme kann einfach keine widerstehen.“
„ Nenn’ mir einen Grund, warum ich jetzt noch mit dir gehen sollte“, lachte Ella, boxte ihm in die Seite und machte dieser gewitzelten Förmlichkeit ein Ende.
„ Ich wäre unsagbar traurig, wenn du es nicht machen würdest“, antwortete Matt und schnitt eine Grimasse, die Ella bisher nur bei ihrem jüngeren Bruder Tony gesehen hatte, wenn er um etwas gebettelt hatte.

„ Matthew Phileas Scott, du bist unmöglich“, lachte sie, streckte ihre Hand aus und wuschelte ihm so gut es ihr möglich war durch seine, nunmehr wieder dem Militärschnitt zum Opfer gefallenen, braunen Haare. Der Soldat quittierte dies mit einem weiteren, kecken Grinsen, zog sie noch näher zu sich.
„ Ich befürchte, es gehört zu meinem Job, unmöglich zu sein“, meinte er und zwinkerte ihr zu. Ella setzte ein strahlendes Lächeln auf und blinzelte ihn mit ihren grünen Augen voller Wonne an.
„ Wie du meinst, ich hab’ nichts dagegen.“ Sie zuckte mit den Schultern und schloss genießerisch die Augen, als Matt ihr einen kurzen, dafür aber sehr zärtlichen Kuss über die Lippen hauchte.
„ Und…“, meinte er dann, „…kommst du nun mit? Du weißt, dass ich mich in Lt. Whitefields Nähe nicht wohlfühle und dass mir Dr. McLaine zu viel redet.“
Ella zog die Augenbrauen zusammen. „ Und die Tatsache, dass Whitefield und McLaine Frauen sind, hat damit gar nichts zu tun, nicht wahr?“
Matt neigte schuldbewusst seinen Kopf. „ Ertappt.“ Er grinste noch breiter. „ Aber du weißt doch… selbst in der Gegenwart von Pamela Anderson würde das Steak nur halb so gut schmecken. Warum? Weil du aus lauter Vergleichsangst dann den Tisch meiden und mich allein lassen würdest.“
„ Oh, wie rührend“, entgegnete Ella sarkastisch. „ Es überrascht mich immer wieder, was du alles tust, um meine Gesellschaft beim Essen zu sichern, Lieutenant.“
Matt kniff die Augen zu Schlitzen zusammen und lehnte seine Stirn gegen die ihre. „ Wir könnten auch was anderes machen, wenn du verstehst was ich meine…“

Ella konnte ihre roten Wangen gerade noch mit einem Lächeln überspielen, als eine laute, kreischende Stimme hinter ihnen, sie aus ihrer Schwärmerei für einander riss. „ Oh ja, Sie könnten zum Beispiel Ihre Arbeit erledigen, Dr. Brennan!“
Erschrocken lösten sich Ella und Matt aus ihrer doch sehr sinnlichen Umarmung. „ O…oh, Dr. McKay“, stammelte Ella und Matt ließ ein nicht minder ertapptes ‚ Sir’ folgen, als Col. Sheppard mit einem seligen Grinsen hinter Dr. Rodney McKay auftauchte.
„ Haben wir bei irgendwas gestört?“, fragte der dunkelhaarige Soldat, lehnte sich gegen den Türrahmen und verschränkte die Arme vor dem Brustkorb. Seine Mundwinkel kräuselten sich- so sehr versuchte er, ein amüsiertes Grinsen zurückzuhalten und möglichst ernst zu bleiben.
„ Nein, Sir“, erwiderte Matt schnell und nahm eine stramme Körperhaltung ein.
Sheppard schmunzelte, ehe er Matt mit einer wirschen Handbewegung entließ. „ Stehen Sie bequem, Lieutenant.“
„ Danke, Sir.“
„ Ich nehme an, dass wir Sie nicht bei einer wissenschaftlichen Diskussion über ihre Arbeit gestört haben, Dr. Brennan?“, fragte der Colonel mit gespieltem Ernst.
„ Deren Wichtigkeit Sie scheinbar unterschätzen“, fügte Dr. McKay aufgeregt mit dem Finger herumwedelnd hinzu. Sheppard brachte ihn mit nur einem Blick zum Schweigen.
„ Nein, Colonel“, antwortete Ella dem befehlshabenden Offizier verlegen und merkte, wie sich ihre Wangen dunkelrot färbten- es gab für sie nichts Schlimmeres, als Col. Sheppards Blick standzuhalten! Nicht nur, dass dieser Kerl verdammt attraktiv war…

Sheppard blickte spitzbübisch grinsend zwischen ihr und Matt hin und her und meinte nach abgeschlossener Betrachtung: „ Dann wollen wir Sie auch nicht weiter stören.“
„ Was!?“ Dr. McKay sah ihn ungläubig an. „ Haben Sie denn nicht gesehen, dass…“
„ Holen Sie das, was Sie brauchten und dann sollten wir Dr. Brennan nicht weiter bei Ihrer Arbeit stören“, fiel ihm der Colonel ins Wort.
„ Arbeit?“, wiederholte McKay kopfschüttelnd. „ Das nennen Sie Arbeit?“
Col. Sheppard ließ seinen Blick über den Tisch und über die Computer schweifen. „ Für mich sieht das hier sehr nach Arbeit aus, Rodney.“
„ Sie will ich eines Tages mal verstehen“, schimpfte Dr. McKay und machte sich daran, das, was auch immer er mal wieder vergessen hatte, zu holen. Er quetschte sich theatralisch an Ella vorbei, nicht ohne sie bösen Blickes zu bedenken, und schnappte dann nach dem Tablettlaptop, der unter Ellas Regentschaft vor wenigen Minuten den Geist aufgegeben hatte- doch scheinbar bemerkte ihr Vorgesetzter das nicht…. Grummelnd quetschte er sich seinen Weg zurück
.
„ Sehen Sie, ist doch gar nicht mal so schwer.“ Sheppard hatte jeden Schritt seines Kollegen beobachtet und schenkte ihm nun ein Lächeln, von dem Ella sich sicher war, dass Dr. McKay es hasste.
„ Pah“, machte ihr Vorgesetzter nur und rauschte wie eine Furie hinaus in den Korridor.
Col. Sheppard sah ihm schmunzelnd nach, ehe er sich zu Ella und Matt umdrehte und sie mit einem kurzen Nicken bedachte. „ Dr. Brennan, Lieutenant- weitermachen.“
„ Jawohl, Sir“, erwiderte Matt und nun war es ihm auch anzusehen, wie unangenehm ihm das Ganze war. Ella senkte nur verlegen den Blick und wartete, bis Col. Sheppard breit grinsen das Labor verlassen hatte und sie Matt laut ausatmen hörte.
„ Das war knapp“, kicherte der Soldat und umarmte sie wieder.

Ella nahm seine Hand und zog ihn hinter sich her; hinaus aus dem Labor, den anderen Ausgang benutzend. Sie wusste noch nicht wohin sie ihn führen wollte, aber zwei Dinge waren für sie sicher: Sie wollte nicht im Labor sein, wenn Dr. McKay bemerkte, dass sein Computer das Zeitliche gesegnet hatte, und außerdem war ihr jeglicher Appetit vergangen.
„ Wo wollen wir hin?“, hörte sie Matt amüsiert fragen. Sie drehte sich zu ihm um und schenkte ihm ein kurzes Lächeln.

+++++++++


„ Wieso wundert es mich nicht, dass Sie Herumknutschen als Arbeit bezeichnen?“, schimpfte Rodney, als er neben ihm herlief und sichtlich damit beschäftigt schien, den Grund für das Nichtfunktionieren seines Computers herauszufinden.
John erwiderte ihm nichts, sondern schmunzelte nur still in sich hinein. Ihm war schon vor längerer Zeit klar geworden, dass er nicht auf jede Frage, die ihm sein Wissenschaftsfreund stellte, zu antworten hatte- so war es auch dieses Mal.
„ Gut“, meinte Rodney angesäuert, „ wenn Sie nicht mit mir reden wollen.“ Er rümpfte die Nase, nur um im nächsten Augenblick wild mit seinem Zeigefinger vor dem Gesicht des Soldaten herumzuwedeln und dramatisch die Augenbrauen hochzuziehen. „ Aber ich sag Ihnen- das wird Ihnen noch leid tun! Sie wissen ja nicht, wie wichtig diese Berechnungen waren!“
„ So lange es nicht darum geht, wie lange wir noch Luft zum Atmen haben oder wann und wie wir unsere Wasservorräte wieder auffühlen müssen“, sagte John kühl und zuckte mit den Schultern.
„ Es war wichtig“, bemerkte Rodney und unterstrich seine Aussage mit einem lauten, tiefen Seufzen. Missmutig zog er die Augenbrauen zusammen und tippte auf den noch immer dunklen Bildschirm seines Tablettlaptops- keine Reaktion.
„ Probleme?“, erkundigte sich John sarkastisch, während er einem Besatzungsmitglied auswich, das ihn erst im allerletzten Moment gesehen hatte und nicht mehr hatte ausweichen können. Die Wissenschaftlerin entschuldigte sich leise, strich sich verlegen eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht und ging dann weiter ihres, doch recht eiligen Weges.
„ Das blöde Ding funktioniert nicht mehr“, moserte Rodney und John wusste nicht, ob der Kanadier jetzt auf ihn wütend war oder auf den nicht funktionierenden Computer. „ Das ist schon der dritte innerhalb einer Woche!“
„ Vielleicht sollten Sie pfleglicher mit den Dingern umgehen“, schlug John vor, wofür Rodney allerdings nur ein genervtes Augenrollen übrig hatte.
„ Als ob ich damit Football spielen und sie munter durch die Gegend schleudern würde.“ Der Kanadier schüttelte mit dem Kopf. „ Ich weiß auch nicht. Irgendwas stimmt hier nicht. Das sollte sich Dr. Brennan vielleicht mal ansehen- ach, nein!“ Er riss eine Hand in die Höhe und begann hysterisch damit herumzufuchteln. „ Hätten Sie es sich nicht zur Aufgabe gemacht, Amor für die armen Seelen auf diesem Schiff, zu spielen, dann…“
„ Okay, okay, okay“, wimmelte John den Wissenschaftler ab, bevor der Chance hatte, eine seine berüchtigten Beschimpfungsarien zu starten, und hob beschwichtigend die Hände. „ Kann sein, dass ich die Situation ein bisschen falsch gedeutet habe.“
Rodney blieb mitten im Korridor stehen und starrte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „ Kann sein? Ein bisschen? Untertreiben Sie da nicht ein bisschen? Das war doch wohl mehr als offensichtlich!“
„ Wie Sie meinen“, brummte John und schnitt eine Grimasse. „ So ein bisschen Gesellschaft würde Ihnen sicher auch gut tun. Sie sollten sich vielleicht mehr unter die Leute mischen.“
„ Was soll das werden?“, fragte Rodney misstrauisch.
„ Ich bin nur um Ihr Wohlergehen besorgt“, antwortete der Soldat schulterzuckend.
Rodney lachte heiser auf. „ Seit wann sorgen Sie sich um mein Wohlergehen?“ Er schüttelte wieder mit dem Kopf und ging dann langsam weiter; den Tablettlaptop hatte er sich unter den Arm geklemmt- scheinbar hatte er den Kampf fürs Erste aufgegeben.
John antwortete auf die Frage des Wissenschaftlers mit einem stillen, aber amüsierten Grinsen.

Eine ganze Weile gingen sie noch nebeneinander her, bis Rodney schließlich seine Lippen schürzte, wieder einmal mit dem Finger herumzuwedeln begann und ihn voller Ernst ansah. „ Wissen Sie, was Ihr Problem ist?“
John sah ihn verwirrt an. „Sie werden es mir mit Sicherheit gleich sagen.“ Sarkasmus lag in seiner Stimme, von dem er ganz genau wusste, dass Rodney das auf die Palme brachte- doch der Kanadier blieb erstaunenswerterweise ruhig, sein Blick füllte sich mit noch mehr Ernst.
„ Sie sind weich geworden“, sagte Rodney ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Er fuhr fort, bevor John überhaupt Gelegenheit hatte, über das nachzudenken, was sein Teamkollege da eben von sich gegeben hatte. „ Diese ganze Schwangerschaftssache- das hat Sie weich gemacht!“
John konnte über die Kühnheit von Rodney nur lächeln- er musste zugegeben, dass der Kanadier in mancher Hinsicht vielleicht recht hatte, doch einen Sieg auf verbaler Ebene wollte er ihm nicht gönnen. Also setzte er nur ein verschmitztes Grinsen auf. „ Denken Sie was Sie wollen, Rodney, und…“
„ Rodney, ich brauch’ Sie hier unten im Maschinenraum“, krakelte aus heiterem Himmel eine Stimme, die man nur einem entnervt klingenden Mike Branton zuordnen konnte, aus dem Headset des Kanadiers und unterbrach John.
Rodney verdrehte seine Augen. „ Was ist denn jetzt schon wieder los?“
„ Wenn ich es wüsste, dann hätte ich Sie wohl kaum gerufen“, antwortete ihm der Wissenschaftler am anderen Ende der Funkverbindung, die in Johns Ohr ziemlich unsicher klang und voll von Störfrequenzen war.
„ Na schön.“ Rodney seufzte auf. „ Warten Sie, ich bin gleich da. McKay Ende.“
„ Alles in Ordnung?“, fragte John.
„ Wahrscheinlich wieder irgendeine Störung“, erwiderte Rodney und zog scharf die Luft ein. Er wirkte nun nicht mehr so locker und seine angriffslustige Stimmung schien nach dem kurzen Gespräch verflogen zu sein.
John nickte. „ Müssen wir uns Sorgen machen?“
„ Das ist ein Schiff der Antiker, das seit was-weiß-ich wie vielen Jahrtausenden durch den Weltraum schwebt“, sagte Rodney. „ Da kann schon mal was nicht einwandfrei funktionieren.“
„ Dann sein Sie so freundlich und überprüfen Sie das“, wies John ihn an, stemmte nachdenklich die Hände in die Hüften. „ Das Letzte, was wir gebrauchen können, ist, dass uns mitten im Nirgendwo der Strom ausgeht.“

+++++++++++++++


„ Und Sie sind sich sicher, dass das normal ist?“ Unsicher hob Wendy Dempsey ihren Kopf und betrachtete die flackernden Lichter mit sorgenvoller Miene. „ Das geht doch jetzt schon seit Tagen so. Also ich finde das beunruhigend.“
„ Ihnen würde es sogar was ausmachen, wenn in China ein Sack Reis umfallen würde“, schimpfte Tamara McLaine, strich sich ihre braunen Haare aus dem Gesicht und schob sich dann einen Löffel in den Mund.
„ Es mag Ihnen vielleicht nichts ausmachen, aber mir schon“, verteidigte sich Wendy, deren blaue Augen noch immer an den Deckenleuchten klebten.
„ Ich weiß ja nicht, wie Sie das sehen, Wendy“, setzte Tamara von Neuem an. „ Aber für mich ist das hier ein altes Schiff- und alte Sachen funktionieren nun manchmal nicht so einwandfrei, wie man es erwartet.“
„ Also, ich weiß nicht.“ Jennifer Keller schüttelte nachdenklich mit dem Kopf, wobei ihre honigblonden Haare auf und ab wippten. Sie setzte ihr Glas an ihre Lippen, trank einen Schluck der klaren Flüssigkeit und sah dann Tamara über den Glasrand hinweg an. „ Ich muss Wendy recht geben. Das geht jetzt schon seit Tagen so.“
„ Ich habe gehört, wie sich Dr. McKay und Dr. Weir darüber unterhalten haben“, mischte sich nun auch Lt. Kate Whitefield ein. Wissend blickte sie in die Runde. „ Sie klangen nicht gerade sehr zufrieden.“
„ Sie haben bestimmt nicht darüber geredet“, kommentierte Tamara Kates Aussage kühl und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. „ Ich verstehe ehrlich nicht, warum Sie sich um so ein paar flackernde Lichter Sorgen machen. Daheim in Kansas gab es das fast jeden Abend.“
„ Vielleicht ein Grund warum Sie sich keine Sorgen machen“, murmelte Wendy gedankenverloren.
„ Wir sind hier aber nicht in Kansas“, merkte Jennifer an. „ Wie Sie sagten, Tamara, wir sind hier auf einem alten Raumschiff.“
„ Sie denken doch nicht etwa…“ Wendy Dempsey brachte ihre Frage nicht zu ende, wurde kreidebleich.
„ Nein, nein, das denke ich nicht“, beruhigte Jennifer ihre Kollegin kopfschüttelnd. „ Ich will nur sagen, dass wir schon einiges erlebt haben und dass ich mir sicher bin, dass es noch mindestens genauso vieles da draußen gibt, wovon wir noch nicht einmal ahnen, dass es existiert.“

Eine Stille legte sich über die kleine Gesprächsrunde und die vier Frauen sahen einander eingehend an; jede schien die Gedanken der anderen lesen zu wollen. Wendy Dempsey, die zarte Linguistin mit dem Porzellanteint und den glatten, schwarzen Haaren, wurde von Sekunde zu Sekunde bleicher und starrte geradezu angewidert auf ihr Essen hinab.
Lt. Kate Whitefield, die erdverwachsene Irin, warf ihre feuerroten Locken zurück und der Blick ihrer pfefferminzgrünen Augen traf den von Tamara McLaine. Diese zog ihre schmalen Augenbrauen hoch, kräuselte ihre Lippen, strich sich eine ihrer braunen Haarsträhnen aus dem Gesicht, hinters Ohr.
„ Nun ja“, meinte Jennifer schließlich und brach damit das unangenehm werdende Schweigen. Sie lächelte scheu und verhalten. „ Vielleicht sollten wir uns wirklich keine Sorgen machen und es stellt sich wirklich nur als ein Missverständnis heraus. Und vielleicht hat Tamara ja auch recht- wir sollten es nicht so engstirnig sehen. Es wird schon alles gut gehen!“ Doch im Angesicht der Tatsache, dass sie das noch vor weniger als einer Minute stark bezweifelt hatte, konnte sie sich noch nicht einmal selbst glauben. Wieso sollten es dann ihre nunmehr verunsichert drein blickenden Kolleginnen tun?

+++++++++++++


Er hatte nicht erwartet, jemanden um die Uhrzeit bei ihm vorzufinden- und so überraschte es ihn, Samantha Carter neben Col. Mitchells Bett sitzend zu finden. Ein elendiges, schuldbewusstes Gefühl überkam ihn und er kam zu dem Schluss, dass es vielleicht besser wäre, woanders zu warten… doch Sam hatte ihn kommen gehört und drehte sich zu ihm um. Sie lächelte freundlich und ihre meerblauen Augen erstrahlten ihr ganzes Gesicht. „ Col. Sheppard“, grüßte sie ihn.
„ John“, korrigierte er sie leise.
„ Ah ja. Ich vergess’ es doch immer wieder.“ Sam lächelte und um ihren Mund bildeten sich feine Lachfältchen. „ Ich freu’ mich wirklich, Sie zu sehen… John.“

Der Soldat lächelte verhalten. Er fühlte sich mehr als unwohl in seiner Haut und es gab nichts, was er lieber getan hätte, als von hier zu verschwinden. Er hatte vier Wochen gebraucht, bis er sich überhaupt in die Nähe der Krankenstation getraut hatte. Und auch jetzt- sechs Wochen später- hatte er noch immer Herzklopfen und noch immer plagten in die Schuldgefühle…
„ Wie…wie geht es ihm?“, fragte er mit einem zögerlichen Nicken in Mitchells Richtung. Der Leiter von SG1 sah noch immer bemitleidenswert aus; sein Gesicht war selbst nach sechs Wochen noch nicht verheilt und auch seine Arme waren noch übersäet mit teils dunklen Blutergüssen und Schrammen.
„ Er… er hat vor zwei Tagen zum ersten Mal die Augen geöffnet“, wusste Sam stolz zu berichten. „ Es war nur für wenige Augenblicke, aber…“ Ein Lächeln zog sich über ihr Gesicht, sodass John erahnen konnte, wie erleichtert sie gewesen sein musste; ebenso wie der Rest des Teams sich gefühlt haben musste.
„ Das ist toll“, brachte John mühsam hervor und konnte sich ein Lächeln aufs Gesicht zwingen.
„ Ja.“ Sam’s Augen strahlten umso mehr. „ Dr. Beckett meint, dass die Chancen nun nicht mehr so schlecht stehen.“ Sie seufzte leise und ihr Lächeln verrutschte leicht. „ Aber dennoch wird es ein Kampf werden, wenn er aufwacht.“

John merkte, wie ihm diese Aussage den Magen umdrehte und wie es ihm augenblicklich elend wurde. Er biss die Zähne zusammen und kniff die Lippen fest aufeinander. Er hatte Wochen gebraucht, um sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass nicht er Schuld hatte, an dem, was mit Mitchell passiert war. Er hatte sich dennoch schuldig gefühlt und selbst heute noch konnte er es sich nicht verzeihen, dass er seinen Kameraden so hatte leiden lassen. Es war schwer für ihn- das wagte er nicht zu verleugnen!
Sam schien zu merken, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte und ruderte zurück. „ Es ist nicht Ihre Schuld“, versuchte sie die Situation zu retten.
„ Ich weiß“, erwiderte John, wie er es sooft in den letzten Wochen getan hatte, wenn er nicht wollte, dass ihn die Leute bemitleideten- er hasste es, wenn Leute das taten!
Das elende Gefühl verschwand aus seinem Magen und er konnte wieder klarer denken. „ Ich habe oft daran gedacht, in den letzten Wochen. Daran, wie ich es hätte verhindern können und daran, was passiert wäre, wenn man uns nicht gefunden hätte.“
„ Dann wären Sie jetzt wahrscheinlich beide tot“, meinte Sam und verband die brutale Wahrheit mit einem scheuen Lächeln. „ Aber das ist nicht passiert- zum Glück! Ich kann mir nicht vorstellen, wie es geworden wäre- ohne Sie und ohne Cameron.“
„ Ziemlich langweilig“, murmelte John und musste grinsen. Als er aufblickte, sah er, dass Sam ebenfalls lächelte.
„ Ich bin mir sicher, dass Cameron Ihnen nichts anrechnen wird“, sagte sie im Brustton der Überzeugung und mit solcher Sicherheit, dass John sich ein kleines bisschen verloren vorkam. Deshalb nickte er nur. Sam schenkte ihm ein wohlwollendes Lächeln. „ Und ich bin mir sicher, dass er nicht will, dass Sie sich seinetwegen Vorwürfe machen. Es ist nicht Ihre Schuld, John, und Sie sollten es sich nicht so schwer machen, das zu akzeptieren.“
„ Wenn das doch nur so einfach wäre“, seufzte der Soldat und richtete seinen Blick auf die schwarzen Spitzen seiner Militärstiefel…

Man konnte ihm sagen, dass es nicht seine Schuld war. Und er konnte akzeptieren, dass es nicht seine Schuld war- aber ein gewisses Grummeln in seiner Magengegend würde immer bleiben! Nicht, dass er das Leiden von Cameron Mitchell zu verantworten hatte. Die Erinnerungen an die drei Monate seiner Gefangenschaft hatten sich unwiderruflich in sein Gedächtnis eingebrannt und die Narben an seinem Körper erinnerten ihn jeden Tag an das Leid und an die Schmerzen, die er hatte ertragen müssen. Das war nicht etwas, was man so einfach vergessen konnte. Nein, das würde ihm für die Ewigkeit bleiben- ob er es wollte oder nicht.
John hob seine Hand und betrachtete erst seinen vernarbten Handrücken, ehe er sich durch seine dunklen Haare strich. Ein feiner Schnitt verlief über seine Hand und er wusste, dass sie bis hin zu seiner Schulter reichte. Er seufzte; nur eine Narbe, die ihn sein Leben lang an die Qualen erinnern würde!

Es war nicht so, dass er aufgehört hatte daran zu denken. Damals, als diese Sache mit seinem Kameraden Holland gewesen war, hatte er irgendwann beschlossen, einfach nicht mehr daran zu denken. Doch dieses Mal war es anders! Jeden Tag dachte er daran! Nachts wachte er manchmal schweißgebadet auf und wusste nicht mehr, wo er war. Es war schrecklich! Immer wieder tauchten die Bilder vor seinem inneren Auge auf; Baku, seine widerwärtige Art zu Töten, Larrin, aus deren sterbenden grünen Augen das für sie charismatische Funkeln verschwunden war. Er wünschte sich wirklich, dass er sich nicht daran erinnern würde…

Sam hatte ihn die ganze Zeit über nachdenklich und still betrachtet- wahrscheinlich fragte sie sich, worüber er nachdachte und was er sich selber vorwarf. „ Es ist nett, dass Sie gekommen sind“, sagte sie zu ihm.
„Mein letzter Besuch ist schon länger her und irgendwie musste ich mal wieder nach ihm sehen“, erwiderte John. „Ich war sowieso gerade in der Nähe. Teyla hat heute einen Termin bei Carson.“
„ Ist alles in Ordnung mit ihr und dem Baby?“, erkundigte sich Sam besorgt und fügte hinzu: „ Ich hab’ schon lange nicht mehr mit ihr gesprochen.“
John lächelte. „ Alles in Ordnung. Nur eine Routineuntersuchung.“
Sam seufzte. „ Ich fühl’ mich ganz schlecht. Es ist mit Sicherheit schon zwei oder drei Wochen her, dass ich mich länger mit ihr unterhalten habe“, stellte sie fest. „ Wie weit ist sie jetzt eigentlich?“
„ Carson meint, circa 22ste Woche“, gab John ihr zur Antwort.
„ Wie die Zeit doch vergeht“, sinnierte Sam lächelnd. „ Es ist ja schon fast ein bisschen unheimlich.“

John erwiderte ihr nichts, sondern lächelte einfach nur. Die blonde Wissenschaftlerin hatte recht- es ging alles so wahnsinnig schnell! Es kam ihm vor wie gestern, als Teyla ihm gesagt hatte, dass sie ein Kind von ihm erwartete. Zuerst hatte er es ihr nicht geglaubt- ja, er hatte sogar nachgefragt! Zweimal! Und selbst, als sie ihm zweimal versichert hatte, dass es sein Baby war, hatte er es noch nicht richtig glauben können. Bis heute fiel es ihm schwer, sich vorzustellen, dass Teyla unter ihrem Herzen ein kleines Wesen trug- ein Baby, sein Baby, ihr Baby! Er lächelte bei dem Gedanken…

„ Col. Sheppard?“ Es kostete ein paar Sekunden, bis John merkte, dass er und Sam nicht mehr allein waren- Dr. Carson Beckett stand in einiger Entfernung und lächelte warmherzig in ihre Richtung. Der freundliche Schotte richtete seinen Blick auf Sam. „ Ich fürchte, dass ich den Colonel für ein paar Minuten ‚entführen’ muss.“
Sam erwiderte ein Lächeln. „ Dann ‚entführen’ Sie ihn mal, Doktor. Ich wollte sowieso gerade gehen.“ Sie erhob sich von dem Stuhl und tätschelte Mitchell zum Abschied noch einmal seinen Handrücken.
„ Ich werde Sie rufen, falls sich irgendetwas ändert“, versicherte Carson ihr.
„ Danke.“ Sam ging- aber nicht ohne sich vorher von den beiden Männern mit einem freundlichen Lächeln zu verabschieden. John sah ihr nach, bis sie verschwunden war und fragte sich, wie sie sich wohl bei der ganzen Sache und dem Trubel um Mitchell fühlen musste. Doch er dachte nicht lange darüber nach, sondern machte sich dann daran seinem ‚Entführer’ zu folgen. Carson hatte ihm noch ein paar Momente allein mit Mitchell gewährt, war bereits vorgegangen und erwartete ihn in dem etwas abgeschirmten Bereich, der in drei Teile geteilten Krankenstation der Artemis.

Doch er wartete nicht allein; Teyla hatte auf einer der Patientenliegen Platz genommen, ließ ihre Beine über die Kante hinweg baumeln und hatte beide Hände über ihren Bauch gelegt, der sich unter ihrem weit fallenden Oberteil nun mehr als deutlich wölbte. „ Du bist spät“, sagte sie ohne jeden Vorwurf in ihrer Stimme, aber mit streng verzogenen Lippen.
„ Ja, ich weiß.“ John trat an die Liege heran und hauchte ihr einen sanften Kuss über die geschürzten Lippen. „ Ich… ich war noch bei Mitchell.“
Teylas Miene lockerte sich. „ Wirklich? Das ist schön.“ Sie streckte ihre Hand nach ihm aus und fuhr mit ihren Fingern über seine Wange. „ Wie geht es ihm?“
„ Sam war da“, antwortete John und lehnte sein Gesicht gegen ihre Handinnenfläche. „ Sie meinte, dass er vor ein paar Tagen zum ersten Mal die Augen geöffnet hat.“ Er ließ seine Hand sinken und streichelte über ihren Bauch.
„ Oh…“, meinte Teyla einfach nur, aber allein ihr entspannter Gesichtsausdruck verriet, dass sie sich freute. Auch sie hatte sie in den letzten Wochen um den Teamleader von SG1 gesorgt und es hatte Tage gegeben an dem ihr beides- ihre Schwangerschaft und die Sorge um Mitchell- zu viel geworden waren. Möglicherweise war das ein Grund, weshalb sie sich nicht überschwänglich freute, sondern die Tatsache nur mit einem freudigen Lächeln quittierte.
John blickte sie an und musste besorgt feststellen, dass sie doch ziemlich erschöpft aussah. Dunkle Ringe lagen unter ihren Augen und ihr Gesicht wirkte eingefallen. Er hatte nicht mitbekommen, wie es ihr während der ersten Monate ergangen war, doch selbst jetzt fühlte sie sich morgens nicht gut.
Heute war wieder einer dieser Tage, an denen er sie am liebsten zurück ins Bett gesteckt hatte. „ Hey, alles in Ordnung?“, fragte er sie und bekam sie am Ellenbogen zu fassen. Ihre Finger waren an ihren Schläfen und ihr Blick wirkte glasig.
„ Du musst dir nicht immer Sorgen um mich machen, John“, seufzte Teyla. „ Ich habe heute Nacht nur nicht gut geschlafen- das ist alles.“
„ Vielleicht liegt es aber auch daran, dass Sie heute geschlagene fünf Stunden mit Dr. Dempsey an diesem Übersetzungsprogramm gearbeitet haben“, spekulierte Carson Beckett, der wieder zu ihnen stieß. „ Und so wie mir zu Ohren gekommen ist, hat man Sie auch im Trainingsraum gesehen.“
„ Und dann wird Ihnen Ronon sicher auch gesagt haben, dass ich beim Training nur zugesehen habe“, verteidigte sich Teyla. „ Außerdem bin ich nur drei Stunden bei Dr. Dempsey gewesen.“
Ihre Worte schienen jedoch weder Carson noch John wirklich zu besänftigen. Der Soldat hob seine Augenbrauen, sah sie vorwurfsvoll an und wiederholte das soeben Gesagte. „ Du hast trainiert? Mit Ronon?“
Teyla legte ihm eine Hand auf den Arm. „ Ich habe nicht mit ihm trainiert, John. Ich habe nur bei seinem Training mit den Marines zugesehen. Du lässt es so klingen, als sei es verkehrt.“
„ Sie sollten sich schonen, meine Liebe“, mahnte Carson sie. „ Die ersten, kritischen Monate mögen vielleicht vorbei sein, doch Sie sollten nicht Ihr Bedürfnis nach Ruhe ignorieren. Ihr Körper wird Ihnen sagen, wenn es für Sie und das Baby zu viel wird. Und ich bin mir sicher, dass keiner von uns es soweit kommen lassen will.“
„ Ich werde mich in Zukunft etwas mehr zurückhalten“, versprach Teyla und lächelte besänftigend.
„ Das hoffe ich, denn wenn nicht, dann sehe ich mich leider gezwungen dich nur mit Wasser und Brot in unserem Quartier festzuhalten“, tadelte John sie. „ Also, hör’ auf das, was der Doc sagt.“

Teyla lächelte milde, ehe sie ihre Beine über die Bettkante hievte und sich gegen das aufgestellte Kopfteil der Patientenliege lehnte. Sie atmete einmal tief ein und dann ebenso tief wieder aus, ehe sie ihre rehbraunen Augen auf Carson richtete, der scheinbar nur auf dieses Signal gewartet zu haben schien.
Seine markanten, schottischen Gesichtszüge, die sich in den letzten Minuten leicht angespannt hatten, lockerten sich. Ein sympathisches Lächeln verformte seine Lippen und seine blauen Augen strahlten sie voller Wohlwollen und Wärme an. „ Dann wollen mir mal sehen, wie es Ihrem Baby geht“, sagte er freundlich.
„ Und du bist sicher, dass du dabei sein willst?“, fragte Teyla und griff nach Johns Hand. Der Soldat setzte sich lächelnd auf die Bettkante, führte ihre Hand an seine Lippen und hauchte einen zärtlichen Kuss auf ihre Finger.
„ Nenn’ mir nur einen Grund, warum ich es nicht tun sollte“, sagte er im ruhigen Ton. „ Ich hab’s einmal verpasst und das wird nicht noch mal passieren. Es ist unser Baby.“
Die Athosianerin schenkte ihm ein herzerwärmendes Lächeln, drückte seine Hand fest und sah ihm tief in seine haselnussfarbenen Augen. Sie richtete ihren Blick erst auf den kleinen, mit lantianischen Zeichen versehenen Bildschirm, den Carson neben die Patientenliege geschoben hatte, als der Mediziner ihr Oberteil hochschob und mit einer Gerätschaft, die entfernt an einen missgestalteten Joystick erinnerte, über ihren Bauch glitt.
„ Ich bin nicht allzu begeistert von dieser Technik“, merkte er zwischendurch an. „ Aber es reicht, um alles zu erkennen, was wichtig ist.“

John betrachtete den noch immer schwarzen Bildschirm eingehend, hoffte inständig als Erster irgendetwas zu erkennen- doch es war Teyla, über deren Gesicht ein Lächeln huschte und deren braune Augen zu funkeln begannen.
„ Doc…“, setzte John zu Frage an, starrte nunmehr intensiv auf den kleinen Bildschirm. „ Ich bezweifle, dass das mit mangelnder Sehfähigkeit zu tun hat, aber…“
„ Für den ungeübten Betrachter ist es schwer etwas zu erkennen“, fiel Carson ihm ins Wort, lächelte. „ Aber es müsste gleich besser werden und dann müssten auch Sie etwas sehen.“
„ Da“, murmelte Teyla leise und John spürte, wie sie seine Hand fester drückte. Sie streckte ihren Finger aus und berührte eine Stelle in der Mitte des Bildschirms. Der kleine Monitor flimmerte. Es war sehr verschwommen, aber dennoch konnte man das kleine kräftige Herzchen schlagen sehen.
„ Oh, mein Gott“, stieß John hervor und ein breites Grinsen zog sich über sein Gesicht. „Ist das das Baby?"
„ Ja, das ist es, mein Junge.“ Carson betätigte einen kleinen, unscheinbaren Knopf und das Bild fuhr näher heran. „ Ihrem Baby scheint es gut zu gehen- es nuckelt gerade am Daumen, sehen Sie? Es scheint zu schlafen. Im Gegensatz zu seiner Mutter.“ Er warf Teyla einen schnellen Blick zu, den sie aber nicht bemerkte, sondern stattdessen weiter auf den Monitor starrte.
„ Es ist so klein“, stellte John entzückt fest und die Sorgenfalten, die seinen Gesichtsausdruck in den letzten Wochen geprägt hatten, verschwanden.
Sie ist so klein“, korrigierte Teyla ihn leise und schaffte es ihren Blick von ihrer Tochter loszureißen und John anzusehen. Er bemerkte ihren Blick und strahlte sie an, beugte sich zu ihr vor und gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Nasenspitze.
„ Ich liebe dich“, wisperte er mit einem Lächeln gegen ihre Wange. Die Athosianerin lehnte sich gegen ihn und ihre Lippen trieben auseinander, um ihm zu erwidern, doch die plötzlich zu flackern beginnenden Deckenleuchten machten diesen emotionalen Moment zu nieder.
„ Verdammt, McKay“, brummelte John erbost und erinnerte sich kurz an das Gespräch, dass er mit dem Kanadier geführt hatte.
„ Das geht heute schon den ganzen Tag so“, meinte Carson mehr geseufzt als gesagt. „ Ich hoffe, dass es nichts Ernstes ist. Das wäre nicht gerade das, was wir jetzt gebrauchen können.“
„ Was ist denn los?“, fragte Teyla beunruhigt und hob ihren Blick gen Decke.
„ McKay wollte das klären.“ John schüttelte mit dem Kopf. Aus irgendeinem Grund gefiel ihm das ganz und gar nicht und in seinem Magen grummelte es. Er seufzte tief, ehe er sein Headset aktivierte und mit festem Ton hinein sprach: „ McKay, was zur Hölle ist das los?“

Er wusste nicht, was ihn nervöser machte: Die Tatsache, dass als Antwort nur ein lautes Rauschen kam oder dass in dem Moment die Deckenleuchten einmal aufblitzten, für wenige Sekunden flackerten und dann erloschen und die Krankenstation sich in Dunkelheit hüllte…
Sofort leuchtete ganz in der Nähe eine Taschenlampe auf. John knurrte ein leises, aber erzürntes ‚Verdammt’. Teyla schnappte erschrocken nach Luft und Carson leuchtete mit seiner Taschenlampe durch den Raum. Außerhalb der Krankenstation, auf dem Korridor entstand wildes Stimmengewirr und sofort war allen klar, dass etwas passiert sein musste…

++++++++++++


Seelenruhig lag ihr Blick auf dem tosenden, stahlgrauen Meer am Fuße der Klippe, auf der sie thronte. Der Wind hatte zugenommen- sehr zu ihrer Freude-, zerfurchte die grauen Wassermassen, meterhohe Wellen türmten sich auf und zerschellten an den Klippen, die aus dem Meer ragten.
Der Himmel war ebenso grau wie das Meer. Dicke Wolken waren aufgezogen und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie brechen würden und der Regen das Meer noch weiter aufwühlen würde.

Sie trat noch einen Schritt nach vorne, bis an die Kante der Klippe heran und starrte auf die steingraue Wasseroberfläche. Der Wind wehte durch ihre langen, blonden Haare, trieb sie ihr immer wieder ins Gesicht- doch das störte sie nicht!
„ Gebieterin“, meldete sich eine verquäkte Stimme hinter ihr und sie seufzte. Konnte man sie nicht für einen Moment in Ruhe lassen? Was war so schwer daran? Sie drehte sich um und blitzte den kleinen, hageren Mann mit aschfahlem Teint an, worauf dieser erschrocken einen Schritt zurückwich.
„ Was?“, fauchte sie boshaft und fletschte ihre perlweißen Zähne in seine Richtung. „ Seht Ihr nicht, dass ich allein sein will?“
„ I…ich bitte um Verzeihung, meine Gebieterin“, stammelte er und neigte seinen Kopf zur Erde. „ Ich wollte Euch nicht zur Last fallen. E…es ist n…nur…“
„ Hört auf so herumzustottern“, fuhr sie ihn scharf an. „ Was wollt Ihr von mir?“ Oh, wie sie es doch hasste, wenn jemand herumdruckste.
„ Ich soll Euch ausrichten, d…dass Euer Plan Erfolg hatte“, kam die Antwort, die sie mehr als zufrieden stellte. „ W…wir haben die Daten, die wir wollten. W…wir haben sie gefunden.“

Wir haben sie gefunden. Das waren die Worte, die sie hören wollte! Ohne der hageren Gestalt weiter zu lauschen, wirbelte Larrin herum und richtete den Blick ihrer rubinroten Augen wieder auf das stahlgraue, tosende Meer. Ein zufriedenes Lächeln stahl sich über ihre blutroten Lippen. Sie hatte das erreicht, wofür sie in den letzten Monaten so hart hatte arbeiten müssen! Sie hatte sie gefunden! Sie hatte ihn gefunden! Sie hatte John Sheppard gefunden und abermals würde sie ihn nicht entkommen lassen…

TBC
In the beginning was the void by Ailya
Now the earth proved to be formless and waste and therewas darkness upon the surface of the watery deep ...
And God proceeded to say:
“Let the light come to be.”
Genesis 1: 2,3


Dunkelheit- wo sie auch hinsah Dunkelheit. Unförmige Schatten huschten an ihr vorbei, hier und da leuchteten schwache Lichtkegel von Taschenlampen über den Boden und über die Wände. Die Deckenleuchten, die noch vor ein paar Minuten hell gestrahlt hatten und alles in ein wohliges Licht gehüllt hatten, waren erloschen. Nur noch ein schwaches Glimmen war zurückgeblieben. Mit dem Licht war auch die wohlige Wärme gegangen und die Korridore erschienen nunmehr endlos lang und gespenstisch. Eine Kälte, die man mit Worten nicht beschreiben konnte, hatte sich über das ganze Schiff gelegt. Die Dunkelheit des Universums streckte sich nach dem regungslos im Weltraum schwebenden Schiff. Die Finsternis fraß sich durch die Schiffshülle, durch die Gänge und jeder hatte den Atem angehalten.

Es war zum ersten Mal seit Monaten wirklich still gewesen. Die Dunkelheit war gekommen und alle hatten inne halten. Dann war ein wirres Stimmengewirr ausgebrochen, doch dann war es wieder still. Keinem schien diese Wendung geheuer zu sein; das ganze Schiff und seine unfreiwillige Besatzung verfielen in ein Schweigen. Es war so still- man hätte eine Stecknadel zu Boden fallen hören können!

Was wohl passiert war? Es war nicht das erste Mal, dass es zu Störungen gekommen war es wurde immer nur gemeint, dass man mit so etwas zu rechnen hatte. Diese Erklärung klang auch teilweise plausibel: Das Schiff war alt, von den Antikern erbaut und befand sich schon seit mehr als zehntausenden von Jahren auf seiner einsamen Reise durch die Galaxie, die nie enden würde. Doch so schlimm war es noch nie gewesen! Es war fast so, als hätte das Schiff aufgehört zu leben! Als hätte es nach seiner langen Reise durch Jahrtausende einfach aufgegeben...

Der Gang, der vor ihr lag, verlor sich in der Finsternis, die nun langsam auch begann, sich an den mit lantianischen Zeichen verzierten Wänden hochzufressen- an manchen Stellen reichte das Dunkel bis an die Decke, zog sich wie ein schwarzes Tuch über ihren Kopf.
Teyla legte ihren Kopf in den Nacken und betrachtete das finstere Schwarz, welches sich immer mehr auszubreiten schien. Es fiel ihr schwer, sich nicht davor zu fürchten. Ihr Atem beschleunigte sich und sie spürte, wie ihr Herz in Hinsicht der Dunkelheit, schneller schlug, als es gut für sie war. Mit einem leisen Seufzen blieb sie stehen und blinzelte gegen den Schwindel an. Ihre Knie wurden weich und ihre Beine fingen an zu zittern wie Espenlaub. Sie atmete tief ein und schloss ihre Augen für einen kurzen Moment, riss sie aber sogleich wieder auf, als das Schwindelgefühl ihr die Ohnmacht über ihren Körper zu legen drohte.

John, der mit der Taschenlampe in der Hand vorausgegangen war und dabei leise die übelsten Beschimpfungen über Rodney McKay hatte verlauten lassen, blieb stehen und wandte sich zu ihr um. „ Teyla?“ Er leuchtete in ihre Richtung. Als er ihre Hände auf ihrem Bauch liegen sah, presste er seine Lippen fest zusammen und richtete besorgt seinen Blick auf sie.
„ Es geht schon wieder“, versicherte die Athosianerin ihm schnell, ignorierte die Tatsache, dass sie sich zittrig fühlte und glaubte, man hätte ihr den Boden unter den Füßen weggerissen. Ein Spannen in ihrem Unterleib ließ sie leise aufstöhnen und ihr Herz hämmerte gegen ihren Brustkorb. Sie kniff die Lippen aufeinander und schloss ihre Augen, versuchte sich einzureden, dass alles in Ordnung sei. Doch als ein zweites, stärkeres und ziemlich schmerzhaftes Spannen durch ihre Leistengegend und ihren Unterleib jagte, ihr fast die Luft abschnürte, wusste sie, dass etwas nicht stimmte.

Ihr Körper wird Ihnen sagen, wenn es für Sie und das Baby zu viel wird. Sie erinnerte sich an Carson ernst gemeinte Worte und an seinen bittenden Blick. In den letzten achtundvierzig Stunden hatte sie kaum Schlaf bekommen- sie kannte den Grund dafür noch nicht einmal. Während alle anderen schliefen, hatte sie hell wach in ihrem Bett gelegen und hatte nicht einschlafen können. Noch nicht einmal nach einer schlaflosen Nacht war sie müde gewesen, sondern hatte sich stattdessen mit Dr. Wendy Dempsey auf das Übersetzungsprogramm gestürzt, welches die Linguistin am Tag zuvor entdeckt hatte.
Carsons Worte hatten auf einmal an Bedeutung gewonnen und Teyla war sich schmerzlich bewusst, dass sie sich und ihrem Kind zu viel zugemutet hatte.
„ Du solltest dich hinlegen“, sagte John. Er trat vor sie und legte seine Hände auf ihre Schultern. „ Wir bekommen das hier schon ohne dich wieder in den Griff.“
„ Aber es betrifft mich doch genauso wie alle anderen“, hielt Teyla dagegen, woraufhin der Soldat sie nur ernst ansah.
„ Wann hast du das letzte Mal richtig geschlafen?“, fragte er sie mit leiser Stimme, wartete ihre Antwort aber gar nicht ab, sondern schob ihr seinen Zeigefinger unters Kinn und hob es an. „ Ich schlaf’ jede Nacht neben dir- denkst du ernsthaft, dass es mir nicht auffällt, dass du die ganze Zeit wach bist, Teyla?“
„ Es ist ja nicht so, als ob ich es nicht wollte“, erwiderte sie ihm kleinlich und seufzte. „ Ich kann es einfach nicht, John. Ich kann nicht schlafen. Und ich werde es jetzt erst recht nicht können.“
„ Dann leg’ dich wenigstens hin“, bat er sie. „ Es ist doch keinem geholfen, wenn dir oder dem Baby was passiert.“ Er seufzte tief und seine Gedanken schienen für einen kurzen Moment woanders, weit weg zu sein. Es war ein seltsamer Ausdruck in seinem Gesicht- Teyla hatte ihn noch nie zuvor gesehen. Er verriet Sorge und Angst, zugleich glaubte sie Enttäuschung in seinen haselnussfarbenen Augen zu erkennen.
John hatte seine Lippen fest zusammengepresst. Er stand dicht bei ihr und streichelte über ihren Bauch. „ Du hast Carson gehört“, murmelte er leise.
„ Ich versichere dir, dass ich weiß, wann ich aufhören muss“, sagte Teyla, doch der Soldat schüttelte mit dem Kopf.
„ Das kannst du eben nicht“, seufzte er. „ Du bist immer noch hier, obwohl ich dir schon zweimal gesagt habe, dass du dich hinlegen sollst. Verdammt, Teyla, du kannst mir nicht erzählen, dass alles in Ordnung ist. Ich kann sehen, wie sehr du dich anstrengen musst.“
Die Athosianerin sah, wie Johns Schultern zu beben begannen und mit welcher Verzweifelung er sie ansah. Auch er hatte es nicht leicht- das wusste sie. Einerseits hatte er für die Sicherheit der Besatzung zu sorgen, aber andererseits waren seine Gedanken ständig bei ihr und bei dem Baby…

Wahrscheinlich hätten sie noch weiter diskutiert, wäre nicht ein wild argumentierender Rodney McKay am Ende des Ganges erschienen- zwei Wissenschaftler samt Taschenlampen im Schlepptau. Trotz der Dunkelheit, erkannte er, um wen es sich bei dem Paar handelte und stieß ein genervt klingendes ‚Endlich’ aus. Er brauste los- seine beiden Begleiter mussten das Tempo anziehen, um mit ihm mithalten zu können.
„ Wissen Sie, wie lange ich nach Ihnen gesucht habe?“, schallte der Kanadier John entgegen. Sein Gesicht war leicht gerötet, wie immer, wenn er auf irgendetwas oder irgendwen sauer war- doch das bemerkte Teyla erst, als sich Rodney vor John aufbaute.
„ Ich war schon auf dem Weg zu Ihnen“, gab John ihm zu verstehen und hob seine Hände. „ Es wäre schneller gegangen, doch wie Sie sehen, funktioniert hier gar nichts mehr.“
„ Das ist ja gerade das, worüber… oh, hallo, Teyla.“ Erst jetzt hatte Rodney sie bemerkt und schenkte ihr ein schnelles Nicken, ehe er ohne Punkt und Komma fortfuhr: „ Deshalb wollte ich ja mit Ihnen reden. Hör’n Sie zu: Ich kann keinen von den anderen erreichen, weder Elizabeth, noch Carter oder Dr. Jackson- scheinbar funktioniert der Funk auch nicht.“
„ Ach, wirklich?“, meinte John sarkastisch. „ Ist mir ja gar nicht aufgefallen!“
„ Ihren Sarkasmus können Sie sich sparen“, fauchte Rodney. „ Wir haben gerade ein viel schlimmeres Problem.“
John stemmte die Hände in die Hüften. „ Nur eines? Das hört sich zu Abwechslung mal gut an.“ Mit einem abschätzigen Schnauben schob er seinen Humor beiseite und musterte Rodney ernst. „ Was ist diesmal passiert?“
„ Oh, wie Sie sicherlich sehen, ist das Licht ausgegangen“, erwiderte der Kanadier.
„ Rodney, das sehe ich auch.“ John verdrehte seine Augen. „ Und weiter?“
„ Es hat eine massive Energiespitze gegeben- kurz bevor alles zusammengebrochen ist“, erklärte Rodney. „ Ich weiß noch nicht, was zu diesem Anstieg geführt hat, aber…“- Er schnipste mit dem Finger-„…ich würde ja nicht Dr. Rodney McKay heißen, wenn ich mir nicht zu helfen wüsste.“
„ Oh, bitte“, jammerte John. „ Können Sie Ihr Ego vielleicht ein bisschen herunterschrauben und wieder auf Thema zurückkommen? Wäre das möglich?“
„ Was ich meinte“, fuhr Rodney unbeirrt fort, „ ist, dass Dr. Jackson sich an einen Bericht der Antikerin Helia erinnerte, in dem sie von einem ähnlichen Problem sprach. Urplötzlich sei es zu allerlei Ausfällen gekommen, die sie sich zuerst nicht erklären konnten.“
„ Zuerst?“, wiederholte Teyla und mischte sich nun in das Gespräch ein, blickte zwischen John und Rodney hin und her. „ Sie sind dann doch auf die Lösung gekommen?“
„ Es war ein Virus“, antwortete Rodney. „ Er hatte sich in das System des Schiffes eingenistet, während die Artemis aus dem Hyperraum gesprungen war und sich in der Atmosphäre eines Planeten befunden hatte. Und jetzt raten Sie mal um welchen Planeten es sich handelt.“
„ Und ich dachte, ich müsste mich nicht mehr daran erinnern“, knurrte John.
„ Der Planet, auf dem wir John und Col. Mitchell gefunden haben?“, fragte Teyla. „ Aber wie…“
„ Scheinbar gab es mit diesem Planeten schon immer Probleme“, entgegnete ihr Rodney. „ In sämtlichen Berichten werden Schwierigkeiten erwähnt, die immer nach dem Besuch auf diesem Planeten begannen. Es waren immer neue Probleme- mal funktionierte der Antrieb nicht so, wie er es sollte und ein anderes Mal fielen sie zu spät oder zu früh aus dem Hyperraum.“
John tippte sich nachdenklich mit dem Finger gegen sein Kinn. „ Aber warum sind die Antiker dann immer wieder zu diesem Planeten zurückgekehrt?“
„ Es hatte anscheinend nur Nachteile für sie“, pflichtete Teyla ihm bei.
„ Wahrscheinlich lag es daran, dass sie dort unten Leute hatten, die nicht umsiedeln wollten.“ Rodney verschränkte die Arme vor dem Brustkorb und schürzte die Lippen. „ Jackson hat den Bericht darüber gelesen. Scheinbar wollten die Bewohner des Planeten nicht umsiedeln und so blieb den Antikern keine andere Möglichkeit, als den Planeten immer wieder anzufliegen.“
„ Sie hätten es auch sein lassen können“, bemerkte John scharf und wechselte vielsagende Blicke mit Teyla. Die Athosianerin schüttelte irritiert mit dem Kopf und ruhte ihre beiden Hände auf ihrem Bauch.
„ Und was hat das jetzt genau mit unserer Situation zu tun?“, wollte sie wissen. „ Sie sagten, dass die Antiker eine Lösung gefunden hätten.“
„ Nicht direkt“, kam die Antwort.
„ Was soll denn das jetzt schon wieder heißen?“, raunte John. „ Ich dachte, sie hätten eine Lösung gefunden.“
Rodney zuckte mit den Schultern. „ Dieses Problem trat auf, kurz bevor die Wraith Atlantis erreichten…“
Teyla seufzte schwer. „ Und Helias Berichte endeten. Ich habe Einiges über sie nachgelesen, weil es mich interessierte, mit wem ich meinen Körper geteilt habe. Ihre Berichte endeten, kurz bevor die Wraith nach Atlantis kamen. Die Artemis wurde aufgegeben, die Besatzung kehrte entweder nach Atlantis zurück oder stieg auf- so wie Helia es auch versucht hat.“
„ Das Problem wurde nie behoben“, schlussfolgerte John. Er runzelte daraufhin seine Stirn. „ Und warum ist es nicht schon viel früher passiert? Ich meine, warum ausgerechnet jetzt?“
„ Ich vermute, dass es damit zusammen liegt, dass die Systeme tausende von Jahren sozusagen auf ‚Standby’ gelaufen sind und das Virus keine Notwendigkeit sah, sich auszubreiten“, meinte Rodney.
„ Und dann kamen wir, haben `ne Menge an den ganzen Sachen herumgepfuscht und alles aktiviert“, sprach John seine Gedanken aus und verzog theatralisch den Mund. „ Wir sind selber dran schuld.“
Rodney wippte mit dem Kopf hin und her. „ So kann man es auch ausdrücken.“

Sich der Tatsache bewusst, dass dringend etwas an ihrer misslichen Situation geändert werden musste, verfielen die Drei in ein Schweigen und hingen jeder seinen eigenen wirren Gedankengängen nach. Die beiden Wissenschaftler, die Rodney begleitet hatten, waren wieder verschwunden und so standen sie drei ganz allein in dem dunklen Korridor- die Lichtkegel von den beiden Taschenlampen waren auf den Boden gerichtet.
Teyla seufzte leise auf und rieb sich über ihren Bauch. Sie konnte nicht länger nachdenken- das ließ ihr nur noch mehr schwindelig werden. Sie hob ihren Kopf gen Decke, wo nun selbst das letzte, verzweifelte Glimmen der Leuchten erloschen war. Nachdenklich ließ sie ihren Blick an den Energieleitungen entlang schweifen… und plötzlich kam ihr eine Idee.
„ Führen nicht alle Energieleitungen in den Kernraum?“, richtete sie ihre Frage an Rodney, der sie daraufhin verwirrt ansah.
„ Ja, aber… was meinen Sie?“
Teyla nahm John die Taschenlampe aus der Hand und leuchtete hinauf, an die Stelle, wo eine der Energieleitung in der Wand verschwand. „ Müsste man dann nicht auch einen Zugriff auf alle Leitungen von dort bekommen?“
„ Worauf…“ Rodneys Augen weiteten sich, als er den Zusammenhang begriff und er begann mit seinem Finger in der Luft herumzuwedeln. „ Das… das ist richtig! Teyla, Sie sind genial!“
„ Ich kann Ihnen nicht recht folgen“, bremste John die Euphorie seines kanadischen Freundes.
„ Alle Energieleitungen führen in den Kernraum des Schiffes- sprich, in den Gateraum“, erwiderte Teyla ihm sanft.
„ Und in dem Gateraum gibt es eine manuelle Bedienung“, fügte Rodney hinzu. „ Sie wissen schon- das zweite Bedienfeld. Wir wussten zuerst nicht, wofür es da ist, aber jetzt…“ Der Wissenschaftler begann innerlich zu beben und konnte nicht mehr still stehen. „ Wenn Teyla Recht hat, dann könnte es mir gelingen, das System neu zu starten und mir näher anzusehen, um was für eine Art Virus es sich handelt.“
Johns Stirn lag noch immer in tiefen Falten, als Rodney seinen kleinen Vortrag beendet hatte. „ Und dann könnten Sie ihn beseitigen?“, fragte er mit weicher werdenden Gesichtszügen.
„ Ich könnte es versuchen“, antwortete der Kanadier. „ Zumindest müsste ich alle Systeme wiederherstellen können- für einen kleinen Augenblick, ehe das Virus wieder…“ Er fiel sich selbst ins Wort. „ Aber es könnte funktionieren!“ Rodney stimmte in ein eifriges Nicken an, sah zwischen dem Luftwaffenoffizier und Teyla hin und her.
„ Ich will Ihnen die Vorfreude jetzt nicht nehmen“, sagte John, neigte den Kopf und sah Rodney voller Ernst an. „ Aber haben Sie sich schon überlegt, wie Sie dahin kommen wollen? Der Gateraum liegt zwei Ebenen über uns und ich weiß nicht, ob’s Ihnen aufgefallen ist, aber die Transporter funktionieren nicht.“
Rodneys freudige Miene erstarb und er würdigte John eines entsetzten Blickes. Seine Kinnlade fiel hinab, als er sich über die Wahrheit dieser Aussage bewusst wurde. „ Sie haben recht“, murmelte er. „ Wie… Oh, mein Gott, ich muss Carter verständigen! Aber wie- ohne Funk?“ Sein Entsetzen schlug in Wut um und er ballte seine Fäuste.
„ Sind die Ebenen nicht untereinander verbunden?“, erwähnte Teyla und sah John an. Der Soldat runzelte sie Stirn, fing zögerlich an zu nicken und nahm ihr die Taschenlampe wieder aus der Hand, leuchtete die Wand entlang, bis der Lichtkegel auf ein Gitter in der Wand fiel.
„ Oh, ich bitte Sie“, jammerte Rodney augenblicklich auf.
„ Die Lüftungsschächte“, sagte John. „ Sie führen durch das ganze Schiff, nicht wahr?“
Rodney schüttelte protestierend mit dem Kopf. „ Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst? Das Lüftungssystem ist hochkompliziert und wenn man nur einmal falsch abbiegt…“
„ Es scheint mir aber die einzige Möglichkeit zu sein“, wehrte John ab.
„ Sie wollen sich da jetzt nicht allen Ernstes durchquetschen?“, fragte Rodney ihn. „ Wir wissen doch nicht einmal, ob es überhaupt möglich ist.“
„ Wenn’s sein muss.“ John betrachtete den Durchgang etwas genauer, ehe er sich wieder umwandte und den Kanadier mit gehobenen Augenbrauen ansah- ein amüsiertes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „ Haben Sie etwa Platzangst?“
„Klaustrophobie ist eine ernst zunehmende Krankheit, die nicht unterschätzt werden sollte“, zeterte Rodney. „ Was wenn ich einen Anfall erleide, mitten im Lüftungsschachtsystem? Was machen Sie dann?“
John schüttelte seufzend mit dem Kopf. Er stand nun vor dem Wandgitter und versuchte es mit den Fingern zu lösen. „ Sagen Sie mir, was ich machen muss, dann erledige ich es und hol’ Sie später ab.“
„ Was?!“, schnarrte Rodney entsetzt. „ Sie würden mich da allen Ernstes liegen lassen?“
„ Mich würd’s nicht wundern, wenn Sie stecken bleiben“, knurrte John zurück- keineswegs war sein Ton beabsichtigt gewesen, doch das Gitter erwies sich als sehr widerstandsfähig und ratschte an seinen Händen entlang, riss die Haut an manchen Stellen auf. „ Sie haben doch schon immer so viel gefuttert.“
Rodney verschränkte empört die Arme vor der Brust. „ Ich… ich… Sie…ich glaubs nicht! Sie wissen ganz genau, dass das nicht wahr ist! Mein Gewicht hat sich seit unser Ankunft nicht verändert und ich fühle mich sehr wohl in meinem Körper!“

Das Lüftungsgitter gab der Bearbeitung mit einem verzweifelten Knarcksen nach und donnerte mit ebenso viel Lärm zu Boden. John verzog den Mund und leuchtete in das Dunkle des engen Schachtes hinein. Ein erleichterter Seufzer drang aus seinem Mund. Mit zufriedener Miene wandte er sich zu Teyla und Rodney um. „ Da ist soviel Luft, dass noch nicht einmal Sie sich Sorgen machen müssen, Rodney“, meinte er zu dem Kanadier, der eine missbilligende Schnute zog. „ Und jetzt klettern Sie gefälligst da hoch!“
„ Was? Wieso soll ich als Erstes?“, protestierte Rodney postwendend.
„ Weil Sie wissen wo’s lang geht“, antwortete John augenrollend. „ Und jetzt los!“
Rodney hielt noch ein paar Sekunden an seinem entsetzten Gesichtsausdruck fest, bevor er sich grummelnd umdrehte und irgendetwas von einer Unverschämtheit schimpfte.

John seufzte resigniert auf und drückte Teyla seine Taschenlampe in die Hand. „ Ich will, dass du zurückgehst und auf der Krankenstation auf uns wartest“, sagte er.
Die Athosianerin warf einen zögerlichen Blick über seine Schulter und erspähte Rodney, der verzweifelt versuchte sich in den Lüftungsschacht hochzuangeln. „ Und du bist sicher, dass das eine gute Idee ist?“, fragte sie ihn.
„ Ich befürchte, dass es unsere einzige Möglichkeit ist“, antwortete John und lächelte dann. „ Keine Sorge, ich werd’ schon auf Rodney aufpassen.“
„ Hallo?“, erklang Rodneys Stimme plötzlich etwas blechern. „ Hey, Sheppard, ich könnt’ hier ein bisschen Hilfe gebrauchen! Kommen Sie endlich? Wir haben nicht ewig Zeit!“
„ Ich glaube, du solltest Rodney helfen“, schmunzelte Teyla. „ Es sieht so aus, als würde er… nicht weiterkommen.“
John verdrehte die Augen. „ Sag bloß, er steckt fest? Ich hab’s doch gewusst!“
„ Feststecken würde ich es nicht nennen“, erwiderte Teyla. „ Irgendwie scheint er zu klemmen.“
„ Sheppard!“ Rodneys Stimme klang verzweifelt.
„ Ich komm’ ja schon, Rodney“, schallte John über seine Schulter. Er bedachte Teyla ernsten Blickes. „ Geh zurück. Ich komm’ sofort, wenn wir fertig sind, okay?“ Er beugte sich vor und küsste sie sanft auf die Stirn, ließ seine Hand über ihren Bauch gleiten und drehte sich dann um.
„ John?“, rief Teyla ihm hinterher, versuchte ihn am Arm zu packen. Er blieb stehen, wandte sich halb zu ihr um. „ Bitte sei vorsichtig.“
Der Soldat erwiderte ihr ein liebevolles Lächeln und ein schnelles, aber ernst gemeintes Nicken.

Seufzend knipste Teyla die Taschenlampe an und leuchtete in die Richtung, in die John und Rodney verschwunden waren; unter lautem Protest zerrte sich Rodney mit Johns Hilfe in den Lüftungsschacht, ehe sich auch der dunkelhaarige Soldat mit geschickt aussehenden Handgriffen hochangelte und binnen weniger Sekunden in dem Schacht verschwand. Das Poltern ihrer Knie, die über das Metall schleiften, war noch lange zu hören, ebenso wie Rodneys stetig andauerndes Geschimpfe und Johns giftige Kommentare. Teyla musste bei dem Gedanken, dass zwei erwachsene Männer wie zwei kleine Kinder auf den Knien durch einen engen Lüftungsschacht krabbelten und sich dabei gegenseitig wüste Beschimpfungen an den Kopf warfen. Andererseits bereitete es ihr auch Sorgen, zu wissen, dass John und Rodney geradezu blind durch das verwirrende Lüftungssystem irrten, ohne zu wissen, wo sie überhaupt hin mussten.
Ein beklemmendes Gefühl machte sich in ihrem Körper breit, das sie verzweifelt zu ignorieren versuchte. Sie wollte nicht darüber nachdenken, was passieren würde, würden sie es nicht schaffen oder würden sie sich verirren…

Teyla lauschte noch lange, bis nichts mehr zu hören war- selbst das schrille Geschimpfe von Rodney war nun nicht mehr zu hören, das Poltern war verklungen. Ehe sie sich umdrehte, um zur Krankenstation zurückzukehren, musterte sie den Eingang zum Lüftungsschacht noch einmal und seufzte erneut- diesmal etwas tiefer und schwerer.
Das Metall der Taschenlampe fühlte sich kalt an, als sie mit dem Finger darüber strich- kalt, so wie sich auch die Atmosphäre des Schiffes anfühlte. Sie hoffte inständig, dass das Vorhaben gelingen würde, denn sie war sich nicht sicher, wie lange sie es noch in dieser Dunkelheit aushalten würden. Es waren zwar erst wenige Minuten, doch es fühlte sich an wie Stunden, die unerbittlich an ihren Knochen und an ihren Nerven nagten.
Mit dem Gedanken immer noch bei John und Rodney, drehte sich Teyla um und setzte sich langsam in Bewegung. Sie hoffte, dass sie in dieser Dunkelheit und nur begleitet von dem Lichtstrahl einer immer schwächer werdenden Taschenlampe den Weg zur Krankenstation zurückfand. Im Dunkeln sahen alle Gänge gleich und verwirrend aus.

Am Ende des Korridors angekommen, blieb Teyla stehen und leuchtete die beiden Abzweigungen ab. Die Ruhe bewahrend, versuchte sie sich daran zu erinnern, ob sie vorhin von Rechts oder von Links gekommen waren. Sie schloss ihre Augen und entschloss links herum zu gehen. Zwar war sie sich nicht sicher, aber wer konnte das schon?
Sie atmete tief ein und aus, doch bevor sie sie den ernsten Fuß vor den anderen gesetzt hatte, hielt sie in ihrer Bewegung inne. Die Taschenlampe fiel ihr um ein Haar aus der Hand, hätte sie sie nicht festgeklammert. Teyla fasste sich an ihren Bauch und ihr Mund verformte sich zu einem Lächeln, als sie nach wenigen Sekunden ein sanftes Stupsen unter ihrer Handfläche spürte, dann ein zweites und gleich darauf ein drittes.
„ Oh, mein Gott“, wisperte sie ergriffen, streichelte über ihren Bauch und drehte sich um, doch da war niemand, mit dem sie ihre Freude hätte teilen können. Die Bewegungen in ihrem Unterleib ließen von einem Augenblick zum nächsten nach und Teyla entschied sich dafür, weiterzugehen- doch kaum, dass sie auch nur einen Schritt getan hatte, regte sich das Kind in ihrem Inneren wieder und trat gegen ihre Handfläche- so kräftig, dass die Athosianerin stehen blieb und nach Luft japste. Sie blickte in die Dunkelheit des Korridors, den sie erwählt hatte.
„ Soll ich hier nicht lang gehen?“, fragte sie leise, erhielt als Antwort einen weiteren, aber sanfteren Tritt und musste lächeln. Sie drehte sich um und ging zurück, dorthin, wo sich der Korridor in zwei kleinere aufteilte. Als sie den zweiten Korridor erblickte, fragte sie sich, warum sie nicht gleich ihn gewählt hatte: Irgendwie erschien er ihr jetzt heller und freundlicher als zuvor.
Teyla rieb sich kurz über ihren Bauch, stemmte ihre freie Hand dann aber in den Rücken. Sie zögerte noch für einen Augenblick und spielte mit dem Gedanken, ob sie nicht doch lieber hier auf die beiden Männer warten sollte, entschied sich dann aber dagegen. Vielleicht könnte sie sich auf der Krankenstation irgendwie nützlich machen!

+++++++++++


Fasziniert starrte Ella Brennan hinaus in die unendlichen Weiten des Weltraums. Das samtschwarze Nichts war übersäet mit glänzenden Sternen und egal wohin man seinen Blick auch richtete- da war nichts als ein leerer Raum und Millionen von Himmelskörpern, die wie kleine Diamanten funkelten. Am liebsten hätte Ella nach ihnen gegriffen. Als sie kleiner gewesen war, hatte ihr Vater ihr immer eine Geschichte gezählt während sie unter dem Sternenhimmel gelegen hatten. Immerzu hatte er ihr versprochen, dass er ihr eines Tages einen Stern vom Himmel holen würde und in ihrer kindlichen Naivität hatte sie ihm natürlich geglaubt- sie hatte sich sogar einen Stern ausgesucht gehabt!

Sie war in Colorado aufgewachsen, auf einer kleinen Farm unweit von Colorado Springs. Die sternenklare Wüstennächte waren immer etwas ganz Besonderes gewesen, doch verglichen zu diesem Anblick… Ella konnte es nicht in Worte fassen. Wenn sie damals doch nur schon gewusst hätte, dass sie eines Tages durch fremde Galaxien reisen würde, in denen es noch viel mehr Sterne gab! Wenn sie doch nur gewusst hätte, dass sie eines Tages mal an einem Ort sein könnte, der zwischen Galaxien lag und an dem ein Sternenhaufen nach dem anderen folgte- so wie dieser Ort!

Ella betrachtete den schier unendlichen Sternenhaufen und in ihren Augen schwammen die Tränen. All das erinnerte sie so sehr an ihren geliebten Vater und es machte sie einfach fertig und traurig, dass sie ihn so früh verloren hatten. Es war der Geburtstag ihres kleinen Bruders Tony gewesen und John Brennan hatte die gesamte Familie- sie, ihren Bruder und ihre Mutter Kaitlin- in ein sehr teures und nobles Restaurant eingeladen. Ella erinnerte sich, wie aufgeregt sie gewesen war und wie sie damals mit ihren sieben Jahren vor dem Spiegel gestanden hatte und nach dem richtigen Kleid gesucht hatte. Sie hatte sich schließlich für das rote Kleid entschieden, hatte sich noch zwei Schleifen in ihr rotblondes Haar gebunden. Es sollte der perfekte Abend werden- nicht nur für ihren Bruder! Ihr Vater hatte dieses Essen schon seit Monaten geplant und er war stolz auf seine kleine Tochter gewesen, hatte sie begeistert hochgehoben und hatte ihr gesagt, wie hübsch sie doch in diesem Kleid aussehe. Es sollte der perfekte Abend werden! Und es war auch der perfekte Abend, bis dieser Truck in der Mainstreet eine rote Ampel übersah und ihren silbergrauen Chevrolet durch die Luft schleuderte…

Ella schluckte und blinzelte, um die Erinnerungen aus ihrem Kopf zu kriegen. Ihr Vater war tot gewesen, bevor der Wagen wieder auf dem Boden aufschlug und ihre Mutter war im Krankenwagen gestorben. Ihr kleiner Bruder hatte es noch bis ins Krankenhaus in die Notaufnahme geschafft, hatte in den Armen des Arztes seinen letzten Atemzug gemacht und hatte sie allein gelassen. Man hatte sie, Ella Brennan, mit ihren gerade einmal sieben Jahren auf der Welt allein gelassen!
Noch immer machte sich Ella Vorwürfe; sie hatte ihren Vater gedrängt, früher loszufahren, da sie ihrer Freundin Melanie noch die Puppe vorbeibringen wollte, die sie bei ihr vergessen hatte. Verdammt, hätte sie Melanie die Puppe doch am nächsten Tag in der Schule gegeben! Dann wäre das alles nicht passiert…
Nach dem Unfall war sie zuerst zu ihren Großeltern gezogen, doch das Jugendamt war von Anfang an nicht dafür, riss sie nach eineinhalb Jahren aus diesem Umfeld und steckte sie in eine Pflegefamilie. Es war nicht so, dass sie mit ihren neuen Eltern nicht zurecht kam- Adam und Marsha Sheridan waren zwei wirklich nette Persönlichkeiten gewesen und sie hatten sich liebevoll um sie gekümmert. Doch es war einfach nicht dasselbe…

Und das nur, wegen der Sterne, dachte die junge Wissenschaftlerin, als sie wieder in den Sternenhimmel hinaufsah. Ihrem Vater hätte das mit Sicherheit gefallen und wahrscheinlich hätte er ihr wieder versprochen, einen Stern für sie vom Himmel zu holen. Zu gerne hätte sie diesen Augenblick mit ihrem Vater verbracht, doch es sollte nicht sein. Manchmal, fand Ella, spielte das Leben mit ziemlich unfairen Karten!
Seufzend lehnte sie sich zurück und fasste einen Stern ins Auge, der am meisten funkelte und glitzerte. Er lag inmitten der anderen Millionen Sterne und vielleicht war er ihr nicht aufgefallen, doch sein Glitzern faszinierte sie.
„ Wow, unglaublich!“ Matt- sie hatte seine Anwesenheit beinahe vergessen. Der Soldat saß neben ihr auf der Erde und betrachtete das Spektakel, das sich ihnen bot, mindestens genauso fasziniert, wie sie es tat. Ella drehte ihren Kopf in seine Richtung, musterte ihn im Profil; er hatte markante Gesichtszüge, eine spitz zulaufende Nase und schmale, perfekt aufeinander liegende Lippen. Trotz seines jungen Alters von 25 Jahren lagen schon erste feine Fältchen um seine Augen- Anzeichen für einen gesunden Humor oder Überbleibsel eines anstrengenden Soldatenlebens.

Matt hatte seinen blaugrauen Augen hinauf in den Sternenhimmel gerichtet, doch als er ihren Blick bemerkte, drehte auch er seinen Kopf auf die Seite und sah ihr in die Augen. „ Hör’ auf mich so anzusehen“, mahnte er sie grinsend.
„ Warum soll ich dich nicht ansehen?“, fragte Ella und fuhr durch seine kurzen, braunen Haare.
„ Weil ich dann immer denke, dass ich was falsch gemacht habe“, antwortete Matt und seufzte tief. „ Und außerdem hasse ich es, wenn man mich so beobachtet.“
Ella lächelte. „ Wie beobachte ich dich denn? Gibt es da einen Unterschied zu anderen Beobachtern?“
„ Du beobachtest mich halt auf deine Art“, meinte Matt. „ Und deine Art zu beobachten ist so… so intensiv. Das macht mich nervös!“
„ Wenn es dich beruhigt“, sagte Ella und lehnte sich gegen die hinter ihnen beiden liegende Wand, „ du hast nichts falsch gemacht und ich werde dich in Zukunft nicht mehr beobachten. Indianerehrenwort!“
„ Großes Indianerehrenwort?“
„ Großes Indianerehrenwort“, nickte Ella. Sie nahm ihre rotblonden Locken hinter ihrem Kopf zu seinem Pferdeschwanz zusammen und befestigte das Ganze mit einem Haargummi, das sie aus ihrer Hosentasche gekramt hat. Dann lehnte sie sich seufzend gegen Matts Schulter. „ Glaubst du, dass wir je wieder nach Hause kommen?“, fragte sie ihn leise.
„ Wie kommst du jetzt da drauf?“, fragte der Soldat zurück, strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht, die sich aus dem Zopf gelöst hatte.
„ Nur so“, antwortete Ella und sah ihn dann an. „ Denkst du denn nie daran, wie es sein wird, jetzt wieder nach Hause zu kommen? Ich meine, wie lange sind wir schon auf diesem Schiff? Vier, fünf Monate?“
„ Fast sechs Monate“, errechnete Matt.
„ Ein halbes Jahr“, stöhnte Ella. „ Das ist ein halbes Jahr, Matt! Ich frage mich nur, was die daheim wohl gerade machen…“
„ Wahrscheinlich hat Dr. Zelenka zur Party gerufen, da Dr. McKay endlich weg ist“, spekulierte Matt schelmisch grinsend.
„ Und irgendso ein IOA-Futzi macht es sich mit seinem Diplomatenhintern auf Dr. Weirs Stuhl gemütlich“, fügte Ella ebenfalls grinsend hinzu, seufzte dann aber schwer. „ Nichts wird mehr so sein, wie es einmal war, falls wir irgendwann einmal zurückkommen.“
„ Es hat sich einiges verändert“, stimmte Matt ihr zu. „ Ich will ja nichts sagen, aber die Zahl der bewohnten Quartiere ist drastisch gesunken.“
Ella lachte auf. „ Schlau beobachtet, Herr Quartier-Verteiler-Lieutenant.“
„ Hey, das ist eine ernst zunehmende Aufgabe“, verteidigte sich Matt und knuffte ihr in den Oberarm. „ Allein in den letzten beiden Wochen sind zwei Quartiere leer geworden.“
Ella rappelte sich auf und blickte ihn neugierig an. „ Wer?“ Sie wusste schon immer dass es gewisse Vorteile hatte, sich mit den Versorgungsoffizieren anzufreunden…
„ Lt. Kingston und Dr. Walker und Dr. Branton und Dr. Weir“, zählte Matt auf und Ella schlug die Hand vor den Mund.
„ Dr. Branton und Dr. Weir?“, rief sie erstaunt aus. „ Tatsächlich!?“
„ Hey“, tadelte sie Matt mit erhobenem Zeigefinger. „ Das hast du aber nicht von mir. Ich will nichts mit dem Geschwätz der erlauchten Damenrunde zu tun haben.“
„ Das ist kein Geschwätz!“ Empört über einen derartigen Vergleich, schüttelte Ella mit dem Kopf. „ Und wir unterhalten uns nicht nur über solche Dinge.“
Matt grinste sie spitzbübisch an. „ Was für Dinge?“
„ Jetzt tu nicht so, als wüsstest du nicht, worüber ich rede“, zischelte Ella, konnte sich ein belustigtes Lächeln aber nicht verkneifen, als sie Matt ins Gesicht sah. Er wirkte jünger, wenn er grinste, und die feinen Fältchen um seine blaugrauen Augen glätteten sich.

Der Soldat erwiderte ihr nichts, sondern beugte sich nur zu ihr rüber und nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände. Erwartungsvoll und mit einem hibbeligen Lächeln auf ihren Lippen, schloss Ella ihre Augen und wartete darauf, dass er sie küsste… doch er tat es nicht. Ein greller Blitz, der nur wenige Sekunden später durch den Weltraum zuckte und den dunklen Raum, in den sie sich zurückgezogen hatten, erhellte, riss sie beide aus ihrer Schwärmerei.
„ Was… was war das?“, stotterte Ella und kämpfte sich auf die Beine, tat es Matt gleich, der nunmehr am Fenster stand und ins All hinaus blickte. Seine Augen waren starr auf etwas in der Ferne gerichtet und Ella musste sich sehr anstrengen, um zu erkennen, um was es sich handelte, das Matt derart geschockt aussehen ließ…
„ Oh, mein Gott.“ Sie schlug sich ihre Hand vor den Mund, als sich ein anderes, fremdes Schiff aus der Dunkelheit des Alls erhob. „ Sind… sind das…“ Sie wagte das Wort nicht auszusprechen.
„ Nein.“ Matt schüttelte mit dem Kopf. „ Das sind keine Wraith. Ich kenne das Schiff nicht.“ Er kniff die Lippen fest aufeinander und aktivierte sein Headset. „ Col. Sheppard, hier spricht Lt. Scott, bitte melden.“ Doch der Funk erwiderte ihm nichts, außer einem durchgehenden Rauschen und einem leisen Surren. „ Col. Sheppard, hier spricht Lt. Matt Scott, bitte melden Sie sich!“
„ Was ist los?“, fragte Ella mit zittriger Stimme und legte ihm eine Hand auf den Arm.
„ Irgendwas stimmt nicht“, antwortete Matt ihr und packte sie an ihrem Ellenbogen. „ Wir müssen zu den anderen.“ Er zerrte sie hinter sich her, raus aus dem Raum. Doch bevor sie die Schwelle übertraten, durchzuckte ein zweiter, viel hellerer Blitz das All und als sie sich umdrehten, sahen sie mit geschockten Augen, wie sich ein greller, roter Strahl aus purer Energie von dem fremden Schiff löste und auf die Artemis zuraste.

Ella stieß einen spitzen Schrei aus und Matt warf sich über sie, als der Strahl den äußeren Schutzschild der Artemis durchbohrte und ein riesiges Loch in die Schiffshülle riss. Das Schiff ruckte und dann war es wieder still- so still, dass man förmlich hören konnte, wie das fremde Schiff seine Waffen erneut lud, um einen weiteren Schuss abzufeuern, der sich ohne auf jeglichen Widerstand zu treffen, durch das komplette Schiff fressen würde.

TBC
Feind in Sicht by Ailya
Author's Notes:
Kursiv gedrucktes am Anfang ist eine Szene mit David Hewlett aus irgendeinem Horrorfilm, dessen Name ich leider wieder vergessen habe, in der er passenderweise über schlecht gemachte Horrorfilme und über deren Klischees sinniert. Mir erschien die Szene einfach als passend…
“You know these scenes… in trashy horror movies. Six hot-headed teens somewhere in nowhere, alone in the woods. It’s dark and it rains and of course nobody has a mobile phone. The rain is getting stronger and it’s getting darker and darker. But suddenly a little hut appears. And our brave young friends do what? Yeah, they go into the hut to getaway from the dark and the rain. And the bad guy with the chainsaw is awaiting them. Creepy, isn’t it? Shall I tell you something? This here is a scene like that! Only that we’re the stupid guys this time! Oh, crap!”


„ Marie!“, verlangte Carson mit lauter Stimme nach seiner asiatischen Assistentin und seufzte erleichtert, als der Schein der Taschenlampe, die die zierliche Frau in ihrer Hand hielt, auf ihn zukam. „ Ich brauche Sie hier drüben“, wies er sie an und bedeutete mit seiner Hand auf einen jungen Marine, der rücklings auf einer Patientenliege zusammengebrochen war und sich mit allerletzter Kraft einen Stofffetzen vor seine blutende Nase presste. Seine braunen Augen waren- soweit man das in dem schwachen Licht der Taschenlampen erkennen konnten- geweitet und starrten gen Decke, die irgendwo in der Dunkelheit über seinem Kopf ihren Anfang haben musste.
Carson tätschelte seine Schulter und lächelte aufmuntern. „ Es wird gleich jemand kommen, mein Sohn“, versicherte er ihm und machte Marie Platz, als die sich an ihm vorbeiquetschte um mit weiteren Kompressen zu dem verwundeten Soldaten zu kommen.
„ Das bekommen wir schon wieder hin“, redete sie auf den Mann ein und drückte ihn sanft, aber bestimmt wieder zurück auf die Liege. „ Bleiben Sie ruhig liegen, Lieutenant.“

Carson ließ den Marine in Maries fähigen Händen zurück und ließ den Lichtkegel seiner Taschenlampe durch die Krankenstation schweifen. Auf den ersten Blick zählte er fünf Personen, die darauf warteten, dass sich jemand um sie kümmerte. Keiner von ihnen schien genau zu wissen, was überhaupt passiert war. Verwirrt und sogar ein bisschen ängstlich drein blickend saßen sie da auf ihren Stühlen und unterhielten sich leise miteinander oder schwiegen.
Das gibt es doch nicht, dachte Carson und machte einen Schritt in die Dunkelheit, winkte im Schein der Taschenlampe einer Wissenschaftlerin namens Sue Thompson zu und bedeutete ihr, sich zu setzen, damit er sie untersuchen konnte.
„ Es…es ist einfach nur schrecklich“, stammelte die junge Frau nachdem sie sich mit einem Seufzen gesetzt hatte und spielte mit einer ihrer braunen Haarsträhnen.
„ Was meinen Sie?“, fragte Carson sie, obschon die Antwort mehr als auf der Hand lag. Er leuchtete an ihre Stirn und tupfte dann vorsichtig das Blut von ihrer Haut, betrachtete die offene Wunde skeptisch. Wie um alles in der Welt gedachte er, sie zu behandeln? Es war stockduster und für ihn grenzte es an ein Wunder, dass wenigstens die Taschenlampen ihren Dienst noch nicht quittiert hatten.
„ Als kleines Mädchen hab’ ich mich immer unter unserer Treppe versteckt, wenn der Sturm ausgefallen ist“, wich Sue seiner Frage aus und wickelte ihre Haarsträhne noch fester um ihren Finger. „ Mein Dad hat immer gesagt, dass man sich nicht vor der Dunkelheit fürchten muss, aber ich hab’s trotzdem getan.“ Ihre Gedanken schienen zu wandern, während sie mit ihm sprach, und ein kleines Lächeln stahl sich über ihre aufeinander schlagenden Lippen. „ Ich hatte damals einen Teddybär- er hieß Moe. Ich hab’ ihn immer ganz fest an mich gedrückt und dann haben wir beide immer darauf gewartet, dass das Licht wieder anging.“
Carson hörte ihr lächelnd zu, während er ihre Wunde versorgte. Das erwies sich als nicht so leicht, besonders bei diesen Lichtverhältnissen, wenn man das Licht der Taschenlampe, die er in seiner linken Hand balancierte, überhaupt als solches bezeichnen konnte.
„ `Tschuldigung“, murmelte Sue plötzlich und sah ihn mit ihren rehbraunen Augen an. „ Sie interessiert das sicher überhaupt nicht, aber ich hatte grad das Bedürfnis mit jemanden zu reden.“
„ Reden Sie nur weiter“, sagte Carson und zog seine Stirn kraus. „ Sie haben sich ziemlich übel am Kopf verletzt, meine Liebe. Wie haben Sie das nur hingekriegt?“
„ Ich bin wahrscheinlich in Panik geraten, als plötzlich das Licht ausgegangen ist“, antwortete die Wissenschaftler und trotz Dunkelheit wusste Carson, dass sie verlegen lächelte und errötete. „ Den Grund dafür kennen Sie ja jetzt. Ich muss mir irgendwo den Kopf angestoßen haben. Ist es denn sehr schlimm?“
„ Ich werde es nähen müssen“, informierte Carson sie über sein Vorhaben und legte den mit Blut durchzogenen Tupfer beiseite, leuchtete noch immer an ihre Stirn und kam zu dem Schluss, dass er das unmöglich allein meistern konnte. Er schenkte Sue ein aufmunterndes Lächeln. „ Warten Sie, ich komme gleich zurück.“ Im Schein der Taschenlampe sah der Schotte, wie Sue ihren Mund zu einem Lächeln verzog und in ihren Augen blitzte die Frage auf, wo es sie jetzt schon hinziehen sollte.

Carson ließ Sue hinter sich zurück und ließ seinen Blick suchend durch die Krankenstation schweifen. Irgendjemanden musste es doch geben, den er um Hilfe bitten konnte! Wo steckte nur immer Jennifer, wenn er sie dringend brauchte? Wahrscheinlich war sie inmitten des Chaos und vielleicht kümmerte sie sich gerade auch um einen Verletzten, der wie Sue Thompson von der plötzlichen Dunkelheit überrascht worden war. Kurzen Informationen, die es mit den Patienten auch in die Krankenstation geschafft hatten, entnehmend, schien das ganze Schiff und nicht nur diese Sektion betroffen zu sein. Man konnte nur hoffen, dass Rodney im Moment das tat, was er am besten konnte- nämlich arbeiten und dabei einen ganzen Stab Wissenschaftler um sich zu versammeln.

Marie war- soweit er das beurteilen konnte- mit dem jungen Marine fertig, aber es hatte bereits ein anderer Patient auf ihrem Untersuchungstisch Platz genommen. Auf ihre Hilfe konnte er also nicht zählen! Carson seufzte und fand sich mit dem Gedanken ab, dass wohl oder übel einer der Marines den Part seines Assistenten übernehmen musste. Die groben Hände eines Soldaten waren zwar nicht für das Nähen von offenen Wunden geeignet, dafür aber für das Halten von Taschenlampen…
„ Dr. Beckett?“ Carson wandte seinen Kopf, um zu sehen, wer ihn gerufen hatte, und konnte ein erleichtertes Aufseufzen nicht verhindern, als er Teyla entdeckte.
„ Sie schickt der Himmel, meine Liebe“, empfing er sie, bedachte sie prüfenden Blickes. „ Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Ich dachte, Sie wollten zurück in Ihr Quartier gehen und sich etwas ausruhen.“
Teyla lächelte schwach und man konnte ihr die Erschöpfung ansehen. Das alles hier musste sie furchtbar anstrengen, dachte Carson sich. Die Athosianerin hielt eine Taschenlampe in der einen Hand und rieb sich mit der anderen über ihren Bauch, den sie nun nicht mehr unter weiter Kleidung verbergen konnte. „ Ich war auf dem Weg dahin“, beteuerte sie aufrichtig und konterte gegen seinen nicht ausgesprochenen Vorwurf, dass sie sich nun, da sie im fünften Monat war, mehr auszuruhen hatte. „ Doch scheinbar scheint das ganze Schiff von dem Ausfall betroffen zu sein- die Transporter funktionieren nicht mehr.“
Carson seufzte. „ Ist mir auch schon zu Ohren gekommen. Ich hoffe, dass Rodney an dem Problem dran ist.“
„ Oh, das ist er“, entgegnete Teyla. „ Er meinte, dass er vom Kernraum aus, das ganze System noch einmal neu starten könne. Ich bin mir sicher, dass er es schafft. Er und John sind bereits auf dem Weg.“
„ Aber Sie sagten doch…“
Teyla lächelte und es schien beinahe so, als hätte sie diesen Einwand bereits erwartet. „ John kam auf die Idee, dass die Ebenen untereinander durch die Lüftungsschächte verbunden sind.“
„ Oh“, machte Carson und ließ, kaum dass er verstanden hatte, was die Athosianerin ihm da gerade gesagt hatte, ein zweites ‚Oh’ folgen und hob seine Augenbrauen. „ Das heißt, dass Rodney und Col. Sheppard… Wie haben Sie Rodney bloß dazu überreden können?“
„ Ihm scheint die Sicherheit des Schiffes wichtiger zu sein“, antwortete Teyla und rieb sich wieder über ihren Bauch, atmete durch ihre Nase aus und verzog ihr Gesicht.
Carson streckte seinen Arm nach ihr aus und legte ihr seine Hand auf die Schulter. „ Geht’s Ihnen nicht gut, meine Liebe? Wollen Sie sich setzen?“
„ Nein, nein.“ Teyla schüttelte mit dem Kopf und lächelte dann ein wirklich bezauberndes Lächeln. „ Mein Kind hat scheinbar Freude daran gefunden herumzuwuseln.“
„ Oh, das ist ja wunderbar“, freute sich Carson und konnte seine Erleichterung nicht verbergen.
„ Es…es ist ein komisches Gefühl“, sagte Teyla, „ und ich werde mich wohl erst einmal daran gewöhnen müssen.“
„ Sie glauben ja gar nicht, wie schnell das geht“, meinte Carson.
„ Ich hoffe nur, dass das Baby den richtigen Zeitpunkt abwartet, damit auch sein Vater sich daran erfreuen kann.“
Carson musste lachen. „ Ich bin mir sicher, dass Col. Sheppard jetzt lieber bei Ihnen wäre, als mit Rodney durch die Lüftungsschächte zu kriechen. Habe ich schon erwähnt, dass das eine ziemlich waghalsige Aktion ist?“
„ Sie kennen doch John“, entgegnete Teyla und verdrehte ihre braunen Augen, zog dann die Stirn kraus. „ Aber… Sie sagten vorhin, dass ich genau richtig komme- wie meinen Sie das?“
„ Ah…“ Carson erinnerte sich an Sue Thompson- wahrscheinlich wartete sie schon auf ihn. „ Ja, ich bräuchte Ihre Hilfe bei einer Sache. Da ich jetzt weiß, dass die Transporter nicht funktionieren und das dann auch der Grund ist, warum Dr. Keller nicht kommt… Könnten Sie mir assistieren, während ich mich um eine Patientin kümmere? Ein paar hat es ziemlich übel erwischt. Sie müssten nur die Taschenlampe halten.“
„ Aber natürlich helfe ich Ihnen, Carson.“ Teyla deutete ein kurzes Nicken an. „ Ich nehme an, dass es noch ein bisschen dauern wird, bis man das Problem behoben hat.“

Carson lächelte sie dankbar an und führte die Athosianerin zu der Liege, wo Sue Thompson bereits auf sie wartete. Sie hatte sich nicht von der Stelle gerührt, presste eine Kompresse gegen ihre Stirn, wo ihre Wunde wieder zu bluten begonnen hatte. „ Carson, ich dachte schon Sie hätten mich vergessen“, rief sie sichtlich erleichtert, als sie seine Schritte auf sich zukommen hörte.
„ Ich habe mich nur um ein bisschen Unterstützung gekümmert.“ Der Schotte löste die Kompresse von der Stirn der Wissenschaftlerin und musterte die Wunde kritisch.
„ Ist es sehr schlimm?“, fragte Teyla und beugte sich über die Patientenliege.
„ Ich werde es nähen müssen“, antwortete Carson, „ und dazu werde ich Ihre Hilfe brauchen.“ Er drehte sich um und tastete mit seinen Fingern nach einem weiteren Tupfer, um die Wunde zu reinigen. Sue zuckte zusammen, als er mit dem Jod getränkten Wattebausch über ihre Wunde strich, und presste die Luft ruckartig zwischen ihren zusammengebissenen Zähnen hindurch.
„ Ich habe meinem Zahnarzt mal in den Finger gebissen“, murmelte sie plötzlich und verlegen sah sie Carson an. „ Das hab’ ich nur gesagt, um Sie zu warnen, Doktor! Es war auch keine Absicht gewesen! Eher ein kleines, nicht gewolltes Missgeschick.“
Carson schmunzelte und er bemerkte, dass Teyla ihren Mund ebenfalls zu einem Lächeln verzogen hatte. „ Danke, dass Sie mich gewarnt haben, meine Liebe“, sagte er, „ aber ich bin sicher, dass mein Finger außer Gefahr ist. Sie werden es nicht einmal merken.“
„ Ich will Sie jetzt nicht beunruhigen, aber das hat der Zahnarzt damals auch behauptet.“
„ Dann war das wohl kein besonders guter Arzt“, sinnierte Teyla.
„ Oh, doch! Dr. Humphrey war die gute Seele unserer Stadt“, erwiderte Sue mit einem ernsten Nicken. „ Doch irgendwie war ich an dem Tag nicht so gut drauf.“
Carson musste lachen. „ Dann ist zu hoffen, dass Sie heute einen guten Tag haben, meine Liebe. Und ich verspreche auch, ganz vorsichti-…“

Er wusste nicht, was schlimmer war- die unsichtbare Gewalt, die das Schiff wie aus dem Nichts erfasste und zum Wanken, oder der daraus resultierende spitze Schrei einer Frau. Carson konnte gar nicht so schnell reagieren, wie es geschah. Er wusste nicht was, er wusste nicht wie, er wusste warum. Er konnte nur vermuten… und das auch erst, als der Aufprall ihn zu Boden riss. Die Taschenlampe fiel ihm aus der Hand, wurde durch die Luft geschleudert und prallte an einer Wand ab, rollte über den Fußboden. Carson riss die Augen auf und versuchte sich zu halten, doch da war nichts, wo er sich hätte festhalten können. Seine Hände griffen ins Leere, sein Arm knallte gegen die Tischplatte und der Schmerz, der sich nur Sekunden später durch seinen ganzen Körper zog, schnürte ihm die Luft ab.
Das Schiff, in dem die letzte Stunde eine geradezu gespenstische Stille geherrscht hatte, bebte, die Wände erzitterten und die Instrumente, die man in der Krankenstation aufgebaut hatte, polterten durch die Gegend. Leute begannen zu schreien und zu wimmern. Es ging viel zu schnell, als dass Carson etwas hätte erkennen können. Er hörte nur, dass irgendetwas nicht stimmte. Er hörte, wie Kisten durch die Luft geschleudert wurden und wie Glas zu Bruch ging. Er hörte, wie Menschen zu Boden gingen, wie sie vor den umher fliegenden Gegenständen Schutz suchten. Ganz in seiner Nähe hörte er Sue Thompson aufstöhnen und das Jammern und die ängstlichen, verwirrten Schreie der anderen dröhnten nur wenige Sekunden später an sein Ohr, als er sich mit seinen Handflächen abfing. Einen kurzen Moment hielt er inne, doch dann begann sein Gehirn zu arbeiten und binnen Sekunden begriff er, dass etwas nicht stimmte! Es musste etwas passiert sein! Das Schiff… es musste getroffen worden sein! Sie waren nicht mehr allein da draußen!

Carson rappelte sich auf, nicht zuletzt weil das Jammern der Leute ihn darauf hinwies, dass Arbeit auf ihn wartete. Seine Beine drohten zu streiken und er musste sich an einer Tischkante hochziehen. Ihm wurde schwindelig und es fühlte sich für ihn an, als ob sich seine Beine vom Boden lösten. Aber, nein, das konnte er nicht! Carson atmete tief ein und aus, richtete sich gerade auf und blinzelte in die Dunkelheit hinein. Die meisten Taschenlampen waren erloschen, nur ein paar Meter von ihm entfernt leuchteten noch zwei.
„ Dr. Beckett! Carson, wo sind Sie?“, hörte er Maries nervöse Stimme durch die stockfinstere Krankenstation schallen.
„ Ich bin hier, Marie. Es geht mir gut!“ Carson wusste nicht in welche Richtung er zu antworten hatte. Ganz in seiner Nähe leuchtete eine weitere, eine dritte Taschenlampe auf und in ihrem Lichtkegel erkannte er das besorgte Gesicht der asiatischen Krankenschwester. Sie entdeckte ihn und ihre Gesichtszüge hellten sich ein bisschen auf.
Carson griff nach seiner Taschenlampe, die ihm während der ganzen Aktion aus der Hand gefallen, gegen die Wand geprallt und wieder in seiner Richtung zurück gerollt war, als das Schiff hin und her gependelt war. Theoretisch war das unmöglich, doch Carson hatte schon lange damit aufgehört, nur an die Theorie zu glauben!
Die Taschenlampe lag kalt in seiner Handfläche, als er sie umher schwenkte. Er entdeckte Sue Thompson, die sich kreidebleich an der Patientenliege hochzerrte. Ihr Atem ging schnell und holprig und sie hatte ihre braunen Augen weit aufgerissen. Schweißperlen standen auf ihrem vor Schreck erblassten Gesicht.
„ Geht es Ihnen gut, Sue?“, schaffte es Carson sie zu fragen. Die Wissenschaftlerin starrte ihn mit ihren geweiteten Augen an und nickte dann. Über ihre bebenden Lippen kam ein schwaches ‚Ja’, was sich jedoch in den Stimmengewirr der anderen Besatzungsmitglieder, die sich auf der Krankenstation befanden, unterging.
Carson rieb sich sein Kinn, das hart auf dem Boden aufgeschlagen war, und leuchtete mit der Taschenlampe in die Richtung, wo er Teyla zum letzten Mal hatte stehen sehen- doch die Athosianern war verschwunden und eine leise Panik überkam den Schotten.
„ Teyla“, rief er in die Dunkelheit hinein und allein die Tatsache, dass die junge Frau ihm nicht sofort antwortete, machte ihm Angst. Er half Sue auf die Liege. „ Teyla! Teyla!“ Angstschweiß trieb ihm auf die Stirn. Was wäre wenn…
„ Hier bin ich“, ertönte da auf einmal eine schwach klingende Stimme ganz in seiner Nähe und im faden Lichtschein erblickte Carson die schwangere Athosianerin. Ihre Hand ruhte auf einer umgestürzten Kiste, während ihr anderer Arm schlaff an ihrem Körper hinab baumelte.
„ Oh, mein Gott!“ Carson eilte zu ihr, legte ihr vorsichtig einen Arm um die Taille und half ihr auf. „ Sind Sie verletzt, meine Liebe?“
„ Mir geht’s gut“, antwortete Teyla mit schmerzverzogenem Gesicht. „ Nur… mein Arm- ich...ich kann ihn nicht mehr bewegen!“ Eine alte Narbe an ihrer Schläfe war wieder aufgeplatzt und das Blut tropfte ihre Wange hinab.
„ Halten Sie den Arm möglichst still“, wies Carson sie an und geleitete sie zu einem Stuhl. Mit einem lauten Ächzen ließ sich Teyla auf den Stuhl sinken und fiel gegen die Rückenlehne.
„ W…was ist da eben passiert?“, fragte sie, rieb über ihren Bauch. „ Es hat sich angefühlt, als hätte uns etwas getroffen.“
Carson schüttelte mit dem Kopf. „ Wenn ich Ihnen doch darauf nur eine Antwort geben kann.“ Die Athosianerin zuckte zusammen, als er mit seinen Fingern nach ihrer Wunde tastete, um sie genauer zu untersuchen. „ Fühlen Sie sich schwindelig? Haben Sie außer im Arm noch irgendwo anders Schmerzen?“
„ Es ist nur der Arm“, erwiderte Teyla, verzog ihr Gesicht, als Carson ihren linken Arm anwinkelte, und wimmerte leise auf. Ihre andere Hand lag noch immer auf ihrem Bauch. Carson blickte sie an und entdeckte die blanke Angst in ihren braunen Augen. Nichts war mehr verblieben, von der ruhigen Person von vorhin…
„ Ungeborene sind in diesem Stadium sehr zäh“, versuchte er sie zu beruhigen, doch Teyla schnitt nur eine bedingt beruhigte Grimasse.
„ Ich mache mir nicht nur darum Sorgen, Carson“, sagte sie und der Mediziner verstand.
„ Ich bin mir sicher, dass dem Colonel nichts passiert ist“, meinte er und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: „ Es würde mich nicht überraschen, wenn gleich die Tür aufgeht und er wohl behalten hereinspaziert.“

Niemals im Leben hatte Carson damit gerechnet, dass er ein so gutes Timing besaß. Eine abrupte Ruhe legte sich über die Krankenstation, als plötzlich im Korridor außerhalb Schritte ertönten, die sich ohne jeden Zweifel näherten.
„ Was zur Hölle…“, hörte Carson jemanden erleichtert fluchen, als die Deckenleuchten zu flackern begannen und nach wenigen Momenten elektrisiertem Hin und Her wieder hell zu leuchten begannen. Ein Seufzen der Erleichterung ging durch die Krankenstation, auch wenn jetzt ihm Hellen das Ausmaß sichtbar wurde.
„ Gott sei Dank!“, rief ein junger Marine und umarmte eine Wissenschaftlerin freundschaftlich. Trotz seiner Kopfverletzung sprang er freudig auf, genau in dem Moment, als sie die Türe zur Krankenstation öffnete. Eine dunkle, unverkennbar weibliche Gestalt kam herein… und jedermann hielt nach der Euphorie die Luft an. Der Marine stolperte erschrocken zurück, prallte dabei gegen ein paar Kisten, die das ganze Durcheinander heil überstanden hatten und riss sie mit Tumult zu Boden.
Oh, verdammt, dachte Carson nur, als er sah, wie die fremde Frau, die in der Türschwelle stehengeblieben war, ihn anfunkelte. So schnell, das es noch nicht einmal der beste Marine hätte realisieren können, griff sie an ihren Gürtel, zog eine Waffe, richtete sie auf den Marine und drückte ohne auch nur mit der Wimper zu zucken ab.
Ein Aufschrei ging durch die Anwesenden, als die Kugel sich genau zwischen die Augen des Soldaten bohrte, die daraufhin im Hinterkopf des jungen Mannes verschwanden. Er kippte nach vorne, wie eine Marionette, deren Bänder man durchgeschnitten hatte.

Carson musterte die fremde Frau. Irgendetwas stimmte nicht. Nein, er kannte sie nicht und er glaubte fest daran, dass sie etwas mit dem Vorgefallenen zu tun haben musste. Sie hatte lange, blonde und leicht gewellte Haare. Ihre rubinroten Augen stachen aus ihrem leichenblassen Gesicht, ebenso wie ihre blutroten Lippen. Sie sah schlichtweg furchterregend aus und die Tatsache, dass sie eisern schwieg und nur ihren Blick über die Anwesenden schweifen ließ, machte sie Sache nicht gerade besser.
„ Wer von Ihnen ist zuständig für diese Sektion?“ Als sie ihre glasklare Stimme erklingen ließ, zuckten alle zusammen- doch Carson mitunter am stärksten. Sie hatte ihn angesprochen, auch wenn sie es nicht wusste. Er spürte Teylas ängstlichen Blick auf sich liegen. Tun Sie es nicht, schienen ihre braunen Augen ihm sagen zu wollen, doch wieder aller Versuche, richtete Carson sich auf. Er schluckte nur, als der Blick der Frau auf ihn fiel.
„ Das bin ich“, antwortete er ihr selbstbewusst. Wer auch immer diese Frau war… er war sich sicher, dass sie nichts Gutes im Schilde führte. „ Und wer sind Sie?“
„ Ich denke nicht, dass Sie das zu interessieren hat“, erwiderte sie ihm schnippisch, doch dann stahl sich ein Lächeln über ihre perfekt geschwungenen Lippen. „ Aber ich will nicht so sein: Mein Name ist Larrin.“
„ Wie sind Sie auf dieses Schiff gekommen?“ Carson fragte sich selber, was er da eigentlich tat. Sämtliche Alarmglocken in ihm schrillten. Trotzdem fuhr er fort, sie zu fragen. Er musste wissen, wer sie war. Er musste wissen, warum und vor allem wie sie auf das Schiff gekommen war. Er sah seine Verantwortung! „ Was wollen Sie von uns?“
Larrin lächelte boshaft und machte einen Schritt auf ihn zu. Ein Laut des Entsetzens ging durch die Menge. „ So viele Fragen“, meinte sie, „ und so wenig Zeit für Sie, die Antworten zu finden.“ Sie zog ihre Waffe, die noch immer rauchte, richtete sie auf ihn und drückte ab. Der Schuss zerriss die angespannte Stille der Krankenstation und ging in den gnadenlosen Schrei von Sue Thompson über, die sich aufgebracht die Hände vors Gesicht schlug.

+++++++++++


Was es auch immer war, das sich vor seine Augen gelegt hatte- es verschwand und er merkte, wie seine Sinne zurückkehrten. Sein Schädel brummte wie nach einer durchfeierten Nacht und als er es nach mehreren erfolglosen Versuchen schaffte, seine müden Augen zu öffnen, sah er nichts als ein merkwürdiges Flimmern. Es war hell und es schmerzte ihn so sehr, dass er wieder in die Bewusstlosigkeit zurückzufallen drohte, doch das wollte er nicht.
Standhaft kämpfte er gegen das Verlangen, seine Augen zu schließen, an und versuchte sich zu konzentrieren. Mit aller Kraft fokussierte er seinen Blick auf das seltsame Flimmern. Er blinzelte einmal, zweimal, dreimal und dann noch ein viertes und fünftes Mal, ehe er erkannte, um was es sich dabei handelte. Auf einmal war er wieder klar und sein Verstand kehrte zurück. Obwohl sein Körper mit stechenden Schmerzen, die ihm fast den Atem raubten, protestierte und sein Kopf sich bei jeder unüberlegten Bewegung meldete, richtete er sich auf. Er biss die Zähne zusammen und presste seine Lippen fest aufeinander, um ein Stöhnen zu verhindern, als er sich auf seinen zitternden Unterarmen abstützte und sich mit seinen Ellenbogen vom Boden wegdrückte.

In solchen Momenten wie diesen, schätzte er die Ausbildung, die er damals genossen hatte sehr. Er hatte gelernt, selbst in scheinbar aussichtslosen Situationen einen klaren Kopf zu behalten und erst einmal den Sachverhalt zu klären. Auch dieses Mal war es so, auch wenn die Bewusstlosigkeit ihn immer wieder zu übermannen versuchte. Doch er musste aufstehen! Er konnte nicht liegen bleiben! Irgendetwas stimmte hier nicht und das machte ihn nervös!
„ Rodney?“, kam es heiser über Johns Lippen, als er sich hochgehievt und das Gefühl hatte, einigermaßen sicher auf seinen Beinen zu stehen. Er drehte seinen Kopf, suchte den Kanadier, der ihn begleitet hatte, doch er konnte ihn nirgendwo entdecken. Er mochte vielleicht auf wackligen Knien stehen, doch das helle Flimmern verschwand nur sehr langsam und die Schmerzen, die stechend heiß durch seinen Körper zogen, ließen ihn nicht klar denken. Er versuchte sich trotz aller Mühen zu erinnern, was geschehen war, aber er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Alles war so unübersichtlich und die Gedanken rasten durch seinen Kopf wie die Autos über den Highway. John kniff seine Augen zusammen, nicht zuletzt, weil das Flimmern wieder unerträglich wurde.
Verdammt, konzentrier’ dich, Mann, schimpfte er mit sich selbst. In mühevoller Arbeit versuchte er die kleinen Bilder und Erinnerungen in seinem Kopf zu einem großen Bild zusammenzufügen…

„ Wissen Sie“, schnaufte Rodney, „ es ist auch für mich nicht angenehm, dass Sie an meinem Hintern kleben. Und ich finde außerdem, dass ich den viel schwierigeren Part bekommen habe. Sie sollten sich nicht so aufregen, Sheppard.“
„ Aber ich habe doch gar nichts gesagt“, verteidigte John sich kopfschüttelnd und fügte hinzu: „ Im Gegensatz zu Ihnen weiß ich, wann man die Klappe hält.“
Rodney lugte über seine Schultern hinweg. „ Hey, erwarten Sie keine Begeisterungsrufe von mir. Ich war von Anfang an gegen diese ganze Aktion und ich hätte mit Sicherheit einen anderen, vorteilhafteren Weg gefunden, um das Problem zu lösen. Aber, nein, stattdessen krieche ich hier durch die Lüftungsschächte, weil Colonel „Indiana Jones“ immer auf so abenteuerliche Ideen kommt!“
„ Es war nicht meine Idee“, erinnerte John ihn. „ Und es tut mir leid, aber ich sehe keine andere Möglichkeit.“
„ Oh, nein“, rief Rodney sarkastisch aus. „ Der strahlende Held, dem alle Frauen zu Füßen liegen, und der geniale Wissenschaftler, der mit dem Nerven am Ende ist, kämpfen sich ihren Weg durch das verwirrende System der Lüftungsanlage. Hab’ ich eigentlich schon erwähnt, dass diese Idee vollkommen schwachsinnig ist?“
„ Wir würden viel schneller vorankommen, wenn Sie nicht alle fünf Meter anhalten würden, um sich zu beschweren, was für ein armer Mensch Sie doch sind.“
Rodney hielt an und John seufzte. „ Ich möchte Sie nur noch einmal darauf hinweisen, Colonel, dass das hier nicht meine Idee gewesen ist. Und für das Protokoll: Diese Idee ist Wahnsinn und das hier ist Selbstmord!“
„ Jetzt machen Sie schon weiter“, befahl John, „ sonst sehe ich mich gezwungen, Ihnen weh zu tun!“
„ Als ob Sie das nicht schon mit dieser dämlichen Idee getan hätten“, schnaubte Rodney erbost und machte sie daran, tiefer in das Lüftungssystem vorzudringen. John kroch widerwillig und Abstand haltend hinter dem Kanadier hinterher und so langsam kam er an den Punkt, an dem er sich fragte, ob es vielleicht doch klüger gewesen wäre, er hätte Rodney Zeit gegeben um nach einem anderen Weg zu suchen. Sie beide waren schon seit einer viertel Stunde in den Schächten unterwegs und bisher hatte sich nicht viel getan, außer das Rodney Schimpfarien von Minute zu Minute schlimmer wurden und seine Wortwahl begann allmählich unter die Gürtellinie zu rutschen.
John versuchte sein Bestes, um Rodneys schrille Stimme irgendwie auszublenden, doch sein Vorhaben scheiterte an der Umsetzung. Der Soldat hielt seine Lippen zusammengepresst und verkniff sich jeglichen Kommentar. Es war nicht nur besser für ihn…

„ Ich fühl’ mich dämlich“, posaunte Rodney plötzlich und brachte Johns Vorhaben damit kräftig ins Wanken.
„ Dazu gehört nicht viel“, giftete John Rodney an, woraufhin dieser anhielt und der Soldat dem viel zu schnell herannahenden Hinterteil des Kanadier nur knapp ausweichen konnte.
„ Das werde ich jetzt geflissentlich ignorieren“, verkündete Rodney scharf und sein Blick sprach Bände. „ Obwohl ich mich gerade sehr verletzt fühle.“
„ Ihrem Ego wird es sicher nicht schaden“, stichelte John weiter und musste grinsen, als er merkte, wie Rodney darauf ansprang.
„ Seihen Sie mal ganz ruhig, mein Lieber, schließlich ist das hier alles Ihre Schuld“, sagte Rodney und brachte das Gespräch somit wieder auf das alte Thema zurück.
„ Es ist nicht meine Schuld“, beteuerte John eisern und unterstrich seine Aussage mit einer fließenden Handbewegung. „ Und ich will jetzt auch nicht mehr darüber reden, sondern endlich diesen Ausgang finden. Ich habe nämlich keine Lust die nächsten Tage im Dunkeln zu verbringen.“
„ Der Colonel hat gesprochen“, knurrte Rodney. „ Wenn Sie mir jetzt auch noch sagen, in welche Richtung wir zu gehen, beziehungsweise zu kriechen haben, dann erkläre ich mich bereit Ihnen Ihre Kommentare zu verzeihen.“ Er zog seine Stirn kraus. „ Aber da Sie das anscheinend nicht sind und da ich weder diese verquäkte Stimme höre, die mir sagt, dass ich in hundert Metern rechts abzubiegen habe, sehe ich keine Notwendigkeit darin.“
„ Sie sollten das Ganze mal etwas positiver sehen, Rodney!“
„ Ich weiß nicht, was es hier positiv zu sehen gibt“, empörte sich der Kanadier und hielt zu Johns Leiden wieder an. „ Wir kriechen in einem Lüftungsschacht umher, ohne zu wissen, wo uns unsere Reise hinführt. Und zu allem Überfluss sitzt mir die Tatsache im Nacken, dass Dutzende Leute im Dunkeln darauf warten, dass ich das wieder hinbekomme. Also, ich weiß echt nicht, was Sie daran Positives sehen! Für mich ist das alles nu-…“


Das Nachdenken wurde zu anstrengende für seinen brummenden Schädel, doch John erinnerte sich wieder daran, was nach seiner kleinen Auseinandersetzung mit Rodney passiert war. Sie waren noch eine ganze Weile durch die miteinander verzweigten Lüftungsschächte gekrochen und Rodney hatte nicht aufgehört auf Gott und die Welt zu schimpfen. Das rüde Benehmen des Kanadiers hatte ihn fast verrückt gemacht! Er fragte sich, wie er das nur ausgehalten hatte…
Die Tatsache außen vor lassend, dass Rodney es nicht geschafft hatte, auch nur für ein paar Sekunden den Mund zu halten, war der Rest ruhig verlaufen. Anders als von Rodney erwartet, hatten sie beide sich nicht verirrt und hatten das Ende des Lüftungsschachtes heil erreicht- abgesehen von ihren geschundenen Händen und schmerzenden Knien…

Was danach geschehen war, war John nur noch schleierhaft in Erinnerung und es waren nicht mehr als dunkle Bilder. Er erinnerte sich, dass er und Rodney versucht hatten das Schachtgitter zu lösen, um in den dahinterliegenden Korridor zu gelangen, doch es war ihnen nicht gelungen- das Gitter klemmte. Er hatte versucht, es aus der Verankerung zu heben, scheiterte jedoch.
Danach war wieder eine große Leere in Johns Kopf- keine Erinnerungen, keine Bilder. Doch dann… nur schwach, aber er erinnerte sich an ein Beben, das die Wände erschüttert und ihn und Rodney zurückgeschleudert hatte. Soweit er sich erinnern konnte, war weder ihm noch dem Kanadier etwas passiert- sie hatten einander nur verwirrt angesehen. Das Beben dauerte an, schwächte ab, kehrte aber dann mit einer solchen Wucht zurück, dass es sie durch die Luft schleuderte, gegen das Lüftungsschachtgitter, das krachend ihrer beider Gewicht nachgab und sie mit zu Boden. Der Boden war hart. Der dumpfe Aufschlag seines Kopfes auf den harten Boden hatte John die Tränen in die Augen getrieben, doch nur für einen kurzen Moment, der schnell wieder verflog. Das Letzte, an was er sich bewusst erinnern konnte, war, dass sich ein dunkler Schleier über das Flackern der wieder zu leuchten beginnenden Deckenleuchten gelegt und dass ihn das matte Gefühl der Ohnmacht übermannt hatte…

…dann war er erwacht. John konnte nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war, doch es gab im Moment durchaus Wichtigeres. Er war sich nicht sicher, ob er sich dieses miese Gefühl, das ihm sagte, dass etwas nicht stimmte, nur einbildete oder ob es tatsächlich echten Grund zur Sorge gab. Misstrauisch blickte er sich um, stellte dankend fest, dass sich das seltsame Flimmern langsam legte. Neben ihm hatte es das Schachtgitter zu Boden gerissen und nur ein paar Meter weit entfernt erblickte er Rodney, der mühsam aus seiner Bewusstlosigkeit erwachte und dabei leise vor sich hinfluchte.
„ Rodney!“ John stieg über das Gitter hinweg und eilte zu seinem Freund so schnell es ihm seine Beine erlaubten. Er sah, wie sich der Kanadier ächzend auf den Rücken rollte und seinen Kopf in seine Richtung drehte. Auf den ersten Blick schien er unverletzt zu sein, doch John wollte sich da nicht festlegen. Was auch immer gerade passiert war und so ungern er es auch zugab, aber sie beide musste zu einem Arzt. Nicht nur sein wiederkehrendes Schwindelgefühl sprach für eine ärztliche Untersuchung. John ging neben Rodney auf die Knie und berührte ihn an der Schulter; so ganz sicher war er sich nicht, was er damit bezwecken wollte. Er wollte seinem Kameraden einfach nur realisieren, dass er bei ihm war und dass er sich keine Sorgen machen müsste. „ Hey, alles in Ordnung?“, wollte der Soldat wissen. „ Rodney, können Sie mich hören? Geht’s Ihnen gut?“
„ Mir geht’s gut“, antwortete Rodney ihm mit heiserer Stimme und schnitt eine Grimasse. „ Kein Grund gleich so zu schreien, Sheppard.“ Er ächzte und schlug seine Augen, blinzelte verwirrt. „ Was… was ist da eben passiert?“
„ Ich hab’ gedacht, Sie können mir das sagen“, gestand John kleinlich, reichte Rodney seine Hand, die der Wissenschaftler sogleich ergriff, und zog ihn vorsichtig hoch. „ Alles okay?“, fragte er, als Rodney einen Schritt zurück taumelte und sich an die Stirn fasste.
„ Jaja, ich denke schon“, kam die Antwort. „ Gebrochen ist hoffentlich nichts. Und was ist mit Ihnen?“ Rodney deutete mit dem Finger auf Johns Stirn. „ Sie bluten.“
John tastete nach der Stelle, die Rodney ihm bedeutete, und zuckte zusammen, als ein stechender Schmerz durch seinen Körper fuhr und als seine Fingerkuppen in rotes Blut tauchten. Verdammt, dachte er und presste ärgerlich die Lippen aufeinander.
„ Sie sollten zu Carson gehen“, schlug Rodney vor. Er zog die Stirn kraus, aber John wusste, dass es nicht seinetwegen war, sondern wegen der Tatsache, dass im Gegensatz zu vorhin, der Korridor nunmehr hell erleuchtet war und das die Wandpanele an den Türen aktiviert zu sein schienen. „ Was um alles in der Welt…“, hörte John Rodney leise murmeln und blickte zu ihm herüber. Rodneys Blick verriet genau das, was auch ihm durch den Kopf ging.
„ Glauben Sie mir, ich denk’ dasselbe wie Sie“, meinte John.
„ Ich will nicht schon wieder nörgeln, aber ich habe bei der Sache hier ein ganz, ganz mieses Gefühl“, sagte Rodney.
„ Da sind Sie nicht allein“, entgegnete John und war sich sicher, dass Rodney ihren kleinen Streit im Lüftungsschacht bereits vergessen hatte, so wie er. Er seufzte- wie hätte er es auch anders tun können- und strich sich durch seine dunklen Haare, richtete seine Augen auf das am Boden liegende Gitter. „ Wir sollten zurückgehen und nach den anderen sehen. Irgendwas stimmt hier nicht.“
„ Ich mag zwar nur selten Ihrer Meinung sein, aber diesmal stehe ich voll und ganz auf Ihrer Seite“, redete Rodney. Ernst sah John den Kanadier an und überlegte, was wohl geschehen war, als er im Augenwinkel einen Schatten vorbeihuschen sah. Sämtliche nicht erforderliche Funktionen wurden eingestellt und er bedachte Rodney warnenden Blickes, aber dieser schien ebenso wie er bemerkt zu haben, dass sie beiden nicht mehr allein waren- er hielt seinen Blick auf Johns Gesicht gerichtet, rührte sich nicht und der Soldat bezweifelte sogar, dass Rodney noch atmete.
John spähte über seine Schulter, doch er konnte nichts entdecken. Sein Herz begann schneller zu schlagen und mehr Adrenalin durch seinen Körper zu jagen, doch sein Atem war ruhig. Noch immer hielt er Rodneys Blick. Plötzlich erschauderte der Kanadier und auch John überkam ein seltsames Gefühl. Sie beide schienen die verstohlenen Blicke zu spüren, die auf ihnen lasteten.
„ Keine Bewegung“, flüsterte John und Rodney nickte, biss die Zähne zusammen. Johns Nackenhaare stellten sich auf und er lauschte in die Stille hinein- nichts war zu hören, trotzdem wusste er, dass sie nicht mehr allein waren. Er presste seinen Arm eng an seinen Körper, wanderte mit seiner Hand an seinem Bein hinab und tastete mit seinen Fingern nach seiner Beretta. Seine Finger klammerten sich um das kühle Metall seiner Waffe und sein Zeigefinger legte sich auf den Abzug.
Rodney stand ihm gegenüber und hielt die Luft an. Der Blick seiner blauen Augen wanderte über Johns Schultern hinweg… und erstarrte. „ John, runter!“

John drückte Rodney mit einer Hand runter und wirbelte herum, fokussierte einen Mann, der am Ende des Korridors aufgetaucht war und noch halb im Schatten verborgen stand. In seiner blassen Hand blitzte das glänzende Metall eines langen Waffenlaufs auf und John konnte gar nicht so schnell denken, wie ihm die Schüsse um die Ohren peitschten. Der Schütze schien nicht beabsichtigen ihn oder Rodney zu treffen, denn sie Kugeln trafen nicht sie sondern die hinter ihnen liegende Wand. Trotzdem schien er alles andere als freundlich gesinnt…
John richtete seine Waffe auf den Mann, der sich ihm nun zu nähern begann. Er trat aus dem Schatten hervor und John erkannte, dass er von stattlicher Statur war und kurze braune Haare hatte. Seine Augen glänzten in einer Farbnuance, die es John eiskalt über den Rücken laufen ließ und schreckliche Erinnerungen in ihm wachrief- rubinrot. Nein, dachte John und riss seine Augen auf. Nein, das konnte nicht sein. Wie um alles in der Welt war das möglich? Wie hatten sie ihn gefunden? Das konnte nicht wahr sein!
„ Laufen Sie, Rodney“, pöbelte er über seine Schulter und ein zielgerichteter Schuss löste sich aus seiner 9mm, traf den fremden Mann an der Schulter, doch dieser zuckte noch nicht einmal zusammen. John spürte Rodneys Präsenz noch immer hinter sich. „ Verdammt, verschwinden Sie, Rodney! Los!“
„ John…“, hörte er Rodney rufen, gerade in dem Moment, als sich direkt neben ihm eine Kugel in die Wand bohrte und er hörte, wie der Mann am Ende des Korridors seine Waffe nachlud und ihm damit unmissverständlich klar machte, dass er nicht noch einmal daneben schießen würde. John fluchte und feuerte in die Richtung des Mannes- alle drei Kugeln trafen zielsicher ihr Ziel, doch dem Mann schien es nichts auszumachen, dass drei Kugeln in seiner Brust steckten.
John wusste, dass es jetzt an der Zeit war, sich aus dem Staub zu machen, und so wirbelte er herum. Er würde sich Rodney schnappen und ihn hinter sich her ziehen, wenn er mal wieder wie angewurzelt stehen bleiben würde und sich nicht bewegte. Er blickte zu Rodney und kam stolpernd wieder zum Stehen…

„ Denken Sie nicht mal dran, Sheppard!“, drang eine ihm nur zu vertraute Stimme aus einem ihm nur zu vertrauten Mund und er konnte es nicht verhindern, entgeistert zu gaffen.Wieso passierten die verrückten und unglaublichen Sachen immer nur ihm? Er konnte nichts sagen, war vielmehr damit beschäftigt, die Waffe zu mustern, die Rodney gegen die Schläfe gedrückt wurde. Voller Missachtung und unangenehmer Überraschung hob er seinen Kopf, blickte in ein Paar blutrote Augen und schreckte zusammen.
„ Tun Sie nicht so erschrocken, Sheppard. Das steht Ihnen nicht!“ Larrin grinste boshaft, schlang ihre blassen Finger um das Metall ihrer Waffe und presste sie noch fester gegen Rodneys Schläfe. Ab diesem Moment wusste John, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte und dass alles verdammt falsch lief…
In der Tiefe seines Herzens by Ailya
Das Herz ist verräterischer als sonst irgendetwas. Wer kann es kennen?


Vala gab einen empörten Laut von sich. So hatte sie noch niemand behandelt und so wollte sich auch nicht behandelt werden! Mit einem tödlichen Funkeln in ihren graublauen Augen drehte sie ihren Kopf und bedachte den Mann, der sie so unschön vor sich her trieb, mit finsterem Blick. Sie kannte ihn nicht, doch allein dass er sie so grob behandelte, schürte in ihr Verachtung. Wirklich 'niemand' hatte das Recht sie so zu behandeln!
„ So behandelt man aber keine Dame“, beschimpfte sie ihn und versuchte sich aus seinem Griff zu befreien. Der Mann zeigte keinerlei Reaktion, zerrte sie nur weiter durch die Korridore. Sein Griff war fest, seine Finger hatten sich wie ein Schraubstock um ihren Oberarm gelegt und so sehr sie es auch versuchte, sie kam nicht frei!
„ Wüstling“, schnauzte Vala. Sie hatte genug von diesem Mann- wer auch immer er war. Sie hatte mit Elizabeth Weir zusammengesessen, als dieser Kerl und noch ein weiterer in den Raum gestürmt waren. Vala konnte nicht in Worte fassen, wie schnell es alles ging. Die beiden Eindringlinge hatten auf sie zugesteuert und sie beide hochgezerrt. Dr. Weir und sie hatten keine Gelegenheit gehabt, darüber nachzudenken, was das alles zu bedeuten hatten, doch da war gleich dieses miese Gefühl gewesen.
An das, was danach passiert war, erinnerte sich Vala nicht mehr. Das Letzte, worauf sie in ihren Gedanken zurückgreifen konnte, war, dass man sie aus dem Raum gezerrt hatte, ganz gleich wie sehr sie beiden sich auch dagegen gewehrt hatten. Vala hatte versucht sich zu befreien, doch es war ihr nicht gelungen… und damit endeten ihre Erinnerungen.

Der grobschlächtige Kerl war mit ihr allein; scheinbar hatte man Dr. Weir woanders hin gebracht. Er festigte seinen Griff noch mehr und ihr Arm wurde nur noch fester zusammengedrückt. Doch Vala spürte keine Schmerzen, sondern nur Wut. Sie verstand das einfach nicht! Wer war dieser Mann und vor allem, was wollte er von ihr? Sie kannte ihn doch noch nicht einmal! Und sie bezweifelte, dass er zur Expedition gehörte!
Vala war in den letzten Minuten zu aufgebracht gewesen, um ihren Begleiter näher zu betrachten, doch nun spähte sie neugierig über ihre Schulter. Aus diesem Blickwinkel schätzte sie ihn nicht älter als fünfundzwanzig Jahre. Trotzdem war sein Gesicht von Wind und Wetter gezeichnet; er hatte ein markantes, vorstehendes Kinn. Obschon erste Fältchen um seine Augen lagen und sein scheinbar anstrengender Lebenswandel seine Schläfen hatte leicht gräulich werden lassen, hatte er noch einige kindliche Züge. Inmitten seines Gesichts, dessen Proportionen so gar nicht zusammenpassten, blinzelten feuerrote Augen unter schmalen Augenbrauen hervor. Sie stachen aus seinem leichenblassen Gesicht heraus, harmonierten allerdings perfekt mit seinen blutroten Lippen, die er fest zusammengepresst hatte. Er schien nicht reden zu wollen. Vielleicht war es ihm auch verboten worden, doch Vala war sich ganz sicher, dass er nicht mir ihr reden wollte.
Na schön, dachte sie sich- sie sah auch keinen triftigen Grund mit ihm Konversation zu treiben.

Er führte sie durch sämtliche Korridore- manche kannte sie nicht einmal und je länger sie unterwegs waren, desto mehr fragte sie sich, wohin er sie brachte. Sie hatte aufgeben und sich ihrem Schicksal ergeben, zumal er den Eindruck erweckte, dass er mit den Messern, die an seinem Gürtel befestigt waren, umzugehen wusste. Und sie mochte zwar nicht gerade die größte Waffenexpertin des Universums sein, aber die Waffe, die in seiner blassen Hand lag, war geladen und allein die Tatsache, dass ihr der lange Lauf in den Rücken gepresst wurde, sorgte dafür, dass sie ihm widerstandslos folgte. Sie tat es nicht gerne, aber sie tat es! Vielleicht kam später noch einmal die Gelegenheit, auf die sie wartete. Ein Moment, in dem er unaufmerksam war…

„ Hey, Vorsicht“, schimpfte sie, als der Mann sie grob am Arm zerrte. Sie hatten angehalten und standen vor einer verschlossenen Tür. Vala zog ihre Stirn kraus und ihre Mundwinkel begannen zu zucken. O nein, sie würde ihm nicht sagen, wie man diese Technologie bediente, auch wenn er auf Knien vor ihr auf dem Boden rutschten und um Hilfe winseln würde!
Doch der Kerl streckte nur seine Hand aus, fuhr über das Wandpanel und die Tür öffnete sich- scheinbar hatte er doch seine Hausaufgaben gemacht. Die beiden Türhälften glitten auseinander und Vala erkannte, warum man sie hierher gebracht hatte.

Es war ein Raum von mittlerer Größe, den man zu Glanzzeiten des Schiffes wahrscheinlich als Lagerraum genutzt hatte. Nun befanden sich nicht mehr als ein paar zusammengefallene Kisten und ausrangierte Sitzgelegenheiten, wie ein Dutzend der weißen Sessel, in diesem Raum. An der Decke hingen drei alte Lampen, die sich hin und her bewegten und den spärliches Licht spendeten.
Doch selbst dieses schwache Glimmen reichte aus, um Vala erkennen zu lassen, dass sie wenigstens nicht allein war. Auf den ersten Blick entdeckte sie ein paar Wissenschaftler auf den Bänken sitzen. Vier Marines standen jenseits der Kisten und redeten leise miteinander. Die blonde Ärztin, die laut Sam auf den Namen Jennifer Keller hören sollte, und der hünenhafte Ronon aus Col. Sheppards Team blickten zu ihr auf.
„ Rein da“, befahl der Kerl Vala schroff und schupste sie in den Raum. Als sie sich umdrehte, hatte sich die Tür bereits geschlossen und Jennifer Keller stand an ihrer Seite.
„ Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“, fragte die Ärztin besorgt und ihre Fingerkuppen berührten vorsichtig Valas malträtierten Oberarm. Die Außerirdische nickte nur, denn sie war unfähig etwas zu sagen. Sie sah sich um.
„ Man hat uns hierher gebracht.“ Jennifer schien zu erahnen, was sich Vala schon die ganze Zeit fragte. Die Medizinerin seufzte und fuhr sich mit ihren Fingern durch ihre blonden Haare. „ Ich war in der Kantine. Es ging alles so schnell.“
„ Wie sind die an Bord gekommen? Was wollen die von uns?“, fragte Vala und blickte zwischen Ronon und Jennifer hin und her. Sie hoffte inständig, dass sie ihr weiterhelfen konnten, doch spätestens als Jennifer mit dem Kopf zu schütteln begann, zerplatzte diese Hoffnung wie eine Seigenblase.
„ Man hat uns nur hierher gebracht“, seufzte Jennifer. „ Einige haben versucht, mit ihnen zu reden, doch sie haben keine Antwort bekommen.“
„ Wir sollten nicht mit ihnen reden“, meldete sich plötzlich Ronon zu Wort, den Vala in den letzten Monaten als ziemlich wortkargen Gesellen kennengelernt hatte.
„ O nein, das werden Sie nicht tun!“, schimpfte Jennifer auf einmal los und schüttelte energisch mit dem Kopf. „ Sie werden das schön sein lassen, Ronon!“
„ Mir geht’s gut, Doc“, beteuerte der Hüne, doch die Ärztin ließ sich nicht auf seine Art ein.
„ Sie haben einen ausgekugelten Arm, eine Platzwunde und eine angeknackste Rippe“, zählte sie auf, „ und da werde ich Ihren Plan nicht unterstützen! Nein! Sie haben schon genug angerichtet, mein Lieber!“

Ronon grummelte etwas in seinen Bart, doch er fügte sich der Ärztin. Er lehnte sich zurück und erst jetzt konnte Vala sehen, dass sein muskulöser schlaff an seinem Körper anlag und das Blut über seine rechte Gesichtshälfte lief. Sie hob die Augenbrauen bei dem Gedanken, dass der Sateder sich seinen Weg aus diesem Gefängnis erkämpfen wollte. Er könnte froh sein, wenn er es schaffte aufzustehen!
„ Und was machen wir jetzt?“, fragte Ronon und riss sie aus ihrer stillen Betrachtung. „ Wir können unmöglich hierbleiben.“
Jennifer schüttelte noch immer mit dem Kopf. „ Ich weiß es nicht, aber wenn Sie unbedingt Rambo spielen wollen, dann werde ich Sie daran hindern. Wir müssen einen anderen Weg hier raus finden.“
„ Wir könnten ja auch einfach warten“, schlug Vala vor, wusste aber sofort, wie unnötig ihr Kommentar gewesen war. Ronon und Jennifer sahen sie mit einem merkwürdigen Blick an.
„ Die Idee ist kacke“, meinte Ronon nur trocken und Vala kam zu dem Schluss, dass er eindeutig zu viel Zeit mit Col. Sheppard verbrachte. „ Ich werde auf keinen Fall warten!“
„ Wir wissen doch nicht einmal, was die von uns wollen“, entgegnete Vala ihm.
„ Mit Sicherheit nichts Gutes.“ Ronons Miene wurde finster. „ Ich kenn’ mich mit solchen Typen aus, glauben Sie mir.“

Vala gab es auf, dem Sateder zu widersprechen. Sie hatte von seiner Vergangenheit gehört und musste eingestehen, dass sie ihm in dieser Hinsicht vertraute. Und sie hatte gehört, dass es unnötig und reine Zeitverschwendung war, mit ihm zu diskutieren- also versuchte sie es gar nicht erst!
Mit einem Seufzen setzte sie sich auf einen der weißen Sessel, faltete ihre Hände auf ihrem Schoss, starrte zu der geschlossenen Tür herüber und fragte sich, wie es wohl den anderen gerade ging…

+++++++++++


Sie wusste von Anfang an, dass etwas nicht stimmte. Erst der Aufprall von Irgendetwas auf der Schiffsoberfläche, dann das Flackern der Lichter und dann das Surren der Energieleitungen, das verkündete, dass das Schiff seinen Betrieb wieder aufgenommen hatte. Es war alles zu merkwürdig, als das es hätte normal sein können! Sie war schon oft in ähnlichen Situationen gewesen, um zu wissen, dass sie Vorsicht an den Tag zu legen hatte. Erst die Anomalien in der Energieversorgung, dann die Schritte, die durch das ganze Schiff hallten. Es war jemand an Bord- jemand, der dort nichts zu suchen hatte!

Mit langem Hals lugte Samantha Carter um die Ecke und spähte den Korridor entlang. Mit gezogener Waffe wagte sie einen Schritt nach vorne, wurde jedoch sogleich von einer Hand zurück in den schützenden Schatten des Pfeilers gezogen, als Schritte ertönten und nur Sekunden später eine Gruppe bewaffneter Männer den Korridor passierte.
Sie drückte sich gegen den Pfeiler, die Waffe an ihrer Brust, ihr Blick auf Daniel gerichtet. Der Archäologe spähte an ihr und an dem Pfeiler vorbei und gab ihr dann mit einem unmerklichen Nicken zu verstehen, dass die Luft rein war.
Sam atmete aus und lächelte ihren Teamkollegen dankbar an. Sie konnte sich auf ihn verlassen und er konnte sich auf sie verlassen. Daniel und sie kannten einander jetzt schon seit zehn Jahre und im Laufe dieser Jahre hatten sie gelernt dem anderen sein Leben anzuvertrauen. Es ging nicht nur darum, die Missionen erfolgreich zu beenden- nein, es ging auch darum, dass jedes Teammitglied wieder nach Hause zurückkehrte. Und so sollte es auch dieses Mal sein!
Die Sorge um die anderen ließ Sam’s Herz schwer werden. Vala hatte sie nach dem gemeinsamen Frühstück aus den Augen verloren und Cameron hatte sie vorhin nur kurz gesehen. Und was mit den anderen war, wusste sie nicht. Daniel war auf der Suche nach Rodney gewesen. Sie hatte im Vorbeigehen Dr. Weir, Dr. Keller und Ronon gesehen, doch das war schon eine Zeit her. Ja, sie machte sich Sorgen um die Atlanter und nicht nur um ihr Team. Genaugenommen gehörten die Bewohner von Atlantis nun auch zu ihrem Team und dieses Team galt es zu beschützen…

„ Wer sind diese Leute?“ Sam sah Daniel an, der seine Stirn kraus zog und sich nachdenklich am Kinn kratzte.
„ Da fragst du die Falsche“, sagte sie. „ Ich kenne sie nicht und… korrigiere mich, wenn ich falsch liege, aber ich glaube nicht, dass die nach Atlantis gehören.“
Daniel verzog den Mund, lugte um die Ecke und sah sie dann ernst an. Er neigte den Kopf zu Seite. „ Du glaubst, dass das Schiff von irgendwem übernommen wurde?“
„ Im Moment glaube ich gar nichts, Daniel“, erwiderte Sam. „ Ich vermute nur, aber ich bin mir sicher, dass diese Leute nicht hierher gehören. Und außerdem wundert es mich, dass wir noch auf keinen unsere Leute gestoßen sind. Hier ist irgendetwas verdammt faul.“
„ Vielleicht sollten versuchen zu den anderen zu gelangen“, schlug Daniel vor und Sam fand, dass das eine der besten Ideen des heutigen Tages war. Sie hatte sich viele Gedanken gemacht, wie sie das anstellen sollten, nur in ihrem Kopf herrschte Chaos und es gelang ihr einfach nicht sich zu konzentrieren.
„ Sam.“ Daniel schien zu bemerken, dass sie sich schwer tat. „ Wir kriegen das schon hin.“
Die Wissenschaftlerin nickte. „ Ja, das werden wir.“ Sie löste ihre Waffe von ihrer Brust, während Daniel wieder begann sich am Kinn zu kratzen. „ Woran denkst du?“, fragte sie ihn.
„ Wo würden die die anderen hinbringen, was meinst du?“
„ Die alten Lagerungsräume“, antwortete Sam nach kurzer Überlegung und deutete auf den Transporter. „ Sie liegen zwei Ebenen unter uns; wir müssten die Transporter benutzen können. Ich bezweifle aber, dass wir das schaffen, ohne entdeckt zu werden.“ Zu ihrer Überraschung fing Daniel an zu grinsen.
„ Das hab’ ich in den letzten Monaten vermisst“, meinte er.
„ Was? Entdeckt zu werden?“, wollte Sam wissen.
„ Nein, diesen Nervenkitzel“, antwortete Daniel, hielt dann inne und nickte dann. „ Okay, das ‚Entdeckt werden’ gehört möglicherweise dazu. Es ist ruhig geworden.“
„ Wenn wir mal davon absehen, dass wir noch nicht wissen, ob die Ori vollständig vernichtet wurden und dass die Priore noch immer an ihrem Missionierauftrag festhalten.“ Sam seufzte, doch sie musste Daniel Recht geben. Seit sie den Sangreal in die Ori-Galaxie geschickt hatten, war es geradezu beängstigend ruhig geworden. Einzig und allein die mächtigen Priore wurden ab und zu noch auf einigen Planeten gesichtet. Alles erinnerte an die Zeit, nachdem sie die Goa’Uld besiegt hatten- und das löste bei Sam ein mulmiges Gefühl aus. Die Ruhe hatte damals nicht lange gewährt…

Als sie zu Daniel aufsah, bemerkte sie an seinem nachdenklichen Gesichtsausdruck, dass er wohl an dasselbe gedacht hatte wie sie. Er sagte nichts, er sah sie nur an.
„ Wir sollten vielleicht nicht gerade diesen Transporter nehmen“, beendete Sam schließlich ihrer beider Grübeleien und Daniel stimmte ein zustimmendes Nicken ein.
„ Ja“, sagte er und er schien einzusehen, dass ihnen wohl oder übel nichts anderes übrig blieb. „ Dann los.“ Er zückte seine Waffe und lugte wie sie es getan hatte um den Pfeiler herum. Es war niemand zu sehen und die Schritte waren schon längst verhallt.
Sam heftete sich mit gezogener Waffe an Daniels Fersen, als er auf den Korridor trat. Sie hatte ein furchtbar schlechtes Gefühl bei der Sache, doch sie dachte nicht einmal daran, ihrem Unmut Luft zu machen und Daniel darauf hinzuweisen. Nein. Jetzt waren sie beiden ein Team und sie würden einander verteidigen, egal was auf sie zukam. Sam wusste nur zu gut, was es bedeutete ein Team zu sein und Daniel wusste es ebenfalls.

Der Korridor war leer, der Trupp war verschwunden. Doch er konnte jeden Moment zurückkehren. Sam und Daniel hatten beobachtet, dass die kleine Gruppe von Männern- sie alle sahen furchterregend aus- auf dieser Ebene zu patrouillieren schien. Jeder einzelne von ihnen- es waren insgesamt vier Stück an der Zahl- war bewaffnet und es war zu bezweifeln, dass sie sich nicht zu verteidigen wussten.
In der Vergangenheit hatten sie schon oft mit solchen Feinden zu tun gehabt und sie waren immer mit ihnen fertig geworden. Allerdings, musste Sam innerlich hinzufügen, waren sie nur selten zu zweit gewesen. Sie senkte ihre Waffe wieder, doch ihr Finger lag noch immer auf dem Abzug. Es waren nur noch ein paar Meter bis zum Transporter- ein paar Meter, auf denen noch so viel passieren konnte. Sie war sich sicher, dass, wenn sie erst einmal im Transporter waren, man sie, falls diese Leute Zugriff zu irgendeinem Computer hatten, sofort entdecken würde.

„ Gut“, hörte sie sich selber sagen, als sie beide den Transporter nach ein paar eiligen Schritten erreicht hatten und sie mit der Hand über den in der Wand liegenden Öffnungsmechanismus der Tür fuhr. Die beiden Türhälften glitten mit einem leisen Zischen auseinander und sie und Daniel traten in den Innenraum des kleinen Transporters. Die Sekunden, bis sich die Türen wieder schlossen, kamen Sam unendlich lang vor und so seufzte sie laut, als der Transporter sich ruckelnd in Bewegung setzte.
Daniel, neben ihr, starrte auf die geschlossene Türe und schien zu überlegen, was sie wohl jetzt erwartete. Sam dachte auch daran. Sie befürchtete, dass dieser Trupp nicht ihr einziges Problem gewesen war. Es waren mit Sicherheit noch mehr an Bord und dieser Gedanke beunruhigte sie.
„ Wo lang?“, fragte Daniel sie, nur wenige Sekunden bevor sich die Transportertüren öffneten und sie beide mit gezogenen Waffen in den leeren Korridor traten.
„ Es ist nicht weit“, antwortete Sam und deutete die Richtung mit dem Lauf ihrer Waffe. Daniel verstand und strebte in die von ihr angezeigte Richtung, prallte aber ebenso schnell zurück und presste sich gegen die Wand. Schritte, die zu zwei kräftigen und bis an die Zähne bewaffneten Männern gehörten, ertönten.
Verdammt, fluchte Sam in ihrem Inneren. Mit ihrem Blick folgte sie den beiden Männern, denen wenige Sekunden später eine schlanke, blonde Frau folgte. Sie stolzierte hinter ihnen her, nicht minder bewaffnet. Sam musste die Luft anhalten, als sie sie sah. Das muss die Anführerin sein, überlegte sie. Die Frau reckte ihr schmales Kinn und allein ihre Art dahin zu schreiten und sich zu bewegen ließ keine andere Schlussfolgerung zu. Sie musste einfach eine wichtige Position haben!
Sam sah, dass sie etwas zu den Männern sagte, die daraufhin stehenblieben und sich zu ihr umdrehten, doch sie waren zu weit entfernt, als das sie und Daniel etwas verstehen hätten können. So sahen sie nur wie sich die roten Lippen der Frau bewegten. Sie machte energische Handbewegungen und schien sichtlich erbost zu sein. Die Männer ihrerseits wirkten eingeschüchtert und senkten ihre Köpfe.
Über was sie sich wohl aufregt, wunderte sich Sam. Die fremde Frau stemmte die Hände in die Hüften und funkelte die beiden Männer wütend an. Sam beugte sich um wenige Zentimeter vor- soweit, dass sie etwas sehen konnte, aber dass man sie nicht sehen konnte- und da erst entdeckte sie, dass noch zwei Männer den kleinen Trupp begleiteten. Wie die beiden ersten waren sie von kräftiger Statur und sie hatten ihre muskulösen Arme um zwei Körper geschlungen. Der eine wehrte sich aus Leibeskräften und schimpfte, während der andere ruhiger war und sich auf die fremde Frau fixiert hatte.
Sam hielt zum zweiten Mal innerhalb von nur einer Minute die Luft an und starrte ungläubig in die Richtung des Geschehens. „ Sind das nicht…“, setzte Daniel zur Frage an- er hatte die beiden ebenfalls bemerkt und ließ sie nicht aus den Augen.
„ Ich wünschte es wäre nicht so“, meinte Sam und konnte nunmehr- trotz Entfernung- hören, wie Rodney McKay lautstark gegen die Behandlung protestierte. Ihr Blick lag nur für wenige Sekunden auf dem Kanadier, ehe er zu Col. Sheppard wanderte, der im Gegensatz zu seinem Teamkollegen, die Sache objektiver zu sehen schien. Zwar wehrte er sich auch gegen den festen Griff, der ihn daran hinderte zu fliehen, aber er beobachtete vielmehr das Drumrum.

Die blonde Frau wedelte nun mit ihrer blassen Hand vor den Gesichtern der Männer herum, die sich daraufhin wieder in Bewegung setzten. Diesmal hatten sie es sichtlich eilig und waren binnen weniger Augenblicke verschwunden. Sam sah, wie sich die Frau umdrehte, Rodney entnervten Blickes bedachte und dann dem Mann, der den Kanadier am Arm hielt, unmerklich zuzwinkerte. Der Mann nickte und wider Rodneys Protestrufen, zerrte er den Wissenschaftler hinter sich her. Col. Sheppards Kopf drehte sich in Rodneys Richtung und als der Pilot wieder zu der Frau sah, lag ein finsterer Ausdruck in seinem Gesicht. Dafür hatte die Frau aber nur ein Lächeln übrig, machte einen Schritt auf ihn zu und streckte ihre Hand nach dem Gesicht des Colonels aus. Er drehte seinen Kopf weg und strahlte demonstrative Verachtung aus. Die Frau lächelte wieder- boshaft und gleichzeitig amüsiert. Warum wurde Sam den Gedanken nicht los, dass die beiden- Col. Sheppard und die fremde Frau- sich kannten?
Still beobachteten sie und Daniel wie sich die Lippen der Frau bewegten, woraufhin Col. Sheppard den Mund verzog und der Mann ergeben nickte. Er zerrte den Colonel hinter sich her, so wie es auch der andere mit Rodney getan hatte. Die blonde Frau folgt den beiden in geringem Abstand und sie ließen den Korridor leer zurück.

'Irgendetwas stimmte hier nicht. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.' Es war eine berechtigte Schlussfolgerung. Wer waren diese Leute und was hatten sie hier verloren? Immer mehr Fragen drängten sich in Sam’s Kopf, der sich anfühlte als wollte er explodieren. Sie sah Daniel an, der in etwa an dasselbe dachte wie sie.
'Wir sollten weiter', schienen ihr seine blauen Augen sagen zu wollen und in Anbetracht der Tatsachen erfand Sam das als eine gar nicht mal so schlechte Idee.

++++++++++++


Man hatte sie in einen spärlich eingerichteten Raum gebracht. Die grauen Wände waren kahl und kalt. Der Boden war staubig und von der Decke baumelte eine Lampe, die auch schon mal bessere Zeiten gesehen hatte und die den Raum nur schwach beleuchtete. Wahrscheinlich war es einmal ein Lagerraum gewesen, doch nun stand er leer. Der ideale Ort, um ein Dutzend Personen zusammenzupferchen und sie festzuhalten.

Teyla erschauderte. In den letzten Minuten war es kontinuierlich kälter geworden und so langsam drang sich ihr der Gedanke auf, dass das beabsichtigt war. Nervös trat sie von einem Bein auf das andere und rieb sich ihren tauben Nacken. Ihr linker Arm steckte in einer behelfsmäßigen Schlinge, die Marie gefertigt hatte, bevor man sie in diesen Raum getrieben hatte. Keiner schien so richtig zu wissen, was es mit dieser ganzen Sache auf sich hatte. Angst und Verwirrung waren vorherrschende Emotionen und wenn man sich umsah, sah man nur verängstigte Menschen, die darauf warteten, dass etwas geschah.
Seufzend versuchte Teyla ihre Finger zu bewegen, doch sie waren kalt und sie hatte kein richtiges Gefühl mehr darin. Die immer weiter abfallende Temperatur machte ihr Angst. Das konnte doch nicht normal sein! Hatte man sie hierher gebracht, um sie sterben zu lassen? Das war eine Frage, auf die Teyla sich keine Antwort geben wollte. Stattdessen blickte sie sich um, so gut wie sie es in dem schwachen Licht konnte. Es hatten sich etwas dreizehn Personen auf und in der Nähe der Krankenstation befunden, die sich nunmehr alle in diesem beengten Raum befanden. Die meisten von ihnen saßen in einer kleinen Gruppe zusammen. Und die anderen standen etwas abseits und versuchten sich auf ihre Art und Weise warmzuhalten.
Eine Gestalt löste sich plötzlich mühsam aus der größeren Gruppe und Teyla sah Carson Beckett auf sich zu humpeln. Ihr Blick fiel auf den dunkelroten Fleck in seiner Hose. Sie konnte es noch immer nicht glauben, dass diese Frau ihn ohne Grund angeschossen hatte.
„ Geht es Ihnen gut, meine Liebe?“, erkundigte sich Carson. Er sorgte sich mehr um die anderen als um sich. Das musste man ihm einfach hoch anrechnen, auch wenn es zu seinem Beruf gehörte.
„ Mir geht es gut“, antwortete Teyla.
„ Sie sollten sich lieber hinsetzen“, schlug Carson vor und deutete auf einen Vorsprung in der Wand.
„ Nein, glauben Sie mir- es geht mir wirklich gut“, beteuerte Teyla, „ aber Sie sollten diese Gelegenheit nutzen. Ich stelle mir das sehr schmerzhaft vor.“
Carson lächelte. „ Und dabei sind Sie hier diejenige, die immer auf die gefährliche Missionen geht und die abenteuerlichsten Dinge erlebt.“ Er winkelte sein Bein etwas an und verzog gequält das Gesicht. „ Wer hätte gedacht, dass so etwas ausgerechnet mir passiert.“ Ein Moment des Schweigens folgte und ganz in der Nähe hörte man Sue Thompson, die Wissenschaftlerin, aufseufzen.
„ Aber wirklich“, meinte Carson plötzlich, „ Sie sollten sich hinsetzen. In Ihrem Zustand sollte man das nicht auf die leichte Schulter nehmen.“ In diesem Punkt musste die Athosianerin ihm allerdings recht geben- nicht nur ihre Knie schmerzten sondern auch ihr Rücken und ihr Kreuz. In den letzten Wochen war es öfter vorgekommen, dass sie deshalb nachts nicht hatte einschlafen können. John war in so einem Fall immer mehr als gütig und begann mit seiner Hand kleine Kreise zu ziehen und den schmerzenden Bereich zu massieren.
Also gab sich Teyla ihrem Schicksal geschlagen und setzte sich auf den kleinen Vorsprung, auch wenn sie lieber hatte stehen wollen, zumal dieses Ding noch viel kälter war. Sie seufzte erleichtert, als der Schmerz aus ihrem Rücken wich, und legte ihre rechte Hand auf ihren Bauch. Das Baby verhielt sich ruhig, sie fühlte keine Bewegungen.
Carson machte keine Anstalten zurück zu den anderen zu gehen, sondern drehte sich mehr in ihre Richtung. Sein Gesicht war mit feinem Schweiß benetzt. Man konnte ihm ansehen, dass er Schmerzen hatte, doch Teyla wusste nur zu gut, dass der Schotte das nie zugeben würde. Und sie wusste auch, dass er nicht mehr weiter darüber sprechen wollte.
„ Was meinen Sie, was die von uns wollen?“, schlug sie deshalb ein anderes Thema an und Carson schien sichtlich dankbar dafür zu sein. Er zog die Stirn kraus, während er nachdachte, und seine Mundwinkel kräuselten sich leicht.
„ Ich wünschte ich könnte Ihnen darauf eine Antwort geben“, sagte er schließlich. „ Jedenfalls sind sie nicht ohne Grund hergekommen.“
„ Sie suchen nach etwas?“, fragte Teyla.
„ Aber nach was sollten sie hier suchen?“ Carson stellte die Frage nicht an sie, sondern schien selber darüber nachdenken zu wollen.
Nach was sollten sie hier suchen. Da Carson ihrerseits keine Antwort erwartete, dachte Teyla im Stillen darüber nach. Diese Fremden waren auf das Schiff gekommen und es war klar, dass sie das nicht ohne Grund getan hatten. Doch was erwarteten sie hier zu finden?

Sie grübelte noch immer über diesem Gedanken, als sich die Tür zu ihrem kleinen Gefängnis öffnete. Licht vom Korridor strömte hinein und erhellte den Raum. Alle blickten auf.
„ Lassen Sie mich gefälligst los!“ Es war Rodneys schrille Stimme, die da heftig protestierte. Ein Mann zerrte den Wissenschaftler hinter sich her und schubste ihn dann unsanft in den Raum. Er beachtete den Protest des Kanadiers nicht einmal, drehte sich ungerührt um und schloss die Tür hinter sich. „ Ich glaubs ja wohl nicht“, zeterte Rodney und donnerte mit seiner Faust gegen die Tür. „ Lassen Sie mich verdammt noch mal hier raus! Das muss ich mir nicht gefallen lassen! Hey, ich rede mit Ihnen!“
„ Rodney?“, rief Carson.
„ Was?“ Aufgebracht wirbelte der Kanadier herum. „ O…. Carson, was machen Sie denn… Teyla?“ Rodney hob seine Augenbrauen, als ihm auffiel, dass er nicht allein im Raum war. Er blinzelte in die Dunkelheit hinein und ließ dem noch ein weiteres, erstauntes ‚ O’ folgen.
„ Rodney...“- Teyla richtete sich auf und machte einen Schritt auf ihn zu. Ein furchtbares Gefühl überkam sie-„… wo ist John?“
„ Ich…“- Der Kanadier sah sie verwirrt an, schüttelte dann aber mit dem Kopf, als wollte er seine wirren Gedanken ordnen. „ Wir wurden getrennt. Ich weiß nicht warum. Wir wurden aus diesem elenden Schacht geschleudert und dann war da diese Frau.“
„ Was für eine Frau?“, wollte Carson wissen.
„ Ich weiß es nicht“, antwortete Rodney. „Ich kenn’ sie nicht. Groß, blond und verdammt gut aussehend, wenn Sie mich fragen.“
„ Rodney“, seufzte Teyla. „ Wo hat sie John hingebracht?“
„ Ich weiß es nicht“, kam wieder die Antwort des Kanadiers. „ Ich hab’ doch gesagt, wir wurden getrennt. Mich hat man hierher gebracht. Ich weiß nicht, was sie mit Sheppard gemacht hat.“ Er wirkte aufgebracht und verwirrt zugleich.
„ Setzen Sie sich erst einmal“, meinte Carson und führte Rodney zu dem kleinen Wandvorsprung, wo Teyla gesessen hatte. Er hob den Kopf und sah sie an, doch die Athosianerin war in ihrem Gedanken versunken. Es bereitete ihr Sorge, dass man John und Rodney getrennt hatte. Wo hatte man ihn hin gebracht? Was tat man ihm an? Was wollte diese Frau von ihm? Es waren so viele Fragen. Teyla wurde schwindelig und sie seufzte tief.
„ Vielleicht sollten Sie sich auch setzen, meine Liebe“, sagte Carson sanft, doch Teyla schüttelte mit dem Kopf.
„ Wir müssen hier raus“, sagte sie.
Carson seufzte. „ Ich bezweifle, dass es jetzt angebracht ist unbewaffnet durch die Korridore zu spazieren. Und außerdem bin ich mir sicher, dass der Colonel sich besser fühlen würde, wenn Sie hier bleiben und nicht ihre Sicherheit und die des Babys aufs Spiel setzen.“
Er hat Recht, musste Teyla sich eingestehen und streichelte sich über ihren Bauch, spürte einen sanften Tritt unter ihrer Handfläche. Sie seufzte tief, wie sie es vor ein paar Augenblicken schon mal getan hatte, und setzte sich neben Rodney. Der Kanadier musterte sie sorgenvoll aus dem Augenwinkel.
„ Fühlen Sie sich nicht gut?“, fragte er mit geradezu panischen Augen und wider der angespannten Situation musste Teyla schmunzeln.
„ Rodney“, lächelte sie, „ ich bin noch weit entfernt von meinem Termin und das wissen Sie auch.“
„ Ich meine ja nur“, verteidigte sich Rodney. „ Das ist in Filmen auch immer so, wissen Sie. In solchen Situationen setzen bei Frauen immer die Wehen ein.“
„ Ich denke nicht, dass das dieses Mal der Fall sein wird“, beruhigte Teyla ihn.
„ Das sagen die in den Filmen auch immer und dann… boom!“ Rodney machte eine dramatische Handbewegung.
„ Rodney, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen“, mischte sich Carson ins Gespräch ein und auch er lächelte amüsiert. „ Ich kann Ihnen versichern, dass es noch ein paar Monate dauern wird.“ Eine Aussage, die Rodney nicht befriedigte. Der Kanadier schüttelte nur mit dem Kopf und stand auf. Mit einer laschen Handbewegung deutete er auf den Platz, auf dem er gesessen hatte.
„ Wollen Sie sich vielleicht hinlegen?“, fragte er. „ Oder ist Sitzen angenehmer? Ich weiß nicht, was in einem solchen Zustand angenehmer ist!“
Teyla seufzte- doch es war ein amüsiertes Seufzen. „ Mir geht es gut und ich fühle mich bestens“, sagte sie und legte ihre Hand auf Rodneys Arm. „ Aber danke für Ihre Sorge.“
„ Sobald irgendetwas…“
„ Dann werde ich mich schon melden“, versprach sie dem hibbeligen Wissenschaftler. „ Aber es wird nichts passieren.“ Die Athosianerin musste wieder lächeln, schloss damit dieses Thema ab und deutete auf die verschlossene Tür. Rodney schien ihre stumme Frage verstanden zu haben und eilte an die Konsole, die neben der Tür in der Wand angebracht war. Mit flinken Fingern öffnete er den Verschluss und betrachtete die Kristalle eingehend. Mit ernster Miene kehrte er wenige Augenblicke später zurück.
„ Soll ich die guten Nachrichten zuerst sagen?“ Er wartete nicht einmal auf die Antwort sondern redete gleich weiter. „ Es ist ein einfaches System und ich werde keinen Computer brauchen, um es zu umgehen.“
Teyla nickte. „ Das ist gut.“ Der leise Widerspruch in der Stimme ihres Freundes machte sie nervös. „ Wir kommen hier raus, nicht wahr?“
„ Jaja, rauskommen schon“, entgegnete Rodney zögerlich. „ Aber wie weit wir kommen ist eine andere Frage. Ich erinnere mich, einen dieser Männer an einer Art Hauptsteuerungskonsole gesehen zu haben, als man mich hierher gebracht hat. Sie haben wahrscheinlich schon das ganze System mit ihrem assoziiert.“
„ Das heißt, denen wird auffallen, wenn sich eine Tür öffnet, die sich eigentlich nicht öffnen sollte“, schlussfolgerte Carson.
„ Von den beiden Gorillas, die die Tür bewacht mal ganz abgesehen“, seufzte Rodney. „ Aber ja… hier rauszukommen wird noch das Leichteste sein. Der Rest… die werden uns schnell finden.“
„ Wir sollten es trotzdem versuchen“, meinte Teyla.
„ Wir hatten das Thema doch schon“, tadelte Carson sie. „ Ich halte es für keine gute Idee.“
„ Ich verstehe Ihre Sorge zu schätzen, Carson, aber hier drin werden wir nicht viel ausrichten können.“ Teyla bedeutete auf drei Marines, die abseits der größeren Truppe standen. „ Wir müssten es wenigstens schaffen hier raus zu kommen.“
Carson zog skeptisch seine Augenbrauen zusammen und seine stahlblauen Augen verrieten, dass er sich nicht für diesen Plan begeistern konnte. Er holte tief Luft und es kostete ihn Überwindung seine Stimme zu erheben und zu nicken. „ Ich werde Sie nicht daran hindern, aber Sie kennen meine Meinung.“
„ Ja, die kenne ich“, erwiderte Teyla, wandte sich dann an Rodney. „ Wir sollten die anderen vielleicht noch über unser Vorhaben aufklären.“ Als sie zu den anderen aufblickte, waren die Blicke der meisten bereits auf sie gerichtet und die drei Marines nickten simultan- sie hatten verstanden.

+++++++++++++


Es war wie ein Déjà-vu… John biss die Zähne zusammen, während er versuchte, sich aus seinen Fesseln zu befreien. Es waren die gleichen Stricke die sie damals auch benutzt hatte und sie riefen Erinnerungen in ihm wach, die er eigentlich hatte vergessen wollen. Bei jeder Bewegung, die er machte, und bei jedem Versuch sich zu befreien, schnitten die Fesseln tiefer in seine Haut- doch es schmerzte ihn nicht, die Stellen waren nur noch vernarbtes Gewebe, Erinnerungen an die mitunter schlimmsten Wochen seines Lebens.
„ Verdammt“, fluchte John leise und ließ sich gegen die Stuhllehne fallen. Es war ein sehr unbequemer Stuhl. Nur zu gern wäre er aufgestanden und in dem kleinen, spärlich beleuchteten Raum, in den man ihn gebracht hatte, herumgelaufen, doch nicht nur die Fesseln hinderten ihn daran… sondern auch die Tatsache, dass sie in der Dunkelheit saß und ihn beobachtete. Seit man ihn hierher gebracht hatte, hatte sie nichts gesagt und zuerst war sie ihm gar nicht aufgefallen. Doch als die gehässig zu lachen anfing, war er zusammengezuckt. Sie war irgendwo in diesem Raum und beobachtete ihn- und das machte ihn nervös…

„ Na schön, Sie hatten Ihren Spaß, Larrin“, rief John in die Dunkelheit hinein, nicht wissend so sie sich befand. „ Zeit die Karten auf den Tisch zu legen.“ Er hörte Schritte, die sich im näherten; hohe Absätze trommelten auf den kahlen Boden. Er wandte seinen Kopf, um sie zu entdecken, doch es war zu dunkel um zu sagen, aus welcher Richtung sie sich ihm näherte.
„ Ich sage, wann es an der Zeit ist“, erklang ihre glasklare Stimme, die es ihm eiskalt über den Rücken laufen ließ. Allein die Tatsache, dass sie hier war, beunruhigte John. Nur zu gut erinnerte er sich an jenen regnerischen Tag, an dem sein Leiden ein Ende gefunden hatte…

Larrins Körper begann zu zucken, wie es eine Fliege tat, die man an der Fensterscheibe zerquetscht hatte. Blut quoll aus ihren Mundwinkeln… und dann war sie still. Das Leuchten verschwand aus ihren grünen Augen und ihr Körper kam zur Ruhe. Ihr Brustkorb hob sich noch ein letztes, verzweifeltes Mal und dann verklang das Schlagen ihres Herzens, ihr Atem stoppte und ihr Blick richtete sich starr gen wolkenverhangenen Himmel. Es war vorbei.

„ Sie erinnern sich“, meinte sie und John zuckte zusammen, suchte wieder mit seinem Blick nach ihr, vergebens. „ Sie haben mir damals nicht geholfen. Sie haben mich einfach da liegen lassen, zum Sterben verdammt. Das hätte ich Ihnen nie zugetraut.“
„ Ich sah keinen Grund Ihnen zu helfen“, erwiderte John ihr. „ Sie waren tot und nach alldem, was Sie mir und Mitchell angetan haben…“- Er brachte sich selbst zum Schweigen, dachte nach. Was sollte er ihr schon groß erwidern?
Larrin setzte sich wieder in Bewegung; er hörte, wie sie um ihn herum zu wandern begann. „ Ich habe Sie immer für einen guten Menschen gehalten, Sheppard. Und ich habe gesehen, wie Ihnen Col. Mitchells Wohlergehen und das Ihrer Freunde am Herzen lag. Es hat mich verletzt, dass Sie mich so zurück gelassen haben.“ Ihre Stimme klang scharf und anklagend. „ Aber eines habe ich gelernt: Man kann niemanden vertrauen.“
John schnalzte verachtend mit der Zunge. „ Soll ich Sie jetzt etwa bedauern?“
„ Das erwarte ich nicht“, antworte Larrin und blieb stehen. Ihr Blick brannte in seinem Nacken- sie stand hinter ihm. „ Durch Sie habe ich etwas Besseres bekommen.“
„ Wenn Sie das für etwas Besseres halten.“ John zuckte mit den Schultern und erinnerte sich an das Funkeln in ihren rubinroten Augen. An das Lächeln auf ihren blutroten Lippen. Und an den süffisanten Ausdruck in ihrem leichenblassen Gesicht. Sie hatte sich verändert und es war ihm ein Leichtes, zu bestimmen, wer dafür verantwortlich war. „ Ich hoffe, dass Baku zufrieden mit Ihren Diensten ist.“
Larrin schnaubte. „ Im Gegensatz zu Ihnen hat er Mitgefühl bewiesen“, zischte sie. „ Er war bei mir, als ich ihn am nötigsten brauchte. Er hat mir zurück ins Leben geholfen. Ohne ihn würde ich wahrscheinlich immer noch in diesem gottverdammten Wald liegen.“
John drehte seinen Kopf in die Richtung, aus der ihre Stimme drang. „ Halten Sie das wirklich für ein besseres Leben?“
„ Es ist ein Leben“, hörte er sie antworten, „ und dass ist das Einzige, was zählt.“ Die Absätze ihrer Schuhe schlurften über den Boden- sie näherte sich ihm wieder. John zuckte nicht zusammen, als er ihren kalten Atem in seinem Nacken spürte.
„ Wie haben Sie mich gefunden?“ Es interessierte ihn nicht, wie und warum Baku ihr geholfen hatte. Er hoffte nur, dass er diesen Mistkerl nie wieder sehen musste- er hasste ihn zutiefst!
„ Es war nicht leicht.“ Larrin trat in sein Sichtfeld und fokussierte ihn mit ihren roten Augen. Es war zu dunkel, um Näheres zu erkennen, doch sie trug einen engen, schwarzen Anzug aus Leder- den gleichen, den sie auch bei ihrem ersten Treffen getragen hatte. An ihrem Gürtel waren ein Dutzend Messer befestigt und ihre Waffe. John folgte ihr mit seinem Blick. Sie lief vor ihm auf und ab, wandte sich dann aber ihm zu und tippte mit ihrem Zeigefinger gegen seine Brust. „ Die Antwort auf Ihre Frage ist in Ihnen.“
John presste die Lippen aufeinander und seine Kehle schnürte sich zu. Er wollte sich an seine Brust fassen, doch die Fesseln hinderten ihn daran. „ Was haben Sie mit mir gemacht?“, verlangte er zu wissen; seine Stimme zitterte vor unterdrückter Wut.
Larrin grinste arrogant. „ Es war nur ein kleiner medizinischer Eingriff“, sagte sie, „ aber er hat eine große Wirkung.“ Sie streckte ihre Hand aus und nahm sein Kinn zwischen ihre Finger, hob es an und lächelte. „ Ich werde Sie überall finden… egal, wohin Sie auch gehen mögen.“
John entzog sich ihr, so gut wie es ihm möglich war, und funkelte sie erzürnt an. „ Ein Peilsender?“
„ Geschickt, nicht wahr?“ Larrin wandte ihren Blick ab. „ Ich muss sagen, dass es nicht wirklich originell ist, aber es erfüllt seinen Zweck.“ Sie ließ ihren Blick durch den dunklen Raum schweifen; John wusste, dass sie in der Dunkelheit besser sehen konnte als er. Sie nahm jedes noch so kleine Detail war… und es versetzte sie in Erstaunen. „ Ich hätte nie gedacht, Sie hier zu finden. Was ist das hier?“
„ Sie sehen doch, was das ist“, antwortete John schnippisch. „ Haben Sie etwas anderes erwartet?“
Larrins forschender Blick traf den seinen und bohrte sich in seinen Kopf. Sie schien in seinen Augen zu lesen und es dauerte fast eine Minute, bis sie zu lächeln begann. „ Sie sind nicht freiwillig hier“, sagte sie. „ Es war ein Unfall. Sie waren einfach zur falschen Zeit am falschen Ort.“ Sie machte einen Schritt auf ihn zu. Ihr Gesicht war dicht vor seinem. „ Sagen Sie mir: Habe ich recht?“
„ Es würde zu lange dauern, Ihn jetzt alles zu erzählen und außerdem bin ich grade nicht in Plauderstimmung.“
„ Das ist bedauerlich“, sagte Larrin und verschwand wieder in der Dunkelheit, sodass er sie aus den Augen verlor. „ Aber Sie sollten wissen, Sheppard, das ich Zeit habe. Ich werde schon bekommen, was ich will. Und wenn nicht von Ihnen, dann bin ich mir sicher, dass jemand anderes bereit ist, mir zu helfen.“

Das quietschende Geräusch der sich öffnenden Tür und das Licht, welches vom Korridor in den Raum hinein strömte, ließ Johns Kopf herumwirbeln und er sah Larrin im Türrahmen stehen. Ihr Gesicht war ihm zugewandt und sie schien nur darauf gewartet zu haben, dass er sich zu ihr umdrehte und sie seine Aufmerksamkeit hatte. „ Denken Sie nicht einmal daran zu fliehen. Ich habe Ihre Freunde und ich weiß, wie viel sie Ihnen bedeuten. Und an Ihrer Stelle würde ich nicht versuchen den Peilsender zu entfernen.“ Mit diesen Worten ging sie und der grobschlächtige Mann, der ihn auch hierher gebracht hatte, erschien in der Tür.
John schluckte.

TBC
'Til death do us apart, Teil I by Ailya
I will love you and I will honor you
In good times and in bad
‘Til the death do us apart


'Es ist ein Leben und dass ist das Einzige was zählt.' Larrin hatte es mit einer solchen Ernsthaftigkeit gesagt und nun gingen ihre Worte John nicht mehr aus dem Kopf. Sie konnte das doch nicht allen Ernstes als ein ‚Leben’ bezeichnen! Allein der Gedanke war John zuwider und seine Nackenhaare stellten sich auf. Er hatte sie immer für eine intelligente und selbstbewusste Frau gehalten. Und obwohl sie ihn bis an die Grenzen des Erträglichen getrieben hatte, musste er zugeben, dass sie… sehr attraktiv war. Niemals hätte er ihr zugetraut, dass sie so etwas als ein Leben bezeichnete. Wenn er sie betrachtete, bezweifelte er, dass sie glücklich war. Und selbst wenn er mit seiner Annahme Recht hatte, so wusste er doch, dass Larrin ihm das nie zugestehen würde. Dazu war sie zu eitel, arrogant…

Seinen Gedanken nachhängend starrte John auf seine aneinander gefesselten Handgelenke. Man hatte die Fesseln nicht gegen andere ausgewechselt; noch immer schnitt sich das raue Seil bei jeder unüberlegten Bewegung in sein Fleisch. Es hatte wieder angefangen zu bluten, das vernarbte Gewebe, das ihm wenigstens etwas Erleichterung verschafft hatte, war abgeschabt und zurückgeblieben waren offene Stellen, die wie Feuer brannten. Doch John war an Schlimmeres gewöhnt und es gelang ihm die Schmerzen weitgehend zu ignorieren. Es war ihm unangenehm, mehr aber auch nicht. Er fragte sich nur, warum sie das für nötig hielten. Nachdem, was Larrin ihm offenbart hatte, würden sie ihn nach einer kurzen Weile finden. Und runter von diesem Schiff würde er eh nicht kommen…
Bei dem Gedanken, dass da etwas in ihm war, was da nicht hin gehörte, wurde John übel und er musste die Zähne zusammenbeißen, um er säuerlichen Masse, die in seiner Kehle aufstieg, keinen Raum zu geben. Sein Atem beschleunigte sich, als er sich an Larrins warnende Worte zurückerinnerte: 'An Ihrer Stelle würde ich nicht versuchen den Peilsender zu entfernen.' Was hatte sie damit gemeint? Würde das Ding explodieren, wenn man versuchte es zu entfernen? Würde es ein Gift ausstoßen, das seinen Körper binnen Sekunden durchzogen hatte?
'Du siehst zu viele Science Fiction- Filme, Sheppard', mahnte John sich selber und schüttelte mit dem Kopf… aber das ungute Gefühl blieb. Er hatte Larrin fragen wollen, doch irgendetwas hatte ihn daran gehindert. War es sein Stolz gewesen oder doch eher das süffisante Grinsen auf Larrins Lippen, als sie ihn allein gelassen hatte? John wusste es nicht.

Frustriert und mit einem leichten Pochen in seinem Kopf, das sich im Laufe der Stunden über die ganze Schädeldecke ziehen und zu starken, unerträglichen Kopfschmerzen ausarten würde, trottete John durch die Korridore. Einer von Larrins Männern folgte ihm wie ein Schatten und scheuchte ihn mit vorgehaltener Waffe vor sich her. John spürte den Waffenlauf gegen seine Wirbelsäule drücken, doch aus irgendeinem Grund zweifelte er, dass man ihn umbringen würde. Der seltsame Ausdruck in Larrins blassem Gesicht hatte ihre Absichten verraten. Nein, sie wollte nicht, dass man ihn umbrachte. Während seiner militärischen Ausbildung hatte John gelernt in den Gesichtern der Menschen zu lesen und ihre Absichten zu erkennen: Larrin wollte etwas von ihm- möglicherweise waren es Informationen oder sie wollte sich einfach an ihm rächen. Beides war möglich und so wusste John, dass sie ihn nicht töten wollte. Zumindest nicht jetzt, vielleicht aber später…
Aus Erfahrung konnte er berichten, dass sie ihm Gegensatz zu Baku eine fast schon unmenschliche Geduld an den Tag gelegt hatte. Sie konnte warten, sogar wenn das bedeutete, dass Monate vergingen. Sie schien mit ihrer Art zu foltern. In Afghanistan hatten ein paar Taliban auf Zeit gespielt- John erinnerte sich nicht an die körperlichen Misshandlungen, die ihm widerfahren waren, sondern daran, dass sich die Zeit lang gezogen hatte. Es war schrecklich gewesen! Diese Art von Folter war schlimm, vielleicht sogar noch schlimmer als Schläge…

„ Los, weiter!“, brummte der Mann hinter ihm plötzlich und rammte seine Waffe in Johns Rücken. Dem Soldaten war gar nicht aufgefallen, dass er langsamer geworden war. Er wandte sich zu seinem Begleiter um, verkniff sich aber einen frechen Kommentar und zog widerwillig das Tempo an. Wohin man ihn brachte wusste er nicht. Sie waren schon lange unterwegs und er hatte mehrere Trupps gesehen- manche sicherten die Korridore, andere wiederum hatten Besatzungsmitglieder vor sich her getrieben. Es waren nur ein paar flüchtige Augenblicke gewesen, aber John glaubte Mike Branton und Elizabeth erkannt zu haben. Ihre Blicke trafen einander und John entdeckte unbeantwortete Fragen in Elizabeths grünen Augen liegen. Sie erwiderte seinen Blick ein letztes Mal, ehe man sie zusammen mit den anderen weitertrieb. '
'Wohin man sie wohl brachte?'
Diese Leute waren Larrin nicht wichtig und diese Gewissheit machte John schwer zu schaffen. Würde sie die anderen am Leben lassen oder würde sie sie wegwerfen, wie etwas, was man nicht mehr brauchte? Sie wollte nur ihn… und nicht die anderen. Rodney hatte sie wegbringen lassen. Sie hatte nur mit ihm geredet.
Andererseits rechnete John ihr zu, dass sie mit seiner Sorge zu spielen wusste. Sie würde die anderen vorerst am Leben lassen… so lange, wie er kooperierte. Dann allerdings…
John schüttelte mit dem Kopf, in der Hoffnung diese Gedanken so loszuwerden. Er durfte und wollte nicht darüber nachdenken, doch es war ihm unmöglich es nicht zu tun. Was wenn die Leben der anderen wirklich von ihm abhingen? Was wenn Larrin Elizabeth umbringen ließ, falls er nicht kooperierte? Oder Rodney? Ronon? Oder Teyla…
Ja, das war mit Sicherheit Larrins Plan: Sie wollte Informationen von ihm und wusste auch, was für Mittel sie einzusetzen hatte. Seine Freunde im Stich zu lassen- das war das Schlimmste, was John sich vorstellen konnte… und Larrin wusste das.

Wütend auf Larrin und wütend auf sich selbst, passierte John einen Korridor nach dem anderen. Seine Füße wurden langsam taub und die Kopfschmerzen breiteten sich in seinem ganzen Kopf auf. Seine Augen wurden schwer, doch sie wollten nicht zufallen. Wahrscheinlich war es keine gute Idee ausgerechnet jetzt einzuschlafen oder überhaupt daran zu denken…
„ Stehenbleiben“, verlangte der Mann hinter ihm und packte nach Johns Arm, als dieser seinem Befehl nicht sofort nachkam.
„ Kein Grund gleich so unhöflich zu werden“, schnauzte John. Sie waren vor einer Tür stehengeblieben, die von zwei ebenso furchteinflößenden Männern bewacht wurden. Sie sahen aus wie zwei Türsteher, die gackernde, minderjährige Teenager daran hindern wollten, in den angesagtesten Club der Stadt zu kommen. Nur das es diesmal keine Clubtür war sondern der Eingang zu einem Lagerraum, den sie letzten Monat entdeckt hatten. Soweit John sich erinnern konnte, war er leer, nur ein paar leere Kisten standen herum und eine rostige Lampe hing an der Decke. Rodney hatte einen Flunsch gezogen, als man ihm versichert hatte, dass es darin keine großartigen Instrumente der Antiker gab, die seiner Meinung bedurften.
„ Aufmachen“, befahl Johns Begleiter den beiden Wacheschiebenden, worauf einer seinen langen Arm ausstreckte und über das Wandpanel fuhr, das den Öffnungsmechanismus steuerte. Die Tür öffnete sich… und das Erste, was John sah, war ein sichtlich überraschter Rodney McKay, der anscheinend gerade dabei gewesen war, die Tür manuell zu öffnen. Erschrocken ließ der Kanadier von seinem Versuch ab und sah ihn mit herunterklappender Kinnlade an. „ John?!“
„ Wen haben Sie denn erwartet?“, gab der Soldat zurück und stolperte vor die Füße seines Freundes, als er ungnädig in den Raum gestoßen wurde. Fluchend wandte er sich um, doch die beiden Türhälften hatten einander schon wieder gefunden. „ Das war’s dann mit unserer Pokerrunde“, fauchte John erbost und donnerte mit seinen aneinander gefesselten Fäusten gegen die geschlossene Tür.
„ Geht’s Ihnen gut?“ Rodney stand noch immer wie vom Donner gerührt da und machte erst Anstalten sich zu bewegen, als John ihm seine gefesselten Hände hinhielt. Etwas ungeschickt löste der Wissenschaftler die Fesseln und John atmete erleichtert auf, als er seine Hände endlich wieder bewegen konnte.
„ Jaja, mir geht’s gut“, erwiderte der Soldat, starrte dann aber auf seine blutenden Handgelenke. Bis auf das…
„ Lassen Sie mich das mal ansehen.“ Carson Beckett erschien hinter Rodney und griff nach seinen Handgelenken, um sie sich anzusehen.
„ Doc?“ John spähte an den beiden vorbei. Sie waren nicht allein. In dem schummerigen Licht sah er eine kleine Gruppe von Leuten zusammensitzen- drei Marines standen abseits der Gruppe, strafften ihre Schultern und spannten ihre Körper an, als sie ihn entdeckten. Er nickte ihnen kurz zu, signalisierte ihnen, dass er ihre Respekterbietung bemerkt und akzeptiert hatte.

„ Das sieht ziemlich übel aus, mein Lieber“, meinte Carson und fügte stirnrunzelnd hinzu. „ Ich wünschte ich hätte Verbandszeug hier und könnte…“
„ Es wird schon gehen, Doc“, wehrte John ab und setzte einen ernsten Gesichtsausdruck auf. „ Was hat man mit…“
„ John?“ Er wandte sich halb um und sah Teyla auf sich zukommen; ihr linker Arm lag in einer behelfsmäßigen Schlinge und ein feines Rinnsal Blut lief über ihre Wange. Sie wirkte erschöpft und ihre braunen Augen schimmerten schläfrig. Mit einem erleichtern Seufzer trat John auf sie zu und sie schloss ihn mit ihrem rechten Arm in eine Umarmung.
„ Sag’ mir bitte, dass es dir gut geht“, wisperte er ihr ins Ohr. Er legte einen Arm um ihre Schulter und zog sie vorsichtig zu sich. Mit wachsamem Auge achtete er darauf ihren verletzten Arm nicht zu sehr zu belasten.
„ Es geht mir gut“, antwortete Teyla. „ Nichts, was nicht wieder verheilen wird. Alles ist in Ordnung.“
„ Und dem Baby?“ John löste sich aus der Umarmung und legte eine Hand auf ihren Bauch und die andere auf ihre Schulter.
„ Uns beiden geht es gut.“ Teyla betrachtete seine Handgelenke mit sorgenvollem Blick. „ Im Gegensatz zu dir, wie mir scheint. Was haben sie mit dir gemacht?“
John lächelte. „ Nichts, was nicht wieder verheilen wird.“ Er umarmte sie erneut und küsste sie auf die Stirn. „ Ich hab’ mir Sorgen um euch beide gemacht.“
„ Ich will diese durchaus romantische Szene nicht unterbrechen“, mischte sich Rodney von hinten ein und reckte seinen Zeigefinger in die Höhe wie ein kleiner Schuljunge, der sicher gehen wollte, dass man ihn auch ja nicht übersah, „ aber unser Plan… schon vergessen? Wir wollten hier raus.“
John drehte sich zu ihm um. „ Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass Sie weit kommen werden, oder?“ Er deutete auf die Tür. „ Und ich muss Sie wohl nicht daran erinnern, dass da draußen zwei Typen auf Sie warten werden, gegen die noch nicht mal Ronon was ausrichten könnte.“ Er wollte den Plan des Kanadiers nicht schlechtmachen- nein, das wollte er nicht. Er konnte sich auch etwas Besseres vorstellen, als in einem dunklen und zudem noch völlig unterkühlten Lagerraum zu sitzen. Doch allein der Gedanke, sich Larrins Männern zu stellen, war irrsinnig…

„ Und auch wenn ich Mr. Arnold Schwarzenegger persönlich wäre… es gibt trotzdem noch ein Problem“, sagte Rodney in einem Atemzug. „ Nicht nur, dass da draußen zwei Gorillas auf uns warten…“
„ Sie sagten, Sie könnten uns hier raus holen“, erinnerte Teyla ihn mit sanfter Stimme.
„ Ich sagte es, ja.“ Rodney nickte. „ Und ich hätte es auch getan, aber… Hören Sie zu; wer auch immer diese Leute sind, Sie verstehen anscheinend genug von der Antikertechnologie, damit sie die Hauptsysteme umgehen können. Ich weiß nicht, wie sie das gemacht haben, aber sie haben es gemacht.“
Carson schüttelte verwirrt mit dem Kopf. „ Und was soll das jetzt bitteschön heißen? Drücken Sie sich vernünftig aus, Rodney.“
„ Einfach ausgedrückt heißt das, dass ich die Tür nicht öffnen kann“, gab ihm der Kanadier zur Antwort. „ Kompliziert ausgedrückt…“
„ Uns interessiert Ihr wissenschaftliches Geschwafel nicht“, fuhr John dazwischen. „ Sagen Sie uns lieber, warum Sie die Tür nicht aufkriegen.“
„ Hat er das nicht gerade getan, Sheppard?“, ertönte da eine Stimme hinter ihm. „ Also ich finde seine Antwort sehr zufrieden stellend.“

'Larrin'. John drehte sich zu ihr um und lächelte bittersüß. „ Womit habe ich es verdient, dass Sie mich besuchen?“, fauchte er sie an und merkte, wie er alles um sich herum vergaß und sich nur auf sie konzentrierte. Larrin stand, flankiert von zwei ihrer Männer, in der offenen Tür, hatte sie Hände in die Hüften gestemmt und funkelte ihn an. Missgunst war ihr ins Gesicht geschrieben, doch ihr Mund hatte sie zu einer amüsierten Grimasse verzogen.
„ Ich kann einfach nicht lang allein sein“, antwortete sie ihm und warf ihre blonden Locken zurück. Sie machte einen Schritt nach vorne und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Elegant und siegessicher schritt sie dahin, musterte jeden und drehte sich schließlich mit einem verachtenden Schnauben zu ihm um. Einen Moment lang stand sie einfach nur da und durchbohrte ihn mit ihrem intensiven Blick, doch dann trat sie auf ihn zu und legte ihren Kopf schief. Ihre roten Augen blinzelten unter ihren schmalen Augenbrauen hervor und blitzten wie zwei perfekt geschliffene Rubine. „ Sie haben mir gefehlt, Sheppard.“
„ Was wollen Sie?“, fragte er sie trocken und ohne jeden Ausdruck in seinem Gesicht. Er versuchte ihrem Blick standzuhalten, doch es wurde von Sekunde zu Sekunde schwerer und das schien Larrin zu wissen. Sie lächelte boshaft; es gefiel ihr, ihn so zu sehen- wie er versuchte ihr zu widerstehen und wie er daran scheiterte.
„ Ich will mit Ihnen reden“, antwortete sie, quälte ihn noch weiter mit ihrem stechenden Blick und ließ ihn dann los. „ Doch vielleicht sollte ich lieber mit Ihrem Freund reden.“ Sie ließ von ihm ab und trat vor Rodney, der zusammenschreckte und sie furchterfüllt ansah. „ Dr. McKay…“- Sie zog seinen Namen künstlich in die Länge-„… Sie glauben ja gar nicht, wie viel ich schon über Sie und über Ihre Arbeit gehört habe.“
Rodney erwiderte ihr nichts, sondern schluckte nur. Mit geweiteten Augen stand er da.
„ Sie sollen ein brillanter Wissenschaftler sein“, fuhr Larrin fort und setzte ein gewinnbringendes, vielmehr einschmeichelndes Lächeln auf. „ So habe ich es zumindest gehört.“ Anmutig setzte sie einen Fuß vor den anderen, bis sie schließlich direkt vor ihm stand und ihm ihren kalten Atem mitten ins Gesicht blies; Rodney zuckte zusammen. „ Es überrascht mich nicht, dass Sie versucht haben, einen Weg zu finden, Ihre Leute hier raus zu holen. Doch leider wird es Ihnen nicht gelingen.“ Sie schnippte mit ihren Fingern gegen sein Kinn.
„ Was beabsichtigen Sie damit?“ Johns Stimme sprudelte beinahe über vor Ernst. Angestrengt starrte er sie an und versuchte in ihrem blassen Gesicht zu lesen, doch selbst ein Stein zeigte mehr Regungen als sie es in diesem Moment tat; sie erwiderte seinen Blick, aber das Feuer war aus ihren Augen verschwunden. Ihre Augen wirkten nun nicht mehr wie zwei glänzende Edelsteine sondern wie farblose Gesteinsbrocken. Das Lächeln auf ihren Lippen war eingefroren und sie schien in Gedanken versunken zu sein, als sie von Rodney abließ, worauf dieser einen Seufzer der Erleichterung ausstieß…

Larrin schritt vor ihnen auf und ab, die Hände hinter ihrem Rücken verschränkt und wurde aufmerksam von ihren beiden Gefolgsleuten beobachtet. Sie ging ihre Taktiken durch, ihre Möglichkeiten… oder sie dachte nur darüber nach, wie sie ihm das Leben zur Hölle machen konnte- da war sich John ganz sicher.
Er zuckte nicht einmal mit der Wimper, als sie binnen eines Herzschlags vor ihm erschien. Ihre Gesichter waren nicht einmal einen Zentimeter voneinander entfernt und er spürte ihren kalten Atem über seine warmen Lippen kitzeln. Sein Blick traf den ihren und zum ersten Mal verspürte er eine Art… Selbstsicherheit.
„ Nennen Sie mir nur einen Grund, warum ich Sie nicht auf der Stelle töten soll“, zischelte Larrin.
„ Ich habe nur eine Frage gestellt“, erwiderte John, „ und das ist kein Grund jemanden umzubringen. Aber ich weiß ja nicht, wie man das bei Ihnen sieht.“
„ Wollen Sie es darauf ankommen lassen?“, fragte sie.
„ Ich habe schon immer das Risiko geliebt“, antwortete er.
Das Leben kehrte in Larrins Gesicht zurück. „ Sie sind mutig“, sagte sie und lächelte, „ das muss ich Ihnen lassen, Sheppard.“ Sie trat einen Schritt zurück und ihr Blick wanderte erst über seine Schulter und dann wieder zu ihm… und plötzlich war Johns Selbstsicherheit verflogen. Larrins Lächeln war erfüllt von Bosheit; er hätte damit rechnen müssen. „ Nur sollten Sie Ihre Zunge vielleicht beim nächsten Mal zügeln.“ Sie packte ihn grob an seiner Schulter und schob ihn beiseite, fokussierte Teyla mit ihrem eiskalten Blick. Die Athosianerin wich zurück.
Larrin legte ihren Kopf schief. „ Sie scheinen ihm etwas zu bedeuten“, sagte sie und musterte Teylas Hand, die schützend über ihrem Bauch lag. „ Sie tragen sein Kind unter Ihrem Herzen.“
„ Denken Sie nicht mal dran.“ John machte einen Satz und stellte sich zwischen die beiden Frauen. „ Sie wollen mich, dann lassen Sie sie in Frieden.“
Larrin lächelte. „ Diese Frau scheint Ihnen wirklich viel zu bedeuten, Sheppard.“
„ Ich werde nicht zulassen, dass Sie ihr was tun“, presste John mühsam hervor und starrte Larrin finster an. Er ballte seine Hände zu Fäusten und schob sein Kinn vor. Seine Schultern begannen vor unterdrückter Wut zu zittern und seine fest aufeinander gepressten Kieferknochen schmerzten. Ein ihm unbekanntes Gefühl brach über ihn herein wie eine Welle und er verspürte auf einmal den Drang sich notfalls allein mit Larrin und ihren Männern anzulegen. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, dass man Teyla und ihrem ungeborenen Kind etwas antat- nicht, wenn er das verhindern konnte.

Larrin schien seine Nervosität und die Wut, die in ihm wütete, förmlich zu riechen. Einen Augenblick lang schien sie es zu genießen, doch dann schnaubte sie verachtend und bleckte ihre perfekten, perlweißen Zähne. Ein warnendes Knurren drang tief aus ihrem Brustkorb. Sie senkte ihren Kopf, leicht, sodass ihr ihre wilden Locken ins Gesicht fielen. Ihre Nasenflügel zitterten und ihre Augen blitzten gefährlich, als sie ihren Kopf wieder anhob. Noch nie zuvor hatte so viel Verachtung in ihrem Blick gelegen, wie in diesem Moment.
John erwartete, dass sie sich auf ihn stürzen würde und wenn er ehrlich sein sollte, hätte er nichts dagegen gehabt. Doch Larrin drehte sich in einer langsamen Bewegung zu ihren Männern um. „ Nimmt sie mit“, zischelte sie begleitet von einem Fauchen. Die beiden Männer strebten in Teylas Richtung wie zwei Roboter und versuchten die Athosianerin, die erschrocken zurückwich, mit ihren Muskel bepackten Armen zu packen.
„ Nein.“ Teyla versuchte verzweifelt ihnen auszuweichen. Sie wollte sich wehren, doch sie war sich gewahr, dass sie das in ihrem augenblicklichen Zustand nicht konnte.

Mit einer Schnelligkeit, die er nach Monaten auf diesem Schiff nicht von sich erwartet hatte, stürzte sich John auf einen der Männer. Er rechnete sich keine sonderlichen Chancen gegen diesen Koloss zu, aber er konnte einfach nicht tatenlos zusehen. Als er in Teylas ängstliche braune Augen sah, brausten die Wut und der Hass in ihm auf, sprengten die Fesseln, mit denen er versucht hatte, sie zu bändigen. Für die Beobachter mussten seine Bewegungen sicher ungelenk aussehen, doch das war ihm egal. Sein Fuß schnellte in die Kniekehlen seines Rivalen, der daraufhin zu Boden ging. John ballte seine Hand zu einer Faust, packte den Mann am Kragen seines schwarzen Mantels und holte aus.
„ John!“, schrie Teyla mit vor Panik weit aufgerissenen Augen. Er wandte seinen Kopf und sah den anderen Mann, gerade als dieser ihn packte und von seinem Kameraden wegriss. Seine Schulter knackste, als er auf dem harten Boden aufschlug. John stöhnte auf, rollte sich auf den Bauch und stemmte sich vom kalten Boden ab. Seine Lippe war aufgeplatzt und er schmeckte Blut in seinem Mund. Ein, zwei Schritte nach hinten taumelnd fuhr er sich mit dem Handrücken über den Mund, spukte den Rest des Blutes aus. Abwesend wischte er das Blut an seiner Hose ab. Er hob seinen Kopf an und sah, wie Larrins Männer Teyla packten und ihre muskulösen Arme fest um ihren Körper schlangen. Teyla rammte einem ihren Ellenbogen in die Rippen und schlug ihm, als er nach Luft schnappend zusammensackte, mit der Faust ins Gesicht. Er taumelte zurück, doch der andere packte sie noch fester, zog ihren verletzten Arm aus der Schlinge und winkelte ihn leicht an…

Die Athosianerin schrie auf und ging in die Knie. Ihr gepeinigtes Aufjaulen dröhnte in Johns Ohren und mit einem wütenden Schnauben ging er auf den Mann los, trat nach ihm und hub ihm in die Seite. Sein Gegner ließ Teyla los und stolperte auf ihn zu. Er warf einen kurzen Blick auf seinen immer noch am Boden liegenden Kameraden, ehe er sich mit einem Knurren auf John stürzte. Reflexartig wich dieser ihm aus.
„ Na, kommen Sie schon“, forderte der Mann ihn auf. Ein hässliches Grinsen verzerrte seine Gesichtszüge. „Wehren Sie sich!“ Er machte einen gewaltigen Satz nach vorne und John konnte gar nicht so schnell reagieren, wie er an den Schultern gepackt und zu Boden geschleudert wurde. Sein Kopf schlug auf dem harten Boden unter ihm auf und der Schmerz, der durch seinen Körper jagte, raubte ihm für einen kurzen Moment die Sinne. Aus dem Knurren seines Gegners wurde ein dumpfes Rauschen.
John riss die Augen auf, um die Kontrolle über seinen Körper zu behalten, doch es war zweifellos ein unmögliches Unterfangen. Seine Kieferknochen mahlten aufeinander und seine Muskeln spannten sich an. Am Rande nahm er Larrin war, die ihren Blick wohlwollend auf seinen Gegner gerichtet hatte. Als er sich mit seinem massigen Körper auf ihn warf und John unter Schmerzen aufschrie, lächelte sie zufrieden.
'Verdammtes Miststück', war alles was John einfiel, ehe die Bewusstlosigkeit wie ein ungezähmtes Tier durch seinen Körper wütete. Mit all seinen Kräften wehrte er sich dagegen, keuchte angestrengt. Der Mann saß schwer auf ihm und seine harten Fäuste prügelten erbarmungslos auf ihn ein. Das Klingeln in Johns Ohren wurde immer lauter; die aufgeregten Rufe der Marines und das kehlige Schreien Teylas wurden immer leiser, verstummten schließlich. Johns Welt versank in Stille…

Nach Atem ringend lag der Soldat auf dem kalten Boden, fühlte sein eigenes Herz gegen seinen Brustkorb trommeln. Die Fausthiebe hatten aufgehört, der Mann hatte ihm am Kragen gepackt und hochgezogen. John konnte nicht allein stehen, seine Beine bogen sich durch und er sackte zusammen… wurde aber gleich darauf wieder hochgezogen. Zwei vor Wut blitzende, rote Augen sahen ihn an. Diese Nasenflügel seines Gegners bebten und er schnaufte unkontrolliert. Seine Lippen bewegten sich, wahrscheinlich schrie er auf ihn ein, doch John konnte ihn nicht hören. Vielleicht war es besser so…
Ein Schleier legte sich vor seine Augen, nahm ihm die Sicht. Ein stechendes Gefühl zog sich durch seinen Körper und es brauchte einige Augenblicke, ehe er den metallenen Gegenstand bemerkte, der in seiner Seite steckte. Johns haselnussfarbene Augen weiteten sich zum wiederholten Male und wie im Trance schloss sich seine Hand um den Griff des Messers; seine Finger färbten sich binnen weniger Sekunden blutrot.
Tränen strömten in seine Augen, ließen seine Sicht noch mehr verwischen, doch es blieb ihm genug, um zu sehen, dass ein geradezu animalischer Ausdruck das Gesicht des noch immer auf ihm hockenden Mannes verzog. Etwas Schwarzes legte sich vor seine Augen und er fletschte die Zähne. Seine Hände legten sich wie ein Schraubstock um Johns Hals und drückten zu. Widerwillig löste John die Hände vom Schaft des Messers, das sich unaufhörlich tiefer in sein Fleisch bohrte, und versuchte sich zu befreien- scheiterte jedoch.
Er wollte nach Luft schnappen, doch der Daumen seines Rivalen war auf seinen Kehlkopf gepresst; die restlichen Finger umschlossen seine Luftröhre und hinderten den lebensnotwendigen Sauerstoff daran, seine Lungen zu durchfluten.
In seiner Brust pumpte und schlug sein Herz verzweifelt und sein Puls raste. Das Blut kochte in seinen Adern, Schweiß trat ihm auf die Stirn…

Bevor sein Körper unter dem enormen Druck endgültig kollabierte und das Gefühl der Bewusstlosigkeit wie eine Welle über ihn hereinbrach, nahm John verschwommen war, wie sich die Marines auf den zweiten Mann stürzten, der es zurück auf die Beine geschafft hatte. Mit geschickten Handgriffen schaltete er sie alle drei aus und schleuderte sie zu Boden, wo sie regungslos liegen blieben. Mit der flachen Hand schlug er Carson ins Gesicht, stieß Rodney ungnädig um und packte mit seinen prankenartigen Händen nach Teylas Arm, zog sie grob zu sich. Seine Handinnenfläche klatschte gegen ihre Wange, als sie sich gegen ihn wehrte, und hinterließ dort einen krebsroten Abdruck.
Sollte es das gewesen sein? Die Ohnmacht gewann die Oberhand und John rutschte in einen leeren, schwarzen Raum… doch die Frage blieb. Er war an der Grenze jedes Empfindens angelangt, schwebte durch das Nichts und dennoch fühlte er, dass es noch nicht zu Ende war…

+++++++++++++


'... Sollte er sich fürchten? Jetzt, da er dem Tod ins Angesicht sah… sollte er sich fürchten? Er erinnerte sich daran, wie man ihm als kleinem Jungen hatte weismachen wollen, dass er sich vor dem Tod nicht zu fürchten brauchte. Es sei etwas ganz Natürliches, dass Menschen irgendwann einmal starben, sie waren nicht für die Ewigkeit gemacht. ‚Hätte Gott gewollt, dass sie immerdar auf der Erde lebten, so hätte er sie unsterblich gemacht’- das waren die Worte seiner Großmutter gewesen. Damit hatte er sich abgefunden und seit diesem Tag hatte er sich nicht mehr vor dem Tod gefürchtet.
Es hatte jedoch Situationen gegeben, in denen er sich gefragt hatte, ob es das nun gewesen sein sollte. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass es vorbei sein sollte. Der Einsatz über Antarctica… als er allein und schwer verletzt in dem Cockpit seiner F302 gesessen hatte- das war so ein Moment gewesen. Die eisigen arktischen Winde, das zersplitterte Glas, das in seinem Körper steckte, die unerträglichen Schmerzen- ja, er hatte wirklich gedacht es sei vorbei. Noch nie hatte er sich so viele Gedanken um den Tod gemacht. Ihm war klar, dass er immer wenn er durch das Gate trat ein Risiko einging, doch daran dachte er nicht. Er dachte nur daran, sein Land und seine Kameraden zu beschützen, egal was es ihn kosten würde…

Unter allergrößter Anstrengung und unbeschreiblichen Schmerzen schaffte er es seinen Kopf zu heben und seinem Feind ins Gesicht zu blicken… oder vielmehr in den metallenen Lauf seiner Waffe. Es war vorbei- er wusste es. Ein letztes Mal sammelte er seine ihm verbliebenen Kräfte und sah zu John herüber; der Blick seiner blutunterlaufenen Augen traf den des dunkelhaarigen Soldaten. Waren es Tränen der Verzweifelung, die da in den haselnussfarbenen Augen des Soldaten standen oder war es der Regen, der ihm über die Wangen strömte? Das blanke Entsetzen war in Johns Gesicht geschrieben und er schüttelte nur mit dem Kopf. Seine triefnassen Lippen formten etwas, was er als ein schwaches ‚Tut mir leid’ interpretierte…
‚ Mir tut es auch leid’, erwiderte Cameron seinem Kameraden im Geiste und holte ein letztes Mal Luft, hörte das Entsichern der Waffe und spürte den kalten Lauf an seiner regennassen Stirn. Er schloss seine Augen. ‚Es tut mir auch leid’, dachte er, als sich donnernd ein Schuss löste und sich die Kugel durch seinen Körper fraß. Es tat ihm leid, dass er alle so enttäuscht hatte… '


Er öffnete die Augen.
Stille.
Alles einvernehmende Stille. Da war nur ein dumpfes Geräusch; das Geräusch seines schlagenden Herzens in seiner Brust. Und ein Rauschen; das Blut rauschte durch seinen Körper. Und ein penetrantes Klingeln in seinen Ohren; es nervte ihn, doch er konnte nichts dagegen unternehmen.
Er konnte sich nicht bewegen. Er wollte es, er versuchte es, doch sein Körper gehorchte ihm nicht, der Befehl kam nicht an. Er verharrte still und lauschte weiter dem Geräusch seines Herzens, dem Rauschen seines Blutes und dem Klingeln in seinen Ohren. Das alles machte ihn wahnsinnig, doch er konnte dem nicht entfliehen. Er schien ein Gefangener in seinem eigenen Körper zu sein; klammerte sich an die Gitterstäbe seines Gefängnisses und starrte hinaus in die Freiheit. Sein Ich schien in den letzten Winkel seines Körpers zurückgedrängt worden zu sein und ihm war klar, dass er sich aus eigener Kraft nicht daraus befreien konnte…

Cameron Mitchell schloss seine Augen und öffnete sie kurz darauf wieder. Er starrte gegen die dunkle Decke, die sich über ihm erstreckte. Dieses triste Grau und das eintönige Muster konnten einem nur Angst machen und zuerst hatte auch er sich davor gefürchtet, doch jetzt war es nur noch ein notwendiges Übel, dass es zu ertragen galt. Eigentlich war es nicht so schlimm- am Anfang war schlimmer gewesen, doch wenn er jetzt darüber nachdachte war es recht interessant dem eingearbeiteten Linien zu folgen, bis sie sich in dem Grau verliefen. Es waren Schlangenlinien… aber manchmal erkannte er auch ein paar gerade Linien und ein paar gezackte. Vielleicht war es ja doch nicht so eintönig, wie er zuerst angenommen hatte…

Ein resigniertes Seufzen rutschte über seine Lippen; es war heiser und klang irgendwie krächzend und erstickt. Sein Mundraum war trocken, seine Kehle brannte wie Feuer und seine Zunge klebte an seinem Gaumen. Seine ausgetrockneten Lippen trieben auseinander und er leckte mit seiner Zungenspitze über sie, um sie zu befeuchten, doch statt der erhofften Erleichterung war da ein kratzender Schmerz in seinem Hals. Etwas schabte an seiner Kehle entlang, stieß gegen sein Zäpfchen. Er musste würgen, schnappte gleichzeitig panisch nach Luft, doch das machte alles nur noch viel schlimmer.
Irgendetwas lag rau in seiner Kehle und der Geschmack von Plastik, der sich über seine Zunge und seine Lippen legte, ließ ihm übel werden. Was zur Hölle war das?
Er riss seine Augen auf, würgte immer noch. Panisch versuchte er sich bewegen, sich aufzurappeln oder wenigstens seine Arme bewegen zu können… doch nein- er vermochte es nicht zu tun. In seiner Panik begann sein Körper zu beben, sein Atem ging schneller. Das Ding - er wusste nicht, was es war oder wie es dort hingekommen war- schabte an seinem Hals entlang. Was zur Hölle war das?
Ein aufgebrachtes Geräusch drang aus seiner Kehle- es war mehr ein Würgen als ein Geräusch, doch es erregte Aufmerksamkeit. Er hörte Schritte. Sie näherten sich ihm; dumpf hallten sie in seinen Ohren und übertönten das Klingeln. Eine Gestalt erschien am Rand seines Sichtfeldes; es war ein Mann, nicht älter als zwanzig Jahre. Verwirrung stand ihm ins Gesicht geschrieben und seine Augen flackerten vor Panik…
„ Ich glaub’ mit dem stimmt was nicht“, rief er laut und schrill, worauf eine zweite Gestalt hinter ihm erschien- ebenfalls ein Mann, sichtlich älter, mit grauen Schläfen und von dem Alter geprägten Gesichtszügen.
„ Wir müssen etwas tun“, meinte der Jüngere. Der Ältere zog seine Stirn kraus.
„ Der tut nur so“, verkündete er schließlich.
„ Er kriegt keine Luft mehr… sieh doch.“ Der Jüngere streckte seine zitternde Hand nach ihm auf.
„ Der tut nur so“, wiederholte der andere Mann trocken und wollte sich schon wieder abwenden, aber der Jüngere hielt ihn zurück.
„ Wir müssen etwas tun! Wir können ihn nicht einfach sterben lassen!“
Der Ältere seufzte und fuhr sich mit der Hand durch sein schütteres Haar. Er schnitt eine widerwillige Grimasse. „ Ich weiß nicht was er hat“, meinte er schließlich.
„ Da steckt was in seinem Hals“, bemerkte der andere, „ vielleicht kriegt er deshalb keine Luft. Wir sollten es entfernen.“
„ Ja, dann mach mal“, schnaubte der Ältere. „ Ich fass’ den nicht an. Wir sollen keinen Kontakt zu ihnen herstellen, hast du das vergessen, Jorlan?“
„ Aber er stirbt“, konterte der Jüngere, Jorlan. Entschlossen machte er einen Schritt nach vorne. „ Wenn du dir zu schade dafür bist, Kenath, dann werde ich das machen.“
Kentah, der Ältere, schnaubte verachtend und drehte sich dann, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, um. Er warf noch einen flüchtigen Blick über seine breite Schulter und ging dann, ließ den Jorlan zurück…

Verdammt, hol dieses Ding aus mir raus, dachte Cameron panisch. Er bekam keine Luft mehr und er spürte, wie ihn die Kraft verließ. Bei jedem verzweifelten Versuch Luft zu holen, drang das fremde Ding noch tiefer in seine Kehle ein. Er wollte es rausziehen und von sich werfen, doch seine Finger zuckten nur kurz- er hatte einfach keine Kraft, um seine Hand zu heben.
Die Umgebung vor seinen Augen begann zu flackern und dann ineinander zu verschwimmen. Jorlans blitzende rote Augen griffen in sein jungenhaftes Gesicht über, als er sich über ihn beugte. Cameron spürte eiskalte Finger über sein zitterndes und schweißnasses Gesicht wandern und es war nicht mehr als ein kurzer, schmerzloser Ruck, als Jorlan das störende Was-auch-immer zu packen bekam…

Cameron konnte nicht genau sagen, was schöner war- das erleichternde Gefühl, als sich seine Lungenflügel mit Sauerstoff füllten, oder dass dieses schreckliche Schaben aufgehört hatte. Er holte tief Luft und stieß sie geräuschvoll wieder aus- es klang vielmehr nach einem angestrengten Keuchen, doch dass war ihm egal. Sein Blick wanderte dankbar zu Jorlan, der sich noch immer über ihn gebeugt hatte und besorgt ansah.
Cameron verspürte Dankbarkeit dem jungen Mann gegenüber und hätte es ihm auch gern gesagt, als ihm etwas anderes auffiel, dem er in seiner Verzweifelung keine Beachtung geschenkt hatte. Noch etwas außer Atem legte er den Kopf schief, auch wenn er mit rasenden Kopfschmerzen für diesen unüberlegten Schritt ‚belohnt’ wurde, und musterte Jorlan von oben bis unten. Wer um alles in der Welt war dieser Mann?

++++++++++++++


'Ich sah keinen Grund Ihnen zu helfen.' Seine bissigen und hasserfüllten Worte machten sie noch immer wütend. Es hatte sie ins Herz getroffen und seitdem klaffte dort eine Wunde, die sehr viel Zeit brauchen würde, um zu verheilen. Sie konnte diesen Mann nicht verstehen- sie wollte es, sie hatte es versucht, doch sie konnte es einfach nicht. Es war ein Ding der Unmöglichkeit und sie scheiterte.
Es hatte eine Zeit gegeben, in der sie begonnen hatte, ihm zu vertrauen. Er war schon seit jeher anders als die anderen gewesen und das hatte sie fasziniert. Er hatte sie fasziniert; sein geheimnisvolles Lächeln, das immer leicht schief über seine Lippen zuckte, seine haselnussfarbenen Augen, die einen in ihren Bann zogen, wenn man sich in ihnen verlor. Es war mehr als offensichtlich: John Sheppard war ein Mann, der sie zum ersten Mal an dem, was sie tat, hatte zweifeln lassen.

Larrin stieß einen kurzen ärgerlichen Laut aus und tadelte sich selbst. Sie hatte es schon wieder getan! Sie hatte schon wieder an ihn gedacht! Und das wollte sie nicht…
Sie ließ ihre Hände auf den Rand des Waschbeckens fallen und hielt sich an dem kühlen Metall fest. Ihr Blick ruhte auf ihrem Spiegelbild- es verriet ihr nichts Gutes; unter ihren glanzlosen Augen lagen dunkle Schatten und ihr Gesicht hatte einen noch blasseren, fahleren Farbton als sonst angenommen. Ihre Adern schimmerten bläulich durch ihre dünne Haut hindurch. Ihr blutroter Mund war nicht mehr als ein schmaler Strich und ihre Mundwinkel hingen bedauerlich nach unten. Larrin musste sich zusammenreißen, um den Spiegel nicht zu zerstören. Krampfhaft Luft holend fuhr sie sich mit ihrer zitternden Hand durch ihre zerzausten, blonden Haare und drehte sich um. Sie wollte sich nicht länger sehen. Ihr Anblick war schlichtweg schrecklich und es kostete sie große Mühe, ihn zu vergessen.

Sie seufzte tief und setzte sich in Bewegung. Die Schritte, die sie machte, waren nur ein zielgerichtetes Taumeln. Ihre Knie zitterten unter der Anstrengung und in ihrer Brust rasselte es. Sie hatte sich seit Tagen nicht mehr genährt- seit sie aufgebrochen war- und das forderte jetzt seinen Tribut. Sie war schwach, hungrig, hatte in den letzten Stunden kaum geschlafen. Es fiel ihr nicht leicht dem Drang, jemanden die Kehle aufzureißen, zu widerstehen, aber verwunderlicherweise hatte sie es bis jetzt geschafft. Zwar glich ihr Mund einer Wüstenlandschaft und sie dürstete, doch sie hatte es geschafft sich bis jetzt zurückzuhalten. Doch es war schwer! Noch nie in ihrem kurzen Leben hatte sie derart gedürstet und das Brennen in ihrer Kehle wurde allmählich unerträglich. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie manche ihrer Brüder und Schwestern das mehrere Jahrhunderte lang aushielten. Man hatte ihr gesagt, es würde schwer werden, doch nicht, dass es so schmerzhaft sein würde…
Larrin fauchte erbost, fuhr mit der Zungenspitze über ihre ausgetrockneten Lippen. Plötzlich ärgerte sie sich, dass sie sich zurückgehalten hatte, obschon sie nicht einmal den Grund dafür kannte. War es möglich, dass seine Präsenz sie daran hinderte? Nein. Entschlossen schüttelte sie mit dem Kopf und ihre Locken wippten auf und ab. Das kann nicht sein. Er mochte sie vielleicht an ihr früheres Leben erinnern, aber er hinderte sie keinesfalls daran, ihr neues auszukosten und zu genießen.

Halten Sie das wirklich für ein besseres Leben? Nichtsdestotrotz musste Larrin zugeben, dass seine Worte sie nachdenklich gestimmt hatten. Nicht so, dass sie den Schritt bedauern würde, zumal sie ja überhaupt keine andere Wahl gehabt hatte… sondern vielmehr so, dass sie sich fragte, warum er so dachte. Es war schon möglich, dass er zweifelte, schließlich kannte er ihr Leben nicht… doch versuchte man normalerweise nicht erst zu lernen, bevor man ein Urteil fällte?
Larrin schreckte zusammen, als ihr gewahr wurde, dass sie schon wieder an ihn dachte. Wieso gelang es ihr nicht, ihn auszublenden? Mit anderen Dingen klappte das ohne Probleme, warum aber nicht mit ihm? Hatte er etwa doch einen größeren Einfluss auf sie als bisher angenommen? Nein, nein, nein. Das konnte und sollte nicht sein! Sie wusste, dass sie sich nicht auf ihn einlassen sollte… doch das Schlimme war, dass sie es aus irgendeinem ihr nicht erkennbaren Grund... wollte. Sie wollte es! Seine Präsenz beruhigte sie und sie verspürte eine Art innerlichen Frieden wenn sie in seiner Nähe war. Ja, er hatte ohne jeden Zweifel mehr Einfluss auf sie, als es gut für sie war.

Larrin warf einen letzten selbstkritischen Blick in den Spiegel, ehe sie das kleine Badezimmer verließ. Die Absätze ihrer Schuhe klapperten über den Boden, während sie durch das angrenzende Quartier flanierte. Sehr interessanter Stil musste sie zugeben. Die lantianische Kunst hatte sie schon immer fasziniert. Sie hatte viele antikische Kunstwerke auf den Märkten gesehen, doch meistens hatte es sich um Fälschungen gehandelt oder sie waren so teuer gewesen, dass sie noch nicht einmal davon hätte träumen können. Aber jetzt war alles, was ihr so gefiel, zum Greifen nahe- es kam ihr fast wie ein Traum vor…
Ihren Blick aus dem Fenster in die unendlichen Weiten gerichtet, streifte Larrin sich ihren Umhang von den Schultern und trat nahe an die Glasscheibe, die sie vor dem Vakuum des Weltalls schützte, heran. 'Zu schön, um wahr zu sein…'
Sie holte tief Luft und schloss fuhr einen kurzen Moment ihre Augen, besann sich, ehe sie sich umdrehte. „ Lasst uns allein“, sagte sie. Ihre beiden Wachen, die sich vor ihrer Tür postiert hatten, nickten ergeben und verließen das Quartier, ließen Larrin allein… mit ihr.
Ein merkwürdiges Gefühl machte es Larrin schwer, sich zu konzentrieren- sie kannte es nicht. „ Teyla…“, wandte sie sich an die Frau, die inmitten des Quartiers stand und sie nicht aus den Augen ließ. Larrin bedeutete ihr, sich zu setzen, doch ihre Geste bekam keine Beachtung. Teylas Blick folgte ihr, wohin sie sich auch hin bewegte.
Sie konnte nicht genau mit dem Finger darauf zeigen, doch da war etwas in ihr, was Verachtung gegenüber dieser Frau- die sie nicht einmal näher kannte- hervorrief: Sie war Larrin aus irgendeinem Grund suspekt. Lag es möglicherweise daran, dass Teyla etwas gehörte, was sie sich wünschte, es aber nie bekommen würde? Nein, das ist es nicht, sprach eine kleine Stimme in ihr, doch Larrin war sich nicht sicher, ob sie ihr glauben konnte. Die Antwort, die ihr Unterbewusstsein ihr gegeben hatte, klang richtig, doch sie fühlte sich nicht richtig an. Genaugenommen war es keine Antwort gewesen sondern vielmehr ein verzweifelter Versuch die Wahrheit zu verdrängen und den Tatsachen nicht ins Augen blicken zu müssen…

Noch nie war es ihr so schwer gefallen, wie in diesem Moment: Larrin zwang sich ein falsches Lächeln auf die Lippen, obwohl ihr überhaupt nicht nach Lächeln war. Sie fühlte sich unwohl in ihrer Haut, doch sie konnte nicht genau bestimmen, woran das lag.
Larrin schluckte; unter ihrer blassen Haut kochte das Blut und sie fühlte wie sich ihre Muskeln anspannten und dann wieder lockerten. Aus irgendeinem Grund wurde sie wütend und sie schloss ihre Hände zu Fäusten, versteckte sie hinter ihrem Rücken. Wüste Gedanken schossen durch ihren Kopf und Larrin schüttelte überrascht mit dem Kopf. Am Rande ihres Blickfelds bemerkte sie, dass sich Teylas Augenbraue in stiller Kritik- es konnte aber auch Verwunderung sein- hob, doch sagen tat sie nichts. Sie schwieg beständig und hatte ihre rehbraunen Augen immer noch in Larrins Richtung gerichtet.
„ Sie müssen wissen, dass ich Sie verstehe“, startete Larrin nun einen weiteren Versuch, ein Gespräch aufzunehmen. „ Es tut mir Leid, dass meine Männer so grob vorgegangen sind… aber es musste sein.“
„ Musste es auch sein, dass Sie vier Männer verletzt haben?“, fragte Teyla in Erwiderung und es überraschte Larrin, wie ruhig ihre Stimme in Angesicht der Tatsachen doch war.
„ Sie hätten sich uns nicht in den Weg stellen sollen“, antwortete Larrin.
„ Und Sie hätten nicht so reagieren müssen“, fügte Teyla tadelnd hinzu, „ es wäre auch anders gegangen.“
Da- da war sie wieder, die Wut, die Larrin verspürte, wenn ihr Gegenüber den Mund aufmachte! Sie biss sich auf die Unterlippe und konnte es nicht verhindern, dass ein hässliches Grinsen ihre Miene verzerrte. „ Was wollen Sie damit andeuten?“, fragte sie spitz. Sie ballte die Fäuste hinter ihrem Rücken. „ Dass ich meine Männer nicht im Griff habe? Sagen Sie es mir.“
Teylas ausdruckloser Gesichtsausdruck verriet, dass sie kein Interesse daran hatte, über Führungsqualitäten zu sprechen… oder überhaupt über etwas, was mit den Geschehnissen von vorhin zu tun hatte. „ Was wollen Sie von uns?“, wollte sie stattdessen wissen. „ Wir haben Ihnen nichts getan- wir kennen Sie ja noch nicht einmal.“
„ Da irren Sie sich“, erwiderte Larrin bissig. „ Sie kennen mich, doch Sie haben mich vergessen.“
„ Ich erinnere mich nicht, Sie jemals getroffen zu haben“, beharrte Teyla und mit dieser Aussage fiel ein Schalter in Larrin um. Sie schaffte es nicht länger, Ihre Gefühle und Emotionen zurückzuhalten. Mit einem Fauchen, dass tief aus ihrer Brust drang, wirbelte sie herum und starrte Teyla finster an; ihre geballten Fäuste presste sie in ihre Seiten.
„ Sie haben mich aus Ihren Köpfen ausgeblendet“, zischte sie, „ so, wie alles, was Ihnen nicht wichtig erscheint. Ich bin für Sie ein Nichts, ein notwendiges Übel, ein lästiges Parasit.“

TBC
'Til death do us apart, Teil II by Ailya
When there's no one else
Look inside yourself
Trust the voice within
Christina Aguilera


Teyla erwachte mit einem Ruck aus ihrem unruhigen Schlaf und das Erste, was sie bewusst wahrnahm, war, dass man sie in einen anderen Raum gebracht hatte. Es war auch ein Quartier, doch es war weniger möbliert und dadurch um einiges geräumiger, als das Letzte. Ein leeres Regal, eine verschmutzte Couch mit zerfledderten Kissen und ein Stuhl, der ziemlich unbequem aussah- das war alles. Die Wände waren kahl und grau. Da waren noch nicht einmal die für dieses Schiff so typischen antikischen Symbole. Die Wand war einfach nur kahl und grau und kalt und nackt.

Mühsam richtete Teyla sich auf und sah sich in diesen ungemütlichen Raum um. Sie erschauderte leicht und die Kälte, die der Raum ausstrahlte, drohte sie zu erdrücken. Ihre Nackenhaare stellten sich auf und eine Gänsehaut zog sich über ihre Arme, ihre Beine und sogar über ihr Gesicht. Ein eiskalter Schauer lief ihren Rücken hinab und ein ungutes, zugleich flaues Gefühl lag in ihrem Magen.
Es war still in dem Raum- nur das stetige Brummen des Antriebs und das gelegentliche Knacken des Metalls und der Energieleitungen waren zu hören…und irgendwie beunruhigte sie diese Tatsache. Es war still, zu still. Irgendetwas stimmte nicht, da war Teyla sich sicher. In ihr schrillten sämtliche Alarmglocken und das ungute Gefühl wurde von Sekunde zu Sekunde immer stärker.
Argwöhnisch und zutiefst beunruhigt blickte sie sich um, doch es war zu dunkel in dem Raum, als dass sie etwas hätte erkennen können. Das Licht der Sterne fiel durch das Fenster und tanzte über den Boden, zusammen mit fremdartigen Schattengebilden, die monoton dahin krochen. Die seltsamsten Formen zogen sich quer durch das ganze Quartier und sie wurden immer bizarrer.
Teyla wandte ihren Blick ab, legte ihre Hände über ihren Bauch und seufzte schwer. Warum hatte man sie hierher gebracht? Sie war eine ganze Zeit lang allein gewesen und als sich endlich jemand ihrer angenommen hatte, war es keine Geringere als die Anführerin, Larrin, gewesen. Teyla erinnerte sich an ihr Gespräch zurück und daran, mit welcher Arroganz Larrin gesprochen hatte. Sie verspürte dieser Frau gegenüber nichts als Verachtung und es fiel ihr sehr schwer, ihre Wut zu unterdrücken. Nicht zuletzt für das, was man ihren Freunden und John angetan hatte…
Die Athosianerin zuckte zusammen und ihr Herz holperte in ihrer Brust, als die schrecklichen Bilder wieder in ihrem Kopf auftauchten. Johns Augen hatten zornig geblitzt, als er sich auf einen der Männer gestürzt und ihn zu Boden gerissen hatte. Sie hatte ihn noch nie zuvor so gesehen- es erschien fast so, als hätte er bewusst die Kontrolle über sich verloren. Er hatte auf seinen Gegner eingeprügelt und das mit einer solchen Wucht, das Teyla sich fragte, warum sie aus ihren Trainingseinheiten eigentlich immer als Siegerin hervor gegangen war.
Doch, was auch immer diese Männer und Larrin waren… John hatte den geradezu ungerechten Kampf verloren. Teyla sträubte sich daran zu erinnern, wie er regungslos am Boden lag, das Messer noch immer in seiner Flanke steckend und seine ausdruckslosen Augen gen Decke gerichtet. Sie wollte sich nicht vorstellen, was mit ihm passiert war, nachdem man sie aus dem Lagerraum gezerrt hatte! Sie empfand nur tiefe Dankbarkeit für das, was er getan hatte…

Teyla blinzelte, als Tränen ihre Sicht zu verwischen drohten. Sie hob ihre Hand und wischte sie sich aus den Augenwinkeln. Mit einem leisen Schluchzen ließ sie ihre Hand wieder sinken. Sie wusste nicht einmal, warum sie jetzt weinte. Unaufhaltsam traten die Tränen aus ihren Augen und liefen an ihrer Wange hinab. Ihre Unterlippe begann zu beben und ein weiteres Schluchzen drang aus ihrer Kehle noch bevor sie sich die Hand vor den Mund schlagen konnte.
Schreckliche Gedanken und böse Vorahnungen drängten sich ihr auf. Was, wenn er es nicht geschafft hatte? Was, wenn er seinen Verletzungen erlegen war? Was, wenn er irgendwo auf diesem Schiff mit dem Tod rang und sie nicht bei ihm war, sondern in diesem gottverdammten Raum festsaß? Teyla konnte sich nicht vorstellen, wie es weitergehen sollte, falls sie Recht behalten sollte und John wirklich…
Nein, nein, nein. Sie schüttelte entschlossen mit dem Kopf und verwarf den Gedanken. Er wird nicht sterben, redete sie sich ein, es geht ihm gut.Er wird nicht sterben. Mit dem Gefühl sich selbst die Welt schönzureden, strich Teyla über ihren Bauch und musste wider ihres Stimmungstiefs lächeln.
„ Es ist alles in Ordnung“, wisperte sie sanft und genoss jeden einzelnen Tritt ihres Kindes, den sie unter ihrer Handfläche verspürte. Für einen Moment war sie erleichtert, dass ihre Tochter nichts von alledem mitbekam und nicht wusste, was ihr Vater, ihre Mutter und deren Freunde gerade alles mitmachten.

Hinter ihr öffnete sich die Tür zu dem Quartier und Larrin stolzierte herein, als hätte sie nur auf diesen Moment gewartet. Als sie die Tränen in Teylas braunen Augen glitzern sah, lächelte sie boshaft, und die Athosianerin spürte sofort, wie die Verachtung in ihr aufbrodelte. Sie fixierte Larrin, die wortlos durch den Raum schritt und sie dabei ebenfalls nicht aus den Augen ließ und wachsam beobachtete.
Sie hatte sich umgezogen, fiel Teyla auf. Ihr durchtrainierter Körper und ihre wohlgeformten Hüften steckten nun nicht mehr in einem ledernen Anzug sondern in einem ebenso engen, wie auch schwarzen Kleid, das bis zum Boden reichte und eine Schleppe aus etwas feinerem Stoff hinter sich her zog. Das Kleid schmiegte sich an sie wie eine zweite Haut und Teyla fragte sich was es und der ausladende Ausschnitt, der knapp über ihrem Bauchnabel sein Ende fand, bewirken sollten.
Larrin hatte ihre blonden Locken zurück gesteckt und ihr heller Teint bildete einen starken Gegensatz zu dem dunklen Stoff ihres Kleides. Eine schmale Kette lag um ihren schlanken Hals, an deren Ende ein rubinroter Anhänger baumelte, der in derselben Farbe wie ihre Augen schimmerte. Sie schürzte ihre blutrot geschminkten Lippen als sie auf Teyla zutrat. Die Athosianerin wurde den Gedanken nicht los, das Larrin sie mit diesem pompösen Auftritt einzuschüchtern versuchte… oder sie hatte vor, Informationen aus den Marines herauszukitzeln. Beides waren durchaus einleuchtende Möglichkeiten, aber als Teyla Larrin so betrachtete, wie sie stolz in ihrem edlen und aufreizenden Gewand vor ihr stand, glaubte sie eher an die zweite Möglichkeit…

„ Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass wir Sie in ein anderes Quartier gebracht hatten“, ergriff Larrin das Wort, „ Aber wir brauchten die Räumlichkeiten dringend.“ Arrogant rümpfte sie die Nase und ging daran, Teyla zu umkreisen. „ Sie reden noch immer nicht mit mir, nicht wahr?“
„ Gibt es einen Grund, dass ich es machen sollte?“, gab Teyla bissig zurück.
Larrin hob ihre schmalen Augenbrauen an. „ Ich könnte Sie zu Ihren Freunden zurückbringen, wenn Sie mit mir reden.“
„ Aus leeren Versprechungen mache ich mir nichts.“ Teyla wusste, dass Larrin sie anlog. Niemals würde sie sie zurückbringen lassen, ganz egal, was sie ihr sagte. Verbittert hob Teyla ihren Kopf und starrte Larrin an. „ Warum tun Sie das? Warum tun Sie das den Leuten an? Unschuldigen Leuten!“
„ Ich habe Ihnen schon eine Antwort auf diese Frage gegeben“, bemerkte Larrin kühl, „ aber wenn Sie es schon wieder vergessen habe, dann helfe ich Ihnen gerne auf die Sprünge, meine Liebe. Ich will Informationen und die bekomme ich nicht von irgendeinem zwielichtigen Händler.“
„ Von mir werden Sie gar nichts erfahren“, sagte Teyla.
„ Ach, Sie brauchen mir auch gar nichts zu sagen“, zischelte Larrin und ein hässliches Grinsen zog sich über ihr Gesicht. „ Ich bin mir sicher, dass Col. Sheppard mir es schon irgendwann sagen wird, auch wenn ich ein bisschen nachhelfen muss.“
Teyla schluckte. „ Sie werden ihn nicht zum Reden bringen, indem Sie einen von uns etwas antun.“
„ O, da bin anderer Meinung“, kam die Erwiderung. „ Und ich bin mir sicher, dass es nicht lange dauern wird. Wir beide haben doch gesehen, wie mutig er sich meinen Männern in den Weg gestellt hat. Sie bedeuten ihm etwas, viel mehr als Sie mir gegenüber zugeben wollen.“ Larrin sprach das mehr als Offensichtliche aus und Teyla schreckte zusammen. Sie hatte Larrin Strategie erkannt: So lange sie sie in ihrer Gewalt hatte, so lange hatte sie auch die anderen in der Hand- besonders John. Seine geradezu aggressive Reaktion von vorhin und Larrins niederträchtiges Grinsen, als sie ihn beobachtet hatte, verrieten, dass sie wusste, wie sie ihn zum Reden bringen konnte. So rührend es auch wahr, doch Teyla war sich schmerzlich bewusst, dass John alles tun und sogar sein Leben geben würde, um sie und ihr Kind zu retten… und genau das wollte Larrin.


„ Wissen Sie“, fuhr Larrin fort und begann durch das dunkle Quartier zu flanieren, „ schon als kleines Mädchen habe ich die Geschichten über die verlorene Stadt der Antiker geliebt und ich habe nie genug davon bekommen. Allerdings habe ich nie wirklich daran geglaubt, dass sie wirklich existiert. Aber jetzt…“ Sie hielt an und drehte sich langsam zu Teyla um- in ihren roten Augen lag ein wildes Funkeln, das einen krassen Gegensatz zu ihrem ruhigen Gesicht bildete. „… jetzt ist alles anders. Atlantis…“ Wohlwollen lag in ihrer kristallklaren Stimme und der Name der sagenumwobenen Stadt perlte über ihre Lippen.
Larrin neigte ihren Kopf, wobei sich einzelne Locken lösten und nach vorne, ihr ins Gesicht fielen. Ihre Augen wurden ausdruckslos und sie schien mit ihren Gedanken abzudriften.

„ Niemand wird Ihnen sagen, wie Sie nach Atlantis kommen“, riss Teyla sie aus ihren Träumen, von denen die Athosianerin hoffte, dass sie sich nie erfüllen würden. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, was passieren würde, wenn es Larrin tatsächlich gelingen würde die Informationen zu bekommen, nach denen sie suchte. Was hatte sie vor? Wollte sie Atlantis einnehmen? Oder wollte sie mithilfe der Stadt…
Teyla hielt in ihrem Gedanken inne. Atlantis war der einzige Ort in der Pegasusgalaxie, von dem aus man ohne weitere Probleme und ohne Unmengen an Energie zu verbrauchen zur Erde gelangen konnte. War das in Wirklichkeit Larrins Ziel?

„ Ich bin nicht auf Ihre Hilfe angewiesen.“ Larrin hatte sich vor ihr aufgebaut und stemmte ihre Hände in die Hüften. Sie beugte sich mit dem Oberkörper vor, sodass Teyla in ihr bleiches Gesicht sehen konnte, und bleckte ihre perlweißen Zähne.
„ Aber Sie sagten…“, stutzte Teyla. Wieso behauptete sie nun, dass sie nicht auf die Hilfe von ihnen angewiesen war, obschon sie es vorhin gemeint hatte?
„ Umstände ändern sich“, entgegnete Larrin und deutete ein Nicken an, das den gesamten Raum miteinschloss. „ Und ich bin bereit mich den Umständen anzupassen.“
„ Sie haben nicht vor zu verschwinden“, las Teyla in ihren Augen… und plötzlich verstand sie. Ungläubig schüttelte sie mit dem Kopf. „ Sie machen einen Fehler, glauben Sie mir.“
„ Ich lasse mich nicht mehr täuschen“, sagte Larrin trocken. „ Nicht, wo ich so nahe an meinem Ziel bin.“
„ Nein.“ Teyla schüttelte weiter mit dem Kopf- keinesfalls, weil sie Larrin warnen wollte… oder wollte sie es etwa doch? „ Sie machen einen Fehler, wenn Sie vorhaben auf diesem Schiff zu bleiben.“
„ Nennen Sie mir einen Grund, warum ich auf Sie hören und nicht einen Ihrer Freunde für Ihre Dreistheit bestrafen sollte“
„ Es ist eine lange Geschichte“, antwortete Teyla. Ja, sie versuchte definitiv sie zu warnen.
Larrin sah sie einige Sekunden intensiv an, ehe sie hinter ihren Rücken griff und den Stuhl heranzog. Den Blick nicht von Teyla abwendend setzte sie sich, stützte ihre Ellenbogen auf die Rückenlehne des Stuhls. „ Ich habe Zeit“, sagte sie, „ aber die Frage ist, ob Ihre Freunde noch so viel Zeit haben.“
Teyla schluckte schwer. „ Sie würden es nicht wagen“, flüsterte sie mit erstickter Stimme.
Larrin zuckte mit den Achseln. „ Kommt ganz drauf an, wie gut Sie Geschichten erzählen können. Sagen Sie mir, warum sollte ich dieses Schiff aufgeben, jetzt, da ich alles habe, was ich wollte?“

‚Weil Sie dann ebenso auf diesem Schiff gefangen sind wie wir und nie wieder nach Hause, wo auch immer das für Sie sein mag, zurückkehren werden. Sie werden dazu verdammt sein, ein trostloses Leben auf diesem Schiff zu führen, inmitten von Feinden und weit weg von der Heimat. Sie werden tagein tagaus nach einem Weg suchen, zurückkehren zu können, doch Sie werden wissen, dass das unmöglich ist’, dachte Teyla, doch die dramatischen Worte, die ihr Leben, das sie und die anderen in den letzten Monaten geführt hatten, in wenigen Sätzen zusammenfasste, kamen nicht über ihre Lippen. Zögerlich sah sie Larrin an, die ihr gegenüber saß und auf die Antwort auf ihre Frage zu warten schien.
„ Sie werden sterben“, sagte Teyla schließlich in einem geradezu unheimlich ruhigen Tonfall, der sie selbst überraschte. „ Sie werden sterben, genauso wie wir sterben werden. Wir alle sind dazu verdammt hier unseren Tod zu finden. Dieses Schiff ist ein fliegendes Grab… da können Sie sich sicher sein.“

Larrin zog plötzlich ihre Augenbrauen zusammen und hob sie dann an. Es grollte in ihrem Brustkorb und brach als wütendes Knurren aus ihrer Kehle. Sie sprang von ihrem Stuhl auf, packte ihn und schleuderte ihn gegen die hinter ihr liegende Wand. „ Dieser elende Mistkerl“, fauchte sie erzürnt. Sie schäumte regelrecht vor Wut und bleckte ihre Zähne wie ein lauerndes Raubtier, das sich auf seine nichts ahnende Beute stürzen wollte.
Teyla war aufgeschreckt, als sie den Stuhl gegen die Wand geschleudert hatte und er laut scheppernd zu Boden gekracht war. Was auch immer Larrin aufregte… es waren nicht ihre Worte gewesen. Aber Teyla wagte es nicht, nach dem wahren Grund zu fragen.
So saß sie nur still da und beobachtete wortlos, wie Larrin in einer ihr unbekannten Sprache vor sich hinfluchte- es klang wie ein abgewandelter Wraithdialekt und war Grund genug misstrauisch zu werden.
„ Vielleicht kommt der Tod schneller als sie ihn erwarten“, meinte Larrin plötzlich und drehte sich um; ihr blasses Gesicht war gerötet und ihre Augen hatten eine seltsame Farbe angenommen- es war ein helles Rot, vermischt mit Orange- und Gelbtönen und erst als Teyla genauer hinsah, bemerkte sie, dass die Farben in Larrins Augen buchstäblich in Flammen standen.
„ Was haben Sie vor?“ Ängstlich richtete sich die Athosianerin auf und schluckte, als sie sah, dass Larrins bleiche Finger die glänzende Klinge eines Messers umschlossen.
„ Ich werde Sie nicht umbringen, falls Sie das meinen“, antwortete Larrin ihr und trotz ihres vor Wut bebenden Körper zauberte sie sich ein böses Lächeln ins Gesicht. In ihren Augen loderten noch immer Flammen, als sie an Teyla vorbeischritt. Vor der Tür angekommen, drehte sie sich allerdings noch einmal zu ihr um. „ Aber ich kann Ihnen nicht versprechen, dass Col.Sheppard genauso viel Glück haben wird.“
Nein. Teylas Augen weiteten sich. „ Das werden Sie nicht tun“, rief sie kopfschüttelnd und mit bebenden Lippen. „ Sie werden ihm nichts tun. Sie brauchen ihn.“
Mit regungsloser Miene sah Larrin sie an. „ Ich sagte bereits: Umstände ändern sich. Und glauben Sie mir, Sie wollen nicht hier sein, wenn er aufkreuzt.“
„ Wenn wer aufkreuzt?“, fragte Teyla von Panik erfüllt.
„ Das wollen Sie nicht wissen“, erwiderte Larrin. „ Doch eines kann ich Ihnen versprechen: Wenn er da ist, werden Sie sich wünschen, ich hätte Sie umgebracht.“ Sie war daran zu gehen, doch Teyla hielt sie zurück.
„Das ist doch kein Grund unschuldige Menschen zu töten“, rief sie. „Und nicht John…“ Die Athosianerin legte ihre Hand auf ihren Bauch. „ Tun Sie das nicht!“
„ Er bedeutet Ihnen sehr viel“, sinnierte Larrin; die unterdrückte Wut schwang in ihrer Stimme mit.
„ Bitte“, flehte Teyla und wieder traten Tränen in ihre Augen, „ ich will meinem Kind nicht erklären müssen, was mit seinem Vater geschehen ist.“
„ Ich muss es tun“, beharrte Larrin eisern. „ Col. Sheppard ist das Problem. Nur er ist daran schuld, dass er kommt. Wenn er erst einmal hier ist, dann werden Sie Ihr Kind nie zu Gesicht bekommen.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und rauschte davon, ließ Teyla zurück, die ihr geschockt nachsah und sich dann in Bewegung setzte, um ihr zu folgen, doch die sich schließende Tür hinderte sie daran.

++++++++++++++++


„ Das… das ist Wahnsinn! Was um alles in der Welt tue ich hier eigentlich? Ich muss vollkommen durchgedreht sein!“ Rodney McKay schlug die Hände über dem Kopf zusammen, während er leise dahin fluchte und sich gegen einen Pfeiler presste. „ Ich kann’s nicht fassen, dass ich das mache! Wir werden noch drauf gehen; sind Sie sich dessen bewusst?“, wandte er sich an den vorangehenden John Sheppard, der mit langem Hals um die Ecke herum spähte.
Der Militär wandte sich um und in seinen haselnussfarbenen Augen lag ein Ausdruck, den Rodney zum letzten Mal bei dem tollwütigen Fuchs gesehen hatte, der vor rund fünfundzwanzig Jahren in seiner Nachbarschaft erlegt worden war. „ Wenn Sie nicht gleich die Klappe halten, dann werde ich jedem potenziellen Mörder zuvorkommen!“
„ Wenn der nicht gleich um die Ecke biegt“, zischte Rodney und schüttelte über das Vorhaben seines Freundes nur mit dem Kopf. Es war ein völlig hirnrissiger Plan, dem sie da nachgingen und es grenzte an ein Wunder, dass sie es bis hier geschafft hatten.
„ Wenn Sie nicht aufhören zu meckern, dann erschieß ich Sie“, knurrte John und ging wieder daran, den Korridor entlang zu spähen.
„ Das ist doch verrückt!“ Rodney schüttelte wieder mit dem Kopf. So etwas Engstirniges hatte er noch nie erlebt. „ Das ist doch Selbstmord, John, und das wissen Sie genauso gut wie ich. Sie sind verletzt und ich… naja, Sie sind halt verletzt! Und außerdem wissen wir nicht einmal, wo wir nach ihr zu suchen haben.“
Wieder drehte John sich um und sein Mund verformte sich zu einer Grimasse, die Rodney sagte, dass dem Soldaten die gemeinsten Schimpfwörter auf der Zunge lagen, die man niemanden, nicht einmal dem ärgsten Feind, an den Kopf zu werfen traute.
„ Sie hätten ja nicht mitkommen müssen“, schnarrte John und seine Lippen trieben dann in geradezu dramatischer Weise auseinander. „ Es ist mir egal, wie Sie das Ganze sehen, aber ich… ich werde nicht zulassen, dass die Teyla was tun. Und ich weiß, dass Larrin dazu sehr wohl in der Lage ist- ich weiß das besser als jeder andere auf diesem Schiff. Aber dazu werde ich es nicht kommen lassen.“ Aufgebracht deutete er mit seiner Hand in die Richtung, aus der sie gekommen waren. „ Sie können gerne zurückgehen. Ich werde weitergehen. Nennen Sie es wie immer Sie es nennen wollen…“ Er seufzte schwer, doch in Rodneys Ohren klang es eher wie ein Schnauben. „ Das sind meine Frau und mein Kind und ich werde die beiden nicht einfach ihrem Schicksal überlassen!“

Die Wut und Entschlossenheit blitzte in den haselnussfarbenen Augen des Colonels auf und auf einmal wusste Rodney, dass er John nicht daran hindern konnte weiterzugehen, ganz egal wie sehr er es auch versuchte. Es ging um weit mehr, als nur darum, diese Larrin zu finden, bevor sie etwas tat, was sie alle sich später nicht verzeihen könnten. Nein, für John ging es vor allem darum Teyla zu finden… und das nicht nur, weil sie ein Mitglied seines Teams war.
Rodney verkniff sich den spitzen Kommentar, der ihm auf der Zunge lag, und erwiderte den Blick seines amerikanischen Freundes, der ihm mit schmerzverzerrter Miene und mit Schweißperlen auf der Stirn vor ihm stand und einen alles anderen als gesunden Eindruck auf ihn machte. Der Soldat hatte eine Hand in seine Flanke gepresst und trotz dem Verband, den Carson Beckett angelegt hatte, lief das dunkelrote Blut zwischen Johns Finger hindurch und tropfte zu Boden.
Na toll, dachte Rodney. Wenn man sie schon nicht fassen würde, dann würde sie man mithilfe der Blutspur, die sich hinter ihnen her zog, finden. Doch scheinbar war das seinem Freund egal…
Reiß dich gefälligst zusammen, McKay, schimpfte der Kanadier mit sich selbst. Er wollte sich nicht länger etwas vormachen. Auch er wollte Teyla finden! Diese Larrin sah- seiner Meinung nach- zwar verdammt heiß aus, spukte aber sobald sie den Mund aufmachte Gift und Galle. Ein richtiges Teufelsweib! Ein verdammt gutaussehendes Teufelsweib…

„ Sie wird sie in eins der Quartiere gebracht haben.“ Johns laute Überlegung riss Rodney aus seinen männlichen Fantasien.
„ Es gibt hunderte Quartiere, dreißig allein auf diesem Deck“, erinnerte er seinen Freund. „ Woher sollen wir wissen, in welchem Teyla ist? Es wird ewig dauern, bis wir…“
„ Gab es eine Offizierskabine?“, fragte John plötzlich, ohne ihn dabei anzusehen, doch allein sein abwesender Blick verriet Rodney, dass der Soldat eine Idee hatte. „ Sie wissen schon was ich meine.“
„ Ich bin mir sicher, dass es die gab“, antwortete er. „ Aber wie sollte uns das helfen Teyla zu finden?“
„ Larrin ist einer der eitelsten und arrogantsten Menschen, die ich je getroffen habe“, erwiderte John. Er musterte Rodney und zur Überraschung des Kanadiers stahl sich das so typische schiefe Grinsen über das Gesicht des Soldaten. John räusperte sich. „ Naja… vielleicht… Sie ausgenommen.“
Genervt rollte Rodney mit seinen Augen. „ Kommen Sie zum Punkt, Sheppard“, seufzte er.
„ Sie wird Teyla dorthin gebracht haben. Ich bin mir sicher, dass sie ihr fürs Erste nichts tun wird.“
„ Warum sind Sie sich da sicher?“ Rodney schüttelte mit dem Kopf. „ Sie haben doch gesehen, wie man mit Teyla umgegangen ist. Und außerdem tut meine Schulter wegen diesem Grobian immer noch weh.“ Theatralisch rieb er seine schmerzende Schulter. Grob hatte ihn dieser Kerl, der es locker mit Ronon hätte aufnehmen können, beiseite geschubst und er war mit der Schulter gegen die Wand gestoßen.
„ Glauben Sie mir, ich kenne Larrin. Ich hatte zwei Monate Zeit, um ihre Tricks kennenzulernen.“ Das Grinsen war aus Johns Gesicht gewichen. „ Sie will mich und dazu braucht sie Teyla.“
„ Korrigieren Sie mich, falls ich falsch liege, aber diese Frau ist verdammt gerissen“, merkte Rodney an und fügte leise hinzu: „ Und verdammt heiß… ich meine natürlich…“
John hob zur Erwiderung nur die Augenbrauen. „ Rodney…“
„ Ja, ich weiß… ich widere mich selbst an.“ Der Wissenschaftler ließ sie Schultern hängen. Seine männlichen Ausschweifungen waren im Moment mehr als unangebracht.

John warf noch einen schnellen Blick in seine Richtung, ehe er wieder um die Ecke herumlugte. „ Wo befinden sich die Offiziersquartiere?“, verlangte er leise zu wissen.
„ Ich würde Ihnen darauf gerne eine Antwort geben, aber leider kenne ich den Lageplan nicht auswendig“, antwortete Rodney.
„ Vielleicht hätten Sie sich mal mehr damit auseinandersetzen sollen.“ Der genervten Stimme seines Kameraden konnte Rodney entnehmen, dass das nicht die Antwort war, auf die John gewartet hatte.
„ Es tut mir leid“, zischelte der Kanadier, „ aber ich hatte Wichtigeres zu tun, als die genaue Wegbeschreibung zur nächsten Toilette auswendig zu lernen.“
John schüttelte mit dem Kopf. „ Aber jedes noch so unbedeutende Labor aufgesucht und katalogisiert.“
„ Das ist wichtig“, verteidigte sich Rodney. Es war ungemein wichtig sämtliche Entdeckungen, die von wissenschaftlicher Bedeutung waren, zu notieren. Wer wusste schon, was kommen würde.

Der kanadische Wissenschaftler setzte gerade an, um diese Diskussion fortzusetzen, als dumpfe Schritte den Korridor entlang hallten, die sich ihrer Position definitiv näherten. Rodney klappte den Mund wieder zu, während John sich soweit vorlehnte, dass er gut sehen konnte, er aber von niemand gesehen werden konnte.
Na, toll, dachte Rodney zum zweiten Male an diesem Tag. Ihre Vorraussetzungen waren nicht wirklich die besten- John war verletzt und man hatte ihnen beiden die Waffen abgenommen. Es hatte ihn sowieso überrascht, dass sie es so leicht aus dem Lagerraum geschafft hatten, doch allein die Gewissheit, dass die beiden Gorillas, die Wache geschoben hatten, verschwunden waren, sorgte bei Rodney nicht gerade für Erleichterung.
„ Was machen wir jetzt?“, flüsterte er.
„ Erstmal Klappehalten“, gab John warnend zurück und beugte sich diesmal soweit vor, dass Rodney instinktiv nach ihm packte, da er Angst hatte, er könnte nach vorne fallen. Doch der Soldat hielt trotz seiner Wunde, die wieder angefangen hatte zu bluten, die Balance.

Die Schritte wurden immer lauter und aus irgendeinem Grund hatte Rodney das Gefühl, dass sein Kragen immer enger wurde. Er schluckte schwer und rechnete im Kopf ihre Chancen zusammen- er kam allerdings zu dem Schluss, dass diese bedauerlicherweise gleich Null standen. Keine besonders guten Vorraussetzungen, fand er. Wenn selbst die Wissenschaft nicht auf ihrer Seite war, dann half nur noch Beten. Und er war aus Prinzip kein gläubiger Mensch…
Rodney schreckte regelrecht zusammen, als John plötzlich aus ihrem Versteck hinter einem Wandvorsprung auf den Korridor trat, mitten in das Schussfeld der sich Nähernden. „ Was zur Hölle machen Sie denn da?“, zischte er und griff nach dem Hemdsärmel des Soldaten, spähte gleichzeitig über dessen Schulter hinweg… und war zutiefst erleichtert, als er zwei ihm bekannte Gestalten auf sich zukommen sah.
„ Col. Sheppard? Rodney?“ Es war unverkennbar die liebliche Stimme von Samantha Carter. Die blonde Wissenschaftler kam auf sie zu; Daniel Jackson folgte ihr eiligen Schrittes und mit gezogener Waffe. „ Was machen Sie denn hier?“
„ Dasselbe wollte ich Sie auch gerade fragen“, erwiderte John und winkte die beiden zu sich; Sam lief wieder voraus, Daniel folgte ihr ein paar Sekunden später. Die Erleichterung stand in ihre Gesichter geschrieben, doch Sam’s Miene verrutschte um einige Zentimeter, als sie das Blut entdeckte, welches zwischen Johns Finger hindurchlief.
„ Sie sind verletzt!“, rief sie aus. „ Wir sollten Carson suchen gehen.“
„ Ähem… keine so gute Idee“, mischte sich Rodney ein. „ Erstens, kommen wir das gerade her und zweitens, glaube ich nicht, dass wir unseren Freund hier überreden können zurückzugehen.“
„ John…“, setzte Sam an; sie senkte ihren Blick und erinnerte Rodney so an seine damalige Mathelehrerin Miss Perkins, eine wirklich schreckliche Dame in den Vierzigern.
„ Es geht schon“, log der Soldat und warf Rodney einen eisigen Ich-bringe-Sie-um-wenn-Sie-jetzt-nicht-die-Klappe-halten-Blick zu.
„ Sind Sie sicher?“, erkundigte sich Daniel skeptisch. „ Sie sehen nicht gut aus.“
„ Wir müssen weiter“, erwiderte John auf diese Bemerkung und quittierte die musternde Betrachtung der beiden SG1-Teammitglieder mit einem trockenen Räuspern.
„ Wo wollen Sie denn hin?“, fragte Sam. „ Da unten wimmelt es nur so von diesen Leuten. Ich würde nur zu gern wissen, mit wem wir es zu tun haben.“
„ Das wollen Sie nicht wissen“, entgegnete Rodney ihr mit einer starren Miene und einem eisigen Kopfschütteln. „ Es genügt, wenn ich sage, dass das die Bösen sind.“
Daniel grinste sarkastisch. „ Zu einem anderen Entschluss sind wir auch nicht gekommen. Die hätten uns fast erwischt, als wird versucht haben den Transporter zu benutzen.“
„ Wir haben gesehen, wie man Sie weggebracht hat“, ergänzte Sam. Sie runzelte ihre Stirn und sah John an. „ Was ist danach passiert? Und wo sind die anderen?“
„ Man hat sie in die Lagerräume verteilt“, erklärte John. „ Die unterbinden jeden Kontakt unter uns. Ich weiß weder wo Elizabeth ist, noch wo die anderen hingebracht wurden. Sie haben Teyla mitgenommen.“
„ O mein Gott“, hauchte Sam und Daniel tat es ihr gleich, schnitt eine entsetzte Grimasse.

Rodney lauschte der folgenden Unterhaltung nur mit einem Ohr, denn etwas anderes hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Fast schon unscheinbar wirkte er, er hätte ihn glatt übersehen...Mit sicheren Schritten stakste Rodney auf ihn zu und löste die Abdeckung mit seinen Fingern; sie löste sich leicht und was darunter zum Vorschein kam, ließ die Augen des Kanadiers leuchten und er fühlte sich wie ein Kind in der Süßigkeitenabteilung eines bunten Kaufhauses.
Warum in alles in der Welt war er nicht schon früher darauf gekommen?

Die Konsole, der hinter dem unscheinbaren Wandpanel verborgen lag, war aktiviert und soweit er das beurteilen konnte funktionierte er auch.
„ Bingo“, triumphierte Rodney, was ihm die Aufmerksamkeit der drei anderen einbrachte. Ihre Unterhaltung endete und drei Köpfe wandten sich fragend in seine Richtung.
„ Sagen Sie bitte, dass das ein gutes ‚Bingo’ war“, sagte John, als er, Sam und Daniel zu ihm herüber geeilt kamen. Mit hochgezogener Augenbraue musterte der Soldat die neuste Entdeckung seines kanadischen Freundes und zog dann verwirrt seine schwitzige Stirn kraus. „ Was ist das?“
„ Eine Konsole“, kam Daniel Jackson Rodney zuvor und sprach das mehr als Offensichtliche aus.
Rodney lachte einmal kurz und trocken auf und reckte dann seinen Zeigefinger in die Höhe. „ Nicht nur irgendeine Konsole. Wie würden Sie es finden, wenn ich Ihnen sage, dass das eine Hauptsteuerungskonsole ist?“

++++++++++++++


Er kannte sich zwar nicht mit diesem ganzen Technologiekram aus, aber eines hatte John in den letzten dreieinhalb Jahren gelernt: Eine Hauptsteuerungskonsole war immer gut und bedeutete, dass sie einen gewissen, wenn auch minimalen Vorteil hatten.
„ Wenn ich Ihren Blick richtig interpretiere, dann fragen Sie sich gerade, ob es mir gelingt, Zugriff auf das Schiffssystem zu bekommen“, sagte Rodney und John zuckte zusammen; der Kanadier starrte ihn eingehend an. Es war schon fast unheimlich, wie leicht es den meisten Leuten fiel in seinem Blick zu lesen…aber ja, genau diese Frage lag ihm auf der Zunge, also nickte er nur einmal kurz, was Rodney mit einem zufriedenen Lächeln hinnahm.
Als ob er vorhatte einen Boxkampf zu bestreiten straffte er seine Schultern und tippte dann in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit auf das Bedienfeld der Konsole ein.
John versuchte Rodneys Fingern zu folgen und gleichzeitig auch den Bildschirm im Blick zu behalten, doch ihm wurde schwindelig und er entschloss sich, einfach zu warten.

Er musste allerdings nicht lange Geduld üben, denn schon nach wenigen Augenblicken trat Rodney einen Schritt von der Konsole zurück und sein finsteres Gesicht ließ John Schlimmes befürchten. Ein nicht wirklich positiv klingendes ‚O nein’ bestärkte ihn in dieser Annahme.
Daniel Jackson stand neben Samantha Carter und hatte einen gleichgültigen, ja fast schon sarkastischen Blick aufgesetzt. „ Soll ich raten?“
„ Ich wusste es“, schimpfte Rodney und schlug ärgerlich mit der flachen Hand auf die Konsole.
„ Rodney, was ist los? Warum machen Sie nicht weiter?“, verlangte John zu wissen.
„ Warum ich nicht weitermache?“ Sein Kamerad drehte sich halb zu ihm um; seine blauen Augen blitzten wütend und sein ganzes Gesicht hatte eine rötliche Farbe angenommen. „ Diese jämmerlichen Amateure haben an dem System herumgepfuscht- deshalb mach’ ich nicht weiter! Beantwortet das Ihre Frage, werter Colonel?“
John war nicht in der Lage ihm zu antworten. Stattdessen drängte eine mit dem Kopf schüttelnde Samantha Carter ihn beiseite. „ Das ist unmöglich. Wie sollten die das geschafft haben?“
Rodney hob wieder seinen Finger. „ Sie mögen zwar primitiv aussehen, aber unterschätzen sollte man sie nicht!“ Er seufzte tief und lang. „ Als man mich in den Lagerraum gebracht hat, habe ich gesehen, wie sie sich an genau so einer Konsole zu schaffen gemacht haben. Ich wusste nicht, was sie vorhatten, geschweige denn, dass das eine Hauptsteuerungskonsole war. Die haben eine Art Sperre eingebaut. Fragen Sie mich nicht, wie die das gemacht haben- sie haben’s einfach getan. Scheinbar haben die damit gerechnet, dass wir versuchen würden ihr System zu knacken.“
„ Können Sie diese Sperre nicht umgehen?“, fragte John, woraufhin sich Rodney wieder der Konsole zuwandte, das Bedienfeld berührte und sich dann abermals, von einem hohen Piepton begleitet, zu ihm umdrehte.
„ Ja, sicher“, antwortete er ihm, „ wenn es sich hierbei nicht um eine passwortgeschützte Konsole handeln würde, wenn ich genug Zeit hätte, um das Passwort zu entschlüsseln und das ohne die Gewissheit, dass ich jeden Moment entdeckt werden könnte.“ Rodney holte tief Luft und lächelte dann das sarkastischste Lächeln, das John je gesehen hatte. „ Ja, dann könnte ich es schaffen. Soll ich schon mal anfangen?“
John zog seine Mundwinkel nach unten. „ Sparen Sie sich Ihre dämlichen Witze und überlegen Sie lieber, wie wir das System wieder übernehmen können.“
„ Es…es gibt eine Möglichkeit“, warf Sam in diesem Moment ein. „ Es gibt eine Möglichkeit, wie wir das Passwort umgehen und das System neu kalibrieren können. Wir müssten es dazu nur unentdeckt bis zum Kernraum schaffen und…“
„ Nein“, fuhr Rodney konsequent mit dem Kopf schüttelnd dazwischen. „ Sich noch weiter zu trauen wäre Selbstmord und außerdem wissen wir nicht einmal ob es funktioniert. Stellen Sie sich mal vor, es läuft was schief- was wäre dann?“
John kannte diesen hysterischen Ausdruck in dem Gesicht seines Freundes- er hatte ihn heute schon einmal gesehen. „ Sie wollen das System lahm legen?“
„ Und dann wieder neu starten…ja, das ist die Idee.“ Sam nickte. „ Wir hatten solche Probleme schon oft im Stargatecenter und bis jetzt hat es immer funktioniert.“
„ Wir sind hier aber nicht im Stargatecenter“, erinnerte Rodney. „ Wir sind auf einem Raumschiff, das seit Tausenden von Jahren durchs All schwebt und nun von grobschlächtigen Aliens übernommen wurde!“

Ein unangenehmes Schweigen legte sich über die kleine Gruppe und es war so leise, dass John glaubte, den Schalter, der sich in diesem Moment in seinem Kopf umlegte, zu hören. Eine leuchtende Glühbirne blinkte vor seinen Augen auf und auf einmal wurde es ihm klar. Natürlich, warum war er da nicht schon früher drauf gekommen?

„ Es war ein Virus. Er hat sich in das System des Schiffes eingenistet, während die Artemis aus dem Hyperraum gesprungen war und sich in der Atmosphäre eines Planeten befunden hatte. Und jetzt raten Sie mal um welchen Planeten es sich handelt.“

„ Ein Peilsender?“
„ Geschickt, nicht wahr? Ich muss sagen, dass es nicht wirklich originell ist, aber es erfüllt seinen Zweck.“

„ Denken Sie nicht einmal daran zu fliehen. Und an Ihrer Stelle würde ich nicht versuchen den Peilsender zu entfernen.“

„ Die haben eine Art Sperre eingebaut. Scheinbar haben die erwartet, dass wir ihr System knacken würden.“


Es hing alles zusammen! Der Planet, das Virus, der Peilsender in seiner Brust- das alles schloss sich zu einem perfiden und wohl überlegten Plan zusammen! Jedes Element war mit dem anderen verbunden und John musste zugeben, wie raffiniert dieser Plan war…
„ Es wird nicht funktionieren“, platzte es aus ihm heraus und mit vor Aufregung weit aufgerissenen Augen starrte er die drei anderen an.
Rodney wippte verwirrt mit dem Kopf auf und ab. „ Was soll das denn jetzt schon wieder heißen? Ich dachte, Sie waren für diesen Plan!“
„ Es… es wird nichts bringen, wenn Sie das System neu konfigurieren“, wiederholte John. „ Es wird sich wieder anpassen.“
„ Aber die werden gar nicht merken, was passiert“, warf Sam ein. „ Ehe die begreifen was passiert, werden wir das Programm schon umgeschrieben haben.“
John schüttelte mit dem Kopf und deutete auf die Konsole. „ Es liegt nicht daran, dass die an dem System herumgepfuscht haben. Die haben nur etwas kontrolliert.“
„ Was sollten die bitteschön kontrollieren?“, fragte Daniel Jackson und stimmte in das Kopfschütteln, das die kleine Gruppe ergriffen hatte, mit ein. Seine Brille rutschte ihm deshalb von der Nase.
„ Ob ihr Virus arbeitet“, murmelte Rodney und sah John an. „ Das Virus! Das ist das Virus von denen! Aber wie…“ Seine Augen weiteten sich und John wusste, dass sein Freund verstanden hatte. Rodney begann heftigst mit dem Kopf zu schütteln und mit dem Finger auf den Soldaten zu deuten.
„ Die haben mir einen Peilsender implantiert“, sagte John und es überraschte ihn, wie ruhig, ja geradezu gelassen er dabei klang. „ Larrin hat vorgesorgt; sie war noch nicht fertig mit mir.“
„ Nein!“, rief Rodney entschlossen aus. „ Das kann nicht sein! Das…das ist unmöglich!“
„ Sie hat ein Programm auf den Sender geladen, um das System und die Sicherheitsvorkehrungen umgehen zu können. Nur hat sie nicht damit gerechnet hier zu landen. Sie dachte, dass wir sie direkt nach Atlantis führen würden.“
Entgeisterung stand in die Gesichter der anderen drei geschrieben. Sam klappte ihren Mund wieder zu und schloss dabei immer wieder ihre Augen, als ob sie versuchte ihre Gedanken zu ordnen. „ Das heißt dann…“
„ Das es kein Virus ist“, murmelte Daniel. „ Ich bin mir sicher, dass diese Larrin nicht vorhatte, sämtliche Systeme lahm zu legen, zumal sie sie noch brauchen wird.“
Rodney schnipste mit seinen Fingern und verzog seine Miene zu einer erleuchtet aussehende Grimasse. „ Störfeld“, sagte er einfach nur und runzelte dann die Stirn. „ Es muss ein Störfeld sein, aber es kann unmöglich sein, dass wir es so lange übersehen haben.“
„ Sie sind der Wissenschaftler, Rodney“, sagte John, „ also erklären Sie es mir.“

„ Wenn Sie wollen, dann kann ich das auch übernehmen.“ John drehte sich bei dem Ertönen einer bekannten Stimme um; Larrin stand nur ein paar Meter von ihnen entfernt. Sie hatte ihre Arme vor der Brust verschränkt und war allein.
„ Ich hätte echt `ne Menge Geld gewinnen können, wenn ich jetzt gewettet hätte“, rief John ihr sarkastisch zu. Obwohl der Blick ihrer roten Augen sich durch ihn zu bohren schien, starrte er sie weiter an. Diese Frau hatte wirklich Talent, was das unbemerkte Anschleichen anging, überlegte er.
„ Ich habe Sie gewarnt, Sheppard.“ Larrin setzte bedächtig einen Fuß vor den anderen. Sie lächelte ein ausdrucksloses Lächeln, als Sam und Daniel ihre Waffen gegen sie erhoben. „ Die werden Ihnen nichts bringen und ich will Sie nicht zwingen müssen, sie fallen zu lassen.“
Der Archäologe und die Wissenschaftlerin tauschten untereinander vielsagende Blicke aus, ehe sie ihre Waffen langsam wieder sinken ließen.
„ Sehr vernünftig“, surrte Larrin und ruhte mit ihrem Blick dann wieder auf John, der sich aus der kleinen Gruppe gelöst hatte und auf sie zugetreten war.
„ Warum haben Sie das getan?“, fragte der Soldat einfach nur.
„ Es war ein idiotensicherer Plan“, antwortete sie. Sie plinkerte mit ihren Wimpern, während sie mit ihren Fingern durch ihre blonden Locken fuhr. „ Und es wundert mich, dass es Sie so viel Zeit gekostet hat, es herauszufinden. Das sagt mir, dass ich gute Arbeit geleistet habe.“
„ Die hätten Sie sich auch sparen könnte“, giftete John sie an. Sein Blick übersprudelnd an Verachtung, schob er sein Kinn nach vorne. „ Aber warum ich?“
„ Wir konnten nicht sicher sein, dass Col. Mitchell nicht lange überleben würde“, meinte Larrin wissend. „ Tja, es sieht so aus, als hätten wir uns geirrt.“
John hob die Augenbrauen. „ Wir? Sie meinen…“
„ Baku und ich… ja.“ Larrin nickte. „ Es war seine Idee, Sie mit einem Peilsender zu versehen, um Ihnen nach Atlantis folgen zu können. Doch es war mein Einfall, ein Störfeld in den Sender zu integrieren und ich muss sagen, dass ich stolz auf mich sein kann. Zwar haben Sie uns nicht nach Atlantis geführt, doch das war auch gar nicht mein Ziel.“

Der letzte Satz ihrer Aussage irritierte John. Wieso wollte sie nicht nach Atlantis?
„ Nach meiner Einführung in unsere Gesellschaft kam es zu einigen Umschwüngen“, fuhr Larrin erklärend fort und gab John das Gefühl, als hätte sie in seinen Gedanken gelesen. Wahrscheinlich hat sie das auch getan, mutmaßte der Militär abschätzend. Übermenschliche Kräfte- warum dann nicht auch telepathische Fähigkeiten? Wie in den alten Superheldenfilmen…
„ Baku weiß nichts von Ihrem kleinen Trip, nicht wahr?“
„ Sagen wir es so: Es ist zu kleinen Differenzen zwischen uns gekommen und wir waren nicht mehr so ganz einer Meinung, was das weitere Vorgehen betraf“, antwortete Larrin.
„ Sie haben ihn hintergangen… und das obwohl er Ihnen doch ein neues Leben geschenkt hat.“
Larrin legte ihren Kopf schief. „ Er mag mir zwar ein neues Leben geschenkt haben, aber unter Bedingungen, die ich nicht akzeptieren kann. Ich habe das Richtige getan und ich bereue es nicht.“
„ Was wollen Sie von uns?“, fragte John sie. „ Wenn Sie sich schon von Baku losgesagt haben, was wollen Sie dann? Was erwarten Sie von uns zu bekommen?“
„ Auch wenn Baku und ich von nun an getrennte Wege gehen“, begann die blonde Kämpferin ihm zu antworten, „ so haben wir doch noch immer eines gemeinsam. Es ist nicht leicht, in einer Galaxie zu existieren, die von den Wraith beherrscht wird. Unser Volk leidet Hunger und auf der Suche nach neuen Quellen laufen wir ständig Gefahr auf die Wraith zu treffen. Sie wissen nichts von unserer Existenz. Wir leben ihm Verborgenen… und das bereits seit hunderten von Jahren. Niemand hätte je von uns erfahren… noch nicht einmal Sie und Ihre Freunde.“
Samantha Carter gesellte sich zu John und stellte sich an seine Seite; sofort spürte der Soldat, wie eine gewisse Last von seinen Schultern abzufallen schien und er fühlte sich erleichtert und weniger allein. „ Deshalb wollen Sie nach Atlantis? Um sich an den Bewohnern zu nähren?“
„ Sie vergleichen uns mit den Wraith, Col. Carter“, bemängelte Larrin, „ doch wir sind nicht wie sie. Wir sind anders, auch wenn Sie das nicht glauben. Die Wraith waren einmal unsere schlimmsten Feinde. Zu Zeiten der Antiker herrschte ein gnadenloser Krieg zwischen uns, auf beiden Seiten gab es schlimme Verluste. Doch schließlich- nach dem Verschwinden der Antiker- war das Glück auf der Seite der Wraith. Viele auf unserer Seite hatten im Kampf ihr Leben lassen müssen und unsere Zahl war drastisch zurückgegangen.“
„ Und deshalb holen Sie sich unschuldige Menschen.“ John erinnerte sich an den Waldplaneten, auf dem sie wenige Wochen nach ihrer Ankunft auf der Artemis waren. Und ebenso gut erinnerte er sich an Inessa, die Schönheit, und an ihre Geschichte über die eiskalten Wesen. Mein Bruder wird der nächste sein, waren ihre Worte gewesen.
„ Sie würden genauso handeln, wenn es um Ihr Volk gehen würde“, verteidigte sich Larrin. „ Aber es geht mir nicht nur um die Bewohner von Atlantis sondern auch um die Stadt selbst.“
„ Sie werden dort nicht einfach reinspazieren können“, warnte Rodney sie, „ es gibt da wirklich `ne Menge an Sicherheitsvorkehrungen, die Sie nie überwinden werden- da können Sie Gift drauf nehmen, meine Liebe!“
Larrin seufzte und zum ersten Mal glaubte John eine Art von Schwäche aus ihrer Stimme herauszuhören. „ Ich befürchte, dass es dazu gar nicht kommen wird“, sagte sie in einem monotonen Tonfall. „ Er ist auf dem Weg hierher. Ich habe ihn hierher geführt und seien Sie sich gewiss, dass er keinem von Ihnen gegenüber gnädig sein wird.“

Stillschweigen…absolute Stille, nachdem Larrin ihren letzten Satz beendet hatte. Johns Herz schlug ihm bis zum Hals. Im Gegensatz zu den anderen wusste, was das zu bedeuten hatte. Sie waren so gut wie tot! Er auf dem Weg hierher und John kannte diese widerwärtige Kreatur gut genug, um zu wissen, dass Larrins Worte keinesfalls übertrieben waren. Dieses Miststück!
Wütend schnaubend machte er einen gewaltigen Schritt auf sie zu, ignorierte sie Schmerzen in seiner Seite und das Blut, das seine Hände in ein dunkles Rot gefärbt hatte. Es fiel ihm schwer, dem Drang, seine Hände um die Kehle dieser Frau zu legen und sie zu erwürgen, nicht nachzugeben. Er presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und bedachte Larrin düsteren Blickes. „ Sie haben was?“
„ Es ist nicht so, als hätte ich mir das ausgesucht, Sheppard“, erwiderte sie ihm zischelnd. „ Vielmehr ist es etwas, das ich übersehen habe. Ein neuer Umstand, wie Sie es nennen würden.“
„ Verdammt, Baku ist Ihretwegen auf dem Weg hierher und Sie reden von einem kleinen Missgeschick?“, erboste sich John.
„ Sie verstehen nicht“, meinte Larrin, „ er kommt nicht meinetwegen. Er kommt Ihretwegen. Oder haben Sie etwa schon vergessen, wem Sie diesen netten Apparat in Ihrem Inneren zu verdanken haben? Er scheint bemerkt zu haben, dass ich nicht mehr da bin.“
„ Mo…moment mal, ja?“ Rodney mischte sich wild mit dem Händen herumgestikulierend in den Dialog ein. „ Soll das heißen, dass nur wegen diesem Ding dieser… Baku… O mein Gott!“
„ Glauben Sie mir, dass es nicht meine Absicht war“, sagte Larrin. „ Ich hatte es mir auch anders vorgestellt.“
John knirschte vor Wut mit den Zähnen. „ Schalten Sie das Ding gefälligst ab!“
„ Ich befürchte, dass ich das nicht tun kann.“ Larrin warf abermals ihre blonden Locken zurück und das Funkeln in ihren rubinroten Augen lenkte den Militär für einen kurzen Moment ab, sodass er den glänzenden Gegenstand in ihrer Hand erst mitbekam, als es bereits zu spät war.
Rodneys Augen weiteten sich auf dramatische Weise und Sam und Daniel zogen fast gleichzeitig ihre Waffen, richteten sie auf Larrin. Drei elektrische Schüsse lösten sich- fast im gleichen Moment wie ein alarmierendes „Runter“ aus Rodneys Kehle drang… doch zu spät…

John musste tatenlos zusehen, wie der Kanadier und die beiden anderen von den grellen Strahlen getroffen wurden und zu Boden gingen, wo sie leblos liegen blieben. Es dauerte einige Sekunden, bis er verstand, was da eben passiert war, und es verlangte ihm einiges ab, sich nicht postwendend auf Larrin zu stürzen und ihr den Hals umzudrehen.
„ SIND SIE WAHNSINNIG GEWORDEN?“, schrie er sie an und eilte zu seinen drei Freunden, beugte sich zu ihnen und fühlte ihren Puls. Sie lebten… noch.
„ Sie glauben doch nicht, dass ich jetzt aufgebe.“ Ein hässliches Grinsen verzog Larrins bleiches Gesicht. „ Ich habe alles erreicht, was ich erreichen wollte. Ich habe Sie um das gebracht, was Ihnen am wichtigsten ist. Aber Sie müssen sich keine Sorgen machen, Sheppard. Ich werde dafür sorgen, dass Baku Sie finden wird… tot oder lebendig.“
John schnaubte. „ Ohne mich werden Sie es nie bis nach Atlantis schaffen.“
„ Die Koordinaten stehen in der Datenbank Ihres Schiffes“, bemerkte Larrin kühl. „ Ich bin nicht weiter auf Ihre Hilfe und die Ihrer Freunde angewiesen. Und ich glaube, dass Baku mir dankbar sein wird, wenn er und seine Leute sich nach so einer langen Reise wieder nähren können.“
„ Miststück. Sie widern mich an“, knurrte John und hielt ihr stand, als sie sich zu ihm beugte und er ihren kalten Atem in ihrem Gesicht spürte.
„ Kennen Sie den größten Unterschied zwischen meinem Volk und den Wraith?“, hörte er sie nahe bei seinem Ohr flüstern. „ Meine Leute nähren sich sowohl an Lebenden als auch an Toten. Es ist also egal, wie sehr Sie um ihr Leben winseln- sterben werden Sie so oder so.“ Sie richtete sich wieder auf und trat einen Schritt zurück. „ Nur habe ich mit Ihnen noch eine Rechung zu begleichen.“

Innerhalb eines Wimpernschlages stand sie vor ihm und bekam ihn an seinem Kragen zu packen. Ihre eiskalten Hände legten sich wie ein Schraubstock um seinen Hals und für seinen Versuch, sich aus ihrem Versuch zu befreien, hatte sie nur ein müdes Lächeln übrig. Sie wirbelte herum und rammte ihren Ellenbogen derart hart in seinen Unterleib, dass John nach hinten geschleudert wurde und gegen die Wand knallte.
Durch die Wucht des Aufpralls verschleierte sich der Blick des Soldaten kurz und er spürte, wie die Ohnmacht Oberhand über ihn zu gewinnen drohte. Sein Atem war keuchend und sein Herz versuchte verzweifelt Blut und Adrenalin durch seinen zitternden Körper zu pumpen, um ihn zum Aufstehen zu bringen, doch John konnte nicht mehr. Haltlos sank er immer weiter in sich zusammen und sah Larrin durch einen dichten Nebel auf sich zu stolzieren. Verdammtes Miststück, wiederholte er seinen Gedanken von vorhin.
„ Wissen Sie, Sheppard…“- Die blonde Kriegerin ging vor ihm auf die Knie und legte ihre Finger um seine Kehle- doch sie drückte nicht zu sondern hielt ihn vielmehr fest, sodass er ihr ins Gesicht sehen musste. Johns blutunterlaufene Augen entdeckten wieder den glänzenden Gegenstand in ihrer Hand; ihre Finger glitten galant über das glatte Metall und ihr Daumen legte sich auf einen unscheinbaren Knopf, der in der Mitte der Gerätschaft lag. „… als ich zusammen mit Baku und unseren Wissenschaftlern an diesem Sender gearbeitet habe, habe ich natürlich nicht daran gedacht, dass es jemals soweit kommen würde. Aber im Nachhinein bin ich froh, dass ich mir diese Möglichkeit offen gehalten habe.“ Sie drückte den Knopf… und John stöhnte laut auf, als Sekunden später ein stechender Schmerz durch seinen Körper jagte. Benommen taumelte er zurück und fasste sich an die Brust; sein Herz schlug schneller, als es je zuvor getan hatte... und plötzlich hielt es an.

John riss seine Augen weit auf, was bei Larrin zu einem zufriedenen Lächeln führte. „ Erinnern Sie sich an Talmiak?“, fragte sie ihn. „ Ich habe Ihnen davon erzählt. Keine Sorge, es wird nicht lange dauern.“
Talmiak.
John fiel zurück gegen die Wand, schnappte nach Luft, während sich das schwarze Gift immer weiter durch seinen Körper fraß und selbst in die entlegensten Winkel vorstieß. Sein Herz hatte aufgehört zu schlagen und auch seine Atmung quittierte ihren Dienst. Er verlor jegliches Gefühl und so war es auch nicht mehr als ein Hauchen, als sich Larrin zu ihm runterbeugte und ihn auf die Wange küsste.
„ Leben Sie wohl“, drang ihre Stimme zu ihm durch. John hatte nicht die Kraft um ihr darauf etwas zu erwidern. Langsam sanken seine Arme nach unten und sein Kopf fiel haltlos zur Seite. Vor seine haselnussfarbenen Augen legte sich ein dunkler, undurchdringbarer Schleier, der ihm die Sicht nahm. Der Soldat nahm seine Umgebung nur noch schemenhaft war. Der Druck in Johns Schädel wurde immer stärker, immer dumpfer. Seine Ohren rauschten. All seine Energie, seine Lebenskraft schien sich in Rauch aufzulösen…

Mit allerletzter Kraft schaffte er es, durch den Nebel hindurch zu blicken. Er entdeckte Larrin die sich immer weiter von ihm entfernte. Das Letzte, was er bewusst wahrnahm, ehe er entgültig das Bewusstsein verlor, war ein grellroter Strahl, der Larrin traf, die daraufhin strauchelte und leblos auf den harten Boden fiel.
John blinzelte, doch es war ihm unmöglich klar zu sehen. Das Gift hatte die Nerven in seinen Augen lahm gelegt und so empfand er den auf sich zueilenden Ronon Dex nur als einen dunklen Schatten. Er blinzelte noch einmal, versuchte ein letztes Mal verzweifelt Luft zu holen… und fiel dann haltlos in die Dunkelheit hinein, die ihn schon mit offenen Armen erwartete.

TBC
Wer früher stirbt ist länger tot by Ailya
The answer of your seeking
The question that you’ve found
Drives you further in confusion
Alexi Murdoch - Breathe


Es war ein nervöses, ungeduldiges Zucken in seiner linken Hand, dass Cameron Mitchell so krampfhaft zu unterdrücken versuchte, während er beobachtete, wie sich der Brustkorb seines Kameraden hob und dann mit rasselnden Geräuschen wieder in sich zusammenfiel. Sein ganzer Körper schien daraufhin in eine Starre zu fallen und Cameron hielt erschrocken die Luft an... stieß sie dann aber erleichtert wieder aus, als die ganze Prozedur von vorne los ging.

Schweiß stand auf der Stirn des Mannes, dem Cameron höchstwahrscheinlich sein Leben zu verdanken hatte… und er empfand große Dankbarkeit dafür. Er wünschte, er könnte sich irgendwie erkenntlich zeigen; er wollte ihm seiner Schmerzen erleichtern, doch es blieb ihm nichts anderes zu tun, als neben seinem Bett zu sitzen, sich deprimiert zu fühlen und hilflos mitanzusehen, wie sein Kamerad versuchte einen Kampf zu gewinnen, der nunmehr fast zweieinhalb Wochen dauerte und sich dabei in die Länge zog, wie ein in der Hitze weich gewordenes Kaugummi, das sich hartnäckig unter jede Schuhsohle heftete.
Cameron mochte es nicht, einfach nur zuzusehen und nichts tun zu können. Er hasste es außerdem zu warten; schon damals als Kind war er darin nicht gut gewesen, hatte sich am Tag vor Heiligabend immer in das Zimmer geschlichen, in dem seine Eltern seine Geschenke aufbewahrt hatten und hatte einen ‚prüfenden Blick’ darauf geworfen. Er konnte einfach nicht warten! Möglicherweise wollte er es aber einfach auch nicht. So einen genauen Unterschied konnte man in diesem Fall nicht erkennen…

Cameron lehnte sich mit einem langgezogenen Seufzen gegen die harte Rückenlehne seines Stuhls; es war nicht besonders bequem, sein Rücken brachte ihn noch immer um und Carson Beckett hatte ihm strenge Bettruhe verordnet- doch nach zweieinhalb, fast drei Wochen, hatte es der Soldat einfach nicht mehr ausgehalten und hatte sich aus seinem Bett geschlichen, als der schottische Mediziner einmal nicht hingesehen hatte.
Die Schmerzen in seiner Brust und seiner Wirbelsäule plagten ihn, als er einen Fuß vor den anderen setzte, und obgleich er sich fest vorgenommen hatte, nicht zu murren, konnte er sich ein leises Jammern nicht verkneifen. Wie froh war er gewesen, als er endlich auf den Stuhl sinken konnte!
Mochte Dr. Beckett es ihm untersagt haben… Cameron konnte einfach nicht anders und im Moment gab es Wichtigeres für ihn, als in einem harten Bett auf seine Genesung zu warten. Er wusste genauso gut wie alle anderen, dass diese Ruhe nicht selbstverständlich war. Nein, das hatte er noch nicht einmal in Betracht gezogen und alle, die das doch taten, waren naiv und seiner Meinung nach nicht mehr zu retten…

Es war alles zu schön um wahr zu sein; friedlich schwebte die Artemis, das mächtige Antikerschiff, in den Weiten des Alls- unnahbar und unantastbar. Nein, das war nicht selbstverständlich! Die Wahrheit, die sich hinter dieser geradezu himmlischen Ruhe verbarg, war tragisch und wann immer Cameron daran dachte, kam es ihm vor, als krampfte sich sein Magen auf eine äußerst schmerzhafte Weise zusammen, und kalter Schweiß trat auf seine Stirn.
Sie hatten viel gewonnen- die Sicherheit des Schiffs und die der Besatzung-, aber sie hatten ebenso viel verloren. Hierbei handelte es sich nicht nur um Menschenleben…

Cameron schluckte, wie er es sooft in den letzten Minuten getan hatte, und wandte den Blick seiner grauen Augen langsam in die Richtung, wo John Sheppard vor sich hin vegetierte. Von der Hälfte der Maschinen, an die der Soldat angeschlossen war, wusste Cameron noch nicht einmal, für was sie überhaupt gut waren. Regungslos lag sein Freund da, war blass und wirkte zerbrechlich. Tiefe Ringe unter seinen geschlossenen Augen und die dunklen Bartstoppeln ließen ihn alt aussehen. Die bleichen Wangen waren eingefallen, seine Mundwinkel hingen nach unten…
Nichts war mehr geblieben von den vor Charme sprühenden haselnussbraunen Augen und dem so typischen schiefen und leicht bubenhaften Grinsen Sheppards; zurückgeblieben war ein geschwächter Körper, von Gift durchzogen, und eine Seele, die um ihr Überleben kämpfte.
Es war schlimm nicht genau zu wissen, was da in dem Körper des Soldaten vor sich ging und sooft Cameron auch nachgefragt und sich nach Sheppards Befinden erkundigt hatte… man hatte ihm nicht wirklich eine Antwort darauf gegeben. Sie werden viel zu tun haben, hatte er die Reaktion des medizinischen Personals rechtfertigt, denn schließlich gab es noch andere Patienten. Doch es war erst gestern gewesen, als er recht wortkarges Gespräch zwischen Elizabeth Weir und Dr. Beckett mitbekommen hatte. Im Nachhinein wünschte er sich, er wäre nicht so neugierig gewesen…

„ Wie geht es ihm?“, fragte die Expeditionsleiterin und ihre sonst so sicher klingende Stimme war von Trauer und Angst durchzogen. Ihre Stirn lag in tiefen Falten und ihre grünen Augen blickten sorgenvoll drein.
Carson Beckett seufzte lang, schwer und ausgedehnt. Er verschränkte seine Finger ineinander und antwortete mit einer mindestens genauso bedrückten Stimme: „ Ich wünschte ich könnte Ihnen bessere Neuigkeiten überbringen, aber…“- Er schüttelte mit dem Kopf und etwas Unbeschreibbares legte sich über sein charismatisches Gesicht. Er senkte den Blick –„… es tut mir Leid, aber es sieht nicht gut aus.“
„ Wie lange noch?“, kam da Elizabeths Frage, die so unverschämt klang, dass einem nur schlecht davon werden konnte.
Wieder ergab sich Beckett einem Seufzen. „ Ich weiß es nicht. Glauben Sie mir, Elizabeth, ich würde Ihnen gerne mehr sagen, aber ich kann es nicht.“
„ Und wir können gar nichts für ihn tun?“ Diesmal war es die Expeditionsleiterin die mit dem Kopf schüttelte, sodass ihre braunen Haare auf und ab wippten.
„ Wir können es ihm so angenehm wie möglich machen“, erwiderte Carson Beckett. „ Aus medizinischer Sicht kann ich nichts mehr für ihn tun. Ich würde es, wenn ich könnte, aber…“
„ Danke, Carson.“ Elizabeth Weir legte ihre Hand auf die Schulter des Mediziners, der sie daraufhin schwach anlächelte.
„ Vielleicht sollten Sie zu ihm gehen“, meinte er, „ falls…“ Er fiel sich selbst ins Wort.

Vielleicht sollten Sie zu ihm gehen, falls er die Nacht nicht überleben sollte.
So oder ähnlich hätte Carson Becketts Satz enden können- da war Cameron sich sicher. Niemand sprach es aus, doch alle wussten es. Innerlich hörten sie alle eine Uhr ticken und der Sekundenschlag wurde immer leiser und schwächer und langsamer. Es würde nicht mehr lange dauern und zu jedermanns Bedauern war das mehr eine Tatsache als eine Vermutung…

John atmete ein und wieder aus; die Geräusche, die dabei aus seiner Brust drangen, ließen nur erahnen, was für einen Kampf er zu führen hatte und so brutal es auch klang: Es war ein ungerechter Kampf mit keinerlei Chancen zu gewinnen! Es musste schon ein Wunder geschehen und obwohl Cameron Mitchell nun nicht gerade zu den gläubigsten Menschen des Universums zählte, hatte er gestern, nachdem er das Gespräch belauscht hatte, doch ein, zwei Worte an ‚den da oben’ gerichtet. Verkehrt war es auf keinen Fall…

In den letzten Minuten war es doch sehr ruhig gewesen; das gesamte medizinische Personal schien ausgeflogen zu sein, bis auf Carson Becketts reizende Assistentsärztin Jennifer Keller, die über ein paar Papierstapeln brütete, und eine Krankenschwester.
Es war still und so war es nicht verwunderlich, dass Cameron regelrecht zusammenzuckte, als eine der Maschinen, an die man Sheppard angeschlossen hatte, plötzlich ausschlug und ein lauter, ohrenbetäubender Lärm durch die Krankenstation hallte. Cameron fiel nach hinten weg, wäre wahrscheinlich rücklings vom Stuhl gefallen- so sehr erschrak er sich.
Voller Panik und vor Schreck unfähig etwas zu tun, beobachtete er, wie sich Sheppards Körper verkrampfte und einige Sekunden in dieser Position verblieb, ehe er sich aufbäumte. Die Hände des Colonels waren zu Fäusten geballt und er hielt sie mit einer solchen Kraft zusammen, dass seine Handgelenke vor Anstrengung weiß wurden. Adern traten aus seinem Hals und pulsierten durch die bleiche durchschimmernde Haut. Immer wieder aufs Neue zog Sheppard seine Beine an seinen bebenden, schweißnassen Körper, streckte sie dann aber wieder von sich. Sein gebeutelter Körper bäumte sich auf wie ein wildes Tier und mit Stöhnen und Ächzen warf sich Sheppard auf dem Bett hin und her. Cameron wollte nach ihm greifen, um zu verhindern, dass er mit dem Hinterkopf irgendwo aufschlug, doch der Körper seines Kameraden zitterte zu sehr, als das man ihn hätte packen können.

Hilflos, war wieder das Wort, das Cameron durch den Sinn spukte, als er sich umdrehte. Er sah, dass Jennifer Keller und die Krankenschwester aufgesprungen waren und auf ihn zueilten. Hilflos machte Cameron den beiden Platz und hilflos beobachtete er die beiden, wie sie versuchten den sich noch immer vor Schmerzen wimmernden John Sheppard zu stabilisieren. Und mehr als hilflos stand Cameron da und fuhr sich durch sein braunes Haar, als ein wirklich markerschütternder Schrei aus Sheppards Kehle drang und der Colonel nach zwei Wochen zum ersten Mal seine Augen aufriss, nur damit sie gleich darauf wieder in seinem Hinterkopf verschwanden und sein Körper in sich zusammensackte.
Selbst die Qualen und das Leid, was man ihm zugefügt hatte, konnte nichts daran ändern, dass in diesem Moment für Cameron Mitchell eine Welt zusammenbrach. Er wusste sehr wohl, dass er nicht hätte leiden müssen und dass man ihm wahrscheinlich keine Kugel in die Brust gejagt hätte, wenn Sheppard den Mund aufgetan und geredet hätte doch. Doch all das schien vergessen und das Einzige, was Cameron dachte, als er sah, wie Jennifer Keller in einem gleichmäßigen Rhythmus Sheppards Brustkorb zu massieren begann, war…nein!

ooOOoo


Vielleicht sollten Sie zu ihm gehen, falls… Carson hatte seinen Satz nicht beendet, doch Elizabeth wusste ganz genau, was der Mediziner hatte sagen wollen… und das beunruhigte sie zutiefst. War es denn wirklich schon so weit, dass sie wieder Abschied nehmen musste? Sie wollte es nicht schon wieder tun müssen! Sie hatte ihn doch gerade erst zurückbekommen! Warum konnte das Leben nur so ungerecht sein?

John Sheppard hatte ihr schon immer viel bedeutet- niemals jedoch hatten sie durch ihre enge Freundschaft ihre Aufgaben aus dem Sinn verloren. Nie!
Ja, John war wirklich ein guter Freund- der beste sogar, wenn sie ehrlich sein sollte- und sie war froh ihn zu haben. Und nun sollte es schon wieder vorbei sein? Sie war kein Mensch, der immer nur Abschied nehmen konnte… Irgendwann wurde selbst ihr es zu viel und dieser Zeitpunkt war nun gekommen. Sie hatte John schon mehr als einmal verloren und immer wieder hatte es ihr das Herz gebrochen, sich vorzustellen, von nun an ohne ihren mit Abstand besten Freund auskommen zu müssen.
Nach dreieinhalb Jahren Zusammenarbeit war Elizabeth zu dem Schluss gekommen, dass er nicht der Mann war, mit dem sie sich vorstellen könnte, eine Beziehung zu haben, die über freundschaftliche Gefühle hinaus ging; er war attraktiv- das wollte sie nicht bestreiten-, aber ihre enge Freundschaft war ihr zu wichtig, als dass sie sie durch anderweitige Gefühle gefährden wollte.
Sie wollte ihn nicht schon wieder verlieren. Noch einmal… nein, sie wusste nicht, ob sie das verkraften könnte…

Elizabeth seufzte tief und setzte sich auf Kante ihres Bettes. Wie oft hatte sie in den vergangenen Monaten so dagesessen und nachgedacht. Sie musste unwillkürlich schmunzeln und fuhr sich durch ihre braunen Haare. Es hatte sich so vieles verändert… und das in nicht einmal einem Jahr! Es war schon etwas ganz Besonderes, wie diese Situation sie alle zusammengeschweißt hatte- Elizabeth war sich nicht sicher, ob es ohne die Artemis auch so gekommen wäre. Sie alle hatten bis jetzt eine wunderbare Zeit gehabt und der Gedanke, dass nun einer von ihnen gehen würde, lastete schwer auf ihrer Seele. Sie waren zu einer kleinen Familie geworden und nun sollte eines der Familienmitglieder einfach so gehen?
Allein der Gedanke zerriss Elizabeth fast das Herz und sie richtete ihren Blick nach oben. „ O bitte, lieber Gott“, flehte sie, „ ich weiß, dass du da irgendwo bist. Bitte… bitte lass’ ihn nicht sterben.“

„ Das Gift frisst sich durch seinen ganzen Körper“, seufzte Carson und ließ das Klemmbrett sinken, auf das er die letzten Minuten gestarrt hatte. „ Noch kommt sein Immunsystem damit klar; die Nieren filtern noch das meiste heraus… doch ich weiß nicht, wie lange das noch gut gehen wird. Wir müssen uns auf das Schlimmste gefasst machen. Es tut mir leid, aber ich kann nicht mehr viel für ihn tun.“

Das war vor einem Tag gewesen und niemand hatte daran geglaubt, dass John die Nacht überleben würde. Er hatte es zwar getan, doch das war noch lange kein Zeichen dafür, dass es bergauf ging. Im Gegenteil: Seine Werte waren schlechter geworden, seine Nieren kamen nicht mehr mit dem Ansturm des Giftes klar… es würde nicht mehr lange dauern.
‚ Glauben Sie an Wunder?’, hatte Carson sie gefragt, woraufhin sie verneint hatte. ‚ Dann fangen Sie an, es jetzt zu tun, meine Liebe. Wer weiß, was hier draußen alles möglich ist.’
Gestern hatte der schottische Mediziner begonnen alle Personen, die eine besondere Präsenz in Johns Leben hatten, zu bitten, doch nach ihm zu sehen. Er hatte es nicht ausgesprochen, doch jeder wusste, was Carson mit dieser Aktion deutlich machen wollte. Verabschieden Sie sich, so lange sie noch Zeit dazu haben! Nicht gerade Carsons Art, doch man sah ihm an, wie verzweifelt er war. Verzweifelt, weil er John nicht mehr helfen konnte…

Elizabeth hatten ‚diesen Moment’ bis jetzt aufgeschoben- sie hatte es einfach nicht übers Herz bringen können. Nein, sie klammerte sich an das letzte bisschen Hoffnung, auch wenn das nur ein Flimmer am Horizont war. Wie Carson gesagt hatte: ‚Wer weiß, was hier draußen alles möglich ist.’ Gab es tatsächlich so etwas wie Wunder? Elizabeth war sich sicher, dass es da draußen irgendwo eine Höhere Macht geben musste- aber warum verhinderte sie dieses Grauen nicht einfach?
John hatte es nicht verdient, so ein Ende zu finden. Es war noch nicht Zeit für ihn. Sie hatte das Gefühl, dass sein Leben mit dieser Mission erst begonnen hatte. Er war glücklich und hatte gute Freunde, die sich um ihn sorgten…

‚… Rodneys Hände zitterten ungewöhnlich stark, als er an Johns Bett trat und seinen Freund von oben hinab musterte. Er schien nervös zu sein; immer wieder öffnete er den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn dann aber wieder. Die Gedanken mussten nur so durch seinen Kopf schießen, aber er fand keine Worte für das, was er fühlte.
Der Anblick seines Freundes- wie er da so hilflos lag- machte ihn nervös. Zum ersten Mal sah er nicht den starken John Sheppard, der jede noch so ernste Verletzung mit seinem trockenen Humor herunterspielte. Nein, das war eine Seite seines Freundes, die Rodney nicht zu kennen schien. Er versuchte seine Gefühle, die in ihm aufbrausten zu verstehen und sie in Worte zu fassen- Worte, die einem John Sheppard angemessen waren.
„ Hey“, begann er schüchtern und fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die Unterlippe. „ Wir… wir machen uns hier alle Sorgen um Sie. Carson hat gesagt… er meinte… ich… ich wollte Ihnen eigentlich nur… danken. Dankeschön für die schönen Jahre. Sie… Sie waren wirklich ein guter…guter Freund und ich…mochte Sie wirklich, auch wenn ich mich manchmal… daneben benommen habe und das tut mir leid… und…“ Rodney brach ab, konnte nicht mehr, tätschelte seinem Freund den Handrücken und drehte sich mit einem sehr schweren Seufzen um…’


‚… Diese elendigen Maschinen! Er wusste nicht einmal, was die taten! Man hatte versucht es ihm zu erklären, doch warum hätte er zuhören sollen? Diese elektronischen Monster machten nicht viel außer messen, überwachen und obendrein piepten sie noch ziemlich nervig; keine von ihnen brachte ihnen Sheppard zurück.
War es nicht schon schlimm genug, sich in einem solchen Zustand zu befinden? Warum musste man ihn dann noch an diese Maschinen anschließen?
Wie erniedrigend, fand Ronon und schüttelte mit dem Kopf. Seit nunmehr zehn Minuten saß er an Sheppards Bett und betrachtete seinen Kameraden. Ein großer Kämpfer, wie er es war, gehörte nicht an solche ‚Lebensretter’ angeschlossen! Ronon war sich sicher, dass Sheppard das nicht gewollt hätte.
Der Sateder schüttelte wieder mit dem Kopf. Man hatte ihm gesagt, dass er wenn möglich noch ein paar Minuten allein mit dem Colonel verbringen sollte. Ronon wusste ganz genau, was das bedeutete und er war sich bewusst, dass es wohl das Beste sein würde, dem Mann, der ihn vor zwei Jahren aufgenommen hatte, obgleich er ihn nicht gekannt hatte, noch ein bisschen seiner Zeit zu schenken. Zeit hatte er auf diesem verdammten Schiff sowieso…
John Sheppard würde sterben- das war eine Tatsache, die Ronon wütend machte. Wäre er doch nur eher gekommen und hätte dieses Teufelsweib daran gehindert! Larrin, so hatte Sheppard sie immer genannt- er hasste diese Frau und er hätte es nur zu gern gesehen, dass sie starb. Es war ein Fehler gewesen, sie gehen zu lassen! Sie hätten sie töten sollen, als sie die Gelegenheit dazu gehabt hatten. Sie würde wiederkommen; dieses hinterlistige Lächeln auf ihren spitzen Lippen. Sie würde wiederkommen, für sie war es noch nicht vorbei. Er hasste diese Frau zutiefst! Hätte er sie doch nur getötet…

Ronon räusperte sich verlegen; er war nicht gut darin, Gefühle auszudrücken und er wusste nicht wirklich, was er sagen sollte. Also beugte er sich nur vor. „ Sie schulden mir noch einen Kampf bis auf den Tod.“ Okay, das war jetzt nicht gerade der geschickteste Schachzug von ihm gewesen, doch es fiel ihm nichts anderes ein. Was sollte er einem Mann, der im Sterben lag und womöglich nur noch wenige Stunden zu leben hatte, denn schon sagen?
„ Im nächsten Leben“, meinte Ronon und fügte leise hinzu: „ Wir werden Sie hier alle schrecklich vermissen, Kumpel. Sie sollten wissen, dass ich… ich bin Ihnen sehr dankbar für das, was… was Sie für mich getan haben. Und es… es war mir eine Ehre mit Ihnen zusammenarbeiten zu dürfen.“
Sheppards Brustkorb hob sich zur Erwiderung und für einen Moment glaubte Ronon zu sehen, dass sich seine Mundwinkel leicht nach oben zogen… doch das war sicherlich nur Einbildung gewesen…’


Elizabeth hatte die beiden Männer beobachtet, als sie ‚Abschied’ genommen hatten und es hatte sie tief in ihrem Herzen berührt. Es war schon etwas Besonderes zu sehen, wie sich zwei Männer ausdrücken konnten, wenn es um ihren besten Freund ging. Doch das war nichts dagegen gewesen, wovon die Expeditionsleiterin heute Morgen Zeuge geworden war. Etwas Emotionaleres hatte sie noch nie zuvor gesehen und selbst jetzt lief ihr noch ein kalter Schauer über den Rücken und ihre Nackenhaare stellten sich auf, wenn sie daran dachte…

‚… Sie war die ganze Nacht da gewesen; dunkle Schatten lagen unter Teylas Augen. Sie hatte ihre Haare zu einem lockeren Zopf gebunden, aus dem sich vereinzelt Strähnen gelöst hatten und ihr zerzaust auf die Schultern fielen. Müde sah sie aus, doch sie versuchte krampfhaft ihre braunen Augen offen zu halten. Ihr Kinn lag auf ihrer Hand, ihre Finger waren mit Johns Fingern verkeilt und sie hatten einen Ausdruck in ihrem Gesicht, der besagte, dass sie nicht vorhatte ihn loszulassen. Mit der anderen Hand fuhr sie durch seine dunklen Haare, strich sie ihm aus dem Gesicht und sah ihn dabei unentwegt an.

Die Athosianerin konnte einem nur leid tun, so wie sie da saß und still und leise vor sich hin trauerte. Sie hatte sich noch immer nicht mit dem Gedanken abgefunden, dass es das jetzt gewesen sein sollte. Sie hatte noch immer nicht verstanden, dass sie nun bald allein dastehen würde- schwanger und auf einem Schiff im Nirgendwo. Zwar wusste sie, dass alle ihre Freunde für sie da sein würden- jetzt und auch nach der Geburt des Babys-, doch es war für Teyla einfach nicht dasselbe. Sie dachte nicht nur an sich selbst, sondern auch an das Leben, das wohl behütet unter ihrem Herzen heranwuchs. Ihre Kindheit war schwer gewesen; sie hatte ohne Mutter und später auch ohne Vater aufwachsen müssen… und es lag ihr schmerzlich in Erinnerung, wie schwer es ihr damals gefallen war.
Teyla wollte nicht, dass ihr Kind ohne seinen Vater aufwachsen musste. Sie wollte, dass John Anteil an dem hatte, was ihr in naher Zukunft bevorstand; er sollte die Geburt seines Kindes miterleben und sollte sehen wie es aufwachsen und sich entwickeln würde.
Doch ebenso wusste sie, dass das Schicksal wieder einmal gegen sie war und etwas anderes für sie geplant hatte. Sie hatte sich schon damit abgefunden, dass das Schicksal nicht gut darin war, die Karten des Lebens zu mischen…

Teyla seufzte schwer und beugte sich zu John hinunter. Sanft berührte sie mit ihren Lippen die seinen und lehnte sich dann gegen seine Stirn…’


Diese Szene hatte Elizabeth zu Tränen gerührt und wieder einmal erfand sie das Leben als ungerecht. Sie verstand nicht, wie es einem kleinen Wesen den Vater nehmen konnte, ohne dass die beiden die Chance hatten einander kennenzulernen. Das ist Schicksal, murmelte eine leise Stimme in ihr, doch sie ignorierte sie; Elizabeth hatte einfach keine Kraft sich jetzt auf einen Selbstkonflikt einzulassen, der eh nur dazu führen würde, dass sie sich schlecht fühlte.

Sie ergab sich einem ausgedehnten Seufzen und kämpfte sich dann auf die Beine. Es war nun Zeit für ihren ‚Moment’ und er sollte nur ihr und John gehören- nur sie zwei und niemand sonst. Du hast es lange genug aufgeschoben, sagte sie zu sich selbst und setzte sich mit dumpfen Schritten in Bewegung. Auf dem Weg zum Ausgang ihres Quartiers fühlte sie sich wie Neill Armstrong, der 1969 sich und der Raumfahrt eine neue Zukunft errichtet hatte. Auch ihr Leben würde weitergehen. Ja, es würde eine Zukunft geben! Eine Zukunft ohne John Sheppard und mit viel Trauer…
Elizabeth reckte ihren Arm nach dem Wandpanel, doch bevor ihre Fingerspitzen es überhaupt erreicht hatten, knackste ihr Funkgerät und Carson verkündete das, wovor sie sich doch so sehr gefürchtet hatte: "Elizabeth… es ist soweit.“

ooOOoo


Langsam schlenderte John durch den leeren Schiffskorridor; sein Magen knurrte entsetzlich und er konnte sich schon gar nicht mehr daran erinnern, wann er zum letzten Mal etwas gegessen hatte. Es musste ziemlich lange her sein, glaubte er den Geräuschen, die da aus seinem Magen drangen.
Also bog er am Ende des Korridors links ab und seufzte erleichtert auf, als endlich die Tür zur Mensa in Sicht kam und ein köstlicher Duft ihn lockte. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen und so zog John das Tempo etwas an. Sollte er vielleicht vorher noch einmal bei Rodney vorbeisehen und den Kanadier fragen, ob er ihn begleiten wollte?
Nein, überlegte er sich. Rodney war sicherlich schon da, denn diesem Geruch konnte keiner widerstehen- ein kanadischer Wissenschaftler schon gar nicht!

John trat in die Mensa und fand diese leer vor- kein Rodney zu sehen. Die Mensa war leer und dunkel. Zögerlich machte John einen Schritt nach vorne, ehe er sich umdrehte und zurück in den ebenfalls leeren Korridor blickte.
„ Hallo?“, rief er erst den Korridor entlang und dann in die Dunkelheit der Mensa hinein. Nichts. Niemand antwortete ihm. Es war absolut still; selbst die Eigengeräusche des Schiffes schienen verstummt zu sein- keine knackenden Energieleitungen, kein knirschendes Metall… nur allesumfassende Stille, die ihm ein merkwürdiges Gefühl gab.
‚Irgendetwas stimmt hier nicht’, alarmierte John sich selbst und drehte sich wieder um. Wo um alles in der Welt waren die anderen? Die Mensa war immer der zentrale Treffpunkt von allen gewesen… doch jetzt war sie leer. Genau wie die Korridore, die er durchwandert hatte, und auch die Quartiere, durch deren geöffnete Türen er neugierig gespäht hatte.
Das Schiff schien verlassen.

„ Ich habe mich schon gefragt, wie lange es dauern wird, bis du mich findest“, erklang da eine Stimme jenseits der Dunkelheit und John wirbelte herum. Inmitten der in Finsternis gehüllten Mensa war ein Tisch; ein schwacher Lichtstrahl fiel von der Decke auf ihn herab und beleuchtete den Tisch und den näheren Umkreis gerade gut genug, dass John eine männliche Gestalt erkennen konnte, die sich halb über die Tischplatte gebeugt hatte und sich mit den Ellenbogen auf ihr abstützte.
‚ Tu das nicht, Sheppard, tu das nicht’, mahnte John sich selber, als er einen weiteren Schritt nach vorne machte, um besser erkennen zu können, um wen es sich bei der Gestalt handelte. Der Lichtstrahl erleuchtete zwar den Körper, doch das Gesicht der Gestalt blieb ihm verborgen.
Sämtliche Alarmglocken begannen in John zu schrillen, aber aus einem ihm nicht erfindlichen Grund ignorierte er sie. Ja, er war sogar neugierig auf die Gestalt, die da auf ihn zu warten schien. „ Wer sind Sie?“, verlangte er barsch zu wissen.
Ein langes Schweigen folgte, doch dann knirschte der Stuhl, auf dem die Gestalt saß und sie beugte sich in den Lichtschein hinein. „ Sollte die Frage nicht besser heißen, wer du bist?“

John erstarrte und stolperte ein, zwei Schritte zurück. Das konnte nur ein schlechter Scherz sein! Nein, nein, nein. Er schüttelte mit dem Kopf. Nein, das konnte nicht sein.
Seine Reaktion schien die Gestalt zu amüsieren, denn er hörte sie lachen… oder besser gesagt: Er hörte sich lachen! Zwei haselnussbraune Augen blickten ihn aus der Dunkelheit heraus an und die ihm wohlbekannten Gesichtszüge verformten sich zu einem schiefen Grinsen.
„ Das… das ist doch ein Witz, oder?“ John lachte ein geradezu hysterisch klingendes Lachen und wedelte mit dem Zeigefinger vor seinem Gesicht herum. „ Ich find’s aber nicht witzig!“ Er drehte sich einmal um seine eigene Achse. „ Okay, Rodney, Sie hatten Ihren Spaß. Hören Sie jetzt auf damit! Das ist nicht witzig, Kumpel.“
„ Du denkst wirklich deine Freunde versuchen dich hinters Licht zu führen?“, fragte die Gestalt mit seinem Gesicht, mit seinen Augen und mit seiner Stimme.
„ Das ist ein verdammt schlechter Aprilscherz, Leute“, knurrte John noch immer in Richtung Decke. Er fuhr sich durch seine wirren Haare und bemerkte dann den musternden Blick der Gestalt, der noch immer auf ihm lag. Er konnte nicht anders, als den Blick zu erwidern, und ein Kribbeln durchzuckte ihn, als sie einander tief in die Augen blickten. Und plötzlich verstand er…

„ Du scheinst verstanden zu haben“, lächelte die Gestalt und kam um den Tisch herumgeschlendert. John verfolgte jede einzelne Bewegung mit Argusaugen, war vollkommen verwirrt, als er den Mann, der ihm bis aufs Haar ähnelte, auf sich zukommen sah.
„ Das ist unmöglich“, stammelte er und schüttelte verwirrt mit dem Kopf. „ Das kann einfach nicht sein.“
„ Alles ist möglich, wenn man es nur zulässt“, erwiderte sein Doppelgänger und trat nun vollkommen aus der Dunkelheit. Es gab feine Unterschiede zwischen ihnen beiden, doch auf den ersten Blick hätte noch nicht einmal John selbst sich von diesem Mann unterscheiden können.
Sein Gegenüber trug eine cremefarbene Uniform, die John an die der Aurora erinnerte. Um seine Hüften lag ein breiter Gürtel aus dunklem Leder, bestückt mit einer lantianischen Waffe, einem Lebenszeichendetektor und ein paar Messern. Der Kragen seiner Uniform war hochgeschlossen, gesäumt von zwei schmalen Knopfleisten. An den Schultern glänzten Abzeichen- es mussten an die zwanzig sein… oder auch dreißig, so schnell und genau konnte John sie nicht zählen.

Perplex stand er seinem Doppelgänger gegenüber und es dauerte, bis es in seinem Kopf zu rattern begann und er alle Puzzleteile miteinander verbinden konnte, bis sie ein klares Bild ergaben. John presste die Lippen fest aufeinander. „ Ich… ich bin tot?“, kam es erstickt aus seiner Kehle.
„ So würde ich es nicht sagen“, antwortete sein Gegenüber schulterzuckend. „ Nennen wir es eine Ebene zwischen dem Tod und dem Leben.“
John schüttelte mit dem Kopf. „ Aber wie…“
„ Das ‚wie’ oder das ‚warum’ sind jetzt nicht wichtig, John“, fiel ihm sein Doppelgänger ins Wort. „ Das einzige wichtige wird die Entscheidung sein, die du jetzt treffen musst.“
„ Du bist Antiker“, sagte John mit einem Nicken auf die Uniform seines Gegenübers, der daraufhin lächelte.
„ Was ich bin ist unwichtig“, entgegnete er. „ Ich bin nur hier, um dir bei deiner Entscheidung beizustehen.“
John musterte ihn aufmerksam, ehe er fortfuhr: „ Antikern ist es nicht erlaubt, Menschen zu helfen. Also… warum tust du es dann?“
„ Es ist wahr, dass es nicht gern gesehen wird, wenn wir uns in die Angelegenheiten der Sterblichen einmischen“, gab sein Gegenüber kleinlich zu, straffte dann aber seine Schultern und reckte sein markantes Kinn nach vorne, „ aber diese Regel gilt nicht, wenn wir ihnen helfen wollen, sich uns anzuschließen.“

John ließ das Gesagte einige Momente auf sich wirken. Hatte sein antikischer Doppelgänger gerade das gesagt, wovon er glaubte, dass er es gesagt hatte? „ Du willst mir beim Aufstieg helfen?“, fragte der Soldat.
„ Wenn es dein Wunsch ist, aufzusteigen, dann werde ich dir dabei helfen… ja.“ Sein Gegenüber nickte. „ Doch ich hoffe, dass ich es nicht muss. Es gibt Wichtigeres, als nach dem Pfad der Erleuchtung zu streben und das weißt du genauso gut wie ich.“
John legte den Kopf schief. „ Wovon sprichst du? Ich verstehe dich nic…“

Ein kristallklares Lachen unterbrach ihn- ein Kinderlachen. Angesteckt von der Fröhlichkeit, die in dem hellen Lachen lag, musste John sich umdrehen. Seine Augen wanderten den Korridor entlang und entdeckten nicht weit von sich ein kleines Kind- ein Mädchen- stehen. Sie hatte ihre dünnen Arme hinter ihrem Rücken verschränkt und trat genant von einem Fuß auf den anderen, wobei ihr rotes Kleidchen hin und her schwang.
Als sie den Blick der beiden Männer bemerkte zog sich ein breites Lächeln über ihr von der Sonne geküsstes Gesicht und ihre haselnussbraunen Augen begannen zu glitzern. Wieder lachte sie. Ihre dunkelbraunen Haare waren zu zwei Zöpfen geflochten, die nun wild auf und ab wippten.

„ Ich kenn’ sie irgendwo her“, murmelte John, das Mädchen noch immer musternd. Sie kam ihm so bekannt vor, dass es schon fast wieder unheimlich war. Er war sich hundertprozentig sicher, dass er sie irgendwo schon einmal gesehen hatte!
„ Natürlich kennst du sie“, bemerkte sein Gegenüber an, dessen Augen ebenfalls auf dem kleinen Mädchen ruhten, das nun vor unbändiger Freude auf und ab hüpfte und laut und schallend lachte. Er lächelte ein wohliges Lächeln. „Das ist deine Tochter.“
„ Was?!“ Es fiel John schwer seinen Blick von dem Mädchen loszureißen und seinen Begleiter anzusehen. Ihre Blicke trafen sich und John wusste, was der andere meinte. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder dem Mädchen zu, das nunmehr neugierig in seine Richtung blinzelte. „ Meine Tochter.“
„ Sie wird ein wirklich bezauberndes Geschöpf werden“, meinte sein Doppelgänger, immer noch lächelnd. „ Und eine ansehnliche junge Dame.“
‚ Meine Tochter’, wiederholte John in seinem Inneren. Ja, jetzt wusste er woher er sie kannte; seine Augen, sein Lächeln, die Gesichtszüge ihrer Mutter.
Ohne überhaupt länger darüber nachzudenken, setzte er sich in Bewegung- auf sie zu- und sein Herz machte einen Hüpfer, als sie es ihm gleich tat und mit ihren dünnen Beinchen auf ihn zugesprintet kam.
Die Augenblicke, bis sie sich in seine ihr entgegengestreckten Arme warf und sich an ihm festklammerte, kamen John vor wie Stunden. Er musste schlucken, als er spürte, wie sich dünne Ärmchen um seinen Nacken legten und wie sich der kleine Kopf gegen seine Brust lehnte. Ein warmes Gefühl rauschte durch seinen Körper und er konnte nicht anders, als dieses kleine, zerbrechliche Wesen an sich zu drücken…seine Tochter. Verdammt, das war seine Tochter! Sein Fleisch und Blut!
Sie schien zu spüren, wie sein Herz schneller schlug, denn sie stemmte sich mit ihren kleinen Patschehänden von seiner Brust weg und plinkerte ihm mit ihren zauberhaften Augen an; sie waren wie seine, vielleicht ein kleines bisschen dunkel, mit einem leichten grünlichen Schimmer. „ Daddy“, quietschte sie laut und schrill und schmatzte ihm einen feuchten Kuss auf die Wange.
„ Hey, Prinzessin“, lachte John, noch immer beflügelt von dem Gedanken, dass es wirklich seine Tochter war, die er da im Arm hielt und die ihn durch ihre Zahnlücke hindurch anstrahlte. Ein dicker Kloß bildete sich in seinem Hals, als er sie sanft auf die Stirn küsste und sie sich gegen ihn lehnte. „ Hey, Charin.“

Schritte näherten sich ihm und von hinten legte sich eine Hand auf seine Schulter. „ Bist du wirklich bereit das aufzugeben?“, hörte er seinen lantianischen Doppelgänger fragen. John sah seine Tochter an und sie sah ihn an. ‚Nein’, dachte er und musste lächeln. ‚Niemals.’ Er wandte sich an den hinter ihm stehenden Mann.
„ Ich muss zurück“, sagte er leise.
„ Das habe ich mir schon gedacht“, lächelte sein Gegenüber und streckte seine Arme nach dem Kind aus; bereitwillig überließ John ihm seine Tochter. „ Du willst auch, dass dein Vater zurückkommt, nicht wahr, Charin?“
Die Kleine nickte eifrig und ihre haselnussbraunen Augen strahlten erneut. „ Daddy“, lachte sie und warf ihren Kopf in den Nacken. Als sie ihn wieder ansah, hatte John das Gefühl in Teylas Gesicht zu blicken…


... und erwachte. Es war ein unangenehmes Erwachen, doch er hatte nichts anderes erwartet. Seine Sicht war noch etwas verwischt, als er seine schweren Lider öffnete, doch es reichte aus, um die überraschten Gesichter seiner Freunde zu sehen, die scheinbar mit allem, nur nicht mit so etwas, gerechnet hatten.
„ Colonel?“ Carson Becketts Stimme ereilte ihn als Erstes und schon im nächsten Augenblick sah er in das Gesicht des freundlichen Schotten, als dieser sich über ihn beugte. „ Können Sie mich hören?“
John schaffte es zu nicken, wenn auch nur schwach, aber er schaffte es. Seine Stimme wagte er noch nicht zu erheben, aber Carson schien seine Geste verstanden zu haben, denn er lächelte und nickte erleichtert.
„ Wir dachten wir hätten Sie verloren“, sagte er und John spürte, wie jemand über seinen Handrücken tätschelte. „ Willkommen zurück, mein Junge.“
Schön wieder hier zu sein, dachte der Soldat. Er schloss seine Augen und fand sich in Gedanken wieder auf dem leeren Korridor wieder. Ein wohliges Gefühl rauschte durch seine Adern und als das schallende Kinderlachen an seine Ohren drang, musste John lächeln. Am Ende des Ganges erblickte er seinen lantianischen Doppelgänger, der die Kleine schmunzelnd beobachtete, wie sie sich um ihre eigene Achse drehte, und sie dann hochhob.
‚Es gibt Wichtigeres, als nach dem Pfad der Erleuchtung zu streben und das weißt du genauso gut wie ich’, ertönten die mahnenden Worte des Antikers in Johns Ohren und ohne weiter darüber nachzudenken, wusste der Soldat, dass er diesem Mann mehr zu verdanken hatte, als nur sein Leben.

TBC
Ãœberraschende Neuigkeiten by Ailya
Are you fallen to my knees?
As I song a lullaby of pain
I’m feeling broken in my melody
As I sing to help the tears go away
Kutless - Promise of a lifetime


Vorsichtig fuhr sie mit ihren Fingern durch seine dunklen Haare. Sie wollte ihn nicht wecken; er sah immer so friedlich aus, wenn er schlief. Manchmal- wenn er träumte- verformte sich sein Mund zu einem Lächeln und er murmelte leise vor sich hin…
Doch im Augenblick schlief er einfach nur, er träumte nicht. Er lag einfach nur da… und sie lag neben ihm. Die Liege war eigentlich zu schmal für zwei Personen, doch irgendwie hatten sie es trotzdem geschafft. Er hatte sich ganz eng an sie gepresst und seinen Arm um ihre Hüfte geschlungen. Sie ruhte mit ihrem Kopf auf seinem Oberkörper und lauschte seinem stetigen Herzschlag. Immer, wenn er ein- und dann wieder ausatmete, hätte sie in Tränen ausbrechen können, doch sie kuschelte sich nur noch enger an ihn…

Sie hatte ihn so schrecklich vermisst. Die richtigen Worte, die beschrieben, wie sie sich in letzten Wochen gefühlt hatte, wollten ihr einfach nicht einfallen. Es war einfach nur eine große Leere gewesen; ein riesiges Loch hatte in ihrem Herzen geklafft und es schmerzte sie immer noch. Immer wenn sie daran dachte, was passiert wäre, wenn er nicht zurückgekommen wäre, zog sich ihr Magen zusammen und sie hatte das Gefühl sich übergeben zu müssen. Es war schrecklicher Gedanke, den sie eigentlich vergessen wollte, doch aus irgendeinem ihr nicht erfindlichen Grund gelang ihr es nicht. War da etwa immer noch die Angst, dass das hier alles nur ein Traum war?
Nein, es konnte und es durfte kein Traum sein; es war alles zu real und es fühlte sich einfach nur gut an. Sie wollte nicht, dass es nur ein Traum war. Träume endeten und zurück blieb nur die grausame Wirklichkeit. Kein Traum!

Teyla riss sich selbst mit einem Seufzen aus den Gedanken und betrachtete John, wie er ruhig und gleichmäßig atmete. Er lächelte nun im Schlaf und sie fragte sich, wovon er wohl gerade träumte. Sie streckte ihre Hand nach seiner Wange aus und berührte sie zärtlich. Ein Kribbeln fuhr durch ihre Fingerkuppen, aber sie zuckte nicht zurück. Sie hatte das in den letzten Wochen vermisst und nichts konnte sie davon abbringen!
Mit ihrem Zeigefinger glitt die Athosianerin über die Wange des Soldaten, entlang seines dunklen Bartansatzes und dann fuhr sie unter sein Kinn und zuletzt über seine Lippen. Die Berührungen ließen ihn zusammenzucken und seine Augenlider begannen zu flattern.
„ Ssht.“ Teylas Finger lag noch immer auf seinen Lippen. Sie hatte nicht vor gehabt ihn zu wecken. Doch als John seine Augen öffnete und sie anblinzelte, verlor sie sich in der satten Farbe seiner Augen, wie sie es schon sooft getan hatte.
„ Hi“, lächelte der Soldat und rieb sich die Augen. Er rappelte sich, auf seine Ellenbogen stützend, auf.
„ Ich wollte dich nicht wecken“, säuselte Teyla leise und legte ihre Hand an Johns Wange. Der Soldat lehnte sich mit einem wohligen Seufzen gegen ihre Handinnenfläche.
„ Ich hab’ nicht geschlafen“, sagte er. „ Ich hab’ nur nachgedacht.“
„ Über was?“
„ Über vieles“, kam die Antwort. „ Ich musste mal wieder ein bisschen Ordnung da oben rein bringen.“ Ein amüsiertes Lächeln huschte über Johns Gesicht und er seufzte ein weiteres Mal. „ Es ist ja so viel passiert…“
„ Nein, John.“ Teyla schüttelte mit dem Kopf und legte ihren Finger über seine Lippen. „ Nein, tu es bitte nicht. Bitte.“
„ Soll ich es einfach vergessen?“, fragte er mit einem Hauch Verständnislosigkeit in seiner tiefen Stimme. „ Das kann ich aber nicht.“
„ Bitte, nein“, flehte Teyla und legte ihre Lippen schnell auf Johns, ehe er weiterreden konnte. Das Kratzen der dunklen Bartstoppeln ignorierend legte sie wieder eine Hand an seine Wange und ließ ihre Lippen über die seinen gleiten. Es war ein beinahe schon panischer Versuch gewesen, ihn am Weiterreden zu hindern. „ Ich hätte dich beinahe verloren“, wisperte sie atemlos, als sie sich voneinander lösten und nach Atem ringend die Stirn gegen die des anderen lehnten. „ Du kannst dir nicht vorstellen wie...“- Sie seufzte. „ Zwei Wochen …“

Diesmal war es John, der ihr mit einem zärtlichen Kuss ins Wort fiel. Er legte eine Hand um ihren Nacken und zog sie zu sich. Sein Gesicht hatte sich zu einer leicht schmerzverzerrten Grimasse verzogen, als er sich zurück gegen das ausladende Kopfkissen lehnte, dass Marie, die Krankenschwester, ihm herbeigeschafft hatte.
„ John?“ Teyla legte ihm eine Hand auf die Schulter.
Er lächelte ein schwaches Lächeln zur Erwiderung. „ Alles in Ordnung“, sagte er leise und mit seltsam erstickt klingender Stimme.
„ Hast du Schmerzen?“, fragte die Athosianerin besorgt.
„ Ich sagte doch, mir geht’s gut“, wiederholte John seufzend, aber Teyla sah ihm an, dass er log; seine Oberlippe begann zu zucken und das tat sie immer, wenn er nicht die Wahrheit sagte.
„ Ich werde Carson holen“, meinte sie und löste sich aus der Umarmung. Mühsam rutschte sie nach vorne und wollte sich mit ihren Händen von der Bettkante wegdrücken, da legte John seine Hand auf ihre Schulter und hielt sie zurück.
„ Teyla…“ Sie hörte den leisen Vorwurf in seiner Stimme und als sie sich zu ihm umdrehte, war sein Gesicht zu einer leidigen Grimasse verzerrt.
„ Wenn du Schmerzen hast, dann sollte Carson sich das ansehen“, beharrte die Athosianerin eisern. „ Er kann dir etwas geben.“
„ Ich möchte nichts haben“, konterte John, zog sie sanft zurück in seine Arme und küsste sie auf die Stirn. „ Ich will einfach nur hier liegen, okay? Einfach nichts tun.“

Teyla seufzte ergeben und lehnte sich erschöpft gegen seine warme Schulter. Müde schloss sie ihre Augen und öffnete sie erst wieder, als John ihr eine Haarsträhne hinter ihr Ohr strich und sie den intensiven Blick seiner haselnussfarbenen Augen in ihrem Gesicht spürte.
„ Du solltest schlafen gehen“, flüsterte er nahe bei ihrem Ohr; seine warmen Lippen berührten sanft ihr Ohrläppchen.
„ Ich war die letzten beiden Wochen hier“, erwiderte sie, „ da werden mich diese paar Stunden schon nicht umbringen- glaube mir.“
„ Es tut mir leid, dass ich euch allen so viel Ärger bereitet habe“, atmete John gegen ihre Wange, worauf sie mit einem Kopfschütteln antwortete.
„ Hör auf, dich für etwas zu rechtfertigen, woran du keine Schuld hast“, tadelte Teyla ihn. „ Ich bin nur froh, dass es nun vorbei ist.“ Sie seufzte erleichtert und erwartete, dass John in ihre Freude mit einstieg, doch er sah sie nur irritiert an. Erst später fiel ihr wieder ein, dass er es noch nicht wusste. Während er um sein Leben gekämpft hatte, war so viel passiert…
„ Es ist vorbei“, fasste Teyla die Geschehnisse der letzten beiden und ereignisreichen Wochen zusammen. Jetzt war es wirklich vorbei und sie war einfach nur unglaublich erleichtert.
John neigte seinen Kopf leicht zur Seite und sah sie fragend durch seine haselnussfarbenen Augen an. „ Was ist mit den anderen passiert?“, wollte er wissen.
„ Es ist vorbei“, antwortete Teyla ihm, aber da sie wusste, dass das nicht die Antwort war, auf die er gewartet hatte, fügte sie noch leise hinzu: „ Sie sind alle weg, John. Du musst dir keine Sorgen machen.“

Doch scheinbar machte er sich doch welche. Angestrengt und nicht ohne sein Gesicht unter den Schmerzen, die er angeblich nicht hatte, zu verziehen, rappelte er sich auf. Während er dies tat, schüttelte er unentwegt mit dem Kopf, als ob er nicht einverstanden mit ihren Worten war. „ Es…es ist nicht vorbei“, raunte er. „ Es ist noch lange nicht vorbei.“
Teyla reckte ihre Hand nach seinem Gesicht. „ Was meinst du damit? Es ist vorbei; wirklich, alle sind gegangen. Sie werden uns nichts tun.“
„ Nein.“ John schloss die Augen und verzog sein Gesicht noch weiter, doch dieses Mal lag es nicht an den Schmerzen. Er versuchte vielmehr einen Gedanken vehement in Worte zu fassen, aber vor Aufregung wollte das ihm nicht gelingen.
Als er es schließlich doch schaffte, den Mund aufzutun, war es nur ein ausdrucksloses Krächzen. „Larrin…“
„ Verschwende keinen Gedanken an sie, John.“ Bei der Erinnerung an dieses Biest zog sich Teylas Magen auf eine äußerst schmerzhafte Art und Weise zusammen und ein dicker Kloß bildete sich in ihrem Hals. Sie wünschte sich, Ronon hätte sie getötet. Ihre Wut unterdrückend, presste Teyla ihre Lippen fest aufeinander.
„ Was!?“ John klang überrascht. Seine Augen weiteten sich und dann begann die Prozedur mit dem Kopfschütteln erneut. Trauerte er ihr etwa nach?
Teyla kam zu dem Schluss, dass dem nicht so sein konnte, schließlich hatte sie ihm nicht nur einmal nach dem Leben getrachtet. Sie hatte es ihm um ein Haar genommen- da konnte er ihr unmöglich nachtrauern!

„ Es werden andere kommen“, schaffte es John nach einer kleinen Pause zu sagen und sah sie an.
„ Wie sollten sie uns denn finden?“, fragte Teyla. Die Antwort, die er ihr gab, überraschte sie so sehr, dass sie zusammenschreckte, sich dann aber daran zurückerinnerte, was Carson vor ein paar Tagen zu ihr gesagt hatte.
„ Die haben mir einen Sender in die Brust implantiert, Teyla“, sagte John mit zittriger Stimme; sein Blick war leer und schwebte in der Ferne.
„ Nein, das haben sie nicht“, entgegnete sie ihm. „ Carson hat nichts festgestellt. Außer dem Gift, das dich fast…“ Sie verstummte; sie beide wussten, wie der Satz endete. „ Sie haben dir nichts implantiert. Wenn doch, dann hätte Carson es mit Sicherheit gefunden- da bin ich mir sicher. Sie werden nicht kommen, auch wenn sie nach uns suchen werden. Sie werden uns nicht finden.“
John weilte mit den Gedanken zwar wieder bei ihr, doch noch immer schien die Tatsache ihm zu missfallen. Misstrauisch drein blickend hatte er ihren Worten gelautet, nur um dann wieder mit dem Kopf zu schütteln und zu sagen: „ Ich würde mir da nicht so sicher sein.“
„ Sie werden uns nicht überall hin folgen können“, redete Teyla auf ihn ein.
„ Diese… Menschen sind verdammt schlau.“ Bei dem Wort ‚Menschen’ zögerte er kurz und schien zu überlegen, ob das überhaupt die richtige Bezeichnung für sie war. Er fing ihren Blick ein. „ Ich kenne diese Leute, Teyla. Die werden nicht aufgeben, bis sie Atlantis gefunden haben.“
„ Du machst dir zu viele Sorgen“, sagte Teyla.
„ Ich mache mir zu viele Sorgen?“, wiederholte John und seufzte dann laut. Er griff nach ihrer Hand und umschloss sie liebevoll mit seiner, strich mit dem Daumen über ihren Handrücken. „ Vielleicht hast du recht. Aber diese Leute- vor denen muss man einfach Angst haben. Ich will nicht sagen, dass sie schlimmer sind als die Wraith- aber mindestens genauso schlimm. Ich habe genug Zeit mit denen verbracht um zu wissen, dass sie keine Skrupel kennen, um ihre Ziele zu erreichen. Sie werden weiter nach uns suchen.“ Er holte einmal tief Luft. „ Wenn auch nicht jetzt, aber sie werden es tun.“
Teyla hielt für einen Moment ihren Atem, bevor sie ihm erwidern konnte. „ Du fürchtest dich?“
„ Ja“, war seine knappe Antwort, die sie sehr überraschte. Er begann zu nicken. „ Ja, ich habe Angst. Ich habe Angst davor, dass sie uns finden und ich habe Angst davor, dass sie dir und den anderen etwas antun. Das will ich nicht. Ich könnte den Gedanken nicht ertragen.“

Teyla sah ihm tief in die Augen und lag in seinem Arm; seine Worte hatten sie sprachlos gemacht und sie rührte sich nicht, bis jemand auf sie zugetreten kam und sich mit einem verhaltenen Räuspern bemerkbar machte.
„ Hallo, Doc“, grüßte John und riss den Blick von ihr los.
„ Wie fühlen Sie sich, mein Junge?“, erklang Carson Becketts Stimme und als Teyla ihr folgte, sah sie den Arzt am Fußende des Bettes stehen und freundlich lächeln.
„ Ich hab’ mich noch nie besser gefühlt“, antwortete John, „ und wenn ich ehrlich sein soll, dann freu’ ich mich jetzt schon auf mein Bett.“
„ Aye.“ Carson lachte einmal auf. „ Ich fürchte, dass ich Sie noch eine Nacht hierbehalten muss. Es passiert halt nicht alle Tage, dass man dem Tod so knapp von der Schippe springt. Sie hatten großes Glück- wenn man nicht sogar von einem Wunder sprechen kann.“
„ Ich bin immer wieder für Überraschungen gut“, sagte John und lächelte schwach. Die Aussicht, eine weitere Nacht auf der Krankenstation verbringen zu müssen, schien ihm nicht sonderlich zu gefallen.
„ Nur noch eine Nacht, mein Junge.“ Carson schien in seinem Blick lesen zu können. Ein amüsiertes Lächeln huschte über sein sympathisches Gesicht und er beugte sich vor, um über Johns Handrücken tätscheln zu können. „ Es ist schön Sie wieder hierzuhaben. Und ich bin sicher, dass nicht nur ich so denke. Rodney hat bereits seinen Besuch angekündigt.“
John stöhnte theatralisch auf und fasste sich an die Stirn. „ Ich glaube, dass ich doch noch nicht soweit bin, Carson.“
Der Mediziner quittierte dies mit einem Nicken und drehte sich dann um, um zu gehen. Er wandte sich dann allerdings noch einmal um und meinte über seine Schulter hinweg: „ Sie hätten ihn reden hören sollen. Ich wusste gar nicht, dass Rodney so einfühlsam und emotional sein kann.“ Damit verabschiedete er sich und ließ den Soldaten und die Athosianerin allein zurück…

John dachte über Carsons Worte nach- zu dem Schluss kam Teyla, als sie die tiefen Falten auf seiner Stirn betrachtete. „ Wir dachten wirklich, wir hätten dich verloren“, sagte sie leise.
„ Es waren alle da?“, fragte John.
„ Ja“, erwiderte sie ihm. „ Rodney, Ronon, Elizabeth, Col. Carter und Col. Mitchell…“
„ Cameron?“, fiel John ihr überrascht ins Wort. „ Ist er… ich meine, ist er…“
„ Er hat sich wirklich große Sorgen um dich gemacht“, bestätigte Teyla ihm nickend. „ So wie wir alle. Sie alle waren hier, um… sie alle wollten dich noch einmal allein sehen.“ Sie schaffte es geradeso ein Lächeln auf ihre Lippen zu zwingen und nicht erneut in Tränen auszubrechen.
„ Es stand also wirklich schlecht um mich, huh?“ John runzelte die Stirn und rümpfte die Nase.
Teyla konnte keine Kraft aufbringen, um ihm zu antworten. Sie lehnte sich seufzend ein Stück nach vorne und streckte ihre müden Beine aus. Dieses ewige Stehen der letzten beiden Wochen war nicht spurlos an ihr und an ihrem Körper vorüber gegangen. Carson hatte sie oft genug gewarnt, doch sie hatte einfach nicht gehen wollten… und nun musste sie die Konsequenzen tragen.
Langsam ausatmend fasste sie sich an die Wirbelsäule und ließ ihre Finger über der schmerzenden Stelle kreisen. Ihre Muskeln schmerzten und hatten sich aufgrund des endlosen Stehens und Sitzens verhärtet. Als sie heute Morgen aufgewacht war- sie hatte zum ersten Mal seit Wochen in ihrem Bett geschlafen- hatte sie es wie ein Schlag getroffen; der Schmerz war durch ihren Rücken gefahren und sie war erschrocken zurückgestolpert.
„ Hey, alles in Ordnung?“, fragte John und strich mit sorgenvollem Blick an ihrem Rücken hinab.
„ Ich hätte besser auf Carson hören sollen“, gestand Teyla schmunzelnd und lehnte sich gegen Johns Hand, die er nur zu bereitwillig über die schmerzenden Stellen bewegte. „ Dem Baby scheinen diese zwei Wochen auch nicht gefallen zu haben.“ Als ob das kleine Wesen diese Aussage zu bestätigen suchte, spürte Teyla, wie es sich in ihrem Inneren bewegte. Endlich, dachte sie sich, nahm Johns Hand und legte sie auf ihren Bauch. So sehr hatte sie darauf gewartet diesen Moment mit ihm teilen zu können…

Nach ein paar Sekunden, in denen keiner von ihnen etwas sagte sondern sie beide auf weitere Bewegungen ihres Kindes warteten, fing John an breit zu grinsen. „ Hallo, Baby“, murmelte er leise und in einem so sanften Tonfall, dass Teyla eine Gänsehaut bekam. Als sie den warmen Ausdruck in seinen Augen sah, vergaß sie für einen kurzen Augenblick ihre Sorgen… und lächelte einfach nur aus ganzen Herzen.
„ Ich bin mir sicher, dass sie das bezaubernste Baby von allen Babys auf der Welt werden wird.“ John strahlte, als er sie ansah. „ Und sie wird genauso hübsch werden, wie ihre Mom. Hab’ ich bezaubernd vergessen?“
„ Nein, hast du nicht.“ Gerührt ließ Teyla ihren Emotionen freien Lauf und beugte sich zu ihm, um ihn zu küssen. Tränen liefen über ihre Wangen, als ihre Lippen nicht zum ersten Mal an diesem Tag zueinander fanden.

ooOOoo

...Einen Tag später...


„ O verdammt.“ Rodney stöhnte verzweifelt auf. Mit der geballten Faust schlug er auf die Tischplatte und warf dann seinen Kopf in den Nacken. „ Das kann doch nicht wahr sein!“, jammerte er. Seine ganze Arbeit... danieder gemacht! So mies hatte er sich zum letzten Mal während seiner Collegezeit gefühlt, als Joycelyn Rodgers ihn nach dem mehr oder weniger katastrophalen Date versetzte hatte und lieber mit diesem schleimigen Jimmy Collins aus dem Parallelkurs ausgegangen war. Herrgott, was konnte er den schon groß dafür? Er hatte nun mal einen sensiblen Magen und Aliens, die aus Menschen rausbrachen… widerlich!

„ Konzentrier’ dich gefälligst, McKay“, schimpfte Rodney mit sich selbst. Er konnte später noch um eine verflossene Collegeliebe trauern- jetzt gab es Wichtigeres zu tun! Er seufzte wieder, reckte seine Finger in die Luft und dehnte sie, nur um sich dann auf seinen Tablettlaptop zu stürzen, auf dessen Monitor noch immer die Fehlermeldung blinkte. ‚Ach, halt die Klappe’, schnauzte der Kanadier den Computer in seinen Gedanken an. Als ob er nicht schon längst bemerkt hätte, dass etwas nicht stimmte. Manchmal war so ein Computer wirklich überflüssig!

Rodney überflog die Fehlermeldung; es stand nichts Neues- es handelte sich um dasselbe Problem, das bereits vor ein paar Tagen aufgetreten war und von dem er gedacht hatte, dass er es bewältigt hatte.
Er hatte das komplette System des Schiffes neu starten müssen und das obschon die übriggebliebenen Männer von Larrin ihm die Codes überlassen hatten. Ob das wirklich freiwillig geschehen war, wagte Rodney zu bezweifeln, denn schließlich hatte Ronon ein langes Gespräch mit dem Mann, der nach Larrin die höchste Position eingenommen hatte, geführt. Der arme Kerl hatte es anschließend sehr eilig gehabt, auf sein Schiff zurückzukehren. Vielleicht hätte Ronon ihm noch ein bisschen länger ‚Gesellschaft’ leisten sollen, denn diese Informationen- wenn man es überhaupt so nennen konnte- waren nun wirklich nicht das, was sich Rodney erhofft hatte. Im Grunde hatte er nichts…
Was auch immer diese Amateure mit dem Computersystem gemacht hatten (er befürchtete das Schlimmste)- es ließ sich nur schwer wieder beheben und so sehr Rodney es hasste, anderen Leuten Erfolg in ihrer wissenschaftlichen Arbeit zuzuschreiben, aber diese Leute hatten wirklich gute Arbeit geleistet.
Selbst nach dem Systemstart war es ihm schwergefallen Zugriff auf die wichtigen Programme zu bekommen; sie alle waren mit Codes gesichert gewesen. Rodney hatte sich darüber den Kopf zerbrochen und selbst nachdem er notgedrungen Samantha Carter zu Rate gezogen hatte, war es nur schleppend vorangegangen. Einige Systeme arbeiteten jetzt noch immer nicht, wie sie es eigentlich sollten, aber das Meiste hatte Rodney in den Griff bekommen. Wie gesagt: Das Meiste…

Ein penetrantes Piepsen verkündete, dass sein Computer die Analyse beendet hatte und wieder blinkte die Fehlermeldung auf dem Monitor, als Rodney den PC zu sich zog. „ Ach, komm schon“, jaulte er laut auf und warf sich stöhnend gegen die Stuhllehne. „ Das kann doch nur ein schlechter Witz sein, oder?“ Womit hatte das ein genialer Wissenschaftler, wie er es war, nur verdient?
‚ Die Codes sind alle korrekt’, grübelte Rodney, was läuft dann bitteschön schief?’ Ein furchtbares und erniedrigendes Gefühl überkam ihn und deprimiert starrte er seinen Tablettlaptop an. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Die Technik hatte sich gegen ihn verbündet!

Er hörte, wie sich die Tür öffnete und unerwünschten Besuch ankündigte. Sah diese Jemand denn nicht, dass er lieber allein sein wollte? Scheinbar tat er das nicht, denn dumpfe Schritte näherten sich dem Tisch, über den Rodney halb lehnte. Dieser Jemand konnte nur einer sein. „ Wenn Sie hier sind, um mich niederzumachen, Carter, dann nur zu“, grummelte er, stieß sich mit den Beinen von dem Tisch weg und drehte sich zu dem (er musste zugeben) unerwarteten Besucher um, bei dem es sich nicht um Samantha Carter handelte.
„ Oh“, entfuhr es Rodney überrascht. „ Ich hatte nicht erwartet Sie hier zu sehen.“
„ Und ich hatte nicht erwartet, dass es mich als Erstes ausgerechnet hier hinzieht“, erwiderte ihm John Sheppard mit einem nervösen Lächeln.
„ Oh“, sagte Rodney wieder, „ na…na gut. Ähem… es ist…“- Er räusperte sich verlegen und nach den richtigen Worten suchend-„… schön Sie zu sehen.“
Johns Miene entspannte sich ein kleines bisschen. „ Dankeschön, Rodney. Ich bin auch froh, nicht mehr auf der Krankenstation sein zu müssen.“
„ Mhm.“ Rodney fiel nichts Besseres ein. Er musterte seinen Freund aufmerksam; gut sah er aus… naja, was man nach den letzten beiden Wochen auch immer als ‚gut’ bezeichnen konnte. Er trug wieder seine Uniform, seine Wangen schimmerten noch immer etwas von der Rasur und sogar seine dunklen Haare standen nicht mehr so wirr von seinem Kopf ab. Er sah fast zufrieden aus, musste Rodney eingestehen… wenn man von dem leicht skeptischen Ausdruck absah, der um seine Mundwinkel lag.

„ Probleme?“ John verschränkte die Arme hinter seinem Rücken und erst als er ein Nicken in die Richtung des PC andeutete, verstand Rodney, was mit der Frage gemeint hatte. Seufzend löste er seinen Blick von dem Soldaten und grollte gegen seinen Computer. Blödes Ding!
„ Es ist nichts, was ich nicht beheben könnte“, flunkerte der Kanadier verbissen. „ Ich brauch’ nur noch ein bisschen Zeit, um das System wieder genau auszurichten.“
„ Worum geht’s denn?“, erkundigte sich John und trat mit gespieltem Interesse zu Rodney, der daraufhin seine Stirn in Falten legte und die Augenbrauen zusammenzog.
„ Dieses dämliche Ding tut sich mit den ganzen Koordinaten etwas schwer“, erklärte er. „ Es scheint nach dem Neustart nicht richtig in Gang gekommen zu sein.“
John presste die Lippen aufeinander. „ Können Sie es reparieren?“
„ Hab’ ich das nicht eben gesagt?“, stellte Rodney die Gegenfrage, die ein kleines bisschen bissiger klang, als er beabsichtigt hatte. Sofort kniff er schuldbewusst die Lippen aufeinander und wandte sich von John ab- die Gegenwart des Soldaten machte ihn nervös. „ Ja, ja, ich denke ich kann es reparieren“, sagte er schnell.
„ Gut“, murmelte John neben ihm. „ Das ist gut.“ Er pfiff durch seine Zähne hindurch, ehe er erneut ansetzte, um zu reden: „ Und sonst gibt es keine Schwierigkeiten?“
Rodney wusste genau, worauf sein Freund damit hinauswollte. Er holte leise Luft und drehte sich dann ganz langsam zu John um, der mit hochgezogenen Augenbrauen auf eine Antwort wartete. In seinen haselnussbraunen Augen konnte Rodney sehen, dass sie beide an dasselbe dachten… also schüttelte er mit dem Kopf. „ Sonst ist alles in Ordnung- könnte nicht besser laufen, wenn Sie mich fragen. Alles okay.“
Johns Selbstvorwurf, dass er an der ganzen Sache Schuld war, lag Rodney noch immer schwer vorm Magen. Die Erklärung, dass der Peilsender, den man dem Soldaten implantiert hatte, die Störungen hervorgerufen hatte, war plausibel gewesen und dieses Teufelsweib hatte die Annahme ja auch bestätigt. Umso größer war die Sorge von Elizabeth gewesen, dass man dem Schiff und somit auf ihnen folgen könnte. Carson hatte den Colonel daraufhin untersucht, hatte aber außer einer großen Menge Toxine, die sich durch den Körper des Soldaten fraßen, nichts gefunden. Es war eine besonders hohe Konzentration gewesen. Dieses hysterische Weib hatte versucht ihn umzubringen! Und es war ihr auch fast gelungen…

Rodney kniff ärgerlich die Lippen aufeinander. Es war doch immer dasselbe! Sie mochten noch so verdammt gut aussehen, doch hinter ihrer Fassade waren sie nur männermordende Wesen, die nur zu gut wussten, wie sie an ihr Ziel kamen- mit den Wimpern plinkern, Lippen spitzen und ihr einladendes Dekolletee zeigen. ‚Ich widere mich selbst an’, dachte Rodney in Anbetracht der Tatsache, dass seine Gedanken schon wieder abschweiften…zu einem nicht gerade sehr wissenschaftlichen Thema, wenn er ehrlich sein sollte. Dass John genau diesen Moment erwählt hatte, um mit einem leisen Räuspern auf sich aufmerksam zu machen, kam dem Kanadier daher sehr gelegen.
„ Nein, nein- keine Probleme“, führte er noch mal auf das Gespräch zurück.
„ Aha.“ John wechselte von einem Fuß auf den anderen und hatte die Arme vor seinem Oberkörper verschränkt; doch scheinbar gefiel ihm diese Position nicht und so löste er seine Arme und stemmte sie in seine Hüften. Aus dem Augenwinkel heraus sah Rodney, dass der Soldat nervös auf seiner Unterlippe nagte und dann seinen Kopf in seine Richtung drehte. „ Darum bin ich aber nicht gekommen“, merkte John leise an. „ Nicht nur.“
Rodney wich aus. „ Hören Sie, dass hier ist wichtig und ich sollte mich jetzt wirklich darum kümmern. Vielleicht können wir uns später…“
„ Was ich zu sagen habe ist auch wichtig“, fiel sein Freund ihm ins Wort. „ Es ist für mich wichtig.“
„ Sheppard…“ Rodneys Griff verkrampfte sich leicht, als ihm bewusst wurde, worauf der andere hinaus wollte.
„ Ich wollte Ihnen nur danken, Rodney“, sagte John. „ Teyla hat mir erzählt, dass Sie… Sie sollten wissen, dass mir das… sehr viel bedeutet.“
„ Jeder hätte in einer solchen Situation so gehandelt“, erwiderte Rodney ohne aufzublicken; er konnte dem Blick seines Freundes, der auf ihm ruhte, einfach nicht standhalten. „ Das war doch selbstverständig.“
„ Das mag es vielleicht sein“, lenkte John ein, „ aber ich will mich trotzdem bei Ihnen bedanken- dafür, dass Sie da waren.“

John Sheppard hatte sich bei ihm bedankt? Rodney musste erst einmal schlucken, bevor er überhaupt in der Lage war, seine wirr durch seinen Kopf schwirrenden Gedanken zu ordnen. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte, also lächelte er nur verhalten; es war ein nervöses Lächeln, welches von Unsicherheit zeugte.
Sie beide schienen nicht zu wissen, wie es nun weitergehen sollte und so verfielen sie ein Schweigen (für das Rodney sehr dankbar war). Viel zu schnell brachen sie allerdings damit und John machte sich mit einem lockeren „Sie sollten jetzt weiterarbeiten“ daran zu gehen.

Rodney lauschte seinen Schritten, die sich entfernten. Plötzlich verstummten sie und der Kanadier drehte sich um, sah, dass John stehengeblieben war und sich in seine Richtung gewandt hatte. Er war wieder an seiner Unterlippe zugange, doch dieses Mal dauerte es nicht so lange, bis er den Mund aufmachte.
„ Sie machen Ihre Sache wirklich gut“, sagte der Soldat und Rodney errötete in Hinsicht auf dieses Kompliment.
„ D…danke“, stammelte er seine Erwiderung zurecht und blieb verdaddert sitzen, während sich John umdrehte und ging. Rodney sah noch lange in die Richtung, in die der andere verschwunden war, und ließ ihr Gespräch noch einmal Revue passieren. Der große Colonel hatte sich doch tatsächlich bei ihm bedankt und ihn als einen talentierten Wissenschaftler bezeichnet! Die zweite Aussage war nett gewesen, doch Ersteres hatte eine größere Tragweite; Rodney war einfach zu ihm gegangen, hatte nicht lang darüber nachgedacht. John war immer noch sein Freund und Freunde taten das nun einmal!


Nicht lange, nachdem John gegangen war, hatte sich Rodney wieder in seine Arbeit vertieft. Er dachte noch immer an das Gespräch zwischen ihm und dem Colonel, doch etwas anderes fesselte seine Aufmerksamkeit inzwischen dermaßen, dass es ihm schwer fiel sich zu konzentrieren.
‚ Das kann nicht stimmen’, dachte er und ließ ein gemurmeltes „Ach, du meine Güte“ folgen. Angespannt starrte er auf den Monitor vor ihm, überflog die Zeilen ein drittes und dann noch ein viertes Mal, setzte dann in ein Kopfschütteln ein. Nein, er musste sich einfach irren!
Blind tastete er nach seinem Headset, das neben ihm auf der Tischplatte lag, und aktivierte es mit zittrigen Fingern. „ Elizabeth? Sie sollten sich hier mal etwas ansehen.“

ooOOoo


Elizabeth hatte verwundert auf ihre Uhr gesehen, als es an ihrer Tür geklingelt hatte. Sie erwartete niemanden; Mike hatte beim Frühstück gemeint, dass er zusammen mit Dr. Thompson und einigen anderen Wissenschaftlern einen noch unbekannten Komplex erforschen wollte, und so hatte sie ihn nicht eingeplant.
Nach der Anzeige ihrer Uhr zu ordnen, war es kurz nach acht, als der schrille Alarm sie aus ihren Gedanken riss. Grübelnd, wer sie wohl um so eine Uhrzeit noch aufsuchte, stand Elizabeth von der kleinen Sofagruppe auf und schlenderte auf ihre Tür zu.
„ Moment“, rief sie dem draußen Wartenden zu und strich sich noch einmal durch ihr braunes Haar, ehe sie über das Wandpanel fuhr. Die Tür öffnete sich mit dem gewohnten leisen Zischen und die auseinander gleitenden Türhälften eröffneten ihr den unerwarteten Besucher. „ John?“
„ Hi.“ Lächelnd stand der dunkelhaarige Soldat vor ihrer Tür, hielt seine Hände in seinen Hosentaschen verborgen und hatte den Kopf erwartungsvoll zur Seite geneigt.
„ Ich…ich habe Sie nicht erwartet“, gestand Elizabeth ihm mit einem perplexen Lächeln. John kräuselte die Stirn und lugte über ihre Schulter hinweg in ihr Quartier.
„ Komm’ ich ungelegen?“, fragte er und deutete dann mit seinem Finger den Korridor entlang. „ Ich kann auch wieder…“
„ Nein, nein“, wehrte Elizabeth ab, trat einen Schritt beiseite und bedeutete ihm reinzukommen. „ Sie kommen überhaupt nicht ungelegen.“ Sie wartete, bis er ihr Quartier betreten hatte, und schloss dann die Tür. „ Kann ich irgendetwas für Sie tun? Brauchen Sie etwas?“
John stand nur ein paar Schritte von ihr entfernt und wirkte irgendwie verloren; ganz anders, als sie es gewohnt war. Musternd ließ Elizabeth ihren Blick über ihn wandern. Er sah besser aus als gestern. Er sah erholter aus, trug seine alte Uniform wieder, hatte sich rasiert. Er sah wirklich gut aus, nur das nervöse Flimmern in seinen haselnussbraunen Augen passte nicht in dieses Bild. „ Ich…ich wollte reden“, verkündete er schließlich sein Anliegen.
„ Reden?“, wiederholte Elizabeth. Über was wollte er denn mit ihr reden?
John seufzte und machte eine wirsche Handbewegung. „ Hören Sie; ich wollt’ mich nur nochmal bei Ihnen entschuldigen. Für das, was mit Larrin passiert ist.“
Elizabeth schüttelte mit dem Kopf. „ John…“
„ Es hätte nicht soweit kommen dürfen“, schnitt er ihr das Wort ab. Er schloss seine Augen, als ob er sich selbst zum Weiterreden überreden musste. „ Ich hätte es nicht soweit kommen lassen dürfen.“
„ Es war nicht Ihre Schuld, John“, merkte die Expeditionsleiterin sanft an. „ Und niemand wird Ihnen dafür die Schuld geben.“ Sie folgte dem Soldaten mit ihren Augen, als dieser langsam durch ihr Quartier zu flanieren begann und sich dann auf eines der kleinen cremefarbenen Sofas setzte.
„ Ich hatte genug Zeit, um nachzudenken“, meinte er, „ und ich frage mich, warum ich sie nicht schon eher daran gehindert habe.“ Er hielt inne und blickte auf. „ Warum, Elizabeth?“
Die Expeditionsleiterin ließ sich neben ihm auf das Sofa sinken. „ Sie wussten nicht, wozu sie fähig ist.“
„ O doch, das wusste ich“, widersprach John. „ Ich wusste, dass sie bereit ist über Leichen zu gehen und trotzdem… ich hatte genug Gelegenheiten, um sie… doch ich habe es nicht getan.“
„ Nun ist es ja vorbei.“ Elizabeth legte ihre Hand auf seinen Arm. „ Sie sollten versuchen, nicht mehr daran zu denken.“
„ Ich wurde gefoltert, musste zusehen, wie man meine Freunde quälte und bin fast gestorben“, murmelte John und Elizabeth spürte, wie er erschauderte. Verwundert über sein Verhalten sah sie ihn an und musste feststellen, dass sein Lächeln einem eisernen, ja fast schon erzürnten Ausdruck gewichen war. Zugleich strahlte er Unsicherheit aus. Er schien mit seinen Gedanken fern zu sein und nachzudenken.
Elizabeth schluckte. Jeder Krieger konnte gebrochen werden; war es dieser Larrin etwa gelungen, John Sheppard zu brechen? Sie wollte es nicht wahrhaben…

John seufzte und sein leerer Blick ruhte auf dem dunklen Boden vor seinen Füßen. „ Ich hab’ Angst davor, dass es noch nicht vorbei ist. Dass sie uns trotzdem finden. Dass sie Atlantis finden- falls wir dorthin zurückfinden. Ich weiß, dass es meine Schuld sein wird. Ganz egal, ob Sie was anderes behaupten werden.“ Er seufzte. „ Ich war noch nie gut darin, mich selbst zu belügen, also mache ichs heute auch nicht.“
„ Bitte, John- nein, hören Sie auf damit“, redete Elizabeth kopfschüttelnd auf ihn ein. „ Sie machen sich dadurch nur selbst kaputt.“
„ Ich fürchte mich davor, dass ich die Sicherheit von allen gefährdet habe, nur weil ich mich auf Larrins Spielchen eingelassen habe…“
„ Sie haben uns nicht enttäuscht“, beharrte Elizabeth und sprach den Rest des Satzes aus, der John auf der Zunge gelegen hatte, er ihn aber nicht aussprechen konnte. Sie tätschelte seinen Arm und schloss ihn dann in eine freundschaftliche Umarmung, die er zu ihrer Überraschung erwiderte. „ Sie haben mich nicht enttäuscht, John. Ich bin nur froh, dass wir Sie wieder hier bei uns haben und nicht…“
„ Wäre es so viel anders geworden, wenn ich…“ Auch John brachte seinen Satz nicht zuende, doch das schien weder ihn noch Elizabeth zu stören.
„ Ich wollte mir nicht vorstellen, wie es ohne Sie weitergegangen wäre“, antwortete die Expeditionsleiterin, gegen seine Schultern wispernd. „ Das hier ist Ihr Leben, Ihr Zuhause. Sie haben hier Freunde. Sie haben hier eine Familie.“ Schwermütig seufzend löste sie sich aus der innigen Umarmung, von der sie wusste, dass sie ihnen beiden gut getan hatte. Sie lächelte ein liebevolles Lächeln und tätschelte ihm über den Handrücken. „ Ohne Sie wäre alles anders geworden. Nicht so schön…“
„ Verstehe“, sagte John einfach nur, aber sein verhaltenes Lächeln verriet, dass ihm ihre Worte etwas bedeuteten.
„ Wirklich“, fügte Elizabeth hinzu. „ Alles anders. Sie haben hier Freunde, John. Sie werden bald Vater. Ohne Sie… es wäre alles anders geworden. Ich bin froh, dass es nicht dazu gekommen ist.“

‚Wow’, dachte sie anschließend, als sie feststellte, dass es ihr zum ersten Mal im Beisein eines Mannes gelungen war, genau das zu sagen, was sie vorhatte zu sagen. Es war nicht ihr ‚erstes Mal’, aber wenn man die ganzen Verhandlungen nicht beachtete, die sie vor ihrer Zeit auf Atlantis und auch währenddessen geführt hatte. Und außerdem war das hier keine Verhandlung. Dementsprechend stolz war sie auch auf sich und auf ihre durchaus gewählten Worte…
John sah sie einfach nur an und das dankbare Funkeln in seinen haselnussbraunen Augen ließ sie förmlich dahinschmelzen. Er sagte nichts- sein Blick übernahm das… und er sagte ihr, dass die Worte ihn tief berührt hatten.
„ Danke“, kam es schließlich doch noch über die Lippen des Soldaten; im selben Augenblick belohnte er sie mit seinem so typischen schiefen Grinsen und Elizabeths Headset begann zu rauschen (sie war sich sicher gewesen, dass sie es ausgeschaltet hatte).
„ Elizabeth?“ Es war Rodney. „ Sie sollten sich hier mal etwas ansehen.“
Die Expeditionsleiterin führte ihre Hand an ihr Headset und aktivierte es, um dem Kanadier zu antworten. „ Kann das nicht noch ein bisschen warten, Rodney? Ich habe gerade zu tun.“
„ Nein.“ Er klang so aufgeregt wie in den letzten Monaten schon nicht mehr und das machte Elizabeth stutzig.
„ Rodney?“, fragte sie.
„ Was…ach! Entschuldigung, es ist nur… ähem… Sie sollten wirklich kommen. Es ist… ich kann nicht…“, stammelte er und Elizabeth sah ihn vor ihrem geistigen Augen auf und ab hüpfen.
„ Rodney“, versuchte sie ihn zu beruhigen, richtete sich währenddessen auf, „ was um alles in der Welt ist denn los?“
„ Das müssen Sie sich einfach ansehen“, antwortete er. „ Die Artemis ist soeben aus dem Hyperraum gefallen und ich habe die neuen Koordinaten bekommen.“
„ Dann werde ich ein Team…“, wollte Elizabeth sagen, doch Rodney unterbrach sie sofort wieder.
„ Wenn dieses Team aus siebzig Personen besteht, dann habe ich nichts dagegen.“
Elizabeth schüttelte mit dem Kopf. „ Rodney, wovon zur Hölle sprechen Sie? Was ist denn los?“
„ Elizabeth“, hörte sie Rodney ausgedehnt sagen, „ es ist Atlantis.“

TBC
The Worst Day Since Yesterday by Ailya
I hurt myself today
To see if I still feel
I focus on the pain
The only thing that’s real
If I could start again
A million miles away
I would keep myself
And I would find a way
Johnny Cash - Hurt


„ Okay.“ Major Evan Lorne fasste sein Truthahnsandwich mit gespreizten Fingern und betrachtete es musternd von allen Seiten, bevor er es sich in den Mund schob und genüsslich und in aller Ruhe zu kauen begann. Er schürzte seine Lippen und kräuselte die Stirn, als er den Bissen in seinem Mund hin und her schob, ihn dann ganz langsam herunterschluckte und das Sandwich ein zweites Mal an seinen Mund führte. Der nächste Bissen schmeckte genauso gut wie der erste es auch getan hatte, doch dieses Mal spülte er mit Wasser hinterher.
Evan rümpfte die Nase. Hatte nur er das Gefühl und versuchte man da allen Ernstes ihm ein ‚anderes’ Wasser unterzujubeln? Mit kritischem Blick betrachtete er die kleine Wasserflasche, die vor ihm stand. Gleiches rosa Etikett, gleiche Größe- aber es schmeckte so… so anders! Vielleicht sollte er bei der nächsten Gelegenheit einmal den Versorgungsoffizier darauf ansprechen.

Den letzten Bissen seines Sandwichs herunterschluckend, lehnte Evan sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete das Geschehen in der lantianischen Mensa aufmerksam. Er musste zugeben, dass es stiller als sonst war; ausgenommen einer kleinen Diskussion zwischen den Doktoren Kavanagh und Winston. Erster gestikulierte so aufgebracht mit den Händen, dass ihm die Brille von der Nase auf den Tisch rutschte und von Dr. Winstons herabschnellender Faust nur knapp verfehlt wurde.
Schmunzelnd rutschte Evan in seinem Stuhl ein bisschen tiefer und verschränkte seine Füße unter dem Tisch. Interessiert beobachtete er zwei Wissenschaftlern, die sich leise miteinander unterhielten und immer wieder kichernd zu ihm schielten. Evan begegnete ihren Blicken mit einem kurzen Nicken, woraufhin die beiden erröteten und sich wieder umdrehten. Ja, es hatte gewisse Vorteile der ranghöchste Offizier in der Stadt zu sein.
Evan warf einen kontrollierenden Blick auf seine Armbanduhr. Es war kurz nach eins, was bedeutete, dass das Erkundungsteam erst in drei Stunden zurückerwartet wurde. Der Soldat musste zugeben, dass ihn dieses Antikerschiff auch interessierte, doch wann hatte man ihm schon einmal die Befehlsgewalt über Atlantis gegeben?

„ Und, was halten Sie von dieser Idee?“ Evan Lorne schreckte aus seinen Gedanken und sah sich Radek Zelenka gegenüber sitzend, der ihn erwartungsvoll durch seine runden Brillengläser ansah. Den Tschechen hatte er doch glatt vergessen!
„ Ich weiß nicht“, sagte Evan und warf einen flüchtigen Blick auf den Tablettlaptop des Wissenschaftlers. „ Sind Sie sicher, dass Sie nicht lieber Dr. McKay oder Dr. Weir fragen sollten?“
„ Das habe ich bereits“, erwiderte Radek stirnrunzelnd. „ Dr. Weir meinte, dass das eine ziemlich gute Idee ist und Dr. McKay…“ Der kleine Wissenschaftler zuckte viel sagend mit den Schultern.
Evan hob seine Augenbrauen. „ Sie wollen allen Ernstes eine Windmühle bauen?“
„ Es ist mehr eine Art… Wasserwerk“, wurde er sofort streng verbessert und Radek startete eine Simulation auf seinem PC.
„ Wasserwerk“, wiederholte Evan. „ Sie wollen ein Wasserwerk bauen?“
„ Naja…“- Sein Gegenüber zuckte wieder mit den Schultern und zwischen seinen Augen bildete sich eine tiefe Furche. „ Die Bedingungen wären ideal und wir könnten unseren Energiehaushalt um 10-15 Prozent in nur einem halben Jahr steigern.“
„ 10-15 Prozent?“
„ Ich weiß, das klingt jetzt nicht besonders viel; aber es wird sich in nur zwei Jahren rentieren“, verkündete Radek stolz. „ Wir könnten dadurch Energie des ZPMs einsparen. Und so könnten wir im Falle eines überraschenden Angriffs den Schild länger aufrechterhalten; fast um das Doppelte!“
Den Wissenschaftler und dessen PC skeptisch beäugend, lehnte sich Evan wieder zurück. „ Sie sollten das lieber mit Dr. Weir noch einmal besprechen“, meinte er. „ Sie und die anderen werden in drei Stunden zurück erwartet und ich bin mir sicher, dass sie und Dr. McKay die besseren Ansprechpartner sind.“
Radek seufzte. „ Jaja, Sie haben wahrscheinlich recht.“ Er schaltete seinen Computer aus und wandte sich nun endlich seinem vollbeladenen Tablett zu. „ Wissen Sie…“, setzte er an, schob sich eine Gabel Rührei in den Mund und schmatzte weiter, „… das ich das ziemlich unfair finde? Ich hätte das Team begleiten sollen! Rodney hat fast seinen gesamten Wissenschaftsstab mitgenommen- nur mich nicht.“
„ Vielleicht weiß er, dass Sie während seiner Abwesenheit gut auf die Stadt aufpassen?“, spekulierte Evan.
„ Pah“, machte Radek und verteilte dabei etwas Rührei über die Tischplatte. „ Dieser Mensch hasst mich. Ich meine, er hasst mich wirklich! Und ich kann nicht verleugnen, dass das nicht auf Gegenseitigkeit beruht! Arbeiten Sie mal tagein tagaus mit einer solch exzentrischen Person zusammen!“
„ Gott bewahre“, lachte Evan. „ Ihre Chance wird eines Tages kommen, Radek. Stellen Sie sich nur einmal vor, wenn wir dieses Schiff im Kampf gegen die Wraith nutzen könnten!“
„ Das wäre gut“, überlegte Radek laut. „ Trotzdem will ich es beim nächsten Mal…“

Der schrille Alarm eines eingehenden Wurmlochs und Sergeant Chucks Stimme, die krächzend aus Evans Headset erklang, unterbrach den Wissenschaftler. „ Ungeplante Aktivierung von außen, Sir“, verkündete der Tortechniker das Offensichtliche.
„ Ich komme sofort.“ Evan verfrachtete die leere Wasserflasche auf sein Tablett und schob seinen Stuhl zurück.
Radek Zelenka erhob sich ebenfalls. „ Ich werde Sie begleiten, wenn Sie nichts dagegen haben. Ich werde noch einige Systeme anpassen müssen, bevor wir dieses Programm in Angriff nehmen können.“ Er wirkte sehr zuversichtlich, dass seine Idee wirklich in die Tat umgesetzt werden würde, also ließ ihn Evan bei diesem Gedanken. Er hatte sowieso gerade etwas anderes im Sinn; wer um alles in der Welt versuchte da nach Atlantis zu kommen? Sie erwarteten in den nächsten drei Stunden niemanden…


Chuck, der sympathische kanadische Tortechniker, erwartete ihn bereits ungeduldig. Wie ein Stehaufmännchen in Uniform fuhr er von seinem Stuhl hoch, als Major Lorne in den Kontrollraum gejoggt kam. Er hatte ein erschreckend ernstes Gesicht aufgesetzt und in Verbindung mit der Tatsache, dass sich Marines im Gateraum postiert hatten, malte sich Evan das Schlimmste aus.
„ Was ist hier los, Sergeant?“, verlangte Evan zu wissen, in den Gateraum hinab blickend. Jeweils drei Marines flankierten das aktivierte, aber durch den Schild geschützte Gate. Kleinere Erschütterungen ließen den Schild immer wieder aufflackern.
„ Ich weiß es nicht, Sir“, antwortete Chuck.
„ Haben wir einen ID-Code?“
„ Nein, Sir.“
„ Halten Sie den Schild aufrecht, Sergeant“, befahl Evan. „ Wer auch immer das ist wird uns irgendwann kontaktieren.“
„ Jawohl, Sir.“ Chuck setzte sich wieder, schoss aber nach wenigen Sekunden wieder hoch. „ Wir haben eine Funkverbindung, Sir!“
Evan straffte die Schultern und trat auf den kleinen Vorsprung, blickte auf den Gateraum hinab. „ Hier spricht Major Evan Lorne …“
„Deaktivieren Sie den Schild“, donnerte eine Stimme aus den Lautsprechern.
„ Ma’am?“, rief Evan überrascht aus, trat einen Schritt zurück in den Kontrollraum. Er sah zu Chuck und Zelenka, doch die beiden zuckten nur mit den Schultern- scheinbar waren sie genauso überrumpelt wie er es war. „ Wir hatten Sie nicht…“ Evan hatte gerade angefangen zu reden, als ihm seine Vorgesetzte schon wieder ins Wort fiel.
Deaktivieren Sie den Schild, verdammt noch mal!“ Elizabeth Weirs Stimme klang aufgebracht, zugleich ein kleines bisschen panisch, aber auch wütend. „ Sofort! Das ist ein Befehl, Lorne!“
‚Was zur Hölle ist da bloß los?’, dachte Evan; in ihm schlug es Alarm und er wirbelte herum. „ Sie haben sie gehört, Sergeant! Deaktivieren Sie den Schild, los!“

Sergeant Chuck hastete zurück zum DHD und kaum dass er mit geschickten Handgriffen den Schutzschild deaktiviert hatte, sprangen erste Funken durch den Ereignishorizont. Evan eilte auf den kleinen Steg, der Dr. Weirs Büro mit dem Kontrollraum verband und starrte in den Gateraum hinab. Seine stahlgrauen Augen weiteten sich, als er sah, wie die Marines mit lauten Rufen glühenden Metallteilen und Feuerbällen auswichen, die das durch den Ereignishorizont donnerten und in die Treppe einschlugen, die hinauf in den Kontrollraum führte.
„ Was zur Hölle…“, hörte Evan Zelenka fluchen, doch der Rest des Satzes des Tschechen ging in einem spitzen Schrei unter, ausgestoßen von einer jungen Frau, die durch das Gate stolperte. Von hier oben aus konnte Evan ihr Gesicht nur schemenhaft erkennen, doch seine Sehkraft reichte aus, um zu erkennen, dass sie verletzt war. Sie trug eine Wissenschaftsuniform; zerrissen, an manchen Stellen von Feuer versenkt.
„ Walters“, rief Evan einem der Marines zu, der die junge Frau daraufhin beiseite schaffte- genau in dem Augenblick, als weitere Personen den Ereignishorizont passierten. Evan versuchte sie zu zählen, doch bald gab er es auf; es wurden immer mehr. Manche rannten durch das Gate, andere stolperten, wieder andere krochen oder fielen oder wurden geschleudert.
Lautes Stimmengewirr erfüllte den Gateraum, in dem es nun langsam immer enger wurden. Die Personen drängten dicht aneinander; die meisten waren verletzt und sahen sich mit vor Panik aufgerissenen Augen um. Ein paar Wissenschaftlerinnen brachen zusammen, Tränen strömten über ihre verrußten Gesichter und sie schlugen sich die Hände vor die Augen.
Es wurde immer lauter und das Gewimmel immer unübersichtlicher. Noch immer kamen Personen durch das Gate, begleitet von einem starken Funkenflug und brennenden Trümmerteilen.

‚ Verdammt’, fluchte Evan. Er ließ seinen Blick über die panikerfüllte Menge schweifen… und entdeckte mittendrin eine Frau mit schulterlangen dunklen Locken; sie blickte mit ihren grünen Augen zurück auf das Gate, aber dann schien zu merken, dass er sie beobachtete und wandte sich um.
„ Major!“ Elizabeth Weirs Gesicht war verdreckt von Ruß, ihre Augen waren verweint. Ihre Haare fielen zerzaust auf ihre bebenden Schultern… und sowieso machte sie einen furchtbar mitgenommenen Eindruck. Sie sah anders aus, als Evan sie in Erinnerung hatte, doch das war ihm egal. Er stieß sich mit beiden Händen von dem Geländer ab, wollte hinab in das Gewühl, aber sein gesunder Menschenverstand hielt ihn davon ab. Ruckartig blieb er auf der obersten Treppenstufe stehen. Er war doch nicht so wahnsinnig, sich da unten hinzubegeben, oder etwa doch?
Evan kämpfte mit sich, hielt währenddessen den Blickkontakt zu Elizabeth. Panik stand in ihre grünen Augen geschrieben und ihre Mundwinkel zuckten vor unterdrückter Angst. Was war nur auf diesem Schiff passiert, das es die Menschen schreiend zurück nach Atlantis getrieben hatte?

Wieder kam jemand durch das Gate gestolpert; es war eine kleinere Gruppe und Evan musste nicht einmal genau hinsehen, um zu wissen, um wen es sich dabei handelte- Dr. Rodney McKay und Col. Carter taumelten in die Menge hinein, gefolgt von Daniel Jackson und dessen schwarzhaariger Begleitung (Evan hatte ihren Namen vergessen- irgendetwas mit ‚V’).
„ Elizabeth!“, krächzte Dr. McKay und wankte durch die Menge auf die Expeditionsleiterin zu. Sein Gesicht war ebenfalls verrußt und er schnappte nach Luft.
Elizabeth Weir stürmte dem Wissenschaftler entgegen, kaum dass er sie gerufen hatte. Doch nein! Irgendwer aus der Menge rief ihren Namen und sie blieb stehen, wandte sich suchend um. Ihr Kopf drehte sich in die Richtung, aus der man ihren Namen gerufen hatte.
Evan kniff seine Augen zusammen und musste sich sehr anstrengen, um zu erkennen, wem die Expeditionsleiterin da entgegenblickte und wer sie gerufen hatte.
„ Elizabeth“, wurde ihr Name da erneut gerufen und Evan machte eine sichtlich aufgebrachte Teyla Emmagan aus, die direkt auf Dr. Weir zusteuerte. Die beiden Frauen strebten aufeinander zu und Dr. Weir fing die Athosianerin ab, bevor diese an ihr vorbeistürmen konnte, zurück zum Gate.
„ Teyla, nein!“, klang das geradezu panische Flehen der Expeditionsleiterin in Evans Ohren. Sie hielt Teyla mit all ihrer Kraft zurück. „ Das wäre Selbstmord!“
„ Elizabeth, ich muss zurück“, weinte die Athosianerin verzweifelt und dicke Tränen tropften aus ihren braunen Augen. „ Ich kann ihn nicht… Bitte, Elizabeth! Er ist noch… Bitte!“
„ Ich kann nicht.“ Elizabeth Weirs Stimme ging in dem Geschrei der anderen fast unter und sie schüttelte traurig mit dem Kopf.
„ Aber, John… er ist noch… wir können ihn nicht zurück lassen. Bitte, lassen Sie mich. Bitte!“
„ Ich. Kann. Es. Nicht“, beharrte Elizabeth, aber man konnte ihr ansehen, wie schwer es ihr fiel und wie sehr sie mit sich selbst zu kämpfen hatte. „ Es wäre zu gefährlich, Teyla!“

In den nächsten zehn Sekunden geschahen zwei Dinge, mit denen wohl niemand so wirklich gerechnet hatte. Erstens fiel das Wurmloch mit einem lauten Knall in sich zusammen, das Gate aktivierte sich und die zuvor in einem hellen Blau erstrahlten Chevrons erloschen von einer Sekunde zur nächsten. Ein lautes Murmeln ging durch die Menge. Hier und da keuchten manche erschrocken auf und wichen zurück. Andere wiederum starrten mit heruntergeklappten Kinnladen auf das Gate.
Dr. Weir fing Teylas Sturz ab, die schluchzend in ihren Armen zusammenbrach. Dr. McKay ließ seinen PC fallen und machte einen verzweifelten Schritt auf das vollkommen ruhig daliegende Gate zu.

Und zweitens bemerkte Evan, dass etwas nicht stimmen konnte. Er bemerkte es nicht nur an den feinen Unterschieden, die ihm an manchen Personen auffielen; Dr. Weir erschien ihm blasser als zuvor und ihre braunen Haare waren länger. Dr. McKay wirkte noch unausstehlicher als sonst. Und Teyla war…
Nein, nein, nein. Irgendetwas musste auf der anderen Seite des Gates, oben an Bord des Schiffes, passiert sein- zu diesem Schluss kam Evan, während er beobachtete, wie die Athosianerin in Dr. Weirs Arm mit einer Hand über ihren Bauch strich, der sich selbst unter ihrem weiten Top nicht mehr verbergen ließ. Irgendetwas, wovon er und die anderen in Atlantis nichts geahnt hatten!

ooOOoo

...Eine halbe Stunde zuvor...


'Es ist Atlantis!' Rodneys Worte hallten noch immer in seinem Kopf und prallten an seinen Gehirnwänden ab wie ein kleiner weißer Pingpongball. Allein der Gedanke ließ ihm schwindelig werden und löste bei ihm eine Welle von Emotionen los.
Atlantis. Das Wort wirbelte zuerst ganz allein durch die Leere in seinem Verstand und verursachte gleich darauf einen dumpfen, pochenden Schmerz an seiner rechten Schläfe. Sein Kopf sank auf seine Brust und er fasste sich an die Stirn.
Irgendwie konnte er es nicht glauben. Sollte Rodney tatsächlich recht haben würden sie nach Hause zurückkehren! Nach Atlantis! Und das schon sehr bald! Er konnte es nicht glauben...

Warum ausgerechnet jetzt? Warum hatte es so lange gedauert, bis sie ihren Weg zurück gefunden hatten? Es waren Monate vergangen, in denen sie ziellos durch die Weiten des unendlichen Universums gestreift waren. Monate! Entfernt erinnerte er sich an Rodneys Worte, dass die Zeit für sie anders voranschritt, als sie es vielleicht in Atlantis tat. Es konnte gut sein, dass man sie daheim noch gar nicht vermisste oder dass man ihrer aller Posten schon neu besetzt hatte. Ob sie alle in diesem Falle wohl ein anständiges Begräbnis erhalten hatten? Er wollte ja immer auf einer grünen Wiese begraben werden. Völlig unkompliziert.
Vielleicht waren in Atlantis erst Stunden oder Tage vergangen, doch für sie hier, an Bord der Artemis, waren fast acht Monate vergangen- und in diesen langen acht Monaten war so viel passiert. Es war möglicherweise zu viel passiert! Wie sollte es denn jetzt nur weitergehen, wenn sie nach Atlantis zurückkehrten? Was, wenn daheim wirklich nur einige Stunden vergangen waren? Das Leben aller –hier auf der Artemis und daheim in Atlantis- würde aus den Fugen geraten. Zwei Welten würden aufeinander prallen; zwei Welten die einander nicht verstehen würden.

Erneut wallten in ihm die Emotionen auf und der Druck, der seinen Kopf zu zerreißen drohte, verstärkte sich. Warum nur, war alles so kompliziert? Den seltsamen Gedanken im Hinterkopf, dass es ihm hier auch ganz gut gefallen hatte, klammerte er sich mit den Händen an die Tischplatte und schloss nachdenklich seine Augen. Nicht alles, was auf diesem Schiff passiert war, war schlecht gewesen. Nein, das konnte man nicht sagen! Es wäre falsch nur von einem Unglücksfall zu sprechen, denn das war es nicht…
Ein verzweifelt klingendes Seufzen stahl sich über seine Lippen und nach ein paar Sekunden, in denen er in seinem Inneren wild mit sich diskutierte, öffnete John widerwillig die Augen. Es bot sich ihm noch immer dasselbe Bild wie zuvor: Rodney stand mit Elizabeth zusammen und die beiden hatten sich über die Konsole gebeugt, inspizierten sie neugierig und nickten abwechselnd oder schüttelten verneinend mit dem Kopf.
Den Soldaten interessierte das nicht. Er war noch immer mit der Nachricht beschäftigt, dass es vielleicht nicht mehr lange dauern würde, bis sie nach Hause zurückkehren könnten. Nach Hause…

Sein Magen wand sich in seinem Inneren und seine Handgelenke wurden weiß- so sehr klammerte er sich an die Tischkante. Warum fühlte er sich nur zu mies, wenn er an... Atlantis dachte? Es war in den letzten dreieinhalb Jahren sein zu Hause gewesen und er hatte sich dort sehr wohl gefühlt.
Je mehr John darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass sich nun etwas anderes in ihm regte und dieses Etwas war stark daran, sich zwischen ihn und Atlantis zu drängen. Atlantis war sein zu Hause, doch hier hatte er das erlebt, wozu es in Atlantis vielleicht nie gekommen wäre. Lag es möglicherweise daran, dass er zweifelte?

Es fiel ihm nicht schwer, den Blick von Elizabeth und Rodney zu lösen, als eine samtweiche Hand seinen Arm hinab strich und sich schmale Fingern mit den seinen verschränkten. Teyla stand neben ihm und hatte ihren Blick aufmerksam in die Richtung ihrer beiden Freunde gerichtet, doch schon bald merkte sie, dass er sie ansah. Sie lächelte kurz, ehe sie sich zu ihm drehte und ihn durch ihre tiefbraunen Augen ansah.
John musste neidlos zugeben, dass sie umwerfend aussah. Ihr Gesicht strahlte Zuversicht aus und im Gegensatz zu ihm, schien sie sich zu freuen, dass sie bald zurückkehren würden. Was auch nur verständlich war, schließlich waren für sie Monate vergangen, in denen sie ihr Volk nicht gesehen hatte. Das war schwer für sie gewesen und sie hatte es auch immer wieder betont. Auch für sie hatte sich in diesen acht Monaten viel verändert.
Teyla hatte ihre Finger liebevoll mit seinen verschränkt, aber ihre andere Hand lag locker über der anderen ‚Veränderung’, die einer der vielen positiven Aspekte war, die dieses Abenteuer mit sich gebracht hatte. John streckte seine Hand aus und legte sie auf ihren, sich unter ihrem Shirt wölbenden Bauch, wie er es schon sooft getan hatte. Das Baby strampelte leicht und der Soldat spürte die Bewegungen unter seiner Hand.
Bei dem Gedanken, dass es sein Kind war, das da unsichtbar heranwuchs, musste er schlucken. Schon jetzt konnte er es kaum erwarten, bis es endlich soweit war und er dieses kleine Wesen in den Armen halten konnte. Schon jetzt verspürte er einen unüberwindbaren Drang das Baby und seine Mutter zu beschützen.
Er sah Teyla an und wusste sofort, dass sie das Gleiche dachte wie er.

„ Wir müssen versuchen sie anzuwählen“, riss Elizabeths entschlossene Stimme John aus seiner Starre, die ihn immer überfiel, wenn er mit seinen Gedanken woanders war. Die Expeditionsleiterin stand Rodney nun gegenüber und hatte die Hände in die Hüften gestemmt.
„ So einfach ist das aber nicht.“ Rodney schüttelte vehement mit dem Kopf und erst jetzt, als er sich in seine Richtung drehte, bemerkte John den ernsten Ausdruck, der im Gesicht seines Freundes lag. Tiefe Furchen bildeten sich auf der Stirn des Kanadiers und seine erregten, blitzenden blauen Augen verrieten, dass etwas nicht so lief, wie er es angenommen hatte.
„ Irgendetwas stimmt nicht“, platzte es völlig unbeabsichtigt aus John heraus. Seine Freunde sahen ihn an; Rodney machte den Eindruck, als hätte er nicht geglaubt, dass der Soldat ihm tatsächlich zugehört hatte. Aber dann fing es langsam an zu nicken.
„ Soll das heißen, dass wir nicht nach Atlantis zurückkönnen?“, fragte Teyla. Ein leichter Anflug von Angst und Panik lagen in ihrer Stimmen und sofort drückte John ihre Hand fest. Er wollte nicht, dass sie sich Sorgen machte.
Rodneys lang gezogenes Seufzens ließ auf nichts Gutes schließen und seine angespannte Miene ebenso wenig. „ Es ist schwierig“, sagte er nur.
„ Warum ist es schwierig?“ Elizabeth schüttelte mit dem Kopf, während sie versuchte dem Kanadier zu folgen. „ Das verstehe ich jetzt nicht. Es hat doch sonst auch immer geklappt- warum dieses Mal nicht?“
„ Falsch“, rief Rodney aus, reckte besserwisserisch den Finger in die Höhe. „ Hier muss ich Sie leider korrigieren. Nicht wir haben die Planeten angewählt- soweit ich mich erinnern kann, war es immer das Schiff gewesen.“
„ Und weshalb wählt die Artemis Atlantis nicht an?“, erkündigte sich John stirnrunzelnd. „ Das ergibt doch keinen Sinn.“ Er sah sich in der kleinen Runde um, zu der auch noch Ronon gehörte, der sich bis jetzt allerdings aus der Unterhaltung heraus gehalten und eisern geschwiegen hatte. „ Die Artemis ist lantianischer Herkunft, ein Versorgungsschiff der Antiker; warum in alles in der Welt sollte man von hier aus nicht Atlantis anwählen können?“
„ Vielleicht hat sie einfach keine Lust“, murmelte Ronon nun doch, wohl eher unüberlegt. Als Rodney ihn jedoch entgeistert anstarrte und dann zu schnipsen begann, wurde dem Sateder die mögliche Bedeutung seiner Aussage bewusst. „ Was denn? Was hab’ ich denn gesagt?“
Rodney hatte sein nervöses Schnippen beendet, wedelte aber nun mit seinem Finger wie wild in der Luft herum. „ Erinnern Sie sich, wie ich sagte, dass dieses Schiff ein neutrales Interface hat?“ Die Frage war an John gerichtet.
„ Und ich sagte, dass es nicht funktioniert hat“, entgegnete der Soldat; nur er wusste, dass es sich dabei um eine faustdicke Lüge handelte. Er hatte Kontakt mit dem Schiff aufgenommen. Nur leider schien die Artemis damals nicht gewillt ihm zu helfen. Sie hatte ihm Informationen gegeben, doch die hatten damals nur ihm weitergeholfen.
„ Dann versuchen Sie es halt noch mal“, beharrte Rodney fixiert. „ Es muss doch einen Grund geben, dass…“
„ Und was, wenn es gar nicht an dem Schiff liegt?“, warf Teyla nachdenklich ein. „ Es könnte doch auch an etwas anderem liegen, nicht wahr? Vielleicht an irgendeinem Fehler im System.“
„ Das finde ich noch nicht einmal so abwegig“, pflichtete Elizabeth der Athosianerin bei und sich an Rodney wendend sagte sie: „ Sie meinten doch selber, dass das System noch nicht ganz so läuft, wie vorher.“
„ Jaja, genau. Sie sagten, dass sich das System noch mit den ganzen Koordinaten schwer tut“, erinnerte sich John. „ Vielleicht spinnt das System nicht nur da ein bisschen.“
Rodney wollte ihm etwa erwidern und öffnete seinen Mund, schloss ihn aber gleich darauf wieder. Er schien nachzudenken, dann lockerten sich seine Gesichtszüge ein wenig, wurden aber sofort wieder todernst. Er kniff die Lippen aufeinander, hob seinen Kopf und John spürte den intensiven Blick seines Freundes in seinem Gesicht.
‚Grundgütiger’, fuhr es dem Soldaten durch den Kopf. „ Nein, das kann nicht sein, Rodney“, konterte er sofort. ‚Obwohl es eine Möglichkeit ist’, fügte er im Stillen hinzu.
„ Ich fürchte, dass wir es in Betracht ziehen müssen“, seufzte Rodney.
Elizabeth fuhr dazwischen. „ Wovon sprechen Sie beiden eigentlich, wenn ich fragen darf?“
„ Von dem Peilsender“, antwortete John knapp. Ein beengendes Gefühl machte sich in seinem Brustkorb breit.
„ Larrin hat ein Programm darauf geladen, mit dem sie sämtliche Systeme von Atlantis lahm legen wollte“, fuhr Rodney erklärend und gestikulierend fort. „ Leider hat sie nicht damit gerechnet, dass wir sie auf dieses Schiff führen, doch der Plan, die Systeme zum Erliegen zu bringen, hat auch hier funktioniert. Eine Art Virus- wir haben eigentlich darüber gesprochen- hat sich in das System geschlichen. Sie wissen ja gar nicht wie viel Mühe mich das gekostet hat, die Updates durchzuführen.“
„ Wollen Sie damit andeuten, dass ein Rest dieses… Virus das System noch immer… unter Kontrolle hat?“, fragte Elizabeth leise.
Rodney verneinte sofort. „ Es gäbe allerdings eine Möglichkeit. Es könnte etwas von dem Virus zurückgeblieben sein, wenn…“
„… wenn etwas von dem Peilsender übriggeblieben ist“, beendete John den Satz.
„ Aber Carson hat nichts gefunden“, sagte Teyla. „ Er hat dich untersucht. Da war nichts mehr.“
„ Wer sagt denn, dass es nur einen Peilsender gab?“ Auf Johns Frage hin, drehten sich seine Freunde zu ihm um.
„ Was meinen Sie damit?“, wollte Rodney wissen. „ Das es noch einen zweiten Peilsender irgendwo auf dem Schiff gibt? Das ist doch unmöglich; wir hätten ihn gefunden.“
„ Irgendwo hätten sie ganz einfach eine zweite Konsole anschließen können, nicht wahr?
Der Kanadier nickte. „ Worauf wollen Sie hinaus? Oh… Moment… sagen Sie es mir nicht!“ Er kniff die Augen zusammen und riss sie dann wieder auf. „ Nein, nein, nein, das kann nicht sein! Diese Idee… die ist ganz furchtbar dämlich, mein lieber Colonel. Vergessen Sies am besten gleich wieder!“
„ Rodney“, mahnte Elizabeth ihn. „ Lassen Sie John doch bitte Zeit uns zu sagen, was für eine Idee er hat.“
„ Die wird Ihnen sicher nicht gefallen“, murmelte der Kanadier, „ aber wenn Sie darauf bestehen, bitte.“ Er verschränkte demonstrativ kritisch die Arme vor der Brust.
Die Expeditionsleiterin hob ihre Augenbrauen erwartungsvoll in Johns Richtung. „ John?“
„ Ich kenn’ mich wirklich nicht gut in diesen ganzen Sachen aus, Elizabeth“, begann er ihr zu antworten, „ aber ich vermute- ich vermute nur-, dass Larrin den Sender, die Konsole oder was auch immer in einem Raum untergebracht hat. Er liegt nur zwei, drei Ebenen unter dem Gaterium…“
„… und ist außer ein paar nachlässig durchgeführten Strahlenmessungen noch ein unerforscht“, plapperte Rodney sarkastisch. „ Es waren ziemlich schlampige Messungen, wenn Sie mich fragen, aber mir gefällt trotzdem nicht, was ich da sehe. Die Strahlung ist höher, als der menschliche Organismus ihn ertragen könnte.“ Vorwurfsvoll blickte er in Johns Richtung. „ Selbst wenn Sie es schaffen, dieses Was-auch-immer zu deaktivieren- es wird sie innerhalb einer Minute grillen!“
„ Klingt für mich nicht gut“, murmelte Ronon kopfschüttelnd.
„ Wir müssen es versuchen.“ John biss sich auf die Unterlippe; was tat er da eigentlich? Hatte er nicht aufhören wollen, immer sein Leben zu riskieren? Todesursache: gegrillt wie ein Brathähnchen- sehr ermunternd.
Doch es musste sein. Sie alle mussten zurück. Sie alle wollten wirklich zurück. Er wollte zurück; es war an der Zeit, dass er dieses Schiff und damit dieses Abenteuer hinter sich ließ. Er wollte zurück, damit sein Kind seine Heimat kennen lernte… und nicht dieses Schiff.

„ John!“, rief Teyla aus, klammerte sich an seinen Arm. Ihre braunen Augen zuckten aufgeregt in den Höhlen hin und her. Mit ihren zitternden Lippen formte sie ein wortloses ‚Nein’ und dann noch eines.
Schwer seufzend schloss der Soldat seine Augen und nachdem er sich Mut zugesprochen hatte, öffnete er sie wieder. „ Sagen Sie mir, was ich tun muss, Rodney, und ich werde weniger als eine Minute brauchen.“
Der Wissenschaftler warf die Hände in die Luft. Sein Blick war verständnislos. „ Ich versteh’ Sie einfach nicht. Hören Sie…“ Er seufzte tief, „… wenn Sie es wirklich machen, dann sind Sie wahnsinnig, aber das muss ich Ihnen wohl nicht sagen, oder?“
John verdrehte die Augen. „ Vielen Dank für die Aufmunterung, Rodney.“
„ Selbst wenn Sie es unter einer Minute schaffen, könnten gesundheitliche Probleme auftreten… schwerwiegende.“ Rodney unterstrich mit einer dramatischen Handbewegung.
„ Von was für Auswirkungen reden wir hier?“, verlangte Elizabeth zu wissen.
Rodney schnalzte mit der Zunge, bevor er auf Teylas Bauch hinab sah und fragte: „ Sie haben nicht rein zufällig über weiteren Nachwuchs nachgedacht, oder? Das könnte dann nämlich schwierig werden. Nicht, dass ich darüber nicht froh wäre- sie wissen schon, was ich meine.“
„ Rodney...“ John sog scharf die Luft ein. „… sagen Sie mir einfach nur, was ich machen soll, okay?“

ooOOoo


Ein paar Minuten und die eine oder andere Diskussion später fand sich John mit Rodney allein wieder; sie beide waren auf dem Weg zum Reaktorraum, wie Rodney den von John beschriebenen Raum bezeichnete. Der Kanadier redete fast pausenlos seit sie losgegangen waren, doch John war mit seinen Gedanken nicht wirklich bei der Sache.
‚Es wird Sie innerhalb von einer Minute grillen’, hallten Rodneys warnenden Worte in seinem Kopf wieder. Sah so aus, als konnte er das mit der grünen Wiese doch vergessen.
‚ Reiß dich zusammen, Mann’, schimpfte John leise mit sich selbst. Er hatte nicht vor, so seinen Tod zu finden. Nein. Er würde das schon hinbekommen- unter einer Minute- und es würde auch nichts schief gehen. Er hatte ein gutes Gefühl und er ignorierte es geflissentlich, dass er sich in Bezug auf dieses Gefühl schon mehr als einmal getäuscht hatte. Heute würde es anders werden- das wusste er einfach!
John reckte sein Kinn nach vorne. Da unten waren siebzig Personen, die nur darauf warteten, dass er Erfolg hatte und sie so nach Hause bringen würde. Er hoffte inständig, dass er mit seiner Annahme nicht falsch lag und dass das Schiff nicht, bevor er es geschafft hatte, in den Hyperraum sprang.

Rodney und er blieben stehen, starrten den vor ihnen liegenden dunklen Gang entlang. John erinnerte sich entfernt an diesen Abschnitt- ja, er war hier schon einmal gewesen. Da- da hinten lag noch immer das Trümmerteil, das Teyla um ein Haar zerquetscht hätte. Dunkle Erinnerungen kamen in ihm auf, John schluckte nur.
„ Ist es das?“, fragte er, auf eine schwere und verschlossene Eisentür deutend.
„ Ja, das ist es“, antworte Rodney zögerlich. Er reichte ihm seinen Tablettlaptop und zeigte erklärend auf eine Abbildung. „ So müsste der Hauptreaktor aussehen. Wenn diese Larrin so gerissen war, wie Sie sagen, dann wird sie es daran angeschlossen haben. Wenn nicht, dann müssen Sie suchen.“
John erwiderte ihm sarkastisch: „ Das wird dann aber länger dauern als eine Minute.“
„ Hey, ich hab’ gleich gesagt, dass das keine gute Idee ist“, verteidigte sich Rodney. „ Aber nein, Sie müssen mal wieder den großen Helden spielen.“
„ … und rette damit Ihren Hintern“, fügte John hinzu. Tief Luft holend nahm er den PC entgegen. Er sollte sich lieber beeilen, als jetzt noch melodramatisch zu werden.
„ John“, schallte Rodneys Stimme hinter ihm her und als er ein Blick zurück war, sah er den Wissenschaftler unschlüssig im Korridor stehend. „ Kann ich noch ein paar Worte sagen?“
Der Soldat drehte sich vollständig zu ihm um. „ So lange Sie es schnell machen, wir haben nämlich nicht den ganzen Tag Zeit.“
„ Tun Sies nicht; das ist Selbstmord“, platzte es unkontrolliert aus seinem Freund heraus.
Verblüfft von Rodneys ‚Ausbruch’, verlangte es einige Sekunden, ehe John wieder einigermaßen klar denken konnte und dann so trocken es ging erwiderte: „ Tja, das hätten wir uns vorher überlegen müssen, mein Freund.“
„ John?“, versuchte Rodney es ein zweites Mal.
„ Ja, Rodney?“
„ Passen Sie auf sich auf.“
John schmunzelte schwach. „ Ich werde versuchen, mich nicht grillen zu lassen.“

Mit diesen Worten ließ er Rodney allein im Korridor stehen, klemmte sich den Tablettlaptop unter den Arm und marschierte los. Er war sich seiner Sache nicht mehr so sicher wie noch vor ein paar Minuten, doch er wusste, dass es getan werden musste.
Sein Herz pumpte wild in seinem Brustkorb und als John die geschlossene Eisentür erreichte, glaubte er, dass es stehenblieb. Er drehte sich um, doch Rodney war bereits verschwunden. War vermutlich auch besser so…
John holte tief Luft und atmete geräuschvoll aus und legte dann seine Hände an die Tür. Warum konnte ausgerechnet dieses Ding hier nur manuell geöffnet werden?
Weil da hinter ein mit Strahlen verseuchter Raum liegt, antwortete ihm eine verquäkte Stimme.
„ Richtig“, murmelte er brummelig, „ hab’ ich doch glatt vergessen.“ Die Tür öffnete sich mühelos, als er sich mit seinem Körpergewicht dagegen stemmte. Nach kurzem Zögern betrat John den Raum und kam zu dem Schluss, dass Rodney mit seiner Aussage von ‚schlampigen Messungen’ nicht übertrieben hatte. Was auch immer da unsichtbar in der Luft lag und munter vor sich hin strahlte- es trieb ihm die Tränen in die Augen.
John wischte sich mit seinem Hemdsärmel über die Augen und schritt dann voran. Er hatte keine Zeit, um lange nachzudenken- sechzig Sekunden liefen.
Okay, okay- kein Grund zur Hektik. Er musterte Rodneys Beschreibung eingehend und sah sich dann in dem dunklen Raum um, nur um wenige Sekunden später erleichtert aufzuseufzen. Das Objekt der Begierde lag direkt vor ihm und etwas Blinkendes war daran angeschlossen- etwas, was da ganz sicher nicht hingehörte.
‚ Ach, Larrin’, dachte er verbittert, als er auf den Reaktor zueilte und Hand anlegte.
Ein zischendes Geräusch, Schmerzen in den Fingern und der Geruch nach verbranntem Fleisch ließen ihn jedoch zurückzucken. John knurrte vor unterdrücktem Zorn und betrachtete seine verbrannten Finger. Heiße Sache.
Ein flüchtiger Blick auf seine Uhr verriet ihm, dass er sich beeilen und diesem Raum schnellstens verlassen sollte; seine Augen tränten nun pausenlos und seine Haut kribbelte unangenehm. Es gab also doch einen Grund, warum man diese Tür geschlossen hatte.
Grübelnd musterte John die fremdartige Konsole (wenn es überhaupt eine war) und seufzte dann. „ Ach, was soll’s“, murmelte er und zog seine 9mm. Schlimmer, als das er sofort, bei lebendigen Leib verstrahlt wurde oder in die Luft flog, konnte es ja nicht kommen. Nach kurzem Zielen donnerte die kleine Kugel aus dem Lauf der Waffe und schlug präzise da ein, wo er es erwartet hatte- genau zwischen zwei dieser vielen blinkenden Dinger, von denen er keine Ahnung hatte, was sie bedeuteten. Jedenfalls hörte sie auf zu blinken- sehr zu Johns Zufriedenheit.

Er steckte seine Waffe zurück in das Holster, betrachtete sein ‚Werk’ für ein paar Sekunden und drehte sich dann um, verließ den Raum so schnell es ihm möglich war. Ächzend lehnte er sich gegen die schwere Tür, schloss sie. Mit einem lauten ‚Rums’ flog sie zu und eine Stille legte sich über den Korridor. War es vorbei? Noch war gar nichts vorbei!
Johns Haut kribbelte und die Tränen strömten ihm unkontrolliert über seine heißen Wangen. Er blickte auf die Uhr; eine Minute war vorbei und er fühlte sich…gut. Er fühlte sich wirklich gut. Außer ein paar äußerliche Symptome. Gut. Er wollte nicht an die anderen ‚Konsequenzen’ denken, die Rodney angeführt hatte… nein, er wollte erst einmal zurück zu den anderen. Ja, das war eine wirklich gute Idee!
Er schnappte ein letztes Mal nach Luft und lief dann los. Begleitet wurde er nach wenigen Metern von einem ohrenbetäubenden Lärm, der ihm durchs Mark fuhr und ihn dazu veranlasste stehenzubleiben.
„ Ach, was denn jetzt?“, schnappte er. Das klang ganz und gar nicht gut!

ooOOoo


Einige hatten diesen Raum noch nie näher beachtet, geschweige denn hatten die ihn betreten. Und so war es nicht verwunderlich, dass Staunen auf den Gesichtern mancher Besatzungsmitglieder lag, als sich das majestätische Gate zu aktivieren begann und die Chevrons in einem satten Goldton aufleuchteten.
Er hatte es geschafft. Elizabeth schloss in stiller Erwartung ihre Augen und als sie sie wieder öffnete sah sie den gewaltigen Eregnishorizont golden schimmern. Nur noch er trennte sie und die anderen von Atlantis. Nach so vielen Monaten fühlte sich der Gedanke ein kleines bisschen fremd am. Wie man in Atlantis wohl auf ihre Rückkehr reagieren würde? Was würde man zu den Veränderungen sagen? Es schwirrten so viele Fragen in Elizabeths Kopf herum ein leichtes Ziehen in ihrer linken Schläfe kündigte Kopfschmerzen an. Doch zum ersten Mal war ihr das egal.

Sie stand auf der untersten Stufe der Treppe, die hinauf zum Gate führte, und ließ ihren wachen Blick über die Anwesenden schweifen. In den meisten Gesichtern lag Freude und Erwartung. Manche jedoch schnitten besorgte Grimassen und anderen schien das alles hier nicht geheuer zu sein.
Elizabeth bemerkte, dass sich die Menge gruppiert hatte; es waren Gruppen von jeweils zehn Leuten. Das war gut- so konnte man sie besser durch das Gate schleusen und verhinderte, dass Panik ausbrach.
„ Wir werden Sie in Gruppen durch das Gate führen“, fasste sie schließlich noch einmal das nunmehr Offensichtliche zusammen, in der Annahme, dass es vielleicht doch noch nicht alle mitbekommen hatten. „ Bitte bewahren Sie Ruhe und bleiben Sie in der Gruppe, die man Ihnen zugeteilt hat.“ Sie hielt einen Moment inne, um über die aufmerksam zuhörende Menge hinwegzusehen. Den Moment der absoluten Ruhe auskostend, fuhr Elizabeth dann mit sanfter Stimme fort: „ Ich weiß, dass es für manche von Ihnen plötzlich kommen mag, aber bitte… bewahren Sie Ruhe. Nur so können wir gewährleisten, dass alles reibungslos abläuft und…“ Sie kam nicht dazu ihre kleine obligatorische Rede zu beenden.

Ein lauter und schriller Alarm ertönte, der sie und die anderen zusammenzucken ließ. Die kleinen Leuchten, die die Stege säumten, auf denen all die anderen Besatzungsmitglieder standen, verfärbten sich in ein dunkles, bedrohliches Rot. Über die Seitenwände des Gateriums zog sich ein dunkler Schatten.
Elizabeth starrte erschrocken in die Dunkelheit über sich. Der Alarm gellte in ihren Ohren, war nun nicht mehr durchgehend, sondern kam schubweise, geradezu pulsierend. Es war ein lauter Ton, der einem durch und durch ging. In seiner Art und Weise erinnerte er an etwas, das Elizabeth in den letzten Jahren nur zu oft gehört hatte. Ihr Herz blieb stehen und beengendes Gefühl breitete sich in ihrem ganzen Körper aus, der sich daraufhin anspannte.
‚Nein’, dachte sie nur. Wieso musste es nur so enden? Mit vor Panik weit aufgerissenen Augen, aber nicht wirklich registrierend, was passierte, begann sie die Leute durch das Gate zu winken. Sie mussten hier weg! Und das schnell!

Eine junge Wissenschaftlerin stürmte los, hatte das Gate fast erreicht, als ein dumpfer Erdstoß sie zu Boden riss. Der Länge nach fiel sie zu Boden, ihr Armknochen gab unter dem Aufprall knacksend nach. Die junge Frau schrie auf, doch nicht wegen dem spitzen Knochen, der sich durch ihre Haut bohrte, sondern vielmehr wegen dem hellen, glühenden Etwas, dass von oben auf sie herabregnete und sich mit einem Zischen durch ihre Uniform fraß.
Hinter ihr hallten weitere Stimmen auf und Elizabeth beobachtete fassungslos, wie die Gruppen auseinander trieben, als der Boden unter ihren Füßen zu beben begann. Lautes Getöse brach los. Die Dunkelheit über ihren Köpfen wurde erschüttert von sich lösenden Metallteilen, die in hellen Feuerbällen auf die Menschen herabdonnerten und manche von ihnen brutal zu Boden riss.
Schnell war die Luft erfüllt von lauten, gequälten Schreien. Wehklagen und ängstliche Rufe zerrissen die Stille. Der Geruch von verbranntem Fleisch lag in der Luft.
„ Hier spricht Major Evan Lorne…“, drang es plötzlich aus ihrem Headset.
„ Deaktivieren Sie den Schild, Major“, krähte Elizabeth als Erwiderung, inständig hoffend, dass man sie auf der anderen Seite gehört hatte. Sie mussten hier weg, schnell.
Man hatte sie gehört. „ Ma’am?“ Evan Lornes Stimme klang aufrichtig überrascht, zugleich etwas verzerrt. „ Wir hatten Sie nicht…“

Elizabeth kreischte erschrocken auf, als sie etwas Großes und Glühendes auf sich zuschnellen sah. Ihre Muskeln spannten sich an und sie sprang einen halben Meter beiseite, wich dem herabsausenden Trümmerteil gerade noch rechtzeitig aus, bevor es dort aufschlug, wo sie noch eben gestanden hatte.
„ Deaktivieren Sie den Schild, verdammt noch mal“, herrschte sie in ihr Headset. Sie durften keine Zeit mehr verlieren! „ Sofort! Das ist ein Befehl, Lorne!“
„ Sie haben sie gehört, Sergeant“, hörte sie Evan Lornes Stimme gellen. „ Deaktivieren Sie den Schild, los!“

Elizabeth wartete nicht darauf, dass man ihr eine Freigabe gab. Wie im Trance griff sie nach der jungen Frau, die zu ihren Füßen lag, und zog sie hoch. „ Los, los, gehen Sie“, wies sie die vor Schmerzen wimmernde Frau an. Sie legte ihr einen Arm um die Taille und half ihr die verbleibenden Treppenstufen hinauf, ließ sie dann los. Die zitternden Beine der jungen Frau gaben unter ihrem Gewicht nach und sie stolperte stöhnend durch das Gate.
Voller Panik wirbelte sie herum und sah, wie Col. Mitchell begann die Leute in Richtung Gate zu schleusen. Die Gruppen waren so gut wie nicht mehr vorhanden, alle stürmten blind auf das Gate zu, wollten einfach nur noch weg hier.
Begleitet von panischem Geschrei lief Elizabeth die Treppenstufen hinab. Erst jetzt, wo alles so unübersichtlich war, bemerkte sie, dass ein paar Gesichter fehlten. Wo um alles in der Welt war John? Er hätte schon längst wieder hier sein müssen!
„ Rodney“, rief sie den Kanadier, als er von Col. Carter begleitet an ihr vorbeistürmte. „ Wo ist John?“ Doch sie erhielt auf ihre Frage keine Antwort; Rodney blickte sie zwar mit seinen blauen Augen groß an, wurde aber von der Menge mitgerissen, bevor er ihr etwas erwidern konnte.

Elizabeth spürte, wie ihr vor blinder Panik übel wurde. Die Menschen drängten sich an ihr vorbei in Richtung Gate, schrieen und jammerten vor Angst. Immer wieder wurde die Menge aufgewühlt, als neue brennende Trümmerteile inmitten von ihnen einschlugen. Dieses Schiff fiel auseinander- den Grund dafür kannte Elizabeth nicht, aber sie wusste, dass sie und die anderen keine Sekunde länger hier bleiben konnten.
Jemand bekam sie am Ärmel zu packen und ohne sich dagegen zu wehren, ließ sie sich von diesem Jemand mitreißen. Es war einfach nur ein heilloses Durcheinander; von allen Seiten wurde die angerempelt und schwere Militärstiefel traten ihre Füße platt.
Aber Elizabeth achtete darauf nicht. Nein, sie schloss ihre Augen, als sie auf der obersten Treppenstufe angekommen war, hielt sie geschlossen, als man sie mit durch das Gate zerrte. Sie öffnete sie erst wieder, als Major Evan Lornes Stimme sie erreichte.

Der Soldat stand mit geweiteten Augen oberhalb des lantianischen Gateraums, auf der Spitze der mit antikischen Zeichen versehenen Treppe, die hinauf in den Kontrollraum von Atlantis führte, und starrte in den Gateraum hinab, versuchte die neuen Eindrücke zu verarbeiten.
Elizabeth rief nach ihm, er hörte sie, sah sie an. Sie wollte zu ihm, wollte sich durch die Menge kämpfen, doch ein Gewicht, das sich an ihren Arm heftete, hinderte sie daran.
„ Teyla, nein!“, rief Elizabeth, packte die Athosianerin am Arm, hielt sie fest. Ihre Freundin war blind vor Tränen, wollte zurück stürmen, doch sie hinderte sie daran. „ Das wäre Selbstmord! Seien Sie nicht unvernünftig, bitte!“
Die Athosianerin flehte sie an, sie zurückzulassen, versuchte sich immer wieder loszureißen, doch Elizabeth wollte das nicht zu lassen. Je mehr Teyla versuchte freizukommen, desto fester packte sie sie. Sie konnte und durfte nicht zurück!

Es war ein Moment des Schreckens, als der Ereignishorizont mit einem lauten Knall zusammenfiel. Alle drehten sich in Richtung Gate, ein paar brachen zusammen, anderen strömten Tränen über die Wangen und wieder andere blickten einfach nur entgeistert drein. Was war geschehen?
Elizabeth schloss Teyla fest in ihre Arme, drückte den zitternden Körper ihrer Freundin eng an sich, als ein elektronisch klingender Alarm aus dem Kontrollraum die unheimliche Stille brach, die sich über den Gateraum gelegt hatte, und Sergeant Chuck- ein von Elizabeth sehr geschätzter Mitarbeiter- mit erstickter Stimme verkündete: „ Das Schiff, es… es…“
Er beendete seinen Satz nicht, aber jeder wusste, was er hatte sagen wollen: Das Schiff war zerstört worden! Warum, wusste niemand. Wieso, konnte keiner erklären. Irgendetwas war schief gelaufen, irgendetwas… war verdammt schief gelaufen!

TBC
Glühender Horizont by Ailya
I can finally see
That you right there beside me
Please don’t let me go
I desperately need you
Owl City - Meteor shower



Mit einem seligen Lächeln auf seinen blassen Lippen beobachtete Baku wie das Ungetüm in den Weiten des Alls seinen recht kurz währenden Kampf ums Überleben verlor. Regungslos lag es da, fast schon unschuldig und unbedeutend. Von hier aus betrachtet wirkte es nicht so furchterregend, wie man es ihm beschrieben hatte. Nein, es wirkte mehr unscheinbar; das dunkle Metall verschmolz mit der Finsternis des Weltraums.
Das Schiff betrachtend, fühlte Baku so etwas wie Bedauern, dass er den Befehl gegeben hatte, es zu zerstören. Großartige Technologie der Vorfahren schied dort draußen in der galaktischen Kälte dahin. Erbarmungslos fraß sich der rotglühende Feuerball durch die Schiffswände, riss jeden Widerstand nieder. Die Explosionen verlagerten sich durch das ganze Schiff, zerrissen es erst in zwei, dann in drei Teile, die langsam, aber unaufhörlich von einander wegdrifteten, hinaus ins All.
Die Gestirne schienen sie mit Jubel aufzunehmen; die Explosion glich einem Freudenfest. Der leere Raum wurde kurz erleuchtet, sonnte sich in der vergehenden Blüte der antikischen Kunst, hüllte sich dann jedoch wieder in ein bedrückendes Dunkel. Ein eiserner Vorhang des Schweigens legte sich über den Ort des Geschehens. Nur noch ein paar vereinzelt durch den Weltraum treibende Trümmerteile erinnerten daran, was für ein majestätisches Schiff sich seinen Weg durch Raum und Zeit gebahnt hatte.
Doch schon bald verloren sich die glühenden Haufen in der kalten Dunkelheit und allein das Leuchten der Himmelskörper blieb zurück. Es war vorbei; nichts erinnerte mehr daran, was geschehen war. Nichts erinnerte mehr daran, was gewesen war. Da war nur noch eine große Leere. Eine große Kälte. Und nicht enden wollende Finsternis.

„ Das war eine törichte Entscheidung.“ Baku drehte sich langsam um und starrte von der kleinen Erhebung, auf der er stand, auf das zarte Wesen hinab, das vor ihm auf dem Boden kniete und widerspenstig zu ihm aufblickte. Wild und ungezähmt blitzten die scharlachroten Augen, ihr blondes, lockiges Haar fiel zerzaust über ihre nackten Schultern und ihren Mund hatte sie bewusst angriffslustig zu einem schmalen, dunkelroten Strich zusammengepresst.
„ Du solltest nicht so engstirnig sein, meine Liebe“, tadelte er sie mit strenger Stimme und schritt galant die Stufen hinab. Besitzergreifend baute er sich vor ihr auf und blickte durch seine roten Augen auf sie hinab.
„ Es war ein Fehler“, knurrte sie. Vor lauter Wut und unterdrückter Verzweifelung bleckte sie ihre perlweißen Zähne. Ein Fauchen brach über ihre Lippen, welches Baku sofort, nur um einiges tiefer und bedrohlicher, erwiderte.
Mit seiner blassen Hand packte er die Fülle ihres blonden Haares und zerrte sie hoch. Sie wehrte sich gegen seine grobe Behandlung und versuchte sich aus seinem Griff zu winden, doch für ihre Anstrengungen hatte er nur ein müdes Lächeln übrig. „ Hör auf so rumzuzappeln“, zischte er und schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Ihr Kopf wurde von der Wucht des Schlages herumgerissen, doch es machte sie nur noch wütender.

Baku ignorierte ihr wildes Schnauben, drehte sich wieder um und starrte ins Weltall hinaus. „ Ohne dein unüberlegtes Handeln wäre es nicht soweit gekommen.“ Er spürte, wie seine bis jetzt unterdrückte Wut ihre Fesseln sprengte und schon in der nächsten Sekunde wirbelte er knurrend herum, machte einen Satz auf sie zu und bekam sie an ihrer Kehle zu packen. Mit aller Gewalt drängte er sie gegen die hinter ihr liegende Wand, presste seinen vor Zorn bebenden Körper gegen den ihren. „ Wir hatten einen Plan.“
Du hattest einen Plan, Baku“, erwiderte sie zischelnd. „ Ich hatte von Anfang an etwas gegen diesen Plan. Er war nicht gut durchdacht. Es war Irrsinn. Es hätte zu lange gedauert!“
„ Dein unbändiger Durst hat dich blind gemacht, meine Teure.“ Baku verstärkte den Druck auf ihre Kehle. „ Gefühle haben dich blind gemacht! Du weißt, dass wir Zeit haben, doch du konntest dein Verlangen nicht zügeln. Eine Verbindung zwischen unser beider Arten wird nie möglich sein und das weißt du genauso gut wie ich.“
„ Ich habe es wenigstens in die Hand genommen“, meinte sie aufmüpfig. „ Die Männer wurden ungeduldig.“
Baku lächelte verbittert. „ Ist das der Dank dafür, dass ich dir das Leben gerettet habe?“
„ Du brauchst mich.“
Er schüttelte mit dem Kopf. „ O nein, ich brauche dich nicht. Ich könnte dich jetzt auf der Stelle töten, wenn ich wollte. Aber ich weiß, dass du keine Gefahr mehr für mich darstellst.“

Baku ließ sie los und sie rutschte die Wand hinab. „ Schafft sie mir aus den Augen“, befahl er den zwei Männern, die die Tür des Raumes flankierten. Als sie Hand an die junge Frau anlegten, begann diese sich aus Leibeskräften zu wehren.
„ Damit wirst du nicht durchkommen, Baku“, fauchte sie erzürnt.
„ Das werden wir noch sehen, meine Liebe“, erwiderte er ihr mit einem süffisanten Lächeln. Nickend bedeutete er den beiden Wachen, dass sie sie wegschaffen sollten, doch sie hatten kaum die Tür erreicht, als er sie noch einmal zurückrief. Langsam richtete er sich auf. „ Weißt du, was dein Problem sein wird, Larrin? Noch einmal werden die Männer nicht so einem törichten Unterfangen folgen. Du hast ihnen gezeigt, was für eine schlechte Anführerin du bist.“ Baku schnippte mit den Fingern und seine Männer zerrten sie weiter. „ Und außerdem wirst du für sehr, sehr lange Zeit nicht mehr aus deiner Zelle heraus kommen.“
Larrin stemmte sich mit ihrem Gewicht gegen die beiden Männer, konnte dem ausgeübten Druck ein paar Sekunden lang standhalten. Wütend funkelte sie Baku mit ihren roten Augen an. „ Der Teufel soll dich holen und für immer sollst du im ewigen Feuer der Verdammnis Qualen erleiden.“
Dann schleiften die beiden Wachen sie hinter sich her, aus dem Raum hinaus, in eine Zukunft als Gefangene. So schnell würde man sie nicht aus ihrer Zelle hinauslassen, da war sich Baku sicher.

Mit geschwellter Brust trat er wieder an das Fenster, das in die Wand der Kommandozentrale seines Schiffes eingelassen war, und ließ seinen Blick durch die unendlichen Weiten schweifen. Sein Schiff kreiste im Orbit eines kleinen Planeten; wie ein feiner Schleier hatte sich die Atmosphäre über den ganzen Planeten gespannt. Unter der dünnen Wolkendecke erblickte er Kontinente und das schimmernden Blau der Ozeane. Er wusste, dass das, was er suchte, dort unten war, doch er hatte es nun nicht mehr so eilig dorthin zu gelangen. Wie er es gesagt hatte: Er hatte Zeit.
Atlantis war da unten, er blickte mit allergrößter Wahrscheinlichkeit auf die Stadt der Antiker hinab, ohne dass deren Bewohner davon etwas mitbekamen. Er hatte Zeit, er hatte sehr viel Zeit. Mehr Zeit, als jeder sterbliche Mensch sie je haben würde. Er würde zurückkehren- irgendwann. Und dann würde die Stadt ihm gehören. Ihm ganz allein. Doch er hatte Zeit. Er hatte viel Zeit.
Sein Kinn triumphierend reckend, verschränkte Baku die Arme hinter seinem Rücken und flanierte durch den Raum. Nur noch ein wenig Geduld, überlegte er im Stillen, dann werden sie um Erbarmen wimmern. Im Moment jedoch war es ihm Genugtuung, dass wenigstens einige dieser erbärmlichen Seelen ihr Ende in der Kälte des Weltraums gefunden hatten. Schon bald würden ihnen auch die anderen folgen.
Aber er hatte Zeit…

ooOOoo


Eine unnatürliche Hitze schlug ihr entgegen und Flammen züngelten durch die sich öffnende Tür. Erschrocken wich sie einen Schritt zurück und schlug sich schützend die Hand vor ihre Augen. Rauch und Ruß machten es ihr unmöglich zu atmen… doch sie versuchte es trotzdem. Panisch schnappte sie nach Luft und bei jedem verzweifelten Versuch zogen sich ihre schmerzenden Lungen zusammen.
Tränenblind stolperte sie in die Flammen hinein, die sie voller Erwartung aufnahmen. Glühende Hitze trieb ihr den Schweiß auf die Stirn. Sie hörte sich schreien, als die Flammen begannen, ihre Kleidung und ihre Haut zu versengen. Mit schmerzverzerrter Miene blieb sie stehen- sie konnte einfach nicht weitergehen!
Sie musste hier raus! Ihre Sicht war durch die Tränen und die rauchige Luft verwischt. Sie drehte sich um, stolperte zurück, doch plötzlich hörte sie jemanden ihren Namen rufen. Leise Verzweiflung lag in der Stimme, zu der sie sich umdrehte.
Die hellen Flammen blendeten sie; fast so, als ob sie nicht wollten, dass sie sah, zu wem die Stimme gehörte. Trotzdem erblickte sie ihn nicht weit von sich, umgeben von lodernden Flammen, die schon Besitz von ihm ergriffen hatten und sie unaufhörlich an ihm hochfraßen. Doch sein Gesicht war weder schmerzverzerrt, noch machte er Anstalten sich zu bewegen. Er stand einfach nur da und schüttelte mit dem Kopf. Ein trauriger Ausdruck in seinen Augen verriet Enttäuschung.
„ Nein!“, hörte sie sich selbst rufen, doch es war zu leise, als dass er sie hätte hören können. Ein verzweifelter Schrei bildete sich in ihr, blieb jedoch in ihrer Kehle stecken- übrig blieb nur ein heiseres Krächzen, das von dem Lodern der Flammen verschluckt wurde. Sie streckte die Hand nach ihm aus, genau in dem Moment, als die Flammen die Überhand gewannen und seine ganze Gestalt von hellen Flammen umschlossen wurde. Das Feuer verzerrte ihn, bis nichts von ihm übrig war.
Er schrie nicht, er wand sich nicht vor Schmerzen. Nein, er sah sie bis zuletzt verzweifelt an. Die glühenden Flammen fraßen sich durch sein Gesicht, verunstalteten es.
Einen Moment lang stand die lodernde Gestalt da, starrte in ihre Richtung und fiel dann als ein Häufchen Asche in sich zusammen. Die Flammen wichen von ihm.
Plötzlich wurde es kalt und finster. Das Feuer erlosch. Kälte breitete sich aus. Es blieb nichts als Dunkelheit. Und eine verzweifelt klingende Stimme, deren leises ‚Warum’ durch die dunkle Leere hallte.


Der stechende Schmerz in ihren Herzen riss Elizabeth aus ihrem kurzen, unruhigen Schlaf. Im ersten Moment wusste sie nicht, wo sie war und so rappelte sie sich auf, schaute sich verwirrt um. Das Mobiliar war ihr auf irgendeine Weise fremd aber zugleich auch vertraut. Sie strich über das Bettlaken, auf dem sie geschlafen hatte. Schweißnass lag es unter ihrer Hand, war von ihrem wilden und beunruhigenden Traum zerwühlt.
Elizabeth tastete im Dunkeln nach dem Lichtschalter und fand ihn zu ihrer Verwunderung auch sofort. Schwaches Licht erhellte den Raum und endlich wusste sie, wo sie war. Sie war in ihrem Quartier, in Atlantis. Die letzten Monate an Bord der Artemis hatten sie doch glatt vergessen lassen, wie es aussah.

Mit einem müden Seufzen schob Elizabeth ihre Beine über die Bettkante und strich sich mit der Hand über ihr vom Träumen erhitztes Gesicht. Kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn. Ihre Wangen fühlten sich warm an. Sie fuhr sich durch ihre braunen Haare, strich sie sich aus dem Gesicht. Einige Haarsträhnen klebten an ihrem verschwitzten Gesicht.
In ihrer Brust schlug ihr Herz, ihr Puls raste und trieb ihr Blut durch ihren zitternden Körper. Ausgelaugt, so fühlte sie sich, obgleich sich ihr ganzer Körper auf schmerzhafte Weise anspannte. Sie hatte das Gefühl, dass ihre Muskeln rissen! Die Erinnerungen an ihren Traum verstärkten dieses Gefühl nur noch.

Ihr Traum. Elizabeth schnappte nach Luft. Es war lange her, dass sie einen Traum von solch einer Intensität gehabt hatte. Es war ein Alptraum gewesen… und sie hatte bisher nur wenige Alpträume gehabt. Doch dieser war so real gewesen, dass er ihr selbst jetzt noch Angst einjagte; Schweiß trat aus ihren Poren und lief über ihr Gesicht und ihr Herz schlug schneller.
Es war doch nur ein Traum, wollte sich Elizabeth einreden, doch dann fiel ihr wieder ein, dass es nur eine Wiedergabe der brutalen Realität gewesen war. So sehr sie es sich wünschte, dass es sich nur um einen bösen Traum handelte…

Sie konnte es nicht ändern, dass ihr Gedächtnis sie an die schrecklichen Ereignisse erinnerte. Die Intensität der Bilder in ihrem Kopf und dass es so schnell kam überraschte sie. Noch nie zuvor hatte sie sich nur wenige Stunden danach mit solchen Erinnerungen konfrontiert. Es hatte sonst immer Tage, manchmal sogar Wochen gedauert, aber dieses Mal war es anders. Es war schlimmer. Es war beunruhigender. Es war so real.

Elizabeth richtete sich auf. Ihre Glieder schmerzten, doch sie ignorierte das. Zielsicher steuerte sie auf ihr Bad zu, warf im Vorbeigehen noch einen schnellen Blick auf die Uhr, die an ihrer Wand hing und leise vor sich hintickte. Kurz nach vier Uhr nachmittags. Um diese Uhrzeit hatte sie noch nie geschlafen.
Die Fliesen unter ihren Füßen waren kalt und irgendwie empfand Elizabeth das als eine Erleichterung. Barfuss schlurfte sie zum Waschbecken, drehte den Wasserhahn weit in den blauen Bereich und klatschte sich eine Hand voll des kalten Wassers in ihr Gesicht. Still betrachtete sie ihr Spiegelbild; sie war blass, dunkle Ringe lagen unter ihren Augen und sie fand, dass ihre Wangen ziemlich eingefallen aussahen.
Ganz langsam perlte das Wasser an ihrem Gesicht ab und erst als auch der letzte Tropfen zu Boden gefallen war, griff sie überflüssigerweise nach dem Handtuch, das neben dem Waschbecken lag, trocknete sich das Gesicht ab. Das eiskalte Wasser hatte seine Wirkung nicht verfehlt; eine leichte Röte stahl sich über ihre Wangen und selbst ihre eben noch müden grünen Augen, glänzten ein wenig.

Trotzdem lag auf ihrem Gesicht ein trauriger Ausdruck und in ihren Augen spiegelte sich das Geschehen der letzten Stunden wieder. Tiefe Falten zogen sich über ihre Stirn.
Es wurde zerstört. Sergeant Chucks Worte hallten in ihrem Kopf wieder- immer und immer wieder. Sie bekam heftige Kopfschmerzen davon- so intensiv waren die Erinnerungen. Das Schiff- es wurde zerstört. Wurde zerstört. Zerstört. Zerstört. Flammen. Feuer. Hitze. Noch mehr Flammen. Vernichtung. John. Tot. Weg.

Elizabeth riss ihre Augen auf, wusste nicht, warum sie sie geschlossen hatte. Sie schüttelte mit dem Kopf, um alle Gedanken loszuwerden und das Chaos in ihrem Kopf zu ordnen. Es klappte auch, nur der Gedanke, den sie eigentlich hatte loswerden wollen, spukte noch immer in ihrem Hirn herum. Er schien sich dort eingebrannt zu haben.
Das Schiff wurde zerstört. John ist tot.

Eine Welle von Gefühlen und unterdrückten Emotionen stieg in Elizabeth auf und sie konnte nicht verhindern, dass ein lautes Schluchzen über ihre Lippen brach. Sofort schlug sie sich die Hand vor den Mund. John ist tot. Tot. Nicht mehr am Leben. Tot.
Niemand hatte ihr das bestätigen wollen, doch das brauchte sie auch nicht. Schon als er nicht unter den anderen gewesen war, wusste sie, dass etwas passiert sein musste. Sie war sich sicher gewesen, dass er es schaffen würde. Doch dann war er nicht im Gaterium gewesen. Sie hatte ihn in der Menge nicht gesehen. Sie hatte ihn nicht gesehen; er hatte nicht versucht Ordnung in die Panik zu bringen, denn er war nicht da gewesen! Sie waren allein nach Atlantis zurückgekehrt, ohne ihn. Er musste noch an Bord gewesen sein… und nun war er tot! Niemand hätte diesem Inferno entkommen kommen…

Elizabeth schluckte, als sie die wahre Bedeutung verstand; John Sheppard war noch an Bord gewesen, umgekommen in den Flammen. Allein. Tot.
‚ Nein’, schrie es in ihrem Innern, als sie sich fassungslos mit dem Kopf schüttelnd auf die Bettkante sinken ließ. Tot. Sie hatten ihn zurückgelassen. Dabei hatten sie einander geschworen, nie jemanden zurückzulassen. Und jetzt hatte sie es doch getan…
Sie fühlte sich auf einmal unglaublich schlecht und es kratzte säuerlich in ihrem Hals. Elizabeth kniff die Lippen zusammen, wollte sich nicht übergeben. Es war für sie schon immer ein Zeichen der Schwäche gewesen. Sie wollte aber nicht schwach sein. Sie wollte stark sein. Stark für sich. Stark für alle anderen. Stark für John. Er hätte es mit Sicherheit nicht gewollt, dass sie sich jetzt von ihren Gefühlen übermannen ließ.
„ O verdammt“, murmelte Elizabeth heiser, beugte sich nach vorne und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Sie atmete tief ein und dann wieder aus. Dennoch wollte ihr es nicht gelingen die Situation mit klarem Kopf zu sehen.
Sie saß schluchzend und weinend auf ihrem Bett, fühlte sich unsagbar mies und schlecht. Eigentlich sollte sie sich freuen! Sie war wieder zuhause! Sie hatte es geschafft!
‚Freu dich’, verlangte ihre innere Stimme von ihr. Für Elizabeth war das jedoch ein unmögliches Unterfangen. Wie sollte sie sich jetzt freuen? Sie war wieder daheim, doch sie verband einen tiefen Schmerz damit. Wie sollte sie sich freuen, ohne an den Verlust ihres lieben Freundes zu denken?

Das Surren an der Tür, das einen Besucher ankündigte, der darauf wartete, dass sie ihm öffnete und hereinließ, riss Elizabeth aus ihren harschen Selbstvorwürfen. Schwach hob sie ihren Kopf und schaute zur Tür. Sie hatte eigentlich keine Lust jemanden zu empfangen, also entschloss sie sich dazu, einfach sitzen zu bleiben. Niemals zuvor hatte sie einen solchen Gedanken gehegt und auch jetzt fühlte sie sich nicht gut dabei. Ihre bedauerliche Lage gab ihr nicht das Recht, andere zu vernachlässigen.
Obwohl sie sich nicht danach fühlte und sie viel lieber für sich allein gewesen wäre, erhob sich Elizabeth mit dem zweiten, deutlich nervöseren Surren. Während sie auf die Tür zumarschierte, versuchte sie ein einigermaßen normales Gesicht aufzusetzen.
‚ Ich muss aussehen wie ein gequälter Zirkusclown’, dachte sie und seufzte. Sie fuhr mit ihrer Hand über das Wandpanel. Sich noch immer ein nettes Lächeln ins Gesicht zwingend, beobachtete Elizabeth wie die beiden Türhälften mit dem gewohnten Zischen auseinanderglitten. Ihr krampfhaftes Lächeln fiel in sich zusammen und sie verspürte ein unangenehmes Ziehen in ihrer Brust.
„ Teyla.“ Das war alles, wozu sie in der Lage war. Mehr wollte ihr einfach nicht einfallen, als sie die Athosianerin vor sich stehen sah, mit verweinten Augen und einer unnatürlich blassen Gesichtsfarbe.
„ Ich…ich wusste nicht, wo ich hingehen sollte“, erklärte Teyla stotternd. „ Und da... ich dachte… vielleicht…“
Von Mitleid bewegt, hakte sich Elizabeth bei ihrer Freundin unter und geleitete sie in ihr Quartier. Teyla stützte sich auf ihren Arm, geschwächt vom Weinen zitterte sie am ganzen Körper. Sie schniefte, als Elizabeth ihr half, sich hinzusetzen.
„ Ich wollte Sie nicht stören“, sagte sie leise und ohne jeden Ausdruck in ihrer Stimme. Ihre braunen Augen schimmerten, als sich neue Tränen in ihren Augenwinkeln zu sammeln begannen. Elizabeth setzte sich neben sie auf das Bett und legte ihr nach kurzem Zögern den Arm um die Schulter.
„ Sie können immer zu mir kommen, Teyla“, entgegnete sie, „ wann immer Sie wollen.“
„ Es…es ist alles so schrecklich“, schniefte die Athosianerin und schlug sich eine Hand vor den Mund. Ihre Unterlippe bebte, ein lautes Schluchzen drang aus ihrer Kehle. Sie versuchte die Tränen wegzublinzen und sackte nach vorne weg, als ihr das nicht gelingen wollte. Ohne etwas zu sagen, fing Elizabeth sie ab, zog sie wieder hoch und drückte sie an sich.
Teylas Schultern flatterten krampfhaft auf und ab, während sie weinte, und sie lehnte sich vollends gegen Elizabeth. Ihre Tränen durchfeuchteten das Shirt der Expeditionsleiterin, die selber mit ihren Gefühlen zu kämpfen hatte. Sie wusste, dass Teyla es durch die Schwangerschaft viel schwerer hatte, doch in diesem Punkt- ihrer unerdenklichen Trauer um einen Mann, der sein Leben hatte lassen müssen- waren sie beide gleich.
„ Ich dachte, ich hätte ihn wieder“, schluchzte Teyla atemlos gegen Elizabeths Schulter. „ Und dann…dann wird er mit wieder genommen.“

Elizabeth merkte, wie die Athosianerin in ihrem Arm zusammensackte- die Emotionen und die Anspannungen der letzten Wochen ließen sie zusammenknicken wie einen morschen Ast. Für eine Frau in ihrem Zustand hatte Teyla eine unsagbar große Last auf ihren Schultern getragen und nun war der Zeitpunkt gekommen, an dem sie es nicht mehr schaffte. Wie oft hatte sie in den letzten Wochen und Monaten um das Leben des Mannes gebangt, den sie liebte und der der Vater ihres Kindes war. Wie oft hatte sie gezittert und geweint, wenn sie glaubte, dass keine Hoffnung mehr bestand. Und wie sehr hatte sie sich gefreut, wenn er doch wieder zu ihr zurückgekehrt war, wenn er sie in die Arme geschlossen hatte und ihr leise ins Ohr geflüstert hatte, wie sehr er sie doch liebte.

Elizabeth hatte die beiden immer wohlwollend beobachtet und nun erfand sie es als eine Farce, dass das Schicksal immer wieder dazwischen geschlagen hatte. Wieso gönnte es dem Paar sein Glück nicht?

Ganz langsam begann sich Teyla in ihrem Arm zu entspannen, ihr Atmen wurde ruhiger und auch ihre Tränen wurden allmählich weniger. Mit einem zittrigen Seufzen löste sie sich schließlich aus der Umarmung und rutschte vor, auf die Kante des Bettes. Sie wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln, zupfte an ihren zerzausten Haaren herum und legte dann ihre Hand auf ihren Bauch.
„ Ich werde noch heute nach Neu Athos reisen“, nahm die Athosianerin schließlich das Gespräch wieder auf. Sie wirkte nunmehr gefasst und fast schon ein bisschen sachlich.
Elizabeth legte ihre Hand auf Teylas. „ Sind Sie sicher, dass es noch nicht zu früh ist? Vielleicht sollten Sie lieber noch ein paar Tage hier bleiben. Ich werde Carson sagen, dass er sich um Sie kümmern soll.“
„ Nein.“ Teyla schüttelte mit dem Kopf. „ Die Feierlichkeiten zu Gedenken an die Antiker sind meinem Volk und damit auch mir sehr wichtig. Und außerdem fühle ich mich meinem Kind gegenüber verpflichtet.“ Sie hielt kurz inne und streichelte sich liebevoll über den Bauch. „ Es soll die Kultur seiner Eltern kennenlernen und da…“ Der Rest ihres Satzes ging in einem Schluchzen unter.
Elizabeth nahm sie wieder in den Arm, wiegte sie hin und her wie ein kleines Kind. „ Sie erinnern sich, dass ich sagte, Ihr Kind wird hier eine Familie haben?“
Teyla nickte.
„ Sie sind mit der Sache nicht allein, Teyla. Man wird sich hier um Sie und das Baby kümmern.“ Elizabeth vergoss selbst ein paar Tränen.
„ Es…es ist aber nicht das Gleiche“, wimmerte die Athosianerin. „ Allein der Gedanke, dass mein Kind ohne Vater aufwachsen muss, ist für mich nur schwer zu ertragen.“ Sie blickte auf. „ Ich habe Angst, Elizabeth. Ich habe Angst vor dem, was kommen mag. Ich…ich kann einfach nicht glauben, dass es diesmal für immer ist.“
„ John wird immer bei Ihnen sein“, sagte Elizabeth sanft. „ In Ihren Erinnerungen und in Ihrem Herzen. Und Ihr Kind wird Sie immer daran erinnern, wie sehr sein Vater Sie geliebt hat. Er wird Sie nicht allein lassen.“ Elizabeth legte ihre Hand an Teylas Brustkorb. „ Er wird immer bei Ihnen sein.“
Widererwarten brach Teyla nicht in Tränen aus sondern hob ihren Kopf und blickte Elizabeth durch ihre braunen Augen an. „ Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich zu begleiten? Ich…ich würde mich besser fühlen, wenn ich nicht so allein wäre.“
Elizabeth nickte. „ Ich würde Sie sehr gern begleiten, Teyla. Sehr gerne sogar.“

ooOOoo


Stark, schwarz und wohlduftend- perfekt! Rodney legte seine Hände um die Tasse und führte sie erwartungsvoll an seine Lippen. Er schloss voller Wonne die Augen, ließ das koffeinhaltige Gebräu genüsslich seine Kehle hinablaufen und kam zu dem Schluss, dass es sich hierbei um den perfekten Kaffee handelte. Hach, wie sehr hatte er dieses wohlschmeckende Getränk doch vermisst! Er konnte sich gar nicht ausmalen, dass er es tatsächlich so lange geschafft hatte. War da doch nur dieses billige Instentzeugs gewesen, das doch tatsächlich als Kaffee bezeichnet worden war. O nein, es mochte vielleicht ein Heißgetränk gewesen sein, aber kein Kaffee! Kaffee hatte so auszusehen, wie die köstliche Flüssigkeit in Rodneys Tasse. Ja, das war Kaffee!

Rodney genoss jeden Schluck und stellte die Tasse ein kleines bisschen bedauernd zurück auf die Tischplatte, nachdem er auch den letzten Tropfen genüsslich getrunken hatte. Kaum hatte er dies getan, kam auch schon wieder das bedrückende Gefühl, weshalb er nun schon die sechste Tasse Kaffee getrunken hatte. Merkwürdigerweise vergaß er alles um sich herum, wenn er entweder aß oder einen Kaffee trank. Und so war es ihm auch in den letzten Minuten ergangen: Er hatte schlichtweg alles vergessen.
Doch nun kehrte alles wieder zurück und Rodney wünschte sich nichts sehnlicher, als erneut aufzuspringen und in die Kantine zu eilen. Aber schon beim letzten Mal hatte ihn der Koch schräg angeschaut und deshalb entsann sich Rodney, einfach sitzen zu bleiben und die in ihm wütende Emotionsflut einfach zu ignorieren.
Er schnappte sich den Tablettlaptop, den Radek unwissend hatte liegen lassen, und überflog die Berechnungen des Tschechen. Tzz, er arbeitete also noch immer an diesem Windmühlenprojekt! Das war doch reine Zeitverschwendung! Und dafür hatte er acht Monate gebraucht?
‚ Halt’, korrigierte sich Rodney selbst. Vergaß er doch, dass hier nicht einmal drei Stunden vergangen waren. Die Zeit innerhalb des Schiffes war um einiges schneller gelaufen; acht Monate waren für ihn und die anderen vergangen, während hier auf Atlantis niemand etwas davon geahnt hatte. Sie waren sogar noch innerhalb der Zeit eingetroffen! Major Lorne hatte sie erst in drei Stunden zurückerwartet! Paradox, fand Rodney. Da bangten sie um ihr Leben und wurden dann völlig verblüfft hier empfangen!

Wieder war da wieder dieser Schmerz, aber diesmal konnte Rodney ihn nicht ignorieren. Es war der Schmerz eines Verlustes, den die Expedition an diesem Tag zu beklagen hatte. Es war der Verlust eines befähigten Mannes. Der Verlust eines guten Freundes. Der Verlust von John Sheppard.
Rodney konnte noch immer nicht begreifen, was sich in den letzten Stunden als brutale Realität herausgestellt hatte. Irgendetwas war dort oben, an Bord der Artemis, schief gelaufen- irgendetwas, mit dem sie alle nicht gerechnet hatten. Nicht einmal er selber! Wie also hätte ein John Sheppard damit rechnen können? Und nun hatte er damit fertig zu werden, dass sein Teamkollege, sein Freund… dass John tot war. Tot. Das Wort klang so unwirklich. Rodney war sich sicher gewesen, dass es diesen Ausdruck in John Sheppards Wortschatz gar nicht gab, doch er war auf so schreckliche Weise in dieser Annahme korrigiert worden.
John war tot- umgekommen an Bord der Artemis- und nichts würde ihn zurückbringen. Selbst wenn es dort oben irgendwo ein Wesen gab, das über alles wachte… Rodney bezweifelte es und das tat ihm schrecklich weh. Wieso traf das Schicksal immer nur Leute, bei denen im Leben gerade alles gut lief? Sein Freund war zufrieden mit seinem Beruf, er war verliebt und seine Frau erwartete ein Kind. Da stellte sich nur die Frage nach dem Warum.
Warum tat das Schicksal so etwas? Konnte es zur Abwechslung nicht mal jemanden anderes treffen?

Rodney blickte widerwillig auf, als er hörte, dass jemand in sein Labor gekommen war. Zwei blaue Augen sahen verständnisvoll zu ihm herüber und ein mitleidsvolles Lächeln stahl sich über ein hübsches Gesicht.
„ Es tut mir so leid, Rodney“, sagte Samantha Carter leise. „ Ich kann es noch immer nicht fassen, dass er… tatsächlich tot ist. Dabei war er doch so glücklich.“
‚ Das war er’, dachte Rodney nur, erwiderte seiner Kollegin aber nichts. Er sah, dass sie zwei Tassen Kaffee in den Händen hielt und musste unwillkürlich schmunzeln. Scheinbar ging es nicht nur ihm nach einem ordentlichen Kaffee besser.
Sam reichte ihm die Tasse und setzte sich ihm dann gegenüber. Sie sagte nichts, er sagte nichts- sie saßen einfach nur da und tranken jeder seinen Kaffee. Rodney seufzte, als die wohlige Wärme seinen Körper durchströmte und als er fühlte, dass er sich langsam wieder besser fühlte.
„ Es ist alles so schrecklich“, platzte es plötzlich aus Sam heraus und sie schüttelte fassungslos ihre blonde Mähne. „ Wie konnte es nur so weit kommen? Was ist schief gelaufen?“
„ Das Schiff ist explodiert“, sagte Rodney und fand schon im nächsten Augenblick, dass das extrem kalt geklungen hatte. Er suchte nach einer Möglichkeit sich zu verbessern, aber Sam schien zu verstehen, was er wirklich beabsichtigt hatte zu sagen.
„ Ob er versucht hat dem irgendwie zu entkommen?“, fragte sie leise.
„ Wo hätte er denn hinsollen?“, stellte Rodney die Gegenfrage.
„ Wenigstens hat es nicht so lange gedauert“, sinnierte Sam, nippte an ihrem Kaffee. „ Wann meinen Sie, wird seine Beisetzung stattfinden?“
Rodney sträubte innerlich auf. Wie konnte sie sich jetzt schon Gedanken darüber machen? Es war doch gerade mal ein paar Stunden her! „ Ich habe keine Ahnung“, antwortete er, ließ seine Empörung nicht nach draußen durchschimmern. „ Wieso fragen Sie?“
„ Wir werden noch heute zur Erde zurückreisen“, sagte Sam. „ Das IOA erwartet einen vollständigen Bericht.“ Sie verdrehte ihre blauen Augen. „ Fragen Sie mich nicht, wo die das schon wieder herhaben. Woolsey scheint seine Augen und Ohren wirklich überall zu haben.“
„ Heute noch?“, wiederholte Rodney.
Sam nickte. Sie stellte ihre Tasse auf dem Tisch ab und sah den Kanadier ernst an. „ Hören Sie, Rodney, ich weiß, dass es eine schwere und ungewöhnliche Zeit war. Aber ich wollte Ihnen sagen, dass ich… ich unsere Zusammenarbeit sehr genossen habe.“
„ Nach acht Monaten kommen Sie zu dem Schluss?“, erkundigte sich Rodney grinsend. Hatte sie ihn gerade als einen talentierten Wissenschaftler bezeichnet?
„ Hey, ich bin immer noch die Bessere von uns beiden“, sagte sie schnell und vorbei war sein Traum. „ Ich will nur sagen, dass es nicht so schlecht war.“
„ Sie haben gesagt, dass Sie es genossen haben“, griente Rodney.
„ Kommen Sie nicht auf irgendwelche abwegige Gedanken“, mahnte Sam ihn und nahm dann wieder ihre Tasse an sich. Seufzend meinte sie dann: „ Ich werde dann jetzt gehen. Wir sehen uns dann zur… Beisetzung.“ Es war komisch dieses Wort aus ihrem Mund zu hören, aber Rodney nickte.
„ Jaja“, sagte er. Beisetzung. John Sheppards Beisetzung. Er konnte es einfach nicht glauben! Nein, er wollte es einfach nicht glauben!

ooOOoo


Halling hob seinen Kopf und blickte in den Himmel hinauf. Die Sonne war bereits vor ein paar Stunden untergegangen und der Himmel würde bald von Millionen von Sternen übersät sein und in einem tiefen Schwarz schimmern. Er liebte den Nachthimmel und er liebte es, ihn zu betrachten.
Er seufzte und streckte seine Hände nach den wärmenden Flammen des Feuers aus. Die Tage waren heiß, doch die Nächte konnten noch sehr kalt werden. Es würde noch ein paar Wochen dauern, bis sie auch nachts wegen der drückenden Wärme kein Auge mehr zutun würden.

Der Athosianer neigte seinen Kopf, als er im Augenwinkel einen Schatten auf sich zukommen sah, der sich dann neben ihm auf dem umgefallenen Baum niederließ und ebenfalls in die hellen Flammen blickte.
„ Glaubst du, sie wird kommen?“, hörte er den jungen Mann sorgenvoll fragen.
„ Du solltest dich hören, mein Freund“, lächelte Halling. „ So ungeduldig habe ich dich ja noch nie erlebt.“
„ Ich habe sie seit Jahren nicht mehr gesehen.“ Ein Seufzen. „ Ich bin so gespannt, ob sie sich verändert hat.“
Halling legte ein Stück Holz nach und trat einen Funken aus, der das in der Nähe liegende Gras entzündet hatte. „ Sie wird ganz gewiss kommen. Teyla hat noch nie eines unserer Feste versäumt. Sie ist eng mit den Traditionen unseres Volkes verbunden. In dem Punkt ist sie dir sehr ähnlich, Kanaan.“
Der junge Mann lächelte, seine braunen Augen funkelten. „ Erinnerst du dich an früher? Wie Teyla und ich immer die ganze Siedlung verrückt gemacht haben?“
Halling schmunzelte. „ Wie könnte ich das vergessen? Ich habe hinterher immer alles ausbaden müssen. Natürlich erinnere ich mich daran. Ihr beide habt immer die Kleider deiner Schwester geklaut und es dann mir in die Schuhe geschoben.“
„ Jaja, das haben wir“, erinnerte sich Kanaan und wandte sich dann fragend an den ein paar Jahre älteren Halling. „ Warum hast du dir das immer alles gefallen lassen?“
„ Möglicherweise weil ihr mich an meine eigene Kindheit erinnert habt“, überlegte Halling stirnrunzelnd. „ Und weil ihr beiden einfach niedlich zusammen wart. Habt immer so getan, als könntet ihr kein Wässerchen trüben, doch ihr hattet beide einen Schalk im Nacken.“
Kanaan lächelte, wurde dann aber seltsam still. Er legte das Kinn auf seine gefalteten Hände ab und starrte wieder ins Feuer. Die Schatten der Flammen zuckten über sein Gesicht, vollführten einen bizarren Tanz.
„ Du hast sie vermisst, nicht wahr?“, fragte Halling, ohne sein Gegenüber anzusehen. Das Feuer brannte ziemlich schnell runter und er legte ein weiteres Holzscheit nach. Sofort fraßen sich die Flammen brutzelnd durch das trockene Holz.
„ Ich bin viel rumgekommen.“ Kanaan lehnte sich zurück. „ Ich habe viel gesehen, doch da war nichts, was mich wirklich erfüllt hat.“ Er spielte gedankenverloren mit einem dünnen Ast herum. „ Ich habe unsere Gemeinschaft vermisst, die Geborgenheit, die Wärme. Die Reisen waren toll, aber…“
„ Du überlegst, ob du zurückkehrst.“ Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage. Halling freute sich, dass Kanaan in Betracht zog, dieses Mal länger zu bleiben und nicht gleich wieder weiterzureisen.
Sein Gegenüber warf den dünnen Ast ins Feuer, das ihn binnen Sekunden hungrig verzerrte. „ Ich sehne mich einfach nach ein bisschen Frieden, nach meinen Freunden, nach einer Familie. Das war mir auf meinen Reisen nicht möglich.“
Halling legte ihm eine Hand auf die Schulter. „ Sei gewiss, dass wir dich gerne wieder in unserer Mitte aufnehmen werden. Und Teyla ganz besonders. Sie redet schon seit Wochen von nichts anderem mehr, als von deiner Rückkehr.“
Kanaan lächelte. „ Sie scheint sich nicht verändert zu haben.“
„ Sie ist eine gute Anführerin geworden“, sagte Halling, „ und sie vertritt unser Volk sehr gut in der Stadt der Vorfahren. Die Menschen von der Erde sind sehr gut zu ihr.“
„ Hat sie dort Freunde?“, wollte Kanaan wissen. „ Ist sie zufrieden?“
„ O sie hat sehr viele Freunde. Die Leiterin, Dr. Weir, ist sehr nett. Sie ist in einem guten Team und man ist gut zu ihr.“ Halling hielt kurz inne. „ Ja, ich denke sie ist dort sehr zufrieden.“ Neugierig schaute er den jüngeren Mann an. „ Wieso interessiert dich das?“
„ Ich hatte gehofft, ein bisschen mehr Zeit mit Teyla verbringen zu können“, antwortete Kanaan. „ Es ist so lange her und wir haben viel zu reden.“
Halling konnte sich ein belustigtes Lächeln nicht verkneifen, als er im Licht der Flammen sah, wie Kanaan am Haaransatz leicht errötete und seinem forschenden Blick konsequent auswich. Hätte er es sich doch denken können.
„ Es ist nicht so, wie du es jetzt vielleicht denkst“, warf Kanaan schnell ein, als er den Blick seines Freundes bemerkte.
„ Es ist nichts Verwerfliches, dass du Interesse an Teyla hegst, mein Freund“, beruhigte Halling ihn amüsiert. „ Sie ist eine wirklich ansehnliche Frau geworden. Und außerdem war ihr Vater ja damals schon von dir begeistert.“
„ Dinge ändern sich“, merkte Kanaan an. „ Außerdem ist Torren schon lange nicht mehr unter uns.“
„ Du sagst es- Dinge ändern sich.“ Halling ließ seinen Gedanken freien Lauf und folgte mit seinem Blick einem unruhigen Funkenflug, der gen Nachthimmel strebte. „ Vielleicht liegt es auch an uns, Dinge zu verändern.“
Kanaan lehnte sich nach vorne, stützte seine Ellenbogen auf seine Knie. „ Hat sie jemanden?“, erkundigte er sich verhalten, fast schon schüchtern.
„ Diese jungen Leute“, lachte Halling auf, antwortete dann aber in einem ernsten Ton: „ Sie hat mir gegenüber von einem Mann erzählt, zu dem sie etwas mehr empfindet als nur Freundschaft. Doch scheinbar scheint dieser Mann nichts von ihren Gefühlen zu wissen und bei ihrem letzten Besuch hat sie ihn nicht mehr erwähnt. Wenn du nun gedenkst hierzubleiben…“
„ Ich bin nicht gewillt, das so schnell zu ändern“, sagte Kanaan. „ Ich möchte es langsam angehen lassen.“
„ Dieser Mann scheint ihr viel zu bedeuten. Du solltest nicht zu lange zögern“, riet Halling ihm.
Verwundert sah der jüngere Mann ihn an. „ Was meinst du damit?“
„ Wer weiß.“ Halling zuckte mit den Schultern und beugte sich vor, um ein weiteres Stücks Holz nachzulegen. Als er wieder hochkam sah er Kanaan lange und wissend an. „ Mich würde es nicht wundern, wenn Teyla noch die eine oder andere Überraschung für uns parat hat. Das ist ihre Art.“

Er sah, dass Kanaan den Mund öffnete, um ihm zu erwidern, doch er schloss ihn gleich wieder. Nachdenklich lehnte er sich wieder zurück, legte seinen Kopf in den Nacken und betrachtete den Sternenhimmel. Halling sann selber über seine Worte nach. Ganz in der Nähe erschall Kinderlachen und als er aufblickte, sah er Noomi und Lilan auf sich zu eilen. Die beiden Mädchen hatten einander untergehakt und stolperten aufgeregt durch das unwegsame Gelände. Als sie dem Feuer näher kamen, wurden sie langsamer und Halling konnte erkennen, dass sie ihre feinsten Kleider trugen und dass sie ihre Haare zu zwei Zöpfen geflochten hatten.
„ Seht euch an“, begrüßte er sie, als sie etwas außer Atem vor ihm zum Stehen kamen.
„ Gefällt dir mein Kleid?“, fragte Noomi.
„ Es gefällt mir sehr gut“, antwortete Halling, fügte dann hinzu: „ Dein Kleid gefällt mir auch, Lilan. Ihr seid zwei wirklich hübsche junge Damen. Eure Eltern können wirklich stolz auf euch sein.“
Die beiden Mädchen strahlten und ihre Augen funkelten. Noomi, die mutigere von beiden, wandte sich an Kanaan: „ Findest du auch, dass unsere Kleider hübsch sind?“

Halling achtete nicht zu sehr auf die Antwort seines Freundes. Es faszinierte ihn, was für ein Vertrauen die beiden Mädchen in ihn setzten, obwohl sie ihn kaum kannten. Das letzte Mal war Kanaan in der alten Siedlung gewesen, als sie drei Jahre alt waren.
Lilans Wangen waren leicht errötet, als sie sich von ihrer Freundin löste und Halling mit ihrer klaren, kindlichen Stimme ansprach. „ Weißt du was?“
Halling nahm sie und setzte sie sich auf seinen Schoß. „ Nein, aber du wirst es mir sicher gleich sagen, nicht wahr?“
Die Kleine berichtete aufgeregt: „ Wir haben gesehen, wie ein Stern von Himmel gefallen ist.“
„ Ein Stern, wirklich?“
„ Ja. Ein ganz, ganz großer.“ Lilan versuchte die Größe des Sterns mit ihren kleinen Händen wieder zu geben.
„ Wo habt ihr denn diesen Stern gesehen?“, fragte Halling das Mädchen.
„ Dort hinten“, antwortete nun Noomi, deutete in die Richtung der Berge und zog ihren Finger dann schnell wieder zurück. Sie hatte bemerkt, dass sie sich verplappert hatte. Seit jeher wurde den Kinder eingeflösst, dass sie nicht in der Nähe der Bergkette zu spielen hatten. Das Portal lag ganz in der Nähe und nur so konnte man sie im Falle eines Angriffs beschützen.
„ Dort hinten?“, wiederholte Halling und beschloss nicht böse mit den beiden Kleinen zu sein. Er selbst hatte immer gerne am Portal gespielt, obwohl man es ihm verboten hatte.
„ Jaja“, nickte Lilan. „ Es war ein ganz großer Stern. Er hat richtig geglüht und ist dann mit einem lauten Knall auf die Erde gefallen. Willst du ihn sehen? Er liegt nämlich dahinten.“
„ Onkel Halling?“ Noomi zupfte an Hallings Hemdärmel. „ Leben die Vorfahren auf den Sternen?“
Halling stupste der Kleinen gegen ihre Nase. „ Du kennst doch die Geschichten, Noomi. Die Sterne sind Geschenke für die Kinder der Vorfahren.“
„ Dann leben also keine Vorfahren auf den Sternen?“, wollte Noomi wissen. Sie klang ein kleines bisschen enttäuscht.
„ Nein.“ Halling schüttelte mit dem Kopf.
Lilan sprang von seinem Schoss und sah ihn mit ihren großen blauen Augen fragend an. „ Und wieso ist dann einer aus dem Stern geklettert?“

Halling wurde klar, dass es sich bei dem, was die Mädchen gesehen hatten, nicht um einen Stern handeln konnte. Deshalb beantwortete er Lilans Frage noch und schickte die Mädchen dann weg. Er musste sich vergewissern, dass alles in Ordnung war.
„ Ich bin bald wieder zurück“, sagte er zu Kanaan, der noch immer neben ihm saß. Kaum hatte er dies getan, erhob sich der jüngere Mann allerdings.
„ Ich werde dich begleiten“, verkündete er, schob mit der Spitze seines Schuhs trockene Erde über das Feuer, erstickte die Flammen.

TBC
Von den Himmeln droben by Ailya
When the evening shadows and the stars appear
and there is no one there to dry your tears
I could hold you for a million
to make you feel my love.
Bob Dylan - Make You Feel My Love



Sie erinnerte sich, dass sie sich vor ein paar Monaten nichts sehnlicher gewünscht hatte, als endlich nach Hause zurückzukehren. Immer, wenn sie einen Planeten betreten hatte, der auch nur ihm Geringsten ihrer Heimat geähnelt hatte, hatte ein Gefühl Besitz über sie ergriffen, das sie in Aufruhr versetzt hatte. Sie hatte immerzu an ihre Heimat gedacht, hatte davon geträumt und gesprochen. Sie wollte einfach nur zurück!
Und jetzt? Was fühlte sie jetzt? Jetzt, da sie endlich daheim war, an dem Ort, wo sie geboren worden war?

Die dichten athosianischen Wälder lagen vor ihr; die mächtigen Bäume ragten in die Höhe. Es war März und so langsam begannen sich die feinen grünen Blätter zu einer dichten Decke zu schließen, die in den warmen Sommertagen angenehmen Schatten spenden würden. Dennoch prangerten noch die eine oder andere kahle Stelle droben in den Baumwipfeln, sodass man durch das dürre Geäst den tiefschwarzen, mit Sternen besprenkelten Nachthimmel sehen konnte.
Der Waldboden unter ihren Füßen war noch feucht; der Winter hatte dieses Jahr länger als die vielen Jahre zuvor gedauert. Die Schneemassen hatten mehrere Monate schwer auf ihm gelastet. Immer wieder hatte es zu schneien begonnen, bis der ganze Planet weiß umhüllt war. Es war kalt gewesen, sehr kalt- selbst der kleine Wasserlauf in der Nähe der Siedlung war eingefroren gewesen. Für die Kinder war der kalte Winter die reinste Wonne gewesen; sie hatten sich in der weißen Pracht gesuhlt, waren über das Eis geschliddert und hatten einander mit zu Kugeln geformten Schnee abgeworfen.
Doch nun war der Winter vorbei und der Frühling näherte sich mit großen Schritten- scheinbar hatte es die Natur eilig die verlorenen Monate rasch nachzuholen. Schon bald würden die hier üblichen Stürme über das Land hinwegfegen, die meistens mit dem frühen Sommer einhergingen. Blitz und Donner würden zur Tagesordnung gehören, so wie in den letzten Jahren auch schon. Ja, das war ihre Heimat. So wie sie sie kannte und liebte.

Sie hätte sich freuen sollen. Sie hätte sich darüber freuen sollen, dass sie nach so langen Monaten wieder hier sein durfte- es hätte schließlich auch anders kommen können.
Doch Teyla konnte sich nicht freuen. Tränen drohten ihre Sicht zu verwischen und sie schlug sich die Hand vor den Mund. Es war alles so anders! Nichts war mehr geblieben von dem wohligen Gefühl, endlich wieder da zu sein, wo ihr Herz hingehörte. In ihr war nur eine große Leere, in der das kleine Bisschen Freude, welches sie empfand, sofort verloren ging und nichtig erschien.
Sie war durch das Gate getreten, doch statt großer Freude war da nur die Trauer gewesen. Ihre Muskeln hatten sich krampfartig zusammengezogen und sie war abrupt stehengeblieben, sodass Elizabeth, die hinter ihr herkam, fast in sie hinein gelaufen wäre. Doch Teyla konnte nicht weitergehen. Der Blick auf die grüne Wiese, die sich vor ihnen erstreckte und von den hellen Sternen erleuchtet wurde, hatte sie überwältigt und sie wusste noch nicht einmal warum. Als sie die bunten Blüten entdeckte, die sogar im diffusen Licht der Sterne zu erkennen waren, schnürte es ihr die Kehle zu und ihr Kopf wurde so wirr, dass es ihr nicht mehr möglich war, klar zu denken. Sie stand einfach nur da wie eine leere Hülle und betrachtete das Blumenmeer mit ausdrucklosem Blick. Es war so schön!

Teyla spürte Elizabeths Hand auf ihrer Schulter. Obgleich sie den Anblick noch länger genießen wollte drehte sie sich schließlich mit einem Seufzen um. Elizabeth stand direkt hinter ihr und lächelte ein verständnisvolles Lächeln. Direkt neben ihr blickte Ronon auf sie beide hinab; der Sateder hatte es sich nicht nehmen lassen sie zu begleiten und irgendwie war Teyla ihm dankbar dafür. Ronon war ein herzensguter Mensch und sie sah in ihm einen wirklich guten Freund. Sie war froh, dass er da war.

„Wir sollten weitergehen“, sagte sie leise und ihre beiden Freunde nickten zustimmend.

Schweigend machten sie drei sich daran, ihren Weg zur athosianischen Siedlung fortzusetzen. Es war schon sehr dunkel, aber trotzdem kannte Teyla den Weg durch das unwegsame Gelände genau. Sie wusste ganz genau, wann eine Wurzel aus dem Boden brach und wann große Felsen ihren Weg kreuzten. Wie oft war sie diesen Weg schon gegangen…

Teyla seufzte schwer und die klare Nachtluft trug den Laut zu Elizabeth, die sofort zu ihr aufschloss. Besorgnis reckte sich in dem Gesicht der Expeditionsleiterin und sie hatte ihre schmalen Augenbrauen zusammengezogen. Ihre grünen Augen funkelten Teyla aufrichtig an.

„Ist alles in Ordnung?“, erkundigte sich Elizabeth.

„Es ist ein sehr merkwürdiges Gefühl nach so langer Zeit wieder hier zu sein“, antwortete Teyla. „Es kommt mir so…unwirklich vor. Für mich sind Monate vergangen. Hier sind nur ein paar Stunden verstrichen. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.“

„Das ist für uns alle schwierig, Teyla“, sagte Elizabeth sanft. „Wir werden uns alle daran gewöhnen müssen.“

„Ich habe nur Bedenken, wie mein Volk auf all das reagieren wird.“ Die Athosianerin seufzte erneut und strich sich über den Bauch. Sanfte Tritte unter ihrer Bauchdecke verrieten ihr, dass ihr Kind nach einem anstrengenden und langen Tag langsam zur Ruhe kam.

Elizabeth lief nun direkt neben ihr. „Ich bin mir sicher, dass sie sich für Sie freuen werden. Man kann alles erklären. Und ich werde für Sie da sein, Teyla. Machen Sie sich darum mal keine Sorgen. Man wird Sie sicherlich verstehen.“

Die kurze Unterhaltung verebbte und Elizabeth fiel wieder auf Ronons Höhe zurück und ließ sie mit ihren Gedanken allein. Teyla presste die Lippen aufeinander, als sie daran dachte wie man wohl in der Siedlung auf die neuen Umstände reagieren würde. Die Leute ihres Volkes zeigten sich in vielen Punkten sehr tolerant, auch was Kinder anging, deren Eltern nicht in der Ehe miteinander verbunden waren. Doch das? Sie wusste nicht, wie sie den älteren Männern das erklären sollte!
Teyla hatte Angst, dass man ihr ungeborenes Kind nicht annahm. Das war durchaus schon vorgekommen und es war das Schlimmste, was einem widerfahren konnte. Sie wollte nicht, dass man ihr Kind als etwas ansah, was es nicht war. Sie wollte es in ihre Gemeinschaft integrieren können, ohne dass man sie dabei schief ansah oder sogar daran zu hindern versuchte. Ihr Kind war genauso Athosianer wie sie es war und es hatte ein Recht darauf, die Traditionen ihres Volkes kennenzulernen. Teyla sah keinen Grund darin, dass man ihr Kind verachtete, nur weil sein Vater kein Athosianer war.

Sein Vater. Es fiel Teyla noch immer schwer zu glauben, dass John tatsächlich tot war. Immer wieder tauchten Bilder in ihrem Kopf auf, wie er in lodernden Flammen um sein Überleben kämpfte, diesen aussichtslosen Kampf aber schließlich verlor und von den Flammen verzerrt wurde. Ihr Herz wurde schwer bei diesen Gedanken und sie brach in Tränen aus. Sie wollte es einfach nicht wahrhaben! Wie musste jemand wie John nur so ein ungerechtes Ende finden? Wieso? Womit hatte er das verdient?
Es waren Fragen, die sie quälten, doch sie musste immer wieder darüber nachdenken. Sie konnte einfach nicht anders, als sich selbst Vorwürfe zu machen. Hätte sie ihn doch nur daran gehindert zu gehen. Sie hatte von Anfang ein schlechtes Gefühl bei diesem Plan gehabt. Warum hatte sie nicht versucht ihm das auszureden? Wieso hatte sie ihn einfach so gehen lassen?

Wahrscheinlich hätte John sowieso nicht auf sie gehört. Er hatte einen verdammten Dickschädel und wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann ließ er sich auch nicht mehr davon abbringen. Und diesmal war es ihm zu Verhängnis geworden…

Teyla merkte wie ihre Knie in Hinsicht auf dieses Resultat weich wurden und wie sie haltlos nach vorne wegzusacken drohte. Tränen quollen aus ihren Augen und liefen über ihre heißen Wangen, sammelten sich oberhalb ihrer bebenden Lippen und tropften dann auf den Waldboden hinab. Gerade noch rechtzeitig packten Ronons starke Hände nach ihr, um ihren Fall zu verhindern, und Teyla lehnte sich vollends zurück, stolperte in die Arme des Sateders. Sie konnte einfach nicht mehr und ließ ihren Emotionen freien Lauf.

Elizabeth tauchte neben ihr auf und schloss sie in eine feste, tröstende Umarmung. „Wir sind bei Ihnen“, hörte Teyla sie flüstern und merkte, dass auch die Expeditionsleiterin weinte. „Sie müssen da nicht allein durch, Teyla- das verspreche ich Ihnen.“

Es dauerte noch fünf weitere Minuten, bis Teyla und auch Elizabeth so weit beruhigt und ihre Tränen weggewischt hatten, dass sie weitergehen konnten. Die athosianische Siedlung war nun nicht mehr weit und Teyla konnte schon den regelmäßigen Schlag der Trommeln hören. Der Geruch von Feuer und Rauch lag in der Luft und in der Ferne konnte sie schon die hell erleuchteten Zelte sehen.
Ihr Herz begann unwillkürlich schneller zu schlagen, als sie die Kinder entdeckte, die lachend zwischen den Zelten hin und her liefen und versuchten sich gegenseitig zu fangen. Sie sah, wie sich zwei Jungen in einem Zelteingang versteckten und dann mit einem Satz hervorsprangen, als zwei gleichaltrige Mädchen vorbeiliefen. Die Jungen lachten los, während die beiden zu Tode erschrockenen Mädchen das überhaupt nicht lustig fanden und mit bebenden Unterlippen davon liefen.
Teyla beobachtete die Kinder aufmerksam, wie sie lachend umher hüpften und spielten, und malte sich aus, dass auch ihr Kind eines Tages unter ihnen sein würde. Sie hoffte inständig, dass die älteren Männer ihre Situation verstehen würden.

„Können wir weitergehen?“ In ihren Gedanken versunken hatte Teyla nicht bemerkt, dass Elizabeth und Ronon neben sie getreten waren und sie erwartungsvoll ansahen. In Elizabeths Augen glitzerten noch immer feuchte Tränen, doch neben der Trauer um Johns Verlust war da noch etwas anderes- etwas neugieriges. Teyla konnte sich nicht darin erinnern, dass die Expeditionsleiterin sie schon einmal zu einem Tandulfest begleitet hatte. Selbstverständlich war sie schon einmal auf Neu Athos zu Besuch gewesen, doch das war jetzt schon fast zwei Jahre her und hinzu kam, dass dieses Fest etwas ganz Besonderes war.

Teyla sah, wie Elizabeth dem dumpfen Schlag der Trommeln lauschte und wie ihre Augen auf die Siedlung gerichtet waren. Sie beobachtete die Athosianer, die geschäftig umherliefen und einander in der Mitte der Siedlung trafen.

„Ja, wir können weitergehen“, sagte Teyla schließlich und empfand zum ersten Mal an diesem Abend so etwas wie Freude. Die Aussicht Halling und seinen Sohn Jinto wiederzusehen dämpfte die Trauer ein kleines bisschen und als Teyla sich in den Sinn rief, dass auch ihr guter Freund Kanaan heute Abend anwesend war, hüpfte ihr Herz in ihrer Brust.

Kanaan. Sie hatte ihn so lange nicht mehr gesehen. Es mussten in Zwischenzeit schon wieder mindestens sechs Jahre vergangen sein. Wie sehr sie sich doch auf ihn freute! Sie würde das Gespräch mit ihm suchen- vielleicht lenkte sie das von ihrem Kummer ab.

Sie setzten sich wieder in Bewegung und je näher sie der Siedlung kamen desto mehr Einzelheiten konnte Teyla erkennen. Sie entdeckte unweit von Hallings Zelt Hanjia stehen, eine liebevolle ältere Frau, die sich nach Charins Tod sehr um sie und die anderen jungen Frauen bemüht hatte. Hanjia hatte eine gute Seele und war immer freundlich. Wenn jemand sie brauchte, dann war sie da und half wo sie nur konnte. Und außerdem konnte niemand besseren Ruuswein machen, als sie es tat. Ein paar junge Männer standen um sie und ihren großen dampfenden Kessel herum und ließen sich ihre Becher mit dem köstlichen Getränk füllen.

Teyla folgte mit ihrem Blick der davonziehenden Gruppe, die sich auf dem Weg zur Feuerstelle drastisch verminderte, da ein paar der Männer samt Wein und Begleitung zwischen den Zelten verschwanden.

Die Feuerstelle lag inmitten der Zelte und war gesäumt von ein paar gefällten Bäumen; Teyla erinnerte sich noch genau, wie Halling und die anderen Männer sie dorthin geschafft hatten. Jetzt saßen die meisten Leute der Siedlung auf den Baumstämmen und unterhielten sich miteinander.

Drei jüngere Männer hatten ihre Beine um die Trommeln geschlungen und schlugen einen regelmäßigen, sehr melodisch klingenden Takt, zu dem eine Gruppe junger Athosianerinen tanzte, wohlwollend beobachtet von den Männern. Teyla lächelte still in sich hinein, als sie daran dachte, dass sie letztes Jahr auch noch zu dieser kleinen Gruppe gehört hatte. Sie hatte nicht etwa getanzt, um einen der Männer zu beeindrucken- es hatte ihr einfach Spaß gemacht! Auch jetzt kitzelte es ihr in den Fingern, doch sie beließ es lieber dabei, die jungen Frauen zu beobachten, wie sie ihre schlanken und spärlich bekleideten Körper im Takt der Musik bewegten, lachend und singend.
Sie ließ ihren Blick weiterschweifen (inzwischen waren sie, Elizabeth und Ronon am Rande der Siedlung angekommen, standen auf einer kleinen Anhöhe und blickten auf das Geschehen hinab). Etwas abseits der Musik sah sie Halling und Jinto. Sie saßen eng beisammen; der fünfzehnjährige Jinto schielte zu einem etwa gleichaltrigen Mädchen herüber, das errötete, als er ihr zuzwinkerte. Sein Vater, Halling, schien von alledem nichts zu merken. Er hielt eine Schüssel von Hanjias Wurzelsuppe in einer Hand und gestikulierte mit der anderen.

Halling schien zu merken, dass man ihn beobachtete, denn plötzlich flog sein Kopf hoch und er blickte direkt in Teylas Richtung. Wegen der Dunkelheit kniff er die Augen zusammen, aber als er seine Freundin entdeckte lockerte sich seine angespannte Miene und ein freudiges Lächeln zog sich über sein Gesicht.

„Da kommt Halling“, informierte Teyla Elizabeth und Ronon und lief dem Athosianer dann entgegen. Er breitete seine Arme aus und begrüßte sie mit einer festen Umarmung und auf die traditionelle athosianische Art, indem er seine Stirn kurz gegen die ihre lehnte.

„Es ist schön dich wiederzusehen, Teyla“, sagte er voller Freude und mit glänzenden Augen. „Wir dachten schon, dass du nicht mehr kommen würdest.“

„Ich würde die Feierlichkeiten doch nie verpassen“, erinnerte sie ihn. „Du weißt wie wichtig mir die Traditionen sind.“

Halling lächelte und trat dann einen Schritt zurück, um sie genauer zu beschauen. Natürlich fiel ihm die ‚Veränderung’ auf und sein Blick fiel auf ihren Bauch. „Oh“, meinte er einfach nur.

Teyla seufzte und legte ihre Hand auf ihren Bauch. Prüfend blickte sie an sich herab und musterte ihr Gewand mit Skepsis; es war in dunklen Erd- und Grüntönen gehalten und mit dem weitfallenden Schnitt war es das einzige Kleidungsstück in ihrem Kleiderschrank daheim in Atlantis, das ihr trotz ihrer voranschreitenden Schwangerschaft noch passte.

Als sie wieder zu Halling aufblickte, sah sie ihn widererwarten lächeln und das beruhigte sie. „Es ist kompliziert“, erklärte sie ihm leise.

„Für mich sieht es nicht gerade kompliziert aus“, entgegnete Halling ihr freundlich. Er wahrte einen gewissen Abstand zwischen sich und ihr, aber sein Gesicht sagte Teyla, dass er sich für sie freute… und schließlich sagte Halling ihr es auch persönlich. „Ich freue mich wirklich für dich.“ Er trat wieder auf sie zu und schloss sie zum zweiten Mal an diesem Abend in seine Arme.

Teyla schloss ihre Augen und spürte eine Welle der Erleichterung durch ihren Körper rauschen. Sogar ihr Kummer und der Schmerz in ihrem Herzen schienen für einen kurzen Moment betäubt zu sein.

„Du wurdest schon sehnsüchtig erwartet“, hörte sie Halling sagen und als er sich von ihr löste, blickte sie erwartungsvoll über die Schulter ihres Freundes.

„Ist er schon hier?“, wollte sie wissen und suchte um das Feuer herum nach der ihr bekannten Silhouette, die sie in den letzten Jahren so fürchterlich vermisst hatte.

„Natürlich ist er schon hier“, antwortete Halling lachend. „Er ist fast verrückt geworden und hat immer wieder nach dir gefragt. Er scheint mir etwas nervös und aufgeregt zu sein.“

„Das kann ich gut verstehen.“ Teyla holte tief Luft. „ Ich kann es kaum glauben, dass er tatsächlich hier ist. Es ist schon so lange her. Ich bin gespannt auf ihn. Wo ist er?“ Sie blickte sich erst suchend um, sah dann Halling an. „Wo ist Kanaan?“ Am Lagerfeuer schien er jedenfalls nicht zu sitzen, denn sie konnte ihn nirgends entdecken. Es waren alles bekannte Gesichter, doch das ihres besten Freundes war nicht dabei.

Halling hörte sich überrascht an, als er leicht irritiert auf ihre Frage antwortete: „Kanaan?“ Er folgte ihrem Blick, meinte dann: „Nein, er ist nicht hier sondern woanders. Ich weiß nicht genau wo, aber irgendwo muss er sich rumtreiben.“ Er hob verwundert die Augenbrauen. „Na, ich dachte du meinst Col. Sheppard.“

Kaum hatte Halling es gesagt, da entdeckte Teyla ein Gesicht, das nicht in ihre Erinnerungen an ihr Volk und an das Tandulfest passte. Sie schnappte nach Luft, als sie ihn sah; er saß mit dem Rücken zu ihr, neben den jungen Männern ihres Volkes, und starrte misstrauisch in die kleine Schüssel, die er in den Händen hielt.

Teyla glaubte ohnmächtig zu werden- so stark brachen die Emotionen über sie herein-, doch sie konnte sich auf den Beinen halten. Nein, das konnte nicht sein. Sie blinzelte, um sich zu vergewissern, dass es kein Traum war und er wirklich da war.
„John!“, rief sie und sah durch ihre tränenblinden Augen, dass sein Kopf hochflog. Die kleine Schüsseln fiel zu Boden, als er aufsprang und auf sie zueilte.

Das kann nicht sein, schrie es in Teyla und überwältig schüttelte sie mit dem Kopf. Das kann einfach nicht sein! Sie wollte es nicht glauben. Nach allem, was passiert war! Sie konnte es nicht glauben- das musste ein Traum sein!
Aber seine stürmische Umarmung fühlte sich real an. Sie spürte den Druck, als er sie fest gegen seine Brust drückte. Sein leidenschaftlicher Kuss brannte auf ihren Lippen und seine Stimme klang so echt. Seine Berührungen… wie er ihr Gesicht zwischen seine Handflächen legte und sie dann küsste…

„John“, wisperte sie mit erstickter Stimme und er nickte zur Erwiderung.

„Ja, ich bin’s“, hörte sie seine Stimme, die nur sehr langsam durch ihren in Watte gepackten Verstand drang. Alles schien sich zu verzögern. Sie sah ihn an, doch es dauerte, bis sie realisierte, dass es tatsächlich sein Gesicht war.

Teyla schluchzte und schlug sich die Hand vor den Mund, als es endlich in ihrem Kopf ankam, dass er wirklich vor ihr stand und dass sie nicht träumte. Die Tränen brachen hemmungslos aus ihren Augen und sie begann am ganzen Körper zu zittern. Ihre Arme und ihre Beine wurden schlaff und ihre Knie konnten ihr Gewicht nicht mehr halten. Sie sackte in seinen Armen zusammen und fiel wie ein lebloses Etwas gegen seinen Oberkörper.

„John.“

Sie streckte ihre Hand nach seinem Gesicht aus und er lehnte sich dagegen. Seine Haut lag warm in ihrer Handinnenfläche.

„Ich bin hier“, flüsterte er. „Ich bin ja hier.“

„ ber…aber wie…“, stammelte Teyla und ihre Augen füllten sich mit neuen Tränen. So langsam begann sie sich zu fragen, wo sie die jetzt noch herbekam. „Wie…ich habe… du…wie…“

„Ssht.“ John legte seinen Finger vor ihre Lippen und brachte sie mit einem einzigen Blick zum Schweigen. „Das ist eine lange Geschichte“, sagte er leise.

„D…du warst…tot.“ Teyla schüttelte ungläubig mit dem Kopf und berührte seine Wange erneut; sie konnte es nicht glauben. „Du…du warst auf dem Schiff.“

John nickte. „Ja, das war ich.“

„ Tot.“ Das Wort kam immer wieder über ihre bebenden Lippen, hallte dumpf in ihrem Kopf. Er war tot. Er war auf dem Schiff gewesen. Er war tot, doch nun war er hier. Er war bei ihr. Er war am Leben! Aber er war doch tot gewesen!

„Ich bin hier, Teyla.“ Der dunkelhaarige Soldat hatte seine Hände noch immer um ihr Gesicht gelegt und hielt ihren Kopf, sodass er ihr in die Augen sehen konnte. Er hauchte ihr liebevolle Küsse über die Lippen, versuchte sie damit zu beruhigen, doch die Athosianerin zitterte nur noch mehr.

„John“, wimmerte sie.

„Ich bin bei dir“, versicherte er ihr und lehnte seine Stirn zärtlich gegen die ihr, berührte mit seinen Lippen ihre Nasenspitze. „Ich bin nicht tot, ich bin hier. Ich bin bei dir.“

Teyla weinte und schluchzte, als sie ihre Arme um Johns Hals schlang und ihn fest umarmte- sofern es ihr Leibensumfang zuließ. Sie wimmerte laut und presste ihr tränenüberströmtes Gesicht gegen seine Brust, lauschte seinem stetigen starken Herzschlag und spürte, wie sich sein Brustkorb beim Einatmen hob und beim Ausatmen wieder zusammenfiel.

„Geh’ nicht“, flehte sie ihn leise an. „Lass mich nicht allein.“

„Ich werd’ dich nicht allein lassen.“ John küsste sie auf den Haaransatz und legte dann sein Kinn auf ihren Kopf. „Ich werde hierbleiben- bei dir und bei unserem Baby.“

Ein überrascht klingendes ‚John’ ertönte genau in dem Augenblick, als der Soldat seine mit feinen Kratzern übersäte Hand auf Teylas Bauch legte und Elizabeth strebte von hinten auf das eng umschlungene Paar zu. Sie hatte ihre grünen Augen weit aufgerissen und fiel John schluchzend um den Hals, als der sie zur Begrüßung anlächelte.

„O mein Gott“, wisperte die Expeditionsleiterin und schüttelte so sehr mir dem Kopf, dass ihre braunen Locken ungebändigt auf und ab wippten.

„O mein Gott, John!“

Sie löste sich widerwillig aus der Umarmung. „Was…was ist passiert?“

„Es ist eine lange Geschichte“, konnte John ihr gerade noch antworten, ehe ihn zwei prankenartige Hände von hinten packten und Ronon seinen verloren geglaubten Freund in eine feste Umarmung schloss, die dem Soldaten fast die Luft abschnürte.

„Sheppard, Du Mistkerl“, lachte Ronon laut und schallend. Der Sateder hob den um ein paar Zentimeter kleineren Mann hoch und setzte ihn erst nach kurzem Protest wieder zurück auf den Boden.

Teyla beobachtete die Szene wie in einem tranceartigen Zustand. Ihr Herz schlug in ihrem Inneren viel schneller als es gut für sie war und ihr Puls raste in schwindelerregende Höhe. Die Welt vor ihren Augen begann sich zu drehen, die Gesichter ihrer Freunde und der Umstehenden verschwammen ineinander und wurde dann ganz plötzlich schwarz. Sie merkte noch, wie sie nach hinten wegkippte und wie sie zwei starke Arme zu fassen bekamen, ehe sie auf dem vom Lagerfeuer vertrockneten Boden aufschlug. Doch dann war da nichts mehr außer eine große Leere …

ooOOoo


Der Alarm gellte erbarmungslos in seinen Ohren und er hatte das Gefühl, dass er noch schriller geworden war. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Er hatte fürchterliches Magendrücken bei der Sache…

Was um alles in der Welt tat er hier eigentlich? Er hätte es lieber sein lassen sollen. Rodney hatte recht gehabt: Das war eine dämliche Idee gewesen, eine fürchterlich dämliche Idee! Warum war er nur so starrköpfig gewesen? Die anderen hatten doch versucht ihn aufzuhalten- Teyla, Elizabeth, ja sogar Rodney… doch er hatte nicht auf sie gehört. Er hatte mal wieder den Helden spielen wollen! John Sheppard, der Retter der verdammten Seelen!
Was hatte er sich nur dabei gedacht? Es hätte ihm doch klar sein müssen, dass Larrin für den Fall, dass man hinter ihrer perfiden Plan kam, vorgesorgt hatte. Dieses Miststück!

Mit einem Kopf voller wirrer Gedanken rannte John durch die Gänge der Artemis und suchte einen Ausweg. Der Alarm gellte laut und schrill und brachte ihn fast um den Verstand.
‚Verdammt’, dachte John, schlidderte um die Ecke. Er wusste nicht wie viel Zeit er hatte, doch er bezweifelte, dass es noch genug war, um das Gaterium zu erreichen. Hoffentlich hatten Elizabeth und die anderen es geschafft- das war die Hauptsache! Wenn schon nicht er… dann würden wenigstens sie es nach Atlantis schaffen, um dort von den Abenteuern zu berichten, die sie erlebt hatten.
Aber was, wenn er es nicht geschafft hatte, die Vorrichtung Larrins zu deaktivieren? Was, wenn es noch eine zweite gab, von der niemand etwas wusste? Dann saßen die anderen ebenso auf diesem Schiff fest, wie er es tat. Das würde bedeuten, dass er versagt hatte… dass er es nicht geschafft hatte, die anderen zu retten … dass er schwach war.

John biss verbittert die Zähne zusammen. Nein, er hatte nicht versagt. Die anderen würden es schaffen und mit etwas Glück würde er ihnen folgen können. Er wusste nur noch nicht wie er das anstellen sollte.
Während er durch die Korridore lief, warf er immer wieder einen kontrollierenden Blick auf seine Uhr; schließlich starrte er nur noch auf die digitale Anzeige… und als er wieder aufblickte, realisierte er, dass er sich vollkommen ‚verrannt’ hatte. Vor ihm lag ein Korridor- breit, mit hohen Wänden und zur Abwechselung mal ohne die antikischen Symbole an den Wänden. Er war noch nie hier gewesen und das konnte nur bedeuten, dass er sich verlaufen hatte.
„ Toll, Sheppard“, schimpfte er mit sich selbst. „ Es geht um Leben und Tod und was machst du? Verläufst dich!“ Wütend auf sich selbst hastete John auf die geschlossene Tür zu, die am anderen Ende des Korridors lag. Vor ihr angekommen zögerte er. Was, wenn diese Tür nicht ohne Grund geschlossen war? So wie der Reaktorraum. Was, wenn hinter ihr gefährliche Strahlung war?
‚ Egal’, rief eine kleine mutige Stimme in ihm und so legte er seine Hände auf das schmale Bedienfeld neben der Tür. Das System reagierte sofort auf sein Gen und die Tür öffnete sich mit dem altbekannten Zischen. Dahinter befand sich nichts als Dunkelheit und John bezweifelte auf einmal, dass das eine so gute Idee gewesen war.
Sämtliche Alarmglocken schrillten in seinem Inneren, trotzdem zog die Neugier ihn in den dunklen Raum. Doch kaum hatte die Sohle seines Stiefels den Boden des Raumes betreten, flackerten schon die Lichter hell auf und John schloss erst einmal geblendet die Augen, legte sich die Hand vors Gesicht.

Als er zwischen seinen Fingern hindurch blinzelte, sah er helle scheinwerferartige Lampen von der Decke hinab in einen weitläufigen Raum leuchten. Der Raum war noch größer als es das hiesige Gaterium war und John erkannte die Umrisse von etwas, das einem Jumper verdammt ähnlich aussah.
„ Gott sei Dank“, rief er aus. Er zählte insgesamt zehn Stück; als er näher kam, bemerkte er Unterschiede zu den lantianischen Jumpern daheim in Atlantis und zu den Fluggeräten hier. Diese erinnerten ihn entfernt an die Hubschrauber, die er damals in Afghanistan geflogen hatte- nur schienen diesen hier die Propeller zu fehlen.
John betrachtete die ihm fremden Fluggeräte. Warum hatten sie das hier nicht früher entdeckt? Was brachte ihnen diese Entdeckung, jetzt da es sowieso so gut wie vorbei war?

Ein Beben unter seinen Füßen riss John aus seinen wütenden Überlegungen und er beschloss, dass er darüber auch später nachdenken konnte. Sich sputend nahm er die Beine in die Hand und lief los. Zielsicher steuerte er auf das erstbeste Fluggerät zu; die Heckluke stand offen und so fackelte John nicht lange- er hatte eh keine andere Wahl.
Das Innere erinnerte stark an einen Puddle Jumper und auch die Technik war ihm mehr als vertraut. John nahm hinter der Steuerkonsole Platz und legte seine Hände auf das Bedienfeld.
‚Bitte mach, dass es funktioniert’, dachte er flehend und konzentrierte sich dann… und die Geister des Fluggeräts erwachten zu neuem Leben. Vor ihm tauchte auf dem Bildschirm eine Anzeige auf, die aus lauter antikischen Symbolen bestand… die er bedauernswerterweise nicht verstand.
John lugte durch die Frontscheibe des Fluggeräts und bemerkte besorgt, dass die Hangaröffnung, die ihn eigentlich nach draußen führen sollte, noch immer geschlossen war.
„ Verdammt“, murmelte er und suchte mithilfe seiner Gedanken nach den richtigen Informationen, doch die wollten sich nicht finden lassen. Da waren lauter Koordinaten unwichtiger Planeten. „ Ach komm schon, mach’ die dämliche Luke auf“, herrschte er das vor ihm liegende Steuerpult an und begann dann erneut sich zu konzentrieren.

Dieses Ding mochte zwar einem Jumper ähneln, doch es war komplizierter in der Handhabung und es forderte John all seine Konzentration, bis ein donnerndes Geräusch das Öffnen der Hangarluke verkündete. Die mächtigen Stahltüren stoben auseinander und gaben den Blick frei auf das Gestirn.
„ Dankeschön“, brummte John; wahrscheinlich würde man ihn für verrückt erklären- falls man ihn beobachten würde. ‚ Okay, nichts wie raus hier’, sagte er sich und ließ das Fluggerät per Gedanken vom Hangarboden abheben. Galant und mit einer Wendigkeit, die ein Jumper nie hätte haben können, flog es empor und dirigierte sich sicher durch die offene Hangarluke hinaus in den Weltraum.
„ Na, das ging ja schon mal ganz gut.“ John steuerte von der Artemis weg, immer weiter ins All hinaus. Die Heckluke des Fluggeräts bestand aus durchsichtigem Material, doch der Soldat wagte es nicht zurückzublicken. Er flog das Ding einfach nur geradeaus, weg von der Artemis...

‚ Ob es die andern wohl geschafft hatten?’, fragte er sich genau in dem Moment, als ein ohrenbetäubender Knall die Stille der unendlichen Weiten zerriss. John wandte Kopf um und beobachtete erschrocken wie sich helle Flammen durch die Artemis fraßen. Die Explosionen rissen das Schiff in zwei… nein, in drei Teile. Begleitet von gewaltigen glühenden Feuerbällen drifteten sie hinaus in das Dunkel des Weltraums. Ohne Erbarmen arbeiteten sich die Flammen durch die Trümmer; die Explosionen ließen erst von ihnen ab, als nichts mehr von ihnen übrig geblieben war.

Fassungslos starrte John in den leeren Raum zurück, wo sich bis vor wenigen Augenblicken noch eines der bedeutendsten Werke der Antiker befunden hatte; jetzt war da nichts mehr außer kleinsten Teilchen, die es geschafft hatten den Flammen zu entkommen, und den Sternen, die bis in alle Ewigkeiten stumme Zeugen dieser Vernichtung sein würden.
‚ Was zur Hölle…’ John schloss kurz seine Augen, um nicht seinem Gedankenwirrwarr zu erliegen. Er musste sich weiter konzentrieren- er merkte, wie schwer es ihm fiel, die Kontrolle über das Fluggerät zu behalten. Die Technologie erwies sich als komplexer als die eines Jumpers und forderte seine ganze Konzentration. Es war anstrengend und Schweißperlen traten auf seine Stirn.
John kam zu dem Schluss, dass er dieses Ding schnellstens irgendwo landen musste. Er rief das Programm mit den Koordinaten der Planeten auf und verglich sie mit den Gateadressen in seinem Kopf auf. Zu seinem Bedauern war Atlantis nicht dabei, aber er erkannte eine andere Adresse…

Darüber nachdenkend, was da gerade passiert war, und inständig hoffend, dass es die anderen noch rechtzeitig geschafft hatten das Schiff zu verlassen, schlug John einen neuen Kurs ein und lenkte das Fluggerät auf einen Planeten zu, der in der Dunkelheit des Universums einladend dahinschwebte. Durch die dichte Wolkendecke hindurch sah John die dichten Wälder Neu Athos’, die sich über den ganzen Planeten erstreckten und nur durch die Ausläufer des Gebirges und durch die Berge selbst unterbrochen wurde. Auf der Südseite des Planeten sah er die Wasseroberfläche des großen Sees silbern schimmern.
Er war noch zu weit weg, als dass er die Siedlung der Athosianer sehen konnte, aber irgendwie beruhigte ihn der Gedanke, dass Freunde dort unten auf ihn warteten.


Aufmerksam hatten ihm Elizabeth, Ronon und all die anderen, die um ihn herum saßen, zugehört. John beendete seine Rede mit den Worten: „In gewisser Hinsicht bin ich ja nach Hause gekommen“, woraufhin Elizabeth zum wiederholten Male an diesem Abend in Tränen ausbrach und sie sich mit dem Ärmel ihrer Jacke aus dem Augenwinkel wischte.

„Und es ist alles zerstört worden?“, fragte Halling; der Athosianer saß neben ihm und hatte sich die Geschichte bereits zum zweiten Mal angehört.

„Ja, alles.“ John nickte. „So eine… Gewalt habe ich noch nie gesehen. Die Explosionen…“- Er stieß einen zischenden Laut hervor und machte eine beschreibende Handbewegung. Einige Kinder, die sich ebenfalls um das Feuer herum versammelt hatten und ihm gespannt lauschten, zuckten zusammen und fingen dann an sich aufgeregt, aber leise, miteinander zu unterhalten.

„Eigentlich schade“, merkte Ronon an und leerte seine Suppe mit einem Zug, verzog kritisch das Gesicht und schüttelte dann nur mit dem Kopf als eine ältere Athosianerin namens Hanjia ihm nachschenken wollte.

Neben ihm schüttelte Elizabeth mit dem Kopf, verschränkte ihre Finger ineinander und lehnte sich dann vor. „Ich verstehe das nicht“, sagte sie mit gepresster Stimme. Sie seufzte und sah in Johns Richtung.

„Wie konnte das nur passieren?“

Der Soldat zuckte mit den Schultern und starrte dann in die lodernden Flammen. „Ich weiß es nicht“, antwortete er.

„Irgendetwas scheint schief gelaufen zu sein.“ Ronon spielte mit dem Offensichtlichen.

„Aber es war doch alles gut“, rief Elizabeth aufgebracht und ihr Kopfschütteln dauerte weiter an. „Was um alles in der Welt ist nur schief gelaufen?“

Das wüsste ich auch gern, antwortete John für sich selbst. Wie Elizabeth sagte: Es war alles gut gewesen. Alles hatte geklappt. Er hatte dieses Ding (was auch immer es gewesen war) deaktiviert und die anderen hatten Atlantis anwählen können. Sie alle hatten es zurück in die Stadt geschafft und er hatte es geschafft die Artemis zu verlassen, bevor... sie in ihre Bestandteile zerrissen wurde.
Nie und nimmer war das auf seine Aktion zurückzuführen… aber was, wenn doch? Er traute Larrin zu, dass sie so viel Grips besaß, dass sie ihren Plan trotzdem ausführen konnte. Verdammtes Luder, schimpfte John sie. Es würde ihn nicht verwundern, wenn sie ihre blassen Finger im Spiel gehabt hätte.

„Ob diese Larrin sich an uns rächen wollte?“ Schließlich war es Ronon, der das aussprach, was alle dachten.

„Zutrauen würde ich es ihr“, erwiderte John verachtend und spie aus. „Sie ist gerissen und glauben Sie nicht, dass sie die Niederlage einfach so hingenommen hat.“

Elizabeth legte ihm eine Hand auf den Arm. „Glauben Sie, dass sie zurückkehren wird, John?“

„Im Moment mache ich mir andere Sorgen“, sagte der Soldat und erinnerte sich an Larrins Worte, dass noch andere kommen würden, um ihr Vorhaben zu beenden. Sie war keine Lügnerin, also sah John diese Bedrohung ernst. Es würden andere kommen. Wann- das wusste er nicht und darüber wollte er sich auch keine Gedanken machen. Aber die Tatsache, dass es schon bald soweit sein könnte, reichte ihm.

Sie müssten sich darauf gefasst machen, dass man versuchen würde in die Stadt einzufallen so wie man es auch bei der Artemis getan hatte. John wusste, dass die ganze Sache für Larrin und auch für Baku noch nicht beendet war. Die beiden waren durstig nach Rache und sie scheuten keine Mittel, um ihr Ziel- Atlantis einzunehmen- zu erreichen.

Dennoch war John sich ebenso sicher, dass er alles tun würde, um sie daran zu hindern. Diese beiden… Kreaturen hatten bereits so viel angerichtet, dass er nicht zulassen konnte, dass sie wieder eine Chance bekamen.

Entschlossen schnaubte er. Nein, er würde das nicht zulassen. Vor unterdrückter Wut begann er mit den Zähnen zu knirschen, was den anderen natürlich nicht verborgen blieb.

Elizabeth musterte ihn besorgt.

„Ist alles in Ordnung, John?“, fragte sie.

„Mhm“, war alles was er ihr erwiderte und dann aufstand. Er musste sich ein wenig die Beine vertreten und versuchen einen klaren Kopf zu bekommen. „Ich geh’ nur mal ein bisschen spazieren“, antwortete er auf Elizabeth stille Frage, die in ihren grünen Augen lag.

„Okay.“ Die Expeditionsleiterin entließ ihn, aber nicht ohne skeptisch ihre Augenbrauen zu heben und ihm nachzuschauen. John merkte ihren Blick noch lange im Nacken und wusste, dass sie sich fürchterlich um ihn sorgte. Doch diese Sorge war unbegründet… naja, zumindest sollte sie sich nicht weiter den Kopf darüber zerbrechen, fand er. Elizabeth sah immer mehr, forschte tief in den Menschen, die sie umgaben, und deshalb fiel es ihr immer sofort auf, wenn sich jemand anders als sonst benahm. Und im Moment schien sie sich Sorgen um ihn zu machen…

Ganz egal, was Elizabeth dachte oder worum sie sich Sorgen machte… John hatte mit dem Gedanken abgeschlossen und schlenderte mit den Händen in den Hosentaschen durch die athosianische Siedlung. Es war bereits weit nach Mitternacht, doch noch immer huschten kleine Gestalten zwischen den Zelten umher.

„Hoppla, junger Mann!“ John grinste und fing einen kleinen blonden Jungen ab, bevor dieser in ihn reinrannte. Der Bursche lächelte nur verlegen und murmelte etwas, was sich wie eine Entschuldigung anhörte, und lief dann weiter. John sah ihm nach, schmunzelte, als er sah, wie sich der Junge mit Geschrei auf ein rothaariges Mädchen stürzte, dass sich in einem Zelteingang bis jetzt ziemlich sicher gefühlt hatte. Kreischend und lachend liefen die beiden davon, gefolgt von einer ganzen Kinderschar, die plötzlich aus den Zelten gestürmt kamen.

John hatte sich von Halling über das Tandulfest aufklären lassen und hatte in Erfahrung gebracht, dass niemand- noch nicht einmal die Kinder- vor Sonnenaufgang ins Bett ging. Für die Athosianer war dies ein besonderer Tag und die wichtigste Festivität im ganzen Jahr.
Auch jetzt schien noch die ganze Siedlung auf den Beinen zu sein; nicht nur die Kinder freuten sich, auch die anderen älteren Athosianer schienen diesen besonderen Tag zu genießen.

Ein paar junge Leute hatten sich gruppiert und unterhielten sich untereinander angeregt. Obwohl die Männer so taten, als ob sie tief in eine Diskussion verwickelt waren, beobachteten sie die jungen Frauen ganz genau und manchmal huschte ein bubenhaftes Grinsen über ihre Lippen und es wurde einander zugezwinkert.

John musste schmunzeln und ging kopfschüttelnd weiter. Er lief zwischen den Zelten hin und her, grüßte alle, die ihm auf seinem Weg begegneten und nahm den Roosewein, den Hanja ihm in die Hand drückte, dankend an. Jetzt, da die Nacht fortgeschritten war und es immer kälter wurde, hatte die alte Frau das Getränk über dem Feuer erwärmt. Das tassenartige Gefäß lag warm zwischen Johns Fingern und der dunkelrote Wein kribbelte angenehm auf seiner Zunge.

Er schlenderte weiter, bis er die Kinder wieder entdeckte, die nun alle auf einem Haufen saßen und gebannt in ein und dieselbe Richtung starrten. Die kleinen Münder standen offen und ihre Augen funkelten erwartungsvoll. Fast gleichzeitig zuckten sie zusammen, begannen dann zu kichern und zu murmeln.
John entdeckte einen Athosianer, auf den die Augen der Kinder gerichtet waren. Er saß auf einem umgefallenen Baumstamm und gestikulierte wild mit den Händen, was die Kinder mit lautem Lachen quittierten. Die braunen Augen des Mannes funkelten und während er erzählte lachte er immerzu und seine markanten Gesichtszüge verformten sich zu den komischsten Grimassen.

Nun plinkerte er mit den Wimpern und fuhr sich durch die kurzen braunen Haare, woraufhin die Kinder noch lauter lachten.
Der Mann schnappte sich einen der Jungen und setzte ihn sich auf den Schoss, kitzelte ihn so sehr, bis der Kleine vor Lachen nach vorne kippte.

„Okay, okay, jetzt ist aber genug!“, hörte John den Mann sagen; so sehr er sich auch zu erinnern versuchte- er kannte diesen Mann nicht. Er hatte ihn noch nie zuvor gesehen.

Die Kinder bedachten die Ansage des Mannes mit Murren, fanden dann aber wieder Interesse an ihrem Fangspiel und begannen sich wieder lachend zu jagen. Als die Gruppe auseinander stob, entdeckte John, dass der Mann nicht allein war: Teyla saß neben ihm und als er sich zu ihr beugte und ihr etwas zuflüsterte, lächelte sie. Es war ein glückliches Lächeln und sie schaute den Mann mit ihren braunen Augen an.

John kniff misstrauisch die Augen zusammen. Wer zur Hölle war dieser Kerl? Seine Kinnlade klappte herunter, als der Mann einen Arm um Teyla legte und ihre Hand auf seinem Oberschenkel ruhte. Wer zur Hölle war dieser Kerl, der da seine Frau angrabbelte?

„Teyla!“, rief John sie und bahnte sich seinen Weg zu den beiden, die seiner Meinung nach genug Zeit allein verbracht hatten. Teyla hatte aufgesehen, als er ihren Namen gerufen hatte, doch sie blieb sitzen. lächelte weiter.

„Ich habe mich schon gefragt, wann du kommst“, empfing sie ihn und lehnte sich ihm entgegen.

„Tut mir leid, ging nicht schneller.“ John hauchte ihr einen zärtlichen Kuss auf die Lippen… nicht ohne den anderen Mann aus dem Augenwinkel heraus zu beobachten; er saß friedlich da, nur als sie beiden sich küssten, blickte er kurz weg.

Teyla beendete den Kuss viel zu schnell und ihre Hand fiel wieder auf den Oberschenkel des Mannes. „Ich habe schon den ganzen Abend darauf gewartet euch einander vorzustellen.“ Sie lächelte. „Erinnerst du dich, wie ich dir von Kanaan erzählt habe, John?“

„Kanaan… der in der Galaxie umherreist.“ John musterte den Mann, der neben Teyla saß. „Dann sind Sie das also.“ Widerwillig streckte er seine Hand vor. „Freut mich Sie kennenzulernen, Kanaan.“

„Die Freude liegt ganz meinerseits, Col. Sheppard“, erwiderte der Mann überraschend freundlich. „Teyla hat mir viel von Ihnen erzählt. Natürlich nur Gutes. Sie sollen ein sehr begabter Pilot sein.“

Dieser Mann versuchte sich definitiv bei ihm einzuschleimen. John verschränkte die Arme vor seinem Oberkörper.

„Jaja, kann man so sagen.“

Kanaan schien sein Misstrauen zu spüren, aber er ließ sich nichts anmerken. Selig lächelnd wandte er sich an Teyla: „Ich habe unser Gespräch sehr genossen, meine Liebe.“

„Ich ebenso“, erwiderte Teyla. „Es war schön dich mal wiederzusehen.“

„Weißt du es noch nicht?“ Kanaan grinste. „Ich werde hierbleiben- fürs Erste.“

„O, Kanaan!“ Teyla schlug sich die Hand vor den Mund und umarmte ihren Freund dann stürmisch. „Das ist ja wundervoll! Ich… ich kann es gar nicht glauben! Wirklich, du bleibst wirklich hier?“

Ihr Gegenüber nickte. „Es wird Zeit, dass ich mehr über meine Zukunft nachdenke. Ich bin lange genug gereist.“

Teyla lachte. „O, Kanaan“, wiederholte sie und fiel ihm wieder um den Hals.

„Ich habe schon mit Halling darüber gesprochen“, fuhr Kanaan fort, „und er ist einverstanden. Ich werde mein eigenes Zelt bekommen.“ Er seufzte zufrieden. „Ja, es wurde langsam Zeit. Ich habe meine Freunde vermisst… ich habe dich vermisst, Teyla.“

„Hast du schon Hanjia aufgesucht, wegen dem Fest für deine Wiederaufnahme?“, fragte sie ihn, woraufhin er mit dem Kopf schüttelte und sich erhob.

„Aber das werde ich jetzt gleich tun.“ Kanaan lächelte auf sie herab, beugte sich dann zu ihr herunter und lehnte in traditioneller Weise seine Stirn gegen ihre.

John seinerseits presste die Lippen fest aufeinander und beobachtete die beiden. Dieser Kanaan mochte noch so nett sein… aber er mochte ihn nicht! Misstrauisch ließ er den Athosianer nicht aus den Augen und schaute ihm hinterher, bis er verschwunden war.

„Du bist eifersüchtig.“

Er drehte sich langsam zu Teyla um, die schmunzelnd zu ihm aufblickte und ihm mit einer Handbewegung bedeutete, sich neben sie zu setzen.

John hob die Augenbrauen. „Ich bin nicht eifersüchtig“, verteidigte er sich.

„Und was war das dann da eben?“, wollte Teyla mit gespielt ernster Miene wissen.

„Ich bin nicht eifersüchtig“, wiederholte John mit mehr Nachdruck. Er setzte sich neben sie und neigte nachdenklich seinen Kopf. „Okay, vielleicht ein kleines bisschen- ein klitzekleines bisschen. Mehr aber auch nicht!“

„Du musst aber nicht eifersüchtig sein.“ Teyla stupste ihn gegen seine Schulter. „Kanaan ist ein guter Freund von mir- mehr nicht. Es wäre auch nie mehr daraus geworden, glaub’ mir.“

Sie seufzte und lehnte ihren Kopf dann gegen seine Schulter. Für sie schien das Thema abgehakt zu sein und so beschloss auch John nicht mehr an diesen Kanaan zu denken. Er würde ihn so oder so heute noch sehen.
Der Soldat legte seinen Arm um die Taille der Athosianerin und vergrub sein Gesicht in ihren rostbraunen Haaren; sie rochen nach athosianischen Gewürzen und nach dem trockenen Holz, das Halling benutzt hatte, um nachzufeuern.

Teyla lehnte sich bereitwillig gegen ihn und fuhr mit ihrem Finger unterhalb seines Kinns entlang. Ihre Nase lag an seiner Wange und ihre Lippen kitzelten über seine Haut. Genießerisch schloss John seine Augen und fuhr mit einer Hand durch ihre Haare und dann an ihrem Nacken entlang.

„Ist alles in Ordnung bei dir?“, fragte er sie leise, strich ihre langen Haare beiseite, nur um dann ihren entblößten Nacken zu küssen. Teyla seufzte auf und ihre Hand fiel hinunter auf seinen Oberschenkel.

„Es könnte besser sein“, antwortete sie ihm und wand sich aus der innigen Umarmung.

„Was meinst du damit?“ John hatte diese Antwort nicht erwartet. Besorgt sah er sie an. O mein Gott, sag’ bitte das es dir gut geht, flehte er im Stillen und wollte sie wieder zu sich ziehen, doch sie sträubte sich dagegen und ihre braunen Augen füllten sich mit Tränen. O nein, nein, nein…

„John…“

„Nein, nicht weinen. Bitte. Nicht weinen“, bat er sie und wischte ihr die Tränen aus dem Gesicht. „Es steht dir nicht, wenn du weinst.“ Nun erwartete er, dass Teyla lächelte, doch das tat sie nicht. Sie sah ihn einfach nur ernst an, neue Tränen begannen in ihren Augen zu schwimmen und ihre Unterlippe zitterte dramatisch.

„Du…du warst tot“, sagte sie schließlich heiser. „Wie soll es mir da gut gehen?“

„Ich bin aber hier, Teyla.“

John nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und hob ihren Kopf hoch. „Ich bin nicht tot. Ich bin hier. Bei dir."

Die Athosianerin schluchzte. Sie schloss ihre Augen und schien um Fassung bemüht.

„John“, schniefte sie leise, „du kannst dir nicht vorstellen, wie ich mich gefühlt habe, als uns gesagt wurde, dass das Schiff zerstört wurde. Ich konnte es nicht glauben, dass du tatsächlich tot sein solltest. Ich konnte mir das nicht vorstellen.“ Panik begann in ihrer bebenden Stimme mitzuschwingen. „Ich wollte mir nicht vorstellen, wie es ohne dich weitergehen würde. Vielleicht konnte ich es auch nicht…“

„Teyla…“

„Lass mich ausreden. Bitte“, fiel sie ihm ins Wort. „Es hat mir das Herz zerrissen, darüber nachzudenken, dass unser Kind ohne dich aufwachsen muss. Ich wollte das nicht. Ich wollte, dass unsere Tochter ihren Vater kennt.“

„Ich bin doch hier“, sagte John schnell und ließ seine Hand auf ihren Bauch sinken. „Bei euch beiden.“

Teyla schüttelte mit dem Kopf. „Und als ich dich dann hier gesehen habe… ich… ich dachte…“ Sie schluckte heftig und japste dann nach Luft.

„Das ist kein Traum“, versicherte er ihr. „Ich bin wirklich hier.“

John legte seine Arme um sie und hielt sie fest. Die Athosianerin zitterte in seinen Armen und ihre Tränen sogen sich durch seine Uniform. Ihr Brustkorb hob sich krampfhaft.

„D…das weiß ich doch“, weinte sie. „I…ich kann es nur noch nicht glauben.“

„Hör zu, Teyla.“ John packte sie sanft an ihren Oberarmen und schaute ihr in die Augen. „ ch bin hier… ich meine, ich bin wirklich hier. Bei dir und dem Baby. Und ich werde nicht gehen, okay? Ich werde hierbleiben, genau hier.“

Teyla nickte mit aufeinander gepressten Lippen.

„Hast du mich verstanden?“ Als sie wieder nickte seufzte John erleichtert auf, zog sie erneut eng an sich und legte dann sein Kinn auf ihren Kopf- so wie er es vorhin auch schon getan hatte. Sie lag zitternd in seinen Armen und er wiegte sie wie ein kleines Kind.

„Ich liebe dich“, wisperte sie gegen seine Brust und schmiegte sich an ihn.

„Ich liebe dich auch“, erwiderte ihr und küsste sie auf die Stirn.


Fernab von ihnen begann ein lautes und aufgebrachtes Stimmengewirr; eine Stimme kristallisierte sich besonders heraus- sie war laut, hoch und fürchterlich schrill und hatte sich so in Johns Gedächtnis eingebrannt, dass er sie nicht vergessen konnte. Er musste noch nicht einmal aufblicken, um zu sehen, wer da mit hochrotem Kopf und völlig außer Puste auf ihn zu gestolpert kam.

Sheppard?!

„Wer hat den denn eingeladen?“ John verzog das Gesicht, küsste Teyla ein weiteres Mal.

„Solche Neuigkeiten sprechen sich schnell herum“, lächelte sie mit glitzernden Augen und fügte dann wissend hinzu: „Ich glaube Elizabeth hat ihm Bescheid gegeben.“

John seufzte.

„Sheppard; Sie leben!?“ Mit einem Grinsen wandte John sich um und starrte in zwei fassungslose blaue Augen.

„Sieht ganz danach aus, Rodney“, meinte er, an sich herabblickend. „Yep, fühlt sich alles ganz lebendig an.“

„Aber…aber Sie…Sie waren…tot!“ Der Kanadier schüttelte verwirrt mit dem Kopf, warf dann seine Hände in die Höhe. „Tot!“

‚Jetzt geht das schon wieder los.’ John seufzte erneut und setzte sich dann gerade hin. Rodney nahm ihm gegenüber Platz, noch immer mit dem Kopf schüttelnd.

„Mir geht’s gut“, versicherte der Soldat und machte sich daran, die Geschichte, wie er es von dem explodierenden Schiff geschafft hatte, für seinen Freund zu wiederholen.

TBC
Nachrichten aus der Pegasusgalaxie by Ailya
*+*+*

“I’d do anything ... for any one of you. If I had to give up my life… I would.”

(John Sheppard in “Sateda”)



Hanjia hatte ihre grauen Augen in die Ferne gerichtet. Sie stand im Eingang ihres Zeltes, hatte sich auf den Stab gestützt, den Jinto ihr gemacht hatte, und ließ ihren Blick schweifen. Ihre Gedanken waren allerdings bei dem Kessel Wurzelsuppe, den sie über dem Feuer erwärmte. Ob sie diesmal genug Wurzeln genommen hatte? Das letzte Mal hatte die Suppe etwas fad geschmeckt. Doch dieses Mal hatte sie es mehr gewürzt und auch mehr Wurzeln reingeschnitten. Sie hatte ein gutes Gefühl bei der Sache.

Die köchelnde Suppe im Hinterkopf schaute Hanjia in die Dunkelheit hinaus, die keineswegs gewöhnlich war. Es war zwar Abend, aber es war ungewöhnlich dunkel. Hanjia hob ihren Blick gen Himmel und musterte die dunklen, fast schon schwarzen Wolken nachdenklich. Stürme waren für diese Zeit nichts ungewöhnliches, aber dieses Jahr schien es ganz besonders schlimm zu sein.
Die Athosianerin runzelte ihre Stirn, während sie den Himmel weiter betrachtete. Die Wolken waren dick und hingen sehr tief; es würde nicht mehr lange dauern, bis der Regen auf die Erde niederbrausen würde, begleitet von Blitz und Donner.
Hoffentlich kommen die Männer rechtzeitig zurück, dachte Hanjia. Die Gruppe war vor über zwei Stunden aufgebrochen, um zu jagen. Besorgt blickte sie in die Richtung, in die die Männer verschwunden waren. Kanaan war zuversichtlich gewesen, dass sie zurückkamen, bevor das Unwetter losbrach und Hanjia hoffte, dass er recht behalten würde. Sie wusste aus Erfahrung, dass es draußen ziemlich ungemütlich werden konnte.

Der pfeifende Kessel riss sie aus ihren sorgenvollen Gedanken; ihre Suppe war fertig. Voller Erwartung humpelte Hanjia zur Feuerstelle und öffnete den Kessel, warf einen prüfenden Blick in ihn hinein. Sie kam zu dem Schluss, dass ihre Suppe nun lange genug gekocht hatte und holte sich eine kleine Schale und füllte sie mit der heißen Wurzelsuppe. Dann setzte sie sich und führte das Gefäß vorsichtig an ihre Lippen. Die Suppe war heiß- so wie sie es am liebsten hatte- und schmeckte sehr gut. Das neue Gewürz, das sie ausprobiert hatte, machte wirklich einen Unterschied.
Hanjia genoss ihre Suppe bis auf den letzten Tropfen… doch dann war sie satt und schaute zu dem noch immer vollen Kessel herüber. Sie sollte es sich angewöhnen nur für sich zu kochen. Es war noch so viel übrig, dass sie wieder unter den Kindern verteilen konnte.

Draußen zuckte ein Blitz über den Himmel und erhellte das Lager für einen kurzen Moment. Sekunden später fielen die ersten Tropfen auf die Plane ihres Zeltes.
Seufzend erhob sich Hanjia und beeilte sich, den Eingang ihres Zeltes zu verschließen. Sie ruckelte an der Zeltstange, sodass sie zu Boden fiel und der Eingang zuklappte. Es regnete zwar noch nicht so stark, aber sie wollte es lieber schon jetzt gemacht haben, als später, wenn der Regen ihr entgegenschlagen würde.
Der Wind wurde immer lauter und pfiff, als Hanjia sich wieder hinsetzte und ihre alten Hände an der warmen Schüssel wärmte. Es war merkwürdig, dass es schon so früh begann. Normalerweise fing es erst mitten in der Nacht an zu gewittern; erst kam der Regen, dann Blitz und Donner.
Hanjia hatte das Gefühl, dass diese Nacht anders sein sollte. Sie war ein kleines bisschen unruhig und sie war sich sicher, dass irgendetwas heute Nacht passieren würde.
Sie hoffte nur inständig, dass die Männer es noch vor dem Wolkenbruch zurückschafften.

ooOOoo


Ein heller, gezackter Blitz zuckte über den Himmel, der sich mit bedrohlich aussehenden Wolken zugezogen hatte, und wurde von einem tiefen Grollen begleitet. Der Wind peitschte durch die Baumwipfel und brachte kleinere und schwächere Äste dazu, loszubrechen und polternd auf den Erdboden zu krachen. Abgestorbene Blätter, dünne Äste und Dreck tanzten in kleinen Wirbeln über den ausgedorrten Boden. Der See dümpelte unruhig dahin; kleine Wellen schwabbten über den Uferrand und überspülten alles, was sich ihnen in den Weg stellte.
Die Luft war ungewöhnlich warm und schwül. Ein feuchter Film hing in der Luft und in Hinblick auf die dunklen Wolken am Himmel konnte das nichts Gutes bedeuten.

Es ist soweit. Dieser Gedanke riss Teyla aus ihrem unruhigen Schlaf und sie war sofort hellwach. Sie hatte auf dem Rücken gelegen, rappelte sich aber nun mühsam auf und stützte ihren schweißnassen Körper auf ihre bloßen Handflächen. Ihr Herz trommelte in ihrer Brust und das Blut schoss ganz plötzlich glühend heiß durch ihren Körper.

Teyla schloss ihre Augen, versuchte sich auf ihr Atmen zu konzentrieren, doch als der ziehende Schmerz, der sie geweckt hatte, zurückkehrte, schnappte sie überrascht nach Luft. Sie konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken und fiel zurück gegen die Kissen.

Nein, bitte nicht jetzt, flehte sie und strich sich über ihren Bauch, der sich unter den krampfartigen Schmerzen zusammengezogen hatte und nun hart unter ihren Händen lag. Teyla schluckte und erinnerte sich, dass Carson gesagt hatte, dass sie bereits eine Woche über dem Termin war. Sie hatte sich nicht weiter Gedanken darüber gemacht; sie wusste von Hanjia, dass die erste Schwangerschaft fast immer länger dauerte als die darauffolgenden.
Aber jetzt war es soweit! Ihr Baby kam; es war spät am Abend, draußen tobte ein Sturm mit Blitz und Donner… und sie war allein. John war zusammen mit Kanaan und ein paar anderen Männern aus dem Lager auf die Jagd gegangen und Teyla wusste nicht, wann er zurückkommen würde. Zuerst hatte er sich dagegen gesträubt, hatte nicht mitgehen wollen. Erst als sie ihn dazu gedrängt und ihm versichert hatte, dass das Baby ganz gewiss nicht heute Nacht kommen würde, war er mitgegangen.
Und nun kam das Baby doch!

Sie rutschte an dem Kopfende ihres Bettes hinauf. Der Schmerz in ihrem Unterleib war noch richtig verklungen, als er schon wieder zurückkehrte und sie dazu brachte ihre Zähne fest aufeinander zubeißen. Sie presste ihren Rücken gegen das harte Holz und verkrallte ihre Hände in das Laken des Bettes, versuchte den Schmerz wegzuatmen, so wie Carson es ihr gezeigt hatte.
Ein ängstliches Wimmern drang über ihre Lippen, als Teyla sich vorbeugte und prüfend ihr weißes Nachtgewand musterte, das durchnässt an den Innenseiten ihrer Schenkel haftete. Sie flehte, dass es sich nur um einen Traum handelte, doch als sich die erste wirklich starke Wehe ankündigte und sie aus ihrem Atemrhythmus brachte, zerplatzte die Hoffnung wie eine Seifenblase.

Teyla wurde von den Wehen, die plötzlich in immer kürzeren Abständen aufeinander folgten, vollkommen überrascht. Schwerfällig und hechelnd, schaffte sie es sich hinzuknien. Begleitet von einer weiteren Kontraktion kippte sie allerdings gleich wieder nach vorne.
„Verdammt“, keuchte sie und drückte ihre Stirn gegen die Matratze. Sie fühlte, wie sich das Gewicht ihres Kindes verlagerte und nach unten drückte. Teyla hob leicht ihren Kopf an und blickte sehnsüchtig zu dem Eingang ihres Zeltes herüber. Wieso kam eigentlich nie jemand, wenn sie wirklich Hilfe benötigte?

Sie versuchte sich auszumalen, wie lange Kanaan die kleine Truppe bei diesem Wetter wohl durch die athosianischen Wälder hetzen würde. Er konnte sehr verbissen sein, wenn er etwas erreichen wollte. In dieser Hinsicht ähnelte er John sehr, was bedeutete, dass die beiden Männer wohl gerade ihren Spaß hatten.

Teyla stöhnte auf, als sie merkte, wie ihr Kind sich unaufhaltsam einen Weg durch sie hindurch bahnte. Das war keinesfalls normal, schrie eine Stimme in ihr. Das konnte nicht normal sein! Carson hatte ihr gesagt, dass es beim ersten Kind immer länger dauerte- Stunden, ja sogar einen ganzen Tag. Doch scheinbar schien sich ihr Kind nach an diese Regel halten zu wollen!
Ächzend legte Teyla ihre Hände an das Fußende ihres Bettes und sie klammerte sich mit einem leisen Schrei an das Holz. Dieses Kind kam jetzt schon nach seinem Vater- wollte in allem immer der Erste sein, hatte es immer eilig!

„O verdammt, John“, fluchte sie keuchend zwischen zwei Wehen und wünschte sich nichts sehnlicher, als ihn hier bei sich zu haben. Er würde an ihrer Seite sein und ihr die Hand halten. Er würde ihr sagen, dass sie ihre Sache toll machte.
Aber er war nicht hier! Er trieb sich irgendwo da draußen in den Wäldern herum und jagte Großwild. So langsam begann Teyla es zu bereuen, dass sie einfach hatte gehen lassen…

Außerhalb des Zeltes tobte das Unwetter und zu allem Überdruss hatte es jetzt auch noch angefangen in Strömen zu regnen. Der Regen trommelte gegen die Zeltplane und es würde nicht lange dauern und jemand müsste raus gehen, um das Dach von der Last zu befreien. Wie zur Bestätigung blitzte es in demselben Augenblick, als eine weitere Wehe Teyla heimsuchte und wie eine Welle über den Körper der Athosianerin hinwegbrandete.

ooOOoo


Mistwetter. Das war die zutreffendste Beschreibung für das, was sich da gerade über seinem Kopf abspielte. John blieb kurz stehen und richtete seinen Blick hoch in den Himmel; die Wolken hingen seiner Meinung nach verdammt tief, waren dunkel, fast schon schwarz und es regnete Bindfäden aus ihnen. Hin und wieder erhellte ein Blitz den Himmel, zog lauten Donner mit sich und schlug dann irgendwo in den Erdboden ein. Der Wind hatte in den letzten Minuten an Kraft zugenommen und John musste sich mit seinem ganzen Körpergewicht dagegenstemmen. Schützend legte er sich die Hand vor die Augen, damit der Regen ihm nicht zu sehr ins Gesicht peitschte.

Herrgott, was für ein Mistwetter, dachte der Soldat und stapfte durch den bräunlichen Matsch, der hartnäckig an seinen Militärstiefeln zu haften begann.

„ Das war ja wirklich `ne echt tolle Idee von dir, John“, schimpfte er mit sich selbst. Er zog den Kragen seiner Jacke etwas höher und kniff dann verbittert die Lippen aufeinander. Ein kleiner Jagdtrip- so bezeichnete Kanaan das also. Jagdtrip. Das war ein Höllentrip durch die dichten athosianischen Wälder gewesen! Nicht, dass es ihm nicht gefallen hatte… Nein, widererwarten konnte John gut mir Kanaan umgehen. In vielen Punkten waren sie sich sogar sehr ähnlich. Nur was das Jagen im strömenden Regen anbelangte gingen ihre Geschmäcker doch etwas auseinander.

John wischte sich übers Gesicht und bahnte sich weiter seinen Weg durch das unwegsame Gelände; der Regen hatte den Boden aufgeweicht und das Übriggebliebene- eine pampige Mischung aus Wasser und Dreck- umspülte seine Füße.
Es fröstelte dem Soldaten leicht und so war er froh, als er die athosianische Siedlung durch den dichten Regenschleier erkennen konnte. In der Luft lag der Geruch von Rauch und John konnte es gar nicht abwarten, sich an einem gemütlichen Feuer zu wärmen. Er musste an Kanaan und die anderen Männer denken, die noch immer irgendwo da draußen auf der Lauer lagen und darauf warteten, dass sich ein Tier sich vor ihre Waffen verirrte. Doch wahrscheinlich hatten sich sämtliche Bären, Hirsche - oder wie immer die Tiere hier hießen- in ihren warmen Höhlen verkrochen und kuschelten sich gerade an ihre Artgenossen.

Schlaue Tierchen, dachte John nur. Ihn hatte es auch nicht länger da draußen in der Wildnis gehalten. Jagen in strömenden Regen gehörte nun nicht gerade zu seinen Lieblingsbeschäftigungen und er hatte sich seine freien Tage durchaus anders vorgestellt. M3H772 hatte einen wirklich wunderwollen Strand; warme Temperaturen, weißer Sand, Palmen und ein 1a Wellengang. Nur zu gern hätte er sich mal wieder nach langer Zeit in die Fluten gestürzt, hätte den Sand zwischen seinen Zehen und das salzige Wasser auf seiner Haut gespürt. Wenn er recht überlegte war es jetzt fast fünf Jahre her, seit er das letzte Mal surfen gewesen war!

Doch es war, wie sooft im Leben, anders gekommen… Teyla war nun im neunten Monat und sie hatte noch einmal ein paar Tage Entspannung von Carson ‚verschrieben’ bekommen, um sich auf die Geburt vorbereiten zu können. Der Schotte hatte vorgeschlagen, dass sie sich doch in der Nähe von Atlantis aufhalten sollte und da sich M3H772 nun mal am anderen Ende der Pegasusgalaxie befand, war es von Anfang an nicht in die Planung einbezogen worden.

In Anbetracht auf diese Tatsachen erfand es John doch als sehr klug, dass sie beide ihre freien Tage auf Neu Athos verbrachten. Es war ein beruhigender Gedanke, dass Carson und sein medizinisches Notfallteam nur eine Gatereise entfernt waren.

Der Regen schien immer schlimmer zu werden, als John nach einem entkräftenden Marsch endlich die Siedlung erreichte. Pfeifend schlängelte sich der Wind zwischen den Zelten hindurch und ruckelte an den stabilen Zeltwänden, die dem aber unbeeindruckt standhielten.
In den meisten Zelten brannte noch Licht; wahrscheinlich fiel es den Athosianern bei diesem Wetter auch schwer zu schlafen und das war nur allzu verständlich. Der Regen trommelte von oben hinab, der Wind peitschte laut gegen die Zeltwände und in den Wipfeln der majestätischen Bäume, die das Lager säumten, raschelten die Blätter und die Äste bewegten sich knacksend im Wind.
Halling hatte ihm erklärt, dass diese Stürme um diese Jahreszeit etwas ganz Normales waren… doch er hatte auch angemerkt, dass sie dieses Jahr irgendwie stärker zu sein schien. Woran das lag, konnte er sich nicht erklären…

John zog das Tempo etwas an und eilte zwischen den Zelten hindurch; die Eingänge waren allesamt verschlossen, um das Innenleben und die Bewohner vor dem Regen und den Wind zu schützen. Ganz am Ende ragte Teylas Zelt in den dunklen Unwetterhimmel; es stand etwas abseits von den anderen und wirkte dem ersten Anschein nach auch etwas größer. John sah, dass im Inneren Licht brannte und wunderte sich. Es war zwar erst kurz nach Neun, aber Teyla war in den letzten Wochen immer früh zu Bett gegangen. Ob irgendetwas nicht stimmte?

Wahrscheinlich ist Hanjia zu Besuch, beruhigte John sich. Die alte Frau war in den letzten beiden Tagen öfters bei Teyla gewesen, hatte sie untersucht und sich mit ihr unterhalten. Die beiden Frauen schienen sich wirklich gut zu verstehen und Teyla schien erleichtert zu sein, dass sie eine Ansprechpartnerin innerhalb ihres Volkes hatte. Mit Charins Tod hatte sie ihre letzte verloren. In Hanjia hatte sie ihre neue gefunden.
John mochte Hanjia. Sie war freundlich und hatte eine zutiefst gute Seele. Es war gut, dass sie und Teyla sich regelmäßig trafen- da war er sich sicher. Ihm war aufgefallen, wie Teyla ihre Nervosität abgelegt hatte und ruhiger geworden war.
Er stellte sich vor, wie die beiden Frauen im Zelt beisammen saßen und sich lachend unterhielten. Dabei tranken sie Tee und Hanjia füllte ihre wirklich exquisite Wurzelsuppe in zwei kleine Schüsseln.

John verlangsamte seinen Schritt etwas, als er den Eingang des Zeltes erreichte. Dieser war im Gegensatz zu den anderen Zelten nicht verschlossen, sondern wehte im Wind. Es sah Teyla nicht ähnlich, dass sie so etwas vergaß.

Vielleicht war sie ja so sehr in das Gespräch mit Hanjia vertieft, spekulierte John, als er die Plane mit der Hand beiseite schob und das Zelt betrat. Sofort schlug ihm der angenehme Duft von athosianischen Gewürzen und Kerzen entgegen und er bemerkte sofort, dass es angenehm warm war. Seine eingefrorenen Glieder begannen langsam aufzutauen... und er schälte sich erst einmal aus seinen nassen Klamotten heraus. Flink öffnete er die Knöpfe der Jacke, die Halling ihm für die Jagd überlassen hatte, und warf sie geschickt über die Lehne des kleinen fellüberzogenen Sessels.

Unter der Jacke aus warmem Fell trug er seine reguläre Uniform, die er auch daheim in Atlantis immer trug. Er hatte heute für wenige Stunden zurückkehren müssen, um Rodney bei einem Problem zu helfen, dass entstanden war, nachdem ein von Radek Zelenka geplantes Programm nicht richtig funktionieren wollte und man sein ATA-Gen dafür brauchte, um die Maschine neu zu starten. Diese banale Sache hatte ihm kostbare Stunden gekostet… aber Elizabeth hatte ihm versichert, dass er sie irgendwann mit Sicherheit nachholen konnte.

Mit der rechten Hand fuhr sich John durch seine klitschnassen Haare und lauschte dann in die merkwürdige Stille des Zeltes hinein. Normalerweise klang es anders, wenn Hanjia zu Besuch war. Doch jetzt war es still- nur die immer kleiner werdenden Flammen über der Feuerstelle brachten die Holzscheite ab und zu noch einmal zum Knacksen. Sonst war es still…

Beunruhigt griff John im Vorbeigehen nach dem Handtuch, trocknete sich das Gesicht ab und wuschelte sich sporadisch durch seine dunklen Haare. „Teyla?“, rief er und erhielt auch sogleich Antwort.

Es war ein leises Wimmern, das aus dem hinteren Teil des Zeltes drang.

„Teyla?“ Alarmiert ließ John das Handtuch einfach fallen und lief durch das geräumige Zelt. Er fand Teyla auf dem Bett kniend, sich auf ihre Hände abstützend. Seine Augen weiteten sich.

„O nein, nein, nein, nein.“

Genau in dem Moment, in dem er realisierte, was sich hier abspielte, begann ihr Körper zu zittern und sie drohte unter Stöhnen zusammenzubrechen. John machte einen Satz auf Teyla zu und fing sie gerade noch rechtzeitig ab. Sanft half er ihr, sich aufzusetzen und stützte sie mit einem Arm.

Zitternd lag sie in seinem Arm; ihr Brustkorb hob sich krampfhaft und sie atmete schnell und holperig. John streckte seine Hand aus und strich ihr eine Haarsträhne aus ihrem verschwitzten Gesicht. Vorsichtig lehnte er sie zurück gegen das Kissen und erhob sich dann.

„Ich gehe Hanjia holen“, sagte er und drehte sich dann um, um zu gehen.

„N…nein“, keuchte Teyla und in demselben Moment, als sie flehend ihre Hand nach ihm ausstreckte, um ihn zurückzuhalten, begann sich ein Beben durch ihren Körper zu ziehen und ein lauter, spitzer Schrei brach über ihre Lippen.

John vergaß sein Vorhaben und eilte wieder zu ihr zurück. Sie packte seine Hand und während sie sich durch die Wehe atmete, biss er die Zähne zusammen und versuchte nicht daran zu denken, was sie seiner Hand gerade antat. Teyla stöhnte, als der Schmerz nachzulassen schien, und kippte rücklings in die Kissen.

„Geh nicht“, hechelte sie und bekam ihn an seinem Hemdkragen zu fassen. Pure Angst flackerte in ihren braunen Augen auf. „B…bitte bleib hier. Geh nicht.“

„ Teyla…“, setzte John an, aber schon im nächsten Augenblick fielen ihre Hände auf seine Schultern und das Gewicht ihres sich vor Schmerzen aufbäumenden Körpers drückte ihn tiefer in die Matratze des Bettes. Seine Schulterknochen knackten, als sich ihre Finger wie ein Schraubstock um sie legten und zudrückten. Er jammerte leise auf, kniff die Lippen fest aufeinander. Das war verdammt schnell!

„W…wir haben keine Zeit mehr“, schaffte es Teyla völlig außer Atem zu sagen, ehe sie wieder schrie und nach seiner Hand griff. Es dauerte eine ganze Minuten, bis sie wieder imstande war etwas zu sagen. „John, das Baby kommt !“

„Was!?“ Der Soldat starrte sie an, während sie sich aufsetzte, die Kissen im Rücken, und ihre Beine anwinkelte. Er schüttelte mit dem Kopf. „Jetzt?"

Teyla atmete konzentriert und hatte ihre Augen geschlossen. „Meine Fruchtblase ist vor über zwei Stunden geplatzt.“

„Und wieso hast du niemanden geholt?“, fragte John aufgebracht.

„Ich… ich hatte nicht gedacht, dass e…es so schnell geht“, japste die Athosianerin und umfasste seine Hand. „Wir werden das hier machen müssen.“

„ Wir?“ Mit vor Panik flatterndem Herzen blickte John auf sie herab und hatte plötzlich das Gefühl, sich nicht mehr bewegen zu können. Wir- sie meinte sich und ihn. Sie beide! Er begann wieder mit dem Kopf zu schütteln.

„Teyla, wir können das nicht allein machen“, rief er. Was, wenn irgendetwas schief lief und sie oder das Baby medizinische Hilfe brauchten?

„Die Leute meines Volkes bekommen das schon seit vielen Generationen hin. Und noch nie ist etwas schief gelaufen.“ Noch hatte sie ihn am Hemdkragen gepackt und zog ihn nun mit einem Ruck zu sich herunter, sodass sie einander in die Augen sahen.

„Dann bekommst du das erst recht hin!“

John sah in ihre dunklen Augen und verstand auf einmal, was sie ihm zu sagen versuchte. Sie brauchte ihn! Sie brauchte ihn, damit sie er ihr helfen und damit sie stark bleiben konnte. In seinem Kopf legte sich ein Schalter um und plötzlich wurde ihm bewusst, dass es hier um mehr ging. Er konnte sich nicht zieren- er musste das jetzt machen! Und in einer Art und Weise hatte Teyla ja auch recht: Wenn Männer das schon Generationen vor ihm geschafft hatten, dann würde er das auch hinbekommen.

Er nickte und sprang dann auf die Beine, hechtete durch das Zelt, zur Feuerstelle und schnappte sich den kleinen Kessel mit heißem Wasser und im Vorbeigehen noch die restlichen Handtücher, die auf dem Tisch verteilt lagen. In Filmen wurden immer heißes Wasser und Handtücher gebraucht; John wusste nicht, ob das im wirklichen Leben auch so war, aber er vertraute jetzt seinem Instinkt.


Teyla war inmitten einer weiteren Wehe, als er zurückkam.

„Ich bin hier, ich bin hier“, stammelte er und setzte den Kessel neben dem Bett ab. Er schob seine Ärmel hoch, wusch sich gründlich seine Hände und seine Unterarme. Als er zu Teyla aufblickte lag ein nervöser Ausdruck in ihrem Gesicht. Sie wirkte fast ein bisschen ängstlich. Noch nie zuvor hatte er sie so ängstlich gesehen.

„I…ich habe Angst, John“, keuchte sie.

„Hey, wir bekommen das schon hin, okay?“, versuchte er sie beruhigen.

„Aber e…es geht alles zu schnell“, erwiderte sie ihm mit Tränen in den Augen.

„I…ich…ich…“

„Ssht.“ John legte seinen Finger über ihre Lippen. Eine geradezu unheimliche Ruhe überkam ihn von einer Sekunde auf die nächste und nun schätzte er die harte Militärausbildung genossen zu haben. Er war darauf trainiert worden, in jeglicher Situation ruhig zu bleiben und sich auf das Wichtigste zu konzentrieren- selbst wenn um ihn herum das absolute Chaos herrschte.
Und so eine Situation war nun gekommen; Teyla brauchte ihn. Das Baby brauchte ihn. Er hob ihr Kinn mit seinem Finger an.

„Wir schaffen das “, wiederholte er und betonte jedes einzelne Wort. Sie lächelte schwach zur Erwiderung.


Draußen blitzte und donnerte es und Teyla bäumte sich unter einer weiteren, heftigen Wehe auf. Ihr gequält klingender Schrei gellte in Johns Ohren und er bot ihr bereitwillig seine Hand an, als sie jammernd nach ihm verlangte. Besorgt beobachtete er, wie sie eine schmerzverzerrte Grimasse schnitt und wie ihr Gesicht unter der Anstrengung bläulich anlief. Als die Schmerzen verebbten, japste sie panisch nach Luft, nur um im nächsten Augenblick die Zähne fest aufeinander zu pressen.

„Das Baby kommt jetzt “, rief sie inmitten der Wehe aus und spreizte ihre Beine auseinander. Ihre Hände umklammerten angestrengt ihre eigenen Oberschenkel.

„John!“

Seine plötzlich aufkommenden Zweifel beiseite schiebend, kniete der Soldat sich vor ihr nieder, zwischen ihren weit auseinander stehenden Füßen. Er holte den Wasserkessel zu sich hoch und stellte ihn neben sich. Mit einem hoffentlich zuversichtlich aussehenden Lächeln sah er zu Teyla auf, die sich gerade auf die nächste Wehe vorbereitete.

„Du machst das toll“, lobte er sie, obwohl er nicht wusste, ob diese Worte ihr wirklich etwas brachten. Und sowieso gab sie gerade schreiend den Schmerzen nach, die gnadenlos über sie herfielen. John verlor sich für einen Moment in seiner Betrachtung. Er konnte einfach nicht glauben, dass sie das hinbekam!

Er blickte wieder zwischen ihre Beine, genau in dem Moment, als der Kopf des Babys aus ihr hinausglitt.

„Teyla, mach weiter so. Ich kann schon den Kopf sehen“, informierte er sie lächelnd und legte sich ein Handtuch um die Hände, um das kleine Wesen, das jeden Moment auf die Welt kommen würde, aufzufangen.

Teyla ächzte laut und ihr Körper fiel in sich zusammen, als die Wehen kurz pausierten.

„I…ich kann n…nicht, John“, keuchte sie und fuhr sich mit ihrer zitternden Hand über ihr Gesicht.

„Ich kann nicht mehr.“

„Doch du kannst“, sagte John. „Hey, sieh mich an. Sieh mich an, Teyla!“ Er wartete, bis sie ihren Kopf hob und ihn wie ansah, fuhr dann in einer sanften Tonlage fort:

„Wir haben’s fast geschafft, okay? Du hast es fast geschafft. Ich kann schon den Kopf sehen.“

Die Athosianerin warf ihren Kopf in den Nacken, wirkte erschöpft und müde.

„Ich kann nicht“, begann sie zu jammern.

„Hey, hey, hey.“ John schnippte mit den Fingern. „Verdammt, Teyla, sieh mich an! Wir bekommen gleich ein Baby. Unser Baby, auf das wir jetzt so lange gewartet haben. Wir können jetzt nicht einfach aufhören. Nicht jetzt, hast du verstanden?“

Er half ihr sanft sich aufzusetzen, damit sie sehen konnte, wie ihr Kind auf die Welt kam.

„Siehst du? Du hast es gleich geschafft, Teyla. Nur noch einmal, bitte.“

Teyla nickte und verdrehte dann ihre Augen, als der Schmerz mit einer Heftigkeit zurückkehrte, die ihr die Luft abschnürte. Nach Halt suchend klammerte sie sich an dem Kragen seiner Uniform fest und stemmte ihren rechten Fuß gegen Johns Schulter.

„Gut machst du das“, feuerte dieser sie an und stellte zu seiner eigenen Überraschung fest, dass sich dem holprigen Atemrhythmus der Athosianerin angepasst hatte.

„Komm schon, Tey, noch einmal. Noch einmal. Na los!“ Mit all seiner Kraft lehnte er sich gegen ihren Fuß, der tonnenschwer auf seiner Schulter lastete, und blickte zwischen ihren Beinen hervor. Sie tat ihm so unglaublich leid. Es machte ihn verrückt, dass sie so leiden musste und er nichts für sie tun konnte.

Teyla schrie laut und fast schon animalisch anmutend, während sie presste. Sie biss die Zähne zusammen, ihre Nasenflügel blähten sich wegen der Anstrengung und der Schweiß rann unentwegt ihr Gesicht hinab. Ein tiefes Knurren drang aus ihrer Kehle und ihre Zähne knirschten.

„Noch einmal pressen“, drängte John sie. „Na los, Tey!“

Seine Hände begannen zu zittern, als er sah, wie das Baby nass und blutverschmiert und in einem Stück erst langsam und dann endgültig aus ihr hinausglitt. Der Boden wurde ihm unter den Füßen weggerissen und er hielt die Luft an, streckte schnell seine Arme aus.

O mein Gott, o mein Gott, dachte er nur, als das kleine Wesen weich in dem Handtuch landete.


Teyla sank mit einem lauten Ächzen zurück in die Kissen und schloss ihre Augen, während er noch immer starr auf das Baby in seinen Händen starrte und wie im Trance Mund und Nase von Schleim befreite und die Nabelschnur durchtrennte, so wie Carson es ihm gesagt hatte. Dem Baby schien das nicht zu gefallen; es zappelte unruhig und verzog sein zerknautschtes Gesicht zu einer missmutigen Grimasse. Seine kleinen Lungen füllten sich zum ersten Mal mit Sauerstoff und dann brach der ein kristallklarer Schrei aus diesem zerbrechlichen Körper heraus. Johns Augen füllten sich mit Tränen; er hatte noch nie einen schöneren Schrei gehört.

„Ist es okay?“, hörte er Teyla mit erschöpft klingender Stimme fragen. Er blickte in ihre Richtung und grinste. Vorsichtig tauchte er eines der Handtücher in das nunmehr lauwarme Wasser und begann den zerbrechlichen Körper des Kindes von dem Blut zu befreien.

„Zwei Arme, zwei Beine. Zehn Finger und zehn Zehen“, antwortete er und fügte dann mit einem stillen Lächeln hinzu:

„Sie ist genauso schön wie ihre Mutter.“

Teyla lachte erleichtert auf.

„Ein Mädchen?“, fragte sie mit Tränen in den Augen.

„Ein Mädchen. Ein wunderschönes kleines Mädchen.“ John schob vorsichtig seine Hände unter den so zerbrechlich wirkenden Körper seiner Tochter. Sie war so klein, war gerade einmal groß genug, dass sie in seine Hände passte. Ihre empörten Schreie wurden leiser und sie schien zu bemerken, dass um sie herum etwas anders war. Sie drehte ihren Kopf, ihre Lider flatterten auf und John blickte in zwei neugierige dunkelblaue Augen, von denen der Soldat schon jetzt wusste, dass sie später die gleiche Farbe wie die Augen Teylas haben würden- dunkelbraun.

"Hey, Prinzessin“, begrüßte er sie mit vor Ergriffenheit zitternder Stimme und führte seine Lippen an ihre Stirn. Die Kleine murrte leise, als er sie auf die Stirn küsste. John schmunzelte und erhob sich dann vorsichtig mit seiner Tochter auf dem Arm.

„Hallo, meine Kleine.“ Über Teylas Wangen strömten Tränen der Erleichterung und Freude, als sie die obersten Knöpfe ihres Nachtgewands öffnete und John das Baby auf ihren Brustkorb legte. Ihre Hand kam auf dem Rücken ihrer Tochter zum ruhen, die sich schläfrig gegen ihre Brust kuschelte.

Teyla strahlte, hob ihren Kopf hoch und sah ihn an. Die letzten qualvollen Minuten schienen vergessen zu sein. Die ausgestanden Schmerzen waren nur noch eine verblassenden Erinnerung und da war nichts anderes als Freude in ihrem schweißnassen Gesicht. John beugte sich zu ihr hinab und küsste sie auf ihre bebenden Lippen. Seine Familie. Seine kleine Familie.

Er schluckte den gewaltigen Kloß in seinem Hals runter und wischte sich die Tränen aus dem Augenwinkel. Seine Familie. Er konnte es noch immer nicht wirklich fassen, was da eben passiert war. Das Wunder der Geburt hatte ihn zum ersten Mal in seinem Leben sprachlos gemacht! John lachte heiser auf, als das Baby mit seinen dünnen Gliedmaßen gegen Teylas Brust zu strampeln begann, und ließ sich neben der Athosianerin auf das Bett sinken.

„Danke.“ Teyla erwiderte sein Lächeln matt, von der Geburt und den Schmerzen ausgelaugt und lehnte sich gegen ihn.

„Danke, dass du mir dieses Kind geschenkt hast.“

„Wir beide haben sie gemacht.“ John senkte seine Stimme. „Das waren wir beide.“

Seufzend drückte er seine Lippen wieder auf ihre; einmal, zweimal, dreimal und dann noch ein viertes Mal. Teyla wischte sich mit dem Handrücken die Wangen trocken. Ihr Gesicht strahlte nur so von Stolz und Zärtlichkeit, als sie ihr Baby vorsichtig in den Arm nahm, das sich bereits gierig seinem Instinkt folgend blindlings an ihrer Haut festgesaugt hatte.

„Willkommen auf der Welt, Charin Isabelle Sheppard“, schluchzte sie.

ooOOoo


General Hank Landry stand im Türrahmen und beobachtete schmunzelnd das Geschehen. Es erschien ihm doch immer wieder verwunderlich, in was für Zustände erwachsene Menschen geraten konnten, wenn man ihnen ein Bild eines neugeborenen Babys vorhielt. Hank erfand es als ein Mysterium. Es würde wohl nie geklärt werden, wie die blauen Augen eines Kindes einen Soldaten und selbst einen harten Jaffakrieger erweichen konnten…

„O schau mal, die blauen Augen.“ Vala Mal Doran juchzte. „Und guck mal, die kleinen Finger.“

Entzückt klatschte sie in die Hände. Neben ihr saß Daniel Jackson, das Foto in den Händen haltend, und lächelte amüsiert.

„Vala, Schatz“, meinte er schmunzelnd. „Wir sehen es doch alle.“

„Aber schau dir nur mal die kleine Stupsnase an“, plapperte Vala, ohne auf ihn einzugehen. „Ist das nicht süß?“

Sie drehte sich abrupt zu Teal’c um, der hinter ihr stand und über ihre Schultern hinweg sah. „Ist das nicht süß, Muskelprotz?“

„Das ist ein wirklich hinreizendes Kind, Vala Mal Doran“, kommentierte der Jaffa das Bild.

„Hinreizend?“ Valas Stimme war hoch und schrill. Sie riss Daniel das Bild aus den Händen. „Das ist das mit Abstand niedlichste, süßeste und bezaubernste Baby, das ich je gesehen habe!“

Cameron Mitchell wackelte mit den Augenbrauen.

„Hört, hört“, grinste er und warf Daniel einen viel sagenden Blick zu. „Wenn das mal nicht schwer nach Arbeit für Sie klingt, Jackson.“

Die Augen des Archäologen weiteten sich und er nahm Vala das Bild aus den Händen, reichte es schnell an Sam weiter, doch Vala hängte sich über die Schultern der Wissenschaftlerin.

„Ein wirklich schönes Foto“, meinte Sam und neigte den Kopf schief, um es näher zu betrachten. Sie wendete das Bild und las laut vor, was auf der Rückseite geschrieben stand. „ Charin Isabelle Sheppard, geboren am 26. Juni 2008 um 22:56 Uhr. Größe: 51 Zentimeter. Gewicht: 3010 Gramm.“

„Was für ein bezauberndes Geschöpf“, seufzte Vala. „Und so klein.“

„Sie ist wirklich klein“, sinnierte Sam und betrachtete das Foto. Ihre Augenbrauen hoben sich und ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. Sie hielt das Foto so, dass alle es sehen konnten.

„Sehen Sie mal- Sie hat Col. Sheppards Frisur.“

SG1 versammelte sich um den Tisch und nach eingehender Betrachtung begann Cameron zu nicken.

„Yep, mit ein bisschen Gel könnte man das hinbekommen.“

Vala war entsetzt.

„Sie können doch nicht mit diesem Zeug an einem kleinen Baby herumhantieren!“

„Das war doch nur ein Scherz“, beruhigte Daniel sie, in dem er ihr eine Hand auf die Schulter legte. „Das war nicht ernst gemeint, Vala.“ Die temperamentvolle Außerirdische schürzte die Lippen, doch dann hellten sich ihre Gesichtszüge auf.

„Vielleicht sollten wir einen Präsentkorb schicken“, rief sie freudig aus.

„Präsentkorb?“, kam es gleichzeitig aus drei männlichen Mündern; einzig und allein Sam schien der Idee etwas abgewinnen zu können.

„Vala, sie ist doch erst einen Tag alt“, erinnerte Daniel. „Wir sollten ihren Eltern noch ein bisschen Zeit geben, sich zu erholen. Wir können ihnen immer noch etwas schicken.“

Vala zog ihre Augenbrauen zusammen und sah ihn scharf an.

„Weißt du eigentlich, wie lange ich nicht mehr einkaufen war, Daniel? Und jetzt kommt da sowas Kleines, Süßes… und du lässt mich nicht!“

Cameron beobachtete die Szene breit grinsen und meinte dann leise zu Teal’c: „Passen Sie auf, gleich kommt die ‚Wir sind hier in den Vereinigten Staaten von Amerika’-Nummer.“

„In der Tat“, erwiderte ihm dieser. „Das sehe ich auch kommen, Col. Mitchell.“


Doch soweit kam es nicht. Vala verschränkte nur empört die Arme vor ihrem Oberkörper und murmelte etwas, von wegen man wollte ihr nur den Spaß verderben.

„Ich kann es nicht glauben, dass die Kleine jetzt tatsächlich da ist.“ Sam legte ihre ineinander verschränkten Hände auf den Tisch. „Ich meine… es ist doch gar nicht so lange her.“

„Neun Monate, Sam“, erinnerte Cam.

„Und der Colonel hat das Baby wirklich entbunden?“, fragte Daniel stirnrunzelnd in die Runde.

Cameron setzte sich verkehrt herum auf einen Stuhl und stützte seine Ellenbogen auf die Rückenlehne. „Nach dem, was ich gehört habe, hatte er gar keine andere Wahl.“

„Es war eine stürmische Nacht. Es regnete in Strömen und sie beide waren allein in einem Zelt. Sie lag schon seit Stunden in den Wehen, litt Höllenquallen, als er endlich von der Jagd zurückkehrte und sie hatten keine Chance mehr jemanden zu holen.“

Vala seufzte.

„Blablabla. Das ist ja alles schön und gut.“

Daniel schüttelte lächelnd mit dem Kopf. „Das du immer alles so dramatisch sehen musst.“

„Hey!“ Vala trieb ihm ihren Finger unter die Nase. „Wer hat hier schon mal ein Kind bekommen? Du oder ich?“ Sie schnaubte aufgebracht. „Es war zugeben nicht gerade angenehm und was da aus mir rausgekommen ist… ich hülle mich in Schweigen.“

Sie unterstrich ihre Aussage mit einer Geste.

„Aber nichtsdestotrotz ist die Geburt ein einschneidendes Erlebnis im Leben einer Frau und ein Baby ist das größte Geschenk, was sie ihrem Mann machen kann!“

„Weise Worte, Vala Mal Doran“, sagte Teal’c zustimmend.

Die Außerirdische winkte ab. „Danke, danke, Muskelprotz.“

Herausfordernd stemmte sie ihre Hände in die Hüften und sah Daniel todernst an. „Und dank meiner Erfahrungen weiß ich auch, dass Teyla ganz unbedingt einen Präsentkorb haben will!“

Daniel gab sich mit einem langgezogenen Seufzer geschlagen. „Okay, okay, wenn es wirklich sein muss.“

„Ja, es muss sein.“

„Na, dann wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Babyshopping“, lachte Cameron und fügte dann spitzbübisch hinzu: „Vielleicht können Sie dann schon einmal üben!“

„Sie…“


Bei diesen Worten wandte sich Hank Landry um und machte sich daran, in sein Büro zurückzukehren. Er schmunzelte den ganzen Weg zurück und als er dann schließlich hinter seinem Schreibtisch saß und einen Brief des Pentagon in den Händen hielt, kam er zu dem Schluss, dass so ein Ereignis gewürdigt werden musste. Er legte den Brief beiseite und kramte in seiner Schublade nach einem unbenutzten Blatt Papier und setzte- als er eines gefunden hatte- mit seinem Füller an.

Hank blickte auf. Was sollte er schreiben? Er hatte noch nie einen solchen Brief geschrieben und man hatte auch noch nie von ihm erwartet, dass er so etwas tat.
Der General seufzte, ehe er den Stift wieder ansetzte und einfach schrieb, was ihm einfiel. Er konnte ja nicht viel falsch machen…

Liebe Teyla und lieber John,


ooOOoo


„… es ist mir eine Ehre, Ihnen im Namen des gesamten Stargatecenters zur Geburt Ihrer kleinen Tochter, Charin Isabelle, zu gratulieren. Ich wünsche Ihnen dreien viel Glück für die Zukunft und hoffe, dass ich Ihre bezaubernde Tochter irgendwann einmal auch persönlich kennenlernen darf. Mit freundlichen Grüßen, Hank Landry.“

John starrte nachdenklich auf den Brief in seinen Händen hinab, der heute Nachmittag zusammen mit einem riesigen, schrecklich rosafarbenen Präsentkorb eingetroffen war. Er hatte noch nie zuvor so viel Rosa auf einem Haufen gesehen und ihm war fast schwindelig geworden; der Korb war rosa, die Schleifchen waren rosa, rosa Decken, ein rosa Strampelanzug… alles rosa! Es war ein Farbflash der besonders üblen Sorte gewesen und John befürchtete, dass er sich noch daran gewöhnen musste, Vater einer Tochter zu sein.

„Ein netter Brief von dem General.“ Teyla saß gegen ein Kissen gelehnt auf einem der Betten in der Krankenstation und sah verträumt auf ihre Tochter hinab, die seelenruhig in ihrem Arm schlief, eingehüllt in eine rosafarbene Decke.

„Ein wirklich netter Brief“, pflichtete Elizabeth ihr bei. Die Expeditionsleiterin saß neben ihr und ihre Augen klebten förmlich an Charins schlafender Form. „Und dieser Präsentkorb…“

„Er ist rosa“, bemerkte Rodney streng.

„Sie ist ja auch ein Mädchen.“ Ronon verdrehte seine Augen.

„Aber es ist wirklich alles rosa“, rief der Wissenschaftler zur Erwiderung und starrte zu dem Korb herüber, aus dem ihm ein rosafarbener Plüschbär entgegenblinzelte.

„Das ist unheimlich!“

„Würden Sie etwa ein so kleines und zartes Wesen in Blau kleiden, Rodney?“, fragte Elizabeth.

„Aber nein!“, entrüstete sich Rodney. Unwirsch deutete er auf den Korb und suchte nach den richtigen Worten. Doch alles, was seinen Mund verließ war „Rosa“.


Okay, dachte John, nachdem er den Brief zurück in den Umschlag getan hatte (er nahm sich fest vor, ihn Charin irgendwann einmal vorzulesen, wenn sie größer war). Was genug war, das war genug. Es war schon eine Zumutung, dass er als Militär mit so viel Rosa an einem Tag konfrontiert wurde- da brachten Rodneys Kommentare das Fass zum Überlaufen.

„Wir sehen, dass es rosa ist“, herrschte er den Kanadier an, der ihn nur erschrocken ansah. „Darauf müssen Sie uns nicht noch einmal hinweisen.“

„Ich denke, ich werde jetzt mal gehen“, verkündete Elizabeth in die plötzlich entstehende Stille hinein. „Ich muss noch die Berichte für Mr. Woolsey beenden.“

„Und ich habe Training“, brummte Ronon.

„Rodney wollten Sie nicht noch Radek bei seinen Datenauswertungen helfen?“, wandte sich Elizabeth an den Wissenschaftler.

„Das habe ich doch schon gestern gemacht und… oh!“ Rodney verstand, als er die hochgezogenen Augenbrauen seiner Vorgesetzten bemerkte, und nickte verlegen.

„Aber wenn ich mich recht entsinne, waren wir gestern nicht ganz fertig geworden.“ Räuspernd deutete er in Richtung Tür und zog dann gestikulierend von dannen. „Ich werde dann jetzt mal…“ Und war verschwunden.

Ronon folgte wenige Sekunden später und auch Elizabeth verabschiedete sich, aber nicht ohne noch einen letzten schmachtenden Blick auf das langsam erwachende Baby in Teylas Armen zu werfen.


John stieß einen lauten Seufzer aus, als ihre Freunde weg und sie drei wieder allein waren. Er steckte den Briefumschlag zurück in den Präsentkorb des Grauens und schlenderte dann langsam auf das Bett zu, auf dem Teyla ihre Tochter an ihre Brust gelegt hatte und die winzigen Finger betrachtete, während Charin begierig trank.

„ Es war nett, dass sie hier waren“, meinte sie schließlich, als sich John auf die Bettkante setzte und ihr dabei zusah, wie sie das Baby stillte.

„ Ein bisschen anstrengend“, murmelte er, strich vorsichtig über Charins Wange. Er wollte sie nicht stören; sie sah so friedlich aus. Ihre kleine Hand mit den so perfekten Fingernägeln, die er tagein tagaus nur bewunderte, lag an Teylas Brust. Obwohl sie gerade erst aufgewacht war, flatterten ihre Lider schon wieder und ihre Augen fielen ihr immer wieder zu.

Von Ehrfurcht ergriffen beobachtete John gebannt, wie sich der kleine Brustkorb seiner Tochter hob und wieder senkte. Teyla schien dasselbe wie er zu denken, denn sie blickte versonnen auf ihr Baby; ein zufriedenes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. Ihre Finger glitten an Charins weichen Zügen entlang und packten sie sanft zurück in die Decke, als sie fertig getrunken hatte.

Es war schon so etwas wie ein Ritual geworden; Teyla legte Charin in Johns ausgestreckte Arme und der Soldat drückte seine Tochter zärtlich gegen seinen Oberkörper. Mit der Hand ihren kleinen Kopf stützend, legte John sich an seine Schulter und begann behutsam auf ihren Rücken zu klopfen. Charin gefiel diese ganze Prozedur überhaupt nicht, sie murrte leise und verteilte ihr Mittagessen in einer dünnflüssigen Masse auf die schwarze Uniform ihres Vaters.

„ O, vielen Dank. Wie lieb von dir.“ John rümpfte die Nase und musterte den Fleck auf seiner Uniform kritisch. Dann hielt er seine Tochter vor sich und beäugte sie. Ihre Mundwinkel kräuselten sich und obwohl Carson ihm gesagt hatte, dass Babys in diesem Alter noch nicht lächeln konnten, schmolz er dahin und er konnte ihr einfach nicht böse sein. So eine Uniform konnte man waschen.

„ Hier.“ Teyla schmunzelte, reichte ihm das Spuktuch, das dem Präsentkorb beigelegen hatte und als der einzige nicht rosafarbene Gegenstand war. Er nahm das Tuch entgegen, tupfte erst Charins Mund und dann seine Schulter ab… und fragte sich dann ernsthaft, warum er nicht gleich so schlau gewesen war und es sich über die Schulter gelegt hatte. Aber er hatte ja noch eine Menge Zeit.


Darauf bedacht, dass er ihr nicht irgendwie wehtat, legte John einen Arm unter den Körper seiner Tochter, sodass ihr Kopf an seiner Armbeuge lag. Charins dunkler werdende Augen führten einen erbitterten Krieg gegen die Müdigkeit… und schienen zu verlieren. Immer wieder blinzelte sie, um ihre Augen offen halten zu können, doch schlussendlich siegte die Müdigkeit und das einen Tag alte Baby schlummerte sanft in dem Arm seines Vaters ein.

John drückte seine Tochter an sich, so wie er es auch schon vorhin getan hatte, und setzte sich dann wieder auf die Bettkante.

„ Es scheint ein anstrengender Tag gewesen zu sein“, vermutete er.

„ Jaja“, lächelte Teyla. „ Ich glaube, ich habe noch nie so viel Besuch auf der Krankenstation bekommen.“ Sie streckte ihre Hand aus und schob die Decke beiseite, damit sie Charin sehen konnte.

„ Alle wollten sie sehen. Major Lorne hat sogar einen Blumenstrauß vorbei gebracht.“ Ihr Kopf hob sich und John merkte, dass ihr Blick auf ihm lag.

Er räusperte sich leicht und wurde leicht verlegen.

„ Ich… ich hab’ mir was überlegt“, nahm er Gespräch mit ruhiger Stimme wieder auf, obwohl er innerlich am schreien und toben war.

„ Du hast dir was überlegte?“, wiederholte Teyla seine Worte.

„ Ja.“ John nickte. „ Ich hab’ mir was überlegt. Es geht uns beide etwas an.“ Er wartete auf ein Zeichen, dass sie ihm folgen konnte, was sich dann in einem Nicken äußerte. „ Es ist eine Art Übereinkunft. Zwischen dir und mir.“

Teyla verstand nicht.

„ John?“ Sie setzte sich aufrecht hin und sah ihn fragend an.

„ Es ist nichts Schlimmes“, beruhigte er sie. Er dachte an das schlafende Kind in seinem Arm und redete dann weiter. „ Ich habe nur gehofft, dass ich dich um etwas bitten kann.“

„ Was immer du willst, John.“ Teyla legte ihre Hand auf seinen Arm und bedeutete ihm mit einem weiteren schnellen Nicken, dass er fortfahren sollte. „ Was soll ich machen?“

Der Soldat hielt ihren Blick mit seinem für einige Sekunden lang gefangen, ehe er ihr langsam und in unmissverständlichen Worten antwortete:

„ Heirate mich.“


Teyla schlug sich die Hand vor den Mund und sah ihn mit großen Augen an. „ John“, wisperte sie. Überwältigt? Erleichtert? Erschrocken? Es war schwer in ihrem Blick zu lesen.

„ Hör mir bitte zu“, sagte John und fasste sich an die linke Brusttasche. Nichts. „ Ich habe lange darüber nachgedacht- genaugenommen die letzten neun Monate… ach Quatsch- seit dem Tag, an dem das zwischen uns begonnen hat.“ Er tastete nach der rechten Brusttasche. Wieder nichts. „ Glaub mir, ich habe diese Entscheidung nicht unüberlegt getroffen.“ Er ließ kurz von seiner Suche ab und legte seine Hand an ihre Wange.

Die Athosianerin schluchzte laut. John stand nun auch und durchwühlte in leichter Panik sämtliche Taschen. Wo um alles in der Welt war dieses Ding?
Es war zugegeben nicht leicht, mit einem schlafenden Baby auf dem Arm seine Taschen zu durchwühlen, doch erst als er Teylas Hand spürte, die sich auf seinen Arm legte, blickte John auf.

„ Was machst du da?“, wollte Teyla kopfschüttelnd von ihm wissen, doch John erlag seiner stillen Panik.

„ Verdammt“, fluchte er leise, hoffte inständig, dass Charin tief genug schlief, um das nicht mitbekommen zu haben. Das so etwas auch immer ihm passieren musste! Er schnaubte, als er sich besann und ihm klar wurde, dass er es jetzt nicht mehr ändern konnte.

Mit einem Seufzen stellte John sich gerade hin und versuchte da weiter zu machen, wo er aufgehört hatte.

„ Ich liebe dich. Ich liebe dich von ganzem Herzen, Teyla Emmagan. Ich will… ich…“ Die Worte entfielen ihm. Er rutschte ganz dicht an sie heran, so dicht, dass sich ihre Gesichter beinahe berührten. „ Ich will dich. Bitte sag’ ja und werde meine Frau. Bitte.“

Sie starrte ihn nur mit heruntergeklappter Kinnlade an. Sie versuchte nicht zu weinen, weswegen ihre Unterlippe zu zittern begann. Ein Schluchzer bahnte sich ihre Kehle hinauf und konnte selbst durch die Hand, die sie sich vor ihren Mund schlug, nicht aufgehalten werden. Infolgedessen brach auch ihr Wille nicht weinen zu wollen und Tränen brachen aus ihren Augen, liefen über ihre Wangen. Ganz allmählich kristallisierte sich aus dem krampfhaften Schulterzucken ein Nicken heraus.

„ Ja“, kam es tränenerstickt aus ihrem Mund. „ Ja, ich will dich heiraten.“

„ Na, Gott sei Dank“, entfuhr es John und er schlang seinen freien Armen um Teyla, zog sie zu sich und küsste sie so innig, dass er merkte, wie sie in seinen Armen dahinschmolz und sich an ihm festklammerte.


Sollten sich die letzten schwierigen Monate von ihm aus zum Teufel scheren. Jetzt war es vorbei und zum ersten Mal in seinem Leben, wusste John, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Sein Herz hüpfte in seiner Brust und er hätte laut losschreien können, so glücklich war er.
Nach Monaten war er wieder richtig glücklich; die Zeit auf der Artemis war für sie alle schwer gewesen, doch John wusste auch, dass es ohne sie nicht so weit gekommen wäre. Womöglich würde er an diesem Tag nicht eine bezaubernde Frau und ihr gemeinsames Kind im Arm halten. Es hätte alles anders kommen können…

Doch es war nicht anders gekommen und John war froh darüber. Er beendete den Kuss widerwillig und knabberte noch kurz verliebt an Teylas Oberlippe, bevor er sich zurücklehnte und sie betrachtete. Sie sah einfach nur hinreizend aus. Er bewunderte die Konturen ihres Gesichts, die sich durch die Schwangerschaft weicher geworden waren. Nur zu gern stellte er sich ihre perfekten Rundungen in einem langen weißen Kleid vor.
Sie lächelte ihn liebevoll an und lehnte sich dann vor- eine Hand über Charins kleinen Körper gelegt. Sie fuhr ihm durch seine dunklen Haare und ließ ihn dabei nicht aus den Augen. „ Ich liebe dich auch, John Sheppard“, säuselte sie und ihre Lippen fielen liebkosend auf die seinen.

John schloss genießerisch die Augen und war sich sicher, dass sie ihn heiraten würde. Auch ohne diesen Ring, der eigentlich in seiner linken Brusttasche hätte sein sollen und der sich sicher in ein paar Tagen finden würde und zwar da, wo er ihn mit Sicherheit nicht hingelegt hatte. Ja, auch ohne diesen Ring würde Teyla Emmagan seine Frau werden!

ENDE?
Diese Geschichte wurde archiviert am http://stargatefanfic.de/viewstory.php?sid=725