Destiny by Nin
Summary: Wie sollte er ein Kind versorgen, dessen bloßer Anblick ihn jedes Mal an seine tote Frau erinnerte? - John sieht sich kurz nach Elizabeths Tod mit der Versorgung seines erst wenige Wochen alten Sohnes konfrontiert.
Categories: Stargate Atlantis Characters: Carson Beckett, Elizabeth Weir, John Sheppard, Teyla Emmagan
Genre: Angst, Character Death, Friendship, Tragik
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 1 Completed: Ja Word count: 17899 Read: 2005 Published: 05.01.11 Updated: 05.01.11
Story Notes:
Short-Cut: Wie sollte er ein Kind versorgen, dessen bloßer Anblick ihn jedes Mal an seine tote Frau erinnerte? - John sieht sich kurz nach Elizabeths Tod mit der Versorgung seines erst wenige Wochen alten Sohnes konfrontiert.
Spoiler: 2. Staffel
Charaktere: Sheppard/Weir, Teyla, Beckett
Kategorie: Angst, Character Death, Friendship, Tragik
Rating: PG-13
Author's Note: Diese FF hab ich im November '05 begonnen… ein Wunder, dass sie nun doch fertig wurde *g*
Widmung: An Xily, weil sie zuerst die Beta machen wollte. An Anyana, weil sie die Beta noch lieber machen wollte und gemacht hat. An Sühsi, weil sie die FF nicht mag, da ich Liz kille. An Arica, weil sie einfach knuffig ist. An SmartKIN, weil sie auch einfach knuffig ist. An Kat, weil sie mir so tolle Ohrringe geschenkt hat *lol* Und dann noch an KTJ, für das wundervolle Feedback!
Disclaimer: MGM Television Entertainment
Feedback: Gerne - NinsM@gmx.de

1. Kapitel 1 by Nin

Kapitel 1 by Nin
Destiny


"Was ist da passiert, Rodney?", wollte er wissen und das ungute Gefühl verstärkte sich. Es nahm ihm den Atem und seine Brust war so eng, dass er nur mit Mühe einen neuen Atemzug tätigen konnte.
"John, es gab ein paar Komplikationen… Elizabeth…", fing Rodney an und stockte. Er sah schwer mitgenommen aus. Sein Gesicht war von einer feinen Dreckschicht überzogen und er hatte einen blutigen Kratzer auf der Stirn. Eigentlich sollte er zuerst Beckett aufsuchen, doch John konnte ihn nicht so einfach gehen lassen.
Die Worte lagen ihm auf der Zunge, doch es fiel ihm schwer, sie auszusprechen. Letzten Endes tat er es doch, er musste es einfach wissen, er brauchte Gewissheit.
"Was ist mir ihr?", fragte er und seine Stimme klang erschreckend neutral und tonlos. Was es wirklich seine Stimme, die sich da nach seiner Frau erkundigte?
"Sie ist tot, John", flüsterte McKay und sprach damit die Worte aus, mit denen John gerechnet und die er am meisten gefürchtet hatte.


"Sie ist tot, John."
Abrupt setzte er sich keuchend auf. Sein Herz klopfte laut und er glaubte es im ganzen Raum pochen zu hören. Wie ein lautes und doch dumpfes Boom, Boom. Es war schon beinahe beängstigend.
Er hatte wieder davon geträumt und erschöpft fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht, nur um auf seinen Wangen Feuchtigkeit zu spüren. Tränen. Er konnte es sich nicht erklären, doch wann immer er von Rodneys Offenbarung Elizabeths Tod betreffend träumte, weinte er im Schlaf und so war es auch dieses Mal.
Die Müdigkeit lag bleiern in seinen Gliedern und er brauchte einen Moment, um das leise Weinen zu hören, dass aus dem Nebenzimmer drang; das Baby. Seufzend blinzelte er, um der Müdigkeit endgültig Herr zu werden und nicht wieder einzuschlafen.
Das Weinen nahm in Sekundenschnelle an Lautstärke zu, so dass er nun wohl oder übel aufstehen musste. Der Kleine würde nicht wieder einschlafen, dafür hatte er anscheinend zu sehr Hunger oder die Windel war kurz vor dem Überlaufen.
John warf noch einen schnellen Blick auf die Uhr und konnte nur frustriert seufzen. 04.47 Uhr und er musste am morgen arbeiten. Das Baby würde ihn sicherlich noch ein wenig wach halten und danach sofort wieder einschlafen zu können, stufte er als sehr unwahrscheinlich ein.
Ein erneutes Kreischen drang an seine Ohren und schleunigst huschte er aus dem Bett in Richtung Nebenzimmer, wo die Wiege stand. Das Zimmer war Jemmys Kinderzimmer, es war in blau gestrichen und überall standen Babysachen herum. Ein eindeutiges Zeichen, dass hier im allgemeinen Hochbetrieb herrschen musste. Die bittere Wahrheit allerdings war, dass er sich immer noch nicht hatte aufraffen können, hier aufzuräumen. Es fehlte ihm einfach die Energie.
Mit einer hochgezogenen Augenbraue lugte er in die Wiege und sah sich einem inzwischen vor Ärger rot angelaufenen Baby gegenüber.
Er war sich nicht sicher, ob der Kleine nur eine volle Windel hatte oder ob er wirklich kurz vor dem Verhungern stand. Vorsichtig griff er in die Wiege und hob den kleinen Körper hoch. Gerade einmal 4,7 Kilo wog er und John war immer wieder über die Leichtigkeit des Bündels überrascht.
Das Schreien ließ nach und so legte sich John den Kleinen an die Schulter und strich ihm beruhigend über den Rücken. Die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten und das Baby beruhigte sich etwas, war nach Johns Geschmack allerdings nach wie vor zu unruhig. Er tastete an der Windel entlang und entschied, dass es diese nicht sein konnte. Demnach hatte Jemmy Hunger und gähnend machte er sich samt Baby auf den Weg in die Küche, um etwas Nahrung vorzubereiten.
Was genau es für ein Zeug war, wusste er nicht. Er hatte es von Beckett bekommen und auch sämtliche andere Milchnahrungen hatte er vom Arzt überreicht gekriegt.
Müde füllte er etwas Wasser in den Wasserkocher, um es abzukochen. Zwar hatte er eigentlich keine Ahnung von Babynahrung, doch Beckett hatte ihm genau erklärt, wie man so etwas zubereiten musste und er hatte komischerweise alles behalten, was ihn immer noch wunderte.
Er erinnerte sich nicht gerne an den Moment, in dem Beckett ihm vor ein paar Wochen all das erklärt hatte. Es war nur zwei Tage nach Elizabeths Tod gewesen und er hatte sich nicht bereit gefühlt, Verantwortung für ein Kind zu übernehmen. Nicht in seinem Zustand und nicht in der gegebenen Situation, doch Beckett hatte das offensichtlich anders gesehen. Das Baby war die zwei Tage über in der Krankenstation geblieben, da er zu geschockt gewesen war, um ihm richtig Aufmerksamkeit zu schenken. Nach diesen zwei Tagen allerdings hatte der Arzt ihm das Kind ohne Skrupel in die Arme gedrückt.

Er wusste nicht, was er tun sollte, er fühlte sich vollkommen überfordert. Beckett hielt ihm das Baby entgegen und er wusste, dass er es eigentlich nehmen und sich freuen sollte. Er war Vater und sein Sohn war gesund und munter und doch konnte er es einfach nicht. Er sah das Baby an, das ihn verschlafen anblinzelte und allein der Blick genügte, um den Schmerz über Elizabeths Tod wieder aufsteigen zu lassen. Wie sollte er ein Kind versorgen, dessen bloßer Anblick ihn jedes Mal an seine tote Frau erinnerte? Jeremiah war sein Kind, ja, aber John war momentan so gefühlskalt, was andere Dinge als den Schmerz betraf und es erschreckte ihn selbst, doch das Baby regte keinerlei Gefühle in ihm.
Beckett blickte ihn nach wie vor erwartungsvoll an und er war versucht, sich einfach herumzudrehen und die Flucht zu ergreifen. Es würde nichts bringen, nicht auf Dauer und das wusste er, dennoch war die Vorstellung verlockend.


Er hatte sich nicht nur Elizabeths Tod gegenübergesehen, sondern auch einem schreienden Baby, das nun keine Mutter mehr hatte und dessen Vater nicht wusste, was er genau mit ihm tun sollte.
Er hatte sich auf das Baby gefreut und doch war sein Kopf leer gefegt gewesen, als Carson ihm sein schreiendes Kind überreicht hatte. Der Schmerz über Elizabeths Tod saß tief und er spürte, wie er ihn immer mehr aus der Bahn zu werfen drohte. Er wusste einfach nicht weiter.
John verstand nicht, warum ihm der Arzt gnadenlos das Baby übergeben hatte, obwohl er sich in diesem Moment nicht im Stande gesehen hatte, es zu versorgen. Ihm fehlte die Kraft, um genauer darüber nachzudenken. Er tat sein Bestes, damit es Jemmy so gut wie möglich ging, er wechselte seine Windel, gab ihm die Flasche und war darauf bedacht, dass ihm nichts geschah. Es fehlte dennoch etwas und er wusste es, doch auch für diese Suche fehlte ihm schlicht und einfach die Kraft und er spürte eine Gleichgültigkeit aufsteigen, die ihn erschreckte.
Es wird schon vorbei gehen, dachte er und widmete sich wieder dem Baby in seinen Armen. Der Kleine wand sich in dem Griff und verlangte noch immer mehr oder weniger lautstark nach seinem Fläschchen.
Seufzend wartete John, bis der Wasserkocher das Wasser ausreichend erwärmt hatte und gab ein wenig Pulver in eines der vielen Fläschchen. Das Wasser war noch viel zu heiß und Jemmy würde wohl oder übel noch ein wenig warten müssen.
Das Baby schien damit nicht im Geringsten einverstanden zu sein und fing erneut an zu weinen, was in Johns Kopf unangenehm widerzuhallen schien. Das Geschrei schlug auf seine Nerven und er wusste, dass er in diesem Bereich belastbarer werden musste. Vielleicht würde das ja mit der Zeit kommen, er hoffte es jedenfalls.
Im Moment jedoch spürte er, wie er durch das Geschrei von Sekunde zu Sekunde gereizter wurde und mit gezwungener Ruhe strich er dem Kleinen sachte über den Rücken, um es irgendwie zu beruhigen. Jemmy weinte nach wie vor und wollte sich anscheinend nicht sonderlich beruhigen lassen.
Das Baby hin und her wiegend fing John an, durch das Quartier zu tigern. Alles war in Dunkelheit getaucht und er spürte die Müdigkeit in seinen Knochen. Die letzten Tage waren schwer für ihn gewesen und da Jemmy noch keine Nacht komplett durchschlief, fand er einfach nicht die Ruhe, die er brauchte. Wahrscheinlich ging es allen Eltern in den ersten Wochen nach der Geburt so, aber diese Tatsache tröstete ihn nicht.
Seufzend machte er sich wieder auf den Weg in die Küche und schaute nach dem Wasser. Genauso schnell wie es erhitzte, kühlte es auch wieder ab und inzwischen war es für Jemmy wohl nicht mehr zu heiß.
John machte die Flasche fertig und steckte dem Baby den kleinen Sauger in den Mund. Sofort erklang ein eiliges Saugen und er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Der Kleine hatte die Augen konzentriert zusammengekniffen und schien nur noch auf das Trinken fixiert zu sein.
Sein Blick fiel auf den weichen, blau-weißen Strampelanzug, den Jemmy trug und der mit seinem Namen geschmückt war. In kringeliger Schrift stand dort Jeremiah Lucas und John spürte wieder einen dumpfen Schmerz in sich aufsteigen.
Elizabeth hatte sich diesen Namen gewünscht und er hatte ohne einen Einwand sein ‚OK' für die Namenswahl gegeben. Alles an dem Baby schien ihn an Elizabeth zu erinnern und er atmete tief ein und aus, um sich zu beruhigen. Er wollte nur noch schnell Jemmy füttern und dann schleunigst wieder ins Bett. Ein wenig Schlaf konnte er noch gut gebrauchen und er wollte die Stunden nutzen, die er noch hatte.
Das Baby schien diese Meinung zu teilen, denn im Rekordtempo hatte es die Flasche ausgetrunken und war nun bei weitem ruhiger, als noch vor ein paar Minuten. John stellte das Fläschchen beiseite und hob sich das Kind an die Schulter, damit es aufstoßen konnte. Es dauerte nicht lange und so trug er Jemmy, der bereits wieder tief und fest schlief, zu seinem Bettchen und legte ihn vorsichtig hinein.
Einen letzten Augenblick lang betrachtete er den Kleinen vor sich und angesichts der zusammengekniffenen Augen und der zu Fäusten geballten Händchen stieg ein Lächeln in ihm auf, das allerdings nur mit halber Kraft seinen Mund erreichte.
Er konnte das Baby anschauen und empfand nichts als eine Leere in sich, es war wie ein schwarzes Loch. Beckett hatte gemeint, dass mit der Zeit alles kommen würde, dass er erst einmal Elizabeths Tod verkraften musste und der Rest würde sich dann von selbst zusammenfügen. Er hoffte es; für sich und für Jemmy.
Seufzend drehte er sich von der Wiege weg und ging zu seinem eigenen Bett. Müde blinzelte er und schaute kurz auf die Uhr - 05.05 Uhr -, um sich anschließend wieder hinzulegen. Ein paar Stunden hatte er noch und dann würde alles von vorne beginnen. Die Arbeit, die Sorgen und zwischen alldem noch Jemmys Versorgung.

***

Der Morgen kam schneller als gewollt und John wurde durch das Klingeln seines Weckers wach. Verschlafen drückte er sich noch einen Moment tiefer in die Kissen und versuchte wieder einzuschlafen, doch der Wecker klingelte unaufhörlich und so streckte er seinen Arm aus, um ihn auszuschalten.
Die darauf folgende Stille tat gut und John blinzelte, gähnte ausgiebig und kämpfte sich dann aus dem Bett. Es war genau 8.30 Uhr und eigentlich reichte ihm der Schlaf, wenn nicht Jemmy alle paar Stunden schreien und ihn wecken würde.
Apropos Jemmy, der Kleine war erstaunlich still und verwundert schaute John im Kinderzimmer in die Wiege. Das Baby wachte sonst immer auf und fing parallel neben dem Wecker an Lärm zu machen. Jetzt jedoch schlief es nach wie vor friedlich und John hoffte, dass er noch ein wenig seine Ruhe haben würde.
Er brauchte einfach Zeit für sich und ein Morgen, an dem er nicht sofort seine Aufmerksamkeit dem Baby schenken musste, war angenehm.
Er überlegte, ob er hier im Quartier eine Schüssel Müsli essen sollte oder ob er in Laune für einen Besuch in der Kantine war. Falls Jemmy aufwachen und schreien würde, hatte er sein Babyfon, das sofort anfing zu blinken und somit war das kein Problem.
Ein wenig Abwechslung würde ihm gut tun und so brachte John seinen Badaufenthalt schnell hinter sich und machte sich auf den Weg in die Kantine.
Es war mehr Betrieb als sonst, oder vielleicht hatte er auch einfach die Wende nicht mitbekommen. In den letzten Tagen war er so gut wie nicht in der Kantine gewesen und falls doch, dann immer spät abends oder sogar nachts. Zu diesen Zeiten herrschte hier kein Betrieb und er sehnte sich nach eben dieser Ruhe.
Die Kantine war überfüllt und mittlerweile definitiv ein Ort, an dem jeder jeden traf, sei es zum Frühstück, zum Mittagessen oder zum Kaffee und Kuchen.
John ließ seinen Blick über die Menge gleiten und suchte nach einem vertrauten Gesicht, das er schließlich in Teyla fand. Die Athosianerin saß alleine an einem Tisch und war mitten in ihr Frühstück vertieft.
John holte sich ein Tablett und entschied sich für eine große Tasse Kaffee und zwei Croissants. Er war nicht allzu hungrig und so war es mehr als genug.
Mühsam bahnte er sich seinen Weg zwischen den einzelnen Tischen hindurch und war froh, als er Teyla endlich erreichte. Die Athosianerin sah auf und ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, als sie ihn erblickte.
Er wollte gerade fragen, ob er ihr Gesellschaft leisten durfte, als sie schon auf einen Stuhl gegenüber von sich deutete. John setzte sich und stellte sein Tablett vor sich ab.
"Morgen", grüßte er sie und sie erwiderte den Gruß.
"Guten Morgen, hast du gut geschlafen?", fragte sie und er verzog das Gesicht, was sie mit einem Lächeln quittierte. "Scheinbar nicht."
Er schüttelte den Kopf und trank einen Schluck Kaffee, vielleicht wurde er dadurch ein wenig munterer.
"Eigentlich nicht, nein. Jemmy ist aufgewacht und wollte damit nicht hinterm Berg halten. Somit war ich öfters wach und die Nacht war kürzer, als mir lieb ist", meinte er und Teyla nickte. Er sah wirklich etwas müde aus, seine Augen waren nur leicht rot umrandet, doch sie erkannte die Anzeichen.
Ein Baby war nicht einfach und vor allem ein Full-Time-Job. John hatte es auch so schon schwer genug und sie konnte nachvollziehen, weswegen ihm der Schlaf fehlte. Der Tod von Elizabeth war frisch und es war nur allzu verständlich, dass er darunter litt. Neben der Trauer auch noch für ein gerade einmal wenige Wochen altes Baby zu sorgen, war anstrengend und vor allem belastend.
"Schläft er noch?", fragte sie und John nickte.
"Ja, was sonst eigentlich nie der Fall ist. Kaum klingelt mein Wecker, stimmt er in den Lärm mit ein und an ein paar weitere Minuten Schlaf ist dann nicht mehr zu denken", erzählte er und Teyla lächelte.
"So sind sie eben. Kaum wach, wollen sie sofort alle Bedürfnisse befriedigt haben", sagte sie und sah ihn an. Es war schön, John über seinen Sohn sprechen zu sehen. Es kam nicht so oft vor und sie war nicht die Einzige, die ein wachsames Auge auf diese Vater-Sohn-Beziehung hatte. Auch Beckett behielt das Ganze im Blick und sie ahnte, dass er sich Sorgen machte. Sorgen, die noch nicht gerechtfertigt waren, es aber vielleicht einmal sein würden.
John litt unter Elizabeths Tod und sie wusste, dass er zwischen all dem Schmerz und der Trauer noch nicht die Liebe zu seinem Sohn entdeckt hatte. Sie wünschte sich, dass es bald der Fall sein würde und er diese Liebe fand, doch wenn nicht, würden Sie und Beckett alles daran setzen, ihm zu helfen, darauf hoffend, dass es ein gutes Ende nahm.
"Was steht heute bei dir auf dem Plan?", fragte John und Teyla schüttelte ihre Gedanken beiseite, es war ein zu schöner Morgen, um sich damit zu belasten.
"Ich werde zu meinem Volk auf das Festland fliegen. Ich war schon einige Tage nicht mehr dort und ich würde gerne nach dem Rechten sehen", antwortete sie, während John in sein Croissant biss. Die Vorstellung wieder einmal mit dem Jumper auf das Festland zu fliegen war verlockend und so konnte er sich nicht zurückhalten.
"Ich begleite dich", meinte er und Teyla lachte.
"In Ordnung. Ich würde mich freuen. Ich dachte so an 10 Uhr", meinte sie und trank noch einen Schluck von ihrem Tee. "Wird Jemmy ebenfalls mitkommen?", fragte sie und hoffte auf ein Ja. Der Kleine war einfach absolut bezaubernd und sie hatte sich vom ersten Moment an in ihr Patenkind verliebt.
John blickte sie kurz an und sie konnte ihm ansehen, dass er gerade nicht an das Baby gedacht hatte. Es gab Augenblicke, da schien er das Kind kurzfristig zu vergessen, bis er wieder in die Wirklichkeit gerissen wurde und das war ein weiterer Grund, wieso Beckett sich Sorgen machte.
"Ich werde ihn mitnehmen. Ich kann ihn nicht alleine hier lassen. Wenn er Hunger hat oder die Windel voll ist … er kommt mit", sagte er und Teyla nickte erfreut. Ein gemeinsamer Ausflug würde Vater und Sohn gut tun. Sie selbst vermisste ihre Leute, normalerweise flog sie alle paar Tage rüber zum Festland, doch die Ereignisse der letzten Wochen hatten ihre Anwesenheit hier auf Atlantis gefordert und so waren Besuche nur sporadisch möglich gewesen.
John wollte gerade einen weiteren Schluck Kaffee trinken, als sein Babyfon anfing zu blinken. Seufzend blickte er darauf und zuckte entschuldigend mit den Schultern.
"Das Baby ist wach", sagte er und stellte seine Tasse zur Seite. Seine Aufmerksamkeit war wieder gefordert und Jemmy brauchte ihn.
"Bis 10 Uhr dann, ich hole dich ab." Er nickte Teyla schnell zu, die ihm ein warmes Lächeln schenkte und stand dann auf, um sich anschließend auf den Weg in sein Quartier zu machen.

***

Im Quartier angekommen vernahm er sofort das Weinen des Babys. Jemmy schrie nie laut, es sei denn, es war besonders dringend.
John ging erst schnell in die Küche und machte den Wasserkocher an, denn bis der Kleine gewickelt war, würde das Wasser wieder etwas abgekühlt sein.
Er durchquerte Wohn- und Schlafzimmer und beugte sich dann über die Wiege, in der das Baby bereits seine Decke weg gestrampelt hatte.
Er gurrte ein ‚Shhhh' und Jemmy ließ sich überraschenderweise davon beruhigen. Die Not konnte demnach nicht so groß sein und das Fläschchen war nicht sofort erforderlich.
Sanft hob er den Kleinen aus der Wiege und legte ihn in seine Armbeuge. Das Baby, froh über die Abwechslung, brabbelte vor sich hin und John lächelte. Der weiche Haarflaum von Jemmy stand in alle Richtungen ab und schien schon jetzt zu verraten, von welchem Elternteil diese Frisur geerbt worden war.
"Na dann, wollen wir mal", meinte John und trug ihn zur Wickelkommode, um die Windel zu wechseln.
Mit gemischten Gefühlen betrachtete er das glucksende Baby, das vor ihm auf der Wickelkommode lag und fröhlich mit den Beinchen durch die Luft strampelte.
Ein zahnloses Grinsen lag auf dem winzigen Gesichtchen und John spürte seine Mundwinkel zucken, doch ein Lächeln wollte sich nicht breit machen. Wann immer er das Baby ansah, erinnerte er sich an die letzten Tage und Wochen und sein Herz krampfte sich zusammen. Er konnte sich einfach nicht an dem Kind erfreuen, obwohl er das sollte. Es war so viel passiert und er hatte es noch immer nicht richtig realisiert. Ein weiteres Glucksen von dem Kleinen riss John aus seinen Gedanken und er konzentrierte sich wieder auf das Baby vor ihm.
Der Kleine war seit der Geburt bereits kräftig gewachsen, doch Johns Erinnerungen an diese Zeit waren eher schemenhaft und er versuchte auch gar nicht, die Lücken zu füllen.
Die vergangenen vier Wochen waren einerseits die schönsten und gleichzeitig auch die schwersten für ihn gewesen.
Vor knapp vier Wochen war Jemmy geboren worden und dieses freudige Ereignis hatte sein und Elizabeths Leben komplett umgekrempelt. Er erinnerte sich gerne an die ersten Minuten nach der Geburt, als sie beide die Köpfe über das Baby gebeugt und vor Glück geweint hatten. Er war sicher gewesen, dass dieses Glück nie endete und doch war dies bereits sechs Tage danach geschehen.
An diesem Tag war Elizabeth zu einer diplomatischen Mission aufgebrochen, die nicht den gewünschten Erfolg gebracht und schlussendlich ihren Tod bedeutet hatte. Noch immer verdrängte er diesen Tag und wusste, dass es noch lange dauern würde, bis er endlich darüber hinweg sein würde. Es war so schnell passiert; ein paar Sekunden reichten aus, um einem Menschen das Leben zu zerstören und eben seines war in diesen Sekunden zerstört worden. Die Trauer um Elizabeths Tod stieg wieder in ihm auf und tief durchatmend blinzelte er mehrfach, um die Tränen zu unterdrücken. Es war alles so schwer und er hatte sich nicht nur einmal gefragt, ob er es schaffen würde, darüber hinweg zu kommen. In Momenten wie dem jetzigen war er sich sicher, dass es nicht klappen würde, doch er durfte die Hoffnung nicht aufgeben.
Er spürte, wie seine Laune auf den absoluten Nullpunkt fiel und riss sich zusammen. In dreißig Minuten musste er Teyla abholen und mit ihr zum Festland fliegen. Eine trostlose Laune würde dem Ausflug nicht gut tun und so atmete er noch einmal tief ein und aus und die Ruhe kam langsam zurück.
Er konzentrierte sich wieder auf Jemmy, den anscheinend der Hunger übermannt hatte, denn er kaute angestrengt an seiner Faust herum. John musste nun doch lächeln und schnell wickelte er das Baby neu, um es anschließend auf den Arm zu nehmen.
Der kleine Körper passte sich dem seinen sofort an und da Jemmy noch immer an seiner Faust herumkaute, wurde es so langsam wirklich Zeit für ein neues Fläschchen.
Mit dem Baby auf dem Arm ging er in Richtung Küche und versuchte dort so gut es ging, sich einarmig Wasser auf den Handrücken zu träufeln, um zu testen, ob es eine angemessene Temperatur hatte.
Das Wasser war bereits ein wenig abgekühlt und nicht mehr zu heiß. Er stellte das Wasser beiseite, stabilisierte das Baby an seiner Schulter und richtete dann das Fläschchen. Da der Kleine zurzeit ruhig gegen seine Schulter gelehnt war, ging es recht schnell und so konnte er sich zwei Minuten später auf die Couch setzen, um Jemmy das Fläschchen zu geben.
Er legte ihn sich in die Armbeuge und dem Baby schien der Inhalt der Flasche mehr zu schmecken als die Faust, denn es brauchte nicht sehr viel Überredungskunst und schon war es voll und ganz auf das Saugen konzentriert.
John überlegte, was er alles mitnehmen musste, wenn er mit Teyla zum Festland flog. Auf jeden Fall zwei Fläschchen, zwei Windeln und je nach Wetter wäre eine kleine Decke auch nicht verkehrt.
Das Baby würde er schon jetzt warm anziehen und so stand er auf und lief in Richtung Kinderzimmer. Jemmy ließ sich von dem plötzliche Geschaukel nicht aus der Ruhe bringen und sog weiterhin an seinem Fläschchen.
Vor dem Kleiderschrank stehend begutachtete John den Inhalt und entschied sich für dicke Söckchen, eine kleine Strickmütze und ein Jäckchen. Es war nicht kalt draußen, allerdings wollte er lieber kein Risiko eingehen und eventuell eine Erkältung des Babys riskieren.
Jemmy brauchte nicht lange und dann war die Flasche ausgetrunken. John stellte sie beiseite und hob sich den Kleinen an die Schulter, damit er aufstoßen konnte.
Mit dem Baby im Arm versuchte er so gut es ging die Kleider aus dem Schrank zu holen. Er legte sie auf die Wickelkommode und als Jemmy sein Bäuerchen gemacht hatte, legte er ihn behutsam daneben ab.
Obwohl erst gewechselt, schaute er noch einmal schnell nach der Windel, die allerdings noch trocken war. Danach zog er dem Baby die Söckchen, die Mütze und das Jäckchen an.
Derart eingepackt würde es dem Kleinen sicher nicht kalt werden, doch zur Vorsorge holte John noch eine Decke aus dem Schrank, in die er ihn im Notfall einpacken konnte.
Als das Baby fertig war, hob er den Kleinen wieder hoch und machte sich auf die Suche nach seiner Babytragetasche und wurde schließlich im Wohnzimmer fündig.
Er setzte das Baby hinein und schnallte es vorsichtig fest. Jemmy störte sich nicht daran. Der Kleine war von dem Fläschchen wohl müde geworden, denn er hatte die Augen mittlerweile geschlossen und interessierte sich nicht mehr für seine Umwelt.
John strich ihm sanft über das Köpfchen und packte dann alle anderen Sachen zusammen, die er noch mitnehmen wollte. Windeln, die Decke und zwei Fläschchen waren schnell in einer weiteren Tasche verpackt und somit war er fertig.
Die Tasche in der einen und das Baby in der anderen Hand machte er sich auf den Weg zu Teyla.

***

Der Kleine verschlief den ganzen Weg und John war froh darüber. Bei Teyla angekommen klopfte er gegen die Türe und wartete. Es dauerte nicht lange und die Athosianerin öffnete, grüßte ihn mit einem Nicken und lächelte dann zu Jemmy, der sich nach wie vor in seiner Traumwelt befand.
"Er wird doch hoffentlich nicht den ganzen Ausflug verschlafen", meinte sie und trat zur Seite, damit John eintreten konnte.
"Er weiß eben noch nicht, was wichtig ist und was nicht", sagte John und grinste. "Er hat gerade erst sein Fläschchen bekommen und danach ist er meistens müde und schläft ein wenig", erklärte er und stellte Baby und Tasche auf den Boden.
Teyla schenkte dem Baby ein weiteres Lächeln und verschwand anschließend mit einem "Ich bin gleich soweit" im Nebenzimmer.
Keine zwei Minuten später tauchte sie wieder auf und hatte in der Hand ein athosianisches Kleid, weswegen sie von John einen fragenden Blick zugeworfen bekam.
"Ich habe wohl vergessen zu erwähnen, dass heute auch eine Hochzeit stattfinden wird?", fragte sie zögernd und John zog eine Grimasse.
"Ja, das hast du wirklich nicht erwähnt", antwortete er und sie verzog entschuldigend das Gesicht.
"Tut mir Leid. Es wird nur kleine, traditionelle Zeremonie sein. Wenn du nicht mitkommen möchtest, kann ich das verstehen", meinte sie und biss sich daraufhin sofort auf die Zunge. Sie hätte es gegenüber John erwähnen müssen und sie konnte sich jetzt im Nachhinein nicht erklären, wieso sie es vergessen hatte.
Gut, John ließ sich nicht immer schonen, allerdings konnte sie nachvollziehen, wenn er nicht auf eine Hochzeit gehen wollte. Er und Elizabeth hatten geheiratet, als sie mit Jeremiah hochschwanger gewesen war und die Erinnerungen waren sicher noch frisch.
Johns Gesichtsausdruck auf ihre Worte war ihr Antwort genug und sie legte ihm unterstützend eine Hand auf die Schulter.
"Es tut mir Leid", wiederholte sie und er nickte, doch sie konnte ihm ansehen, dass er mit den Erinnerungen kämpfte. "Ich wollte damit keine schmerzhaften Erinnerungen heraufbeschwören", sagte sie und strich ihm über den Arm.
"Zu spät", murmelte er und sie blickte ihn traurig an. Es war nicht ihre Absicht gewesen und sie wünschte, sie hätte die Hochzeit früher erwähnt.
"Ich werde alleine gehen", meinte sie, doch er schüttelte den Kopf.
"Ist schon in Ordnung, ich werde mitkommen", sagte er. "Es geht schon."
"Sicher?", fragte sie und er schaute sie gequält lächelnd an.
"Ja", antwortete er und sie nickte. Es war seine Entscheidung und um ihm noch einen kurzen Moment für sich alleine zu gewährleisten, widmete sie sich Jemmy und kniete vor dem Baby nieder.
Sie strich ihm über den kurzen, weichen Haarflaum und ein wehmütiges Gefühl durchfuhr sie, als sie sich daran erinnerte, wie Elizabeth sie gefragt hatte, ob sie Jemmys Patentante werden wollte.

Teyla konnte den Blick kaum von Elizabeths riesigem Babybauch wenden, der unter einem schwarzen Pulli verdeckt nach wie vor einfach gigantisch wirkte. Das Baby würde in etwa einer guten Woche zur Welt kommen und jeder auf Atlantis erwartete spannungsvoll die Ankunft des neuen Expeditionsmitgliedes, wie McKay es immer scherzhaft nannte. Teyla konzentrierte sich wieder auf das Hier und Jetzt, bedachte eine Sekunde Elizabeths zuvor gestellte Frage und sah sich ihrem erwartungsvollem Blick gegenüber.
"Ich würde sehr gerne Patentante von dem Kleinen werden", meinte sie dann und Elizabeth lächelte sie erfreut an.
"Das freut mich sehr", sagte sie und die Athosianerin erwiderte das Lächeln. "In knapp zwei Wochen kannst du dein Talent als Patin unter Beweis stellen", fügte sie hinzu und Teyla verzog grinsend das Gesicht.
"Ich freue mich darauf!"


John trat hinter sie und Teyla kehrte wieder in die Wirklichkeit zurück. Sie blinzelte, um die Erinnerung endgültig abzuschütteln und stand dann auf.
Fragend blickte sie ihn an und er deutete auf die Sachen, die sie mitnehmen wollten.
"Gehen wir", meinte er und sie nickte, packte ihr Kleid und eine weitere Tasche, die neben dem einen oder anderen Mitbringsel auch ein Geschenk für das Brautpaar enthielt.
John nahm seine Tasche wieder in die eine und die Babytrage in die andere Hand und gemeinsam verließen sie das Quartier, um sich auf den Weg zum Jumper Hangar zu machen.

***

"Willkommen an Bord, bitte alle still hinsetzen und den Sicherheitsgurt nicht vergessen", sagte John und machte eine einladende Handbewegung zur Rampe des Jumpers.
Teyla grinste und ließ sich nicht zweimal bitten. Sie trat in den Jumper und verstaute ihre Sachen, um auf einem der Sessel im Cockpit Platz zu nehmen.
John folgte ihr, legte seine Tasche zu der ihren und stellte das Baby neben ihnen auf den Boden, damit sie es ihm Auge behalten konnten.
Jemmy schlief noch immer und Teyla lächelte angesichts des verkniffenen Gesichtsausdrucks des Babys. Er hatte die Augen fest zusammen gekniffen und ein Schmollen zierte den kleinen Mund, was im Gesamtbild einfach zu niedlich herüberkam.
"Los geht's!" John startete den Jumper und Teyla bewunderte nicht zum ersten Mal das Geschick des Colonels. Er war der Beste, was das Fliegen mit dem Jumper anging und es dauerte nicht lange, bis sie Atlantis hinter sich gelassen hatten.
John war erstaunlich still und Teyla vermutete, dass ihn die bevorstehende Hochzeit mehr beschäftigte, als er zugeben wollte. Um nicht den ganzen Flug in Schweigen zurückzulegen, beschloss sie ihn direkt anzusprechen.
"Wie läuft es so mit Jemmy?", fragte sie und konnte sehen, wie er sich kurz versteifte.
Es war ebenfalls ein Thema, das er gerne mied, doch sie konnte ihre Neugierde einfach nicht zurückhalten und sie wollte wissen, ob die Vater-Sohn-Beziehung Fortschritte machte.
"Es läuft ganz gut. Wenn er Hunger hat, bekommt er sein Fläschchen, wenn er eine volle Windel hat, wickele ich ihn und wenn er müde ist, leg ich ihn in seine Wiege", antwortete John und Teyla biss sich einen Moment auf die Lippe. Sein gereizter Unterton war Antwort genug und so wog sie ab, ob sie das Thema vertiefen sollte oder nicht.
Um ihn nicht noch mehr zu belasten und eventuell schmerzhafte Themen anzusprechen, behielt sie ihre nächste Frage für sich und wechselte das Thema.

***

Auf dem Festland angekommen flog John über das Dorf hinweg und landete etwas Abseits auf einer Wiese.
Er war froh, dass sie nun endlich angekommen waren und er dem gezwungenen Gespräch mit Teyla vorerst entfliehen konnte. Sie meinte es gut und sie wollte ihn auch nicht verletzen, das war ihm alles bewusst, doch dennoch ertrug er es im Moment einfach nicht.
Die bevorstehende Hochzeit ließ ihn nicht los und Teylas Sorge um ihn und Jemmy belastete ihn ebenfalls. Er gab sein Bestes, aber anscheinend war es keinem gut genug und innerlich nervte es ihn schlicht und einfach. Er brauchte Zeit, die ihm aber wohl niemand geben wollte. Vielleicht sah er es falsch, er war aufgewühlt und seine Laune nicht die Beste, trotzdem wollte er einfach, was speziell diese Themen anging, seine Ruhe haben.
Er packte seine Tasche und das Baby und lief aufgewühlt aus dem Jumper. Kaum draußen atmete er erst einmal tief ein und aus. Teyla war ihm gefolgt und beließ es dabei, was ihm nur Recht war. Er drehte sich zu ihr herum und blickte sie fragend an.
"Wohin jetzt?", fragte er und sie zeigte in Richtung des Dorfes.
"Die Hochzeit findet auf der anderen Seite statt", antwortete sie und gemeinsam liefen sie los.
Sie legten die Strecke in Schweigen zurück und keine fünf Minuten später konnte man die Anzeichen der bevorstehenden Hochzeit nicht mehr übersehen. Fast keiner der Dorfbewohner befand sich mehr im Dorf, die breite Masse war auf eine Wiese ausgewichen, auf der die Trauung offensichtlich stattfinden sollte. John blinzelte verblüfft angesichts der vielen Leute und drehte sich zu Teyla.
"Nehmen die alle an der Hochzeit teil?", fragte er und sie grinste ihn an.
"Ja, bei uns werden Hochzeiten immer groß gefeiert. Es ist ein Bund fürs Leben und das ganze Dorf soll das wissen", erklärte Teyla und John nickte. Er selbst hatte sich nie eine große Hochzeit gewünscht. Mit vielen Gästen war es einfach unpersönlich und glich mehr einer Show, was ihm nie gefallen hatte.
Sie näherten sich der Menschenmenge und John erinnerte sich an seine eigene Hochzeit und den damit verbundenen Vorbereitungen.

"Beschränken wir uns auf die engsten Freunde", meinte Elizabeth und John grinste. Anfangs hatte sie immer ‚Freunde und Verwandte' gesagt, bis er sie darauf hingewiesen hatte, dass hier in der Pegasus-Galaxie keiner ihrer Verwandten zu finden war und demnach nur die engsten Freunde in Frage kommen würden.
"Das dürfte die wohl kürzeste Gästeliste sein, die ich jemals gesehen habe", murmelte Elizabeth frustriert und er lachte.
"Sieh es doch positiv, es wird nicht so überfüllt sein, alle werden Platz finden und wir müssen uns keine Sorgen machen, dass sich jemand langweilt", sagte er und sie nickte, wenn auch widerwillig.
"Ob ich überhaupt genügend Brautjungfern zusammen bekomme?", fragte sie amüsiert und grinste ihn an.
"Wird sich dann zeigen", antwortete er und beugte sich zu ihr, um sie zu küssen.


"John?", fragte eine Stimme neben ihm und er blinzelte, drehte den Kopf und sah sich Teylas fragendem Blick ausgesetzt.
"Ähm, was?", stellte er eine Gegenfrage und sie musterte ihn besorgt.
"Alles in Ordnung?", wollte sie wissen und der besorgte Ausdruck verschwand nicht aus ihrem Gesicht.
"Ja, ich war nur gerade mit den Gedanken woanders", antwortete er und fragte sich, ob es wirklich eine so gute Idee gewesen war, hierher mitzukommen. Es nahm ihn alles mehr mit, als er zugeben wollte und er wurde ständig an Elizabeth erinnert. Es tat weh. Er gönnte dem athosianischen Paar das Glück, doch es war dennoch wie ein Stich ins Herz, wenn er diese ganzen Leute hier sah; glücklich und fröhlich.
"An was hast du denn gedacht?", fragte Teyla und John wollte gerade antworten, dass es nichts Wichtiges gewesen war, als er von Jemmy gerettet wurde, den das Geschaukel der Trage nun nicht länger selig schlafen ließ. Er fing an zu weinen und John zuckte kurz entschuldigend mit den Schultern, stellte die Trage ab und strich dem Baby über die Wange.
"Ruhig, Kleiner", sagte er, doch Jemmy ließ sich davon nicht beeindrucken und schrie nur noch lauter. In Johns Ohren hallte das Geschrei des Babys wider und seine ohnehin schon angespannten Nerven strafften sich nun nur noch mehr. Seufzend öffnete er den Gurt, den er dem Baby angelegt hatte, damit es nicht aus der Trage fiel und nahm den Kleinen hoch.
Er schaukelte ihn sachte hin und her, doch Jemmy beruhigte sich nicht und Teyla musste ihm seinen entnervten Gesichtsausdruck angesehen haben, denn sie nahm ihm das schreiende Kind aus den Armen und fing an, diesem beruhigend über den Rücken zu streichen. Jemmy ließ sich von ihr mehr einlullen als von ihm und das Weinen wurde von Sekunde zu Sekunde leiser, bis es sich schließlich vollständig verstummte.
"Wem gehört denn der kleine Schreihals", wollte eine fremde Stimme wissen und John blickte auf.
Ein Pärchen kam auf sie zugelaufen und angesichts des Kleides der Frau nahm er an, dass es sich hierbei um das Brautpaar handelte. Ihr Kleid war in einem warmen Braunton gehalten, mit Perlen bestickt und hatte eine kurze Schleppe. Es war in seinen Augen typisch athosianisch, allerdings im positiven Sinne.
Ihr blondes Haar wurde durch einen Blumenkranz zusammengehalten und war in einem Knoten hochgesteckt. Ihr Begleiter hingegen hatte schlichte athosianische Kleidung angelegt und wäre er nicht bei der Braut, würde man ihn sicherlich nicht als Bräutigam erkennen.
Teyla lächelte den Beiden entgegen und die Frau beugte sich über Jemmy, strich ihm über den Haarflaum und gurrte leise ‚Shh'-Laute.
"Hallo, Shela, Rays", grüßte Teyla und lächelte nun auch verzückt auf das Baby hinunter. "Darf ich vorstellen, Jeremiah. Mein Patenkind."
Sie wollte gerade John vorstellen, als Rays ihr zuvor kam und sich an John wandte.
"Gehört er zu Ihnen?", fragte er und John blickte überrascht auf. Die Frage hatte ihn unvorbereitet getroffen und er stockte einen kurzen Moment.
"Ja", antwortete er schließlich und beließ es dabei.
Teyla seufzte leise, es war kein ‚Ja, er ist mein Sohn' oder ‚Ja, er gehört zu mir' gekommen und sie ergriff erneut das Wort, um John bekannt zu machen.
"Das ist John Sheppard. John, das sind Shela und Rays, das Brautpaar", sagte sie und John nickte grüßend und reichte Rays die Hand. Shela war nach wie vor von dem Baby eingenommen und Jemmy, überrascht über die plötzliche Aufmerksamkeit, gab keinen Mucks von sich.
"So ein süßer Kleiner", meinte Shela und blickte auf, um John nun ebenfalls die Hand zu reichen. "Wie alt ist er denn?", wollte sie wissen und strich dem Kind über die Wange.
"Knapp 7 Wochen", antwortete John und fühlte sich unwohl, obwohl er nicht genau sagen konnte, weshalb. Er wollte nicht über Jemmy oder sonst etwas sprechen, er wollte die Zeremonie hinter sich bringen und wieder nach Hause gehen.
"Und wo ist seine Mutter?", fragte Shela weiter und Teyla konnte sehen, wie John neben ihr erstarrte.
Mit einer solchen Frage hatte er nicht gerechnet und Shela warf ihn damit völlig aus der Bahn. Sie konnte nichts dafür, doch er spürte, wie ihn all der Schmerz und der Kummer wieder einzuholen drohte und ihm die Kraft raubte.
Bevor Teyla etwas sagen und dem Thema ausweichen konnte, ergriff John das Wort und sprach die Worte aus, die er bisher zwar oft gedacht, jedoch noch nicht laut ausgesprochen hatte.
"Sie ist tot", antwortete er und Shela blickte erschrocken auf.
"Das tut mir Leid", sagte sie mitfühlend und Teyla schloss kurz die Augen, bevor sie sich an John wandte und ihm die Hand auf den Arm legte.
Er blickte sie einen Moment an, bis sein Blick weiter zu Jemmy wanderte, der an Teylas Brust gelehnt das Drängen um sich herum musterte. Er nahm ihr das Baby aus den Armen und legte es sich an die Schulter.
"Ich denke, es war keine so gute Idee mitzukommen, Teyla. Ich werde wieder gehen", meinte er und sie nickte, konnte ihm ansehen, dass er sich beherrschen musste und still verfluchte sie sich dafür, ihn hier her mitgenommen zu haben.
"Ich werde mich heute Abend abholen lassen", sagte sie und wusste nicht, wie sie ihm helfen konnte.
"Okay", sagte er und nickte dem Brautpaar schnell zu, nahm Tasche und Babytrage so gut es ging in eine Hand und wandte sich zum Gehen.
"Es tut mir Leid, John", erklang noch Teylas Stimme und er lächelte ihr gezwungen zu.
"Du kannst nichts dafür", sagte er, drehte sich herum und lief davon - weg von der Veranstaltung und den Erinnerungen.
Er konnte Teylas Blick schon beinahe im Nacken fühlen und so beschleunigte er seine Schritte, um so schnell wie möglich von hier weg zu kommen.
Es war nicht Teylas Schuld und eigentlich wusste er das, dennoch gab er ihr in eben diesem Moment die volle Verantwortung dafür.
Sie hätte die Hochzeit früher erwähnen sollen und nicht erst dann, als sie schon beinahe mit halben Fuß auf dem Festland gestanden hatten. Gleichzeitig verfluchte er sich, weil er trotz der Hochzeit doch noch mitgegangen war. Es hätte ihm bewusst sein sollen, dass es noch zu früh war, dass er noch nicht in der Lage war, sich solchen Fragen zu stellen und einer solchen Zeremonie beizuwohnen.
Das Baby strampelte leicht und gab einen Beschwerdelaut von sich, woraufhin John seinen Griff ein wenig lockerte. Er hielt Jemmy mit nur einer Hand und als sich das Baby erneut bewegte, wurde es ihm zu gefährlich. Er stellte Tasche und Babytrage auf den Boden, nahm das Baby in die Arme und legte es dann wieder in den kleinen Sitz. Jemmy war dort sicherer als an seiner Schulter und kaum war das Baby verstaut hob er die Tasche und die Babytrage wieder hoch.
Der Jumper war nicht mehr weit entfernt und John beschleunigte noch einmal seine Schritte, um so schnell wie möglich von hier wegzukommen. Die letzten Meter legte er im Eilschritt zurück und beim Jumper angekommen öffnete er per Gedankenkontrolle die Rampe.
Er spürte eine schon fast lächerliche Sicherheit, als er in den Jumper trat und das Baby samt Tasche wieder neben sich auf den Boden stellte. Er setzte sich und atmete erst einmal tief durch. Das Gefühl, in Tränen ausbrechen, wollte einfach nicht von ihm weichen. Anscheinend hatte er zu viel in den letzten Wochen unterdrückt, das Limit war erreicht und alles wollte nun zurück an die Oberfläche. Die Tränen stiegen ihm in die Augen und nur schwer konnte er sie unterdrücken, er wusste, dass er nicht würde aufhören können, wenn er jetzt damit anfing.
Mühsam blinzelte er und behielt die tiefe Atmung bei, um sich so gut es ging wieder in den Griff zu bekommen.
Jemmy schien zu spüren, dass irgendetwas nicht in Ordnung war, denn er fing an zu quengeln und John beschloss, so schnell wie möglich zurück nach Atlantis zu fliegen und sich in seinem Quartier zu verschanzen.
Er startete den Jumper, atmete noch einmal tief durch und flog los.

***

Im Jumper Hangar auf Atlantis angekommen öffnete John sofort die Rampe und das Geschrei des Babys schien in der großen Halle unangenehm widerzuhallen.
Seitdem sie los geflogen waren, schrie der Kleine ununterbrochen und John hatte keine Ahnung wieso.
Die Flasche wollte er nicht und auch die Windel war nicht voll. Jemmy schrie sonst kaum und er wusste keinen weiteren Grund, weswegen das Baby nun so ausflippte.
Seufzend packte er Baby und Tasche und lief in sein Quartier. Er legte den Weg in kürzester Zeit zurück und war froh, endlich wieder in seinen eigenen vier Wänden zu sein. Hier würde ihm niemand irgendwelche Fragen stellen und er wäre für sich alleine.
Die Tasche warf er gut gezielt auf die Couch und stellte dann das Baby ab, das inzwischen krebsrot im Gesicht war und wütend mit den Händen in der Luft herumfuchtelte.
John schnallte Jemmy los und nahm den Kleinen vorsichtig hoch, um ihn unter sein Kinn zu betten. Er strich ihm über den Rücken und lief langsam im Quartier herum. In der Vergangenheit hatte sich Jemmy von dem sanften Schaukeln immer beruhigen lassen, doch es klappte einfach nicht und Johns Nerven waren bereits angespannt genug. Das Kreischen des Babys war nicht gerade förderlich und er musste sich selbst Geduld zusprechen.
Vielleicht übertrug sich seine Unruhe auf das Kind und wenn er nicht ruhiger wurde, würde es das Baby auch nicht werden. John war sich allerdings sicher, dass er seine Unruhe nicht so schnell beiseite schieben konnte, dazu war er einfach zu aufgewühlt.
Seine Gedanken kreisten ständig um Liz und ihren Tod, er dachte an Jemmy und an sein Leben ohne Mutter. Es schien als würde nun alles hochkommen und er fühlte sich eigentlich noch nicht bereit dazu, genauer darüber nachzudenken. Er wollte es nicht, es tat einfach weh und es würde noch seine Zeit dauern, bis er das alles verarbeitet haben würde.
Er atmete tief durch und versuchte sich selbst so gut es ging etwas zu beruhigen. Es musste nur ein paar Minuten anhalten, vielleicht würde das Baby sich davon anstecken lassen und einschlafen. Es wunderte ihn immer wieder, wie lange ein Kind schreien konnte ohne müde zu werden. Jemmy schien ungeahnte Kraftreserven zu haben und zeigte keine Ermüdungserscheinungen.
Vielleicht würde das Klangspiel helfen, dass Jemmy von Teyla zu seiner Geburt geschenkt bekommen hatte und das über der Wiege hing und leicht hin und her schwang.
John lief mit dem schreienden Jemmy in das Kinderzimmer und blieb neben der Wiege stehen. Er hatte kaum das Klangspiel angestubst, als sich der Kleine auch schon langsam beruhigte. Angenehme Töne schwangen durch das Zimmer und John hoffte, dass Jemmy sich davon würde einlullen lassen. Eventuell würde es auch bei ihm selbst wirken, ein wenig Ruhe würde ihm gut tun.
Es war zwar erst Mittagszeit, allerdings spürte er bereits jetzt wieder bleierne Müdigkeit und sein Bett kam ihm sehr verlockend vor.
Zuerst musste sich allerdings erst einmal der Kleine beruhigen und einschlafen. Nach ein paar weiteren Minuten hatte das Klangspiel seine volle Wirkung erzielt und Jemmy lag ruhig an seiner Schulter. Nur ein leichter Schluckauf des Babys wies noch auf das zornige Gebrüll hin und John legte den Kleinen in die Wiege und deckte ihn zu.
Jemmy ließ sich nicht lange bitten und schlief fast auf der Stelle ein. Erst jetzt wurde sich John der Ruhe im Raum bewusst und er blinzelte, um die Müdigkeit noch einen Moment zu verbannen.
Es war trotz allem ein anstrengender Morgen gewesen und er wollte ihn so schnell wie möglich wieder vergessen.
‚Und wo ist seine Mutter?', drang erneut in seine Ohren und John schloss gequält die Augen. Vielleicht würde der Schlaf das erhoffte Vergessen bringen und so zog John seine Kleidung aus und legte sich erschöpft ins Bett, mit dem Ziel, in einen traumlosen Schlaf zu sinken.

***

"Was hältst du von dem Namen Jeremiah?", fragte Elizabeth und hob den Kopf vom Kissen, um in Johns Gesicht blicken zu können.
Er lächelte sie an, was sie aber in der Dunkelheit nur schlecht erkennen konnte.
"Ich wusste, dass du dich für diesen Namen entscheiden würdest", meinte er und sie legte grinsend ihren Kopf auf seine Brust.

***

"Ich hoffe, das Baby kommt bald", sagte er und blickte auf den großen, nackten Bauch von Elizabeth. "Ich kann es kaum noch erwarten."
"In vier Tagen … laut Carson", meinte Elizabeth und cremte weiter ihre Babykugel ein.

***

"Herzlichen Glückwunsch", sagte Carson und ein breites Grinsen zierte sein Gesicht, als er das schreiende Baby in Elizabeths Arme legte. "Sie haben einen Sohn!"
John stellte sich zu ihr und blickte in das kleine Gesichtchen seines gerade erst geborenen Sohnes.
Zärtlich strich er Liz eine Haarsträhne aus dem vor Anstrengung geröteten Gesicht und küsste sie auf die Stirn. Sie hatten einen Sohn!

***

"Es ist nur eine diplomatische Mission, John. Es wird schon nichts geschehen", sagte Elizabeth und blickte ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an.
"Meinetwegen, aber du nimmst ein Sicherheitsteam mit", sagte John bestimmend und sie lächelte ihn an.
"Einverstanden. Kümmere dich um unseren Sohn", meinte sie und küsste ihn zum Abschied auf den Mund.

***

"John, es gab ein paar Komplikationen … Elizabeth …", fing Rodney an und stockte.
"Was ist mir ihr?", fragte er und seine Stimme klang erschreckend neutral und tonlos. Was es wirklich seine Stimme, die sich da nach seiner Frau erkundigte?
"Sie ist tot, John", flüsterte McKay und sprach damit die Worte aus, mit denen John gerechnet und die er am meisten gefürchtet hatte.


***

Erschrocken setzte sich John auf und atmete schwer. Er hatte es wieder geträumt und es hatte sich real angefühlt; als wäre er wieder mitten drin, als würde er es noch einmal durchleben müssen.
Sie ist tot, John. Er spürte, wie er zitterte und eine Gänsehaut seine kühle Haut überzog.
Er fühlte sich noch erschöpfter, als bevor er zu Bett gegangen war und frustriert fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht. Sein Wecker zeigte 18.47 Uhr an, was ihn überraschte, er hatte den ganzen Nachmittag verschlafen, wenn es auch nicht sonderlich erholsam gewesen war. Er fand einfach keinen richtigen Schlaf und seine Träume belasteten ihn mehr, als er zugeben wollte. Die Erinnerungen an Elizabeth waren immer so real und zerrten an seinen Nerven. Er wusste, dass er nicht so gereizt sein sollte, doch angesichts seines nicht erholsamen Schlafes und den quälenden Träumen, konnte er eigentlich auch nichts anderes erwarten.
Das Zittern hielt an und Elizabeths Gesicht erschien ihm erneut vor seinem inneren Auge. Gequält schüttelte er den Kopf, um die Erinnerung zu vertreiben, doch es wollte nicht so recht klappen. Ihr Lachen schien in seinen Ohren widerzuhallen und John erinnerte sich nur zu gut an die Momente, in denen sie gemeinsam gelacht hatten.
Sein Kopf dröhnte und fühlte sich so an, als wolle er jeden Moment platzen. Verdammt, das konnte doch nicht normal sein! Je stärker er versuchte wieder die Kontrolle über seine Erinnerungen zu bekommen, desto stärker drängte sich Elizabeth in seinen Geist. John spürte erneut, wie er zitterte. Er sammelte seine ganze Kraft und kämpfte sich aus dem Bett, nur um sofort daraufhin stehen zu bleiben und sich krampfhaft an der Wand abzustützen. Das Zimmer verschwamm vor seinen Augen und schien sich im Kreis zu drehen. Er kannte die Anzeichen und atmete tief ein und aus, um seinen Kreislauf wieder in Gang zu bringen. Die Schwächephase ging vorüber und er fühlte wieder den Boden unter seinen Füßen. Erleichtert blieb er noch ein paar Sekunden stehen und entschied, dass ein Kaffee nun das einzige war, was ihn wieder einigermaßen auf Trab bringen konnte.
Er hatte die Rechnung allerdings ohne das Baby gemacht, denn kaum herumgedreht, fing der Kleine an zu weinen und John spürte Frustration in sich aufsteigen. Er hatte nie seine Ruhe, zu jeder Zeit wollte irgendjemand etwas von ihm und nun war eben wieder Jemmy an der Reihe.
Er lief ins Kinderzimmer und stellte sich neben die Wiege, um einen Blick auf das schreiende Kind zu werfen. Jemmys Haarflaum stand mal wieder in alle Richtungen ab und die Wangen des Babys waren bereits leicht gerötet, weswegen John es auf seinen Arm nahm und ihm beruhigend auf den Rücken klopfte.
Ein Blick auf die Windel genügte und John entschloss, den kleinen Schreihals erst einmal frisch zu wickeln, bevor er ihm ein Fläschchen geben würde.
Er legte Jemmy vorsichtig auf die Wickelkommode und ein Blick in die volle Windel bekräftigte seine Entscheidung, das Baby so schnell wie möglich neu zu wickeln. Er schmiss die alte Windel fort und fing an, den Kleinen sauber zu machen.
Es war ein Wunder, dass Jemmy nicht schon früher angefangen hatte zu weinen, sein Fläschchen lag bereits einige Stunden zurück und normalerweise hielt er es nicht so lange aus.
John begrüßte die Abwechslung und hoffte, dadurch ein wenig abgelenkt zu werden; von Elizabeth und den gemeinsamen Erinnerungen.
Er legte Jemmy eine frische Windel an und zog ihm einen neuen Strampelanzug über, um ihn anschließend wieder auf den Arm zu nehmen und in die Küche zu gehen. Jemmy hatte sich einigermaßen beruhigt und quengelte nun nur noch, dennoch war es ein deutliches Zeichen, dass er Hunger hatte.
John ließ sich nicht zweimal bitten und kaum hatte er das Fläschchen fertig, fing der Kleine wieder, an mit voller Stimmkraft zu schreien. Ein unangenehmes Pochen meldete sich hinter Johns Stirn und er hoffte, dass es nicht zur Migräne umschlagen würde.
Er setzte sich samt Baby und Flasche auf die Couch und steckte dem schreienden Kind den Sauger in den Mund. Das Geschrei stoppte sofort und Jemmy sog an der Flasche, als würde sein Leben davon abhängen.
Wenigstens schrie er nun nicht mehr und John lehnte sich müde an die Couchlehne, schloss die Augen und versuchte den Moment der Stille auszukosten.
Er hielt nicht lange an, denn kaum war die Flasche leer, schrie Jemmy erneut und John legte ihn sich an die Schulter, damit er ein Bäuerchen machen konnte. Vielleicht hatte der Kleine noch Hunger, immerhin hatte er lange geschlafen und so ein Fläschchen ausgelassen.
John richtete ein neues Fläschchen und setzte sich wieder, doch Jemmy ignorierte den Sauger und fuchtelte wütend mit den Ärmchen in der Luft herum.
John seufzte und probierte es erneut, doch der Kleine nahm das Fläschchen einfach nicht an und so stellte er es beiseite, hob den Kleinen an seine Brust und klopfte ihm beruhigend auf den Rücken.
Normalerweise war Jemmy leicht zu beruhigen, eine frische Windel und ein Fläschchen und er war zufrieden, doch heute wollte es nicht klappen und er schrie weiter.
Johns Kopfschmerz war inzwischen noch stärker geworden und jedes weitere Brüllen von Jemmy schien unangenehm in seinem Kopf nachzuhallen. Das Pochen hielt an und Johns Nerven hingen an einem seidenen Faden.
Vielleicht war der Kleine auch einfach nur noch etwas müde und so stand John auf, um ins Kinderzimmer zu gehen und ihn hinzulegen. Er gab dem Klangspiel einen Stups und hoffte, dass das Baby sich davon würde einlullen lassen, doch auch das brachte nicht den gewünschten Erfolg. Kaum lag Jemmy, schrie er nur noch lauter und so blieb John nichts anderes übrig; er hob das Baby wieder hoch und legte es in seine Armbeuge.
Hin und her wiegend lief er mit dem Kleinen zurück in die Küche, um sich selbst einen starken Kaffee zu machen, den er angesichts des Gebrülls von Jemmy und seiner Müdigkeit wirklich gut gebrauchen konnte.
Er hätte nicht gedacht, dass er für das Geschrei eines Kindes einmal so anfällig sein würde, doch dem war nun doch so und er atmete einmal tief durch, um seine Nerven etwas zu beruhigen. Er hatte sonst auch immer eine Engelsgeduld, nun konnte er sie also unter Beweis stellen.
Der Kaffee brauchte seiner Meinung nach viel zu lange, nur langsam lief das Wasser durch und er merkte, wie er unruhig mit dem Bein gegen den Boden klopfte.
Das Baby machte ihn noch wahnsinnig und er fing an, es ein wenig stärker hin und her zu wiegen, was Jemmy allerdings nicht zu gefallen schien, denn er holte Luft und brüllte weiter.
John begann seine Schläfe zu massieren und hoffte, dass es seinen Kopfschmerzen gut tun würde, seinen Nerven vielleicht auch, immerhin konnte er ja noch hoffen.
Jemmy war inzwischen rot angelaufen und sah nicht mehr annähernd wie das süße Baby aus, dass noch heute Morgen in Teylas Armen gelegen hatte. Es sah einfach verrückt aus und John fragte sich, ob das anhaltende Gebrüll auf Dauer nicht schädlich war.
"Herrgott Jemmy, was ist denn?", fragte er und hob das Baby hoch, um es Nase an Nase anzuschauen. Jemmy blinzelte überrascht, doch die Stille hielt nur ein paar Sekunden und er fing von neuem an zu weinen.
Johns Nerven lagen inzwischen blank und er spürte, wie seine Geduld so langsam ihre Grenze erreichte. Lange würde er das Geschrei nicht mehr ertragen können. Er warf einen frustrierten Blick auf den Kaffee, der noch immer nicht fertig war und wünschte, er wäre alleine und hätte seine Ruhe.
"Jemmy!" John wusste eigentlich, dass laute Stimmen das Baby nicht beruhigten, doch er konnte sich nicht mehr zurückhalten. "Shhh!"
Der Kleine ignorierte ihn und brüllte weiter, das Gesichtchen knallrot und mit Tränenspuren überzogen.
John schüttelte den Kopf und fühlte Resignation in sich aufsteigen. Er konnte einfach nicht mehr. Er war als Vater anscheinend nicht sonderlich gut geeignet und er schaffte es auch nicht, Jemmy so zu lieben, wie er war.
Im Moment würde er das Baby am liebsten einfach ruhig stellen, irgendwie, nur damit er dieses Gebrüll nicht mehr hören musste, das an seinen Nerven zerrte und seinen Kopf nur noch mehr zum Pochen brachte.
Mühsam beherrschte er sich, stabilisierte Jemmy so sanft, wie es ihm momentan möglich war und eilte aus dem Quartier. Er konnte das Geschrei keine Sekunde länger ertragen oder er würde etwas tun, was er wahrscheinlich später bereuen würde.
Teyla war nicht da, McKay beschäftigt und so eilte er zu dem einzigen Menschen, dem er das Baby anvertrauen konnte - Beckett.
Der Weg zur Krankenstation kam ihm unendlich lang vor und er konnte nicht sagen, wie erleichtert er war, als er sie endlich erreichte.
Kaum eingetreten, war auch schon Carson von Jemmys Geschrei alarmiert worden und ohne Worte drückte er dem verblüfften Arzt das Kind in die Arme.
"Colonel, was -?", fragte Beckett, wurde allerdings von John rüde unterbrochen.
"Bringen Sie ihn irgendwie zum Schweigen", sagte er und machte sofort kehrt, als Carson den Kleinen sicher in den Armen hatte. Er stockte und drehte sich noch einmal um.
"Ich weiß nicht, warum Sie ihn mir nach Elizabeths Tod sofort in die Arme gedrückt haben und mich sozusagen meinem Schicksal überlassen haben, aber wie es scheint ging es so ziemlich daneben", warf er Beckett entgehen und war eine Sekunde später verschwunden. Carson blinzelte sprachlos, den schreienden Jemmy auf dem Arm.

***

John fühlte sich beinahe schuldig, weil er Jemmy einfach so zurück gelassen hatte, doch er hatte genug. Er konnte das ewige Schreien nicht mehr hören und bei Beckett war der Kleine momentan sicher besser aufgehoben als bei ihm.
Er brauchte Ruhe, Momente ohne ein Baby, das ihn ständig an Elizabeth erinnerte. Es war falsch, in Jemmy Elizabeth zu sehen, doch er konnte es nicht ändern. Wann immer er den Kleinen ansah, sah er sie und es schmerzte. Es war wie ein ständiger Schmerz in seinem Herzen, der nun Überhand nahm.
Er spürte den Drang mit irgendjemandem darüber zu sprechen, über alles, aber wahrscheinlich würde ihn niemand verstehen. Er verstand es ja selbst nicht, wie sollte es dann jemand Anderes schaffen? Wahrscheinlich musste er damit schlicht und einfach alleine zurechtkommen, es irgendwie verarbeiten und weiter machen. So war das Leben nun einmal und im Moment hasste er es aus tiefster Seele.
Ohne genau zu wissen, wohin er eigentlich gehen sollte, betrat er den Transporter und blieb unschlüssig stehen. Ihm fielen genügend Orte ein, an denen er allein sein würde, aber sie kamen ihm nicht verlockend vor. Er wollte nicht irgendwo in Atlantis sitzen und in seinem Selbstmitleid versinken, er musste irgendetwas tun, um sich wieder in den Griff zu bekommen. Bevor er richtig realisiert hatte, wohin er wollte, hatte er den Knopf schon gedrückt und die Türen schlossen sich.
Sekunden später stand er im Jumper Hangar und fragte sich, ob es auch wirklich eine gute Idee war, in einem solchen Moment zu Elizabeths Grab zu fliegen. Seinem Zustand würde es eventuell nicht gut tun, aber andererseits war er dort auch wirklich allein und niemand würde ihn stören.
Er betrat den Jumper und dachte nicht lange darüber nach, was nun zu tun war. Er kannte die Schritte auswendig und kurze Zeit später flog er über Atlantis in Richtung Festland, wo Elizabeth beerdigt worden war.
Ihm wurde zum ersten Mal bewusst, wie er froh er darüber war, dass Elizabeth nicht auf der Erde, sondern hier in der Pegasus-Galaxie hatte begraben werden wollen. Er musste nicht erst durch das Stargate und sich durch eine Horde Menschen kämpfen, nur um danach zu ihrem Grab zu fahren. Er musste sich einfach nur den Jumper starten und los fliegen, ohne viel nachzudenken.
Das helle Blau des Himmels nahm er nicht wahr und auch die Umgebung unter ihm interessierte ihn nicht. Er wollte einfach so schnell wie möglich zu Elizabeths Grab, sich dort hinsetzen und … einfach nichts tun. Einfach er selbst sein und nichts weiter.
Die Zeit kam ihm endlos lang vor, obwohl ein Flug zum Festland jedes Mal nur etwa um die Zwanzig Minuten dauerte.
John würgte Gedanken an Jemmy ab, spürte aber dennoch, dass Tränen an die Oberfläche drängten. Er hatte vorerst genug von dem Baby, aber das Gefühl, den Kleinen im Stich gelassen zu haben, wollte sich nicht abstellen und er schüttelte den Kopf, um sich wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Er sollte es wenigstens zum Festland schaffen, dort riskierte er immerhin keine Kollision mit was auch immer, weil die Tränen seinen Blick verschleierten.
Mehrere tiefe Atemzüge und kräftiges Blinzeln waren nötig, damit sein Gesichtsfeld wieder übersichtlicher wurde und er endlich das Festland am Horizont ausmachen konnte. Keine fünf Minuten später flog er über die ersten Bäume hinweg und kämpfte nach wie vor angestrengt gegen die Tränen.
Er machte die Lichtung aus, auf der Elizabeth ihre letzte Ruhe gefunden hatte und bemühte sich um eine saubere Landung. Er war nicht so ruhig wie sonst und statt einem sanften Aufsetzen des Jumpers gab es einen ziemlichen Ruck, als dieser die Erde berührte.
John stellte die Kontrollen ab und öffnete die Luke. Er hatte noch keinen richtigen Schritt aus dem Jumper gemacht, als er bereits Elizabeths Grab entdeckte. Es sah noch genauso aus, wie damals, als er es verlassen hatte. Scheinbar hielten die Athosianer ihr Wort und kümmerten sich um die Grabpflege. Ganz im Gegensatz zu ihm. Er war nur wenige Male seit ihrem Tod hier gewesen, er hatte es einfach nicht ertragen können und auch jetzt spürte er, wie ihn das hilflose Gefühl durchfuhr und ihm die Kraft aus den Beinen nahm. Er brauchte einen Moment, um nicht in die Knie zu gehen und trat einen Schritt nach vorne. Sein Gesichtsfeld verschwamm erneut, als die Tränen sich ihren Weg zurück an die Oberfläche bahnten und sich anschließend einen Weg über seine Wangen suchten.
Es tat einfach weh, jedes Mal wenn er hier war, wurde ihm bewusst, wie viel er verloren hatte.
Der Anblick ihres Grabes ging ihm drunter und drüber und er musste sich beherrschen, um nicht zusammenzubrechen. Die Schwäche hatte sich seines Körpers bemächtigt und jeder Schritt fiel ihm schwer, aber er wollte unbedingt bei ihr knien, bevor er den Tränen die Kontrolle überlassen würde.
Die Athosianer gaben sich wirklich Mühe, überall um Elizabeths Grab herum blühten Blumen und kleine Gaben lagen verstreut in Körben. Sie schienen auf ihrem eigenen Weg um sie zu trauern. Auch wenn Elizabeth nie sonderlich viel mit diesem Volk verbunden hatte, so waren sie ihr doch dankbar, dass sie sie bei sich aufgenommen und ihnen ein neues Zuhause gegeben hatte.
Ihren Dank drückten sie nun wohl mit kleinen Gaben und wunderschön geflochtenen Blumenkränzen aus.
John gab der Schwäche nach und schob noch schnell einen Kranz beiseite, ehe er sich auf seinen Knien niederließ und ihr Grab betrachtete.
Vielleicht konnte er hier so viele Tränen weinen, bis keine mehr vorhanden waren und vielleicht würde die Trauer mit jeder Träne nachlassen, bis auch von dieser nichts mehr zu finden war und vielleicht konnte er dann seinen Sohn endlich so lieben, wie dieser es verdient hatte.
Er liebte Jemmy, aber er konnte und wollte diesem Gefühl nicht die Oberhand überlassen, denn es würde ihn zerstören, wenn er den Kleinen aus welchem Grund auch immer ebenfalls verlieren würde. Er hatte bereits Elizabeth verloren und die Vorstellung auch noch seinen Sohn zu verlieren, war mehr, als er würde ertragen können. Er fühlte sich nicht in der Lage sein Kind so zu lieben, wie es eigentlich sein sollte.
Ihre Worte kamen ihm wieder in Sinn, kurz bevor sie auf ihre letzte Mission gegangen war.
Kümmere dich um unseren Sohn", hatte sie gesagt und ihn anschließend zum Abschied noch einmal geküsst.
"Ich bin ein schlechter Vater", kam es ihm über die Lippen und er schloss die Augen. Er wollte sich nicht ausmalen, was Elizabeth von ihm denken würde, wenn sie wüsste, wie kaltherzig er ihren Sohn bei Beckett abgegeben hatte. Als wäre er kein menschliches Kind, sondern ein lästiges Haustier, um das er sich nicht länger kümmern wollte.
"Ich liebe ihn, aber ich habe das Gefühl, als wäre das nicht genug", sagte er und blinzelte neue Tränen fort, die sich dann ihren Weg auf die kühle Erde bahnten.
Sein Nacken erschien ihm endlos schwer und er senkte den Kopf, ganz in seine Trauer versunken. Er hatte immer erwartet, dass er sich dämlich vorkommen würde, wenn er mit Toten sprach, aber im Moment kam ihm das alles andere als sinnlos vor.
"Ich könnte es nicht ertragen, ihn auch noch zu verlieren", brachte er hervor und strich sich über das tränennasse Gesicht. "Es wäre einfach zu viel."
Er hoffte, dass sie ihn verstehen würde und er hoffte ebenso, dass wo auch immer sie war, sie ihm irgendwie helfen würde. Er glaubte nicht wirklich an ein Leben nach dem Tode, in seinen Augen war diese Vorstellung etwas, was nur Menschen, die Angst vor dem Tod und somit dem Ende hatten, sich ausmalten. Doch in diesem Augenblick wünschte er sich beinahe, dass es so etwas gab, denn dann würde er irgendwann wieder mit ihr zusammen sein.
"Ich vermisse dich", sagte er und hob den Kopf, um in den Himmel zu blicken, der nach wie vor strahlend blau über ihm ausgebreitet war. "Und ich weiß nicht, wie ich das alles schaffen soll."
Er spürte, wie er trotz quälender Sorgen langsam ruhiger wurde und wie die Tränen ihren stetigen Fluss eindämmten und nur noch vereinzelt über seine Wangen liefen.
Irgendwann hatte der Körper seine Reserven ausgeschöpft und scheinbar hatte sein emotionaler Ausraster seine Kräfte aufgebraucht. Er spürte sich ungewohnt schwach und ausgelaugt. Angesichts der letzten Woche allerdings auch kein Wunder, wie er zugeben musste.
Er strich sachte über die Blumen, die bei ihrem Grab ausgebreitet waren. Er musste sich irgendwann bei den Athosianern dafür bedanken.
"Die Athosianer geben sich wirklich Mühe", sagte er und war froh, dass sie sich um das Grab gekümmert hatten. Die Tatsache, dass Elizabeths letzte Ruhestätte gut versorgt war, beruhigte ihn in gewisser Weise und Dankbarkeit durchflutete ihn.
In so kurzer Zeit konnte kein Grab herunterkommen, doch er wusste nicht, wie er reagiert hätte, falls sich wirklich niemand darum gekümmert hätte.
Er schwieg und starrte stumm auf ihr Grab. Sein Kopf war wie leer gefegt und er war froh darüber. Keine quälenden Gedanken geisterten herum und auch der Kummer schien leichter geworden zu sein. Vielleicht hatten Tränen ja doch eine heilende Wirkung.
"Ich hoffe dir geht es gut, wo auch immer du bist", hörte er sich sagen und atmete tief ein und aus, bekam sich so langsam wieder unter Kontrolle.
Er überlegte, was er ihr noch erzählen konnte und bis auf Neuigkeiten zu Jemmy wollte ihm nichts einfallen. Sein Leben hatte sich in der letzten Zeit eigentlich nur rund um das Baby gedreht, von den täglichen Aktivitäten auf Atlantis hatte er so gut wie nichts mitbekommen.
"Jemmy wird so langsam immer munterer", begann er und ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, als er an das Baby dachte. "Er mustert seine Umgebung und scheint sich für alles zu interessieren. Und wenn er einmal brüllt, kann man ihn leicht mit Teylas Klangspiel beruhigen, das sie ihm geschenkt hat."
Das Lächeln vertiefte sich und eine bisher nicht da gewesene Sehnsucht nach Jemmy durchflutete ihn. Er wünschte sich, dass das Baby hier wäre und er es in den Arm nehmen konnte. Ein solches Gefühl hatte sich bis jetzt noch nie bemerkbar gemacht und es verblüffte ihn.
"Ich werd' mich gut um ihn kümmern", sagte er und stand auf. Sein schlechtes Gewissen meldete sich wieder und er fragte sich, ob es Beckett gelungen war, das schreiende Kind zu beruhigen. Er nahm es an, da der Arzt eine beruhigende Wirkung auf alle hatte und Jemmy sich davon sicherlich einlullen ließ, jedenfalls hoffte er das.
Ein weiteres Mal ließ er seinen Blick auf Elizabeths Grab wandern und statt verzehrenden Schmerz fühlte er nur noch endlose Trauer darüber, einen geliebten Menschen verloren zu haben.
"Ich liebe dich", flüsterte er und nach einem letzten Blick drehte er sich herum, um sich auf den Heimweg zu machen. Jemmy brauchte ihn.

***

Der Rückflug kam ihm wie der Hinflug unendlich lang vor und ungeduldig trommelte er mit den Fingerspitzen auf der Konsole herum. Er verstand nicht so recht, wieso gerade jetzt die Sehnsucht nach dem Baby zum Vorschein kam. Vor knapp zwei Stunden hatte er Jemmy nicht schnell genug loswerden können und nun konnte er nicht schnell genug wieder bei ihm sein. Es war suspekt.
Vielleicht hatte er sich einfach einmal richtig ausweinen müssen, die Worte aussprechen, die ihm Sorgen bereiteten und vielleicht würde er seinem Kind nun die Liebe zukommen lassen können, die es verdiente.

***

Endlich in Atlantis angekommen stellte er den Jumper im Hangar ab und machte sich auf den Weg in die Krankenstation. Ihm war klar, dass seine Sorge unbegründet war; Beckett war ein guter Arzt und Jemmy hatte sich in der Zwischenzeit sicherlich beruhigt, dennoch konnte er es nicht abwarten, das Baby zu sehen und sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass es ihm auch wirklich gut ging.
Er eilte durch die Korridore und war froh, als er endlich die Krankenstation erreichte. Eilig trat er ein und rief mit einem lauten "Beckett?" nach dem Arzt.
Dieser tauchte auch keine fünf Sekunden später auf und John atmete erleichtert aus, als er Jemmy an der Brust des Schotten liegen sah. Das Baby hatte die Augen geschlossen und schien zu schlafen, nichts deutete mehr auf das unablässige Geschrei vor ein paar Stunden hin.
Beckett musterte ihn mit leicht missmutigem Gesicht, was John allerdings ignorierte. Ihn interessierte Jemmy weit mehr und mit einem geschulten Griff hatte er dem Arzt das schlafende Baby aus den Armen genommen. Jemmy brabbelte leise, wachte aber nicht auf und lag ruhig und warm gegen ihn gelehnt.
"Alles in Ordnung mit ihm?", fragte er Beckett und dieser nickte bejahend.
"Es geht dem Kleinen gut", antwortete er und ließ seinen Blick auf John ruhen, was diesem unangenehm war.
Er schwieg und schaukelte stattdessen das schlafende Baby leicht hin und her, froh, dass er Jemmy wieder im Arm halten konnte und es ihm auch gut ging.
"Und wie geht es Ihnen?", erklang Becketts Stimme erneut und John ließ sich mit der Antwort etwas Zeit, was den Arzt dazu veranlasste, wieder das Wort zu ergreifen.
"Hören Sie, John. Ich verstehe durchaus, was Sie durchmachen, aber ich mache mir Sorgen um Sie", begann er und John brachte ihn mit einer wedelnden Handbewegung zum Schweigen.
"Auf was wollen Sie hinaus?", fragte er gerade heraus und blickte Beckett mit hochgezogenen Augenbrauen an.
Dieser senkte kurz den Blick und schien sich seine Worte zu überlegen.
"Ich sage lediglich, dass ich mir Sorgen mache und ich würde gerne mit Ihnen sprechen", sagte er schließlich und John seufzte.
"Über was?", wollte er wissen, konnte es sich aber eigentlich denken.
"Über Sie und über das Baby", ließ Beckett John wissen und dieser sah seine Vermutung bestätigt.
"Ich komme morgen zu Ihnen", sagte er nur und machte sich auf den Weg aus der Krankenstation. Er war momentan nicht in der Stimmung für ein Gespräch mit dem Arzt, er wollte einfach nur mit Jemmy in das Quartier gehen und sich ausruhen.
Scheinbar sah man ihm seine Müdigkeit an, denn Beckett ließ ihn gewähren, ohne noch etwas zu sagen.

***

Im Quartier angekommen blieb John erst einmal im Eingang stehen und atmete tief ein und aus. Der Tag war mehr als aufwühlend gewesen und er wollte nur noch eines: schlafen.
Das Baby lag friedlich an seine Brust gelehnt und schien ausreichend versorgt worden zu sein. Er hoffte, dass Beckett den Kleinen auch gut gefüttert hatte, denn dann würde die Nachtruhe ein paar Stunden ohne Störung andauern. Stunden, die er bitter nötig hatte. So sachte wie möglich lief er in das Kinderzimmer und legte das Baby in die Wiege. Zu seiner Erleichterung wachte Jemmy nicht auf, sondern schlief selig weiter. Der Kleine hatte einen Strampelanzug an, nichts was er noch würde wechseln müssen und um die Windel hatte sich wohl auch Beckett gekümmert.
Müde zog er sich aus dem Kinderzimmer zurück und begann sich auszuziehen. Es war mühsamer als gedacht und nur langsam fielen die Kleidungsstücke auf den Boden. Er fühlte sich endlos erschöpft und war froh, dass sein Bett nur einen Meter entfernt von ihm stand.
Mit Hemd und Shorts bekleidet ließ sich John hinein fallen und zog noch notdürftig die Bettdecke über sich, bevor er sich in die Kissen kuschelte.

***

Der nächste Morgen kam schneller als erwartet. Ein lautes Schreien weckte ihn und für einen Moment konnte er das Geschrei in keiner Weise etwas Bestimmten zuordnen, bis ihm bei dem nächsten Brüllen bewusst wurde, dass es wohl nur das Baby sein konnte.
Verschlafen blickte er auf die Uhr - 07.36 Uhr - und rappelte sich so schnell wie es eben um diese Uhrzeit ging auf.
Er tapste in das Kinderzimmer und blieb einen Moment an den Türrahmen gelehnt stehen. Das Baby lag in seinem Bettchen und wedelte mit den Armen in der Luft herum, während es unentwegt weiter brüllte.
"Ja, ja, ist ja gut", sagte John und ging auf das Bettchen zu, um den Kleinen sanft hochzunehmen und an seine Schulter zu legen. Das Weinen hörte fast sofort zeitgleich auf und ein leiser Schluckauf des Babys war als einziges Geräusch zu hören.
John streichelte Jemmy leicht über das Köpfchen und bewunderte einmal mehr, wie winzig der Kleine noch war.
Lange ließ sich Jemmy nicht betrachten und fing wieder an zu strampeln. John vermutete, dass er Hunger hatte und machte sich auf den Weg in die Küche, um ein Fläschchen aufzuwärmen.
Während das Baby nach wie vor an seiner Schulter lehnte und nach etwas Essbaren verlangte, holte er schnell das Fertigpulver heraus und rührte es an. Er erinnerte sich wieder daran, wie Jemmy in Liz Armen gelegen hatte und gestillt worden war. Die Erinnerung schmerzte, er versuchte sie zu ignorieren und sich wieder auf das Kind in seinem Arm zu konzentrieren. Jemmy schien nach wie vor unzufrieden mit der Welt, was John belustigt zur Kenntnis nahm. Der Kleine kaute auf seiner Faust herum, doch auch diese schien ihm nicht das geben zu können, was er wollte und so war die Ruhe nur von kurzer Dauer, bevor sie wieder von einem Weinen ersetzt wurde.
Schnell machte John das Fläschchen fertig und setzte sich mitsamt Baby und Flasche auf die Couch. Bevor der Kleine noch einmal seinen Umnut geltend machen konnte, steckte er ihm das Fläschchen in den Mund und sofort fing Jemmy an zu saugen.
"Na, schmeckt's?", fragte er leise und betrachtete seinen Sohn, der hungrig an dem Fläschchen saugte und allem Anschein nach voll in seinem Element war.
Das kleine Köpfchen lag in seiner Armbeuge und John spürte die Wärme an seiner Brust, die der kleine Körper ausstrahlte.
Es war etwas Wundervolles und John konnte es mehr genießen, als noch vor ein paar Stunden. Vielleicht hatte es ihm geholfen, bei Elizabeths Grab gewesen zu sein, danach hatte er zum ersten Mal den starken Drang gespürt zu seinem Kind zu gehen. Er hoffte, dass es ein Anfang war, er musste das Band zu dem Kleinen irgendwie aufbauen und stärken. Das Baby würde ohne Mutter aufwachsen und der Schmerz, der sich bei diesem Gedanken durch seine Brust zog, erinnerte ihn daran, dass auch er ab sofort ohne sie weiter leben musste. Das Leben war ungerecht und in eben solchen Momenten wurde er sich dessen stärker als je zuvor bewusst.
Er konnte es nicht ändern und frustriert schüttelte er die Gedanken ab, richtete seinen Blick wieder auf das Baby, das die Flasche inzwischen fast gelehrt hatte. Kurz darauf schob Jemmy den Pfropfen aus seinem Mund und John stellte sie beiseite.
Er erinnerte sich an Becketts Bitte, heute Morgen zu ihm zu kommen und ein entgeistertes Seufzen entwich seinen Lippen. Er hatte keine Lust auf ein Gespräch mit dem Arzt, würde diesem aber nicht entkommen können.
Nachdem Jemmy seine Bäuerchen gemacht und ausgiebig gegähnt hatte, legte er ihn auf die Wickelkommode und schaute kurz in die Windel, die, wie er naserümpfend feststellte, dringend gewechselt werden musste. Notgedrungen wechselte er sie und legte dem Baby eine frische an, ehe er ihm ein Unterhemdchen, einen Strampelanzug und Söckchen anzog. Er konnte Jemmy nicht hier lassen, wenn er zu Beckett ging, da er nicht wusste, wie lange das Gespräch mit dem Arzt dauern würde. Vorsichtig legte er den Kleinen noch in seine Wiege und ging dann in das Badezimmer. Er stellte sich schnell unter die Dusche, putzte sich die Zähne und zog sich an. Das Baby blieb währenddessen ruhig in der Wiege liegen und John kam keine 10 Minuten später aus dem Bad, um es auf den Arm zu nehmen. Jemmy gähnte und schloss die Augen. Scheinbar empfand er es als bequem und so machte sich John samt Baby auf den unliebsamen Weg zu Beckett.

***

Der Weg zur Krankenstation kam ihm schleppend vor. Er konnte sich schon in etwa denken, was genau der Arzt mit ihm besprechen wollte und war sich sicher, dass sein gestriger Ausflug und sein Zurücklassen von Jemmy im Gesprächsstoff zu finden sein würden. Etwas, worüber er eigentlich nicht sprechen wollte. Es war nötig gewesen, sowohl Jemmy bei Beckett zu lassen als auch einfach mit dem Jumper davon zu fliegen.
Im Nachhinein konnte er sagen, dass es ihm gut getan hatte und der Besuch von Elizabeths Grab ihm Jemmy, warum auch immer, näher gebracht hatte.
Wieso das so war, war für ihn unwichtig. Er hatte das Gefühl, dass er sich seinem Kind gegenüber nun mehr öffnen konnte und allein das zählte.
Vor der Krankenstation blieb er einen kurzen Moment stehen, atmete noch einmal tief ein und ließ seinen Blick auf Jemmy ruhen, der ruhig dalag und zu schlafen schien.
Danach trat er ein und schaute sich nach Beckett um. Die Krankenstation war wie immer hell erleuchtet und er fand den Arzt in seinem Büro, wo er über einem Bericht brütete.
"Morgen", sagte er und Beckett blickte überrascht auf. Scheinbar hatte er ihn nicht gehört.
"Morgen", erwiderte er den Gruß und stand auf. Sein Blick fiel auf Jemmy und ein Lächeln erschien in seinem Gesicht.
"Wie geht es dem Kleinen", fragte er und John schaute nun auch wieder auf Jemmy herab.
"Es geht ihm gut", antwortete er knapp und wollte den Smalltalk so schnell wie möglich beenden, um zum wesentlichen zu kommen. "Sie wollten mich sprechen", sagte er deshalb und der Arzt nickte.
"Ja, das wollte ich", bestätigte Beckett und deutete auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch, auf dem John Platz nahm.
"Um was geht es?", fragte er gerade heraus und Beckett schien sich seine Worte vorsichtig zurechtzulegen.
"Ich weiß, dass es im Moment sehr schwer für Sie ist, John", begann er und John wartete ab, nicht gewillt, darauf etwas zu erwidern, denn in Wirklichkeit hatte der Arzt einfach keine Ahnung, wie es ihm gerade ging. Man konnte seinen Gemütszustand erst dann nachvollziehen, wenn man selbst erlebt hatte, wie die eigene Frau starb und das war bei Beckett nicht der Fall.
"Ich sage nichts gegen die Tatsache, dass Sie den Kleinen bei mir zurücklassen, wenn es Ihnen etwas zu viel wird, denn das ist in Ihrer Situation wohl durchaus verständlich, aber er ist Ihr Sohn und er braucht Sie. Teyla und ich haben das Gefühl, dass etwas zwischen ihnen steht und aus diesem Grund wollte ich Sie sprechen. Es geht hier nicht um das Baby, es geht um Sie. Wir machen uns Sorgen", erklärte der Arzt und John hatte diese Worte erwartet, allerdings nicht damit gerechnet, dass seine Emotionen dabei gleich überhand schlugen.
Es schmerzte noch immer, wenn er auf seinen Verlust angesprochen wurde und er fragte sich, ob dieses Gefühl jemals vergehen würde. Wahrscheinlich brauchte es einfach Zeit und diese hatte er bisher noch nicht zur Genüge gehabt.
Es war richtig, dass sich Beckett und Teyla Sorgen machten, aber er fühlte sich jetzt nicht in der Lage dieses Thema ausführlich mit dem Arzt zu besprechen. Er wollte seine Gefühle nicht in Worte fassen, sie dann realisieren und eventuell auch noch verteidigen müssen. Das würde alles noch kommen, Schritt für Schritt. Dass er Jemmy nach dem Besuch bei Elizabeths Grab nun besser annehmen konnte war für ihn ein Zeichen der Besserung und der Rest würde sich von selbst ergeben, so hoffte er es zumindest.
"Es ist richtig, dass Sie sich Sorgen machen, Carson und ich kann Ihnen dafür im Namen von Jemmy danken, aber diese Sorgen sind inzwischen unbegründet", sagte er und blickte auf. "Ich hatte Probleme, das stimmt. Alles an Jemmy erinnert mich an Elizabeth und damit konnte ich anfangs nicht umgehen", fügte er hinzu und legte damit einen Teil seiner Gefühlswelt dar. Es tat weh, es auszusprechen, aber andererseits sagten viele Psychologen, dass es auch heilsam war.
Carson nickte und wartete ab, ob John noch etwas sagen würde, doch dieser schwieg und so ergriff er selber das Wort.
"Als Sie mir Jemmy gegeben haben, haben Sie erwähnt, dass Sie nicht wissen, warum ich ihn nach Elizabeths Tod sofort in Ihre Obhut gegeben habe", begann er und John nickte seufzend. Er erinnerte sich nicht gerne an diese Szene, denn zu diesem Zeitpunkt hatte er Jemmy unter allen Umständen loswerden wollen, um das Geschrei nicht länger ertragen zu müssen.
"Ich hab' es getan, um Ihnen zu zeigen, dass es da noch jemanden gibt, der Sie braucht und dass Sie nicht aufgeben dürfen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie schwer es ist, die eigene Frau zu verlieren und Sie machten auf mich den Eindruck, als wollten Sie von nichts mehr etwas wissen. Eine normale Reaktion, aber sie hätte vielleicht den Effekt erzielt, dass sie sich von ihrem Kind zurückziehen und das Baby braucht Sie, jetzt mehr denn je", erklärte Beckett und John schluckte, senkte den Blick und auch wenn er mit Becketts Aktion damals nicht einverstanden gewesen war, musste er einsehen, dass der Arzt Recht hatte.
"Jemmy erinnert Sie an Elizabeth und das schmerzt Sie. Vielleicht können Sie ihn aber bald anschauen, Ähnlichkeiten mit Elizabeth feststellen und sich darüber freuen", merkte Beckett an, beugte sich etwas vor und strich Jemmy über die Wange. Der Kleine, nun wieder munterer, blickte ihn mit großen Augen an und wedelte mit den Ärmchen durch die Luft.
John hauchte ihm einen Kuss auf das kleine Köpfchen und war froh, den kleinen Körper in seinen Armen halten zu können. Es gab ihm auf gewisse Art und Weise Kraft, die er brauchte.
"Wenn Sie möchten, können Sie auch Dr. Heightmeyer aufsuchen und mit ihr sprechen", schlug Beckett vor, aber John schüttelte den Kopf.
"Es wird schon, ich brauche nur Zeit", sagte er und Beckett nickte. "Ich denke, dass es besser werden wird, es ist schon besser geworden."
"Das freut mich zu hören", sagte Carson und war erleichtert. Johns Umgang mit dem Baby schien vertrauter und liebevoller als die letzte Zeit und vielleicht war es wirklich ein Anfang. Es brauchte einfach Zeit, da hatte Sheppard Recht.
"Wie geht es dem Kleinen sonst so?", wollte Beckett schließlich wissen und John blickte erneut nach unten zu seinem Baby.
"Alles bestens mit ihm. Er schläft gut, trinkt gut und scheint soweit fit", antwortete er und Carson nickte. John senkte ein wenig den Kopf und verzog dann das Gesicht. "Und eine volle Windel hat er auch schon wieder", fügte er hinzu und grinste schief, gefolgt von dem Lachen des Arztes.
"Ich werd ihn wickeln gehen", sagte John, rümpfte kurz die Nase und stand auf.
Carson nickte, strich Jemmy noch einmal zum Abschied über die Wange und widmete sich dann John.
"Nehmen Sie sich die Zeit, um über alles hinwegzukommen. Notfalls gibt es immer noch Dr. Heightmeyer oder Sie kommen zu mir oder Teyla", schlug Beckett vor und John nickte dankend.
"In Ordnung", meinte er und verabschiedetet sich, bevor er mit Jemmy die Krankenstation verließ und in Richtung Quartier lief, um die Windel zu wechseln.

***

John lief gerade um die letzte Ecke in Richtung zu seinem Quartier, als er beinahe in Teyla hineingerannt wäre, die von der anderen Seite gekommen war.
Überrascht wichen sie einen Meter zurück und John hatte den protestierenden Jemmy näher an sich gedrückt.
"Hallo", grüßte Teyla, nachdem sie erkannt hatte, in wen sie gerade fast hineingelaufen wäre und lächelte Jemmy strahlend an. Der Kleine sah wieder einmal zauberhaft aus und sie machte eine fragende Geste in Richtung Kind, die John sofort verstand. Er übergab ihr das Baby und sie gab Jemmy einen kleinen Kuss auf die Wange.
"Na, kleiner Mann", flüsterte sie ihm zu und er schaute sie aus großen Augen neugierig an. Schließlich stieg ihr der Geruch der vollen Windel in die Nase und sie rümpfte wie John selbst zuvor die Nase.
"Da muss jemand aber dringend gewickelt werden", stellte sie fest und John nickte grinsend.
"Auf jeden Fall", stimmte er ihr zu und gemeinsam legten sie die letzten Meter zu seinem Quartier zurück.
Dort angekommen nahm John Teyla das Baby wieder aus den Armen, um endlich die volle Windel zu wechseln. Jemmy ließ die Prozedur protestlos über sich ergehen und wurde schlussendlich wieder in Teylas Hände übergeben, damit John die Windel entsorgen konnte.
"Ich wollte dich fragen, ob du mit mir frühstücken gehst?", fragte Teyla und John nickte nach kurzem Überlegen.
"Gerne, etwas zu essen wäre nicht schlecht", meinte er und Teyla lächelte.
"Braucht Jemmy etwas? Ein Fläschchen?", wollte sie wissen, doch John schüttelte den Kopf.
"Wir sollten nur die Babytrage mitnehmen, du willst ihn sicher nicht die ganze Zeit über in den Armen halten", sagte er und lief noch einmal ins Kinderzimmer, um die Trage zu holen.
Er nahm Teyla Jemmy erneut ab und setzte den Kleinen in die Trage. Jemmy begann interessiert an seiner Faust herumzukauen und schien das kleine Kuscheltier nicht zur Unterhaltung zu brauchen, mit dem John vor seinem Gesicht leicht hin und her wedelte. Er legte es einfach in Jemmys Schoß und hob die Trage anschließend hoch.
"Wir können", sagte er und Teyla nickte erfreut.

***

In der Kantine angekommen standen sie vor einer Auswahl mehrerer Speisen und John entschied sich für ein Ei, zwei Toasts und eine Tasse Kaffee. Teylas Frühstück bestand aus Müsli und gemeinsam suchten sie sich einen freien Tisch.
Jemmy wurde auf einem dritten Stuhl abgestellt und war noch immer darin vertieft, an seinen Fingern herumzukauen.
Teyla widmete sich ihrem Frühstück und ließ ihren Blick einen Moment auf John ruhen. Sie schien sich zu überlegen, ob sie die Worte, die ihr auf der Zunge lagen, nun aussprechen sollte oder nicht. Sie entschied sich schließlich dafür und räusperte sich kurz.
"Hat Dr. Beckett mit dir gesprochen?", fragte sie und John blickte von seinem Teller auf. Er schien nicht sonderlich überrascht über diese Frage, anscheinend hatte Beckett ihm gesagt, dass auch sie sich Sorgen machte und an der Bitte um ein Gespräch nicht ganz unbeteiligt gewesen war.
"Ich kam gerade von der Krankenstation, als du fast in mich hinein gelaufen wärst", antwortete er und trank einen Schluck Kaffee. "Er sagte, dass auch du dir Sorgen machst", sagte er dann und sie nickte.
"Ja, deswegen habe ich mit Dr. Beckett gesprochen. Ich wollte dir nicht zu nahe treten und dachte, dass es für dich vielleicht nicht so schwer ist, wenn ein Arzt mit dir spricht", erklärte sie und John senkte seinen Blick wieder kurz auf seinen Teller.
"Es war okay", sagte er schließlich und schwieg ein paar Sekunden, ehe er fortfuhr. "Ich kann eure Sorgen mittlerweile verstehen, aber ich kann dir versichern, dass sie jetzt unbegründet sind. Das hab' ich auch Beckett gesagt. Es ist noch immer schwer, vor allem weil Jemmy mich sehr an Elizabeth erinnert, aber es ist schon besser geworden und ich bin zuversichtlich, dass es auch weiterhin bergauf geht", offenbarte er ihr und ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.
"Es freut mich sehr, das zu hören", sagte sie und wirkte erleichtert. "Du weißt, dass wir immer für dich da sind."
John nickte und war froh, das zu hören, obwohl er sich ihrer Freundschaft und Unterstützung auch so sicher gewesen wäre. Sie war ihm nach Elizabeths Tod die größte Stütze gewesen und er war ihr sehr dankbar dafür.
"Das weiß ich zu schätzen", antwortete er schließlich und versuchte all seine Dankbarkeit in diese Worte zu legen. Es schien zu funktionieren, denn sie lächelte ihn erfreut an.
"Es ist mir vieles klar geworden in letzter Zeit. Vor allem als ich Elizabeths Grab besuchte", sagte er und senkte den Blick. Er hatte das Bedürfnis es ihr zu erzählen und er wusste, dass sie ihm ohne Wenn und Aber zuhören würde. "Nach Elizabeths Tod hat mich Jemmy ziemlich überfordert und ich habe mir manchmal gewünscht, dass ich ihn einfach hergeben könnte und Schluss. Das klingt hart und es tut mir mittlerweile Leid", offenbarte er ihr und sie blickte ihn voller Verständnis an. Eigentlich hatte er auch nichts anderes erwartet, sie war der verständnisvollste Mensch, dem er jemals begegnet war.
"Du darfst dir deswegen keine Vorwürfe machen. Du hast deine Frau verloren, dass man dadurch in ein Loch fällt finde ich nachvollziehbar. Dr. Beckett wollte dir durch Jemmy zeigen, dass dich noch jemand braucht und auf dich angewiesen ist. Es war vielleicht die harte Tour, aber ich denke, es war richtig", antwortete Teyla und John nickte.
"Ich weiß", meinte er und verzog kurz das Gesicht. "Es war wirklich hart, aber es hat gewirkt. Ich vermisse Elizabeth nach wie vor und es schmerzt mich, wann immer ich an sie denke, aber es ist nicht mehr ganz so schlimm wie am Anfang."
"So etwas braucht Zeit. Deine Wunden sind noch frisch. Das Wichtigste ist, dass du Elizabeths Tod verarbeitest. Und dass du Jemmy anschauen kannst und er dich zwar an sie erinnert, du aber keinen Schmerz, sondern Freude empfindest", sagte Teyla und legte ihm ihre Hand auf den Arm. "Du hast den ersten Schritt schon getan. Deine Liebe zu Jemmy ist gewachsen."
John nickte erneut und ließ seinen Blick zu Jemmy wandern, der neugierig all die Leute beobachtete, die in seiner Umgebung saßen und ihr Frühstück zu sich nahmen.
"Ja, bei Elizabeths Grab … da hat es irgendwie ‚Klick' gemacht und ich hatte das Bedürfnis, ihn sofort in die Arme zu nehmen." John streckte die Hand aus und strich seinem Sohn sanft über die Haare und anschließend über die Wange, was ihm ein zahnloses Grinsen des Babys einbrachte. Er musste lachen und das Bedürfnis Jemmy zu halten stieg erneut in ihm auf, weswegen er den Kleinen aus seinem Sitz befreite und auf den Arm nahm.
Teyla beobachtete die Szene und schenkte ihm ein zufriedenes Lächeln. Sie schien froh zu sein, dass er Jemmy nun endlich näher an sich heran ließ und er selbst war das ebenfalls. Es fühlte sich so an, als wären sie nun langsam ein kleines Team und er konnte nicht sagen warum, doch er fühlte sich dadurch stärker.
Er drücke Jemmy einen Kuss auf das Köpfchen und angelte mit einer Hand nach einem Toast auf seinem Teller.
"Vielleicht würde es dir auch helfen, wenn du Jemmy einmal mit zu Elizabeths Grab nimmst? Mein Volk nimmt die Kinder, so klein sie auch sind, mit zu dem Grab eines verstorbenen Elternteils. Ich kann es nicht selbst nachempfinden, aber ich hatte den Eindruck, dass es den Trauernden dadurch besser ging", erzählte Teyla und hoffte, dass ihr Vorschlag ihm helfen würde. Es ging ihm mittlerweile schon besser und auch wenn er noch lange nicht über Elizabeth hinweg sein und sie sicherlich niemals vergessen würde, konnte das Beisammensein ihrer Meinung nach helfen, auch wenn es am Grabe der verstorbenen Person stattfand.
John schien über ihre Worte nachzudenken und das reichte ihr. Es hatte lediglich ein kleiner Denkanstoß sein sollen, was daraus wurde, war seine Sache und sie wollte sich nicht einmischen oder ihn unbewusst zu etwas drängen, was ihm vielleicht nicht gut tat. Aus diesem Grund wechselte sie nur Sekunden später wieder das Thema.
"Vielleicht hilft es dir, denk darüber nach", sagte sie und drückte kurz seine Hand, was er mit einem Lächeln quittierte. "Was hast du heute noch vor?", fragte sie dann und widmete sich ebenfalls mit Heißhunger ihrem Frühstück.
"Ich weiß nicht genau, ich werde wohl noch ein paar liegen gebliebene Berichte durchgehen", meinte er und zuckte mit den Schultern. "Alles in allem nicht viel. Vielleicht geh' ich mit Jemmy auch noch eine Runde spazieren. Und du? Fliegst du heute wieder zu deinem Volk?", fragte er, dankbar für den Themawechsel. Elizabeths Grab war eine sehr wunde Stelle für ihn und er wollte nicht öffentlich darüber nachdenken, ob ein Besuch zusammen mit Jemmy ihm ein wenig den Schmerz nehmen und die Wunden heilen lassen würde. Er hatte später noch genügend Zeit, um darüber nachzudenken. Teyla nickte als Antwort auf seine Frage und ein Lächeln erschien auf ihren Lippen, als sie an ihr Volk dachte.
"Ich bringe ein paar medizinische Geräte auf's Festland, dann muss bei Kleinigkeiten nicht immer ein Arzt von Atlantis rüber fliegen und meine Leute können sich so gut es geht selbst versorgen", antwortete sie und ein angeregtes Frühstücksgespräch begann.

***


Eine dreiviertel Stunde später hatte John sein Frühstück mit Teyla beendet und war mit Jemmy in sein Quartier zurückgekehrt. Der Kleine war in seinem Sitz eingeschlafen und John hatte die Rückenlehne einfach ein wenig nach hinten geklappt, damit Jemmy es so komfortabel wie möglich hatte. Nun aber nahm er das Baby aus dem Sitz heraus und legte es in das Kinderbett. Dort konnte der Kleine in Ruhe und vor allem bequemer schlafen.
Jemmy streckte im Schlaf die Ärmchen aus und John ergriff eine kleine Hand, deren Finger sich sofort um seine schlossen. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht und er musterte seinen Sohn eingehend. Die Ähnlichkeit mit Elizabeth ließ ihn wieder etwas melancholisch werden und dennoch hoffte er, dass diese mit den Jahren nicht aus Jemmys Gesicht verschwinden würde.
Sachte löste er sich von Jemmys Hand, strich ihm noch einmal über die Wange und setzte sich dann an seinen Schreibtisch, von dem er einen guten Blick in das Kinderzimmer hatte. Er nahm den ersten Bericht zur Hand und seufzte, als er entdeckte, dass er vom Labor kam, einem Arbeitsbereich, in dem er sich überhaupt nicht auskannte. Still verfluchte er die Bürogesetze, die vorsahen, dass so etwas gelesen und abgezeichnet sein musste. Er war versucht, einfach so seine Unterschrift darunter zu setzen, musste aber einsehen, dass er über den wissenschaftlichen Fortschritt informiert sein sollte, auch wenn er das meiste nicht richtig verstand.
Seufzend streckte er die Beine aus und versuchte sich in den von Laborergebnissen gespickten Artikel hineinzulesen, doch es wollte ihm nicht so recht gelingen. Seine Gedanken wanderten immer wieder zu Jemmy und Elizabeth und nach einem weiteren Versuch gab er auf und legte den Bericht zurück auf den Schreibtisch. Es hatte keinen Wert, er musste es später noch einmal probieren.
Ein leises Babbeln erklang, gefolgt von einem kindlichen Quietschen und John musste nicht nachschauen, um zu wissen, dass Jemmy aufgewacht und voller Tatendrang war. Mit einem Lächeln im Gesicht stand er auf und ging ins Kinderzimmer, die Augen auf seinen Sohn gerichtet, der wild mit den Armen in der Luft herumfuchtelte.
Er beugte sich über das Bettgitter und Jemmy hielt in seinen Bewegungen inne, als er ihn entdeckte. Ein zahnloses Lächeln erschien und John nahm den Kleinen in die Arme und hob ihn hoch.
"Na, wieder wach?", fragte er leise und ging er mit seinem Sohn in die Küche und richtete ein Fläschchen. Jemmy hatte noch nicht begonnen zu weinen, doch er wand sich unruhig auf den Armen von John und dieser wusste, dass ein erster Schrei nicht mehr lange auf sich warten ließ.
Bevor Jemmy aber die Gelegenheit hatte seinen Hunger lauthals in die Welt zu brüllen, gab ihm John die Flasche und ein leises Sauggeräusch erklang. Selig schloss das Baby die Augen und ein Lächeln huschte über Johns Gesicht, das jedoch erstarrte, als sein Blick auf ein Bild von Elizabeth fiel, das an der Küchenwand hing. Eine Sehnsucht stieg in ihm hoch und er wünschte sich, sie in den Arm nehmen zu können, doch das war nicht möglich. Wie gern würde er ihr sagen, dass er sie liebte und dass er sie vermisste, sie würde es nur nie hören. Sein Blick blieb auf dem Bild haften und ihm kamen die Worte von Teyla wieder in den Sinn. Vielleicht half es ihm, wenn er mit Jemmy ihr Grab besuchte und an ihrer letzten Ruhestätte ein wenig Rast machte, vielleicht fühlte er sich dann nicht mehr ganz so einsam. Er hätte Jemmy dabei und wäre nicht allein. Die Sehnsucht nach Elizabeth wuchs an und er wusste keinen anderen Ort, als ihr Grab, um ihr möglichst nahe zu sein. Er hoffte, dass sich dieses Gefühl irgendwann ändern würde und er sich ihr überall nahe fühlen konnte, egal wo er gerade war.
Jemmy bekam von dem Zwiespalt nichts mit und nuckelte weiter friedlich an der Flasche, während John in Gedanken die Sachen notierte, die er für einen kleinen Ausflug mit seinem Sohn brauchte. Seine Gefühle drängten ihn zu ihrem Grab und er wollte sich ihnen nicht entgegen stellen, sondern ihnen folgen.
Er begann sich langsam einige Dinge zusammenzusuchen, angefangen bei der Babytragetasche. Es folgten ein kleines Spielzeug, eine Decke und eine weitere Flasche, falls Jemmy erneut Hunger bekommen würde.
Ein ‚Plopp' erklang und Jemmy hatte den Saugknopf mit der Zunge aus seinem Mund befördert. John stellte die Flasche beiseite, legte sich das Baby an die Schulter und wartete, bis ein leises Bäuerchen zu hören war. Anschließend zog er dem Kleinen eine Jacke an und bugsierte ihn in die Tragetasche. Jemmy verzog kurz das Gesicht, beruhigte sich aber sofort wieder, als John ihm ein kleines Spielzeug gab. Er legte noch die Decke über die Beine des Babys und nahm dann alles hoch, bevor er sein Quartier verließ und in Richtung Jumper Hangar lief.

***

Auf dem Weg zu den Jumpern meldete er sich per Funk im Kontrollzentrum ab, gab aber keinen genaueren Grund an, was auch nicht verlangt wurde.
Bei den Jumpern angekommen stieg er in den ersten und startete alles per Gedankenkontrolle. Bevor er los flog befestigte er die Babytragetasche samt Baby auf dem Sitz des Copiloten und kontrollierte, dass auch alles fest saß.
Als er sich davon überzeugt hatte, machte er es sich auf seinem Sitz bequem und ließ den Jumper langsam in die Höhe gleiten. Es dauerte nicht lange und sie schwebten über Atlantis; der Anblick raubte ihm auch nach drei Jahren immer noch schier den Atem. Er genoss den Augenblick einen Moment, ehe er in Richtung Festland steuerte und beschleunigte.
Der Flug dauerte knappe 20 Minuten und John hatte sich in Gedanken versunken in den Sessel sinken lassen. Er verspürte ein nervöses Kribbeln in sich, das er auch gestern verspürt hatte, als er zu Elizabeth auf das Festland geflogen war. Es wollte nicht verschwinden, egal wie tief er ein- und ausatmete. Stattdessen verstärkte es sich noch, je näher sie kamen. Inzwischen konnte er schon die Umrisse des Landes erkennen und er wechselte vom Autopiloten auf manuell. Die letzten Meter legte er immer am liebsten selbst zurück. Der Jumper begann über das Festland zu fliegen und John konnte bereits die Lichtung erkennen, auf der Elizabeth beerdigt worden war. Es war wie am Tag zuvor ein komisches Gefühl zu ihrem Grab zu fliegen und er musste schwer schlucken, um das Gefühl des Verlustes zu unterdrücken.
Sachte steuerte er auf die grüne Wiese und setzte dann zur Landung an. Ein leichtes Rumpeln war zu hören und ein kleiner Ruck zu vernehmen und schon stand der Jumper auf der Erde. John schaltete ihn ab und öffnete die Luke. Angenehm warme Luft umhüllte ihn und ein Geruch von frischen Gräsern und Blüten strich ihm um die Nase. Er liebte die Natur und es hätte keinen friedlicheren Ort für Elizabeths Grabstätte geben können.
Jemmy brabbelte vor sich hin und John hob ihn in seiner Tragetasche hoch, um anschließend den Jumper zu verlassen und durch die Wiese in Richtung Grab zu laufen. Es war schwerer, als er erwartet hatte und sein Herz pochte unangenehm hart in seiner Brust. Dennoch wollte er es hinter sich bringen und festen Schrittes lief er durch das Gras, das an seinen Schuhen streifte, bis er vor dem kleinen Grabstein stand, auf dem Elizabeths Name und ihr Todesdatum stand.
John stellte Jemmy auf dem Boden ab und ging neben ihm in die Knie, spürte erste Tränen in sich aufsteigen. Es war schwer, doch es war ihm klar gewesen, dass so etwas nie einfach sein würde.
Vorsichtig strich er über den Grabstein, als hätte er Angst, etwas kaputt zu machen. Er fuhr mit der Fingerspitze über ihren Namen und flüsterte leise ein "Ich liebe dich.", bevor er die Hand wieder sinken ließ.
Vielleicht konnte er eines Tages hier her kommen ohne mit den Tränen kämpfen zu müssen, ohne einen schmerzhaften Stich im Herzen zu verspüren und ohne das Gefühl zu haben einen unsagbar schweren Verlust erlitten zu haben. Er hoffte es.
"Ich habe unseren Sohn dabei", sagte er schließlich und ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht, als er zu Jemmy sah, der ruhig in seiner Tragetasche saß und interessiert die Umgebung musterte.
Johns Freude wurde getrübt, als er daran dachte, dass Elizabeth niemals miterleben würde, wie Jemmy wachsen und älter werden würde. Er strich dem Baby über das weiche Köpfchen und sah dann wieder auf den Grabstein.
"Laut Carson entwickelt er sich prächtig", sagte er und fühlte erneut das Verlangen ihr von Jemmy zu erzählen, auch wenn sie es nicht mehr direkt hören konnte. Es half ihm und vorsichtig schnallte er den Kleinen aus seiner Tasche und nahm ihn in den Arm.
"Er hat einen gesunden Appetit", meinte John und genoss es das Gewicht des Babys auf dem Arm zu spüren. "Die Augen hat er definitiv von dir, die Haare allerdings von mir", fuhr er fort und seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als er die Haare seines Sohnes betrachtete.
Er drückte ihn leicht an sich und ein Schweigen entstand, da John seine Gedanken mit dem kaum wahrnehmbaren Wind dahinschweifen ließ.
Überlegungen bezüglich der Zukunft unterdrückte er, bevor sie sich den Weg an die Oberfläche suchen konnten. Er wollte nicht darüber nachdenken, es war einfach noch zu schmerzhaft zu akzeptieren, dass Jemmy ohne Mutter aufwachsen musste und dass er nun alleinerziehender Vater war. Früher oder später musste er sich genauer damit befassen, aber der passende Zeitpunkt war noch nicht gekommen.
"Du fehlst mir", murmelte er leise in die Stille des Tages hinein und ein Seufzen drang über seine Lippen. "Egal wo ich bin, du fehlst mir."
Das Gefühl des Verlustes stieg wieder in ihm hoch, dennoch fühlte er sich aber auch auf eigenartige Weise gestärkt. Es tat gut, hier zu sitzen, mit Jemmy auf dem Arm und gewisse Dinge zu sagen, beziehungsweise darüber nachzudenken. Es war ein Anfang. Der Anfang eines langen Weges, den er gehen musste und er nahm sich vor, ab sofort öfters mit Jemmy an diesen Ort zu kommen, um eben dies zu schaffen. Er fühlte sich nicht mehr ganz so verloren, wie noch vor einigen Tagen und betrachtete das als gutes Zeichen.
"Wir werden es schaffen, Elizabeth", sagte er und war sich sicher, dass sie sich eben dies gewünscht hätte. "Es wird nicht einfach ohne dich. Es ist nicht einfach ohne dich", fügte er hinzu und legte sich Jemmy an die Schulter, da der Kleine unruhig in seinen Armen zappelte. Das Baby gab leises Gebrabbel von sich, wurde aber wieder ein wenig ruhiger.
John nahm sich vor, die nächsten Monate so zu nehmen wie sie kamen und darauf hinzuarbeiten, Elizabeths Tod zu verarbeiten und Jemmy ein guter Vater zu sein. Etwas anderes hatten sowohl Jemmy als auch Elizabeth nicht verdient, sagte er sich im Stillen und genoss die Ruhe, die die Abgeschiedenheit dieses Ortes heraufbeschwor.
Das Baby vergrub eine kleine Hand in seinem Haar und John hauchte einen Kuss auf Jemmys Köpfchen, froh darüber, dass er sich an seinem Sohn nun endlich so erfreuen konnte, wie sich ein Vater an seinem Kind erfreuen sollte.
"Wir schaffen es, nicht wahr, kleiner Mann?", fragte John leise und betrachtete den Grabstein vor sich, fixierte Elizabeths Namen und Erinnerungen an sie wurden wach, die er dieses Mal nicht unterdrückte. Stattdessen ließ er ihnen die Oberhand und viele Bilder von seiner Frau erschienen vor seinem inneren Auge.
Es war ein Anfang.

~ ENDE ~
Diese Geschichte wurde archiviert am http://stargatefanfic.de/viewstory.php?sid=554