Der Dschungelplanet by Jasada
Summary: Eine Notlandung ist der Auslöser für sehr große Probleme.
Categories: Stargate Atlantis Characters: John Sheppard, Multi-Chara, Rodney McKay
Genre: Friendship, Slash, Tragik
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 1 Completed: Ja Word count: 21606 Read: 5172 Published: 23.01.11 Updated: 23.01.11
Story Notes:
Short-Cut: Eine Notlandung ist der Auslöser für sehr große Probleme.
(Fortsetzung von: Aus dem Ruder gelaufen...)
Spoiler: 2. Staffel
Charaktere: McKay/Sheppard, Multi-Charakter
Kategorie: Friendship, Slash, Tragik
Rating: R-16
Author's Note: Man sollte zum besseren Verständnis meine erste Atlantis-FF gelesen haben.
Widmung: -
Disclaimer: Alle Charaktere und sämtliche Rechte an Stargate Atlantis gehören MGM/UA, World Gekko Corp. Und Double Secret Production. Diese Fanfic wurde lediglich zum Spaß geschrieben und nicht um Geld damit zu verdienen. Jegliche Ähnlichkeiten zu Lebenden und Toten Personen ist zufällig und nicht beabsichtigt. Alle weiteren Charaktere sind Eigentum des Autors.
Feedback: Ich bitte um reichlich Feedback. Freue mich auf positive Meinungen, werde aber auch negative Kritik annehmen, sofern sie konstruktiv ist. - Jasada001@t-online.de

1. Kapitel 1 by Jasada

Kapitel 1 by Jasada
Der Dschungelplanet


Rodney stand stirnrunzelnd vor der geöffneten Schalttafel und fluchte leise. Die Luftfeuchtigkeit war ziemlich hoch und es war sehr warm... kurz, auf diesem Planeten herrschte ein tropisches Klima und der Regenwald bedeckte zwei Drittel des Planeten. Und ausgerechnet über diesem fast undurchdringlichen Dschungel hatte der Antrieb des Jumpers angefangen zu streiken, indem er mehrmals stotternd ausgesetzt hatte.
Glücklicherweise hatten sie eine kleine Lichtung ausmachen können, die wie durch ein Wunder nicht von dem Urwald verschlungen worden war. Hier waren sie dann gelandet, damit sie den Antrieb reparieren konnten... halt, damit er den Antrieb reparieren konnte. Schwer atmend wischte er sich mit der linken Hand über das Gesicht, während er mit der rechten ein paar Tasten auf seinem Laptop drückte, den er mit den Kabelsträngen aus der Schalttafel provisorisch verbunden hatte. Das Klima hatte ihn schon nach wenigen Minuten fertig gemacht und so schlug er sich lieber mit dem defekten Jumper herum, als durch den dichten Dschungel zu stapfen, um die Gegend zu erkunden.
Denn diese Lichtung war, und diese Erkenntnis war nur eine logische Schlussfolgerung gewesen, nicht natürlichen Ursprungs. Irgendjemand sorgte anscheinend dafür, dass sie nicht von den wuchernden Pflanzen vereinnahmt wurde und so waren John, Teyla und Ronon losgezogen.

Die Heckrampe hielt Rodney geschlossen, so wie es John ihm befohlen hatte. Manchmal war sein Freund und Teamleiter zwar etwas zu fürsorglich, aber wer wusste schon, ob da draußen nicht etwas war - menschlichen oder tierischen Ursprungs - was ihn verletzen oder gar töten könnte. Trotzdem war er für einen Moment versucht gewesen, die Rampe zu öffnen, denn die Energiefluktuationen hatten anscheinend nicht nur den Antrieb, sondern auch die Klimasteuerung beeinträchtigt, so dass es im Jumper innerhalb weniger Minuten unerträglich heiß wurde.
Vor einer Stunde hatte er den letzten Funkkontakt mit seinem Team gehabt und John mit gutem Gewissen versichert, dass er die Heckklappe des Jumpers geschlossen hielt und sich somit in relativer Sicherheit befand. Sein Freund hatte ihm mitgeteilt, dass sie sich auf den Rückweg machen würden und so arbeitete er fieberhaft, um den Jumper zum Laufen zu bringen.
Als er schließlich zurücktrat, den Laptop auf einer Konsole abstellte und sich auf dem Pilotensitz niederließ, startete er versuchsweise den Antrieb.
Es gab ein Vibrieren, ein Rattern und Rodney hielt den Atem an. Eine Anzeige leuchtete auch kurz auf, erlosch dann aber wieder. Enttäuscht fummelte Rodney noch einmal an dem Paneel herum, doch leider tat sich nichts mehr.
"Verdammt!" Rodney schaltete hoffnungsvoll die Klimasteuerung ein und als ein kühler Luftstrom sein erhitztes Gesicht streifte, atmete er erleichtert aus. Wenigstens diesen Defekt hatte er schon mal beseitigt. Ein paar Minuten genoss er die Abkühlung, doch dann mahnte ihn sein Gewissen, dass da noch ein Antrieb auf ihn wartete. Es nützte ja nichts, einen im Innern angenehm kühlen Jumper zu haben, der sich nicht vom Fleck bewegen konnte.
Er konnte keinesfalls vor John treten und zugeben, dass er noch nicht fertig war, das ließ sein Ehrgeiz nicht zu.
Für einen Moment dachte er an seinen Freund. Jede Minute, die sie zusammen sein konnten, genoss er und die Tatsache, dass Teyla und Ronon von ihrer Beziehung wussten, machte vieles einfacher und angenehmer, denn auf ihren "Ausflügen" mussten sie sich nicht verstecken und reine Freundschaft heucheln. Sie waren nun mal gerade drei Monate zusammen und noch nicht so weit, Ihre Beziehung offiziell zu machen. Und bis es soweit war, mussten sie sich mehr oder weniger mit den Nächten in seinem oder Johns Quartier begnügen.
Seine Gedanken wanderten wieder zu der Nacht vor zwei Tagen, als John ihm zum ersten Mal mit Worten, und nicht nur mit seinem Verhalten und seinen liebevollen Gesten, seine Liebe gestanden hatte. Unwillkürlich musste er lächeln und kehrte mit dem Laptop zur offenen Schalttafel in der Wand zurück.

Schließlich konnte er einen ausgebrannten Kristall als Verursacher der Probleme identifizieren. Er hatte zwar keinen Ersatz vor Ort, aber er würde ihn mit einer externen Leitung umgehen können...ausreichend, um sicher nach Atlantis zurückkehren zu können. Doch hierfür musste er nach draußen, da sich der betroffene Schaltkreis hinter einer Klappe an der Außenseite des Jumpers befand.
Stirnrunzelnd überlegte er, wie hoch das Risiko war. Immerhin musste er sich auf die Reparatur konzentrieren und konnte nicht die ganze Zeit die Umgebung im Auge behalten. Wenn er warten würde, bis das Team zurückkam, konnte es schon zu spät sein. John und die anderen zählten darauf, dass er den Jumper wieder flott bekommen würde und sie hier verschwinden konnten, wenn es notwendig war.
Natürlich konnte er das Risiko niedrig halten, wenn er sich bewaffnen würde und der Schutzschild funktionieren würde. Diese Überlegungen und das Wohl des Teams siegten über die Besorgnis um seine Gesundheit.

Rodney trat an die Konsole im Cockpit und befahl, den Schutzschild um den Jumper aufzubauen. Die Kontrollen auf dem Display zeigten ihm an, das der Schild aktiv war und nach einigen Minuten war er von dessen Stabilität überzeugt.
"Okay! Dann mal los!" Rodney griff nach seiner Waffe, schob sie in das Beinhalfter und schulterte eine Tasche mit den benötigten Gerätschaften.
Langsam öffnete sich die Rampe und er trat nach draußen. Nach dem inzwischen angenehm temperierten Inneren traf ihn die feuchtwarme Luft umso härter und er keuchte kurz auf. Misstrauisch blickte er sich um, doch da keine Horden von mit Speeren bewaffneten Eingeborenen auf ihn zu rannten, ging er über die Rampe und rechts um den Jumper herum. Die Klappe hatte er rasch aufgeschraubt und orientierte sich kurz bei diesem scheinbaren Kabelsalat. Er wollte so schnell wie möglich fertig werden, um wieder in die Sicherheit des Jumpers zurückkehren zu können. Trotz des Schutzschildes fühlte er sich nicht wohl in seiner Haut.
Plötzlich knisterte es laut und ein Funken ließ ihn fluchen. Er hatte in seiner Hast einen Stromkreislauf beschädigt und würde diesen nun auch noch reparieren müssen. Aber dies war nur eine Kleinigkeit, die er innerhalb von zwei Minuten wieder in Ordnung gebracht hatte. Immer wieder schaute sich Rodney kurz um, doch der Urwald blieb ruhig und rauschte nur sanft im Wind. Ein paar kreischende Tierstimmen wehten an sein Ohr, doch ansonsten blieb es still.
Schließlich, nach weiteren fünf Minuten, hatte er den defekten Kristall überbrückt. Nun dürfte der Antrieb wieder funktionieren.
"John, dein genialer Freund hat das Schiff wieder flott gekriegt! Hat jemand daran gezweifelt?", fragte er in die Runde und erwartete natürlich keine Antwort.

Das leise Knurren hätte er beinahe überhört. Was war denn das? Ein unangenehmes Kribbeln auf seinem Rücken und ein leises Fauchen ließen ihn herumfahren und bei dem Anblick, der sich ihm bot, erstarren.
Etwa acht Meter vor ihm kauerte eine Raubkatze. Nach dem ersten Schreck atmete er auf, denn schließlich schützte ihn der Schutzschild des Jumpers vor dieser Gefahr.
Die Raubkatze hatte vom Körperbau her leichte Ähnlichkeit mit einem Jaguar von der Erde, war aber grün-braun-schwarz gefleckt und im Dschungel sicherlich kaum auszumachen...die perfekte Tarnung. Er sah das Zucken der Muskeln, die sich wie dicke Stränge unter dem glänzenden Fell abzeichneten.
Die Katze würde er als schön bezeichnen...als anmutig und faszinierend. Er liebte Katzen und hatte sein Haustier nur ungern in den Händen der Nachbarin auf der Erde zurückgelassen. Plötzlich setzte sich das Raubtier in Bewegung und kam langsam auf ihn zu.
Anfangs beunruhigte ihn das nicht, doch als er erkannte, dass das Tier den Schutzschild bereits passiert haben musste, wich er panisch einen Schritt zurück.
Warum funktionierte der verdammte Schutzschild nicht?...Oh, nein! Der kurze Stromausfall!

"Es tut mir leid, John!", flüsterte Rodney, da er den Befehl seines Freundes zwar nicht ignoriert, aber doch auf gewisse Weise missachtet hatte.
Durch die Angst, die von ihm Besitz ergriff und ihn reglos in die hellen Augen des Tieres blicken ließ, brach ihm der kalte Schweiß aus und er sah das Schnuppern der Katze...sie konnte seine Angst riechen. Ihr langer, pelziger Schwanz wedelte hin und her, doch es war sicherlich keine freundliche Geste.

Rodney hatte keine Zeit mehr, irgendwelche Überlegungen anzustrengen, denn die Katze duckte sich und spannte sich an, wie eine Feder. Sein Blick huschte nur einen Wimpernschlag zu der Pistole, die in dem Beinhalfter steckte, doch genauso gut hätte sie in seinem Quartier in Atlantis liegen können. Er hatte keine Chance an sie heranzukommen, bevor ihn die Krallen erwischen würden. Jede Bewegung seinerseits würde den sofortigen Angriff provozieren. Trotzdem musste er es versuchen und kaum gedacht, griff er nach der Waffe.
Gleichzeitig stieß sich die Raubkatze ab und der Aufprall des sehnigen Körpers mit seinem war so hart, dass die Luft keuchend Rodneys Mund entwich. Der Stoß ließ ihn gegen die Außenwand des Jumpers fallen und er schlug sich heftig den Kopf an dem harten Metall an, so dass ihm kurz schwarz vor Augen wurde, bevor er zu Boden stürzte.
Als er wieder etwas sehen konnte, stellte Rodney fest, dass er nur verschwommen die Umrisse wahrnahm, während ein Presslufthammer dabei war, seinen Kopf in kleine Stücke zu zerteilen. Doch er hatte keine Zeit sich zu sammeln und vielleicht doch noch an seine Waffe zu kommen, denn die Katze packte mit ihren scharfen Zähnen seinen linken Arm und ein fürchterlicher Schmerz ließ ihn aufschreien. Er versuchte, sich zu befreien, schlug mit der freien Hand sogar auf den Kopf des Tieres ein, doch vergeblich, er nötigte die Katze nur dazu, noch entschlossener zuzubeißen. Sie zerrte wild an seinem Arm und er verlor fast die Besinnung, dermaßen wütete der Schmerz in ihm. Tränen traten ihm in die Augen und er schloss mit seinem Leben ab. Seine Kraft floss mit dem Blut aus der Wunde heraus und machtlos gegen die Raubkatze, erlahmte seine Gegenwehr. Schließlich lag er schlaff auf dem Boden und die Katze entließ den Arm aus ihren Fängen.

Sie lag fast entspannt neben dem Körper und leckte sich mit ihrer langen rauen Zunge das Blut von der Schnauze. Plötzlich hob sie den Kopf und lauschte, während ihre beweglichen Ohren versuchten, das Geräusch zu lokalisieren - es kam näher! Ein zweites Raubtier - ein Kater - war auf dem Weg hierher, doch er sollte ihre Beute nicht bekommen. Sie biss erneut in den ihr zugewandten Arm und zerrte an dem schweren Körper, den sie mit einer Leichtigkeit bewegte, die ihre Kraft vollends zur Geltung brachte.
Rodney wurde von der Katze durch das hohe Gras geschleift, ohne dass er es bewusst wahrgenommen hätte. Der Blutverlust und die Schmerzen hatten ihn in eine Art Dämmerzustand fallen lassen. Doch er bekam am Rande noch mit, wie ihn das Tier plötzlich losließ und davonrannte. Das Letzte, das er hörte, waren aufgeregte Stimmen, die durcheinander sprachen, doch er konnte sie in seinem Zustand nicht verstehen. Nur ein einziger Gedanke beherrschte ihn: er musste sich bemerkbar machen! Doch er war nicht in der Lage, etwas zu sagen, denn dazu war er viel zu schwach und schließlich senkte sich die Dunkelheit über ihn. Er war bewusstlos geworden.

Etwa zwei Stunden zuvor.....

John hatte sein Team durch den Wald geführt, um festzustellen, ob es Einheimische gab, die verantwortlich dafür waren, dass die Lichtung, auf der sie notgelandet waren, vor der Vereinnahmung durch den umgebenden Dschungel bewahrt wurde.

Sie hatten nur mit sehr viel Mühe spärliche Anzeichen dafür gefunden, dass es intelligente Lebewesen hier gab. Dieses geheimnisvolle Volk wusste sich hervorragend zu verbergen und die meisten Spuren fand der Satedaner, der sich wie kaum ein zweiter auf das Lesen von Fährten verstand.
Es schien, als würde es sich um ein im Verhältnis zu ihnen primitives Volk handeln, welches keinerlei Technologie kannte.

"Ich denke, dass wir zum Jumper zurückkehren sollten. Ich glaube nicht, dass wir etwas finden, mit dem wir uns näher beschäftigen müssten", sagte John und betrachtete nicht sehr begeistert den Dschungel um sie herum.
Ronon und Teyla nickten ihm zustimmend zu und so schlugen die drei einen Bogen, um den Rückweg anzutreten.

"Rodney? Melde dich!", funkte er seinen Freund an, um diesem ihre Rückkehr anzukündigen.

"John, was gibt es denn?", kam nach wenigen Sekunden die Antwort. John wunderte sich immer wieder darüber, wie schnell es gegangen war, dass er Rodney inzwischen schon nach knapp drei Stunden vermisste und sich darüber freute, die Stimme seines Geliebten zu hören.

"Wir kehren zurück, Rodney! Hast du den Jumper startklar gekriegt?" Ein ihm wohlbekanntes unwilliges Schnauben ließ ihn lächeln.

"Meinst du die Frage ernst? Wenn ja, dann muss ich mal ein Hühnchen mit dir rupfen, da du mein Genie zu verkennen scheinst! Es ist nur noch eine Frage von Minuten!"

Johns Lächeln wurde breiter, da er an dem Tonfall von Rodneys Stimme erkannte, dass sein Freund nicht ernsthaft beleidigt war, sondern nur auf seine Neckereien einging.

"Nun ja...wie sagt man so schön? Es gibt doch immer ein erstes Mal!", erwiderte John stichelnd. Ab und zu konnte er es einfach nicht lassen, den Wissenschaftler zu ärgern. Schließlich hatten sie sich schon immer gekabbelt und seine Beziehung mit Rodney hatte daran nichts geändert.
"Jooohn! Du meinst das doch nicht ernst, oder? Denn dann müsste ich wirklich, wirklich böse werden!", kam es empört von dem Wissenschaftler.

"Komm schon, Rodney! Ist doch nur Spaß!", lachte John.

"Nur Spaß? Was du so alles unter Spaß verstehst!" Nun klang Rodney wirklich beleidigt. John seufzte. Sein überschüssiges Temperament und die spontanen Einfälle kamen nicht immer gut bei seinem jeweiligen Gegenüber an.

"Hey! Hörst du mir zu?", fragte er.

"Hm!" Ein unbestimmtes Knurren ertönte.

"Rodney, du bist der Beste!...In allem!", sagte John.

"Na gut! Ich verzeihe dir!", kam es leicht brummig zurück, aber John wusste, dass sein Freund nicht sauer war.

"Und halte die Rampe des Jumpers geschlossen!", konnte John es sich nicht verkneifen.

"Ja, ja! Du nervst, John!", kam es prompt aus dem Kopfhörer.

* * *


Johns Meinung nach waren sie schon lange genug unterwegs und er freute sich darauf, bald wieder im Jumper zu sitzen. Er dachte sehnsüchtig an den klimatisierten Innenraum, denn er war sicher, dass Rodney die Reparatur hingekriegt hatte, so dass der Jumper inklusive der Umweltkontrollen - sprich Klimaanlage - einwandfrei funktionieren würde.

Plötzlich blieb John stehen und verharrte einen Moment auf der Stelle, bevor er einige Schritte nach vorne rannte und schließlich auf dem Boden kniete.
Ronon und Teyla sicherten weiter aufmerksam die Umgebung, während sie zu John aufschlossen. Der Colonel kniete neben einem leblosen blutüberströmten Körper, der bereits von irgendeinem Raubtier angefressen worden war.

John starrte entsetzt in das Gesicht mit den blicklos in den Himmel starrenden Augen.
Es handelte sich anscheinend um einen der Einheimischen...ob er sehr gelitten hatte? Hoffentlich war er nicht mehr am Leben gewesen, als ihm das Fleisch von den Rippen gefressen wurde! Er fuhr mit der flachen Hand über das eingefallene Gesicht, so dass sich dessen Lider über den toten Augen schlossen.

Seufzend richtete er sich auf, während Ronon kurz neben der Leiche kniete und vor sich hin murmelte und während Teyla laut ein kurzes Gebet für die Seele des Toten sprach. Nach einem Moment des Schweigens wandte sich John an sein Team.
"Wir gehen weiter!", befahl er, von einer inneren Unruhe getrieben.

* * *


Eine halbe Stunde später betraten sie die Lichtung, auf der sich der Jumper befand. John starrte auf die offene Rampe und Ärger über Rodneys Leichtsinn stieg in ihm hoch. Es gab hier nachweislich Gefahren im Dschungel. Abgesehen davon, dass er mit dem Wissenschaftler ein ernstes Wort sprechen musste, da dieser einen direkten Befehl missachtet hatte.

"Verdammt, Rodney! Kannst du nicht einmal einen ganz einfachen Befehl befolgen?", schrie er, während er auf den Jumper zu rannte. Der Wissenschaftler gab keine Antwort und Johns Ärger verpuffte so schnell, wie er gekommen war. Stattdessen begann er, sich Sorgen um seinen Freund zu machen.

Ronon und Teyla folgten ihm langsamer und behielten die Umgebung im Auge.
Sie sahen, wie John im Inneren verschwand, aber nur einen Moment später unverrichteter Dinge wieder herauskam, unsicher mit den Schultern zuckend. Ihr Teamführer ging links um den Jumper herum und sie sahen, wie er urplötzlich stehen blieb und auf den Boden starrte, als wäre er gegen einen Schutzschild gerannt. Irgendetwas war nicht in Ordnung! Wo war Rodney?

Ronon trat neben John und folgte mit den Augen Johns Blicken, und der Schreck ließ ihn fast unmerklich zusammenzucken. Eine Blutspur zog sich neben dem Jumper hin und von diesem fort...und es war eine ganze Menge Blut!
Ronon hob den Kopf und sein Blick kreuzte nun Johns. Die Sorge, nein, eher das Entsetzen war seinem Freund ins bleiche Gesicht geschrieben.
"John!", flüsterte er, in diesem Moment die vertrauliche Anrede wählend. Doch sein Gegenüber reagierte nicht auf ihn. Ronon wusste, dass John ein sehr guter Teamführer war und er musste diesen unbedingt daran erinnern. Er packte John an seiner Jacke und zog ihn näher heran, so dass sich fast ihre Nasenspitzen berührten.
"Colonel Sheppard! Jetzt reiß dich zusammen, denn nur dann können wir nach Rodney suchen und ihn retten!", schrie er fast. Der Wissenschaftler, Teyla und auch John waren im Laufe der Zeit zu seinen Freunden geworden und er wollte alles daransetzen, Rodney lebend zu finden und zurückzubringen.

Johns Herz hatte bei dem Anblick des vielen Blutes einen Schlag ausgesetzt. Die Bilder des schrecklich verstümmelten Leichnams, den sie gefunden hatten, geisterten durch seinen Kopf. Wo war Rodney? Lebte er noch? Plötzlich durchdrang eine laute und bekannte Stimme seinen Schockzustand und er schrak aus seiner Erstarrung.
"Ronon?", flüsterte er rau.
Der Satedaner ließ seine Jacke los und legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter.
"Ich kann deine Sorge um Rodney verstehen! Wir müssen die Suche nach ihm aufnehmen!"
John nickte nur stumm, denn seine Kehle war wie zugeschnürt.

Ronon bückte sich und tunkte vorsichtig einen Finger in das Blut.
"Es ist noch nicht vollständig getrocknet und demnach ist der Angriff noch nicht allzu lange her! Wenn wir uns beeilen, können wir ihn sicherlich retten!", sagte er, während er das Blut an einem Grasbüschel von seinem Finger abwischte.
Der Krieger versuchte für John zuversichtlich zu klingen, doch machte er sich nicht all zu viele Hoffungen, um nicht umso mehr enttäuscht zu werden, wenn für ihren Freund die Hilfe zu spät kommen sollte. Nach den Spuren zu schließen, war es ein ziemlich großes Raubtier gewesen und Ronon wusste nicht, was sie erwarten würde, wenn sie Rodney gefunden hatten.

Sie schlossen zur Sicherung ihres Jumpers die Rampe und folgten der Schleifspur, die im hohen Gras deutlich erkennbar war. Teyla ging neben John und legte ihm für einige Momente die Hand auf den Arm. Er lächelte ihr gequält, aber dankbar für den stummen Trost, zu.
Kurz vor dem Waldrand endete die breite Spur und sie erkannten problemlos, dass hier ein Körper, offensichtlich Rodney, auf dem Boden gelegen hatte. Das Raubtier war anscheinend ohne ihr Opfer weitergezogen...vielleicht war es erschreckt oder gestört worden? Dafür sprachen die Fußspuren von mehreren Menschen, die hier gewesen und Rodney mit großer Wahrscheinlichkeit mitgenommen hatten.

Was hatten die Einheimischen mit Rodney vor?, dachte John panisch. Aus seiner Erfahrung heraus gab es viele Möglichkeiten... von der Rettung seines Freundes bis zur Opferung für einen mysteriösen Gott!
Als sie die Verfolgung der Einheimischen aufnahmen, stellten sie erleichtert fest, dass sie, im Gegensatz zu ihrem Erkundungsgang am Nachmittag, immer wieder sichtbare Spuren vorfanden.
Durch den Transport von Rodney wurden sie anscheinend daran gehindert, alle Spuren vermeiden zu können.

* * *


Rodneys Kopf schmerzte höllisch, aber das war nichts gegen die heiße Glut, die seinen linken Arm durchflutete. Er hatte das Gefühl, als wenn er seinen Arm in flüssiger Lava baden würde.

Stöhnend versuchte er die Augen zu öffnen, was ihm nach dem dritten Versuch auch gelang.
Es war dämmrig um ihn herum und das wenige Licht hinterließ flackernde Schattenspiele an der Decke. Vielleicht ein Feuer? Oder Kerzen?
Er blieb noch einen Moment liegen und hob dann langsam den Kopf etwas an, doch bereits diese geringfügige Bewegung löste starken Schwindel aus und ihm wurde übel.
Doch der kurze Blick hatte ihm gezeigt, dass er sich anscheinend in einer Höhle befand, in der tatsächlich ein Lagerfeuer brannte.
Während der nächsten Minuten lauschte er auf Geräusche von anderen Menschen, denn er war offensichtlich nicht alleine. Irgendjemand hatte ja dieses Feuer entfacht. Vielleicht seine Freunde? Doch seine Gedanken schweiften ab, bevor er sie weiter verfolgen konnte. Sein Kopf schien in Watte eingepackt zu sein und es fiel ihm schwer, seine genialen Gehirnzellen zu benutzen.
Er wusste, dass er sich nicht bewegen durfte, wenn er den Schmerz nicht schlimmer werden lassen wollte...auch wenn ihm das kaum möglich erschien.

Plötzlich knurrte sein Magen und es gab wohl keinen unpassenderen Zeitpunkt dafür. Obwohl, was gäbe er jetzt nicht alles für einen Schokoriegel?
Jeder Gedanke an Hunger verflüchtigte sich sofort, als der Schmerz sich plötzlich wellenartig steigerte und ihm regelrecht schlecht davon wurde. Ihm traten die Tränen in die Augen, denn auf solch heftige Schmerzen hatte ihn nichts und niemand vorbereiten können. Gequält stöhnte er auf und biss sich die Lippe blutig, um sich von der Pein abzulenken, aber es half nicht wirklich.
Er schloss die Augen und schließlich atmete er erleichtert auf, als der Schmerz wieder auf ein Maß absank, welches er vergleichsweise erträglich fand.
Fast widerwillig versuchte Rodney den Kopf etwas zu drehen und einen Blick auf seinen linken Arm zu erhaschen.
Als er seinen Arm sah, der komplett verbunden war, atmete er erleichtert aus. Nach den Schmerzen zu urteilen hatte er fast damit gerechnet, dass dieser nicht mehr da sein könnte, denn er hatte mal gelesen, dass nichts schlimmer sein sollte, als Phantomschmerzen in Extremitäten, die amputiert worden waren.

Was ihn zu der sehr wichtigen Frage brachte, was eigentlich passiert war! Wie kam er bloß in diese verdammt beschissene Situation? Das hier war nicht Atlantis...also hatten sie einen Planeten erforscht? Wo war sein Team, verdammt! Sie mussten sich doch um ihn kümmern? Warum war er nicht auf der Krankenstation bei Carson?
Rodneys Gedanken glitten wieder ab, da er sie nicht festhalten konnte.
Wenn es in seiner "Worst-of-Liste" ein Tag auf den ersten Platz geschafft hatte, dann mit großer Wahrscheinlichkeit der heutige...er konnte sich nicht vorstellen, dass dieser Tag noch zu toppen war.
Schließlich erlöste ihn die Schwärze der Bewusstlosigkeit von den schrecklichen Schmerzen und umherwirbelnden Gedanken, die alle keine Klärung brachten.

* * *


"Wir müssen die Verfolgung abbrechen!", sagte Ronon und sah sich nach einem geeigneten Ort für die Übernachtung um.

"Ronon, wir können jetzt kein Lager aufschlagen. Wir müssen weitersuchen!...Ich muss...", rief John aufgebracht und verstummte, als er von Ronon unterbrochen wurde.

"John! Es ist inzwischen zu dunkel geworden! Wir werden die Spur verlieren, wenn wir weitergehen! Außerdem ist es wegen der Raubkatzen viel zu gefährlich!", widersprach der Satedaner, sich dem Colonel zuwendend. Tatsächlich hatte es während Ihrer Suche angefangen zu dämmern und unter dem dichten Laubdach des Dschungels war es zu dunkel geworden, um den ohnehin schwachen Spuren folgen zu können.

"Ja, du hast Recht! Entschuldige!", antwortete John.

Ronon nickte verständnisvoll, knipste seine Lampe an und widmete sich wieder der Suche nach einem Platz für ein halbwegs sicheres Lager.

"Sie haben Rodney mitgenommen, John! Das bedeutet, dass sie ihn mit Sicherheit am Leben lassen...vorerst zumindest. Und bevor sie ihm etwas Schlimmes antun können, werden wir ihn finden!", versicherte Teyla dem Colonel, der frustriert und voller Sorge in die Dunkelheit um sie herum starrte.
Anscheinend war es typisch für diesen Planeten oder aber für diese Jahreszeit, dass die Dämmerung nur wenige Minuten währte und rasch in eine tiefe Dunkelheit mündete.
Die Athosianerin versuchte, ihre eigenen Ängste nicht zu zeigen, um John eine Stütze sein zu können. Sie mochte Rodney und wollte sich nicht vorstellen, dass sie den Wissenschaftler nicht mehr lebend finden könnten.
Als Anführerin, die immer an ihr Volk denken musste, auch wenn es ihr einmal persönlich nicht gut ging, konnte sie Johns Konflikt sehr gut nachvollziehen. Einerseits war der Colonel ein Teamführer und somit nicht nur für sich selbst verantwortlich, andererseits war er aber auch Rodneys Lebenspartner und hatte gewissermaßen ein Recht darauf, seiner Angst und Sorge nachzugehen.
Erst dachte Teyla, John hätte sie nicht gehört oder wollte nicht reagieren, als sich dieser plötzlich zu ihr umdrehte. In seinen Augen lag ein Schmerz, der sie betroffen machte und sie strich ihm sanft über den Arm. Sie hatte John noch nie so verletzlich gesehen. Er war ein guter Krieger, nie um ein flapsiges Wort verlegen und schien immer so stark zu sein.

"Was soll ich tun, wenn er...wenn er nicht mehr lebt...wenn wir ihn finden?", flüsterte John.

"Wir werden ihn finden, John! Und er wird...", Teyla verstummte abrupt, als ihr bewusst wurde, was sie eben in diesem Moment versprechen wollte! Beinahe hätte sie John versprochen, dass Rodney leben würde, aber wie konnte sie das tun? Durfte sie John anlügen? Mit Sicherheit nicht, denn sie konnte sich vorstellen, wie enttäuscht John sie dann ansehen würde, wenn der schlimmste Fall eintreten würde.
"Wir werden alles dafür tun, um Rodney lebend wiederzubekommen!", versicherte sie, nachdem sie einmal tief ein- und ausgeatmet hatte.

* * *


Als er die Augen aufschlug, erschrak Rodney und wollte zurückweichen, doch der Schmerz ließ ihn aufstöhnen und innehalten. Dicht vor ihm saß ein dunkelhäutiger junger Mann und beobachtete ihn aufmerksam.
Die weiße Bemalung an seinem Körper leuchtete in dem dämmrigen Licht der Höhle. Der Mann sprach ihn an, aber Rodney verstand kein Wort. Seine Kehle war staubtrocken und er würde fast alles für etwas Wasser geben. Er versuchte mit Gesten seinem Verlangen Ausdruck zu verleihen, doch statt frischem Wasser wurde ihm eine Schale mit einem undefinierbaren Gebräu vor den Mund gehalten. Gleichzeitig wurde sein Kopf etwas angehoben und obwohl er sich sträubte, musste er das Zeug trinken.
Bäääh, was immer das war, es schmeckte scheußlich! Als die Schale fast leer war, hatte der Mann ein Einsehen und ließ ihn endlich in Ruhe.
Noch immer durstig ließ sich Rodney leise wimmernd auf sein Lager aus Fellen zurücksinken und verfluchte sein verdammtes Schicksal.
Nach einigen Minuten spürte er, wie sich in seinem Körper eine angenehme Wärme ausbreitete und die unmenschlichen Schmerzen langsam nachließen. Okay, vielleicht war das Zeug doch besser als Wasser gewesen.

Wo blieben bloß seine Freunde? Sie würden ihn doch nicht alleine zurücklassen, oder? Nein, nein! Ganz sicher nicht!, beruhigte sich der Wissenschaftler selbst und seufzte. Hoffentlich war ihnen nichts passiert!
Schließlich übermannte ihn die Müdigkeit und seine Überlegungen in dieser Richtung wurden unterbrochen.

* * *


"Oh, Gott! Rodney!" John verharrte für einen kurzen Moment neben dem Feuer, bevor er sich neben den Schlafenden kniete und auf das bleiche Gesicht seines Freundes hinunterstarrte. Hätte sich Rodneys Brust sich nicht beim Atmen gehoben und gesenkt, wäre dieser glatt als Leiche durchgegangen.

Sie waren mit dem ersten Licht des neuen Tages aufgebrochen und dank Ronons Fertigkeiten im Spurenlesen rasch vorangekommen.
Vor einer Stunde hatten sie das Lager der Einheimischen gefunden und da er selbst voller Ungeduld und somit nicht in der Lage war, mit dem Anführer vernünftig zu kommunizieren, hatte Teyla die Kontaktaufnahme übernommen.
Die Einheimischen begegneten ihnen sehr freundlich und relativ schnell - aber noch lange nicht schnell genug in Johns Augen - hatte der Anführer sie in die Höhle zu Rodney geführt.

Sanft strich John mit einer Hand über die Wange seines Freundes und überrascht stellte er fest, dass die Haut sich wider Erwarten angenehm warm anfühlte. Wie magisch angezogen beugte er sich etwas vor und hauchte einen zarten Kuss auf Rodneys Lippen.
"Rodney! Du lebst!", seufzte er leise und ließ seinen Blick über die Verletzung an der Schläfe wandern, auch wenn es nicht viel zu sehen gab, denn eine helle Paste schützte die Wunde.
Offensichtlich war sein Freund auch am linken Arm verletzt, denn ein Verband aus großen Blättern bedeckte die Haut.
Er griff nach einem Zipfel des Verbandes, da er unbedingt wissen wollte, wie schlimm es war. Aufgrund des vielen Blutes im Gras stellte er sich vor, dass die Wunde tief und großflächig sein musste.
Doch bevor er den Verband in die Finger bekommen konnte, legte sich eine Hand bestimmend auf seinen Arm.

"Was?" John wandte zornig den Kopf nach der Person um, die es wagte, ihn davon abzuhalten, die Verletzung zu begutachten und starrte mit funkelnden Augen sein Gegenüber an. Einer der Einheimischen hockte neben ihm und schüttelte leicht lächelnd den Kopf.
Trotz dieser freundlichen Geste wollte er sich losreißen und den Kerl zurechtweisen, als Teyla, die die Szene aus dem Hintergrund stumm beobachtet hatte, nach vorne trat und John die Hand auf die Schulter legte.

"Es ist besser, wenn Sie den Verband nicht lösen, bevor wir in Atlantis sind! Er lebt, das ist doch im Moment alles was zählt! Und lassen Sie ihn schlafen. Sein Körper braucht die Ruhe!", sagte Teyla und sie konnte erkennen, dass sich der Colonel sichtlich beruhigte.

"Okay, Teyla! Ich denke, Sie haben Recht! Sehen wir zu, dass wir Rodney nach Atlantis bringen!"

Die Einheimischen hatten inzwischen eine Trage gebaut und so legten sie Rodney in dieses behelfsmäßige Transportmittel. Da sie keine Möglichkeit hatten, mit dem Jumper in der Nähe des Lagers zu landen, hoffend, dass dieser von Rodney vor dem Angriff überhaupt repariert worden war, mussten sie in den sauren Apfel beißen und den Verletzten zu Fuß durch den Dschungel tragen.
John und Ronon nahmen jeder ein Ende der Trage und Teyla sicherte die Umgebung. Nun nicht mehr vor den eventuell feindlich gesinnten menschlichen Bewohnern, sondern nur noch vor den gefährlichen Raubkatzen, von denen eine Rodney dermaßen zugerichtet hatte.

Sie waren noch nicht sehr weit gegangen, als Rodney unruhig wurde und erwartungsgemäß aus dem Schlaf erwachte, denn trotz aller Vorsicht wurde ihr Freund leicht durchgeschüttelt.
John und Ronon setzten die Trage sanft auf den Boden und John kniete sich neben seinen Freund.
"Rodney?", flüsterte John heiser.
Blaue Augen sahen ihn blinzelnd an.
"Sheppard?"
"Ja, Rodney! Ich bin`s, John!", erwiderte John, wobei er sich über die Nennung seines Nachnamens wunderte. War Rodney sauer auf ihn?

Rodney starrte den Colonel voller Erleichterung an. Endlich war er nicht mehr alleine! Sie hatten ihn gefunden! Seine Freude darüber, bald in Atlantis zu sein, wurde aber umgehend getrübt, denn die Schmerzen kehrten mit aller Macht zurück und er verzog das Gesicht.
"Es tut weh! Geben Sie mir was!", jammerte Rodney mit brüchiger Stimme.

"Natürlich! Einen Moment!", beruhigte John seinen Freund und griff nach seinem Rucksack. Kurz darauf hatte er ein Schmerzmittel in den gesunden Arm gespritzt.
"Es wird ganz schnell wirken. Keine Angst!" John würde seinen Freund gerne mehr trösten, vielleicht einen Kuss auf dessen Lippen tupfen, aber irgendwie hatte John das Gefühl, dass Rodney dies nicht akzeptieren würde. Doch das war im Moment nicht von Belang, denn dafür war später noch viel Zeit.

"Mir ist so heiß!...Durst!...Ich habe Durst!", krächzte Rodney. Der Colonel führte die Feldflasche an seine Lippen und stützte seinen Kopf, so dass er ein paar Schlucke trinken konnte. Mehr wollte ihm John nicht geben, bis Carson nicht das genaue Ausmaß der Verletzungen festgestellt hatte. Das lauwarme Wasser war schon abgestanden, aber Rodney schien es, als würde seine raue Kehle bestens erfrischt.

"Kommt! Wir müssen schnell weiter!", rief John und griff erneut nach der Trage.

Als sie am Jumper angekommen waren, stellten sie erleichtert fest, dass der Antrieb wieder voll funktionsfähig war. Glücklicherweise war Rodney in der Lage gewesen, die Reparatur abzuschließen, bevor das Unglück geschehen war, so dass sie ohne Verzögerung den Heimweg antreten konnten.

* * *


Ohne alles bewusst wahrzunehmen, fand sich John auf einem der Stühle im Vorraum der Krankenstation wieder.
Neben ihm saßen Teyla und Ronon, wie er darauf wartend, dass Dr. Carson Beckett aus dem OP-Bereich käme und ihnen mitteilte, wie genau es um Rodney stand.
Teylas Rat befolgend hatten sie den Verband am Arm nicht abgenommen und so wusste John nicht, wie ernst es war. Er wusste nur, dass sein Freund hohes Fieber hatte und sehr starke Schmerzen haben musste.

Dr. Weir war verständnisvoll gewesen und hatte auf einen sofortigen Bericht verzichtet. Er selbst war gar nicht in der Lage gewesen, irgendetwas zu sagen und war nur stumm der Trage gefolgt, während Teyla Dr. Weir nur kurz mitgeteilt hatte, dass es sich um den Angriff eines Raubtieres handelte.

Doch John hielt es nicht lange auf dem Stuhl und er tigerte ungeduldig durch den Raum. Schließlich, es waren inzwischen zwei Stunden vergangen, kam Carson aus dem OP.
Während Teyla Dr. Weir über ihr Headset darüber informierte, dass der Doktor die Operation wohl beendet hatte, ging der erschöpfte Arzt in sein Büro, setzte sich an seinen Schreibtisch und stützte seinen Kopf in die Hände.
"Carson?" Der Arzt sah auf und sah sich Colonel Sheppard gegenüber, der ihm gefolgt war und der ihn voller Sorge erwartungsvoll anstarrte.

In diesem Moment kam Dr. Weir herein und trat, zusammen mit Teyla und Ronon, neben John.
Carson sah in die Runde und er fühlte sich unter den Blicken seiner Freunde nicht gerade wohl, denn er hatte eine gute, aber auch eine schlechte Nachricht.
"Rodney wird es überleben", sagte er und die Erleichterung in den Gesichtern war deutlich zu sehen.
"Bei der Kopfverletzung handelt es sich um eine schwere Gehirnerschütterung, aber sie wird mit viel Bettruhe schnell ausheilen. Über den ganzen Körper verteilt hat er leichte Prellungen und Schrammen...nichts Ernstes. Aber die Verletzung am Arm ist schlimm. Es handelt sich um eine sehr tiefe und großflächige Wunde, die, wie bereits vermutet, durch ein Raubtier verursacht wurde. Ich habe die Wunde desinfiziert und die entstandenen Schäden, wie beschädigte Nerven und Sehnen, weitestgehend behoben. Es wird sehr lange dauern, bis der Arm ausgeheilt ist und..." Dr. Beckett stockte kurz.

"Was, und? Was ist los?", fragte John ungeduldig und die Sorge ließ ihn fast durchdrehen. Da aber Dr. Weir anwesend war, die von seiner Beziehung mit Rodney nichts wusste, musste er sich zusammenreißen. Und diese Tatsache ließ den Wunsch, ihre Partnerschaft offiziell zu machen, mit aller Macht aufflammen.
Er fing Dr. Weirs mahnenden Blick auf und hob in einer entschuldigenden Geste die Hände.

"Ich kann nicht mit Gewissheit sagen, ob Rodney seinen Arm zukünftig wieder 100%ig bewegen und belasten kann. Er hat Glück gehabt überhaupt noch am Leben zu sein, denn das Raubtier hat ihn erstens nicht noch schwerer verletzt und zweitens, die Wundversorgung durch diese Einheimischen war unter diesen Umständen wirklich erstklassig!", beendete Carson seine Einschätzung der Situation mit belegter Stimme. Rodney war sein Freund und er würde alles in seiner Macht stehende tun, damit Rodney wieder völlig gesund würde. Er hoffte nur, dass der Wissenschaftler kooperieren würde, denn er wusste, wie störrisch und ungeduldig dieser sein konnte. Er schaute in die Runde und alle waren sehr betroffen, doch besonders John litt sichtbar unter dieser Situation.

"Ich tue alles, was ich kann!", versicherte der Arzt und sah besonders intensiv zu dem Colonel, der ihm dankbar zunickte. Carson wusste, dass die beiden so unterschiedlichen Männer zusammen waren und konnte sehr gut nachvollziehen, wie es in John aussehen musste.

"Das wissen wir, Carson! Würden Sie mich bitte auf dem Laufenden halten?", beendete Dr. Weir das Gespräch. Und als der Arzt ihr dies sofort bestätigte, fügte sie noch hinzu: "Und sobald er Besuch empfangen darf, würde ich ihn gerne aufsuchen!"

"Natürlich, gerne! Aber das Sie mit ihm sprechen können, wird vorerst nicht möglich sein, denn wir werden ihn für etwa eine Woche in ein künstliches Koma legen. Das ist ein tiefer Schlaf, den der Körper nun braucht, um sich von dem Schock der Verletzung zu erholen und so kann die Wunde in Ruhe anfangen zu verheilen. Natürlich wird es viel länger dauern, bis die Wunde sich komplett geschlossen hat und deshalb wird der Arm fest an den Körper fixiert, damit Rodney ihn ja nicht bewegen kann, wenn er in einer Woche aufwacht. Er wird die nächsten Wochen unter Beobachtung in der Krankenstation bleiben. Wenn ich ihn alleine in seinem Quartier lassen würde, wäre das ein viel zu hohes Risiko. Ihr kennt ihn ja. Natürlich kann und soll er sich unter Aufsicht bewegen, aber alles was über einen Spaziergang hinausgeht, ist für die nächste Zeit verboten. Es wird schwer genug für unseren Freund, bis die Wunde verheilt sein wird. Von dem Muskelaufbau und Trainieren der motorischen Fähigkeiten mal ganz abgesehen. Es wird mindestens 10-12 Wochen dauern, bis ich mit Sicherheit sagen kann, ob der Arm wieder uneingeschränkt einsatzfähig und belastbar sein wird."

* * *


Nachdem Dr. Weir und Rodneys Team die Krankenstation verlassen hatten, ging Dr. Beckett zu Rodney, denn bevor er seiner körperlichen und nicht minder ausgeprägten emotionalen Erschöpfung nach der langen Operation nachgeben wollte, hatte er das dringende Bedürfnis, nach seinem Patienten zu sehen.
Die Schwester machte ihm Platz und ging in den Nebenraum. Carson war nicht lange alleine, denn John Sheppard trat lautlos neben ihn.

John setzte sich ohne ein Wort auf die Bettkante, nahm Rodneys rechte Hand in seine und fuhr mit dem Daumen zärtlich über den Handrücken.
"Hey, Rodney!", flüsterte er, auch wenn er wusste, dass sein Freund ihn nicht hören konnte.
"Wenn du dich nicht anstrengst, wieder völlig gesund zu werden, bekommst du es mit mir zu tun! Hast du gehört?" Ohne eine Antwort abzuwarten, die sowieso nicht kommen würde, fuhr er fort: "Ich liebe dich und ich brauche dich! Mehr als du vielleicht denkst! Und du hast hier viele Freunde, auch wenn du ziemlich oft eine Nervensäge bist!"

John beugte sich etwas vor und platzierte einen Kuss auf die weichen Lippen des anderen Mannes. Seufzend richtete er sich wieder auf und warf Dr. Beckett einen leicht verlegenen Blick zu. Auch wenn der Arzt über ihre Beziehung Bescheid wusste, war John mit Zuneigungsbekundungen in der Öffentlichkeit, besonders in Atlantis, vorsichtig. Das war ihm sozusagen in Fleisch und Blut übergegangen, auch wenn es ihn zeitweise frustrierte, sich und Rodney verstecken zu müssen.
John konnte sehen, dass Dr. Beckett eingehend die Linien und Zacken der diversen Monitore betrachtete, an die Rodney angeschlossen war, um die Vitalwerte während des Komas anzuzeigen und aufzuzeichnen und er musste kurz über die Diskretion des Arztes schmunzeln.

"Sie müssen jetzt gehen und sich selbst auch ausruhen, John!", sagte Carson eindringlich und John stand schweren Herzens auf. Dankbar und sicher, dass der Arzt alles für Rodney tun würde, drückte er dessen Schulter. Langsam verließ er die Krankenstation und als er sich in seinem Quartier auszog und in Unterwäsche aufs Bett warf, war er fast sofort eingeschlafen, auch wenn er zuvor geschworen hätte, vor Sorge kein Auge zu zubekommen.

* * *


Eine Woche später...

Nachdem er sich in der letzten Woche bei der Versorgung seines derzeit einzigen Patienten nur um die Wundheilung gekümmert hatte, war es heute soweit: Carson würde Rodney aufwecken. Er war leicht angespannt, denn auch wenn die Medizin so weit fortgeschritten war, dass der künstliche Tiefschlaf so gut wie keine Nebenwirkungen mehr hatte und die Patienten in der Regel ohne Probleme und gesundheitliche Beeinträchtigungen aufwachten, gab es immer ein Restrisiko. Carson hatte Dr. Weir und Rodneys Freunde gebeten, nicht die Krankenstation zu belagern. Dies hatte er John besonders eindringlich zu verstehen gegeben, da dieser am liebsten 24 Stunden am Tag bei Rodney sein wollte.
Die Schwester berichtete ihm von der Nacht, in der es keinerlei Vorkommnisse gegeben hatte und so bereitete er die Medikamente vor.

* * *


In der vergangenen Woche hatte John Rodney jeden Tag regelmäßig in der Krankenstation besucht und da Carson ihm erzählt hatte, dass ein Patient im künstlichen Koma vieles um ihn herum mitbekam, hatte er seinem Freund von seinen täglichen Erlebnissen berichtet.

Er hoffte, heute mit ihm sprechen zu können, denn er vermisste Rodney sehr. Auch wenn es bis jetzt nur ein paar Tage waren, sehnte er sich nach dem Zusammensein, den "Streitgesprächen", den Zärtlichkeiten und natürlich auch dem Sex. So oft er konnte, ohne dass es den anderen auf Atlantis merkwürdig erschien, hatte er Rodney auf der Krankenstation besucht.
John stand von seinem Bett auf und tigerte ruhelos durch sein Quartier. Er war bereits geduscht und angezogen, wartete nur darauf, dass Carson ihn rufen würde. Der Arzt hatte versprochen, sich sofort zu melden, wenn Rodney richtig wach wäre. Seufzend setzte er sich erneut auf das Bett und öffnete eine Schublade der niedrigen Kommode, in der er seine Wäsche aufbewahrte. Mit einem leichten Lächeln um die Lippen griff er hinein und holte ein kleines Kätzchen aus hellbraunem Holz heraus, an dem er in der letzten Zeit gearbeitet hatte. Mit etwas Farbe hatte er rötlich-braune Streifen aufgemalt. Mit Liebe zum Detail hatte er das Gesicht der Katze sorgfältig herausgearbeitet und ein paar Kunststofffasern als Schnurrhaare verwendet.
John hatte schon vor ein paar Wochen mit der Arbeit daran angefangen und sich in den letzten Tagen sehr bemüht, rechtzeitig fertig zu werden, denn er wollte es Rodney schenken, wenn dieser aufgewacht war. Und dieser Tag war heute. Er hoffte, dass das Geschenk seinem Freund gefallen würde.
Entschlossen steckte er sich die Figur in die Jackentasche und verließ sein Quartier, denn er musste jetzt dringend etwas frische Luft schnappen. Und so steuerte er zielstrebig den nächstgelegenen Balkon an.

* * *


Endlich...John nahm neben Rodneys Bett auf einem Stuhl Platz. Er hatte Carson überreden können, dass er Rodney als Erster besuchen durfte. Der Arzt hatte ihn beschworen, seinen Patienten keinesfalls aufzuregen oder anderweitig zu überfordern. Rodney sei noch schwach und erschöpft, was in Johns Ohren leicht absurd klang, denn schließlich hatte sein Freund einige Tage so gut wie durchgeschlafen. Außerdem sollte er Rodney noch nichts von den Auswirkungen der Verletzung auf die Gebrauchsfähigkeit des Arms sagen. Das wollte der Arzt am Nachmittag selbst übernehmen, wenn die weiteren Untersuchungen abgeschlossen waren.

"Hallo, Rodney!", sprach er den Wissenschaftler an und hoffte, ihm das besondere Lächeln entlocken zu können, welches Rodney nur ihm schenkte.

Rodney wandte sich ihm zu und blinzelte müde zu ihm hinüber.
"Hallo", murmelte er.

"Wie geht es dir? Hast du Schmerzen?", fragte John besorgt.

"Wie es mir geht? Was ist das für eine Frage?", krächzte Rodney.

John bemerkte den sehnsüchtigen Blick auf ein Glas Wasser, welches auf dem Beistelltisch neben dem Bett stand.

"Können Sie mir das Glas Wasser reichen?", bat Rodney in diesem Moment.

John starrte seinen Freund verwirrt an. Wieso siezte er ihn? Fast augenblicklich fiel ihm wieder der Moment im Wald ein, als Rodney auf dem Weg zum Jumper kurz das Bewusstsein erlangt hatte und ihn dort ebenfalls gesiezt hatte. Irgendetwas stimmte nicht, aber vielleicht war Rodney aufgrund der Kopfverletzung lediglich leicht verwirrt.

"Das Wasser!", drängte Rodney.

"Ja, natürlich! Einen Moment!" John stand auf, ging um das Bett herum und reichte Rodney das Glas.
"Kannst du alleine trinken, oder soll ich dir..." John verstummte, denn sein Freund hatte bereits das Glas mit der gesunden Hand ergriffen und setzte es langsam an die Lippen.
Ein erleichtertes Seufzen zeigte, dass das kühle Wasser dem Patienten wohl tat.

"Was ist passiert?"

Überrascht über diese direkte Frage, reagierte John nicht sofort.

"Wie ist DAS passiert?", ungeduldig hob Rodney den linken Arm leicht an und schielte nach dem nicht gerade kleinen Verband. Dieser machte vor der Schulter keinen Halt, so dass er den Arm kaum bewegen konnte. Er hatte den starken Verdacht, dass dies Carsons Absicht war, damit er still hielt und die Verletzung heilen konnte - oder Carson wollte ihn einfach nur etwas quälen.
Schmerzen verspürte er im Moment nicht, aber sein Gehirn schien leicht in Watte verpackt, so dass er annahm, dass der Arzt ihm heftige Schmerzmittel gegeben haben musste. Doch ein Gedanke ließ ihm keine Ruhe: er musste ziemlich schwer verletzt worden sein und er wollte unbedingt wissen, wie das passiert war. Wahrscheinlich auf irgendeiner Mission.

"Kannst du dich nicht mehr daran erinnern?", fragte John mitfühlend.

"Nein! Sonst würde ich ja nicht fragen, oder?", erwiderte Rodney schroff und funkelte ihn wütend an. John bekam den Eindruck, dass es seinem Freund schon besser gehen musste, wenn er bereits wieder so streitlustig war.
"Wir befanden uns im Tiefflug über dem dichten Dschungel eines Planeten, den wir durch das im Orbit stationierte Stargate besucht hatten. Als die Triebwerke anfingen zu spinnen, mussten wir notlanden. Du hast dich um die Reparatur gekümmert, während wir den Dschungel untersucht haben. Als wir zurückkehrten, haben wir nur Blutspuren von dir gefunden. Du bist von einer Art Raubtier angefallen und von Einheimischen mitgenommen worden. Sie haben dich aber ohne Widerstand an uns herausgegeben und da du den Jumper glücklicherweise repariert hattest, konnten wir problemlos nach Atlantis zurückkehren..."

John verstummte für einen Moment, denn plötzlich fiel es ihm wieder ein: in der vergangenen Woche hatte er an die Missachtung seines Befehls gar nicht mehr gedacht, da die Sorge um seinen Freund keinen anderen Gedanken zuließ!

"Du verdammter Idiot! Habe ich dir nicht befohlen, die Rampe des Jumpers geschlossen zu halten? Was meinst du, warum ich die Befehle erteile? Weil es mir Spaß macht oder was? Nein! Das mache ich nur, weil ich der Teamführer und für euch verantwortlich bin! Für dich, Teyla und Ronon! Und nur weil du dich meinem Befehl widersetzt hast, liegst du hier in der Krankenstation und kannst deinen blöden Arm vielleicht nie mehr..." Erst jetzt fiel ihm auf, dass er zum Schluss fast geschrieen hatte, denn seine Sorge um Rodney hatte sich mit jedem Wort weiter aufgebaut und suchte sich unwillkürlich ein Ventil. Doch jetzt hielt er erschrocken inne, denn fast hätte er sich verplappert...wenn es nicht schon zu spät war? Carson würde ihn sicherlich vierteilen! Auf diese Weise sollte Rodney nicht von der schweren Verletzung seines Armes erfahren.

Rodney versuchte den zornigen Ausbruch des Colonels mit seinen Gedanken zu erfassen und ihm schien es, als wäre da am Ende eine enorm wichtige Botschaft versteckt gewesen, die er nicht zusammenbrachte.
"Geht es auch etwas leiser? Außerdem...wie war das mit dem Idioten? Wenn schon, dann sind Sie der Idiot, denn ich bin doch das Genie hier, oder etwa nicht? Und den Rest...den nach dem `Idiot´...den habe ich nicht verstanden! Wie war das?" Wütend, aber auch teilweise verwirrt, versuchte sich Rodney aufzurichten, denn im Liegen ließ es sich schlecht streiten. Aber er war zu schwach und da er nur einen Arm gebrauchen konnte, musste er zähneknirschend aufgeben. Und wieso sprach ihn Sheppard ständig mit dem Vornamen an? Bevor er diesen Gedanken weiter verfolgen konnte, spürte er, dass sich der Colonel auf das Bett setzte.

"Rodney! Es tut mir leid! Ich wollte dich nicht so anfahren! Du musst jetzt erst mal wieder auf die Beine kommen und dann arbeiten wir an deiner Einstellung zu meinen Befehlen, okay?"
Rodney war es unheimlich zumute. Der Colonel war plötzlich so anders...sein Lächeln war mehr als freundlich und er hatte sich entschuldigt! Seine Gedanken schlugen Purzelbäume. Eine leichte Berührung schreckte ihn auf und er starrte auf seine Hand, die von Sheppard ergriffen worden war.
Überrascht hob er den Blick und sah mit hochgezogenen Brauen fragend in Sheppards Gesicht, welches auf einmal so nah war.
"War ich dem Tode so nah, dass Sie jetzt auf einmal so anhänglich geworden sind?", fragte Rodney spöttisch. Seine Verwirrung über diese Situation ließ ihn in altbekannte Verhaltensmuster zurückfallen: bei solcher Nähe zu einem anderen Menschen war er in der Regel hilflos überfordert und zeigte entweder seine Krallen oder flüchtete sich in Hohn und Spott.

Johns Blick wanderte von Rodneys Hand zu dessen Gesicht und er hatte das Gefühl, diesen Mann lange nicht mehr gesehen zu haben. Rodney war ihm in diesem Moment ferner als in den langen Stunden, in denen er zuletzt im Koma gelegen hatte.
John hatte das Gefühl, dass sein Herz auseinanderbrechen würde, denn dies war nicht sein Rodney, mit dem er in den letzten drei Monaten das Bett geteilt hatte und den er liebte. Dies war der Rodney zu einem Zeitpunkt, als sie nur mehr Freunde waren, die außerhalb der Missionen etwas Freizeit miteinander verbrachten. Es konnte nur so sein, dass Rodney einen Teil seiner Erinnerung verloren hatte. In diesem Fall machte es auch Sinn, dass sein Freund ihn siezte und ihm gegenüber doch eher distanziert war. Das ließ nur einen Schluss zu: Rodney hatte vergessen, dass er ihn, John, liebte! Diese Erkenntnis ließ ihn mental fast zusammenbrechen, aber er musste für Rodney stark sein! Er seufzte und beschloss schweren Herzens erst mit Carson zu sprechen, bevor er Rodney mit der Tatsache konfrontierte, dass sie ein Paar waren. Obwohl, er zweifelte daran, dass es eine gute Idee wäre, den Wissenschaftler damit zu überfallen. Carson würde ihm sicher raten zu warten, bis sich Rodney wieder erinnern würde. Und was, wenn nicht?

"Sheppard? Kann ich meine Hand jetzt wieder haben?"

John schreckte auf und sah den fragenden Blick immer noch bohrend auf sich gerichtet. Aber er sah auch die Müdigkeit in den blauen Augen und rechnete damit, dass Rodney jeden Moment einschlafen würde. Sein Freund hatte ein Recht auf eine Antwort.
"Ähm, natürlich!" Er entließ Rodneys Hand aus seinem Griff. "Du bist mein Freund und siehst so verloren aus. Ich möchte dich nur etwas trösten. Ist das so schlimm?", fragte er zögernd.

"Nein, ist es nicht! Es ist nur...ungewöhnlich...und verwirrend!" Rodney war über Sheppards Worte dermaßen überrascht, dass er nicht, wie gewöhnlich, eine schnippische Antwort parat hatte. Und das ärgerte ihn.
"Könnte ich jetzt mal alleine sein?", fragte er in gewohnt provozierendem Tonfall.

"Natürlich! Schlaf gut!" John war Rodney nicht böse.

"Wer sagt denn, dass ich müde bin? Ich will nur alleine sein!", fauchte der Wissenschaftler.

"Okay, okay!" John stand auf und ging davon. Bevor er außer Sichtweite war, drehte er sich kurz um und sah Rodney mit geschlossenen Augen daliegen. Sicherlich war er bereits eingeschlafen. John lächelte und ging in den Vorraum der Krankenstation, während seine linke Hand immer wieder tastend über die Holzfigur in seiner Jackentasche strich. Enttäuschung machte sich in ihm breit, da er sein Geschenk nicht hatte überbringen können. Wohl oder übel würde er warten, bis Rodney sich wieder an ihre Beziehung erinnern würde, denn es sollte ein besonderes Geschenk sein und nicht nur das Mitbringsel eines Teamkollegen.

Der Arzt trug gerade einige Daten in ein Krankenblatt ein und sah auf, als John neben ihn trat.

John erzählte Carson in einer Kurzfassung den Inhalt seines Gespräches mit Rodney.

Carson hatte mit Rodney noch nicht viel gesprochen, da er, nachdem der Wissenschaftler aufgewacht war, eigentlich nur die körperlichen Funktionen überprüft hatte. Da Rodney ihn erkannt hatte und wusste, wo er sich befand, hatte er nichts dagegen gehabt, John den Gefallen zu erweisen, Rodney sofort zu besuchen. Die weiteren Untersuchungen hatte er für den Mittag geplant.
Nun erschrak der Arzt, als John seine Befürchtungen bezüglich einer möglichen, teilweisen Amnesie schilderte.

"Lassen wir ihn erst mal schlafen, denn der Körper braucht die Ruhe. Sobald er aufwacht, werde ich mit ihm zusammen feststellen, für welchen konkreten Zeitraum ihm die Erinnerung fehlt. Wie es scheint, sind es aber mindestens drei Monate, wenn er sich wirklich nicht mehr an die intime Beziehung mit Ihnen erinnern kann. Wichtig ist die Frage, ob er die Mission vergessen hat, als Sie Handel mit einem Volk treiben wollten, welches Teyla gut bekannt war. Sie wurden damals auf dem Weg ins Dorf von den Wraith angegriffen und Sie haben mir erzählt, dass Rodney seiner Liebe zu Ihnen bewusst wurde, als Sie beinahe getötet wurden. Wenn er diesen Moment vergessen hat, muss er seine Gefühlen für Sie erst wieder entdecken und das ist deutlich schwieriger zu bewerkstelligen, als wenn Sie ihm nur Ihre Liebe gestehen müssen", sagte Carson und als er Johns entsetztes Gesicht sah, fügte er noch hinzu: "John! Viele Menschen mit einer zeitlich begrenzten Amnesie erhalten die fehlenden Erinnerungen nach und nach wieder zurück! Jetzt machen Sie sich nicht vorher schon verrückt, bevor wir Näheres wissen!"
Beruhigend legte er eine Hand auf den Arm seines Gegenübers, wohl wissend, dass Nichts und Niemand John die Sorgen nehmen oder ihn sogar aufmuntern konnte.

* * *


Am späten Nachmittag desselben Tages....

Sie saßen alle im Besprechungsraum und warteten: John, Teyla, Ronon und Carson. Der Arzt starrte auf die erste Seite seines Notizblocks, dem er mit unruhigen Fingern kleine Knicke verpasste.

Dr. Weir trat ein und grüßte alle Anwesenden, die in gleicher Weise den Gruß erwiderten.

Carson begann sofort mit seinem Bericht:"Rodney geht es den Umständen entsprechend körperlich gut. Er wird sich bestimmt bald erholen und auf den Beinen sein. Die Verletzung am Arm macht mir weiterhin Sorgen, denn sie hat zwar begonnen, von innen her zu heilen, aber es wird noch lange unklar bleiben, inwieweit Rodney den Arm zukünftig bewegen und belasten kann. Er wird viel Geduld haben müssen und den Arm jeden Tag mit therapeutischen Übungen stärken müssen!"
Carson machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: "Aber das ist noch nicht alles! Rodney leidet an einem temporären Gedächtnisverlust. Ich konnte den Zeitraum eingrenzen, so dass ich sagen kann, dass in etwa die letzten 14 Wochen fehlen. Und zwar kann ich das ziemlich genau sagen, da er sich an die Mission vor drei Monaten, bei der die Wraith unser Team in einem Hinterhalt überfallen und das ganze Dorf ausgelöscht hatten, nicht mehr erinnern kann. Aber ansonsten kann er sich an alles erinnern, was davor geschehen ist. Ich denke, wir können für Rodney einen Teil der Erinnerungen rekonstruieren, indem er die Missionsberichte und Computereinträge dieser Zeit studiert und mit seinem Team über alles reden kann!". Da er wusste, was seine Worte für John und Rodney bedeuteten, warf er einen besorgten Blick zu dem Colonel, der äußerlich die Nachricht gefasst aufgenommen hatte. Aber er wusste genau, dass es in ihm ganz anders aussah.

Für einige Augenblicke war es still im Besprechungsraum und jeder hing seinen Gedanken nach.
"Ich werde jetzt mit Rodney über die Verletzung am Arm sprechen!", unterbrach Carson die Stille.
"Bitte teilen Sie uns mit, wie er es aufnimmt und halten Sie uns weiter auf dem Laufenden. Wenn wir etwas zu Rodneys Besserung beitragen können, dann zögern Sie nicht, sich an uns zu wenden!", bat Dr. Weir.

"Aye!", erwiderte Carson, während er aufstand.

* * *

Rodney langweilte sich. Er war jetzt seit fast einer Woche wach und durfte nicht arbeiten, musste im Bett auf der Krankenstation bleiben. Er war der Meinung, dass er sich genauso gut in seinem Quartier ausruhen konnte, aber dort, so hatte Carson gesagt, hätte dieser keine Kontrolle über ihn. Und, wenn er ehrlich zu sich selbst war, würde er sich, sobald er alleine war, nicht an die Anweisungen des Arztes halten.
Die einzige Abwechslung, außer den Besuchen seines Teams und Dr. Weirs, stellten die Missionsberichte und Computerdaten dar, die er circa drei bis vier Mal am Tag für jeweils eine Stunde lesen durfte. So hatte er nach und nach zumindest die offiziell abgespeicherten Ereignisse nachvollziehen können.
Carson hatte jeweils am nächsten Tag mit gezielten Fragen getestet, ob er sich das Gelesene vom Vortag hatte merken können und so sein Kurzzeitgedächtnis überprüft. In dieser Hinsicht war der Arzt mit ihm zufrieden.

Nicht besonders interessiert las er den Bericht von einer Mission ihres eigenen Teams, die sie auf einen Planeten geführt hatte, auf dem sie mit den Einheimischen Handel treiben wollten.
Als Rodney zu der Stelle im Bericht kam, wo von seinem Versagen die Rede war und Teyla beinahe durch seine Feigheit getötet wurde, wich ihm das Blut aus dem Gesicht und die Buchstaben verschwammen vor seinen Augen. Auch wenn er sich nicht an dieses Ereignis erinnern konnte und es ihm vorkam, als wäre nicht er, sondern eine ihm völlig fremde Person daran beteiligt gewesen, fühlte er die Last der Schuld auf seinen Schultern.

Er musste plötzlich daran denken, dass er vielleicht nie wieder auf eine Mission gehen würde, wenn sein Arm nicht 100%ig beweglich werden würde. Am Anfang hatte er diesen Gedanken mehr oder weniger verdrängt. Dann war es ihm unerträglich geworden, daran zu denken, so gut wie an das Labor gefesselt zu sein. Zu groß war sein Ehrgeiz, die technischen Wunder auf den fremden Planeten selbst zu entdecken, wobei er sowieso der Meinung war, selbst am besten hierfür qualifiziert zu sein. Abgesehen davon hatte ihm die Arbeit in Sheppards Team in gewissem Maße Spaß gemacht und die nach langer Zeit aufgebauten Freundschaften genoss er sehr, wenn er ehrlich war.
Schließlich hatten ihn die Gespräche mit John etwas optimistischer gestimmt und er hatte sich entschlossen, hart an sich zu arbeiten und die Anweisungen von Carson zu befolgen.

Doch nachdem er diesen Bericht gelesen hatte, kam es ihm so vor, als wenn die Verletzung eine Strafe für sein Versagen war, dass er es nicht verdient hatte, weiterhin ein Mitglied im Team des Colonels zu sein. Wenigstens würde er niemanden mehr gefährden können, zumindest nicht auf anderen Planeten, wo die Gefahren am vielfältigsten waren.

Dr. Carson Beckett war in der Nähe und notierte einige Medikamente, die er für den nächsten Routineflug der Daedalus bestellen wollte. Hin und wieder warf er einen Blick zu seinem im Moment einzigen Patienten und als er wieder einmal zu Rodney sah, fielen ihm das bleiche Gesicht und der fassungslose Ausdruck auf.
Stirnrunzelnd, nicht wissend, was Rodney so aufgeregt haben könnte, ließ er den Block auf den Tisch neben sich fallen und ging zu seinem Freund hinüber.
"Rodney?", fragte Carson sanft und versuchte auf den Bericht zu schielen, denn nichts anderes in der Nähe konnte diese Reaktion erzeugt haben.
Rodney hob den Kopf und blaue Augen sahen ihn fast anklagend an, während er den Laptop etwas in seine Richtung drehte.
Als Carson erkannte, welchen Bericht der Wissenschaftler gerade gelesen hatte, konnte er sich den Fluch, der seine Lippen verlassen wollte, gerade noch verkneifen. Diesen Bericht hatte er in Absprache mit Dr. Weir und Rodneys Team vorerst zurückhalten wollen, bis ihr Freund nicht mehr so angeschlagen war. Außerdem wollte Teyla, da es sich ja hauptsächlich um sie drehte, anwesend sein und mit Rodney den Bericht zusammen durchgehen.
Abgesehen davon hatten sie noch keine Erklärung parat, um Rodney davon zu überzeugen, dass alles in Ordnung war und er einen nachvollziehbaren Grund gehabt hatte, so zu reagieren. Sie konnten schlecht die Wahrheit sagen.

"Rodney, es ist alles okay! Du weißt, Teyla geht es gut und niemand hat einen Groll auf dich!" Carson wusste, dass dies seinem Freund nicht reichen würde und so rief er Teyla in die Krankenstation. Nach einer kurzen Erklärung der Situation versprach diese sofort zu kommen.
Eine der Schwestern hatte in der Zwischenzeit einige Fragen an ihn und als er sich wieder an Rodney wandte, las dieser hektisch in den Missionsberichten.

"Ich habe versagt! Deshalb bin ich danach auch eine ganze Weile nicht im Team gewesen!", rief Rodney dem Arzt zu, und als dieser Teyla in die Krankenstation eintreten sah, seufzte er erleichtert. Nur Teyla würde als Betroffene ihrem gemeinsamen Freund helfen können. Nur ihr würde Rodney glauben, dass alles in Ordnung war. Auch wenn er nicht wusste, woher er diese Sicherheit hatte.

* * *


Rodney suchte in Teylas Gesicht, nein, vielmehr in ihren Augen nach einer Täuschung, aber er konnte nichts finden, was seine Annahme bestätigen würde, dass die Athosianerin ihn anlügen oder einfach nur beruhigen wollte. Nein, ganz sicher sagte sie die Wahrheit...das lag wohl auch in der Natur dieser Frau, die er für ihre Aufgeschlossenheit, ihren Mut und ihre Stärke bewunderte.

Teyla hatte ihm erklärt, dass er, Rodney, sich selbst aus dem Team gewünscht hatte, da er geglaubt hatte, Schuld daran zu haben, dass Teyla beinahe von einem Wraith getötet worden war. Sie hatte ihm von seinem Konflikt erzählt, dass er nicht in der Lage gewesen war, zu entscheiden, wem er zuerst hatte helfen sollen...ihr oder John, der ebenfalls in akuter Gefahr geschwebt hatte. Dies war der offizielle Grund, warum Rodney auf der Mission versagt hatte und aus dem Team ausgetreten war. So hatten sie es schlussendlich Dr. Weir erklärt und so stand es im Bericht. Niemand außer dem Team und Dr. Beckett wusste den wahren Grund, denn dass Rodney sich seiner Gefühle für John bewusst geworden war und deshalb wie versteinert die Gefahr missachtet hatte, das durfte sonst auch niemand wissen, da es ihre daran anknüpfende Beziehung offenbaren würde.

"Rodney, Sie sind kein Krieger und niemand hier auf Atlantis macht Ihnen einen Vorwurf daraus, dass Sie solch eine Entscheidung nicht innerhalb von Sekundenbruchteilen treffen konnten! Und aus den Berichten können Sie ersehen, dass Sie wieder ins Team zurückgekehrt sind! Auch wenn Zelenka ein guter Wissenschaftler ist, haben wir Sie vermisst. Jedoch nicht nur als Genie...Sie haben auch Freunde, Rodney!" Die Athosianerin lächelte Rodney zu.

Dem Wissenschaftler fiel ein Stein vom Herzen und er fühlte sich plötzlich nicht mehr so fehl am Platz in seinem Team, wie noch Minuten zuvor.

* * *


Ein paar Tage später...

John stand, wie so oft in letzter Zeit, auf dem Balkon, von dem er wusste, dass Rodney ihn als seinen Lieblingsplatz auserkoren hatte und während ihrer Beziehung war es auch zu seinem geworden.
Rodney hatte gestern den Bericht über die letzte Mission gelesen, an der er teilgenommen hatte...bei der er von der Raubkatze angegriffen worden war. Sein Freund hatte den nüchternen Bericht recht gut aufgenommen. Doch das war eigentlich kein Wunder, da er die erlittenen Schmerzen und Qualen nicht mehr so richtig nachempfinden konnte. Rodney hatte bestätigt, dass die Worte auf dem Bildschirm seines Laptops keine Erinnerung in ihm auslösten und auf den Verband gestarrt, als müsse er sich vergewissern, dass es ihm passiert war und nicht einem Fremden.

John fuhr sich müde durch die zerzausten Haare und seufzte. Seit ihrer Rückkehr von diesem verfluchten Dschungelplaneten hatte er kaum Schlaf gefunden. Einerseits aus Sorge um seinen Freund und andererseits weil ihm in der Nacht der warme Körper, die Streicheleinheiten und alle anderen Zärtlichkeiten fehlten. Aber auch ihre Gespräche und die in Atlantis berühmt-berüchtigten Frozzeleien, die sie immer wieder austauschten, vermisste er schmerzlich.
Dass er Rodney beinahe verloren hätte, erinnerte ihn wieder einmal an seinen ehemaligen Entschluss, nie mehr in diesem Ausmaß zu lieben, um nicht erneut einen derart großen Verlust hinnehmen zu müssen, wie es damals mit seinem Freund gewesen war, der bei einem Einsatz getötet worden war. Lange hatte er damals, es war nun schon viele Jahre her, gelitten. Durch die Sorge um Rodney drang das Gefühl der damaligen Trauer wieder in sein Bewusstsein und er schloss, die Tränen fortblinzelnd, für einen Moment die Augen.

Er hatte Glück gehabt...Rodney würde im Gegensatz zu Edward weiterleben. Dass sein Freund seinen Arm vielleicht nicht mehr 100%ig gebrauchen konnte, war dann doch nur ein geringer Preis, oder? Kaum gedacht, schüttelte er wütend auf sich selbst den Kopf. Was dachte er denn da? Oberflächlich betrachtet ja, aber er wusste, wie viel Rodney die Zugehörigkeit zum Team bedeutete...dass er danach strebte, annähernd so stark und mutig zu sein, wie er selbst, Ronon und Teyla! Durch den Schlafmangel schien er langsam aber sicher irre zu werden. Vielleicht sollte er sich vom Doc etwas geben lassen, damit er endlich den dringend benötigten Schlaf nachholen konnte?

Er hatte an diesem Morgen mit Carson gesprochen und der Arzt war der Meinung gewesen, dass Rodney noch mindestens zwei Wochen in der Krankenstation verbleiben musste. Zwar heilte die Wunde langsam von innen zu, aber sie musste täglich mehrfach versorgt werden und der Arm relativ ruhig gehalten werden. Und wer Rodney kannte, wusste, dass es eine schlechte Idee wäre, den Wissenschaftler alleine in seinem Quartier zu lassen.

Da sich Rodneys Zustand nicht nur körperlich, sondern auch emotional vorerst stabilisiert hatte, hatte der Arzt ihm erlaubt, nicht nur ein bis zwei Mal am Tag auf einen kurzen Besuch vorbeizukommen, sondern regelmäßig längere Zeit bei Rodney zu bleiben. Es würde dessen Langeweile vertreiben und so könnte sich John Rodney langsam annähern...erst mal auf freundschaftlicher Ebene, denn nach Rodneys Erinnerung waren sie zwar immer noch befreundet, aber John wollte dies langsam vertiefen.

John wusste, dass Rodney Gefühle für ihn hatte...sie waren ihm nur nicht mehr bewusst und es fehlte nun in dessen Erinnerung das Erlebnis, welches sie ihm vor Augen geführt hatte. Er hatte noch keine Ahnung, wie er Rodney dazu bringen sollte, seine Gefühle zu erkennen.
Schließlich konnte er nicht einfach zu Rodney gehen und seine Liebe gestehen. Sein Freund würde mit Sicherheit ablehnend reagieren, oder? Vielleicht sollte er ihn auch einfach nur küssen und so die gewünschte Reaktion erzeugen? All das schienen keine guten Ideen zu sein und erneut seufzte John leise und starrte in den strahlend blauen Himmel. Das schöne Wetter schien ihn mit seinen Problemen zu verhöhnen...viel passender hätte er einen kleinen Sturm gefunden!

* * *


Am selben Tag...

John war in der Kantine gewesen und hatte auf einem Tablett einen großen Teller mit Sandwiches, einen kleinen Teller mit einem Stück Schokoladenkuchen, eine Tasse Kaffee und ein Glas Orangensaft angerichtet.
Nun balancierte er das Abendessen für Rodney in den Händen, während die Türen zur Krankenstation aufglitten.

Er hatte beschlossen, für Rodney der beste Freund zu sein, den es nur geben konnte und zwischendurch mit scheinbar zufälligen Berührungen und Andeutungen auszutesten, wie es derzeit um Rodneys Gefühle für ihn stand. Schließlich hatte er keine Ahnung, ob vielleicht ein Schubs in die richtige Richtung schon der ausreichende Anstoß war, den Rodney brauchte, um über sie beide nachzudenken.
Ansonsten waren ihm nur zwei Alternativen eingefallen. Wobei der Plan, bewusst eine gefährliche Situation herbeizuführen und zu hoffen, dass Rodney seine Gefühle für ihn entdeckte, zum einen hirnrissig war und zum anderen vor Dr. Weir hätte geheim gehalten werden müssen. Nun ja, zumindest war er sicher, dass Ronon und Teyla mitspielen würden. Aber davon abgesehen, würde Rodney noch lange nicht auf eine Außenmission gehen können, bzw. vielleicht überhaupt nie mehr, wenn der Arm in der Bewegung eingeschränkt bleiben würde.
Der zweite Plan, den er bereits am Morgen kurz in Betracht gezogen, aber schnell wieder verworfen hatte, sah vor, einfach zu Rodney zu gehen und ihm seine Liebe zu gestehen. Aber so verzweifelt war er noch nicht, denn entweder würde es den Wissenschaftler zum Nachdenken anregen und alles würde gut werden, oder, was wahrscheinlicher war, Rodney würde sich völlig von ihm zurückziehen und John die Freundschaft kündigen. Und das war das Letzte, was John wollte und er würde es auch nicht verkraften. Es war schon schlimm genug, dass er im Moment nur als Freund mit Rodney umgehen konnte, aber wenigstens konnte er in dessen Nähe sein.

"Hallo, Rodney!", grüßte er, setzte das Tablett auf der Bettdecke ab und nahm auf dem Stuhl neben dem Bett Platz.

Rodney, der aufrecht im Bett saß und einige Dateien auf seinem Laptop durchlas, hob erstaunt den Blick und als er die Menge an Essen sah, weiteten sich seine Augen.
"Mein Gott, Sheppard! Sie meinen, ich würde das alles essen?" Das Knurren seines Magens verriet jedenfalls, dass er Hunger hatte.

"Ich denke schon! Das sollte doch kein Problem sein, oder?", fragte John und lächelte.

"Ich weiß, dass man mich für verfressen hält, aber ich esse eben nicht regelmäßig und dann muss ich bei jeder Mahlzeit das Beste an Nährwerten herausholen, um mein genial funktionierendes Gehirn optimal zu versorgen!", erwiderte Rodney entrüstet und sah den Colonel mit funkelnden Augen an.

"Ich weiß das und deshalb ist meine Auswahl auch so üppig ausgefallen!" Damit nahm er Rodney den Wind aus den Segeln und er wusste das. Sein Lächeln wurde breiter, während er sich darum bemühte, sich nicht in den blauen Augen seines Gegenübers zu verlieren.

Für einen Moment schien es so, als wollte der Wissenschaftler dazu etwas sagen, doch schließlich erwiderte er zögerlich das Lächeln und griff nach dem ersten Sandwich.
Man sah es ihm an, dass es schmeckte und entgegen Rodneys erster Äußerung über die Menge der Speisen, war eine halbe Stunde später das Tablett leer.
Rodney strich einmal mit seiner gesunden Hand über den Bauch und seufzte zufrieden.
"Das war eine Ihre besseren Ideen, Colonel." Er befeuchtete eine Fingerspitze mit seiner Zunge und tupfte auch noch die letzten Brotkrümel auf. Er leckte den Finger ab und fügte grinsend hinzu: "Ich beschwere mich nicht, wenn Sie mal wieder so einen Fürsorglichkeitsanfall haben. Ich könnte mich daran gewöhnen!", drohte er neckend und griff hinter sich, um das Kissen aufzuschütteln.

"Warte, ich mache das schon!", rief John, sprang auf und half seinem Freund, damit er es bequemer hatte.
Er fing einen sonderbaren Blick Rodneys auf und wenn er sich nicht täuschte, würde dieser ihn gleich auf sein merkwürdiges Verhalten ansprechen. John hatte spontan die Idee, mit diesem Thema schon mal einen vorsichtigen Schritt in die richtige Richtung zu gehen und so nahm er wieder auf dem Stuhl Platz.

"Colonel, ich...warum verhalten Sie sich so merkwürdig...so nett? Oder habe ich etwas durch meine Amnesie vergessen...?" Leicht ratlos wirkte nun der Blick seines Freundes, als er verstummte.

"Hey, wir sind im Laufe der Zeit gute Freunde geworden, also kann ich doch auch nett zu dir sein, oder etwa nicht? Und die Anrede mit dem Titel oder Nachnamen erscheint mir nicht mehr angebracht. Ich bin der Meinung, dass es eine Distanz zwischen uns erschafft, mit der ich mich nicht wohl fühle! Was denkst du?" John hielt fast den Atem an, denn er hatte fast das Gefühl, dass er schon zuviel gesagt hatte...besonders in Bezug auf den Teil mit der "Distanz".

Rodney war verwirrt und so starrte er den Colonel für einen langen Moment nur stumm an. Er mochte Sheppard, fühlte sich in seiner Gegenwart wohl, doch er hatte immer das unbestimmte Gefühl gehabt, dass ihm selbst diese Freundschaft deutlich wichtiger war, als dem Colonel. Dass er ihn nur als Freund gewählt hatte, weil...weil, ja was denn nun?
Als er so darüber nachdachte, fiel ihm nichts ein, was er hätte negativ bewerten müssen. Sheppard war beliebt, so dass er eigentlich keinen Mangel an zwischenmenschlichen Kontakten haben dürfte und doch...er hatte seines Wissens seine Teamkameraden und Dr. Beckett als Freunde auserkoren. Von weiteren intensiven Freundschaften war ihm nichts bekannt. Aber das musste nichts heißen. Dennoch...das Verhalten des Colonels ließ nur den Schluss zu, dass er ihm sehr wichtig sein musste! Rodney fühlte sich plötzlich geehrt und freute sich ehrlich über dieses Angebot, das er unmöglich ablehnen konnte...und er wollte es auch nicht!
"Ich bin einverstanden...John!", brach es kurz und bündig aus ihm heraus. John wollte doch hoffentlich keine Erklärung oder so?

"Gut!" John war erleichtert, dass Rodney diesen Schritt mit ihm gegangen war, auch wenn die Antwort so knapp und ohne jegliche Begründung ausgefallen war. Rodney war ihre Freundschaft also wichtig und das war schon viel wert.

* * *


Weitere zwei Wochen später....

"Na, komm schon, Rodney! Ich dachte, du würdest schnell wie der Wind hier rausstürmen und nun das! Man könnte glatt denken, dass Carson einen geheimen Kaffee-Vorrat hat", rief John und blickte seinen Freund stirnrunzelnd an. Der saß niedergeschlagen auf der Bettkante, angezogen mit Freizeitkleidung und mit einem frischen Verband versorgt, der aber den Arm nicht mehr ruhig hielt, sondern nur noch die so gut wie verheilte Verletzung schützte.
Der leidende Blick aus den blauen Augen ließ ihn dieses Mal nicht dahin schmelzen, denn er hatte nicht viel Zeit. Er musste in 20 Minuten am Jumper-Hangar sein, um auf eine Handelsmission zu gehen und er wollte doch gerne dabei sein, wenn Rodney endlich auf "freiem Fuß" war, wie er den Tag der Entlassung in den letzten Tagen scherzhaft umschrieben hatte. Rodney hatte das übrigens sehr lustig gefunden.
"Was ist?", fragte er ungeduldig und fuhr sich mit der einen Hand durch die Haare, während die andere mit der kleinen Holzfigur in seiner Jackentasche spielte, die er dem Wissenschaftler hatte schenken wollen und die er in den vergangenen Wochen immer mit sich herumgetragen hatte. Er würde sie Rodney erst geben, wenn sie wieder ein Paar wären.

"John, ich...ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll! Ich komme mir kindisch vor und...und es ist bestimmt total bescheuert...", stotterte Rodney und senkte den Blick.

"Mann, Rodney! Komm endlich zum Punkt, sonst sitzen wir morgen noch hier! Du weißt, ich muss zum Jumper-Hangar!" Für einen Moment dachte John, dass da nichts kommen würde, denn sein Freund blieb stumm. Doch plötzlich kamen die Worte wie aus der Pistole geschossen aus Rodneys Mund.

"Wenn ich jetzt nicht mehr in der Krankenstation bleiben muss...siehst du dann noch die Notwendigkeit, dich mit mir zu treffen, oder wolltest du mir nur die Langeweile vertreiben?"

John starrte Rodney entgeistert an. Das konnte doch wohl nicht wahr sein, oder? Hatte er sich denn in den vergangenen Wochen umsonst um seinen Freund gekümmert? Ihm war nicht bewusst gewesen, dass Rodney dermaßen unsicher in Bezug auf ihre Freundschaft war.
Doch dann kam ihm die Erkenntnis, dass er Rodney zumindest als Freund wichtig sein musste und er lächelte froh.
"Hey, Rodney! Du weißt doch, dass mir die Freundschaft mit dir wichtig ist. Ich mag dich! Denkst du wirklich, dass ich nur aus einer Laune heraus meine Zeit mit dir verbringe oder weil du mir leid tust?"

Rodney kam sich richtig blöd vor, hob aber aufgrund der freundlichen Tonlage den Kopf. Johns Lächeln war ansteckend und er erwiderte es zögerlich.
"Es tut mir leid! Im meinem Inneren weiß ich, dass es nicht stimmt, was ich eben sagte, aber manchmal kommen solche Gedanken, ohne mein Zutun. Du bist mein Freund und so soll es auch bleiben! Gehen wir!"
Rodney sprang auf, griff nach der Tasche mit seinen persönlichen Dingen und sah John teils entschuldigend und teils auffordernd an. Als John ihn anlächelte und nickte, erwiderte er erleichtert das Lächeln.
Rodney verabschiedete sich für heute von Carson und zusammen gingen die beiden Freunde durch die Flure von Atlantis, um zu Rodneys Quartier zu gehen.

Dort angekommen warf Rodney die Tasche auf das Bett und setzte sich auf den Stuhl daneben.

John stand für einen Augenblick unschlüssig mitten im Raum, ließ sich dann aber kurzentschlossen auf die Bettkante fallen.
"Und?"

"Was und?", fragte Rodney und ließ seinen Blick durch das Quartier schweifen. Lange war er nicht mehr hier gewesen.

"Was gedenkst du zu tun?"

"Wann? Jetzt oder was?" Rodney wandte sich John zu und sah ihn fragend an.

"Heute Abend! Was machst du an deinem ersten Abend in Freiheit?"

"John! Du tust ja gerade so, als wäre ich im Gefängnis gewesen!"

"Warst du das nicht?", erwiderte John und lachte. Doch nur er selbst wusste, dass es nicht so richtig von Herzen kam. Er ließ es sich nicht anmerken, die ganze Zeit nicht, aber es schmerzte ihn, in Rodneys Nähe zu sein und nur den Freund mimen zu dürfen. Er hatte seine Gefühle in dieser Hinsicht bisher mehr oder weniger erfolgreich ignorieren können, doch es fiel ihm von Tag zu Tag schwerer.

"Nun ja, wenn ich so darüber nachdenke...im gewissen Sinne schon", meinte Rodney und grinste schief. "Musst du nicht los?", fragte er einen Augenblick später zusammenhanglos, als ihm einfiel, dass der Colonel etwas vom Jumper-Hangar erzählt hatte.

"Oh, Scheiße!", rutschte es John heraus. Er sprang auf und rannte ohne ein Wort des Grußes hinaus.

Rodney sah ihm lächelnd hinterher und ging kopfschüttelnd zum Bett, um seine Tasche auszupacken. Doch auf der Bettdecke lag ein kleiner Gegenstand, der sich bei genauerem Hinsehen als eine Holzfigur in Form einer Katze entpuppte, die von der Fellfarbe her Ähnlichkeit mit seinem ehemaligen Haustier hatte. Einen Moment dachte er dankbar an die Nachbarin, die sich um den Kater zu Hause auf der Erde kümmerte.
Die Figur gehörte John, da gab es keinen Zweifel, denn er hatte sie bisher noch nie gesehen. Sie musste ihm aus der Jackentasche gefallen sein und würde sie sicherlich vermissen. Für einen Augenblick fragte er sich, ob die Figur vielleicht ein Geschenk für ihn sein sollte. Aber selbst wenn, er sollte sie ihm schnell bringen, bevor er aufbrechen würde!
Kaum gedacht, machte sich Rodney auf den Weg und lief eilig zum Hangar, in dem die wertvollen Jumper von Atlantis untergebracht waren und auf ihren Einsatz warteten.

Die Halle war so gut wie menschenleer...anscheinend waren John, sein Team und Zelenka bereits im Inneren des Jumpers. Er trat rasch von der Seite an die hintere Öffnung heran und wollte bereits einen Fuß auf die Rampe setzen, als er in der Bewegung erstarrte...

"...und ich halte es kaum noch aus, Teyla! Ich kann Rodney nicht mehr lange den besten Freund vorspielen!...Ich..."

Mehr hörte Rodney nicht, denn in seinen Ohren rauschte das Blut, während er zurück taumelte und lautlos den Hangar verließ. Später hätte er nicht mehr sagen können, wie er in sein Quartier zurückgekommen war, aber er fand sich wie versteinert auf dem Bett sitzend wieder. Die Wut in ihm hätte ihn schreien lassen sollen, aber stattdessen erstickte die grenzenlose Enttäuschung über Johns Verrat jeden Laut. Verdammt, er hatte ihm vertraut!

* * *


Er schien Stunden hier gesessen zu haben, aber ein kurzer Blick auf die Uhr auf dem Nachtisch neben dem Bett zeigte ihm, dass nur eine knappe Stunde her war, seitdem seine Welt sich zusammengefaltet und zusammengeknüllt hatte.
Noch in der Krankenstation hatte John ihm versichert, dass er ihn mochte und sein Freund sein wollte! Und jetzt? Die letzten Wochen waren alles Lüge gewesen! Eine schamlose Lüge! Bisher zurückgehaltene Tränen wurden von ihm zornig aus seinem Gesicht gewischt.

"Verdammt, verdammt! Wo sind sie denn?" Rodney durchsuchte seinen Kleiderschrank nach den Schokoriegeln, die er dort heimlich gebunkert hatte, denn er benötigte jetzt dringend einen kleinen Trost. Seine Gedanken waren unklar und er schwankte zwischen Trauer und Wut.
Nachdem er sich zwei Riegel reingestopft hatte, griff er nach seinem Laptop und stöberte, um sich etwas abzulenken, durch seine Dateien. Schließlich stieß er auf einen besonders abgesicherten Bereich, der ihm nur vage bekannt vorkam. Neugierig geworden rief er sich die korrekten Passwörter ins Bewusstsein und öffnete die Datei. Wow! Daran hatte er in seiner Zeit auf der Krankenstation gar nicht mehr gedacht! Fast ehrfürchtig begann er den ersten Eintrag zu lesen.
Er hatte ein Tagebuch geführt, seitdem er nach Atlantis angekommen war. Der Inhalt war ihm bekannt, bis zu dem Zeitpunkt, an dem auch seine Amnesie begann. So öffnete er den letzten Eintrag:

Ich weiß, dass Gefühlsdinge nicht so meine Stärke sind und ich will eigentlich nichts darüber schreiben, aber da ich nie mit jemandem darüber sprechen werde, muss ich es wenigstens einmal niederschreiben.
Heute haben uns die Wraith angegriffen und Teyla und John sind beinahe getötet worden! Es wäre meine Schuld gewesen! Ich weiß es! Doch abgesehen davon habe ich heute etwas erlebt, von dem ich dachte, es würde mir nie mehr geschehen! Und besonders nicht hier...in der Pegasus-Galaxie! Ich habe mich verliebt und...

Rodneys Blick hob sich von diesen Zeilen und schweifte ziellos durch sein Quartier. Verliebt? Was war denn das für ein Blödsinn? Wer sollte das denn wohl sein? Eigentlich war Sheppard doch für die verführerischen Alien-Priesterinnen zuständig, oder nicht?

Ich habe mich verliebt, und dass es ein Mann ist...

Was? Ein Mann? Rodney schloss für einen Moment geschockt die Augen. Er seufzte. Also hatte er sich nach langer Zeit wieder in einen Mann verliebt? Das durfte doch nicht wahr sein! Es hatte sich nach dem Reinfall mit Harry geschworen, nie wieder was mit einem Mann anzufangen. Sah ja ganz so aus, als wäre er seinem Vorsatz untreu geworden. Wer käme...? Er durfte sich nichts vormachen, denn der einzige Mann, mit dem er engeren Kontakt gepflegt und genügend Zeit verbracht hatte, um sich in ihn verlieben zu können war...John!
Voller Neugierde las Rodney weiter.

Ich habe mich verliebt, und dass es ein Mann ist....Na ja, das ist schon schlimm genug, da ich mich schon vor langer Zeit dazu entschlossen hatte, mich nie mehr auf einen Mann einzulassen. Zu schlecht sind meine Erfahrungen in den bisherigen Beziehungen gewesen.

Genau seine Worte! Rodney grinste zufrieden, dass er damals genauso gedacht hatte, wie heute auch. Doch die nächsten Worte ließen ihn ein ungläubiges Glucksen ausstoßen.

Aber ausgerechnet John?... Das ist für mich ein Schock.

John?? Oh Gott! Kein Wunder, dass ihn das damals geschockt hatte, ihm ging es jetzt nicht viel besser. Wirklich John? Aber wann..? Wie…?

Ich habe ihn unbewusst wohl schon lange geliebt, aber erst als John in Gefahr war, habe ich es erkannt. Warum gerade in diesem Moment ist mir nicht klar, denn schließlich hing Johns Leben schon oft am seidenen Faden. Aber was soll`s.

Ach du liebe Güte! Es schien ihn damals ja schwer erwischt zu haben, wenn dieses Teenager-Geschreibsel ein Indiz für seinen damaligen Geisteszustand war. Jetzt im Rückblick war es Rodney ziemlich peinlich und er las zögerlich weiter.

Ich muss damit leben, dass ich einen Mann liebe, der eindeutig hetero ist und selbst, wenn er auf Männer stehen würde, wäre ich wohl nicht die erste Wahl, nicht derjenige, der...John kann jeden haben, da bin ich mir sicher.

Eigentlich sollte ich diesen Eintrag löschen, aber es ist eine Erinnerung, die ich nicht einfach wegwischen kann. Doch fortführen werde ich das Tagebuch nicht mehr!

Hatte er das wirklich geschrieben? Oder hatte vielleicht jemand in seinem Online-Tagebuch rumgepfuscht? Rodney checkte den Verschlüsselungscode, aber es gab keinerlei Anzeichen, dass jemand dahinter gekommen war, welchen Logarithmus er benutzte.

Hier endete der Eintrag glücklicherweise.

"Oh, Shit." Rodney schaute vom Bildschirm auf.

Vor nicht einmal zwei Stunden hatte er erfahren, dass John die Freundschaft nur vorgetäuscht hatte! Und nun war er in John auch noch verliebt?
Okay, er war damals in ihn verliebt gewesen! Was war heute? Rodney versuchte diesem Gefühl nachzuforschen, ungeachtet der Wut auf John, die in ihm schwelte. Als er es geschafft hatte, seinen Ärger beiseite zu lassen, dachte er an die Zeit, bevor die Amnesie eingesetzt hatte und beschwor die schönen Momente dieser Freundschaft vor seinem geistigen Auge herauf.
Das Ergebnis war unbefriedigend, denn er war sich nicht sicher. John war ihm jedenfalls nicht egal, im Gegenteil, aber ob es Liebe war? Er wusste es nicht! Er hatte aber nicht vor, es herauszufinden, denn es brachte sowieso nichts. Wieso sollte John Interesse an ihm haben, wenn er ihn schon als Freund nicht wollte?
Irgendwie hatte die Amnesie auch was für sich, denn so war der Schmerz nicht so stark, als wenn er verliebt gewesen wäre. Und wenn der Arm etwas steif bleiben würde, könnte er nicht mehr off-world gehen und konnte so John weitestgehend aus dem Weg gehen. Ein heiseres Lachen entrang sich seiner Kehle, während er die Datei schloss und den Laptop zuklappte. Oder wie wäre es, einen ganz anderen Weg zu wählen...?

* * *


John und sein Team kehrten am Abend ohne besondere Zwischenfälle nach Atlantis zurück.
Nach einem ausführlichen, aber trotzdem recht kurzen Bericht bei Dr. Weir ging er in sein Quartier, um zu duschen und sich umzuziehen. Im Anschluss wollte er Rodney besuchen, aber dieser war nicht in seinem Quartier und so ging er in die Krankenstation zu Dr. Beckett.

"Carson, haben Sie Rodney gesehen?"

"Nein, ich habe ihn offen gestanden auch nicht vermisst, denn ich habe ihm für heute "frei" gegeben. Er muss für den Verbandwechsel und die Physio-Therapie erst morgen wieder bei mir erscheinen. Ist etwas passiert?"

"Nein, nein! Zumindest nicht dass ich wüsste! Ich wollte ihn nur gerne sprechen und er war nicht in seinem Quartier! Auch auf mein Anfunken hat er nicht reagiert!"

"Sollen wir ihn suchen lassen?", fragte der Arzt besorgt.

"Noch nicht! Ich will nicht die Pferde scheu machen. Vielleicht ist er nur für einen Snack in der Kantine! Ich werde erst einmal weiter suchen und wenn ich ihn nicht innerhalb der nächsten halben Stunde gefunden habe, lasse ich ihn suchen", erwiderte John und Carson nickte zustimmend.

Aber auch in der Kantine und im Labor war Rodney nicht, so dass sich John langsam Sorgen machte. Schließlich schlug er als letzten Versuch den Weg zum Außenbalkon ein, auf dem sie schon des Öfteren zusammen gesessen und gepicknickt hatten.

Und tatsächlich, durch die geschlossene Glastür sah er Rodney an der Balkonbrüstung stehen. Seine Haltung war nach vorne gebeugt und sein Körper sah verkrampft aus. Was war passiert?
Er gab Carson über sein Headset kurz die Information, dass er Rodney gefunden hatte, trat durch die Tür und blieb wenige Schritte von Rodney entfernt stehen. Sein Freund schien ihn zu ignorieren, aber das leichte Zusammenzucken des anderen Mannes hatte er wohl gesehen.
"Rodney? Was ist denn los?"

Rodneys Finger der rechten Hand hielten die Brüstung so fest umklammert, dass die Knöchel weiß hervortraten. Er hatte den Tag in seinem Quartier verbracht und dafür gesorgt, dass das Gefühl der Wut seine Trauer im Zaum hielt. Er wollte John wütend gegenüber treten und keinesfalls als heulendes Elend vor ihm zusammenbrechen.

"Rodney, sprich mit mir! Geht es dir nicht gut?", fragte John besorgt. Er hatte das unbestimmte Gefühl, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war.

Rodney lachte bei dieser Frage trocken auf und fuhr zu John herum.
"Du willst wissen, ob es mir gut geht? Sieht man das nicht?", schrie er.

John wich zwei Schritte zurück und starrte verwirrt in Rodneys zorniges Gesicht. Er konnte sich nicht erinnern, seinen Freund jemals so gesehen zu haben. Sicher, er regte sich schnell und oft über alles und jeden auf, aber das war nichts im Vergleich zu diesem Wutausbruch.
"Ich sehe, du bist wütend! Aber ich weiß nicht wieso!", meinte er frustriert. Nichts hasste er mehr, als mit einer Situation konfrontiert zu sein, in der er keine Ahnung hatte, was los war.

"Du bist mein Freund, ja?" Rodney zwang sich für einen Moment ruhiger zu werden.

"Natürlich, das weißt du doch!"

"So? Weiß ich das?"

"Mann, Rodney! Jetzt komm doch mal zum Punkt! Ich habe keine Ahnung, auf was du hinaus willst!", rief John und wollte sich ihm nähern.

"Bleib mir vom Leib! Du bist nicht mehr mein Freund!" Rodney fühlte, wie die Wut aus ihm herauszubrechen drohte und er konnte und wollte sie nicht mehr kontrollieren.

"Was?" John blieben die Worte im Hals stecken. Ungläubig starrte er den Wissenschaftler an. Was konnte im Laufe dieses Tages Rodney dermaßen sauer gemacht haben?

"Entschuldige! Ich habe mich falsch ausgedrückt!" Rodneys Stimme troff vor Ironie.
"Du bist nie mein Freund gewesen! Hat es dir Spaß gemacht, mich zu täuschen?" Rodney konnte nicht mehr still stehen und begann auf und ab zu gehen.

John folgte ihm ratlos mit seinen Blicken.
"Wie kommst du darauf! Jetzt sag doch endlich mal was Sache ist!"

"Ich habe es gehört! Ich habe gehört, was du gesagt hast!", schrie Rodney.

John runzelte die Stirn. Er war den ganzen Tag auf dieser Mission, also nicht in Atlantis gewesen und wenn Rodney etwas gehört haben wollte, das er gesagt hatte, musste es am Morgen geschehen sein.

"Soll ich dir vielleicht auf die Sprünge helfen?", knurrte Rodney gefährlich leise.
Nach Johns stummem Nicken blieb Rodney dicht vor ihm stehen und sah ihm fest in die Augen.
"Jumper!"

Verwirrt starrte John Rodney an, dessen Gesicht eine ungesunde Röte angenommen hatte.
"Jumper? Ich weiß nicht, wo du etwas gehört haben willst! Wir waren den ganzen Tag unterwegs und ich..."

"Sag mal, willst du mich verarschen, oder was?...Du musst doch wissen, was ich meine! Es war vor dem Abflug und ich war im Hangar!" Rodneys Stimme überschlug sich fast.

Vor Johns geistigem Auge wiederholte sich die Szene im Jumper und er konnte kaum Luft holen.
"Oh, Gott!", flüsterte er.

"Nun, du brauchst nicht mehr den Freund mimen, wenn du es nicht mehr erträgst. Ich lege nun keinen Wert mehr darauf!" Rodneys Stimme war nun mit jedem Wort leiser geworden.

"Rodney, es ist nicht so, wie es scheint! Ich kann das erklären und..."

"Erklären? Was gibt es da schon für eine Erklärung!", wurde die Stimme des Wissenschaftlers wieder lauter.

"Rodney, würdest du mir zuhören, wenn ich dir etwas Wichtiges sage?"

"Warum sollte ich?", rief Rodney, entfernte sich ein Stück von John und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Balkonbrüstung.

"Weil ich dich bitte, mir eine Chance zu geben?"

Nach einem langen Moment des Schweigens bekam er ein Brummen als Antwort und John nahm es als Zustimmung um fortzufahren.
"Bevor ich mich verteidigen kann, muss ich wissen, was du gehört hast!"

"Du hast mit Teyla gesprochen und gesagt, dass du es kaum noch aushältst, mir den besten Freund vorzuspielen!" Rodney spie ihm die Worte fast entgegen und man sah ihm an, dass er Schwierigkeiten hatte, seinen Zorn zu zügeln.

"Du hast nicht alles gehört, was ich gesagt habe! Es war vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen. Ja, ich habe im Jumper mit Teyla gesprochen, bevor wir heute Morgen aufgebrochen sind. Ich habe ihr erzählt, wie es mich fertig macht, nur dein Freund sein zu dürfen, denn ich fühle weit mehr als Freundschaft für dich, Rodney! Ich liebe dich! Was sagst du dazu?" John wusste, es war die Holzhammer-Methode, aber in dieser Situation versprach eine konkrete Ansage den größten Erfolg. Jetzt wollte er erst einmal abwarten, wie Rodney darauf reagieren würde.

Rodney hatte mit allem gerechnet...mit allen möglichen halbherzigen, leicht durchschaubaren Ausreden, aber nicht damit. Er wusste nicht, was er sagen sollte, denn wenn John die Wahrheit sagte, musste er sich nun doch intensiv mit dem Inhalt des Tagebuches auseinandersetzen. Schließlich hatte er John einmal geliebt. Das war eine Tatsache, auch wenn er sie vergessen hatte und dieses Gefühl der Zuneigung im Moment nicht in diesem Ausmaß verspürte. Er mochte John und genoss ihre Freundschaft, aber darüber hinaus?
Er musterte sein Gegenüber und er fand in Johns Augen keine Lügen, nur die Liebe für ihn und er wusste, dass es ihm ernst war.
Seine Wut war verraucht, denn vor diesem Hintergrund hatte der Satz, den er von John gehört hatte, seinen Sinn. Er konnte verstehen, dass es John schwerfallen musste, ihm ein Freund zu sein, wenn er doch viel mehr wollte als das. Er musste das mit John klären, egal was daraus werden würde.
Rodney ging auf John zu, legte ihm kurz die Hand auf die Schulter und wandte sich dann wieder dem Meer zu. Er war zu feige, John in die Augen zu schauen, wenn er ihm sagen würde, dass er diese Gefühle derzeit nicht erwidern konnte. Vielleicht entwickelten sie sich mit der Zeit von neuem oder seine Erinnerung kam doch noch wieder zurück.

"Okay, John, ich kann dich nun etwas besser verstehen und ich bin dir auch nicht mehr böse, aber im Moment kann ich dir nicht die Antwort geben, auf die du hoffst. Ich habe ein Tagebuch geführt. Heute Morgen habe ich es gefunden und anscheinend habe ich damals auch …äh… Gefühle für dich gehabt. Es wurde mir damals klar, als du und Teyla in Lebensgefahr wart. Dieser Eintrag war der letzte. Ich habe diese Gefühle für dich vergessen, es tut mir leid. Ich hoffe, meine Erinnerungen kommen zurück, aber bis dahin…" Er zuckte hilflos mit den Schultern.

"Aber bis es soweit ist, kann ich dir nur meine Freundschaft anbieten, wenn du sie willst", fuhr er fort. Rodney hätte nie gedacht, dass er in einer solch schwierigen, emotionalen Situation jemals so fließend reden könnte. Immer hatte er Probleme gehabt, sich zu artikulieren, wenn es nicht um Physik oder Technik ging. Aber John war ihm wichtig und da hatte er seine Blockade überwinden können. Es hatte auch geholfen, dass er ihm nicht in die Augen schauen musste, aber jetzt drehte er sich zu ihm um.

John hatte seinem Freund mit gemischten Gefühlen zugehört, einerseits war er erleichtert darüber, dass sie ihre Differenzen beilegen konnten, andererseits fühlte er sich ziemlich niedergeschlagen, obwohl ihm klar gewesen war, dass Rodney seine Liebe im Moment nicht erwiderte.
"Natürlich will ich weiter dein Freund sein und ich hoffe, dass es eines Tages wieder mehr sein wird!", sagte John und lächelte Rodney zu.

"Wieder mehr sein wird? Wie meinst du das?", fragte Rodney verwirrt.

John bemerkte erst jetzt, was er da gesagt hatte und vielleicht war es ja eine gute Idee Rodney von ihrer Beziehung zu erzählen. Dann hatte der Wissenschaftler noch mehr, worüber er nachdenken konnte. Das er darauf nicht von selbst gekommen war?
"Ähm...ich habe da was vergessen zu sagen. Wir...wir waren zum Zeitpunkt des Angriffes durch die Raubkatze etwas mehr als drei Monate zusammen und..."

"Was?...So richtig …so…als Paar? Wer wusste davon?", fragte Rodney aufgeregt. Diese Eröffnung Johns haute ihn fast um.

"Ja, wir waren ein Paar und es wussten nur Teyla, Ronon und Dr. Beckett davon. Soll ich dir davon erzählen?"

"Gott, John! Es muss die Hölle für dich gewesen sein und auch jetzt noch! Wie kann es sein, dass ich unsere Beziehung vergesse?...Verdammt, John! Es tut mir leid! Und ja, ich würde gerne alles darüber hören!"

"Darf ich dich kurz umarmen?", fragte John hoffnungsvoll. Er brauchte jetzt etwas Nähe und Rodney schien das zu spüren, denn er nickte zustimmend.
Nur einige Sekunden später fanden sie sich in einer tröstenden Umarmung wieder, aus der sich John aber bald wieder löste, um Rodney nicht zu bedrängen. Trotzdem hatte der Moment der Nähe ihm gut getan.
Da es mit der hereinbrechenden Dunkelheit empfindlich kühl wurde, gingen sie gemeinsam in Rodneys Quartier und John begann zu erzählen.
Als er fertig war, zeigte die Uhr bereits Mitternacht und John fand, dass es Zeit war, sein Bett aufzusuchen, wenn er morgen nicht vor Müdigkeit umfallen sollte.
Er war schon an der Tür, als Rodney ihn zurückrief.

"John, warte kurz!"

John drehte sich um, machte ein paar Schritte und blieb in der Mitte des Raumes stehen. Sein Freund hatte ihm den gesunden Arm entgegengestreckt und in der offenen Handfläche lag eine kleine Holzfigur.

"Diese Katze hast du hier verloren...ich habe sie auf meinem Bett gefunden und wollte sie dir bringen. Deshalb war ich im Jumper-Hangar!"

"Ich habe die Figur selbst geschnitzt und die Farben nach deinen Erzählungen über deine Katze auf der Erde ausgesucht, um sie dir zu schenken. Ich würde mich freuen, wenn sie dir gefällt. Behalte sie als ein Zeichen meiner Liebe. Gute Nacht, Rodney!"

"Gute Nacht, John!...Übrigens...sie gefällt mir sehr! Danke!"

* * *


Rodney lag in dieser Nacht noch lange wach. Er hatte es sich im Bett auf der Seite liegend gemütlich gemacht und starrte die Holzfigur auf dem Nachttisch an. Die fein ausgearbeiteten Details wiesen auf eine Menge Arbeit hin und mit einem Lächeln dachte er an John, der sich diese Mühe gemacht hatte...für ihn. Es tat ihm von Herzen leid, dass er dessen Gefühle nicht…halt…noch nicht erwidern konnte.
Sein Lächeln verschwand, als er daran dachte, wie es mit ihnen beiden weitergehen würde, falls er seine vergessenen Gefühle nicht wieder finden würde…wenn er John nicht auch lieben konnte. Würde sein Freund daran zerbrechen oder würde er es aushalten? Und wenn ja, für wie lange?
Rodney seufzte und dachte an Johns Erzählung: dass sie sich heftig gestritten hatten. Dass er selbst aus dem Team ausgestiegen war und sogar mit der Daedalus auf die Erde hatte zurückkehren wollen. Und dann, wie Ihre Beziehung begonnen hatte…dass sie immerhin über drei Monate zusammen gewesen waren.
Auch wenn er sich konzentrierte und sich den Kopf zermarterte…es wollten einfach keine Bilder dieser Zeit aus seinem Unterbewusstsein an die Oberfläche kommen. Er wollte sich unbedingt erinnern, denn er musste ja mal Johns Gefühle erwidert haben. Das hatte eindeutig in seinem Tagebuch gestanden.
Außerdem war er lange alleine gewesen und wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann wollte er jemanden an seiner Seite haben, der mit ihm zusammen war, weil er ihn liebte, der ihm Nähe und Sicherheit gab. Dieses Gefühl hatte er in seinen vergangenen Beziehungen vermisst und er war irgendwie sicher, warum wusste er nicht so genau, dass John ihm das geben konnte, was er suchte.

Erneut seufzte er und vergrub sich in den Kissen, um endlich zu schlafen. Doch es fiel ihm schwer abzuschalten und erst in den frühen Morgenstunden fiel er in einen unruhigen Schlaf.

* * *


Am nächsten Morgen….

Rodney saß in der Kantine und stocherte lustlos in seinem Frühstücksrührei herum, als jemand an seinen Tisch herantrat.

"Guten Morgen, Rodney! Darf ich mich setzen?"

Ein Gähnen unterdrückend sah der Wissenschaftler von seinem immer noch gut gefüllten Tablett auf und nickte John zu.
"Guten Morgen!", erwiderte er kurz und senkte wieder den Blick. Es war ein merkwürdiges Gefühl, hier mit seinem Freund zu sitzen, mit dem Wissen, dass dieser in ihn verliebt war. Er war unsicher, wie er sich ihm gegenüber verhalten sollte!

"Hast du keinen Hunger?", fragte John nach einigen Minuten des Schweigens, als Rodney immer noch nichts gegessen hatte.

"Hm?"

Rodney hatte ihm anscheinend gar nicht zugehört und so wiederholte er seine Frage.

"Eigentlich hatte ich großen Hunger, aber irgendwie…" Rodney verstummte.

"Aber?", hakte John nach.

"Mir geht zuviel durch den Kopf und dann dieser Traum..." Der Wissenschaftler ließ auch diesen Satz unbeendet.

John schüttelte leicht den Kopf, war doch mit seinem Freund im Moment nicht all zu viel anzufangen. Er konnte ihn jedoch verstehen und es war ja auch gut so, dass Rodney über alles nachdachte.
"Erzählst du mir von deinem Traum?", fragte John neugierig und biss herzhaft in sein Sandwich mit Schinken. "Hast du die Wraith im Alleingang besiegt, oder warst du das Dessert für die Wraith-Königin?"

Rodney schnaubte nur und stand auf, doch sein Freund hielt ihn sanft am Ärmel fest und hinderte ihn so daran, den Tisch zu verlassen. Er hätte sich ganz leicht losreißen können, aber aus irgendeinem Grund wollte er das nicht und stattdessen nahm er wieder auf dem Stuhl Platz.
Es war ein verwirrender Traum gewesen und er wusste nicht recht, ob er davon erzählen sollte oder nicht.
"Ich weiß nicht...ich", Rodney sah sich kurz um; die Tische in ihrer Nähe waren außer einem nicht besetzt und die anwesenden Soldaten und Wissenschaftlern unterhielten sich angeregt ohne auf sie beide zu achten. Er beugte sich etwas vor und senkte die Stimme, als er fortfuhr: "Du warst da in meinem Traum!"

Johns Augen weiteten sich überrascht. Er hatte Rodneys merkwürdiges Verhalten in den letzten Minuten genau beobachtet und er war auf einiges gefasst gewesen, aber nicht darauf.
"Ich?...In deinem Traum?" Plötzlich kam ihm die Erkenntnis, das dies ein gutes Zeichen war...obwohl, es kam noch auf den Inhalt an, da wollte er mal hoffen, dass er Rodney nicht gemeuchelt hatte…

Rodney nickte und sah sich erneut um, damit ja niemand etwas davon mitbekam, was er hier preisgab. Dies war nur für Johns Ohren bestimmt, der seit seinem gestrigen Geständnis auf eine besondere Weise mit ihm verbunden war, ob Rodney es wollte oder nicht, soviel war ihm inzwischen klar geworden.
"Wir haben gepicknickt. Auf dem Festland...auf einer Lichtung. Da war auch ein kleiner See und..." Rodney schluckte heftig und schwieg.

"Waren wir nackt?", John rutschte die Frage heraus, bevor er sie hinunterschlucken konnte, denn ihm gefiel das Bild.

"Natürlich nicht!", zischte Rodney verhalten, um nicht auf sich aufmerksam zu machen, doch er konnte nicht verhindern, dass er aus Verlegenheit rot wurde, denn der Gedanke an einen nackten John Sheppard stieß ihn seltsamerweise, trotz seiner abwehrenden Haltung, nicht ab.

John konnte sich ein amüsiertes Grinsen nicht verkneifen, denn er sah hinter der zur Schau gestellten Empörung sehr wohl, dass Rodney nicht wirklich sauer war, sondern im Gegenteil wieder etwas hatte, über das er nachdenken konnte. Vielleicht standen seine Chancen doch nicht so schlecht.
"Okay, okay! Ich weiß...war ein blöder Scherz! Erzähl mehr von deinem Traum!", bat John.

"Na, gut! Aber keine blöden Sprüche mehr, ja?", forderte Rodney nach einem Augenblick des Zögerns und als John ernst nickte, fuhr er fort: "Es war ein sonniger Tag und wir hatten viel Spaß. Wir haben geredet und geredet und...dann haben wir uns geküsst und..."

"Und dann?", fragte John neugierig, sich unbewusst vorbeugend. Das Bild, das Rodney mit seinen Worten heraufbeschwor, regte seine Phantasie an und ihm wurde langsam heiß, so dass ihm eine zweite, aber diesmal kalte Dusche an diesem Vormittag notwendig erschien.

"Dann bin ich aufgewacht!", bemerkte Rodney trocken und nun war es an ihm zu grinsen.

John lachte leise und schüttelte über seinen Freund den Kopf. Das war typisch Rodney...Oh Gott, wie er diesen Mann liebte! Dieses Gefühl wurde so übermächtig in ihm, dass er sich zusammenreißen musste, um nicht über den Wissenschaftler herzufallen. Das wäre hier in der Kantine, vor allen anderen, an sich schon ein großer Fehler, aber Rodney war noch lange nicht soweit.
"Was spürst du...wenn du an den Kuss denkst?", fragte John wieder ernst werdend.

"Ich weiß nicht! Es war ja nur ein Traum, aber...es stößt mich nicht ab, wenn du das meinst!"

"Das ist ein Anfang!" John warf einen Blick auf seine Uhr. "Verdammt, wir kommen zu spät!

"Wir?" Rodney sah ihn fragend an.

"Ja, du hast doch einen Termin bei Carson!", erwiderte John.

"Oh!...Ja, stimmt!...Na schön! Gehen wir!", meinte der Wissenschaftler und beide trugen ihre Tabletts zurück zur Theke.

* * *


Rodney war nach dem Gespräch mit Carson in der Krankenstation geblieben, um seine Übungen zu absolvieren. Der Arzt hatte heute eine ausgiebige Untersuchung durchgeführt und seine Chancen, den Arm und die Finger wieder 100%ig bewegen zu können, standen weitaus besser, als noch vor einigen Wochen. Carson war mit der Heilung sehr zufrieden und Rodney hatte sich vorgenommen, dessen Anweisungen genau zu beachten. Trotzdem konnte es noch 4-5 Wochen dauern, bis eine konkretere Prognose gestellt werden konnte. Der Wissenschaftler wollte unbedingt zurück in Johns Team und er würde alles dafür tun.

* * *


Einige Tage später....

Rodney wusste nicht, ob es eine gute Idee war oder nicht. Der Traum vor ein paar Tagen beschäftigte ihn immer noch und so hatte er John gebeten, zu ihm in diesen abgelegenen Teil von Atlantis zu kommen.
Er wollte keine unfreiwilligen Zuschauer bei dem, was er tun wollte...oder wollte er es doch nicht?
Der Kuss zwischen ihm und John ließ ihm einfach keine Ruhe. Immer wieder hatte er versucht, sich an seine Gefühle in diesem Moment zu erinnern, was schwierig, wenn nicht gar unmöglich war, da Rodney nur geträumt hatte. Was lag also näher, als den Kuss Wirklichkeit werden zu lassen...sozusagen als Experiment? Einerseits bestand die Möglichkeit, dass er es nicht mochte und dann würden weitere Überlegungen, ob er John wieder Gefühle entgegenbringen konnte, sinnlos sein. Andererseits könnte ihm der Kuss gefallen und er hätte weiteres Material, über das es sich lohnen würde nachzudenken. Im besten Fall brachte es ihm vielleicht sogar Teile seiner Erinnerungen wieder.

Rodney sah nervös auf die Uhr und lief auf und ab...in ein paar Minuten müsste John auftauchen. Sollte er es wirklich tun? Und wie sollte er vorgehen? Er fuhr sich mit den Händen über das Gesicht und seufzte schwer.
Als er rasch näherkommende Schritte vernahm, blieb er stehen und drehte sich um.

"Rodney! Ich hoffe, du hast eine sehr gute Erklärung dafür, mich um 3.00 Uhr morgens aus dem Bett zu holen und zu bitten, durch die halbe Stadt hierher zu kommen!" Ein Gähnen unterdrückend fuhr sich John mit einer Hand durch die ohnehin zerstrubbelten Haare und sah seinen Freund teils auffordernd und teils sauer an.

"Ja...ich...ähm…"

John fiel erst jetzt das nervöse Zappeln und die fahrigen Gesten auf, so dass ihm jetzt schon klar war, dass es bestimmt einen guten Grund gab, warum er hier zu solch unchristlicher Zeit auf dem Flur herum stand. Langsam wurde sein Ärger durch Neugier abgelöst.
"Und? Was ist der Grund?", soufflierte er.

"Ich…" Rodney musste hart schlucken, denn es war gar nicht so einfach, seine Bitte zu äußern. Doch schließlich überwand er sich. "Ich musste in den letzten Tagen oft an meinen Traum denken. An das Picknick und so…"

John wurde hellhörig und war plötzlich unglaublich wach. Rodney machte eine Pause, senkte den Kopf und betrachtete mit scheinbarem Interesse den Fußboden.
"Ja, und? Erzähl weiter! Ich verspreche dir, dass ich nicht sauer werde oder irgendwelche Späße mache!", versicherte John ungeduldig.

"Okay!", erwiderte Rodney zögerlich und hob den Kopf, um John in die Augen sehen zu können. "Ich habe versucht, meine Gefühle bei dem Kuss zu analysieren, aber es gelingt mir nicht. Und so kam ich auf die Idee, den Traum Wirklichkeit werden zu lassen!" Rodney verstummte und beobachtete verlegen, wie sich Johns Augen weiteten, als dieser erkannte, welchen Wunsch er da äußerte.

Hastig sprach er weiter: "Sieh es sozusagen als Experiment an, denn ich versuche damit zu erreichen, dass ich vielleicht Teile meiner Erinnerung zurückerlange. Und falls nicht, hilft es mir sicherlich dabei, meine Gefühle für dich zu deuten. Bisher bin ich nämlich noch kein Stück weiter, was das betrifft."
Rodney sah in Johns Augen Liebe, Verzweiflung, aber auch Hoffnung und es tat ihm in der Seele weh, seinen Freund so zu quälen. Die irrationale Schuld, John dies angetan zu haben, ließ ihn erzittern, aber gleichzeitig auch mutig werden.
"Ich will dich doch wieder lieben…will deine Gefühle erwidern…verdammt!" Und bevor er es sich anders überlegen konnte, packte er Johns Shirt, zog den anderen Mann näher und berührte mit seinen Lippen Johns. Als diese Idee in ihm gereift war, hatte er einen flüchtigen Kuss geplant…ein kurzes Aufeinanderpressen ihrer Lippen. Aber als er John so nah war und dessen weiche Lippen an seinen spürte, durchfuhr es ihn wie ein Blitz. Er konnte sich nicht von ihm lösen, denn es war zu überwältigend.

John war überrascht gewesen, dass Rodney ihn küssen wollte, auch wenn es ein sogenanntes Experiment sein sollte. Ein Teil von ihm hatte sich auf den Kuss gefreut, aber der andere Teil hatte ihm zugeflüstert, dass seine Hoffnungen ganz schnell schwinden konnten, wenn dem Wissenschaftler der Kuss nicht gefiel. Bevor er jedoch weitere Überlegungen anstellen konnte, wurde er von Rodney geküsst und er konnte nichts mehr denken.
In den letzten Wochen hatte er sich schmerzhaft nach Rodney gesehnt. Er vermisste ihn und zwar in jeder Beziehung. Für einige Minuten klammerte er sich wie ausgehungert die Nähe suchend, an den anderen Mann, der ihn in einem so festen Griff hielt und erwiderte den Kuss voller Hingabe, während ein angenehmes Kribbeln seinen Körper erfüllte. Seine Zunge strich sanft über Rodneys Lippen und sie öffneten sich für ihn. Mit Genuss erforschte er die Mundhöhle, stieß auf die andere Zunge und ließ sich auf ein tanzendes Spiel mit ihr ein. In den letzten Wochen hatte er die Befürchtung gehabt, Rodney nie mehr so nahe sein zu können, wie in diesem Augenblick.
Als er jedoch bemerkte, dass sich etwas bei ihm heftig regte und die Hose spannte, löste er sich widerwillig von seinem Freund.
Ihre Beziehung war noch nicht geklärt, auch wenn der Kuss Rodney offensichtlich mehr als gefallen hatte, wenn er die verräterische Beule in dessen Hose richtig deutete.
Rodney sah genauso atemlos und überrascht aus, wie er selbst sich fühlte, als er mehrmals tief ein- und ausatmete.
"Wow!", murmelte John und erntete ein stummes Nicken.

"Ja! Wow!", kam es nach einem Augenblick leise von dem Wissenschaftler.

Die Stille zwischen ihnen dauerte an, während Rodney mit weichen Knien und verwirrtem Gesichtsausdruck seinen Freund anstarrte. Er war darauf gefasst gewesen, dass die leidenschaftlichen Gefühle wieder in ihm erwachen würden, denn immerhin hatte er mit John eine Beziehung geführt. Aber auf die tatsächlichen Gefühle bei dem Kuss war er nicht vorbereitet gewesen. Auch nicht auf das sanfte elektrisierende Prickeln, dass ihn dabei durchlaufen hatte und die eindeutige Erregung. Sich diesem Umstand plötzlich überdeutlich bewusst, wandte er sich leicht ab, obwohl er doch genau diese Reaktion bei sich provozieren wollte. In diesem Moment verstand er sich selbst nicht.

"Rodney?"

Der Wissenschaftler warf John einen kurzen Blick zu, blieb aber weiter stumm. Sein Mut von vorhin war für diesen Moment verbraucht. Leise Schritte ließen ihn erneut den Kopf heben. John war neben ihn getreten und sah ihn fragend an. Rodney konnte in Johns Augen einen Sturm der Gefühle erkennen.

John fiel es leicht, Rodneys Körpersprache zu lesen und so trat er dicht an ihn heran, zog ihn in eine Umarmung und ließ ihn seine eigene Erektion spüren.
"Ich liebe dich, Rodney!"

"Ich spüre es!", witzelte Rodney und überwand seine kurzzeitige Unsicherheit. Immerhin war John nicht sein erster Mann und sie waren einmal ein Paar gewesen.
"Ich weiß nicht, was für Gefühle ich habe. Ich weiß nur, dass der Kuss...er hat mir gefallen! Ziemlich offensichtlich, nicht wahr?"

John konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.

Rodney grinste ihn nun seinerseits an.

"Kannst du dich wieder an etwas erinnern?", fragte John hoffnungsvoll.

Rodney wurde wieder ernst und schüttelte den Kopf. "Leider nein! Ich habe wohl umsonst gehofft, dass...ähm...dass mir dieses Experiment da weiterhilft. Abgesehen davon hat Carson ja gesagt, dass es sehr lange dauern kann, bis ich mich wieder erinnern kann, wenn es überhaupt dazu kommt!"

"Verdammt!", rief John, löste die Umarmung und wandte sich frustriert ab. Auch wenn der Kuss Rodney erregt hatte, war dies noch kein Anlass zu der Annahme, dass er eine Beziehung mit ihm eingehen wollte.

"Aber der Kuss hat mir gezeigt, dass ich an dir interessiert bin, dass ich gewisse Gefühle für dich habe. Ich weiß nur nicht, ob sie ausreichend sind, um mit dir zusammen zu sein. Gib uns nicht auf, John!" Rodney war über sich selbst erstaunt. Es musste ihm viel daran liegen, seine Liebe zu John wiederzufinden, wenn er sich so reden hörte, als hätte er im zwischenmenschlichen Bereich nie Probleme gehabt. Aus irgendeinem Grund wollte er unbedingt, dass John nicht mehr so verzweifelt war. Er wollte ihn glücklich sehen. War das vielleicht Liebe?

John drehte sich bei diesen Worten um und lächelte zaghaft. "Natürlich nicht, Rodney! Du bist das Wichtigste auf der Welt für mich. Ich werde niemals aufgeben!" Langsam kam er die wenigen Schritte zu dem Wissenschaftler zurück, blieb kurz vor ihm stehen und nahm dessen Kopf in beide Hände. Mit einem sanften Kuss auf die Lippen verabschiedete er sich, bevor er ging.
"Ich gehe noch mal ins Bett, denn ich bin müde und es ist viel zu früh, um jetzt schon auf den Beinen zu sein. Und du solltest dich auch hinlegen. Gute Nacht, Rodney!"

"Gute Nacht, John!", erwiderte Rodney mechanisch, immer noch das sehr angenehme Gefühl von Johns weichen Lippen auf den seinen.

* * *


Natürlich hatte er nicht mehr schlafen können, also hatte er seinen Laptop hervorgeholt und noch einmal den wichtigsten Satz des letzten Eintrags gelesen: ... Ich habe mich verliebt und das es ein Mann ist....Na ja, das ist schon schlimm genug, da ich mich schon vor langer Zeit dazu entschlossen hatte, mich nie mehr auf einen Mann einzulassen. Zu schlecht sind meine Erfahrungen in den bisherigen Beziehungen gewesen. Aber ausgerechnet John?...

Was fühlte er für John? Er konnte seine bisherigen Partner, egal ob männlich oder weiblich an seinen zehn Fingern abzählen, denn er war nicht der Typ Mann, der die Männer oder Frauen regelrecht anzog, wie Motten das Licht. Im Gegenteil. Da er selbst kaum den Mut aufbrachte, um jemanden anzusprechen und kennen zu lernen, war es ein Wunder, dass er überhaupt Beziehungen gehabt hatte. Sex ohne Gefühle kam für ihn nicht in Frage, so dass er sich nicht vorstellen konnte, dass er von John nur auf sexueller Ebene angezogen wurde. Der Mann hinter der Maske des Colonels war vielschichtig und er war intelligenter, als er zeigen wollte. Außerdem sah er verdammt gut aus...kurz, dieser Mann faszinierte ihn. Aber war das Liebe? Und woran merkte man denn, dass man verliebt war?

* * *


Eine Woche später...

Rodney kam summend aus der Krankenstation. Carson hatte ihm bestätigt, dass er mit der Krankengymnastik gute Fortschritte erzielte. Zwar konnte der Arzt derzeit noch keine verlässliche Prognose abgeben, aber er war wohl auf dem richtigen Weg. Immerhin war es ihm enorm wichtig in Johns Team zu sein, so dass er alles dafür tat, damit sein Arm und seine Finger die alte Beweglichkeit und Stärke zurückbekamen. Aufkommende leichte Zweifel drängte er jedes Mal halbwegs erfolgreich in den Hintergrund.
Doch er war vor allem so gut gelaunt, da er ab heute wieder arbeiten durfte. Endlich! Zwar nur im Labor und auch nur leichte Arbeiten, aber es war besser, als mehr oder weniger tatenlos rumzusitzen. Und so führte ihn sein Weg erstmals nach der Verletzung wieder ins Labor.
Überrascht blieb er in der Tür stehen, als er feststellen musste, dass Kavanagh eben gerade Radek Zelenka anschrie.

"Das geht so nicht! Erst bin ich gut genug, wenn McKay nicht da ist und sobald der wieder ins Labor kommt, bin ich abgemeldet oder was? Zelenka, das lasse ich nicht mit mir machen! Sie können mich nicht aus dem Labor schicken, wie einen kleinen Jungen. Prüfen Sie die Generatoren doch selber. Ich will diesen seltsamen Würfel da untersuchen!"

"Jetzt kriegen Sie sich wieder ein, Kavanagh! Dr. McKay ist nun mal der Leiter der wissenschaftlichen Abteilung und das sollten Sie nicht vergessen. Und auch wenn er manchmal nervtötend ist und gelegentlich cholerisch wirkt, hat er aufgrund seines Wissens und technischen Verstandes eindeutig zu Recht diese Position inne!"

"Oh, Sie sind so ein elender Schleimer! Ich weiß nicht, warum Sie ihn derart in Schutz nehmen!"

"Erstens bin ich kein Schleimer, da es sich nur um Tatsachen handelt: Dr. McKays Genie kann man nun mal nicht verleugnen. Und außerdem...ich denke, dass er im Grunde kein schlechter Kerl ist. Manchmal habe ich den Eindruck, dass es hinter dieser Fassade einen anderen Dr. McKay gibt!"

Kavanagh lachte hämisch. "Das glauben Sie doch selber nicht! Mann, Zelenka, wo leben Sie denn?"

"Kavanagh, gehen Sie und lassen Sie mich in Ruhe meine Arbeit machen!", fuhr ihn der Tscheche ungeduldig an.

"Aber der Würfel! Ich..."

"Darum kümmert sich Dr. McKay, wenn er nachher kommt!", erwiderte Dr. Zelenka und wedelte mit der Hand auffordernd in Richtung Tür. Gleichzeitig streifte sein Blick Rodney, der dort stand und er zuckte leicht zusammen. Er fragte sich, wie viel dieser von dem Gespräch mitbekommen hatte.

Als Rodney erkannte, dass er entdeckt worden war, löste er sich vom Türrahmen, an dem er gelehnt hatte und trat in den Raum.
"Kavanagh, Sie haben zu tun?", fragte er bemüht beiläufig.

"Ja, McKay, das schon!", murrte der andere Mann leicht nervös. "Ich will aber mal sehen, was es mit diesem Würfel da auf sich hat!"

Rodney folgte Kavanaghs Blick und ging zu seiner Arbeitsstation hinüber. Er nahm einen kleinen, blau schimmernden Würfel von dem Tisch und musterte ihn neugierig. Das Objekt hatte glatte Seiten ohne jegliche Zeichen darauf.
"Ich kümmere mich selbst darum! Neue Fundstücke zu begutachten ist das Privileg des Leiters dieser Abteilung, nicht wahr?...Ich meine vernommen zu haben, dass Sie zu tun haben?" Rodney konnte seine Abneigung gegen den Wissenschaftler kaum verbergen.

Murrend verließ Kavanagh das Labor, während Rodney bereits den Würfel in die Hand nahm und ihn unschlüssig hin und herdrehte.

"Wo haben Sie ihn her?", wandte er sich an Dr. Zelenka.

"Vor ein paar Tagen, als wir auf der untersten Ebene bisher unbekannte Räume inspizierten, ist er uns aufgefallen. Es ist ein Einzelstück, soweit ich weiß. Zumindest haben wir nichts Vergleichbares gefunden."

"Hm!" Mehr sagte Rodney nicht dazu, sondern war ganz in die Betrachtung des Würfels versunken. Vielleicht könnte er ihn mit seinem Antiker-Gen aktivieren? Und wenn das nicht ausreichte, müsste er halt John herbestellen. Und wenn das alles kein Ergebnis erzielte und der Würfel keine besondere Bedeutung haben sollte, konnte er immer noch gut als hübscher Briefbeschwerer fungieren, denn das Licht brach sich mehrfarbig in den glänzenden Flächen.

"Dr. McKay?"

"Ja?" Rodney sah nur kurz auf, warf Zelenka einen fragenden Blick zu und starrte wieder auf dieses Ding in seinen Händen.

"Ich muss mal kurz in das Lager nebenan, okay?" Normalerweise würde Zelenka nicht fragen, aber er wollte Dr. McKay ungern an seinem ersten Arbeitstag alleine lassen. Dr. Beckett hatte ihm eingeschärft, ihn zu beaufsichtigen, damit er sich nicht überanstrengen würde. Und das würde ja wohl innerhalb einiger Minuten nicht der Fall sein.

"Ja, ja! Was fragen Sie denn so blöd? Demnächst fragen Sie wohl noch, ob Sie die Toilette aufsuchen dürfen!", kam Rodneys schnodderige Art wieder hervor und Zelenka seufzte. Ohne ein weiteres Wort ging er hinaus.

* * *


Einige Minuten später....

Zelenka kehrte summend ins Labor zurück und blieb zuerst wie angewurzelt stehen, als er Dr. McKay auf dem Boden liegen sah, die Hand um den Würfel verkrampft. Rasch eilte er an die Seite des bewusstlosen Wissenschaftlers, während er schon durch das Headset nach Dr. Beckett rief und dann Dr. Weir verständigte.

* * *


Rodney und sein Team standen auf einer Lichtung vor dem Stargate, welches sich eben in diesem Moment abschaltete.
John gab den Befehl zum Abmarsch und sie liefen über die Wiese in Richtung Wald.
Rodney war verwirrt: wäre er alleine hier, könnte der Würfel an dieser Situation Schuld sein, aber da auch seine Freunde anwesend waren, waren sie vielleicht von einer fremden Macht hierher teleportiert worden?

Rodney wollte etwas zu John sagen...ihn fragen, ob er wusste, was hier vor sich ging, aber es kam kein Ton aus seinem Mund. Schließlich blieb er stehen...gedanklich zumindest, denn sein Körper lief einfach weiter. Langsam bekam Rodney wirklich Panik.

War er überhaupt in seinem Körper?

Die Antwort kam prompt, denn John sprach ihn als Rodney an und bevor er eine Antwort formulieren konnte, tat dies bereits dieser Körper! Seine Gedanken überschlugen sich. Er hatte keine Kontrolle über sich selbst, so dass er nichts um sich herum beeinflussen konnte...es blieb ihm nur die Rolle des Beobachters. War er von einem Goa`uld besetzt worden? Okay, jetzt war er definitiv in Panik.

Sie durchquerten gerade einen Wald, als sie aus dem Hinterhalt von den Wraith angegriffen wurden. Rodney machte es wahnsinnig, dass er nicht agieren konnte, sondern zum Zusehen verdammt war. Plötzlich erstarrte sein Körper und mit Entsetzen sah er, wie ein Wraith sich hinter John geschlichen hatte und auf diesen feuern wollte. Er befahl seinen Muskeln, sich zu bewegen, loszurennen und seinen Freund zu retten, doch er blieb wie festgewachsen stehen.
Er schrie laut auf, wollte John warnen, aber kein Ton kam über seine Lippen. `Nein, John! Du darfst nicht sterben!´ Rodney war verzweifelt. Alles geschah wie in Zeitlupe und erst als er sah, dass John über eine Wurzel stolperte und zu Boden fiel, registrierte er, dass der Schuss fehl ging. John bemerkte den Wraith und tötete ihn sofort, so dass dieser keine Gelegenheit bekam, erneut zu feuern.
Rodney atmete erleichtert auf und wäre am liebsten zu John gegangen, um ihn zu umarmen, als er grob gepackt und gegen den nächststehenden Baumstamm gedrückt wurde. Dass John ihn vor Ronons Zorn "rettete" bekam er nur noch am Rande mit, da ihm bewusst wurde, was hier tatsächlich Unglaubliches geschehen war!

* * *


"Nein! Nicht!", schrie Rodney. Carson, John, Teyla und auch Ronon zuckten zusammen und starrten auf ihren Freund, der bisher relativ ruhig in seinem Bett gelegen hatte und nun halb aufgerichtet, mit angsterfülltem Ausdruck im bleichen Gesicht, sich fast die Seele aus dem Leib brüllte.

Nachdem sie Rodney im Labor bewusstlos gefunden und in die Krankenstation gebracht hatten, konnte Carson feststellen, dass ihr Freund in einem sehr tiefen Schlaf gefangen und sein Zustand ansonsten stabil war. Alle Werte waren in Ordnung gewesen. Aufgrund dessen hatte sich Dr. Weir zurückgezogen, da sie mit einem anderen Team eine wichtige Besprechung hatte, wollte aber sofort gerufen werden, wenn es etwas Neues gab.

So wachten Rodneys Freunde seit mehr als einer Stunde über den Wissenschaftler.
Carson erhob sich sofort und drückte den Wissenschaftler in die Kissen zurück, während John mit einem feuchten Tuch den Schweiß von Rodneys Stirn wusch.

"Hey, Rodney! Es ist alles okay! Keiner tut dir etwas an!", sagte John sanft und streichelte ihm kurz über die rechte Wange, erleichtert, dass er endlich wach wurde. Als er Rodney im Labor am Boden liegen gesehen hatte, war er geschockt gewesen und hatte Angst gehabt, ihn nun endgültig zu verlieren.

"John?"

"Ja, Rodney! Was ist passiert?" Sein Freund atmete nun ruhiger und die Farbe kam in sein Gesicht zurück, so dass er nun auf Antworten hoffte. Und da war etwas in seinem Blick, mit dem ihn Rodney ansah, das John nicht sofort einordnen konnte.

"Ich habe den Würfel in der Hand gehabt und habe überlegt, wozu er gut sein könnte, als ich plötzlich auf der Lichtung stand und..." Rodney stockte kurz und sah in die vier erwartungsvollen Gesichter.

"Welche Lichtung denn? Du warst die ganze Zeit hier in der Krankenstation und..."

Rodney unterbrach John kurzerhand. "Ja, das dachte ich mir schon. Wie lange war ich ohne Bewusstsein?"

"Nun, du hast etwas mehr als eine Stunde tief geschlafen! Wieso fragst du?" John sah, wie sich Rodneys Augen überrascht weiteten, bevor er jedoch eine weitere Frage stellen konnte, sprach dieser bereits weiter.

"Nun, ich habe die Mission, bei der du und Teyla fast ums Leben gekommen seid und alle Ereignisse im Anschluss noch einmal erlebt. Ich habe alles mitbekommen! Jedes Detail! Doch nur als Beobachter, denn ich hatte keine Möglichkeit in das Geschehen einzugreifen! Das waren etwa drei Monate! Während ich hier so kurz geschlafen habe, habe ich ganze drei Monate erlebt!"

Alle sahen fassungslos auf Rodney herab. Wie konnte das sein? Aber trotzdem glaubten sie dem Wissenschaftler, denn sie waren bereits auf so viele merkwürdige Dinge in der Pegasus-Galaxie gestoßen.
Nach dem ersten Schockmoment, erfassten sie den wahren Wert dieser Worte und John formulierte die Frage, die sich Rodneys Freunde fast gleichzeitig stellten.

"Du hast also deine Erinnerungen wieder?" Seine Stimme gehorchte ihm kaum und er beugte sich leicht vor.

Rodney nickte nur, griff nach Johns Shirt und zog ihn näher zu sich heran.
"Ich liebe dich, John!", flüsterte er so leise, dass es nur John hören konnte und hauchte einen sanften Kuss auf dessen Lippen.

Angesichts der Tatsache, dass sie nicht in ihren Räumen und alleine waren, löste sich John rasch von Rodney. Die Anwesenden wussten zwar von ihrer Beziehung, aber solche Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit waren gefährlich, da jederzeit ein anderes Mitglied der Atlantis-Expedition hereinkommen konnte. John war in diesem Moment nicht fähig, seine Gefühle zu beschreiben...er war einfach nur glücklich.

* * *


Sechs Wochen später...

"Ronon, wie kannst du Rodney derart hart auf die Matte befördern und an seinem Arm reißen, als wäre er ein verdammter Wraith?", rief John und starrte den Satedaner vorwurfsvoll an.

"Er wollte es doch so! Er wollte sein Training mit mir wieder aufnehmen und keine Sonderbehandlung wegen seiner Verletzung oder weil er ein Wissenschaftler ist!", verteidigte sich der Kämpfer und bot Rodney seine Hand an, die dieser ergriff und sich mit einem herzzerreißenden Stöhnen vom Boden hochzog.

John dachte, dass sein Freund jetzt genug hatte, aber weit gefehlt.

"Das Ganze noch mal, Ronon!", rief der Wissenschaftler und nahm die Verteidigungsposition ein, die er gelernt hatte. Er trainierte nicht auf Angriff, sondern auf Verteidigung, was in seinen Augen deutlich wichtiger war.

John ging dazwischen und griff nach Rodneys linkem Arm, der nun keinen Verband mehr trug.

"John, ich war vorhin bei Carson und er hat gesagt, dass ich ihn nicht mehr schonen muss. Dank der Physiotherapie haben sich die Muskeln wieder regeneriert und die alte Stärke ist fast zurückgekommen! Außerdem passt Ronon auf! Keine Angst, John!", sagte Rodney, wohl wissend, was John sagen wollte.

"Mach langsam, Rodney! Ich möchte nicht, dass du einen Rückfall erleidest!"

"Manchmal übertreibst du es gehörig mit deiner Sorge!", beschwerte sich Rodney aufmüpfig.

John warf Ronon, der sich ein breites Grinsen nicht verkneifen konnte, einen scharfen Blick zu, der den Satedaner aber nicht beeindruckte. An Rodney gewand sagte er: "Ich meine es ernst! Übertreib es nicht, okay?"

"Na schön! Du hast gewonnen! Ronon, du hast es gehört! Schluss für heute!", gab sich Rodney nun ungewohnt nachgiebig.

Der Satedaner nickte. Die beiden so unterschiedlichen Männer waren wirklich etwas Besonderes.

John und Rodney gingen nebeneinander her und als sie vor Rodneys Quartier angekommen waren, bat Rodney ihn noch mit hinein.
Mit den Worten: "Setz dich doch, während ich dusche!", verschwand Rodney im Bad und John musste alle Willenskraft aufbieten, um ihm nicht zu folgen. Er wollte ihm nach dem anstrengenden und schweißtreibenden Training die belebende Dusche und etwas Ruhe gönnen.
Wenige Minuten später erschien Rodney halbnackt, nur mit einem Handtuch um die Hüften, in der Tür zum Bad und kam dann auf ihn zu.

"Weißt du, dass ich dich liebe, Rodney?", fragte John in sanftem Tonfall und strich mit den Händen langsam über die noch feuchte Brust, als Rodney dicht vor ihm stehen blieb.
Er konnte einfach seine Finger nicht von ihm lassen, auch wenn er es sich, zumindest für heute, fest vorgenommen hatte.

"Ja, John! Ich dich auch! Bleibst du heute Nacht hier?" Mit einem Glänzen in den Augen nickte John und das Handtuch fiel zu Boden.

Ende
(Fortsetzung: Was passiert mit Rodney?)
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