Mr. Nobody by Lenari
Summary: Jack mal ganz ohne Erinnerungen. Da ist Ärger vorprogrammiert…
Categories: Stargate SG-1 Characters: Daniel Jackson (SG-1), Jack O’Neill (SG-1), Multi-Chara
Genre: Friendship, General
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 1 Completed: Ja Word count: 11990 Read: 2541 Published: 29.04.14 Updated: 29.04.14

1. Kapitel 1 by Lenari

Kapitel 1 by Lenari
Mr. Nobody


ls Colonel Jack O’Neill auf den großen Parkplatz des Cayenne-Mountain hinaustrat, goss es bereits in Strömen. Leise fluchend rannte er unter dem Schutz seiner Lederjacke zum Auto. Er hatte auch nichts anderes erwartet als das. Sein einziges freies Wochenende in diesem Monat und ausgerechneten dann musste es regnen. Nicht nur ein paar Tropfen - nein, ganze Eimer wurden auf einmal abgeladen. Zu allem Überfluss trat er auch noch in eine Pfütze, die sich ausgerechnet vor seinem Auto bilden musste und ließ den Autoschlüssel fallen, als er diesen ins Schloss stecken wollte.

„So ein verdammter Mistdreck!“, murmelte er griesgrämig in sich hinein. „Heute hat wohl jemand etwas gegen mich.“

Nachdem er endlich im Wagen saß, wo der Regen ihn nicht mehr erreichen konnte - was keine Rolle mehr spielte, denn er war total durchnässt - startete er diesen. Na ja, zumindest versuchte er es. Geschlagene sieben Mal ging der Wagen wieder aus, ehe er bereit war, seinen Dienst anzutreten. Natürlich streikte die Batterie ausgerechnet heute. Das bedeutete für ihn, dass er ohne Radio und Heizung nach Hause fahren und morgen sofort eine Ersatzbatterie besorgen musste. Also konnte er die Fahrt nach Minnesota abblasen.

Ich hasse Regen!

Am Tor kam dann die nächste Überraschung. Er hatte nicht nur seinen Ausweis, sondern auch seine Brieftasche in der Basis gelassen. Man kannte ihn hier, also war es nicht so schlimm, dass er den Ausweis vergaß, aber seine Briefta-sche... Seine Papiere waren darin, sein Geld, seine Kreditkarten, sein Personalausweis, einfach alles. Wenn er angehal-ten werden sollte, dann würde er die Nacht wahrscheinlich auf der Wache verbringen. Eigentlich konnte er gut auf so et-was verzichten, doch wer würde bei diesem Wetter schon freiwillig Autos kontrollieren. Also fuhr er nicht noch einmal zu-rück.

Ich bin ja nicht verrückt!

Er verabschiedete sich von dem Pförtner und bog in die verlassene Landstraße ein. Die Sicht war praktisch gleich Null. Seine Scheibenwischer arbeiteten auf Hochtouren, konnten den Wassermassen jedoch nicht standhalten. Letztend-lich gab Jack es auf, dagegen anzukämpfen und schaltete sie ab. Es brachte eh nichts, war nur Verschwendung von Energie, die er sowieso nicht mehr hatte.

Plötzlich knurrte sein Magen und er hatte natürlich nicht daran gedacht, sich noch etwas aus der Kantine mitzuneh-men. Er bekam beim Fahren doch immer Kohldampf. Dann erinnerte er sich, dass er noch einen Schokoriegel im Hand-schuhfach hatte und öffnete dieses. Zur selben Zeit fuhr er über eine Erhebung auf der Straße und der Inhalt des kleinen Fachs verteilte sich über den Beifahrersitz und den Boden.

Das hat mir gerade noch gefehlt!

Die Straße war so gut wie unbefahren, also achtete er für einen Augenblick nicht auf die Straße, als er nach der Sü-ßigkeit suchte. Als er dann wieder den Blick nach vorne richtete, befand sich sein Fahrzeug bereits auf der anderen Fahrspur und ein Auto kam ihm wild hupend entgegen. Den Bruchteil einer Sekunde war Jack wie erstarrt, dann riss er reflexartig das Lenkrad herum, was ein fataler Fehler gewesen war. Durch die nasse Fahrbahn geriet der Wagen ins Schleudern, kam von der Straße ab und stürzte einen Abhang hinunter.

Jacks Jeep überschlug sich etliche Male, wobei der Colonel mit voller Wucht mit dem Kopf gegen das Lenkrad prall-te, da sich der Airbag nicht öffnete. Die Front-, Heck- und Seitenscheiben zersprangen oder rissen zumindest. Letztend-lich kam sein Fahrzeug an einem massiven Baumstamm, gegen den es mit dem Dach prallte, zum Erliegen. O’Neill hing bewusstlos in seinem Sitz, nur gehalten von seinem Sicherheitsgurt. Blut sickerte aus einer Platzwunde an seiner Stirn und verteilte sich über sein Gesicht.

Regen drang durch die zersplitterte Seitenscheibe ins Innere. Der Halter des anderen Fahrzeuges hatte abgebremst und lief nun auf den Unfallwagen zu, um nach Jack zu sehen. Als er bemerkte, dass dieser ohnmächtig war, rief er einen Krankenwagen, welcher auch zehn Minuten später eintraf. Die Fahrertür war stark deformiert und musste aufgehebelt werden, wodurch weitere Minuten vergingen, in denen man nicht wusste, ob Jack noch lebte. Erst dann gelang es den Sanitätern Colonel O’Neill aus seinem Wagen zu holen, ihn zu stabilisieren und ihn dann in das nächste Krankenhaus zu bringen.

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Drei Stunden später klingelte bei Doktor Daniel Jackson das Handy. Es war mitten in der Nacht, Daniel hatte bereits geschlafen, doch als er hörte, was passiert war, war er auf einen Schlag hell wach. Die Polizei hatte, da er keine Papiere bei sich hatte, durch sein Autokennzeichen seinen Namen und seine Versicherung, bei welcher die im Falle eines Unfalls zu benachrichtigenden Person angegeben war, herausgefunden.

Sofort machte er sich von zu Hause aus auf den Weg ins Krankenhaus. Vorher sagte er jedoch noch Sam Bescheid, die zusicherte, dass sie sofort kommen würde. Diese war nämlich auch längst zu Hause und im Bett gewesen. Es war bereits fünf Uhr morgens, als beide endlich das Krankenhaus erreichten, doch niemand konnte ihnen sagen, wie es Jack denn nun genau ging.

„Wieso sagt uns denn niemand etwas?“, brauste Samantha Carter auf. „Irgendjemand muss doch etwas wissen.“

„Ich bin sicher, es geht ihm gut.“, versuchte Daniel sie beide zu beruhigen. „Jack ist zäh, der übersteht das schon. Den bringt doch nichts so schnell um.“

Sam nickte zögernd. Sie machte sich große Sorgen.

Verdammt, ich habe eine scheiß Angst!

Dass er im Kampf gegen die Goa’uld verletzt wird, das hätte sie noch verkraften können, doch nicht bei einem Auto-unfall. Das war heute auch wirklich nicht sein Tag gewesen. Zuviel war schief gegangen. Sie hatte ihn fragen wollen, ob er ihr nicht noch etwas Gesellschaft leisten könnte, ob er ihr nicht noch bei einem kleinen Problem helfen wollte, doch sie hatte sich nicht getraut. Dafür hätte sie sich jetzt ohrfeigen können.

Was wäre auch schon dabei gewesen?

Es war ja nicht so, dass er nicht ständig in ihrem Labor herumlungerte, mit ihrem Spielzeug - wie er es zu beschrei-ben pflegte - hantierte und sich mit Fachbegriffen bombardieren ließ, die er nicht einmal verstand. Außerdem waren sie Freunde, ein Team. Sie hockten doch ständig aufeinander. Nicht nur in der Basis, sondern auch in ihrer Freizeit.

Was, wenn sie ihn nicht retten können?

Sie hätte nie mehr die Gelegenheit, ihm abzusagen, wenn er sie fragte, ob sie nicht Lust hätte, mit ihm nach Minne-sota zu fahren. Oder gar zuzusagen? Würde sie das wirklich fertig bringen? Das könnte doch alles zwischen ihnen ver-ändern, vielleicht sogar alles zerstören. Es war längst zu einer Art Ritual geworden, dass er sie fragte und sie dankend ablehnte, danach könnte es aufhören.

Er wird vielleicht nie wieder fragen?

Konnte sie das wirklich riskieren? Vielleicht ging er dann auch davon aus, dass sie immer wieder mitkommen würde, was sie durchaus nicht vorhatte. Oder doch? Sie wusste es nicht. Alles war so unklar. Sie wusste ja nicht einmal, wie es ihm ging. Schmerzlich erinnerte sie das an ihre Mutter. Sie war auch bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als Sam gerade einmal dreizehn gewesen war. Nie hatte sie diesen Verlust ganz verkraftet.

Es war einfach zu schmerzhaft gewesen. Sie wollte nicht an diese Zeit zurückdenken, doch die Erinnerungen überfie-len Sie einfach. Frustriert fuhr sie sich durchs Haar. Vergeblich versuchte sie, die Bilder zu verdrängen - wie sie in der Küche stand, ihr Vater das Haus betrat, sie mit gequälten Augen ansah und ihr die schmerzliche Nachricht unterbreitete. Tränen standen ihr plötzlich in den Augen, doch sie wollte nicht weinen.

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„Was, wenn nicht?“, kam es als nicht mehr als ein Flüstern von Carter.

Daniel entgegnete zuversichtlich: „Ich bin überzeugt, er wird es schaffen.“

Mitfühlend schloss er Sam in die Arme. Er spürte, dass es bei ihrer Trauer nicht nur um Jack ging, sondern auch um ihre Mutter. Er verstand ihren Schmerz, schließlich hatte auch er seine Mutter verloren und auch noch seinen Vater.

Ich vermisse sie so!

Sie waren bei dem ums Leben gekommen, was sie neben ihm am Meisten geliebt hatten - der Archäologie. Vielleicht war er deswegen Anthropologe geworden, um ihnen näher zu sein, um zu verstehen, warum sie so voller Eifer ihrem Job nachgegangen waren und was sie ausgemacht hatte. Jeden Tag, wenn er aufwachte, schmerzte ihn die Erkenntnis, dass er den Beruf ausübte, der ihnen das Leben gekostet hatte. Der auch ihn umbringen könnte.

Dem ungeachtet erfüllte es ihn aber auch mit Stolz, denn sie hätten sich sicherlich über seine Berufswahl und seine jetzige Arbeit - Geschichte hautnah zu erleben - gefreut. Dieser Gedanke gab ihm die Kraft, jeden Morgen aufzustehen und sein Leben aufs Spiel zu setzten, um Erkenntnisse zu erlangen, die auf der Erde so verborgen geblieben wären. Aber nicht nur das, auch seine Freunde gaben ihm die Kraft dazu, so wie er ihnen den nötigen Willen schenkte. Zumin-dest hoffte er das.

Besonders Jack.

Dieser hatte es in seinem Leben nie leicht gehabt und das würde sich sicherlich auch nicht ändern. Charlies Tod hat-te ihn zu einem emotionalen Wrack gemacht, das bereit war, sich selbst zu vernichten. Doch nach ihrer ersten Begeg-nung hatte Jack die Kraft gefunden, weiter zu machen, mit seinem Verlust klarzukommen. Mit O’Neills Hilfe hatte auch Daniel es geschafft, Shau’ris Tod zu überwinden. Sie gaben sich gegenseitig Halt. Daniel konnte sich nicht vorstellen, wie es ohne den Colonel sein könnte.

Er würde wohl nie wieder einen Mann so nah an sich heranlassen - rein gefühlsmäßig, verstand sich - und niemand würde sich ihm gegenüber wieder so sehr öffnen, wie Jack es getan hatte. Sie hatten sehr viel Zeit und Mühe in ihre Freundschaft gesteckt, zumal O’Neill nicht grade leicht zugänglich war und auch seine sanfte Seite meist auf der Strecke blieb. Aber Daniel konnte sich nun wirklich nicht beklagen. Sie waren halt zwei vollkommen unterschiedliche Menschen.

Mich stört das nicht.

Ihm missfiel nur, dass es schon wieder ausgerechnet Jack treffen musste.

„Dr. Jackson?“, fragte eine Stimme hinter ihm und riss ihn so aus seinen Gedanken.

Daniel löste sich von Sam und drehte sich um. Ein junger Arzt stand vor ihm. Der Ausdruck in dessen Gesicht war sanft, fast kindlich, die Augen traurig. Daniel erschrak, als er das sah, und betete, dass es nicht wegen Jack war.

„Ja.“, antwortete er knapp.

„Ich bin Doktor Michael Morrison. Ich hatte Sie benachrichtigt.“

„Wie geht es Jack?“, wollte Sam mit bebender Stimme wissen.

Sie wollte nicht länger warten. Die Ungeduld hatte sie gepackt.

„Colonel O’Neill geht es den Umständen entsprechend gut. Er ist noch bewusstlos, müsste jedoch bald wieder zu sich kommen. Er hatte ausgesprochenes Glück. Obwohl sein Airbag sich nicht geöffnet hat, hat er nur eine schwere Ge-hirnerschütterung, zwei gestauchten Rippen, ein lädiertes Knie sowie einige Schürf- und Schnittwunden. Er musste wirk-lich einen Schutzengel gehabt haben, wenn nicht sogar zwei.“, erläuterte der junge Arzt.

„Können wir zu ihm?“, hakte Daniel nach.

„Im Moment nicht. Er braucht absolute Ruhe. Vorerst dürfen nur seine Familienangehörigen ihn besuchen. Ich hätte ihnen im Grunde nicht einmal sagen dürfen, wie es ihm geht, doch da er Sie als Ansprechperson aufgeführt hat, hielt ich es für angebracht, Ihnen wenigstens Bescheid zu geben.“, wandte Doktor Morrison ein.

„Wir sind seine Familie!“, erwiderte Sam aufgebracht. „Außer uns hat er doch niemanden.“

Sie begann zu schluchzen. Aber sie wollte nicht weinen. Daniel zog sie schützend an sich. Er hasste es, wenn es ihr schlecht ging.

„Jack hat weder Frau noch Kinder und seine Eltern sind tot. Alles, was ihn betrifft, betrifft auch das Militär. Wir sind vom Militär, also somit seine Familie.“, argumentierte Jackson, weil Sam es im Moment nicht konnte.

Genau das wollte Sam doch damit sagen.

Michael gab sich geschlagen: „Fünf Minuten, aber nicht länger. Sie können dann gerne heute Nachmittag wieder-kommen. Zimmer 506.“

„Danke.“, meinte Sam und wischte sich die Tränen von der Wange.

Daniel führte sie den Gang entlang zum Fahrstuhl und fuhr mit ihr in den fünften Stock. Sie blieben wirklich nicht lan-ge, da sie Jack einfach nicht aufwecken wollten. Er schlief doch so friedlich.

Wie ein kleiner Junge sieht er aus.

Das fand zumindest Daniel. Öfters hatte er schon zugesehen, wie Jack geschlafen hatte. Immer, wenn der Colonel es zu Hause nicht mehr ausgehalten hatte und ihn deswegen aus dem Bett holte. Dieser war dann auch ganz schnell wieder auf der Couch eingeschlafen, Daniel aber noch längere Zeit wach geblieben. Die Gesellschaft seines Freundes tat ihm einfach gut und umgekehrt schien es genauso zu sein. O’Neill hatte keine Alpträume, wenn Daniel da war, wach-te nachts nicht schweißgebadet auf und schrie sich nicht die Seele aus dem Leib.

Nicht immer, jedenfalls.

Jackson wusste, dass er das tat, wenn er alleine zu Hause war oder in seinem Quartier schlief. Nachts hörte er ihn des Öfteren brüllen oder wenigstens laut stöhnen, denn ihre Zimmer lagen genau nebeneinander. Auch, wenn sie in ih-ren Zelten auf anderen Planeten übernachteten, hörte er, wenn sein Freund Alpträume hatte. Die Tatsache, dass dieser nun ruhig schlief, stimmte ihn zufrieden. Es zeigte, dass es Jack gut ging.

Dass Daniel sich um seinen Freund keine Sorgen machen musste. So schlimm sah Jack auch gar nicht aus, doch der weiße Verband wirkte irgendwie fremd, genau wie die hellen Laken. Jack zog eher dunkle Bettwäsche vor. Jackson musste feststellen, dass er zu oft mit seinem Freund zusammen war. Er kannte O’Neill mittlerweile besser als sich selbst.

Aber ist das umgekehrt nicht genauso?

Sie verstanden sich halt blendend. So leise, wie sie gekommen waren, verließen sie das Krankenzimmer auch wie-der.

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Es war das qualvollste Erwachen, das Jack O’Neill jemals erlebt hatte. Zumindest nahm dieser das an. Er spürte krampfartige, rasende Schmerzen, die am Schlimmsten in seinem Kopf wüteten und von dort aus seinen ganzen Körper wie ein Geflecht aus Feuer durchzogen. Für Sekunden, vielleicht Minuten, wünschte er sich nichts sehnlicher, als in die schmerzlose, allumfassende Dunkelheit zurücksinken zu können, aus der er gekommen war. Das war jedoch eine Barmherzigkeit, die ihm verwehrt war.

Ich bin nicht allein.

Worte, die er nicht verstand, drangen wie aus weiter Ferne an sein Ohr, er spürte Berührungen, die - so sanft sie auch waren - die unvorstellbaren Schmerzen zu neuer Agonie anfachten. Es waren die Leute um ihn herum, die ihn aus der Dunkelheit geholt hatten, und nun verhinderten, dass er wieder dorthin zurückkehren konnte. Er wusste nicht, was geschehen war, nicht einmal, wer er selbst war, geschweige denn, um wen es sich bei den anderen handelte, aber er hasste sie.

Indem sie ihn zwangen, diese unerträglichen Qualen zu erleiden, wurden sie automatisch zu seinen Feinden. Er ver-suchte, die Augen zu öffnen, doch es gelang ihm nicht, die Schmerzen lähmten seinen Körper. Er konnte nicht einen einzigen Muskel bewegen, weil bereits jeder Ansatz dazu in seinem Leib brannte. So beschränkte er sich darauf, einfach nur dazuliegen und darauf zu warten, dass die Schmerzen irgendwann nachlassen würden.

Wer bin ich? Wie bin ich hier hergekommen? Wo befinde ich mich überhaupt?

Wo seine Erinnerungen sein sollten, gähnte nichts als eine schreckliche Leere. Nein. Es war keine Leere, sondern das genaue Gegenteil. Seine tastenden Gedankenfinger stießen auf einen Widerstand, als ob jemand eine massive Mauer um sein Gedächtnis herum errichtet hätte. Etwas berührte seine rechte Gesichtshälfte und gleich darauf wurde das rechte Augenlid angehoben. Licht aus einer winzigen Quelle stach wie ein gleißender Speer in seine Pupille.

„Er ist wach.“, vernahm er wieder eine Stimme und diesmal konnte er die Worte verstehen. „Aber er muss entsetzli-che Schmerzen haben. Es wird noch ein paar Sekunden dauern, bis das Mittel wirkt, dass ich ihm injiziert habe.“

Das grelle Licht erlosch und sein Augenlid wurde losgelassen, so dass es sich wieder schließen konnte. Erneut um-fing ihn Dunkelheit. Seine Feinde schienen für den Moment darauf zu verzichten, ihn weiter zu foltern.

Die Goa’uld...

Der Begriff tauchte plötzlich in seinem Bewusstsein auf. Er wusste nicht, woher das Wort stammte oder was es be-zeichnete. Die einzige Assoziation, die sich für ihn damit verband, war eine Verbindung zu den anderen:

Den Feinden!

Auch wenn er im Moment noch nichts damit anfangen konnte, bewahrte er es doch wie einen Schatz in seinem Be-wusstsein auf, wiederholte es in Gedanken wieder und wieder. Er spürte, dass es wichtig war, nicht nur von seiner Be-deutung her, sondern in erster Linie, weil es für ihn eine Art Anker darstellte, eine erste Verbindung zur Wirklichkeit.

Charlie...

Ein weiteres Wort, dass wie aus dem Nichts in seinem Bewusstsein auftauchte, mit dem sich jedoch ebenfalls kein Inhalt verband. Aber es war kein negativer Begriff, wie der zuvor, das spürte er. Dieser weckte angenehme Gefühle in ihm, aber auch Sehnsucht und Leid. Die Schmerzen ließen allmählich nach und er erwartete, dass er sich im gleichen Maße wieder an Namen und andere Worte erinnern könnte, doch diese blieben aus. Der Widerstand, die unsichtbare Barriere, die in seinem Kopf herrschte, blieb auch weiterhin massiv und unüberwindbar vor seinem geistigen Auge ste-hen, nicht gewillt, ihm nachzugeben.

„Charlie.“ , presste er kaum hörbar hervor.

Jemand beugte sich über ihn. Jack schaffte es, seine Augen unter großer Anstrengung einen Spalt zu öffnen, konnte jedoch nur verschwommen das Gesicht einer jungen Frau, Mitte dreißig, erkennen. Braune Augen stachen ihm entge-gen, ein seichtes Lächeln auf ihren weichen, vollen Lippen. Er kannte diese Frau, da war er sich sicher, doch konnte er unmöglich sagen, woher.

Ich erinnere mich nicht.

Bei Gott, er versuchte es, nichtsdestotrotz konnte er die Mauer nicht einreißen.

„Was?“, fragte sie sanft.

O’Neill wollte diesen einen flüchtigen Gedanken wiederholen, der sich ebenso wie der andere in sein Gehirn ge-brannt hatte, doch er brachte keinen Ton über die Lippen. Lediglich sein Mund bewegte sich. Kurz darauf schloss er wieder die Augen. Es war zu anstrengend, sie anzusehen, überhaupt sich zu bewegen. Es bereitete ihm Schmerzen und er wollte doch nur eins - schlafen. Er versank wieder in der Dunkelheit, aus der sein Bewusstsein vor nicht allzu langer Zeit aufgetaucht war. Die Schmerzen ließen nach, er spürte kein Feuer mehr, das sich durch seinen Körper fraß, kein reißendes Pulsieren mehr in seinem Kopf.

Ich kann schlafen!

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Jack war schon eine ganze Weile wach, doch machte er keine Anstalten, dies irgendjemanden wissen zu lassen.

Wem auch?

Er konnte sich schließlich an niemanden erinnern. Nicht einmal an seinen eigenen Namen. Er sah sich gründlich um. Draußen war es helllichter Tag. Das vom Licht durchflutete Zimmer wirkte riesig. Er fühlte sich hier fremd und verloren. Nichts war hier, das ihm bekannt vorkam, dass ihm sagen konnte, wer er war und wofür er sich interessierte. Es war le-diglich ein Krankenzimmer - nicht anders als jedes andere auch.

Er hatte erwartet, dass etwas anders wäre, dass noch mehr Erinnerungen kommen würden, doch dem war nicht so. Der Widerstand war weiterhin da und er konnte ihn auch diesmal nicht durchstoßen. Das Einzige, was ihm geblieben war, waren diese zwei kleinen Worte - Goa’uld und Charlie - die eine große Bedeutung in seinem Leben zu haben schie-nen. Ansonsten war nichts da, was ihm bekannt vorkam. Er wusste ja nicht einmal, warum er überhaupt hier war.

Was ist geschehen? Vielleicht ein Unfall?

Die Knochen taten ihm weh, er hatte etliche Schürfwunden und zwei Rippen schienen gebrochen, denn seine Brust wurde von einem Stützverband umschlossen. Er fuhr mit den Fingerkuppen über den weißen Verband, der straff über seine Haut gespannt worden war. Ihm fiel dabei ein weißes Band auf, welches um sein Handgelenk gebunden war, als sich plötzlich die Tür öffnete. Er bekam Besuch. Die Frau, die er das erste Mal gesehen hatte, betrat den Raum. Er er-kannte sie sofort.

Sie war zierlich, doch unterschätzte er sie keinen Augenblick. Der weiße Kittel wies ihn daraufhin, dass sie eine Ärz-tin sein musste. Sie war hübsch, kein Zweifel, aber anscheinend nicht sein Typ, wie er feststellen musste. Diese trat nun neben ihn und schenkte ihm ein Lächeln. Ihre Augen gefielen Jack, sie waren so voller Leben und Feuer. Immer mehr bekam er das Gefühl, dass er diese Frau von früher her kannte und dass er ihr bedingungslos sein Leben anvertrauen konnte.

„Wie fühlen Sie sich, Sir?“, fragte sie sanft.

Auf ihrem Namensschild stand in schwarzen Lettern: Dr. Janet Fraiser. Unter dem Kittel trug sie Uniform.

Eine Soldatin!

Hieß das für ihn, dass er auch Soldat war? Sicherlich, sie hatte ihn Sir genannt. Nur Soldaten wurden mit Sir angesprochen, nahm er zumindest an. Er war also Soldat. Aber welcher Rang? War er vielleicht bei einem Einsatz verletzt worden? Gegen wen hatte er kämpfen müssen? Hatte es etwas mit Goa’uld zu tun oder sogar mit Charlie? Was immer dies bedeuten möge. Er konnte sich ja nicht einmal erklären, wer oder was dies war. Es war zum Verrückt werden.

„Als hätte mich eine Dampfwalze überrollt.“, krächzte er mit trockener Kehle.

Erst jetzt merkte er, wie rau sein Hals sich anfühlte. Außerdem erfüllte ein pulsierender Schmerz seinen Schädel, so-bald er auch nur die Lippen bewegte.

„Was ist passiert?“, brachte er dennoch gequält hervor.

„Sie hatten einen Autounfall. Sie können von Glück sagen, dass Sie nicht viel schlimmer verletzt worden sind. Ihr Wagen wurde ziemlich demoliert. Die schwere Gehirnerschütterung, Ihre gestauchten Rippen und Ihr lädiertes Knie, sind bis auf ein paar Schürf- und Platzwunden, Ihre einzigen ernsteren Verletzungen. Wir können also davon ausgehen, dass wir Sie in den nächsten Tagen entlassen können.“, antwortete Janet.

Das war eine gute Nachricht. Stellte sich eine neue Frage:

Wo zum Teufel bin ich zu Hause?

Er konnte sich an nichts erinnern, wie sollte er denn da nach Hause finden. Vielleicht hatte er ja Frau und Kinder, die ihn mitnehmen würden, doch er bezweifelte es. Sie wären unter diesen Umständen doch schon längst hier gewesen.

Heiser fragte er: „Und wo wäre das?“

„Sir?“, hakte sie perplex nach.

Ihr Unterbewusstsein schien schon längst den tieferen Sinn hinter dieser Frage begriffen zu haben, doch ihr Verstand schien sich noch gegen die Erkenntnis zu sträuben.

„Ich kann mich nicht daran erinnern.“, gestand er und raufte sich das Haar.

Der Kopfschmerz hatte beträchtlich zugenommen.

„Ich kann mich ehrlich gesagt, nicht einmal mehr an meinen Namen erinnern.“

„Das habe ich befürchtet.“, gab sie zurück.

Sie setzte sich zu ihm aufs Bett, strich ihm sanft, fast mütterlich, über die Stirn, um ihn zu beruhigen.

„Anscheinend leiden Sie an Amnesie, ausgelöst durch die Gehirnerschütterung, die Sie erlitten haben. Aber wir kön-nen davon ausgehen, dass Sie sich in einigen Tagen oder Wochen wieder an alles erinnern müssten.“

„Und was ist, wenn nicht?“, wollte er wissen.

„Das weiß ich, ehrlich gesagt, auch nicht, Sir.“, gab Doktor Fraiser zu, sah ihn dabei aber nicht an. „Wir können nur versuchen, Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen, indem wir Sie mit Vertrautem konfrontieren, ihnen bekannte und geliebte Orte zeigen sowie mit Menschen zusammenbringen, die Sie gut kennen und mit welchen Sie viele Erinne-rungen verbinden. Mehr können wir nicht machen.“

„OK, fangen wir damit an, dass Sie mir meinen Namen verraten.“, schlug er geschafft vor.

Er fühlte sich wie erschlagen und schon wieder hatte er das Verlangen, lieber zu schlafen, als sich über seinen mo-mentanen Zustand das Hirn zu zermartern.

Es scheint ja eh nichts zu nutzen.

„Sie heißen Jack O’Neill und sind Colonel der US Air Force.“, entgegnete Janet. „Ihr Team besteht aus Major Saman-tha Carter, Doktor Daniel Jackson und Teal’c. Es sind gleichzeitig Ihre besten Freunde und die Menschen, die Sie wohl am Besten kennen dürften. Sie werden später noch einmal vorbeischauen. Ihr Vorgesetzter ist ein gewisser Major Gene-ral George Hammond. Ich wiederum bin die Chefärztin des Stützpunkts, auf dem Sie stationiert sind. Deswegen habe ich auch Ihre Behandlung hier übernommen.“

„Um ehrlich zu sein, sagt mir keiner dieser Namen etwas.“, gab Jack zurück.

„Das kommt schon noch, Sir!“ Aufmunternd drückte Fraiser seine Hand und erhob sich dann. „Ich muss jetzt leider wieder zurück zur Basis, aber ich schaue später noch einmal vorbei. Sie sollten in der Zwischenzeit versuchen, etwas zu schlafen. Sie werden sehen, es wird alles wieder gut.“

Er nickte nur.

Ich bin wirklich schrecklich müde!

Erschöpft schloss er die Augen und war eingeschlafen, noch bevor Janet sein Zimmer verlassen hatte.

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Colonel O’Neill stocherte gerade in dem herum, was das Krankenhaus so großzügig als Essen bezeichnete und hat-te sich gerade entschlossen, es lieber nicht anzurühren, als es an der Tür klopfte. Leise wurde diese dann geöffnet und ein junger Mann, Mitte dreißig, steckte den Kopf hinein. Als sich ihre Blicke trafen, grinste dieser breit und riss die Tür ganz auf. Jack musterte ihn eingehend. Circa eins-achtzig groß, breite Schulter, kräftige Statur, kurzes dunkelblondes Haar, blaue Augen, markantes Gesicht und Brille. Er schloss auf einen Wissenschaftler, also:

Doktor Jackson.

Jack versuchte sich an diesen zu erinnern, doch mehr als das Gefühl, dass er ihn zu kennen schien, keimte nicht in ihm hervor. Er konnte diesen Daniel dennoch nicht wirklich einschätzen. Da stimmte etwas zwischen ihnen nicht. Auch die anderen beiden waren ihm irgendwie vertraut. Ein stämmiger Hüne mit dunkler Haut und ausdruckslosem Gesicht.

Ein Krieger!

Der Hut störte irgendwie, doch dieser Mann schien auch keine Anstalten zu machen, ihn abnehmen zu wollen. Das unbestimmte Gefühl, angeschwindelt zu werden, machte sich in ihm breit, doch wusste er instinktiv auch, dass er nie-mals von dem Hünen betrogen werden würde. Teal’c, so tippte er, schien die ehrlichste und loyalste Seele zu sein, der er je begegnet war.

Also, den mag ich!

Dann war da noch die junge Frau unter ihnen. Lange, schlanke Beine, kurz geschnittenes blondes Haar, dass wild von ihrem Kopf abstand, blaue stechende Augen sowie im großen und ganzen eine perfekte Figur. Sie gefiel O’Neill so-fort. Wenigstens wusste er jetzt, was für einen Typ Frau er bevorzugte. Ihr zaghaftes Lächeln war ein Traum. Sie würde er bedingungslos mögen.

„Hallo, Jack!“, begrüßte Daniel ihn. „Wie geht es Ihnen?“

Sie siezten sich. Wieso, wenn sie doch Freunde waren. Hatte er da Janet Fraiser etwa falsch verstanden? Hatte sie ihnen etwas über seine Amnesie gesagt? Sicherlich, denn sonst würden die gewiss sehr schnell blöd auflaufen.

„Gut, denke ich.“, antwortete Jack ehrlich. „Die Ärzte meinten, ich könnte bald hier raus. Ich glaube, ich mag keine Krankenhäuser.“

Ein Wink mit dem Zaumpfahl, sehr originell!

Sie würden es schon verstehen. Hoffte O’Neill zumindest. Wer konnte ihm schon sagen, wie er sich ihnen sonst im-mer gegenüber benahm. Vielleicht war er ja ein Langweiler oder Snob oder einfach nur ein riesiges Arschloch, das ihnen das Leben zur Hölle machte. Etwas in der Art. Jack musste halt deren Reaktion abwarten - auch um zu wissen, mit wem er es da eigentlich zu tun hatte.

„Hat uns Janet bereits gesagt.“, entgegnete Samantha angespannt und knetete nervös ihre Hände.

Sie schien sich sehr unwohl in ihrer Haut zu fühlen. Anscheinend mochte sie Krankenhäuser genauso wenig wie er.

„Sie können sich aussuchen, wer von uns, Sie nach Hause fährt, Sir.“

Autsch, das tut weh!

Kalt und distanziert, so wie wahrscheinlich immer. Ob es ihm da dann auch etwas ausmachte? Sicherlich! Wahr-scheinlich war er aber nicht anders drauf. So eine Regelsache, wie Janet ihm zu erklären versucht hatte, als sie zwi-schendurch noch mal hereingesehen hatte. Dabei war diese Frau doch umwerfend. Besonders das schüchterne Lä-cheln. Jack musste ein Idiot gewesen sein, sie nicht einfach zu nehmen, wann immer es ihm passte. Aber er merkte schon, dass er das jetzt auch nicht können würde. Nicht, weil die anderen dabei waren, sondern weil sie es zu verhin-dern gewusst hätte, bis er wieder alles über sein Leben wusste. Er wollte es im Grunde gar nicht.

So überwältigend kann es schließlich nicht gewesen sein.

„Wir haben Ihnen etwas mitgebracht, Jack.“, meldete Daniel sich zu Wort und trat näher an das Bett, als hätte er bis jetzt angenommen, Jack würde beißen.

Vielleicht mache ich das manchmal sogar.

„Den neusten National Geographic, ein paar deiner Lieblingsschokoriegel, Kleidung zum Wechseln, einen Gameboy mit Spielen, Waschzeug und was man noch so gebrauchen könnte.“, zählte er auf.

Dieser junge Mann sprudelte über vor Begeisterung. Das nervte O’Neill irgendwie leicht. Wenn der immer so war, schien es ein Wunder, dass ihn noch nicht erschossen hatte. Janet hatte gemeint, sie wären die besten Freunde. Even-tuell sah er deswegen davon ab. Teal’c, der die Tasche getragen hatte, stellte sie neben dem Bett ab.

Gut, wenn ich jetzt auch noch mein kaputtes Knie dazu bringe, sich nicht dagegen zu sträuben, aufzustehen, komme ich vielleicht auch in die Nähe dieser Dinge!

Irgendwie hatte Jack das Gefühl, dass ihm dieser Gedanke öfters durch den Kopf spukte.

„Danke! Ich werde mich bei Gelegenheit revanchieren.“, erwiderte er und hoffte, sie verstanden, dass er jetzt gerne alleine wäre.

Teal’c nickte verstehend und zog sich zur Tür zurück. Dann realisierten auch die anderen beiden, dass Jack vorerst für sich sein wollte und verabschiedeten sich ebenfalls - natürlich mit dem Versprechen, morgen wiederzukommen.

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„Colonel, was machen Sie da!“, riss Major Fraiser Jack mit wütender Stimme aus seiner Konzentration.

Ein gewaltiger Fehler. Er trat mit dem Fuß auf und sofort schoss ein gewaltiger Schmerz durch sein Knie. Sein Ge-sicht verzog sich fast augenblicklich zu einer grausigen Grimasse. Leise fluchend ließ er sich aufs Bett zurücksinken und rieb sich die schmerzende Stelle. Dann erst wagte er sich zur Tür zu drehen. Janet stand mit den Händen in die Hüften gestemmt da und funkelte ihn aus ihren braunen Augen wütend an. Ihr gefiel überhaupt nicht, dass er gegen ihre Anord-nung gehandelt und versucht hatte aufzustehen.

Undankbarer Sturkopf!

„Ich muss mal dringend für kleine Soldaten.“, versuchte Jack sich zu verteidigen.

Vergebens, wie er feststellen sollte. Doktor Fraiser würde nicht mit sich handeln lassen, soviel war sicher. Nicht um-sonst stellte sie hier schließlich Verbote auf. Wenn sie nicht bereits damit gerechnet hätte, wäre sie jetzt wohl noch wü-tender geworden. Er hatte offensichtlich die Angewohnheit, sich ihren ärztlichen Anweisungen zu widersetzen, selbst jetzt, wo er sich nicht daran erinnern konnte. Manche Dinge kann man halt nie abstellen.

„Dann hätten Sie eine Schwester rufen sollen. Sie können mit diesem Knie unmöglich laufen.“, wehrte Janet seinen Einwand sofort wieder ab, kam gleichzeitig zu ihm und betätigte die Klingel, so dass bald eine Krankenschwester auftau-chen würde.

Für ihn musste das erniedrigend sein, dass konnte sie ja gut verstehen, aber es ließ sich nun einmal nicht vermei-den. Er war schließlich verletzt und stand unter ihrer Aufsicht. Morgen, wenn er seine Schiene bekam, könnte er selbst wieder auf Toilette gehen, doch solange musste er sich halt noch gedulden.

Wenn er doch nur nicht so stolz wäre!

Aber genau das war es doch auch, was ihr so gut an ihm gefiel. Er ließ sich von niemandem unterkriegen, nicht ein-mal von ihr. Ein Rollstuhl wurde hineingebracht und Janet wies Jack an, sich zu setzten. Sie würde das persönlich über-nehmen, vielleicht fiel ihm das dann ja leichter. OK, er konnte sich nicht an sie erinnern, doch Fraiser glaubte, eine ge-wisse Vertrautheit gespürt zu haben, als sie sich nach seinem Aufwachen unterhalten hatten. Er tat, wie sie ihm sagte und setzte sich.

Schnell fragte er: „Wann kann ich endlich hier raus?“

„Wenn Sie lernen, meine Anweisungen zu befolgen, und nicht versuchen auf eigene Faust auszubrechen, dann kön-nen Sie übermorgen nach Hause. Ab morgen können Sie auch auf den Rollstuhl verzichten, sobald wir das Knie stabili-siert haben. Solange müssen Sie sich aber noch gedulden. Glauben Sie, Sie bekommen das hin?“, antwortete Janet und bedachte ihn mit einem abwartenden Blick, der ihm andeutete, sich ja zu überlegen, was er entgegnete.

„Meinetwegen.“, erwiderte O’Neill und ließ sich widerstandslos von ihr aus dem Raum rollen.

Dieser Mann schafft mich!

Mehr würde er dann doch nicht zulassen. Den Rest würde er auch alleine schaffen, da war sie sich sicher. Oft genug hatte er ein verletztes Bein oder Knie gehabt, um damit umgehen zu können. Wenn er sich jetzt nur daran erinnern könn-te, das hätte ihr sicherlich geholfen, ihn zahm zu halten. Den Weg zurück zum Zimmer jedoch bestand er darauf, selbst zu fahren. Doktor Fraiser ging also nur neben ihm her. Irgendwann würde ihm sein Stolz noch zum Verhängnis werden.

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„Soll ich ihnen wirklich nicht helfen, Sir?“, fragte Major Carter besorgt und sah ihm dabei zu, wie er sich mit dem ge-schundenen Knie und seinen Krücken aus dem Wagen quälte.

Schon als sie aus dem Krankenhaus heraus waren, hatte er darauf bestanden, zu gehen. Sie hatte ihn gelassen, da es eh nicht weit bis zum Wagen war. Sam hatte sich einen Pick Up von einem Soldaten geliehen, da es Jack leichter fal-len würde, dort ein und wieder auszusteigen. Außerdem gab es ihm mehr Beinfreiheit. Vielleicht erinnerte es ihn auch wieder an etwas, hatte er doch auch so einen Wagen in der Unfallsnacht gefahren. Aber nichts. Er schwieg sich nur aus.

Sturer Hund!

„Geht schon!“, wehrte er ernst ab, ohne sie anzusehen.

Wenn er es so wollte, bitte. Sie konnte sich ihm ja schließlich nicht aufdrängen. Samantha hoffte nur, er würde sie als Gesellschaft wenigstens noch etwas akzeptieren. Daniel hatte versprochen, mit Teal’c auch noch vorbeizukommen. Etwas Unterstützung würde sie bei ihm auch gebrauchen können. Jetzt, wo er sich nicht erinnern konnte, wer er war, schien er noch schlimmer und distanzierter zu sein. Er schaffte es tatsächlich alleine aus dem Wagen und in sein Haus.

Dort sah er sich erst einmal um, doch ihm schien diese Umgebung nicht wirklich etwas zu sagen. Auch die Gesichter auf den Fotos waren ihm fremd. Carter kannte die meisten davon auch nicht, doch seine Frau sowie seinen Sohn er-kannte sie darauf durchaus noch. Er nahm ein Foto zur Hand, wo seine ganze Familie zu sehen war. So glücklich waren sie damals gewesen. Innerlich stellte Sam sich darauf ein, dass er fragen würde, wo sie seien. Sie wollte nicht diejenige sein, die es ihm sagte. Sie hatte Angst davor, wie er reagieren würde.

Ich kann ihm nicht wehtun!

Er sagte jedoch nichts, stellte das Bild nur zurück und wandte sich der Wohnstube zu, wo er sich auf das Sofa fallen ließ. Entweder wollte oder konnte er sie nicht fragen, wieso sein Sohn und seine Frau nicht hier waren. Vielleicht ahnte er es, vielleicht war es auch nur eine Vermutung. Sam würde ihn sicherlich nicht mit der Nase darauf stoßen, dass Char-lie tot war und Sarah ihn verlassen hatte.

„Möchten Sie etwas trinken?“, fragte Major Carter heiser, versuchte jedoch vergebens, normal zu klingen.

Sie wusste, dass er es nicht mochte, wenn sie sich um ihn sorgten, wenn sie Mitleid mit ihm hatten, doch Samantha konnte es nicht ändern. Es mochte daran liegen, dass sie erahnen konnte, wie er sich fühlte, oder auch nur an ihrer inni-gen Freundschaft zu ihm.

Kann man da überhaupt noch von Freundschaft reden?

Sie wollte jetzt nicht darüber nachdenken.

„Ein Wasser!“, antwortete er und legte sich hin.

Er war geschafft. Eine kleine Autofahrt und nur ein paar Schritte und er konnte schon nicht mehr. Das würde sich wieder ändern, wenn er erst einmal die Narkose- und Schmerzmittel aus seinem Organismus verbannt hatte. Janet meinte zwar, er wird noch eine Weile unter Schmerzen leiden, aber so stur, wie Jack sein konnte, würde er eh kaum Tabletten schlucken.

Carter ging in die Küche und schaute erst einmal nach, was er so alles im Haus hatte. Viel war es nicht, aber das war auch bei ihnen nicht weiter verwunderlich. Sie waren kaum zu Hause und kauften deswegen meist erst am selben Abend ein. Alles andere wäre Geldverschwendung gewesen. Aber das Wichtigste hatte er da. Etwas zu trinken - nicht soviel Bier, wie sie eigentlich erwartet hatte - Pizza und anderes Tiefkühlzeug, sowie unalkoholische Getränke.

Darunter sogar Wasser. Sam hätte nicht erwartet, dass er so etwas überhaupt zu sich nahm. Normalerweise sah sie ihn nur Bier oder Kaffee trinken. War sicherlich für Cassandra eingekauft worden. Sie war oft bei ihm, besonders in den Sommerferien. Sicherlich sah sie ihn als Vaterfigur. Sie konnte ja auch perfekt mit ihm angeben. Wer hatte schon so ei-nen starken Freund, der darüber hinaus noch so gut aussah.

Nicht abschweifen, Sam!

Sie kehrte zu ihm zurück, nur um festzustellen, dass er bereits eingeschlafen war. Also schnappte sie sich eine der Zeitungen und setzte sich in den Sessel. Carter würde bleiben, falls er was brauchte. Das war sie ihm schuldig.

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„Ich kann das alleine, verdammt noch mal!“, blaffte Jack Doktor Jackson an und schlug dessen Hand weg, dabei wollte dieser ihm doch nur helfen, ins Bad zu kommen.

Janet hatte ihnen aufgetragen, dafür zu sorgen, dass er so wenig wie möglich in der Gegend herumlief, doch es musste natürlich wieder nach seinem eigenen Kopf gehen.

Sturer Bock!

„Nun, lassen Sie sich doch helfen, Jack.“, redete Daniel auf ihn ein, erfolglos, wie er annehmen konnte.

„Verpissen Sie sich, Doktor Jackson!“, fuhr O’Neill ihn hart an. „Ich brauche Ihre Hilfe nicht.“

Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Nicht, dass er Doktor Jackson abwies - das war dieser von dem Colonel mittler-weile gewöhnt - sondern, dass dieser ihn nicht einmal Daniel nannte. Jackson hätte er verkraften können, aber nicht das. OK, er musste sich damit abfinden, dass Jack sich an nichts erinnern konnte, doch er musste ja nicht gleich so distan-ziert sein. So abweisend und herablassend war O’Neill das letzte Mal auf der ersten Abydosmission gewesen.

Damals hatte er einen Gräuel gegen alle Wissenschaftler gehegt, was mittlerweile nur noch auf diejenigen zutraf, die nicht in seinem Team waren. Daniel hatte gedacht, dieses Stadium ihres Kennenlernens hätten sie hinter sich gelassen und wären richtige Freunde geworden. Doch jetzt sollte er feststellen, dass sie sich wieder neu annähern mussten, damit er überhaupt Zugang zu Jack und dessen Erinnerungen bekommen konnte. Vielleicht würde das seinem Freund sogar auf die Sprünge helfen.

Das wird ein hartes Stück Arbeit werden!

Jackson hob abwehrend die Hände und trat einen Schritt zurück.

„Fein, wenn Sie es unbedingt so wollen, Jack.“, gab er nach.

Sollte er doch sehen, was er davon hatte. O’Neill würde es ohne seine Krücken, die Sam in weiser Voraussicht weggeräumt hatte, eh nicht weit schaffen. Schon gar nicht das Stückchen, welches er ohne Wand zurücklegen musste. Jacks Knie war zwar schon oft lädiert gewesen, aber niemals so schlimm.

Jedenfalls nicht in den letzten Jahren. Außerdem konnte er sich ja nicht einmal daran erinnern, wie es die anderen Male gewesen war. Vorsorglich winkte Daniel jedoch Teal’c zu sich, der alles stumm mit angesehen hatte. Dieser würde ihm helfen müssen, sollte Jack sich weiterhin zieren. O’Neill hatte den Jaffa von Anfang an gut leiden können - so ein Kriegerding - vielleicht hörte er ja diesmal auf seine Intuition. Tatsächlich drohte er schon beim ersten Schritt zu stürzen. Teal’c und Daniel packten zu und stützten ihn.

Er schrie Letzteren wütend an: „Ich habe gesagt, Sie sollen mich in Ruhe lassen. Ich kann alleine laufen, verdammt.“

„Das sehe ich anders, O’Neill.“, erwiderte der Jaffa stoisch. „Früher hast du auch nicht gezögert, uns um Hilfe zu bit-ten. Ich denke nicht, dass das jetzt anders sein sollte.“

Das dem natürlich nicht so war, würde Teal’c ihm bestimmt nicht auf die Nase binden. Doktor Jackson konnte nicht genau sagen, was es war, aber irgendetwas schien Jack dazu zu bringen, auf den Jaffa zu hören und sich von ihm hel-fen zu lassen. Er selbst beschloss, Teal’c machen zulassen und sich zu Sam an den Küchentisch zu setzen. Diese sah sich gerade alte Fotoalben von Jack an und hatte alles aus sicherer Entfernung beobachtet.

„Mach dir nichts daraus, Daniel, zu mir war er auch nicht anders.“, versuchte Sam Daniel aufzumuntern. „Du kennst ihn doch, er hasst es, angeschlagen zu sein.“

Er ließ den Kopf hängen und massierte sich die angespannten Muskeln. Sie hatte ja Recht, doch da war noch mehr. Es war wieder so, wie er es absolut nicht haben wollte.

Zum Verzweifeln!

„Ich hoffe nur, er kann sich schnell wieder an uns erinnern.“, gab Daniel geknickt zurück.

„Obwohl es für ihn nicht gerade das Beste wäre.“, wandte Sam nachdenklich ein. „Mal ganz abgesehen von dem, was wir bis jetzt erst über seine Vergangenheit wissen, wer kann da schon sagen, was für Dämonen ihn noch quälen. Er hat mehr erlebt als wir beide zusammen. Also, ich für meinen Teil, würde mit ihm nicht gerne tauschen.“

Richtig, das hatte ich völlig vergessen.

Wenn Jack sich wieder an sie erinnern könnte, dann sicher auch an Charlie und die Jahre im Stargatecenter. Nicht gerade erfreuliche Erinnerungen. Außerdem konnte niemand sagen, was er alles in dieser Spezialeinheit, in welcher er gewesen war, (alles) erlebt hatte. Ein Großteil der Missionen war geheim gewesen.

„Auch wieder wahr. So oder so, es ist beschissen.“, erwiderte Jackson resignierend.

Sie würden einfach abwarten müssen, was passierte. Vielleicht war es nur halb so schlimm.

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„Zwei Wochen!“, brauste Colonel O’Neill auf.

Das konnte doch unmöglich ihr Ernst sein. Das hielt er niemals aus. Die letzten Tage waren schon schlimm genug gewesen. Dauernd diese mitleidigen Blicke und diese nervigen Verbote. Mach dies nicht, tu das nicht. Die Drei taten ge-rade so, als würde er bei einem Marathonlauf mitmachen wollen, wenn er sich auch nur aufsetzte.

Nichts gegen Fürsorge, aber das war übertrieben. Dazu dann immer noch die Frage, ob er sich an etwas erinnern konnte, wenn er wie zufällig mal die richtige Schublade aufzog, um sich einen Löffel zu holen. War wahrscheinlich eine Art Gewohnheitssache von ihm, was man selbst bei Amnesie nicht abstellen konnte. Das waren Dinge, die man auch im Schlaf erledigte.

„Sie können froh sein, dass Sie das Knie überhaupt noch benutzten können.“, entschärfte Doktor Fraiser seinen Pro-test.

Miststück!

„Ohne Sams Behandlungen würde es wahrscheinlich noch länger dauern.“

Der niedliche Blondschopf reparierte Jack auch im Augenblick mit so einem Gerät, dass man sich über die Hand streifen musste. Sah irgendwie aus wie aus einem schlechten Science-Fiction-Film stibitzt, aber solange es die Heilung beschleunigte, sollte es ihm recht sein. Er verstand eh nur die Hälfte von dem, was sie ihm sagten. Dann gab es da Ge-heimnisse und dort wieder irgendwelche Verschwiegenheitsdinger. Er blickte schon gar nicht mehr durch. Die meiste Zeit seines bisherigen Lebens war unter Verschluss oder hatte niemals existiert. Wie sollte er da herausfinden, wer er wirklich war, wenn er keine Informationen über sein Leben bekam?

„Können Sie mir denn keinen Gehgips oder so etwas Ähnliches verpassen. Ich geh zu Hause noch ein.“, versuchte Jack einen Kompromiss für seine missliche Lage zu finden.

Ich will doch nur raus!

„Es wäre doch eine gute Idee, wenn wir den Colonel nach Minnesota bringen würden. Wenigstens für ein paar Tage. Er hätte (seine) frische Luft und gleichzeitig einen Ort, zu dem er Bezug hat, was seinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen könnte.“, mischte Major Carter sich ein, welche gerade mit ihrer Aufgabe für heute fertig geworden war.

Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn und streifte das Heilungsgerät von ihren zierlichen Fingern.

Resignierend meinte Janet: „Ich werde Ihnen den Ausflug erlauben, wenn Sie mir versprechen, vorsichtig zu sein.“

„Alles, was Sie wollen, solange ich nur an die frische Luft kann.“, erwiderte O’Neill sofort.

Er hätte alles getan, nur um von den anderen ein paar Tage wegzukommen.

Halt! Moment mal!

Er wurde die anderen ja nicht los. Die würden ihn doch sicher begleiten wollen. Was auch sonst, er konnte ja schlecht alleine dorthin fahren und er wusste auch nicht, wo diese Hütte war. Jack musste sich eine Alternative zu den drei Freaks einfallen lassen und das sofort!

Schnell fügte er hinzu: „Wir fahren gleich morgen los, Doc.“

„Was?“, fragte Janet überrascht. „Ich werde nicht mitkommen. Das ist unmöglich, ich werde hier gebraucht.“

„Ach kommen Sie schon. Jeder braucht mal Urlaub und Sie sehen so aus, als könnten Sie welchen vertragen. Wenn wir schon dabei sind, packen wir Ihre Tochter auch gleich ein. Wie hieß sie noch...“

„Cassandra.“, antwortete sie und wusste im selben Augenblick, dass sie verloren hatte.

Janet hätte ihm nie von ihr erzählen sollen. Jack konnte sich vielleicht nicht daran erinnern, wer er war, aber er wuss-te sehr wohl, wie er werden konnte, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Auch ihr schien das klar zu sein.

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Die ganze Fahrt über sprach Colonel O’Neill kein Wort. Doktor Fraiser konnte nicht einmal erahnen, woran er dachte. Erst hatte er förmlich darauf bestanden, dass sie mitkamen und jetzt ignorierte er beide Frauen einfach. Cassandra hatte es sich auf der Rückbank bequem gemacht und las in einem Buch. Fast die halbe Nacht hatte Janet sich mit ihr darüber auseinandergesetzt, was es für Jack bedeuten musste, sich nicht erinnern zu können - nicht mehr zu wissen, wer er war.

Cassandra hatte nicht traurig werden sollen, falls er sie nicht erkannte. Ihre Bindung zu ihm war von Anfang an sehr stark gewesen, wahrscheinlich, weil er die Vaterfigur für sie darstellte oder aber auch nur, weil sie sich schrecklich in ihn verguckt hatte. Übel zu nehmen, war es ihr nicht, denn O’Neill hatte wirklich etwas an sich, dass die Frauen irgendwie verzauberte.

Er hatte halt einen besonderen Charme.

Außerdem gab es bei dieser Reise leider keine Garantie dafür, dass er sich wieder an etwas erinnern oder sogar sein Gedächtnis ganz zurückerlangen könnte. Das lag ganz bei Jack. Darum durfte man ihn auch nicht zwingen, sich mit dem Vergangenen auseinander zu setzen. Er musste das von sich aus tun. Cassandra war schon immer ein aufgeweck-tes und kluges junges Mädchen gewesen, sie verstand, was Janet ihr damit sagen wollte. Sie hatte sich richtig erwach-sen verhalten, als sie bei ihm zu Hause aufeinander getroffen waren.

Sie hatte sich ihm vorgestellt und ihn selbst entscheiden lassen, in wieweit sie ihm helfen durfte. In diesem Moment war Doktor Fraiser sehr stolz auf ihre Tochter gewesen. Jack hatte sie zum Glück sofort leiden können. Cassandra war ihr bei diesem äußerst sturen und uneinsichtigen Patienten sicher eine große Hilfe. Ihr würde Colonel O’Neill wohl eher einen Wunsch erfüllen als Janet selbst. Cass verstand es, die Männer zu manipulieren.

Daniel hatte sie ebenfalls voll im Griff - er erlaubte ihr einfach alles, selbst Dinge, die Janet strickt verboten hatte - und Teal’c war derjenige, den sie immer ärgerte - er verstand halt nicht genug von menschlichen Teenagern, um sich gegen sie zur Wehr zu setzen. Jack war halt jener welcher, der ihr zwar Disziplin beizubringen versuchte, aber sich den-noch immer wieder um den Finger wickeln ließ. Janet war sich sicher, dass er sie durchschaute und sich bei Bedarf auch durchzusetzen vermochte.

Er sieht sich halt als Vaterfigur und Beschützer.

„Cass, kannst du mir mal dir Karte geben?“, fragte Doktor Fraiser nach hinten, doch es kam keine Antwort. Daraufhin wandte sie sich kurz um und erkannte, dass ihre Tochter eingeschlafen war. Das mit der Karte hatte sich dann wohl er-ledigt. Sie musste sich wohl oder übel auf ihr Glück verlassen, um die Hütte des Colonels zu finden. Zu Not konnte ihr si-cher auch ein Einheimischer den Weg beschreiben. Aber allzu viele schien es in dieser Gegend nicht zu geben. Zumin-dest war kaum ein Mensch auf der Straße, dabei war es erst kurz vor zwölf. Sie fragte sich, wie man hier überhaupt le-ben konnte. Das musste doch todlangweilig sein.

Jack meinte plötzlich: „Sie müssen die nächste Straße links rein und dann immer geradeaus.“

Janet blickte verwundert zu ihm hinüber, bog jedoch trotzdem in die Querstraße ein, die er gemeint hatte. Sie traute ihm in diesem Punkt einfach mal. Was hatte sie schon groß zu verlieren? Sie fuhren jetzt schon bereits drei Stunden mit dieser Kiste durch die Lande, da kam es auf eine mehr oder weniger auch nicht mehr an.

„Woher wissen Sie das?“, fragte sie dennoch und versuchte es beiläufig klingen zu lassen.

Sie rechnete jedoch nicht damit, dass er es ihr abnahm. Aus dem Augenwinkel heraus konnte sie erkennen, wie Co-lonel O’Neill mit den Schultern zuckte. Er schien sich da selbst nicht ganz sicher gewesen zu sein.

„Keine Ahnung, es schien mir nur der richtige Weg gewesen zu sein. Sie sagten doch, dass ich öfter in diese gottver-lassene Gegend fahre, da sollte ich mich hier schon langsam auskennen oder etwa nicht?“, entgegnete Jack lakonisch.

„Ist wohl wahr.“, stimmte Janet ihm da zu. „Außerdem sind Sie ja auch hier aufgewachsen. Zumindest kommt Ihr Va-ter von hier.“

Wieder zuckte er nur gleichgültig mit den Schultern und starrte schweigend aus dem Fenster. Sie konnte nicht einmal erahnen, worüber er alles nachdachte, aber mit ihm tauschen wollte sie auch nicht.

Heute ist wohl nichts mehr mit ihm anzufangen.

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Es dauerte noch etwa eine halbe Stunde bis sie die Hütte endlich erreicht hatten. Ein schmaler Sandweg hatte sie bis quasi vor die Tür gebracht. Janet fragte sich, wie Jack da mit seinem Jeep überhaupt Platz fand. An den Seiten fiel die Böschung stark ab und bei Regen wäre diese Kiesstraße sicher nicht einmal befahrbar, sondern vollkommen unterspült gewesen. Aber der Weg hatte sich dennoch gelohnt.

Knapp hatte ihr O’Neill Anweisungen gegeben, wo sie abbiegen sollte und was sie zu beachten hatte, ansonsten hüllte er sich in Schweigen. Er sah Doktor Fraiser ja nicht einmal an. Es war erstaunlich, wie gut er sich an die Route hatte erinnern können, auch wenn er selbst nicht erklären konnte, woher dieses Wissen kam. Er hatte sich auch in sei-nem Haus gleich wieder zurechtgefunden. Es gab halt Dinge, die man so schnell nicht vergaß.

Es war halt alles nur eine Sache der Gewohnheit, der natürlichen Akzeptanz, dass etwas immer genau da war, wo es sein sollte und sich das auch nicht verändern würde. Erinnerungen spielten da eher eine untergeordnete Rolle. Janet parkte den Wagen neben der kleinen Holzhütte, die vor einem wundervollen See lag, und stieg aus. Dieser Ort bot einen Anblick, wie man ihn in Reisebroschüren immer fand. Man konnte alle Sorgen förmlich von sich abfallen spüren.

Was für ein Panorama!

Sie fühlte sich hier sofort viel entspannter und ausgeglichener. Man musste es mit eigenen Augen gesehen haben, um zu verstehen, warum es Jack immer wieder hierher zog. Es war ein Paradies im Chaos, das man Leben nannte. Die Sonne brach sich in der dunkelblauen Wasseroberfläche und es kam einem fast so vor, als würden abertausende von Diamanten in dem kühlen Nass verborgen sein. Ein immergrüner Wald rundete das Bild noch ab.

Er umschloss das ganze Gebiet bis auf die kleine Feldstraße, durch welche die Drei hierher gelangt waren. Genau der richtige Ort für Soldaten wie sie, die jeden Tag mit schrecklichen Dingen zu kämpfen hatten. Es zeigte einem, dass es auch noch schöne Dinge gab, für die es sich zu kämpfen lohnte. Ihre Muskeln protestierten gegen jede noch so kleine Bewegung. Janet war es einfach nicht mehr gewöhnt, so weit zu fahren ohne eine Pause einzulegen.

Erst einmal streckte sie ihre müden Glieder, ehe sie sich aufmachte, Cassandra aufzuwecken, welche immer noch seelenruhig vor sich hin schlummerte. Jack war inzwischen auch ausgestiegen und humpelte auf den Eingang der Blockhütte zu. Die Tür schien verschlossen zu sein, doch er fand den Schlüssel für das Vorhängeschloss fast sofort und löste es mit einem leisen Klicken von der massiven Eisenkette.

Noch so eine Selbstverständlichkeit.

„Aufwachen, Spatz. Wir sind da.“, redete Doktor Fraiser ihr sanft zu und tippte sie leicht an.

Cass hatte keinen besonders festen Schlaf - nicht, wenn es um Berührungen ging. Langsam öffnete sie die Augen und gähnte erst einmal herzhaft, dann streckte sie ihre müden Glieder, um wieder vollends wach zu werden. Ein strah-lendes Lächeln legte sich auf ihre Lippen, als sie aus dem Fenster heraus sah, wie wunderschön es war. Auch ihr gefiel dieser Ort sofort. Sie krabbelte aus dem Wagen und rannte zu Jack hinüber, der bereits in der Hütte verschwunden ge-wesen war und nun wieder heraustrat, um die atemberaubende Landschaft zu bewundern. Dann blieben die ganzen Kof-fer wohl an Janet hängen.

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Der Ausflug hatte nicht allzu viel gebracht. Er hatte sich zwar an einiges erinnern können, aber das waren wieder nur zufällige Alltäglichkeiten gewesen. Wo er den Schlüssel aufbewahrte, wo sich welches Zimmer befand - viele waren es ja nicht - und dass der Kamin immer noch nicht richtig funktionierte. Aber das hätte man auch alles raten können. Wer den Colonel auch nur ein wenig kannte, hätte wissen müssen, dass er den Schlüssel für die Tür unter der Veranda versteck-te, wenn er überhaupt die Tür abschloss. Das kam bei ihm aber nur selten vor.

Alle Drei waren vier Tage später wieder nach Hause zurück gefahren, aber ein Gutes hatte es gehabt. Janet hatte den Colonel noch nie soviel lachen sehen. Cassandra hatte ganze Arbeit geleistet, ihn auf andere Gedanken zu bringen. Es hatte ihr auch sichtlich Spaß gemacht, denn sie hatte Jack all die Dinge, die sie ihm vor dem Unfall berichtet hatte, noch einmal haarklein erzählen können und er hatte keine Möglichkeit zu Flucht gehabt. Wo hätte er mit seinem kaput-ten Knie auch groß hinlaufen sollen. Es hatte ja weit und breit nichts anderes existiert als Natur.

Nun war Jack aber mehr als froh, wieder zu Hause zu sein. Zumindest entnahm Doktor Jackson dies seiner Reakti-on, als er das Haus betrat. Er hatte erleichtert geseufzt und sich sofort in Richtung Couch begeben. Er war nur froh, dass er heute noch nicht angeschnauzt worden war. Ein genervtes Stöhnen und ein mürrisches Brummen hatte er schon über sich ergehen lassen müssen, als er Jack von der Basis aus mitgenommen hatte, aber das konnte er verkraften. Dennoch nervte Daniel die Stille.

Man ist das frustrierend.

Sie ließen sich fast gleichzeitig aufs Sofa fallen und starrten einige Minuten wie hypnotisiert auf den schwarzen Bild-schirm des Fernsehers. Keiner wollte etwas sagen. Jack war nicht in der Stimmung zum Reden, schon gar nicht mit Da-niel und dieser wusste nicht, wo er anfangen sollte. Es gab so viel, was ihm auf der Seele lag, aber er wollte seinem älte-ren Freund auch nicht vor den Kopf stoßen.

Zum verrückt werden.

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Daniel brach als Erster die Stille: „Jack, willst du mich eigentlich den ganzen Tag ignorieren?“

Er hielt das Schweigen zwischen ihnen einfach nicht mehr aus. Jack hingegen hatte es geradezu genossen. Einmal keine Rechenschaft ablegen müssen, einfach nur seinen eigenen Gedanken lauschen, zu versuchen, seine Gefühle zu ordnen, und sich in seinem Selbstmitleid treiben lassen. Er hatte schon fast vergessen, dass jemand neben ihm saß - aber eben nur fast. Der Atem des jungen Mannes neben ihm war allgegenwärtig gewesen, ebenso dessen Herzschlag, den O’Neill immer mal wieder zu hören glaubte.

„Wenn Sie mich lassen?“, erwiderte er nur stoisch.

Er wollte nicht reden, weder mit Daniel noch mit irgendjemand sonst. Im Grunde wollte er nur mit sich alleine sein. Ein Luxus, denn man ihm wohl nicht gönnen würde. Jeder schien sich Sorgen um ihn zu machen. Janet, Sam, Daniel und sogar Teal’c. Jack verstand jedoch nicht, wieso es für alle so wichtig schien, dass er sich wieder an sein Leben erin-nerte. Er wusste ja nicht einmal selbst, ob er das überhaupt wollte. Es war eine einmalige Chance für ihn, neu anzufan-gen, sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen. Aber er hatte auch das Gefühl, dass er etwas Wichtiges damit aufge-ben würde, dass es da etwas gab, an dass er sich erinnern sollte, dass er unter keinen Umständen vergessen konnte oder wollte. Er konnte nur nicht sagen, was es war.

Charlie…?

„Dann haben wir ein Problem, denn das werde ich nicht. Ich will, dass du mit mir redest, dass du mir sagst, warum du mich nicht leiden kannst. Ich meine, wir sind doch die besten Freunde.“, gab Doktor Jackson keine Ruhe.

Colonel O’Neill hatte auch nicht erwartet, dass es so einfach werden würde, diesen Mann zum Schweigen zu brin-gen. Er sagte, sie wären Freunde, aber er konnte sich nicht daran erinnern. Er wusste nur, dass sein erster Eindruck von Daniel nicht der war, der ihm eine Freundschaft ermöglicht hätte. Ihm fehlte ein großes Stück, um dieses Puzzle zu-sammenzusetzen. Eine Erinnerung, die erklärte, warum sie sich angeblich so gut verstanden. Eine ganze Menge kleiner Bruchstücke seines bisherigen Lebens waren in seinem Kopf, aber nichts, was irgendwie Sinn gemacht hätte.

„Davon weiß ich aber nichts mehr.“, gab Jack, schroffer als erwartet, zurück.

Ich will, dass ihr mich in Ruhe lasst!

„Dann erinnere dich, verdammt noch mal!“, fuhr Doktor Jackson ihn ungehalten an. „Manchmal glaube ich wirklich, dass du gar nicht wissen willst, wer du bist. Habe ich nicht Recht?“

Er hatte Recht, aber wirklich zugeben wollte Jack es nun auch nicht. Wieso bedeutete es diesem Mann nur so viel, dass er sich wieder klar wurde, wer er eigentlich war? Es musste mehr sein, als nur die Tatsache, dass sie anscheinend Freunde sein sollten, soviel war O’Neill bewusst, aber den Grund konnte er einfach nicht aus seinem Gedächtnis aus-graben. Noch immer war da diese undurchdringliche Mauer - das Nichts, das kein Durchkommen zuließ, ihm den Weg versperrte. Einen Weg, den er auch gar nicht gehen wollte.

„Natürlich will ich das.“, ereiferte sich Jack, nur um dann kleinlaut hinzuzufügen: „Na ja,… ich wollte es am Anfang, aber als ich das Foto von meiner Familie sah, sie aber nicht da waren, und Teal’c mir erzählte, dass mein Sohn… Ich weiß einfach nicht, ob ich… ob…“

Wieso erzähle ich ihm das eigentlich?

„…du auch den Rest erfahren möchtest.“, beendete Daniel den Satz sanft für ihn.

War es etwa diese Art von Freundschaft, welche die beiden verband? Ein Verständnis, das einfach tiefer ging, das man nicht erklären konnte, das seit dem ersten Augenblick bestanden hatte und das keine Erinnerungen brauchte, um Vertrauen hervorzurufen. Es war nicht Jacks Art, sich einem anderen zu offenbaren, aber eben hatte er es dennoch ge-tan. Er fühlte sich hilflos - ein Gefühl, das er schon die ganze Zeit zu unterdrücken versucht hatte - aber er schämte sich nicht dafür. Es kam ihm alles so vertraut vor, so richtig. Vielleicht hatte er sich die ganze Zeit auch nur nicht darauf ein-lassen wollen, aus Angst, dass es ihn an etwas erinnern könnte, dass es ihm sein Gedächtnis wiederbrachte. Allein der Gedanke daran, jagte ihm eiskalte Schauer über den Rücken.

Nach kurzem Zögern fuhr Daniel fort: „Ich kann das verstehen, Jack, aber es geht hier um soviel mehr als nur unsere Freundschaft. Die Welt braucht dich.“

„Wer bin ich, Superman?“, witzelte Jack und lächelte zum ersten Mal an diesem Tag.

Er hätte nie geglaubt, dass ihm das so gut tun würde. Es war, als würde eine Last von seinen Schultern fallen, eine Mauer zu seinem Inneren brechen, die er in den letzten Tagen aufzubauen versucht hatte. Er spürte darüber jedoch kei-nen Verlust. Wieder schien es einfach nur das Richtige für ihn zu sein. Daniel lächelte ebenfalls.

„Irgendwie schon.“, stimmte dieser ihm dann noch mit den Schultern zuckend zu, bevor er erneut ernst wurde: „Ich soll dir eigentlich nichts erzählen - Janet hielt das für keine gute Idee - aber ich denke, du solltest es wissen. Du bist nicht einfach nur Soldat, sondern auch einer von wenigen, der durch ein Wurmloch zu anderen Planeten reist. Die Vorrichtung dafür nennen wir Stargate. Wir bekämpfen eine Rasse, die sich für Götter halten. Sie nennen sich die…“

„Goa’uld.“ , beendete Colonel O’Neill den Satz für ihn.

Endlich hatte Jack den Funken einer Ahnung, was dieser Begriff, der ihn nie verlassen hatte, bedeutete. Der Kampf gegen diese Feinde - Aliens - war so wichtig für ihn gewesen, dass er es nie hatte vergessen können. Ihm wurde be-wusst, dass das bei einem Soldaten wohl so sein musste. Er würde niemals aus seiner Haut können, auch wenn er es noch so sehr wollte.

Ich bin, was ich bin.

Doktor Jackson fragte verblüfft: „Ja, woher weiß du das?“

„Keine Ahnung. Ich wusste es einfach.“, antwortete Colonel O’Neill mit den Schultern zuckend und hakte mit leichtem Spott in der Stimme nach: „Ich bin also ein Held, ja? Das ändert aber nichts daran, dass ich nicht wissen will, wer ich war. Ich will nicht die Gewissheit haben, dass ich alleine bin, keine Familie mehr habe.“

Jack konnte immer noch nicht sagen, warum er eigentlich so verdammt ehrlich zu diesem Mann war, wo er doch be-schlossen hatte, ihn nicht leiden zu können. Noch immer verspürte er gewisse Vorbehalte gegenüber diesem Wissen-schaftler, doch ihm war es ebenso nicht möglich, nicht die Wahrheit zu sagen. In Jacks Kopf rumorte es immer stärker. Seine Erinnerungen drohten an die Oberfläche zu sprudeln, doch noch schaffte er es, die mentale Mauer aufrecht zu er-halten. Wie lange ihm das noch gelingen würde, wusste er nicht. Ihm war nur klar, dass er sich vor diesem Augenblick die ganze Zeit gefürchtet hatte und nun noch lange nicht bereit dazu war, seine Vergangenheit zuzulassen.

„Aber das bist du doch nicht. Du hast uns. Wir sind deine Familie.“, wehrte Daniel vehement ab und schüttelte, zur Unterstützung seiner Aussage, entschieden den Kopf.

„Wieso?“, wollte O’Neill ernst wissen.

„Vielleicht, weil wir auch nicht viel besser dran sind.“, erwiderte Doktor Jackson ehrlich.

Sogar auf seinen Lippen lag ein leichtes Lächeln, um die Ernsthaftigkeit dieser Aussage zu verharmlosen, die Reali-tät herunterzuspielen. Auch wenn Jack es bis eben erfolgreich zu verhindern gewusst hatte, sickerten jetzt doch einige Erinnerungen in sein Bewusstsein. Vor allem Namen von Menschen, die er mal gekannt und verloren hatte. Kameraden, Freunde, Familie. Für ihn hatte es da nie einen Unterschied gegeben. Er war Soldat, seine Einheit war immer seine Fa-milie gewesen, denn er hatte seine Eltern schon früh verloren. Zu früh.

Als Jack nichts entgegnete, fuhr Daniel fort: „Sam hat zwar noch ihren Vater und ihren Bruder, Teal’c seinen Sohn, aber ich für meinen Teil habe nur euch.“

Ist es das Schicksal, was uns so eng miteinander verbindet?

„Dann habe ich wohl mit meinem Verhalten nicht gerade ins Schwarze getroffen.“, äußerte sich O’Neill mit einem bit-teren Lachen, denn jetzt fühlte er sich irgendwie schuldig, dass er Daniel so vor den Kopf gestoßen hatte.

„Kann man so sagen.“, sagte dieser nur, während er auf seine Hände starrte.

Jack gab kleinlaut zu: „Tut mir leid.“

„Muss es nicht.“, wehrte Jackson die Entschuldigung sofort ab, denn er wollte nicht, dass Jack sich für etwas schul-dig fühlte, wofür er überhaupt nichts konnte - so war sein Freund halt und Daniel wusste das. „Wenn du etwas über dich wissen willst, dann frag einfach.“

„Ich komme bei Gelegenheit darauf zurück. Eventuell.“

Mit diesen Worten erhob der Colonel sich stöhnend. Er wollte jetzt alleine sein. Immer mehr Erinnerungen kehrten zurück und diese musste er erst einmal allein verarbeiten. Außerdem fühlte er sich schwindlig und müde, denn in seinem Kopf raste alles durcheinander. Er war kaum noch in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Er wollte nur noch ins Bett und Schlafen. Daniel hielt ihn nicht auf.

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Ohne ein weiteres Wort zu sagen, erhob sich Colonel O’Neill und schlurfte in Richtung Schlafzimmer davon. Es war auch genug gesprochen worden. Sie hatten sich alles gesagt, was sie auf den Herzen gehabt hatten. Jetzt mussten sie das Gehörte erst einmal verdauen. Dafür wollte Jack einfach nur alleine sein. Wieso es aber gerade dieses Zimmer sein musste, wollte Daniel gar nicht wissen. Er war nur erleichtert, dass sie ihre Differenzen hatten ausräumen können, ohne sich gegenseitig erschlagen zu wollen. Ein Problem bestand jedoch auch weiterhin. Jack konnte sich immer noch nicht an ihre Freundschaft oder die letzten Jahre erinnern. Er hatte Daniel nur zugestanden, dass er ihn jetzt tolerieren würde. Das war für alle Beteiligten besser so.

Wenn das doch nur endlich vorbei wäre.

„Jack, hast du Hunger? Ich wollte eine Pizza bestellen.“, rief Daniel ihm von der Küche aus nach, nachdem er sich dorthin begeben hatte, wartete aber vergebens auf eine Antwort.

Sein älterer Freund gab keinen Laut von sich. Dies beunruhigte Jackson, da dieser nicht gut zu Fuß war. Mal ganz davon abgesehen, dass Jack noch immer nicht wieder auf dem Damm war und sich auch an nichts erinnern konnte. Sich einfach nicht erinnern wollte. Daniel wäre es wohl an dessen Stelle genauso gegangen. Einiges aus seinem Leben wollte auch er nur vergessen. Zu viele schlimme Erinnerungen machten sich so manche Nacht in seinem Gedächtnis breit, dass er am Liebsten geschrieen hätte. Er konnte also durchaus nachvollziehen, wie es Jack ging. Dass er jedoch nicht antwortete, fand Daniel mehr als seltsam.

Erneut schrie er: „Jack? Hörst du mich?“

Als er erneut keine Antwort erhielt, folgte er dem kurzen Flur in Richtung Schlafzimmer.

„Wenn das ein Scherz oder so etwas Ähnliches sein soll, finde ich das gar nicht witzig. Ich weiß, dass du mich im Moment nicht leiden kannst, aber wenn ich dir schon helfen soll, dann solltest du vielleicht…“, redete Daniel weiter, un-terbrach sich aber selbst, als er O’Neill bewusstlos am Boden liegen sah.

Oh mein Gott?

Besorgt schrie er: „Jack?“ und war mit ein paar schnellen Schritten bei seinem Freund. Dieser hatte die Augen ge-schlossen, atmete aber noch. Er musste mit dem Kopf irgendwo aufgeschlagen sein, denn eine frische Platzwunde zier-te seine Stirn und eine rote Spur von Blut rann über seine Schläfen bis in sein ergrautes Haar. Doktor Jackson rüttelte ihn an der Schulter und rief immer wieder seinen Namen, um ihn zu wecken. Während er das tat, kramte er mit der an-deren Hand in seiner Jackentasche nach seinem Handy, um Doktor Janet Fraiser zu erreichen.

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Als Jack nach einigen Minuten langsam wieder zu sich kam, atmete Daniel erleichtert auf. Er hatte schon Angst ge-habt, dass seinem älteren Freund mehr hätte passiert sein können, als nur eine Platzwunde und eventuell eine deftige Gehirnerschütterung, zumal dieser schon von seinem Unfall her vorbelastet war. Noch immer presste Jackson ein Hand-tuch auf O’Neills Stirn, um die Blutung zu stoppen und hinderte diesen so daran, einfach aufzustehen.

„Wie geht es dir, Jack?“, fragte der junge Anthropologe besorgt.

Ihm stand die Angst ins Gesicht geschrieben und Sorgenfalten zeichneten sich auf seiner Stirn ab. Jack blickte ihn einen Augenblick nur fragend an, verzog dann schmerzhaft das Gesicht und hielt sich die pochende Stirn, so als könnte er mit einer Berührung den Schmerz ausschalten. Ganz offensichtlich gelang es ihm nicht.

Noch einmal fragte Doktor Jackson: „Jack, ist alles in Ordnung? Was ist passiert?“

„Ja, es geht mir gut.“, antwortete O’Neill endlich mit einem lauten Stöhnen, während er sich langsam und vorsichtig aufsetzte. „Ich muss wohl ohnmächtig geworden sein.“

„Ich habe Janet angerufen, sie wird sicher bald hier eintreffen.“, teilte Daniel seinem Freund mit, ließ diesen aber kei-nen Augenblick aus den Augen.

„Kann ich dir eine Frage stellen?“, wollte Jack, noch immer leicht orientierungslos, wissen.

„Klar.“, antwortete Daniel, nur froh, dass seinem Freund nichts passiert zu sein schien.

„Wer bist du?“

Colonel O’Neill blickte ihn abwartend an. In seinem Blick konnte Daniel nichts lesen, seine Augen verrieten nichts - kein Erkennen lag darin. Ihr vorheriges Gespräch schien umsonst gewesen zu sein. Es würde alles wieder von vorn be-ginnen und so, wie er Jack kannte, würde dieser wieder auf Ablehnung setzen. Jackson wusste nicht, ob er das noch einmal durchstehen würde. Und sofort schoss ihm der Gedanke durch den Kopf:

Nicht schon wieder!

„Jack, ich bin’s, Daniel! Kannst du dich denn gar nicht an mich erinnern?“, fragte Doktor Jackson mit bebender Stim-me.

Alles raste in seinem Bewusstsein durcheinander: Die Sorge um Jack, dass er ernsthaft verletzt worden war, die Angst, dass dieser sich nie mehr würde an ihn erinnern können und die Furcht, dass sein Freund das auch gar nicht wol-len würde. Er wusste nicht, wie lange er das noch durchstehen würde, ohne verrückt zu werden, ohne laut zu schreien. Er war jetzt ja schon kurz davor.

„Nein.“, meinte O’Neill nur mit zuckenden Schultern.

Der junge Wissenschaftler wollte zögernd wissen: „Und was weißt du noch?“

Für einen Moment hatte dieser die Augen geschlossen und schickte ein stummes Gebet gen Himmel, dass Jack nicht wieder alles vergessen hatte.

So sah er auch nicht, wie sich langsam ein spöttisches Grinsen auf Jacks Gesicht stahl, während dieser lapidar antwortete: „Dass du Pizza zum Abendessen bestellen wolltest.“

Daniel riss sofort die Augen weit auf und starrte seinen älteren Freund für Sekunden entgeistert an, ehe sich sein Gesicht zu einer wütenden Grimasse verzog. Beleidigt und auch zornig, stieß er Jack mit beiden Händen vor die Brust.

„Verdammt, das ist nicht witzig!“, brauste er auf. „Du hast mir einen riesigen Schrecken eingejagt. Sag mal, spinnst du?“

Vor lauter Wut war Daniel aufgesprungen. So aufgebracht er auch war, so erleichtert fühlte er sich auch. Ihm viel ein Zentner schwerer Stein vom Herzen. Doch er konnte nicht verstehen, wie Jack auch noch Witze darüber machen konn-te, dass er sich sorgte.

Das wird er noch büßen!

„Nicht, dass ich wüsste.“, erwiderte Jack ruhig und versuchte, sich zu erheben.

Daniel dachte gar nicht daran, ihm auf zu helfen, sondern wandte sich einfach in Richtung Tür, um das Haus zu ver-lassen. Janet würde bald hier eintreffen und Jack schien es offensichtlich sehr gut zu gehen, also musste er auch kein schlechtes Gewissen deswegen haben.

„Ach, komm schon, Daniel, das war doch nur ein Scherz. Nun sei doch nicht gleich beleidigt.“, rief Colonel O’Neill seinem jungen Freund hinterher, auch wenn er wusste, dass diese Worte ihn nicht gerade wieder beruhigen würden.

Darum drohte Jack auch: „He, komm zurück und hilf mir gefälligst hoch, sonst petze ich alles Doc Fraiser.“

„Mir doch egal.“, erwiderte Daniel lediglich stoisch und verließ kurz darauf das Schlafzimmer.

„Daniel!“

Jack schaffte es, sich am Bett hinauf zu drücken und humpelte Daniel hinterher. An der Tür schaffte er es dann end-lich, diesen einzuholen und am Arm festzuhalten, damit er nicht doch noch durch die Haustür verschwinden konnte. O’Neill wusste ja selbst, dass er ein bisschen zu weit gegangen war, aber er hatte es nicht so gemeint. Daniel war zwar stehen geblieben, blickte seinen Freund jedoch nicht an. Vorher wollte er eine Entschuldigung hören.

„Aua. Du bist wirklich ein miserabler Krankenpfleger, ist dir das eigentlich klar.“, kam es stattdessen von Jack.

„Dann kann ich ja genauso gut gehen.“, erwiderte Daniel zischend.

Er versuchte, sich loszureißen, doch Jack hatte ihn fest im Griff. Er würde ihn sicher nicht gehen lassen.

Sturer Hund!

„Nein, bleib!“, stieß O’Neill hervor. „Bitte.“

Reue schwang in seiner Stimme mit, die Bitte, dass Daniel ihm für den kleinen aber geschmacklosen Scherz verzei-hen sollte. Jack hätte sich nie einfach so entschuldigt, schon gar nicht jetzt, wo er wieder wusste, wer er war. Das war seine ganz persönliche Art, um Verzeihung zu bitten. Doch ganz so einfach wollte Jackson es ihm dann doch nicht ma-chen. Ein wenig wollte er ihn noch zappeln lassen.

So meinte Daniel herb, nachdem er sich zu Jack umgedreht hatte: „Nur, wenn du versprichst, das nie wieder zu tun.“

„Aber dein Gesicht war einfach zu komisch. Du hättest sehen sollen, wie deine Augen fast aus den Höhlen gesprun-gen wären. Köstlich.“, sagte O’Neill stattdessen und musste sich ein lautes Lachen verkneifen, konnte aber nicht zu grin-sen aufhören.

„Jack!“, brauste Daniel auf.

Der Colonel hob beschwichtigend die Hände und hatte Jackson damit aus seinem Griff befreit, da dieser garantiert nicht mehr gehen würde.

Schließlich meinte O’Neill doch noch: „Ich verspreche es. Zufrieden?“

Idiot!

„Dann bestelle ich jetzt Pizza.“

Mit diesen Worten trat Daniel von der Tür weg und ging zurück ins Wohnzimmer, wo Jacks Telefon stand. Dieser folgte ihm auf den Fuß, wohl wissend, dass sie damit noch nicht am Ende dieser Debatte angekommen waren. Auf den Colonel würde noch einiges zukommen: Vorhaltungen, wüste Beleidigungen und Vorwürfe. Aber damit konnte er letztendlich leben, solange Daniel nicht mehr sauer auf ihn sein würde. Jetzt, wo er sich wieder erinnern konnte, wusste er nämlich auch, wie nachtragend sein junger Freund werden konnte.

„Daniel?“, fragte Jack nach einer Weile - die Pizza war bereits bestellt - kleinlaut.

„Was?“, erwiderte Jackson genervt.

„Können wir wenigstens Janet und die anderen erschrecken?“, wollte O’Neill herausfordernd wissen.

Daniel bedachte ihn lediglich mit einem alles sagenden Blick.

Daraufhin sagte Jack mehr zu sich selbst, als zu seinem Gegenüber: „Ich nehme das einfach mal als nein.“

Jetzt war es Doktor Jackson, welcher triumphierend grinste, denn er hatte nichts anderes von seinem Freund erwar-tet. Denn egal in welcher Lage Jack sich auch befand, er fand immer einen Grund, sarkastisch zu werden oder blöde Witze zu reißen. So war er halt und das würde sich so schnell auch nicht ändern - Gedächtnisverlust hin oder her - eini-ges änderte sich nie und das war auch gut so. Kopfschüttelnd ließ Daniel sich aufs weiche Sofa fallen.

Du bist einfach unverbesserlich.

Ende


© 2006 Lenari


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