Herbe Verluste - Wenn nur noch die Hoffnung bleibt by Lenari
Summary: SG-1 erfährt von Jakobs Tod. Anise versucht verschollene Erinnerungen aus Sam und Jack zu erhalten. Daniel taucht immer wieder auf.
Categories: Stargate SG-1 Characters: Jack O’Neill (SG-1), Multi-Chara, Samantha Carter (SG-1), Tok’ra
Genre: Character Death, General, Hurt/Comfort, Romance
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 1 Completed: Ja Word count: 50807 Read: 2547 Published: 15.04.14 Updated: 15.04.14
Story Notes:
Zur Abwechslung mal Sam die leidet, aber wenn es ihr schlecht geht, geht es auch Jack schlecht. Er liebt sie, wer hätte da etwas anderes erwartet. Aber ihr wollt ja nicht meine bescheuerten Anmerkungen lesen, sondern die Geschichte, also will ich euch nicht weiter aufhalten. Viel Spaß! OK, OK, ich drifte auch hier in Jacks Elend ab, aber verdammt noch mal, es macht so viel mehr Spaß in seiner Vergangenheit zu wühlen, als in Sams. Bei der weiß man schließlich ungefähr, was passiert ist. Außerdem komme ich mit seinem Charakter besser klar. Ich kann einfach nicht verstehen, was manchmal in Frauen vorgeht. Die sind so kompliziert. Ich möchte an dieser Stelle auch gleich noch meinen Betareadern danken. Ihr wisst ja, wer gemeint ist. Besonderen Dank an Jenny. Hu hu: Sieh mal, mein Baby ist endlich online. Ich bin ja so stolz!!!

1. Kapitel 1 by Lenari

Kapitel 1 by Lenari
Herbe Verluste - Wenn nur noch die Hoffnung bleibt


SG-1 traf im Stargateraum ein, als sich gerade das Wurmloch stabilisierte. Ein Blick in das Gesicht des Generals ver-riet ihnen, dass es sich um keinen Freundschaftsbesuch handelte und dass nur einer der Verbündeten solch einen ver-steinerten Ausdruck in Hammonds Gesicht zaubern konnten. Jack fragte sich, was sie jetzt schon wieder wollten. Erst vor ein paar Wochen hatte sie mit diesen Schlangenköpfen zu kämpfen gehabt und Jack knabberte noch heute daran. Es war eine Sache, ihnen zu helfen und nicht einmal dank dafür zu erhalten und eine vollkommen andere, sich von ei-nem von ihnen fast umbringen zu lassen. Die Verschmelzung und die Gefangenschaft in Ba’als Palast hafteten immer noch schwer auf Jacks Seele und würden ihn wohl auch noch die nächsten Monate wie ein Schatten verfolgen, weshalb er eigentlich keine Lust hatte, einem Tok’ra zu begegnen. Ihm wurde schon bei dem Gedanken daran schlecht, einem Tok’ra gegenüberzustehen. Er schüttelte die aufkommenden Gedanken an die Folter und den Schmerz ab und widmete sich dem, was sich ihm jetzt bot. Das, was er sah, war fast sogar noch schlimmer, als er erwartet hatte. Irgendeinen Tok’ra hätte er sicherlich verkraften können, aber nicht diese ganz bestimmte Frau.
„Anise!“, murmelte er frustriert und fragte sich insgeheim, ob es noch schlimmer werden konnte. Als er jedoch ge-nauer hinsah, erkannte er die Trauer in ihren Augen und die geknickte Haltung, die irgendwie fremd wirkte, war sie doch sonst immer die starke Frau gewesen. Nicht einmal seine Abweisung vor mehr als einem Jahr hatte daran etwas ändern können. Es musste etwas Schreckliches passiert sein. Er nahm zurück, was er gerade gedacht hatte. Es konnte noch schlimmer kommen. Viel schlimmer, wie sich gleich herausstellen würde.
„General Hammond, SG-1, ich habe leider eine schlechte Nachricht für euch. Selmak und sein Wirt Jakob Carter sind bei einer verdeckten Mission ums Leben gekommen.“, berichtete Anise mit betroffener Stimme. Jack spürte förmlich, wie er ein Stück in sich zusammensackte. Alles in ihm flehte, dass es nur ein schlechter Scherz war, doch das war es nicht. Sie sagte die Wahrheit. Sie sprach in solchen Dingen immer nur das aus, was auch zutraf. Wie er sie doch dafür haste. Er verabscheute alle Tok’ra dafür, dass sie seinen Freund hatten sterben lassen, dass sie einfach auftauchten, nach al-lem, was sie sich geleistet hatten, und ihm ins Gesicht sagten, dass er tot sei, dass er nie wieder kommen würde. Jack konnte das einfach nicht glauben. Er warf einen verzweifelten Blick in die Gesichter der anderen. Ihnen ging es auch nicht viel besser. Trauer zeichnete sich auf ihren Gesichtern ab, ehrliche Betroffenheit über diesen Verlust und seeli-schen Schmerz. Besonders schwer traf Samantha Carter diese Nachricht, handelte es sich doch um ihren Vater, der ge-rade gestorben war. Sie zitterte merklich, rührte sich sonst jedoch nicht.
Für einen Augenblick schien es, als wäre sie zu einer Litfasssäule erstarrt, dann gaben ihre Knie nach, sie verdrehte die Augen und sackte bewusstlos in sich zusammen. Jack bekam sie gerade noch so zu fassen, bevor sie auf dem Bo-den aufschlug. Er kniete sich neben sie und betete ihren Kopf in seinem Schoss. Angst, sie auch noch zu verlieren, stieg in ihm auf. Er versuchte, diese zu unterdrücken, was ihm nicht wirklich gelingen wollte. In Bezug auf sein Team fiel ihm das sowieso immer zu schwer. Er war nicht mehr Objektiv, nicht mehr unabhängig von seinen Gefühlen. Er konnte keine klaren Gedanken mehr fassen, wenn es um diese drei Menschen um ihn herum ging. Sam, Teal’c und Daniel... er korri-gierte sich: Jonas. Aber wieso drei, wieso nicht vier? Weil Daniel nicht mehr da war? Weil er Jonas immer noch die Schuld gab? Weil er sich selbst nicht verzeihen konnte? Er blickte auf sie hinab. Es war ihm egal. Sie war unumstößlich dabei.
„Sam!“, presste er angsterfüllt hervor. Er kämpfte gegen seine Tränen an, wollte nicht weinen, sich die Blöße nicht geben. Er war Soldat, ein Militär - schon vor Jahren hatte er gelernt, solche Gefühle zu unterdrücken, doch heute fiel es ihm ganz besonders schwer. Irgendwie schaffte er es jedoch, sich nicht so gehen zu lassen. Er sah auf. Die anderen schienen sich plötzlich wie in Zeitlupe zu bewegen, dabei ging alles so rasend schnell. Hammond deutete einem Techni-ker an, die Krankenstation zu benachrichtigen, Anise schritt die Eisenrampe zum Stargate hinunter, welches sich hinter ihr schloss, Sanitäter, angeführt von Doktor Janet Fraiser, betraten den Raum, er selbst wurde von Teal’c und Jonas von Sam weg und auf die Beine gezogen, damit sie besser versorgt werden konnte, und versuchte sich vergebens loszurei-ßen, als man sie auf einer Trage wegbrachte. Kurz darauf wurde auch um ihn herum alles schwarz und er sank in die Arme des Jaffa.

Als er diese wieder aufschlug, befand Jack O’Neill sich in einem abgedunkelten Raum der Krankenstation. Ein Blick auf seine Armbanduhr verriet ihm, dass er nur lediglich fünfzehn Minuten weggetreten war. Sein Schädel pochte und protestierte heftig gegen jede noch so kleine Bewegung, dennoch setzte er sich auf und sah sich um. Er war nicht allein. Im Bett neben ihm lag eine immer noch bewusstlose Samantha Carter. Ihr Gesicht war ausdruckslos, so als würde sie lediglich schlafen, doch die Umstände, die dazu geführt hatten, gefielen ihm gar nicht. Sie hatten immer gewusst, dass so etwas passieren konnte, dass es einen von ihnen irgendwann auch treffen würde, so wie es Daniel vor nicht einmal einem halben Jahr ergangen war, aber so schnell nacheinander, damit hatte er nicht gerechnet. Na ja, nicht damit, dass es jemand anderen außer ihn traf. Jakob war über die Jahre zu einem seiner besten Freunde geworden, so etwas wie ein Bruder.
Ihn jetzt zu verlieren, schmerzte. So viel hatten sie schon zusammen erlebt und überlebt - Jack konnte nicht ganz begreifen, dass das jetzt das Ende sein sollte. Daniels Verschwinden hatte er noch nicht einmal ganz verkraftet und er würde auch noch lange daran zu kauen haben, wie konnte ihm das Schicksal da gleich noch einen Kinnhaken verpassen und ihn erneut auf die Matte schicken. Das verstieß doch sicherlich gegen irgendwelche kosmischen Regeln. Aber ihn traf es nur halb so hart wie Sam. Sie hatte vor Jahren ihre Mutter verloren und jetzt auch noch ihren Vater zu Grabe tra-gen zu müssen, das war einfach nicht fair. Irgendwann hätte sie es tun müssen, aber Jakob hatte noch soviel Zeit, er hätte noch soviel erreichen können. Er hätte seine Enkel, die er von ihr sicherlich noch bekommen würde, zu Gesicht bekommen sollen.
Sein größter Wunsch, dass Sam endlich eine Familie gründete, hätte noch zu seinen Lebzeiten in Erfüllung gehen sollen. Jack wusste ja noch nicht einmal, wie es passiert war. Sicherlich befanden sich jetzt alle Betroffenen im Bespre-chungsraum, wo Anise ihnen Näheres mitteilte. Er musste das mit seinen eigenen Ohren hören und da er hier im Mo-ment eh nichts ausrichten konnte, beschloss er, sich an der Unterhaltung zu beteiligen. Vorher vergewisserte er sich je-doch noch einmal, dass es Sam auch wirklich den Umständen entsprechend gut ging und sie wenigstens noch so lange schlafen würde, bis er wieder bei ihr war. Wenn sie aufwachte, sollte sie sehen, dass sie nicht alleine war, dass er immer für sie da sein würde. Als er schließlich den Besprechungsraum betrat, richteten sich die Blicke aller auf ihn.
„Colonel?“, sagte General Hammond verwundert. „Ich dachte sie wären auf der Krankenstation. Hat Doktor Fraiser sie etwa schon entlassen?“
„Nicht direkt, Sir!“, wich Jack der Frage aus. „Ich wollte dabei sein, wenn Anise uns Einzelheiten mitteilt.“ Auch ohne das zustimmende Nicken seines Vorgesetzten, hätten ihn nichts und niemand davon abgehalten, bei der Besprechung dabei zu sein. Er setzte sich neben Jonas und konnte der Tok’ra somit genau ins Gesicht sehen. Er würde sofort mer-ken, wenn sie log und so wie er diese Schlangen kannte, würde sie dies auch tun. Insgeheim war er sich sicher, dass ihr Besuch nicht nur dazu diente, sie über Jakob Carters Ableben zu informieren, sondern sie auch um irgendeinen gefallen zu bitten, den sie ihnen unmöglich abschlagen würden, da sicherlich wieder die Existenz der Erde auf dem Spiel stand. Zu oft hatten sie sich schon in solch einer Pattsituation gefunden, als dass Colonel O’Neill sie nicht auf hundert Meter Entfernung riechen würde. Diesmal jedoch wäre ihm das vollkommen egal. Es gab noch genug andere, hervorragende Teams, die ihren Arsch für ihren geliebten Heimatplaneten riskieren konnten. Seine Zeit würde er nur noch Sam widmen bis es dieser wieder besser ging. Etwas anderes hatte keine Priorität für ihn. Wenn es sein musste, würde er sogar dis-sertieren, nur um bei ihr sein zu können.
Die Tok’ra begann mit ihren Ausführungen: „Selmak war auf einer strenggeheimen Mission, als er ums Leben kam.“
„Wo war er und was war das Ziel dieser Mission.“, fiel Jack ihr ins Wort und sah sie dabei kalt an. Aus seinem Ge-sicht und seinen Augen war jegliches Gefühl gewichen. Der Soldat in ihm hatte ganz und gar die Kontrolle über seinen Körper übernommen. Er wollte Einzelheiten, alle Informationen, die er kriegen konnte, um sich einen ungefähren Ablauf des Geschehens vorstellen zu können und jegliche Art von Hintertürchen, in Bezug auf den Tod, zu finden, die Jakob genutzt haben könnte, um diesem verkündeten Schicksal zu entkommen. Sie hatten bis jetzt immer eine andere Option zu dem Tod gefunden, wieso nicht auch jetzt. Das einzige, was sie tun mussten, war optimistisch bleiben.
„Das ist streng geheim.“, wehrte Anise ab und bestätigte damit seine Annahme, dass sie ihm etwas zu verheimlichen versuchte. Wut stieg in ihm auf, doch er schluckte sie herunter, überspielte sie mit dem üblichen Sarkasmus, so gut er es vermochte.
„Ja, diesen Ort kenne ich!“, erwiderte er zynisch, wurde dann jedoch wieder schlagartig ernst. „Jetzt mal Klartext: Ich will alles über diese Mission wissen und wie es zu seinem Tod kam, haben wir uns da verstanden. Keine Ausflüchte, keine Lügen. Ich will Fakten, nichts anderes. Keine Spekulationen oder Vermutungen, keine Theorien nur - Fakten. Wenn du sie uns nicht liefern kannst, dann solltest du uns jemanden herholen, der das kann oder ich suche mir selbst jemanden und prügle es aus ihm heraus, wenn es nötig wird.“ Seine Stimme war hart und duldete keinen Widerspruch.
„Colonel!“, ermahnte General Hammond ihn scharf. Dieser teilte zwar die Ansichten seines Freundes, dennoch konn-te er aus rein politischen Gründen nicht zulassen, dass er so mit der Tok’ra sprach, wie sehr er ihm damit auch aus der Seele redete. Jack hasste es, wenn Hammond die Tok’ra in Schutz nahm oder wenn er wieder einmal zu politisch zu denken begann. Sie waren Soldaten, verdammt, Politik hatte in ihrem Job nichts zu suchen, dass brachte nur das Gleichgewicht durcheinander.
„Ach George, kommen sie!“, wehrte Jack diesen Protest ab. „Sie denken doch genauso. Jakob war schließlich ihr Freund und er hat schon Schlimmeres überlebt.“
„Ich weiß, es ist schwer zu akzeptieren, aber diesmal gibt es wirklich keinen Zweifel an seinem Ableben.“, mischte Anise sich kleinlaut ein.
„Das zu entscheiden, solltest du lieber uns überlassen und jetzt raus mit der Sprache. Was ist passiert?“, wandte Jack zornig ein. Er sah keinen Sinn darin, noch länger seinen Ärger vor den anderen zu verstecken. Diese Tok’ra würde seine ganze Verachtung zu spüren bekommen, wenn sie nicht bereit war, mit der Wahrheit auszupacken. Leider be-schlich Jack das dumpfe Gefühl, dass sie auch nicht mehr wusste, als die anderen Anwesenden in diesem Raum. Sie war auch bloß eine Marionette, gesteuert vom Hohen Rat der Tok’ra. Gott, wie Jack diese Typen hasste.
„Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht viel mehr als ihr. Man sagte mir lediglich, dass er auf einer geheimen Mission war, als das Mutterschiff eines Goa’uld von einem anderen angegriffen und zerstört wurde.“, antwortete Anise einge-schüchtert. Jack stieß hörbar die Luft aus. Das war, für seinen Geschmack, kein guter Tag. Zuviel ging schief. „So etwas ist nicht vorhersehbar.“
„Ja, und eine ziemlich lasche Ausrede. Das kaufst du denen doch nicht wirklich ab.“, gab Jack gereizt zurück. „Ich erwarte von dir, dass du jemanden auftreibst, der mir die Wahrheit erzählt und zwar die Ganze.“
„Colonel!“, ermahnte General Hammond ihn erneut. Diesmal verkniff Jack es sich, ein Kommentar abzugeben. Er hatte seinen Standpunkt bereits klar gemacht. Sein Vorgesetzter wandte sich versöhnlich an Anise: „Ich gehe zwar mit Colonel O’Neills Ausdrucksweise nicht konform, aber dennoch muss ich ihm zustimmen. Wir müssen mit jemandem sprechen, der weiß, worum es ging, um die Zweifel ausräumen zu können. Das müssen sie verstehen.“
„Das tue ich durchaus General, aber der Hohe Rat der Tok’ra hielt es für überflüssig, zwei Tok’ra zu schicken, wenn er beide Nachrichten mit einem übermitteln kann.“, entgegnete sie verständnisvoll.
„OK, darauf habe ich gewartet.“, warf Jack sauer ein. „Die zweite Geschichte. Was es auch ist, vergiss es! Wir spie-len nicht mit, solange wir nicht die erste Sache abgehakt haben.“
„Colonel, noch so eine Anmaßung und sie fliegen raus.“, fuhr Hammond ihn wütend an.
„Schon gut, Sir, ich verschwinde freiwillig.“, erwiderte Jack und erhob sich. „Die Luft hier drinnen wird mir langsam sowieso zu stickig und ich glaube, mich übergeben zu müssen.“ Während er das sagte, bedachte er Anise mit einem ei-sigen Blick, der alle Verachtung ausstrahlte, die er für die Tok’ra und die Goa’uld zusammen hegte. Mittlerweile sah er keinen Unterschied mehr zwischen ihnen, nutzen sie die Menschen um sich herum doch nur für ihre Zwecke aus, um sie dann wegzuwerfen, wie ein benutztes Taschentuch. Er würde da nicht mehr mitspielen. Er hatte die Nase gestrichen voll. Diese Schlagenköpfe hatten ihn betrogen, belogen und hintergangen, mal ganz zu schweigen davon, dass sich Ka-naan aufgeführt hatte, wie ein Goa’uld. Sein Vertrauen zu dieser Spezies war zerbrochen. Selbst Jakob hatte er nicht mehr trauen wollen, was ihn am Meisten zugesetzt hatte, denn er mochte diesen Mann wirklich.
„Raus!“, schrie Hammond ihn an. Diesem war endgültig der Kragen geplatzt. Jack riss die Tür mit Schwung auf und schmiss sie mit der gleichen Kraft wieder ins Schloss. Jeder Anwesende zuckte unwillkürlich zusammen.

Ein leises Stöhnen entwich Samantha Carters Kehle, als sie mühsam ihre Augen aufschlug. Colonel O’Neill, welcher kurz davor gewesen war, selbst einzunicken, war sofort wieder hell wach. Drei Stunden saß er nun schon neben ihr am Bett und wartete, dass sie erwachte. Einerseits hatte er bereits begonnen, sich Sorgen zu machen, andererseits war er auch heilfroh, dass sie schlief, denn so würde sie wenigstens nicht über ihren Verlust nachdenken müssen. Er hielt ihre Hand fest in seiner, um ihr zu zeigen, dass sie mit ihrem Schmerz nicht alleine war. Sie sah erst an die Decke, dann in sein Gesicht. Ein warmes Lächeln umspielte seine Lippen, obwohl ihm eher zum Weinen war. Für sie versuchte er je-doch stark zu sein. Er durfte jetzt nicht die Kontrolle über sich verlieren, er war es ihr schuldig. Zu oft hatte sie schon an seinem Bett gewacht, bis er wieder zu sich kam. Jetzt war er an der Reihe, stark zu sein.
„He.“, begrüßte er sie sanft und strich ihr mit seiner freien Hand eine Strähne aus dem Gesicht. „Sie haben mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt, Carter.“ Sein Daumen streichelte ihre Wange, eher er bereit war, seine Hand zu-rückzuziehen. Er durfte nicht vergessen, wo er hier war, wer sie waren. Solch eine Geste konnte schnell zu falschen Schlüssen führen und Tratsch war im Moment das Letzte, was sie gebrauchen konnten. Sie hatten so schon genug zu kämpfen, sich auch noch dafür rechtfertigen zu müssen, dass sie Freunde waren, wäre zuviel für beide. Jack könnte damit vielleicht noch umgehen, aber Sam... Sie war stark, keine Frage, aber jeder hatte seine Grenzen.
„Sag mir, dass ich das alles nur geträumt habe. Sag mir, dass Dad noch am Leben ist und dass es ihm gut geht.“, bat sie den Tränen nahe. Verzweiflung schwang in den Worten mit. Ihre Hand zitterte und Jack drückte instinktiv fester zu. Alles hätte er darum gegeben, ihr das hätte sagen zu können, er wäre dafür gestorben, doch er konnte nicht. Er hätte sie anlügen können, doch sie hätte ihn sofort durchschaut, er hätte ausweichen können, doch dann hätte sie es ebenso ge-wusst.
Also sagte er nur: „Es tut mir leid, aber das kann ich nicht.“ Die erste Träne bahnte sich ihren Weg über Sams Wan-ge. Jack sah, wie sehr sie versuchte, die Beherrschung zu behalten, sich nicht gehen zu lassen, doch sie kam einfach nicht gegen den Drang an, ihrer Trauer freien Lauf zu lassen. Er wischte ihr die Träne mit dem Daumen weg, doch kurz darauf tauchte eine weitere auf, und noch ein, und noch eine... Sam begann bitterlich zu schluchzen. Das ertrug er ein-fach nicht. Das war schlimmer als die Folter der Goa’uld, es verzehrte sich in seinen Ohren zu Schmerzensschreien. Am Liebsten hätte er sich die Hände auf die Ohren gepresst, dieses verzweifelte Geräusch somit ausgesperrt, doch er tat es nicht. Er war kein Kind mehr, er hatte vor langer Zeit gelernt, damit klarzukommen, es zu überstehen und weiter zu ma-chen. Es waren doch nur Tränen, redete er sich ein. Tränen in den Augen der Frau, die er niemals mehr weinen sehen wollte. Er wusste, was er zu tun hatte, und ihm war egal, was andere davon halten würden.
Schützend schloss er sie in die Arme und zog sie zu sich hoch. Er setzte sich zu ihr aufs Bett und hielt sie einfach nur so fest er konnte, wiegte sie langsam hin und her, versuchte vergebens ihr den Schmerz zu nehmen, sie zu beruhi-gen. „Shh, schon gut!“, redete er beruhigend auf sie ein. „Es wird alles wieder gut, dass verspreche ich dir. Es wird alles wieder gut.“ Er versuchte auch sich mit diesen Worten Mut zu machen, auch wenn er es nicht zugegeben hätte. Für sie jedoch mussten diese Worte wie purer Hohn wirken. Er hatte sie auch oft genug gehört und nicht daran geglaubt, bis es längst geschehen war, bis er wieder dazu fähig gewesen war, zu lächeln. Kein aufgesetztes Lächeln, sondern ein Ehrli-ches, Ungezwungenes. Wenn er das irgendwann bei Sam sah, wusste er, dass es wieder einigermaßen gut werden würde.
Ebenfalls mit den Tränen kämpfend drückte er sie fester an sich. Sie krallte sich verzweifelt an ihm fest, schluchzte immer noch in seine Schulter. Ihre Tränen wurden von seinem T-Shirt aufgesogen, brannten wie Säure auf seiner Haut und rissen tiefe Wunden in sein Herz. Das es überhaupt noch schlug, war ein Wunder für ihn. Nach und nach beruhigte sie sich in seinen Armen, hörte auf zu schluchzen und auch ihre Tränen versiegten allmählich. Als sie sich schließlich von ihm löste und ihn ansah, waren ihre Augen rot und geschwollen, doch Jack fand, dass sie trotz allem noch immer die schönste Frau war, die er je gesehen hatte. Er wischte ihr die letzten Tränen von der Wange und blickte ihr aufmunternd entgegen. Sam schloss kurz ihre Augen und öffnete sie dann wieder. Schmerz war in ihnen zu erkennen, Trauer über den Verlust ihres Vaters.
Jack wusste nur allzu gut, wie sie sich jetzt fühlte. Auch er hatte vor Jahren seinen Vater verloren. Er war an einem Herzinfarkt gestorben, doch im Gegensatz zu ihr, hatte er sich verabschieden können. Für jeden Außenstehenden muss-te ihr momentaner Anblick ziemlich eindeutig wirken, doch für Samantha Carter und Jack O’Neill war es in diesem Au-genblick das Normalste der Welt, so als wären sie nie anders miteinander umgegangen. Als wären sie nur zwei Men-schen, die sich gegenseitig Halt boten und nicht zwei Militärs, die sich über die Jahre viel zu nahe gekommen waren.
Schließlich brach sie das Schweigen zwischen ihnen: „Wie schaffst du es nur so...“
„...kalt zu sein?“, beendete er den Satz für sie. Sam schüttelte entschieden den Kopf.
„Du weißt genau, dass ich das nicht sagen wollte.“, wehrte sie ab.
„Ich weiß.“, gab er zu. „Dir schwebte mehr etwas vor, wie stark, aber das bin ich nicht. Kalt trifft es eher.“
„Sag das nicht.“, bat sie ihn. Sam legte ihm die Hand an die Wange und sah ihm mit flehenden Augen entgegen. Er wusste, was sie ihm sagen wollte. Sie bat ihn stumm, sich selbst nicht so schlecht zu machen, denn er war alles andere als kalt. Jack wusste nicht, was er darauf erwidern sollte, doch im Grunde gab es auch nichts dazu zu sagen. Stattdes-sen schloss er sie wieder liebevoll in die Arme und drückte sie an sich. Plötzlich verspürte er das Bedürfnis, selbst in den Arm genommen zu werden, und dadurch, dass er sie hielt, beschützte sie auch gleichzeitig ihn. Sie begann seinen Na-cken zu kraulen und er schloss die Augen. Es tat so unsagbar gut, sie zu spüren, sie einfach nur bei sich zu wissen. Sei-ne Hände fuhren in großen Kreisen über ihren Rücken, während sich die Ihrige in seinem ergrauten Haar vergrub. Aus einer einfachen Umarmung, die Trost spenden sollte, wurde schnell mehr als das.
Er drohte die Kontrolle über sich zu verlieren, ihre Situation schamlos auszunutzen. Sie waren verletzlich und schwach. Jeder von ihnen würde die Signale des anderen falsch deuten und am Ende würden sie etwas tun, das sie be-reuten. So weit durfte er es nicht kommen lassen. Auch wenn er diese Innigkeit zwischen ihnen nur äußerst ungern un-terbrach, so war es doch das einzig Richtige. Er war einfach nicht der Typ, der die Hilflosigkeit und Dankbarkeit von Frauen ausnutzte. Sanft drückte er sie schließlich von sich, nachdem er sich dazu durchgerungen hatte, seine Augen wieder zu öffnen. Sie sah ihn irritiert an.
„Was?“, fragte sie verwundert, als hätte sie nicht gespürt, was er wahrgenommen hatte. Sie würde wahrscheinlich erst später den Fehler in der Sache bemerken. Vielleicht war aber auch nur er es, der auf diesen Gedanken überhaupt gekommen war. Er war ein Mann, er kam bei jedem Gedanken auf dieses spezielle Thema, dass vollkommen tabu zwi-schen ihnen war.
„Du solltest versuchen, noch etwas zu schlafen.“, wich er aus. Er sah sie dabei nicht an, auch wenn er ihr damit höchstwahrscheinlich wehtun würde. Er löste sich vollends von ihr und setzte sich auf seinen Stuhl zurück, nachdem sie sich wieder hingelegt und die Augen geschlossen hatte. Wieder hielt er nur ihre Hand und wartete geduldig bis sie ein-geschlafen war, ehe er beschloss, sich etwas über den momentanen Stand der Dinge umzuhören.

Er brauchte nur knappe, präzise Informationen, also suchte er lieber Teal’c als Jonas auf. Zu seinem Leidwesen hockten die Beiden jedoch zusammen in der Cafeteria und aßen schweigend zu Mittag. Colonel O’Neill holte sich ledig-lich einen Kaffee. Ihm war schon vor Stunden der Appetit vergangen. Als seine Freunde ihn schließlich bemerkten, sa-hen sie ihm mit sorgenvollem Blick entgegen.
Jonas fragte betroffen: „Wie geht es Major Carter?“
„Nicht besonders.“, antworte Jack seufzend und setzte sich zu ihnen. „Sie schläft jetzt zwar, aber vorhin war sie ziemlich aufgelöst. Ist ihr auch nicht zu verdenken.“
„Sie ist stark.“, meinte Teal’c stoisch. Mehr brauchte er nicht zu sagen. Sie wussten auch so, was er meinte. Sam würde lernen, damit klarzukommen, auch wenn es seine Zeit brauchen würde. Dann herrschte wieder Schweigen. Es war bedrückend, für Jack schon fast unangenehm, so dass er es nicht lange aushielt und schließlich das Wort ergriff.
„Und, irgendwas Neues an der Tok’rafront?“ Er versuchte diesen Satz so beiläufig wie möglich klingen zu lassen, a-ber es gelang ihm nicht wirklich. Ein wütender Unterton hatte sich in seine Stimme gemischt und verriet seinen Freunden sofort, dass er ja nicht hören wollte, dass sie sich nicht herauswinden konnten. Leider konnten sie ihm das nicht erfüllen und das hatte Jack bereits geahnt.
„Anise bat General Hammond darum, eine Erfindung an ihnen zu testen, Colonel.“, gestand Jonas Quinn kleinlaut.
„Und wir wissen ja alle, was ich von ihren Erfindungen halte.“, fügte Jack sarkastisch hinzu. Er hatte es geahnt. Schon, als er heute Morgen aufstand, hatte er das Gefühl gehabt, dass es ein schlechter Tag werden würde, und als sie dann den Code der Tok’ra empfingen, war er sich dessen ganz sicher gewesen. Dass es um eine Erfindung ging und sie Versuchskaninchen spielen sollten, wusste er spätestens, als sie durch den Ereignishorizont trat. Fragte sich nur noch, warum Jonas nur von ihm gesprochen hatte. Er war ja schließlich nicht gerade das Genie unter ihnen. Wahrscheinlich nur, weil diese Tok’ra es auf seinen Arsch abgesehen hatte. Diese Frage wurde ihm von Teal’c beantwortet, bevor er sie hatte stellen müssen.
Dieser fuhr fort: „Sie glaubt, dass immer noch Teile der Erinnerungen der Antiker in deinem Gedächtnis gespeichert sind und sie hat eines der Erinnerungsgeräte so modifiziert, dass es verschüttete Erinnerungen wieder hervorruft. Sie glaubt so, erfahren zu können, woher Anubis die Waffen hat. Die Tok’ra glauben, die Informationen für sich nutzen zu können.“
„Sind die echt so blöd, zu glauben, dass ich da mitspiele?“, hakte Jack empört nach.
„Es wäre vielleicht eine Möglichkeit die Goa’uld auszuschalten.“, wandte Jonas versöhnlich ein. „Wenn wir über die gleiche Technologie wie Anubis verfügen, könnten wir ihn vielleicht aufhalten.“ Jack hatte gar nicht hingehört. Er wollte keine vernünftigen Einwände, keine triftigen Gründe, die dafür sprachen, dass er das Risiko eingehen sollte - er wollte lediglich hören, dass sie diese Tok’ra zum Teufel gejagt hatten.
„Wo ist Anise jetzt?“, fragte er zähneknirschend. Jack wusste bereits, bevor Teal’c es aussprach, dass sie nicht weg-geschickt wurde. Das war eine rein politische Sache, etwas, dass er an allem am Meisten hasste. Militär und Politik soll-ten seiner Meinung nach nicht zusammengehören, da es zwei vollkommen gegensätzliche Dinge waren, doch sie waren untrennbar miteinander verflochten. Deswegen konnte General Hammond Anise auch nicht so einfach nach Hause schi-cken. Wie sehr er doch diese ganze Scheiße hasste.
„Sie ist in einem der VIP-Räume.“, antwortete der Jaffa und blickte Jack besorgt an. Er ahnte, was in seinem Freund vor sich ging. „Ich halte es für eine gute Idee, wenn du vorher mit General Hammond reden würdest, O’Neill.“
„Ich nicht!“, gab Jack schroff zurück, erhob sich und ließ die restlichen Mitglieder seines Teams alleine zurück. Er wollte zu Anise, sie anschreien, sie beleidigen, sie durch das Stargate zu den Tok’ra treten, damit sie ihnen sagte, was diese ihn mal konnten, doch er tat es nicht. Er war schon kurz vor ihrem momentanen Quartier gewesen, als er es sich anders überlegte. Er wusste nur zu gut, dass das keinen Sinn gehabt hätte. Es hätte nichts gebracht, seine Wut an ihr auszulassen und er war wütend. Er war zornig auf die Tok’ra, weil sie Jakob hatten sterben lassen, er war wütend auf diesen, weil er diesen Angriff nicht überlebt hatte, aber vor allem war er stinksauer auf sich selbst, weil er nichts unter-nommen hatte, um das zu verhindern, wenngleich er sich geschworen hatte, nie wieder einen seiner Freunde im Stich zu lassen, dafür zu sorgen, dass keiner seiner Kameraden mehr vor ihm starb. Er hatte schon zu viele Personen sterben sehen, schon zu viele geliebte Menschen verloren - er wollte, dass ein für allemal damit Schluss war.
Deswegen hatte er schließlich auch den Weg zum Trainingsraum eingeschlagen, wo er jetzt unerbittlich auf einen Sandsack einschlug. Seine Hände waren schmerzhaft zu Fäusten geballt, die immer wieder auf das derbe Leder ein-schlugen und deren Knöchel bereits zu bluten anfingen. Er spürte es nicht. Seine Hände waren längst taub. Alles kam in ihm wieder hoch, alles, was er so lange zu unterdrücken versucht hatte. Charlies Tod, Erinnerungen an unzählige Freunde, die er in all den Jahren auf tragische Weise verloren hatte, Daniels Abschied, Ba’als Folter und sein eigener Schmerz, als sie die Nachricht über Jakobs Tod erreichte. Erste Tränen bahnten sich ihren Weg in seine Augen und rannen schließlich über seine Wangen. Er wollte nicht weinen, versuchte krampfhaft, sich gegen die aufkommenden Tränen zu wehren, die Gedanken, die ihm mit unsagbar hoher Geschwindigkeit durchs Hirn rasten, dahin zu verbannen, wo sie hingehörten, doch es gelang ihm beim besten Willen nicht.
Seine Schläge wurden immer kraftloser, ehe er in sich zusammensackte, sich mit dem Rücken gegen die Wand sin-ken ließ, seine Arme um die angewinkelten Beine schlang und versuchte, sich wieder zu beruhigen. Sam hatte Unrecht, er war nicht stark, er war alles andere als das. Er war ein Feigling, nichts weiter - nur ein elender Feigling. Er hatte nicht den Mut dazu, vor anderen zu weinen, seine Gefühle offen zu zeigen. Er belog sich selbst und die Leute um sich herum, damit sie nicht sahen, wie verletzlich er eigentlich war. Wenn ihn jemand ansah, blickte er in das Gesicht des Colonels, eines Mannes, der damit klarkommen würde, doch keiner von ihnen vermochte tiefer zu blicken.
Keiner von ihnen sah den verängstigten Jungen, das in Fetzten gerissene Herz, die vernarbte und geschundene Seele. Niemand erkannte sein wahres ICH, denn er hatte es tief in sich eingesperrt, vor langer Zeit schon, und auch jetzt hatte er nicht vor, es wieder frei zu lassen, denn er würde es nie wieder in sich vergraben können. Es fiel ihm schon schwer genug, gegen seine Dämonen zu kämpfen, da nutzte ihm nicht auch noch ein Kampf gegen sich selbst. Jack fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, wischte sich die Tränen aus den Augen, atmete ein paar Mal tief durch, bis er sich weitgehend wieder beruhigt hatte und erhob sich dann. Er hatte es geschafft, die Erinnerungen, das Leid wieder tief in sich einzusperren - dort, wo es niemand sah.

Colonel O’Neill wartete noch eine Weile, bis er sich zu General Hammonds Büro aufmachte und schließlich, nach nochmaligem tiefen durchatmen, an dessen Bürotür klopfte.
Nachdem er ein „Herein!“ von Hammond vernahm, trat er ein. Er war wieder der Soldat. Von dem Vorfall im Trai-ningsraum zeugten lediglich noch die mit Blut verkrusteten Fingerknöchel. Sein Gesicht war wider ausdruckslos und kalt, die Kontrolle hatte wieder der Soldat in ihm. Hinter dem großen Schreibtisch saß sein Vorgesetzter und blickte ihn leicht verwundert an. Er hatte nicht erwartet, Jack so schnell zu sehen und das ohne vorherige Klagen von Anise oder einer anderen Person. Auch in Hammonds Augen konnte man den Schmerz und die Trauer erkennen. Er hatte einen sehr gu-ten Freund verloren. Vielleicht hatte dieser sogar noch mehr als Jack das Recht dazu, Jakob und die Tok’ra deswegen zu verfluchen, doch er tat es nicht. Jack begriff beim besten Willen nicht, warum. „Schön, dass sie da sind, setzten sie sich doch, Colonel.“, meinte der General schließlich. Jack schüttelte entschieden den Kopf. Er blieb weiterhin erhobenen Hauptes stehen, so wie es ihm in seiner Ausbildung beigebracht worden war.
„Teal’c meinte, sie wollten mich sprechen, Sir.“, gab er im militärischen Ton zurück. Diese Disziplin verwunderte sei-nen gegenüber sichtlich. Dieser hatte lang nicht mehr erlebt, dass sein bester Mann sich so zusammenriss und nach dem Ausraster vor ein paar Stunden auch so etwas nicht erwartet. Viel mehr hatte George damit gerechnet, dass Jack tobte, fluchte und um sich trat, doch nicht, dass er sich gerade jetzt daran erinnerte, was er eigentlich war. Das besorgte Jacks Vorgesetzten, denn es brachte jedem wenig, wenn er seinen Ärger in sich hineinfraß. Wenigstens konnte er so vernünftig mit Jack reden.
„Sicher hat er ihnen schon erzählt, um was Anise uns gebeten hat.“, setzte Hammond an.
„Nur grob, Sir.“, erwiderte O’Neill steif.
„Sie hatte gehofft, dass sie sich bereit erklären würden, ihre Erfindung auszuprobieren, damit wir so an die Informati-onen er Antiker kommen.“, fuhr George fort. „Darüber hinaus hoffen sie, dass sie noch Erinnerungen von Kanaan in sich tragen könnten. Auch Major Carter hatten sie ursprünglich darum bitten wollen, da Jolinars Erinnerungen auch jetzt noch sehr wichtig sein könnten, aber Anise war sich bewusst, dass es ein ungünstiger Zeitpunkt wäre, diese darum zu bitten.“
„Bei allem Respekt, Sir, aber ich glaube nicht, dass ich dem zustimmen kann.“, wandte Jack ein. „Ich trage weder Er-innerungen von Kanaan in mir, noch besitze ich Informationen über die Antiker. Das wäre ehrlich gesagt reine Zeitver-schwendung. Was Major Carter angeht, ich denke nicht, dass sie sich das auch ohne Jakobs Tod zugemutet hätte.“ A-bermals spürte er, wie die Wut in ihm hoch kroch, doch er schaffte es, sie herunter zu schlucken und sachlich zu bleiben. Lieber wäre ihm jedoch gewesen, wenn er dieser Tok’ra jetzt den Hals hätte umdrehen können.
„Aber was ist, wenn sie Recht hat. Ich denke, wir sollten es wenigstens versuchen. Sie wissen, dass die Entschei-dung bei ihnen liegt, Colonel.“, entgegnete Hammond. Jack sagte nichts. Es widerstrebte ihm, sich dieser Folter zu un-terziehen, denn er wusste, dass so auch andere Erinnerungen ans Tageslicht dringen würden, die er in all den Jahren erfolgreich verdrängt hatte. Er wusste nicht genau, was, aber genau deswegen würde es ihn unerwartet, wie ein heftiger Schlag ins Gesicht, treffen. Er würde wieder zusammenbrechen, er würde sich vor den anderen bloßstellen und das wo-für? Für eine Spekulation, für einen Strohhalm, an den sich jeder hier zu klammern schien. Nach einer Weile des Schweigens, sagte General Hammond ernst: „Ich bin sicher...“
„Och, kommen sie!“, platzte Jack gereizt hervor. „Sagen sie mir jetzt nicht, dass Jakob es an meiner Stelle durchge-zogen hätte. Sie wissen genau,...“
„...das ich damit vollkommen Recht hätte.“, fuhr George ihm ins Wort. „Jakob hätte sich von ihrem Tod nicht abhalten lassen, es wenigstens zu versuchen, um weiteres Blutvergießen zu verhindern.“ Sie sahen sich in die Augen, hielten dem Blick des anderen stand, bis Hammond letztendlich resignierend den Kopf schüttelte und sich von Jack abwandte, um durch das große Panoramafenster auf das Stargate hinunter zu blicken. „Aber darum geht es gar nicht, nicht wahr?“, bemerkte er schließlich ernüchternd. Er kannte Jack zu gut, um nicht zu wissen, warum er es strickt ablehnte, dass die-ses Experiment mit ihm durchgeführt wurde. O’Neill erwiderte darauf nichts. Es war eine Feststellung, keine Frage, und beide wussten das. „Es geht nicht darum, welche Informationen wir nicht erhalten könnten, sondern darum, an was sie sich alles wieder erinnern würden. Mal ganz abgesehen von den Dingen, die sie in den letzten sechs Jahren erlebten, kommt die Bezeichnung ‚das unterliegt strengster Geheimhaltung‘ öfter in ihrer Akte vor als ihr Name.“
Ehe Jack sich dessen überhaupt bewusst war, gab er schon sarkastisch zurück: „Ja, ich bin ganz schön herumge-kommen.“ So sehr er es auch versuchte, er kam nicht aus seiner Haut. Sarkasmus war halt sein Ventil, wenn er mal wieder überzukochen drohte, und genau das war in diesem Moment der Fall. Genau vor dieser Tatsache hatte er Angst. Es war nicht nur wahrscheinlich, dass es passieren könnte, sondern hundertprozentig sicher, dass es unweigerlich dar-auf hinauslief.
„So kann man es auch nennen.“, stimmte sein Vorgesetzter ihm zu. Ein resignierendes Lachen verließ dessen Mund.
„Können sie mir garantieren, dass wir etwas Nützliches finden werden?“, fragte Jack nach einer Weile. Das Schwei-gen zwischen ihnen wurde ihm langsam unangenehm.
„Nein!“, antwortete Hammond ernst. Er sah O’Neill immer noch nicht an. Vielleicht viel es Jack deswegen so leicht, darüber zu reden oder auch nicht zu reden.
„Und Jakob hätte es getan?“, hakte er nach.
„Da bin ich mir sicher.“, bestätigte George mit einem zusätzlichen Nicken. Jack hob beide Augenbrauen und stieß hörbar die Luft aus, während er begann seine schmerzenden Knöchel zu massieren. Sie schienen allein bei dem Ge-danken daran, dieses Experiment über sich ergehen zu lassen, stärker als zuvor zu schmerzen. Es konnte natürlich auch sein, dass sie sich zu entzünden begannen, aber Jack war sicher, er würde es überleben. Dieses Mal jedenfalls noch.
„Na dann, zeigen wir ihnen, wie ich das erledige.“ Beide wussten sie, dass das ein schlechter Witz gewesen war, dennoch entglitt ihnen ein spöttisches Lachen. Diese Situation ausgerechnet mit dem Spruch eines mittelmäßigen Schauspielers, aus einem grotesken Abklatsch seines Lebens, zu kommentieren, glich einer Phase. Leider war ihm in diesem Moment nichts Besseres eingefallen.

Anise beugte sie zu Colonel O’Neill vor, um ihm eine kleine, runde Platine an die Schläfe zu setzten, die dafür sorgen sollte, dass sein Langzeitgedächtnis stimuliert wurde. Außer einem kleinen Ziehen in seiner Haut spürte er nichts, den-noch saß es so fest, dass er es wahrscheinlich nicht einmal hätte herausreißen können. Noch war es nicht aktiviert. Er versuchte sich mental darauf vorzubereiten, was kommen würde, sobald sie ihn online schaltete, doch er war sich sicher, es würde ihn dennoch umhauen.
„Heben sie bitte ihr Hemd an, Colonel.“, bat sie plötzlich. Jack blickte ihr verwirrt entgegen.
„Wieso?“, fragte er ohne Umschweife.
„Weil ich ihnen einen Bioscanner und ein Aufzeichnungsgerät anheften möchte. Ansonsten würde dieses Experiment ihre Bewegungsfreiheit zu sehr einschränken. So ist es möglich, die Daten zu einem späteren Zeitpunkt zu studieren.“, erklärte sie ihm, als ob sie sein Misstrauen, dass er gegen sie hegte, nicht verstehen würde. Widerwillig hob er sein T-Shirt und sie setzte ihm zwei weitere Minicomputer an die Brust. Den Bioscanner, den er bereits kannte, in die Nähe des Herzens und das Aufzeichnungsgerät an die rechte Schulter, so dicht wie möglich an den Sender an seiner Schläfe.
„Wird dieses Ding alle Erinnerungen, die ich während des Tests habe, aufzeichnen?“, fragte Jack beiläufig, obwohl er die Antwort längst kannte. Natürlich würde das der Fall sein und sie würde sie sich im Nachhinein sicherlich bei Popkorn und einer großen Cola auf einer Leinwand ansehen. So in der Art. Das missfiel ihm zutiefst. Es waren seine Erinnerun-gen, seine Vergangenheit. Niemand sollte in ihr herumwühlen. Auf jeden Fall niemand mit einer Schlange im Kopf oder einem Roboter, der sich mit der Hand in einen Kopf bohren konnte.
„Nur die, die von ihrem Bewusstsein unterdrückt werden oder nicht ihre sind.“, gab Anise zurück und nahm gleichzei-tig den Aktivator zur Hand. „Ich habe es auf eine niedrige Stufe gestellt, da ich feststellen musste, dass eure Gehirne sehr empfindlich auf diese Technologie reagieren.“ Jack schloss die Augen, versuchte seinen Verstand auszusperren, als sie sich wieder vorbeugte, um die Platine zu aktivieren und eine Verbindung zu einem Bildschirm herzustellen, den sie mitgebracht hatte, um zu sehen, ob es funktionierte. Er dachte an nichts, versuchte alle Gedanken aus seinem Geist zu verbannen, um ja nicht von seinen Erinnerungen überrollt zu werden. Dementsprechend war der Bildschirm weiterhin schwarz. Vom Flur her drangen Geräusche - Stimmen. Ein Soldat gratulierte gerade einem anderen zum Geburtstag. Auf einmal bildete sich aus dem Dunkel ein Bild in Jacks Geist. Er versuchte es zu unterdrücken, doch es war bereits zu spät. Diese paar Worte hatten eine tief vergrabene Erinnerung in ihm ausgelöst.
Er hörte Gelächter - Kinderstimmen - sah einen kleinen Garten, festlich geschmückt. Kinder liefen umher und spielten miteinander. Eine wunderschöne Frau trat nach draußen und rief diese an einen großen Tisch mit den verschie-densten Arten von Kuchen. Sie setzten sich, doch aßen sie nicht. Sie schienen noch auf jemanden zu warten. Er sah al-les aus der Sicht eines dieser Jungen, aus seinen Augen, denn es war seine Geburtstagspartie gewesen. Seine Eltern hatte nie viel Geld gehabt, doch das hatte ihn nie gestört. Er war nie ein sehr anspruchsvoller Mensch gewesen. Mate-rielle Dinge bedeutete ihm eigentlich ziemlich wenig. Das war damals auch schon so gewesen. Deswegen hatte er auch auf seine Geschenke verzichtet, damit er mehr Kinder einladen konnte. Das war viel wertvoller für ihn gewesen. Freunde und Familie, mehr brauchte er nicht, um sich glücklich zu fühlen. Etwas, das nie wieder sein sollte. Das Läuten einer Türglocke war zu hören und freudig sprang er auf. Plötzlich erinnerte sich Jack wieder an alles, was passieren wür-de, wenn er die Tür öffnete, wenn er sich weiter erinnerte.
„Abschalten!“, kam es gedämpft von ihm.
„Wieso?“, fragte Anise verwundert.
„Weil ich es sage!“, brachte er mit knirschenden Zähnen hervor und blickte ihr aus kalten Augen entgegen. „Schalte sofort ab!“ In seiner Erinnerung war er bereits an der Tür. Er sah es jetzt auf dem Bildschirm vor sich und gleichzeitig in seinem Kopf. Am Liebsten hätte er laut losgeschrieen, dass sein jüngeres ICH es gefälligst sein lassen sollte, aber er wusste nur zu gut, dass das auch nichts ändern würde.
„Es ist nur eine Erinnerung aus ihrer Kindheit. Diese sind auch verschüttet. Was ist daran so tragisch?“, hakte sie verständnislos nach. Sie hatte ja auch keine Ahnung. Wer glaubte schon daran, dass ein neunjähriger Junge schon solch ein Erlebnis zu verkraften hatte. Doch jetzt war es zu spät.
Die Tür wurde bereits geöffnet. Jack schloss wieder die Augen, versuchte sich auf den Schmerz und die Trauer vorzubereiten, auf die Worte, die gleich folgen würden. Vor der Tür stand ein junger Mann - der Vater einer seiner besten Freunde - sein Gesicht war von Schmerz verzehrt und Jack sah, dass er geweint hatte. Das blaue Hemd war zerknittert, die Krawatte gelöst. In der Hand hielt er ein weißes Blatt Papier. Er war ein Riese in Jacks Augen, doch wusste dieser, dass der Mann im Grunde nicht größer als Jonas sein durfte. Damals jedoch war er erst neun gewesen, es schien zu dieser Zeit alles riesig. Der Mann kniete sich hin, legte O’Neill die Hand an die Wange und tätschelte diese leicht. Verwirrung stieg in Jack auf. Er wusste ja nicht, was das zu bedeuten hatte. Er hatte auf seinen Freund gewartet, nicht auf dessen Vater.
Zögernd sagte dieser: „Es tut mir leid, Jack, aber ich habe schlechte Nachrichten für dich. Charlie, er kommt nicht.“ Er druckste um die Wahrheit herum, Jack spürte das. Jetzt wusste er, dass es aus Trauer war, nicht weil dieser glaubte, dass er es nicht verstehen würde. Schon damals war er ein Realist gewesen - war eventuell vorprogrammiert, wenn man in einer solchen Gegend aufwuchs wie er.
„Ist er krank?“, fragte der kleine Jack mit kindlicher Stimme. Charlie war öfters krank gewesen. Dieser hatte schweres Asthma, bei dem O’Neill bis heute noch nicht begriff, wie dieses überhaupt ausgelöst worden war. Er wusste nur, dass man Anfälle bekam und sich dann sehr krank fühlte. Im Zusammenhang mit anderen Lungenkrankheiten konnte das so-gar tödlich sein. Charlie hatte bereits erste Anzeichen dafür gezeigt, diese jedoch heruntergespielt und sicher auch vor seinen Eltern verheimlicht. Sie neigten dazu, überzureagieren. Er hatte zu diesem Zeitpunkt schon geahnt, dass es mehr war als ein einfacher Anfall, vielleicht sogar schon früher. Normalerweise kam sein Freund nie zu spät, eher noch zu früh. Charlies Vater schüttelte den Kopf.
„Nein, er ist nicht krank, er ist jetzt bei Gott. Er hatte über Nacht einen seiner Anfälle und er hat es nicht überlebt.“, gab er zurück.
„Tod?“, hörte Jack sich selbst fragen. Tränen schossen ihm in die Augen, doch er weinte nicht. Auch damals hatte er nicht geweint. Schon als Kind war er zu stolz dazu gewesen. Außerdem hätte das nur zu weiterem Ärger geführt.
„Es tut mir so unendlich leid. Er hatte sich so sehr auf deine Party gefreut. Das wollte er dir schenken.“ Der Mann gab ihm den weißen Zettel und Jack öffnete ihn. Es war ein Bild, gemalt mit Buntstiften. Es zeigte Charlie und ihn, beide mit einem großen Lächeln. Darüber stand in Großbuchstaben geschrieben: Best Friends forever.

Dann brach die Erinnerung ab. Anise hatte letztendlich doch noch die Maschine abgeschalten, vielleicht sogar schon früher. Jack wusste es nicht und er wollte es auch gar nicht wissen. Langsam öffnete er wieder die Augen. Er hatte es geschafft seinen besten Freund aus seiner Erinnerung zu verdrängen, was ihn jedoch nicht daran gehindert hatte, sei-nen Sohn nach diesem zu benennen. Mit der Hand fuhr er sich übers Gesicht, vertrieb so die Tränen und den Schmerz.
„Es tut mir leid, ich konnte das ja nicht ahnen.“, versuchte die Tok’ra sich zu entschuldigen, doch er hörte gar nicht hin. Was sie auch sagen würde, es würde nichts mehr an der Tatsache ändern, dass es passiert war und dass sie es gesehen hatte. Jack hätte nie gedacht, dass er sich noch so haargenau an diesen Vorfall erinnern konnte. So etwas ver-gaß man wohl nie.
„Stellen sie es niedriger.“, meinte er bloß unberührt.
„Aber es ist fast...“, protestierte sie, wurde jedoch von ihm unterbrochen.
„Stellen sie es niedriger.“, wiederholte Jack seine Worte und sie tat, wie ihr aufgetragen, dann aktivierte sie es er-neut. Diesmal passierte nichts, aber Jack versuchte auch nicht mehr, sich dagegen zu wehren. Er wusste jetzt, dass das keinen Sinn hatte. Anise löste die Verbindung zum Bildschirm, damit Jack sich wieder frei bewegen konnte, da ja so oder so alles aufgezeichnet wurde. Er erhob sich und strich seine Sachen glatt. Außer ihnen beiden war niemand im Raum, aber er spürte dennoch die Blicke von Doktor Fraiser und General Hammond auf sich ruhen, die von einem anderen Raum aus zusahen. Sie hielten die ganze Sache wohl für zu persönlich, weshalb sie sich diskret im Hintergrund hielten. Kühl meinte Jack, als er sich dem Ausgang zuwandte: „Sollten sie mich suchen, ich bin bei Carter.“ Mit diesen Worten verließ er den Raum.

Samantha war bereits wach, als Colonel O’Neill den Raum betrat. Sie hatte immer noch rote, geschwollene Augen, was ihn schmerzlich daraufhin wies, dass sie abermals geweint hatte.
Er lächelte sie an und sie begrüßte ihn mit einem einfach: „He!“
„Selber He!“, gab er sanft zurück und setzte sich zu ihr aufs Bett. Er strich ihr zärtlich eine Strähne aus der Stirn und lächelte ihr entgegen. Eine Weile schwiegen sie beide, dann brach Sam schließlich doch die Stille.
„Wozu das Ding?“, fragte sie und tippe Jack an die Schläfe, wo sich das Erinnerungsgerät befand. Normalerweise benutzte sie die Fachbegriffe dafür, doch ehrlich gesagt gefiel Jack diese Bezeichnung viel besser.
„Lange Geschichte.“, wehrte er ab. „Nur wieder so ein Tok’ra-Experimenten-Kram.“
„Erzähl es mir.“, bat sie und sah ihm in die Augen. Er konnte ihr nicht widerstehen, auch wenn er sie eigentlich nicht damit hatte behelligen wollen. Anscheinend wollte sie nur abgelenkt werden, sonnst hätte sie garantiert nicht gefragt.
Jack begann: „Na ja, Anise hatte so eine Idee, dass vielleicht noch was von Kanaan oder den Antikern in mir sein könnte und wollte es unbedingt herausfinden. Sie hat dieses Ding so verändert, dass es verschüttete Erinnerungen wie-der hervorholt. Wie du dir vorstellen kannst, bin ich begeistert.“
„Wollten sie auch mich für das Experiment?“, hakte Sam kleinlaut nach.
„Im Grunde schon, aber nach der Sache mit deinem Vater,... sie hielten es einfach nicht mehr für richtig, dich das zu fragen.“, gab er zurück. Jack wollte es immer noch nicht wahrhaben. Das konnte unmöglich der Wahrheit entsprechen. Er fühlte genau, dass sein Freund noch irgendwo da draußen war und zu ihnen zurückkommen würde. Bevor er nicht endgültige Beweise hatte, würde er nichts anderes glauben. Tränen traten Sam wieder in die Augen. Jack schallte sich sofort dafür, es überhaupt angesprochen zu haben, und nahm sie schützend in die Arme. Sie bettete ihren Kopf an sei-ner Schulter und schloss die Augen. Weinen konnte Samantha dennoch nicht. Sie hatte nicht mehr die Kraft dazu.
„Ich vermisse ihn so sehr, Jack!“, brachte sie traurig hervor.
„Ich weiß!“ Diese Situation kam Jack verdächtig bekannt vor, doch wusste er nicht woher. Es war, als wäre es nicht eine seiner Erinnerungen gewesen. Es waren Kanaans. Da war also doch noch etwas von dem Tok’ra in ihm, außer das Wissen darüber, dass er diese Frau in Ba’als Palast geliebt hatte. Erst wollte sich Jack dagegen sperren, aber dann ent-schied er sich um und zwang sich sogar dazu sich zu erinnern. Umso schneller er Informationen erhielt, desto eher wür-de er dieses Ding wieder loswerden. Es war eigentlich der falsche Moment, aber Sam schien das in ihm erst ausgelöst zu haben. In ihrer Gegenwart würde er sich leichter erinnern können. Jack schloss ebenfalls die Augen und versuchte die Erinnerung zu greifen. Schließlich gelang es ihm auch.
Er sah sich selbst in einem Tok’rastützpunkt, in einem der vielen Quartiere, in seinem eigenen Zimmer. Er hielt jemanden im Arm. Eine Frau. Sie hatte dunkelblondes, schulterlanges Haar und eine zierliche, aber dennoch nicht zer-brechliche Statur. Ihre Haut fühlte sich wie samt unter seinen Fingern an. Er liebte diese Frau oder zumindest glaubte er das. Sie war ebenfalls eine Tok’ra, er fühlte ihre Präsenz. Ihr Gesicht konnte Jack nicht sehen, aber ihre Stimme hören, die leise seinen Namen sagte. Na ja, nicht seinen, aber den des Symbionten.
„Ich vermisse ihn so sehr, Kanaan. Er kann nicht tot sein.“, schluchzte sie und schmiegte sich enger an ihn.
„Ich weiß!“, gab Jack mit der verzehrten Stimme eines Tok’ra zurück. Eigentlich hätte es ihm jetzt eiskalt den Rücken herunterlaufen müssen, aber es klang auf einmal so vertraut und so richtig. Er zog die Frau enger an sich, senkte seinen Kopf und schloss die Augen. Ihr intensiver Duft machte ihn fast verrückt. Er wollte nicht daran denken, wie schön sie war, wie begehrenswert, weil er es nicht ausnutzen wollte. Er war nicht der Typ Mann, der das tat. Sie waren Freunde, mehr nicht. Er war sein Freund gewesen. Jack fragte sich, wer dieser andere Mann war, um den sie trauerten. Ihm bliebt jedoch keine Zeit mehr dazu, seine Schlüsse zu ziehen, denn er löste sich bereits ein Stück von der Frau, um sie anse-hen zu können. Sie hatte ein bezauberndes Gesicht. Wundervolle, blaue Augen, volle Lippen und markante Wangen-knochen. Sie hätte glatt ein Model sein können, fand Jack. Die Intimität dieses Moments schien auch diese Frau gespürt zu haben, denn in ihren Augen lag etwas, dass er nicht deuten konnte. Er wusste, so hatte sie ihn noch nie angesehen.
„Kanaan.“, hauchte sie kaum hörbar. Wie er es liebte, seinen Namen aus ihrem Mund zu hören. Jack konnte gut nachvollziehen, wie es Kanaan damals gegangen sein musste. Die Frau beugte sich zu einem Kuss vor und er sich zu ihr hinunter. Allmählich schlossen beide die Augen, auch wenn sie den Blickkontakt eigentlich nicht unterbrechen woll-ten. In Jacks Kopf schrie eine Stimme, dass es falsch war, dass er seinen besten Freund mit dessen großen Liebe be-trog, doch er konnte sich ihr nicht entziehen. Sein anfänglicher Widerstand war längst gebrochen.
Kaum hörbar flüsterte er: „Jolinar.“, bevor sie in einem langen, leidenschaftlichen Kuss versanken.

Jack zwang sich, den Rest dieser Erinnerung auszusperren, wieder zu vergraben - auf jeden Fall für den Moment - und sich wieder auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Sanft löste er sich von Sam, drückte sie etwas von sich. Er musste erst einmal einen klaren Gedanken fassen und so nah neben der Frau zu sitzen, dessen frühere Symbiontin et-was mit seinem kurzzeitigen Mitbewohner hatte, war nicht gerade förderlich dafür. Sam sah ihn verwundert über die plötzliche Zurückweisung an.
„Alles in Ordnung?“, fragte sie irritiert, als sie seinen geschockten Gesichtsausdruck bemerkte.
„Ja, ja... alles bestens. Ich hatte bloß gerade eine merkwürdige Erinnerung von Kanaan, das ist alles.“, versuchte Jack es als unwichtig abzutun. Er wusste, früher oder später würde sie es so oder so herausfinden, aber im Moment hat-te sie schon genug an Jakobs Verschwinden zu kauen. Er wollte sie auch nicht noch damit belasten. Martouf und Lan-tash waren zwar tot, aber sie würde dennoch ein schlechtes Gewissen haben. Das hatte sie ja auch, als sie diesen er-zählen musste, dass Jolinar mit diesem Wärter auf Ne’thu gepennt hatte, um zu entkommen.
„Etwas Wichtiges?“, hakte Samantha nach.
„Nein, nichts, was für die Tok’ra von Bedeutung wäre.“, wehrte Jack ab.
„Ich werde es auch machen!“, sagte Carter plötzlich. Jack sah sie perplex an. Damit hatte er nun gar nicht gerechnet. Er musste bei dieser Frau zwar immer auf Überraschungen gefasst sein, aber das war selbst für sie untypisch. Sie war noch gar nicht ganz auf dem Damm und schon wollte sie sich wieder in die Arbeit stürzen. OK, das passte doch zu ihr, aber nicht, dass sie sich freiwillig für ein „wir saugen dir die Erinnerungen aus deinen Gehirnwindungen“ - Experiment zur Verfügung stellte. Das entsprach keiner Logik, aber vielleicht verstand Jack es auch nur nicht, weil Sam eine Frau war. Oft genug verstand er sie nur aus diesem Grund nicht.
„Sicher?“, wollte er ruhig wissen. Jetzt mit ihr zu diskutieren hätte eh nichts gebracht. Es hätte nur dazu geführt, dass sie sauer auf ihn gewesen wäre und das wollte er jetzt nun wirklich nicht.
„Sicher!“, bestätigte sie.
„Aber ich bestehe darauf, dass der Doc vorher grünes Licht gibt, verstanden!“, gab Jack zurück.
„Jawohl, Sir.“ Anders als er erhofft hatte, schien Janet nichts dagegen zu haben, dass Sam das durchzog. Sie mein-te, dass Sam körperlich gesund war und auch geistig durchaus in der Lage schien, eigene Entscheidungen zu treffen, aber ein Restrisiko, dass Sam es seelisch nicht verkraften könnte, blieb dennoch. Weiterhin wollte Carter es jedoch ver-suchen und so ließ Jack sie widerwillig gewähren, nicht jedoch, ohne immer wieder nachzuhaken, ob sie sich ihrer Sa-che sicher war. Sie war sich sicher. Er hatte es bei Hammond versucht, doch auch dieser schien Sam die Entscheidung zu überlassen. Schöne Freunde, dachte sich Jack. Wenn man sie wirklich mal braucht, kneifen sie. Nach ei-ner halben Stunde war sie dann auch so weit, die kleinen Sensoren wurden auch an Sams Körper angebracht und akti-viert.

Jack saß allein in seinem Quartier. Bisher hatten sich noch keine Erinnerungen gemeldet, die er nicht zuvor auch ge-habt hatte. Die Stille tat ihm gut. Niemand außer ihm war hier und doch schien er nicht allein. Er konnte eine allgegen-wärtige Präsenz spüren. Jemanden, der eigentlich nicht mehr da sein konnte. Seit Monaten nicht mehr. Oder etwa doch? Er hatte ihn schließlich vor nicht allzu langer Zeit gesehen. Auf jeden Fall hatte er sich das eingebildet. Es hatte ihn da-vor bewahrt, den Verstand zu verlieren. Ob Trugbild oder nicht, er wusste einfach, dass sein Freund hier war.
„Daniel!“, dachte er laut in die Leere des Raums. Es war dunkel. Jack hatte es vermieden, Licht zu machen. Das hät-te ihn nur abgelenkt. So war er Doktor Jackson einfach näher. Immer, wenn er verzweifelt war, immer, wenn es ihm schlecht ging, saß er so in seinem Zimmer und dachte an seinen Freund. Das half ihm. Das gab ihm neue Kraft. Er ge-stand flüsternd: „Ich vermisse dich.“ Er wusste nicht, ob sein Freund ihn hören konnte oder nicht, aber das spielte auch keine Rolle, denn Hauptsache war, dass Daniel es auch so wissen würde. Er glaubte manchmal sogar, seinen Freund reden zu hören oder ihn gar zu sehen, doch wusste er, dass er sich das nur einbildete. Es war nicht so, wie in Ba’als Stützpunkt, es war vollkommen anders. Es war lediglich seine blühende Phantasie, die da mit ihm durchging, die vielen Erinnerungen, die ihm noch so frisch im Gedächtnis waren, und der Wunsch, nichts von ihm vergessen zu wollen. Nach und nach verblassten Bilder von geliebten Menschen, Jack wusste das nur zu gut, er wollte seinen Freund nicht auch noch so verlieren. Das würde er nicht zulassen. Nicht so wie beim letzten Mal. Da waren sie wieder, Erinnerungen an längst Vergessenes. Jack schloss die Augen, sankt auf seinem Bett nach hinten, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und ließ es einfach auf sich einrieseln. Er hatte beschlossen, nicht mehr davor wegzulaufen. Er hoffte nur, er würde sich noch an seinen Freund Charlie erinnern können.
Er war wieder neun Jahre alt und stand immer noch vor diesem Mann, dem Vater seines besten Freundes. Tränen verklärten ihm den Blick, doch er ließ sie nicht zu. Bis eben hatte er wie erstarrt dagestanden, doch jetzt riss er sich von der Tür los und rannte in sein Zimmer. Ein lauter Knall ging durchs Haus, als seine Zimmertür ins Schloss flog. Er verrie-gelte sie von innen, bevor jemand hätte hineinkommen können, erst dann ließ er seinen Tränen freien Lauf. Heulend warf er sich aufs Bett. Der Schmerz über den Verlust saß tief, aber Jack hatte bereits damit gerechnet. Charlie hatte ihm gesagt, dass es irgendwann soweit sein würde, dass er irgendwann dahin zurückkehren würde, wo er herkam. Im Ge-gensatz zu Jack war dieser sehr gläubig gewesen. Jack hatte an diesem Punkt gänzlich aufgehört, an so etwas wie ei-nen Gott zu glauben. Er verließ sich nur noch auf sich selbst. Nur am Rande nahm er war, wie alle Kinder weggeschickt wurden und abwechselnd seine Mutter und sein Vater an seine Tür kamen. Er ignorierte sie, weinte einfach weiter, das Stück Papier immer noch in der kleinen Hand.
Nachdem er sich etwas beruhigt hatte, setzte er sich auf und starrte wieder auf das gemalte Bild von Charlie und ihm. Er ertrug es jedoch nicht lange, die lachenden Gesichter zu sehen, und versteckte es in seinem Schreibtisch. Dabei traf sein Blick das Spiegelbild. Jack hatte schon ganz vergessen, wie er damals ausgesehen hatte. Es war, als würde er in das Gesicht eines Fremden blicken und dieses Gefühl kam nicht erst heute, es war auch schon damals da gewesen. Er hatte noch strohblondes Haar, was im Kontrast zu seinen dunklen Augen stand, war nicht mehr als ein laufender Me-ter, aber guter Durchschnitt für sein Alter und weder zu dünn noch zu dick. Er war damals schon kein Schwächling ge-wesen, er hatte auch keine Zeit dazu gehabt. Seine Klamotten veränderten sich. Aus dem T-Shirt und der Jeans wurde ein schwarzer Anzug. Jack wusste, um was es ging. Der Tag der Beerdigung. Der Abschied von Charlie, nicht nur kör-perlich, sondern auch geistig. Danach hatte er begonnen, ihn zu verdrängen...

Ein Klopfen an seiner Tür riss ihn aus den Erinnerungen. Es schien auch besser so. Erst jetzt merkte er, dass er Trä-nen in den Augen hatte. Schnell wischte er sie weg und stand auf. Als er die Tür öffnete, blickte er in Jonas Gesicht.
„Was kann ich für sie tun, Quinn?“, fragte er kühl. Jack hatte sich immer noch nicht richtig daran gewöhnt, dass Jo-nas jetzt anstelle von Daniel da war. Es war irgendwie falsch, jetzt dessen Gesicht zu sehen und nicht das seines Freun-des. Normalerweise wäre der nämlich da gewesen.
„Kann ich mit ihnen reden, Colonel?“, fragte er vorsichtig. Er schien bemerkt zu haben, dass er Jack bei etwas Inti-men gestört hatte. Dieser sah das jedoch nicht so eng.
„Klar, kommen sie rein.“, erwiderte er und ließ sein Teammitglied vorbei. Gleichzeitig machte er Licht. Seine Augen gewöhnten sich schnell daran. Jonas hatte sich an seinen Schreibtisch gesetzt und Jack nahm wieder auf dem Bett platz. Eine Weile herrschte Schweigen. Jack starrte Jonas an und dieser drehte sich nervös auf dem Stuhl und überleg-te, was er sagen sollte. Schließlich hakte Jack nach: „Und?“ Er hatte schließlich auch nicht ewig Zeit.
„Ich weiß, ich bin nicht so ein guter Freund für sie wie Teal’c oder Major Carter, wahrscheinlich können sie mich ja nicht einmal gut leiden, aber ich dachte, wenn sie vielleicht reden wollen, ich kann zuhören.“, stammelte Jonas vor sich hin.
„Woher dieses plötzliche Interesse?“, gab Jack, ohne auf dessen Angebot einzugehen, zurück.
„Na ja, ich hörte von dem, was auf der Krankenstation passiert ist und dachte mir,...“
O’Neill unterbrach ihn schroff: „...sie könnten versuchen, Daniels Platz als mein ganz persönlicher Seelenklempner zu übernehmen?“
„Nein, so meinte ich das nicht!“, wehrte Jonas sofort ab und sprang auf. „Ich habe durchaus nicht vor, Doktor Jack-sons Platz einzunehmen, Colonel. Ich weiß, dass ich das nicht kann. Er war ein großartiger Mann, niemandem würde das gelingen. Außerdem weiß ich ja, dass sie mir immer noch die Schuld an seinem Tod geben. Ich weiß nur, wie sie sich fühlen müssen und ich dachte, es würde ihnen vielleicht helfen, wenn sie mit jemandem reden könnten, der weiß, wie das ist.“ Jack seufzte resignierend. Er hasste es, wenn dieser Typ Recht hatte. Jonas war nur hier, um eventuell zu helfen und er trat ihn mit Füßen. Das war nicht fair. Im Grunde hatte Jack es längst aufgegeben, Quinn dafür verantwort-lich zu machen und war dazu übergegangen, ihn einfach nur nicht mögen zu wollen, doch auch das schien nicht mehr zu klappen. Man konnte diesen Typen einfach nicht lange unausstehlich finden. Seine Begeisterung steckte einen förmlich an und seine meist kindliche Naivität ließ es nicht zu, dass man ihm lange böse war. Außerdem schien er trotz allem ein gestandener Mann zu sein. So ähnlich er Daniel auch war - das musste Jack zugeben - so unterschiedlich waren sich die beiden auch.
„Jack!“, meinte O’Neill schließlich. Jonas sah ihn verwirrt an. „Sie sind kein Militär. Nennen sie mich Jack.“
„Wie schon gesagt, Jack, wenn sie jemandem zum Reden brauchen, sie wissen ja, wo sie mich finden.“, bot ihm sein Gegenüber noch einmal an. Als Jack jedoch nichts sagte, erhob sich dieser und wollte schon das Quartier verlassen.
Schließlich sagte Jack doch noch, obwohl er sich sicher war, es irgendwann bereuen zu werden: „Wenn sie einen Zuhörer brauchen, Jonas, ich denke nicht, dass ich in nächster Zeit hier herauskomme. Außerdem bin ich gar nicht mal so schlecht im Stillsitzen.“
„Danke, Jack! Das weiß ich zu schätzen.“, erwiderte Quinn und öffnete die Tür.
„Das sollten sie auch.“, rief Jack diesem noch nach, als er bereits dabei war, die Tür wieder zu schließen. Manchmal hasste Jack sich selbst für sein weiches Herz, aber im Grunde hielt er es auch für gar nicht so schlecht, noch einen Freund zu haben. Man wusste nie, wann man ihn gebrauchen konnte.

Vierundzwanzig Stunden - ein ganzer Tag - verstrichen, ohne dass irgendetwas passierte. Jack hatte keine verbor-genen Erinnerungen mehr gehabt, auf jeden Fall nicht, dass er sich erinnern konnte. Auch Samantha Carter schien es den Umständen entsprechend gut zu gehen, aber so genau konnte man das bei ihr nicht sagen, denn sie verkroch sich bereits wieder in ihrem Labor. Vor nicht ganz fünfzehn Minuten war ein anderer Tok’ra hier eingetroffen und O’Neill hoff-te, dass dieser ihnen mehr sagen konnte. Er sollte angeblich auch an der Mission beteiligt gewesen sein. Sein Name war Qu’on irgendwie weiter. Jack hatte das wieder vergessen. Für ihn zählte nur, dass er endlich Antworten bekam. Sie sa-ßen alle im Besprechungsraum und sogar Sam war anwesend. Das bedeutete, er musste sich zusammenreißen, auch wenn ihm das schwer fallen würde.
„Also, erzählen sie uns genau, was passiert ist.“, ergriff General Hammond das Wort. Qu’on nickte.
„Wie ihnen Anise sicherlich schon mitgeteilt hat, befanden wir uns auf einer geheimen Mission auf einem von Bastets Mutterschiffen, um Informationen über ihr nächstes Vorgehen zu erlangen.“, begann der Tok’ra.
„Nein, um ehrlich zu sein, war uns das Neu.“, warf Jack ein und erntete einen bösen Blick von Hammond. Er verkniff sich, was ihm noch auf der Zunge lag. Er sah zu Sam hinüber, die versuchte, die Fassung zu behalten. Ihr Fuß wippte angespannt. Sie neigte wohl dazu, ihn gleich zu treten, sollte er sich so etwas noch einmal einfallen lassen. Er musste also höllisch aufpassen, was er sagte. Qu’on räusperte sich.
„Sie korrespondierte in letzter Zeit ziemlich oft mit anderen, männlichen Systemlords, um die neusten Informationen zu bekommen, was Anubis Streitmacht anging. Sie wollte sich anscheinend in dessen Gunst bringen, um ihn so von in-nen heraus zu schwächen und seine Ziele zu erfahren.“, fuhr er fort.
„Korrespondieren?“, hakte Jack nach, als er sicher sein konnte, dass der Tok’ra mit seinen Ausführungen am Ende war. „Bedeutet es das, was ich glaubte, dass es bedeutet?“
„Da bin ich mir ziemlich sicher, Jack.“, antwortete Jonas stattdessen. Jeder bemerkte sofort die Veränderung und alle Blicke richteten sich auf die beiden Männer, die nebeneinander saßen. Jack ignorierte das einfach. Sie würden sich schon daran gewöhnen. Er war auch gerade dabei. Es hatte zu Anfang zwar noch etwas fremd geklungen, aber dennoch richtig. Besser auf jeden Fall als dieses Colonel, welches er von Sam schon viel zu oft hörte. Einer in seinem Team, der ihn so nannte, reichte vollkommen.
„Keine weiteren Fragen.“, zog Jack sich diskret zurück.
„Ich schon.“, gab Sam zurück. „Wie genau wurde mein Vater... getötet?“ Sie schluckte schwer, bevor sie das Wort aussprach, dass die Sache so endgültig erscheinen ließ. Zu gerne hätte Jack ihr diese Sache abgenommen, aber er musste zugeben, sie schlug sich tapfer.
„Wir waren auf einem ihrer Mutterschiffe, als wir Nachricht erhielten, dass Anubis sie angreifen würde. Ich kehrte auf unseren Alkesh zurück, welcher getarnt in der Nähe des Mutterschiffs wartete, und bereitete alles für unsere Abreise vor. Selmak wollte nur noch schnell eine wichtige Entdeckung beschaffen und dann zu mir kommen, doch Anubis traf früher als erwartet ein und eröffnete das Feuer. Es war vorbei, bevor es begann. Ich konnte nicht mehr eingreifen. Es tut mir leid.“, erwiderte Qu’on mit ehrlicher Betroffenheit. Außerdem hörte Jack Schuldgefühle aus dessen Mund, was für einen Tok’ra normalerweise untypisch war. Jakob musste ihm ganz schön den Kopf zurechtgerückt haben. „Ich hätte ihn abhal-ten müssen. Ich hätte ihn davon überzeugen müssen, dass diese Entdeckung nicht so wichtig wäre, doch ich habe es nicht getan.“ Traurig ließ er den Kopf sinken. Er musste Jakob sehr gern gehabt haben, das sah Jack jetzt ein. Er tat die-sen Typen oft Unrecht. Sie waren auch nur Menschen, na ja, wenigstens einer von ihnen. Er musste aufhören in ihnen nur Goa’uld zu sehen. Er hoffte, irgendwann würde es ihm gelingen.
„Schon OK.“, gab Sam beschwichtigend zurück. Qu’ons Augen richteten sich ungläubig auf sie. Er hatte wohl nicht erwartet, dass sie ihm verzeihen würde. Jack hingegen war fest davon überzeugt gewesen. Sam war anders als er, ver-ständnisvoller und offener. Sie vertraute manchmal zu sehr, aber oft war es auch das, was sie letztendlich rettete. Sie hatte einfach ein großes Herz. „Dad war schon immer ein Dickkopf. Nicht einmal ich hätte ihn davon abhalten können.“
„Und sie sind sich wirklich sicher, dass er bei der Explosion ums Leben kam?“, hakte General Hammond abschlie-ßend nach. Er wollte ganz sicher gehen.
„Zu neunzig Prozent. Für einige Sekunden setzten meine Sensoren aus, als das Schiff explodierte, aber es waren weder davor noch danach irgendwelche Transportspuren zu erkennen gewesen.“, gab er resignierend zurück.
„Und was ist mit Fluchtkapseln?“, bemerkte Teal’c. An die Möglichkeit hatte Jack auch schon gedacht.
„Ich konnte keine ausmachen, leider.“ Qu’on ließ wieder den Kopf sinken. Kurz darauf entließ uns Hammond aus der Besprechung. Sam zog sich in ihr Quartier zurück, genau wie jeder andere von ihnen. Jack wollte es immer noch nicht glauben. Es gab doch ein Schlupfloch. Ein Fenster von einigen Sekunden. Hatte Jakob diese genutzt, war er noch am Leben. Es blieb noch Hoffnung, aber leider mussten sie abwarten. Viel mehr interessierte ihn, um welche Entdeckung es ging, doch er hatte nicht gefragt. Sie hätten es ihm so oder so nicht verraten.

Man hatte bereits Marc verständigt und ihm mitgeteilt, dass sein Vater vermisst würde und dieser eventuell tot sein. Er verkraftete es auch nicht besser als Sam, auch wenn dieser nicht in Ohnmacht fiel. Colonel O’Neill hatte darauf be-standen, das persönlich zu übernehmen. Auch Sam wollte unbedingt dabei sein. Es war ihr Bruder, er konnte es ihr nicht abschlagen. Jack hatte seine dunkelblaue Uniform angezogen, für jeden ein erstes Warnzeichen, was passiert war. Sie wollten dem gefallen Soldaten so seine letzte Ehre erweisen, doch Jack tat es lediglich aus Anstand. Er konnte schließ-lich nicht in Jeans und T-Shirt vor Marc treten, dem er das erste Mal begegnete, und ihm nebenbei verklickern, dass sein Vater von einem stinkenden Schlangenkopf in die ewigen Jagdgründe gepustet wurde und sie sich nicht einmal sicher sein konnten, dass dem auch wirklich so war.
Also hielt er sich strickt an den Verfahrensablauf, verriet nicht zuviel und nicht zu wenig, wobei er ihm keine Hoffnung machen durfte, was Jack am Schwersten viel, denn er hatte immer noch welche. Das würde sich nicht ändern. Es waren erst zwei Tage vergangen, zu wenig Zeit, um schon sagen zu können, dass es wirklich endgültig war. Jakob hatte schon Schlimmeres überstanden und auch hier musste er einfach eine Möglichkeit gefunden haben. Nur seine Leiche würde Jack vom Gegenteil überzeugen. Marc hatte sie hinein gebeten. Außer ihm war niemand zu Hause. Seine Frau und sei-ne zwei Kinder waren einkaufen und würden erst in ein zwei Stunden zurück sein. Alle drei setzten sich ins Wohnzim-mer. Jack saß lediglich schweigend da, während die beiden Carters mit den Tränen und ihrer Fassung kämpften. Sie waren wahre Kinder des Militärs.
Jack war sich sicher, dass Marc nicht Soldat wurde, um dem allen zu entkommen, um seinen Kindern die Disziplin und Härte zu ersparen, doch jetzt hatte ihn selbst das wieder eingeholt. Er benahm sich wie ein Militär, nicht wie ein Sohn, der um seinen Vater trauerte. O’Neill hatte damals auch versucht, seinen Sohn vom Militär abzugrenzen, ihn nie spüren zu lassen, wie hart es war, gefühllos zu sein, doch oft hatte es nicht funktioniert, immer wieder waren da Situatio-nen, die nichts anderes zuließen, in denen er nicht anders handeln konnte. Jedoch war es nicht so schlimm gewesen, wie in seiner Kindheit, als sein Vater beim Militär war. Ein Navy Seal, die härteste Kampftruppe, die man sich im Militär vorstellen kann, wenn man von den Special Marines absah. Auch Jack hatte eine Zeit lang bei ihnen gedient, hatte den Piloten für sie gespielt.
Doch damals, als sein Vater noch diente, war er längst auch schon im Militär gewesen. Erst auf einer Schule für Sol-datenkinder mit Spezialtraining, dann die Militärakademie und darauf die Grundausbildung. Er wurde von klein auf für den Kampf erzogen. Damals hatte er seinen Vater dafür gehasst, doch jetzt musste er zugeben, dass er es ohne diese Disziplin und Härte niemals so weit gebracht hätte. Wahrscheinlich wäre er längst tot gewesen. Er wurde als Soldat ge-boren und er würde als Soldat sterben. So aber nicht Marc und das war es auch, worum Jack ihn insgeheim beneidete. Er hatte das, was Jack nie haben würde - ein geregeltes Leben ohne Angst bei der Arbeit getötet werden zu können.
„Colonel!“, riss Marcs Stimme Jack aus den Gedanken. Er hatte sich zurückgezogen, gar nicht mehr zugehört.
„Was?“, fragte er verwirrt.
„Möchten sie auch einen Kaffee?“, wiederholte Marc seine Frage. Dieser hatte sich bereits erhoben. O’Neill schüttel-te entschieden den Kopf.
„Nein danke.“ Sam sah ihn besorgt an. Jack hatte die ganze Zeit so ernst gewirkt, sprach kaum ein Wort, riss keine sarkastischen Witze - sie hatte nicht bemerkt, wie nahe ihm der Tod ihres Vaters wirklich ging. Da schien aber auch noch etwas anderes zu sein.
Sie fragte besorgt: „Alles in Ordnung, Colonel?“
„Alles bestens!“, gab dieser nur zurück, was ihren Verdacht bestätigte. Leider hatte sie keine Zeit mehr, näher darauf einzugehen, denn Marc kam bereits mit dem Kaffee zurück. Jack war auch ganz froh darüber. Er fühlte sich hier unwohl. Irgendwie wirkte alles so aufgesetzt, so stickig. Er bekam kaum noch genügend Luft. Er löste seine Krawatte und setzte sich aufrecht hin, doch auch das half nichts. Er glaubte, ersticken zu müssen. Das erinnerte ihn schmerzlich an damals. Er musste hier raus. In ihm stiegen Erinnerungen hoch, die er mit niemandem teilen wollte. Schnell erhob er sich.
„Wenn ihr mich entschuldigt, ich müsste mal ins Bad.“, log er sie bewusst an. Er konnte schlecht hinausstürmen, aber sich verkriechen, das konnte er.
„Den Gang runter, dritte Tür links.“, beschrieb Marc ihm kurz den Weg. Dort angekommen, riss Jack erste einmal das Fenster auf und ließ sich dann auf den Badewannenrand sinken. Er schloss die Augen und stützte seine Stirn auf seine Hände. Er atmete ein paar Mal tief durch. Erinnerungen krochen in ihm empor und bildeten sich zu einem scharfen Film, der sich vor seinen Augen abspielte.
Jack lief aus dem Haus. Es war nicht das seiner Eltern, sondern das seines besten Freundes. Charlie - immer wieder hallte dieser Name durch seinen Kopf, gefolgt von dem Wort: Tod. Beides zusammen klang so fremd, so beängs-tigend. Er war doch erst neun gewesen, so etwas war in diesem Alter nicht fair. Draußen atmete er erst einmal tief durch. Doch er blieb nicht lange stehen, rannte weiter, die Straße hinunter, ohne Ziel, einfach nur geradeaus. Auf jeden Fall dachte er, er würde nur orientierungslos durch die Gegend rennen, doch schnell stellte sich heraus, dass dem nicht so war. Sein Weg endete vor der Kirche, wo noch vor einigen Stunden die Totenfeier für seinen Freund abgehalten wurde. Sie war riesig aus dem Blickwinkel eines Kindes, doch Jack wusste, dass sie nicht größer war, als jede andere normale Kirche, die in solch einem Viertel stand. Dass er in wenigen Jahren wieder dort auftauchen würde, hatte er bis dahin nicht geglaubt. Er wusste ja nicht einmal, warum er hier war. Vielleicht weil er sichergehen wollte, weil er Gewissheit ha-ben musste.
Er hatte seinen Freund seit ihrem letzten Treffen nicht mehr gesehen. Der Sarg war geschlossen gewesen. Er muss-te einfach nachsehen. Doch als er die Kirche betrat, war der Kindersarg weg. Das Gotteshaus war leer. Jack rannte wie-der hinaus, suchte den Friedhof ab, Tränen verklärten ihm den Blick, er stolperte und fiel auf die Knie. Vor ihm ragte ein Grabstein auf. Er erkannte den Namen. Für einen Augenblick glaubte er, Charlie O’Neill dort lesen zu können, doch dann änderte sich der Nachname. Seine Erinnerungen vermischten sich miteinander. Es begann zu regnen, doch Jack spürte es nicht wirklich. Seine Kleidung wurde durchnässt, der Boden aufgeweicht, aber dennoch fühlte es sich nicht wie Regen an, mehr wie ein Schauer aus den unterschiedlichsten Gefühlen, der in diesem Moment auf ihn einströmten. Trauer, Wut, Hass, Schuld, Angst, Hilflosigkeit, Einsamkeit - so viele schmerzvolle Empfindungen, die Jack nicht zu stoppen vermochte.
Er blickte wieder nach unten, hielt dem Grabstein nicht stand. Er sah sein Spiegelbild verzehrt in einer Pfütze, die sich vor ihm gebildet hatte. Doch es war nicht das Gesicht eines neunjährigen Jungen, in das er blickte, es war älter, rei-fer, aber dennoch mit von Tränen verklärtem Blick. Er war dreizehn, Charlie war längst vergessen und dennoch befand er sich immer noch auf dem Friedhof. Es regnete abermals und alles schien sich zu wiederholen. Eine Gestalt trat neben ihn. Er sah lediglich den leichten Schatten, der im Grau des Tages unterzugehen drohte. Jack blickte auf die Schuhe und erkannte, dass es eine Frau sein musste. Er schaute auf, doch bevor er das Gesicht erkennen konnte, wurde es vor sei-nen Augen schwarz.

Das Gerät hatte die Verbindung getrennt, als würde es nicht wollen, dass er alles auf einmal erfuhr. Vielleicht war es aber auch nur zu niedrig eingestellt, als das er Weiteres hervorholen könnte. Er würde Anise bitten müssen, es höher einzustellen. Die Gefühle würden verstärkt werden, er würde alles noch intensiver spüren, doch er musste das Risiko eingehen. Ihm blieb keine andere Wahl. Er musste wissen, was passierte, denn von selbst konnte er sich daran nicht mehr erinnern. Es klopfte an die Tür.
Er hörte Major Carter fragen: „Colonel, wirklich alles in Ordnung.“
„Ja, bestens!“, rief er ihr zu. Er fuhr sich mit seiner Hand übers Gesicht und dann durchs Haar. Diese Erinnerung hat-te ihn ganz schön durcheinander gebracht. Er wollte nicht, dass Sam sah, wie es ihm ging. Er wusch sich das Gesicht und trat dann nach draußen, als wäre nichts gewesen. Sie blickte ihn mit besorgten Augen an. Er zwang sich zu einem leichten Lächeln und stupste sie an der Nase an. „Machen sie sich um mich mal keine Gedanken, es geht mir gut.“ Er zwinkerte ihr zu und war dann auch schon bereits wieder auf dem Weg ins Wohnzimmer. Kurz darauf gingen sie, aber jedoch nicht, ohne dass Sam ihren Bruder noch einmal fest drückte.

Es war mitten in der Nacht, als es an Colonel O’Neills Tür klopfte. Zuerst hatte er versucht, es zu ignorieren und wei-ter zu schlafen, doch da das nicht zu funktionieren schien, war er schließlich doch aufgestanden. Verschlafen stapfte er zur Tür und öffnete diese schließlich. Er war sofort hellwach, als er Major Carter vor sich stehen sah. Sie trug ein T-Shirt und eine kurze Hose, ihr Haar war triefend nass und sie hatte Tränen in den Augen.
„Kann ich hereinkommen?“, fragte sie heiser.
„Natürlich!“, antwortete Jack schnell und trat zur Seite. Hinter ihr schloss er die Tür wieder und entflammte seine Schreibtischlampe, damit sie etwas sahen. Er wusste nicht, was er sagen sollte, aber vielleicht war das auch gar nicht notwendig. Nervös verschränkte er die Arme vor der Brust, damit sie seine Verunsicherung nicht bemerkte, und lehnte sich gegen die Tür. Es kam nicht oft vor, dass jemand in seinem Quartier war und schon gar nicht sie. Das würde nur zu Spekulationen führen, die sie sich eigentlich nicht leisten konnten, dennoch hatte er sie hinein gelassen. Sam brauchte ihn jetzt, da konnte er sie doch nicht abweisen. Er hatte nur gehofft, dass es zu einer etwas christlicheren Zeit gewesen wäre, dass sie das Bedürfnis verspürte, bei ihm hineinzuschneien, dann hätte das nicht ganz so nach heimlicher Bezie-hung gestunken. Leider konnte er sich das ja nicht aussuchen. Sam war durcheinander - sie schien einen Alptraum ge-habt zu haben - und sie zitterte leicht. Er ließ ihr Zeit. Wenn sie reden wollte, würde sie das schon tun. Sie drehte sich zu ihm um, die Arme um ihren Körper geschlungen, und sah ihn an. Tränen standen ihr immer noch in den Augen, doch sie weinte nicht.
Schließlich brach sie das Schweigen: „Ich hatte eine von Jolinars Erinnerungen.“ Sie presste die Lippen zusammen. Jack hatte es geahnt. Er löste sich von der Tür und schritt auf sie zu.
„Was haben sie gesehen?“, fragte er ruhig und hoffte innerlich, dass es nicht das war, was er gesehen hatte. Aber dann wäre sie wahrscheinlich nicht ganz so durch den Wind. Ob es was mit Lantash zutun hatte? Er konnte nur speku-lieren und da er davon sowieso noch nie viel gehalten hatte, ließ er es bleiben. Er deutete ihr an, sich aufs Bett zu setz-ten und nahm neben ihr platz. Seine Hände stemmte er auf seinen Oberschenkeln und sah fasziniert dabei zu, wie sie die Ihrigen nervös knetete. Sie sah ihn nicht an. Ihr Blick war stur nach unten gerichtet.
„Ne’thu.“, brachte Sam schließlich hervor. Das reichte, um Jack wissen zu lassen, dass es nicht gerade eine der bes-ten Erinnerungen dieser Tok’ra gewesen war, aber wohl eine deren Präsenz gegenwärtiger war, als andere. Vergleich-bar mit seiner Erinnerung an Charlie - ob Freund oder Sohn sei so ziemlich dahingestellt. Kurzerhand umschloss er ihre Hände mit den Seinigen und drückte diese sanft, um ihr zu zeigen, dass sie keine Angst zu haben brauchte, dass er für sie da war und ihr zuhörte. Doch sie entzog sich ihm und sprang entsetzt auf. Damit hatte er nun weniger gerechnet. Dann wurde Jack schlagartig klar, welche Erinnerung es nur sein konnte - keine Folter, sondern eine Nacht mit einem Mann, den Jolinar benutzt hatte, um zu entkommen. Also war das, was er gerade getan hatte, so ziemlich das Blödeste gewesen, was er tun könnte.
„Carter...“, versuchte er sich zu entschuldigen, doch sie unterbrach ihn knapp.
„Ist schon gut. Ich sollte jetzt gehen.“ Sie begann ihre Arme zu reiben und war schon drauf und dran, sein Quartier zu verlassen, doch er packte sie am Arm und hielt sie zurück. Angewidert wand sie sich aus seinem Griff und sah ihn ent-setzt an. Jack hatte geahnt, dass sie so reagieren würde, konnte sie so jedoch nicht gehen lassen.
„Carter...“, setzte er es noch einmal versöhnlich an und hob leicht die Hände, um ihr zu zeigen, dass er nicht vorhat-te, sie gegen ihren Willen noch einmal anzufassen. „ ...setzten sie sich und erzählen sie mir, was passiert ist.“
„Das war eine schlechte Idee.“, gab sie bloß zurück, redete aber eher mit sich selbst, als mit ihm. Dennoch setzte sie sich wieder. Er sah sie abwartend an.
Als sie eine Weile nichts sagte, ergriff er wieder das Wort: „Sie waren also auf Ne’thu. Sicherlich waren sie auch bei dem Aufseher, wie hieß er noch gleich... Bynarr!“ Bei diesem Namen erschauderte sie. Jack hatte also richtig gelegen, was ihm jedoch alles andere als gefiel. Er hasste es, in solchen Situationen Recht zu behalten.
„Ich verstehe nicht, wie sie das machen konnte.“, flüsterte Sam nach einigen Augenblicken. „Wie konnte sie nur mit solch einem Mann schlafen.“
„Weil sie Lantash liebte und unbedingt zu ihm zurück wollte.“, wies Jack sie auf das Offensichtliche hin. „Erzählen sie mir genau, was sie gesehen haben.“ Er wusste, wie schwer ihr das fallen musste, alles noch einmal zu erleben, auch wenn es nur Erinnerungen waren, aber ihm war ebenso bewusst, dass es ihr helfen würde.
„Ich... sie lag auf dem Bett und...“ Sam pausierte, um die Bilder aus ihrem Geist zu verbannen und sich wieder kon-zentrieren zu können, was ihr nicht gelang. Nach kurzem Zögern fuhr sie fort, denn auch sie wusste, dass sie nicht um dieses Gespräch herumkommen würde. Es hätte sie sonst innerlich aufgefressen. Sie wollte es Jack ja auch erzählen, denn sie wusste, dass er es für sich behalten würde, dass sie sich auf ihn verlassen konnte. Er würde nichts unterneh-men, was sie nicht wollte. „...sie hatte die Augen starr an die Decke gerichtet, als er sie gierig überall berührte... Seine Zunge leckte an ihr... sie... sie hat es einfach über sich ergehen lassen. Als er schließlich in ihr kam... sie hatte sich nie zuvor so schmutzig gefühlt.“ Sams Stimme zitterte und erste Tränen bahnten sich ihren Weg über ihre Wangen. Sie wischte diese jedoch schnell weg, als hätte sie Angst, Jack könnte das für sie tun. Er war ehrlich gesagt auch schon drauf und dran gewesen. Sie starrte auf ihre Hände, als wären sie ihr völlig fremd. „Sie konnte es kaum erwarten, dass er endlich einschlief und sie fliehen konnte.“ Jack schloss die Augen. Er konnte sich bildlich vorstellen, wie es passiert sein musste. Das brachte ihn nur dazu, die Goa’uld noch mehr zu hassen. Sam begann zu schluchzen und verbarg ihr Gesicht in ihren Händen. Jack wollte sie schützend in die Arme schließen, doch traute er sich nicht, sie anzufassen, aus Angst, sie könnte sich ihm wieder entziehen. Letztendlich war Sam es jedoch, die sich ihm verzweifelt um den Hals warf. Schützend schloss er sie in die Arme.
Beruhigend redete er auf sie ein: „Shh, ist schon gut. Es ist vorbei. Er ist tot. Wir haben ihn getötet.“
„Aber ich spüre seine sabbernde Zunge immer noch auf mir, fühle, wie er in mir kommt.“, schluchzte sie und krallte sich enger an ihn.
„In ihr!“, stellte Jack klar. „Es war Jolinar, die das durchmachen musste, vergessen sie das nicht. Sie waren nicht dort.“ O’Neill zog sie an sich, hielt sie ganz fest und gab ihr einen fast väterlichen Kuss aufs Haar. Das weckte Erinne-rungen, die er eigentlich zu verhindern versucht hatte.
Er - nein Kanaan - unterbrach gerade den Kuss zwischen Jolinar und ihm. Beide sahen sich an. Jack wusste nicht, ob das, was in ihren Augen lag, Schuldgefühle waren oder einfach nur Trauer. Etwas von Beidem nahm er an. Er konnte seinen Blick nicht von ihr losreißen, sie nicht weg drücken, obwohl es genau das hätte sein müssen, was er tun sollte. Sie war die Frau seines besten Freundes, seines toten Freundes. Das war der springende Punkt. Lantash war tot, auf jeden Fall hatte man ihnen das gesagt. Wieso sollte er dann nicht die Frau haben, die er wollte. Wieso sollten dann nicht sie glücklich werden, auch wenn es nur für einen Augenblick sein würde. Jack wollte es so sehr.
„Ich habe ihn betrogen.“, gestand Jolinar zögernd. „Auf Ne’thu. Ich habe mit einem anderen geschlafen, um fliehen zu können. Es war umsonst.“ Tränen standen ihr in den Augen, doch sie wagte nicht, zu weinen. Jack strich ihr über die Wange, wollte sie so gerne trösten. Er wusste, was zu tun war, er wusste, dass er ihr Hoffnung machen sollte, dass er ihr sagen sollte, dass Lantash einen Weg zurückfinden würde, doch er wollte es nicht. Er sträubte sich mit aller Macht gegen diesen Gedanken, denn das würde die Situation zerstören. Er war dabei, Jolinar auszunutzen und schien es nicht einmal zu bemerken. Er wollte nicht, dass sein Freund wirklich tot war, aber er wollte Jolinar.
„Das war es nicht.“, wehrte Jack ab. „Denn nicht nur er liebt dich.“ Seine Stimme klang auf einmal so sanft, selbst für einen Tok’ra, dass es Jack fast selbst überraschte. Er zwang sich immer wieder, daran zu denken, dass er das nicht wirklich erlebt hatte, doch es fiel ihm schwer, diesen Gedanken beizubehalten, spürte er doch, was Kanaan gefühlt hatte.
„Kanaan.“, sagte Jolinar resignierend. „Ich weiß nicht, ob ich...“ Er legte ihr seinen Zeigefinger auf den Mund und brachte sie so zum Schweigen. Er wollte nicht, dass sie weiter sprach. Er wollte keine Einwände hören. Nur eine Nacht, mehr verlangte er nicht. Was danach kam, war ihm gleich. Er wollte nur diese eine Nacht mit ihr. Zaghaft küsste er sie auf den Mund und nach kurzem Zögern erwiderte sie diese Geste. Seine Hand wanderte unter ihr Oberteil. Jack spürte, wie sie sich verkrampfte, wie unangenehm es ihr sein musste, so berührt zu werden. Jedoch ging er so sanft und vor-sichtig vor, dass sie sich bald wieder entspannte und sogar genoss, was er tat. Und das mit einer Geduld, die Jack von sich nicht kannte - vielleicht, weil er es gar nicht war.

O’Neill schüttelte die Erinnerung ab, verdrängte, was danach geschah und konzentrierte sich wieder auf das, was in seinem Quartier vor sich ging. Er schlug die Augen auf und versuchte erst einmal, sich zu orientieren. Sam lag immer noch in seinen Armen, doch hatte diese aufgehört zu weinen. Sie wollte lediglich weiterhin von ihm festgehalten werden. Diesen Gefallen konnte er ihr jedoch leider nicht tun. Sanft drückte er sie ein Stückchen von sich, ließ seine Hände je-doch auf ihren Armen ruhen. Sie sah ihn aus rot geschwollenen Augen an.
„Besser?“, fragte er ruhig.
„Besser!“, bestätigte Sam. Er wollte sie nicht wegschicken, aber sie konnte auch unmöglich hier bleiben. Er würde vielleicht eine ähnliche Dummheit machen wie Kanaan. Auch er würde einen Freund betrügen, auch wenn es sich hier-bei um ihren Vater handelte. Jakob hatte sie Jack anvertraut, er durfte seinem Freund jetzt nicht so in den Rücken fallen. Jack durfte nicht alles vermasseln.
Samantha Carter fragte fast schüchtern und sah dabei zu Boden: „Kann ich hier schlafen?“ Er hatte geahnt, dass es so kommen würde. Er holte tief Luft und wollte schon ablehnen, doch als er sie anblickte, konnte er es nicht. Resigniert seufzend hob er ihren Kopf mit seinem Zeigefinger, um sie ansehen zu können.
„Meinetwegen.“, gab er sich geschlagen. Sam legte sich aufs Bett und rollte sich zusammen, dann deckte er sie zu. Jack legte sich in gebührendem Abstand neben sie, doch dieser wehrte nicht lange, denn sie meinte, sich an ihn ku-scheln zu müssen und bettete schließlich ihren Kopf auf seinem Brustkorb. Zuerst war ihm diese Nähe unangenehm, denn es weckte Gefühle in ihm, die er auch so nur schwer unterdrücken konnte, doch nach einer Weile - Sam war be-reits eingeschlafen - gefiel auch ihm, wie sie ruhten und er legte seinen rechten Arm um sie, damit sie über Nacht nicht wegrückte. Es war ja nicht so, dass sie etwas Verbotenes taten, sie teilten sich lediglich ein Bett zum Schlafen, nicht mehr und nicht weniger. Kurz darauf fiel auch er in einen traumlosen Schlaf, auf jeden Fall soweit er sich erinnerte.

Als Colonel O’Neill am nächsten Morgen aufwachte, na ja, eigentlich waren nur vier Stunden vergangen, schlief Ma-jor Carter noch. Sie lag immer noch in seinen Armen. Vorsichtig löste er sich von ihr, um sie nicht zu wecken und stand auf. Mit einem zufriedenen Seufzer kuschelte sie sich in die Laken und vergrub ihr Gesicht in den Kissen. Er musste bei diesem Anblick lächeln. Er hatte sich beim Aufstehen lang nicht mehr so wohl gefühlt, aber wenn er daran dachte, was folgen würde, wurde ihm mulmig zumute. General Hammond fand normalerweise alles heraus, was auf diesem Stütz-punkt vor sich ging und bei ihnen würde er besonders aufpassen. Seit diesem Zatarc - „Ich muss die Wahrheit sagen, sonst werde ich erschossen“ - Ding wurden sie von allen Seiten beäugt. Jeder konnte sich schließlich einen Reim darauf machen, was passiert sein musste, dass auf einmal beide logen. OK, sie hatten nicht wirklich gelogen, aber da war wohl nur er kleinlich.
Bevor er noch auf dumme Gedanken kam, beschloss er, sich eine Abkühlung zu verschaffen, also schnappte er sich Duschzeug und Handtuch und machte sich auf den Weg zu den Duschen. Dort würde er wenigstens einen klaren Kopf behalten. Was für Überraschungen konnten ihm da schon passieren. Es war noch früh und am Wochenende war eh nicht viel los. Er hatte mit etwas Glück ein wenig Privatsphäre. So war es auch. Im Umkleideraum herrschte zwar mäßi-ger Betrieb, da sich SG-9 für ihre Mission fertig machte, aber die Duschen waren leer. Erinnerungen würden ihn sicher-lich hier auch nicht überrennen. Was sollte ihn schon Schlimmes mit Wasser verbinden oder Regen oder... doch er hatte sich zu früh gefreut. Da war auch schon wieder eine dieser Erinnerungen. Jack hatte sich gerade erst unter den kalten Wasserstrahl gestellt, als sie über ihn hereinbrach. Er schloss die Augen und stützte sich an den Fliesen ab, schließlich wusste er nicht, was ihn erwartete.
Er sah das Gesicht einer wunderschönen, jungen Frau vor sich. Sie hatte strahlende, blaue Augen, blondes, schulterlanges Haar und ein bezauberndes Lächeln. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie einen recht dicken Bauch hatte. Jack schloss sofort auf eine Schwangerschaft. In ihrer linken Hand hielt sie einen geöffneten Regenschirm, den sie jetzt auch schützend über ihn hielt. Sie schenkte ihm ein warmes Lächeln. Diese Frau erinnerte ihn an jemanden, doch wusste er nicht mehr an wen. Es war, als wären seine Gedanken in dieser Zeit gefangen. Da saß dieser Schmerz ganz tief in ihm, der ihn nicht klar denken ließ. Die Frau reichte ihm die helfende Hand und nach kurzem Zögern ergriff er diese.
„Ich bin Lillian.“, stellte sie sich ihm vor.
„Jonathan!“, hauchte er heiser. Diesen Namen hatte er lang nicht mehr gehört oder gar ausgesprochen. Jeder hatte ihn zu dieser Zeit Junior genannt, weil er seinem Großvater so ähnlich gesehen hatte, und dieser hieß - welch eine Über-raschung - natürlich Jack. Erst in der Grundausbildung wurde irgendwann aus Junior Jack, da er langsam zu alt wurde, als das man ihn hätte so bezeichnen können. Ihm gefiel der Name besser, also stellte er sich nur noch so vor. Doch das lag noch weit in der Zukunft und die Erinnerungen daran verblassten schnell. Diese Frau strahlte etwas aus, das er nicht beschreiben konnte, aber er hätte ihr alles anvertraut, wenn sie nur gefragt hätte.
„Du bist ja klitschnass. Komm mit, wir gehen uns aufwärmen. Ich kenne da ein schönes, kleines Lokal gleich hier in der Nähe.“, entgegnete sie ruhig, legte ihm die Hand auf den Rücken und führte ihn vom Friedhof. Alles in ihm sträubte sich dagegen, dieser Frau zu vertrauen, doch er hatte bereits den Widerstand aufgegeben und sein Herz sagte ihm, dass er ihr trauen konnte. Sie nahmen in einem kleinen Lokal platz und sie bestellte Tee für sich und Kaffee für ihn, nachdem sie den Weg schweigend zurückgelegt hatten. Jack fühlte sich unwohl unter ihrem Blick, der schon die ganze Zeit auf ihm ruhte. Er starrte auf die dunkelbraune Flüssigkeit in seiner Tasse und versuchte zu ignorieren, dass Lillian ihm in die Seele zu sehen schien. Nie zuvor hatte er Kaffee getrunken, aber das hinderte ihn nicht daran, ihn zu probie-ren. Er schmeckte scheußlich, aber er wärmte, also nahm er noch einen Schluck.
„Danke!“, brachte er irgendwann hervor. Wieso er sich bedankte, wusste er nicht. Vielleicht für den Kaffee, eventuell dafür, dass sie keine Fragen stellte oder einfach nur, weil er es für angebracht hielt. Es passierte schließlich nicht oft, dass jemand so freundlich zu ihm war. Als er schüchtern aufsah, lächelte sie ihn aufmunternd an.
„Ist der Kaffee gut? Ich freue mich schon, wenn ich endlich wieder eine Tasse trinken kann. Koffein ist schlecht für das Baby, weißt du, und ich will sie ja nicht in Gefahr bringen.“, sagte sie mit einem mütterlich Ton in der Stimme, der Jack schmerzlich daran erinnerte, was er verloren hatte. Betroffen sah er zu Boden. Besorgt fügte Lillian hinzu: „Habe ich etwas Falsches gesagt?“
„Nein!“, gab Jack kopfschüttelnd zurück. „Es ist nur, meine Mum... sie habe ich auf dem Friedhof besucht.“ Jack hatte es nicht über das Herz gebracht, das besagte Wort auszusprechen, denn es klang so endgültig in seinen Ohren. Tod! Sie würde nie mehr zu ihm zurückkehren, ihn in den Arm nehmen, ihn morgens wecken und ihm abends eine gute Nacht wünschen. Sie hatte ihn allein zurückgelassen.
„Sie muss sehr stolz auf einen Jungen wie dich gewesen sein, Jonathan.“, erwiderte Lillian und wuselte ihm durchs Haar. Es war kurz und blond, immer schon gewesen. „Ich hoffe, mein Sohn wird auch mal so ein stolzer junger Mann wie du.“
Verwirrt fragte Jack: „Ich dachte, es wird ein Mädchen?“ Sie kicherte leise.
„Wird es auch. Ich habe noch einen Jungen. Er ist zu Hause bei seinem Vater.“, antwortete sie warm. „Es ist in zwei Monaten soweit und wir haben immer noch keinen Namen. Wir können uns einfach nicht entscheiden. Weißt du nicht ei-nen schönen?“ Sie sah Jack abwartend an. Ihm fiel eigentlich nur ein Name ein und das war der seiner heißgeliebten Mutter, der eigentlich aus zwei Namen bestand.
„Samantha.“, schlug er deswegen vor. Magritt Samantha O’Neill, vervollständigte er in Gedanken. Er war sich sicher, sie hätte sich gefreut, wenn ein Kind nach ihr benannt werden würde, aber wie konnte er schon sicher sein, dass sie ihn wirklich nahmen.
„Ein hübscher Name. Ihr Vater wird ihn sicherlich auch mögen. Er wollte lieber noch einen Jungen, aber ich freue mich auf meine Tochter. Irgendwann wird sie etwas Außergewöhnliches bewirken, da bin ich mir sicher. Das Gleiche se-he ich in dir. Ich kann nur hoffen, dass sie irgendwann jemanden wie dich findet.“, schwärmte Lillian. Jack fühlte sich ge-schmeichelt. Nie zuvor hatte jemand ihm gesagt, dass er besonders war - niemand außer seiner Mutter. Sie sah auf die Uhr und verabschiedete sich von ihm, nachdem sie gezahlt hatte. Sie meinte, sie wollte schon längst wieder zu Hause sein, da sich ihr Mann sicherlich Sorgen machen würde. Jack blieb allein zurück. Er saß noch lange da, dachte nach, trank seinen Kaffee, der immer besser zu schmecken schien, und entschloss sich schließlich, etwas zu suchen, was er gut konnte und das Beste aus seinem Leben zu machen. Er würde etwas verändern, er würde sich selbst beweisen, dass diese Frau mit ihm Recht gehabt hatte, dass er wirklich besonders war.

Jack schlug die Augen auf. Bis eben hatte er sich an diese Begegnung nicht mehr erinnern können. Oft hatte er sich gefragt, warum er nicht aufgab, warum er all die Jahre so verbissen gekämpft hatte, um einer der Besten zu werden und jetzt, wo er es wusste, schockierte es ihn. Diese Frau - er wusste wieder, an wen sie ihn erinnerte - an Samantha Carter. Er hatte mit ihrer Mutter damals in diesem Lokal gesessen, er hatte mit ihr geredet, sie hatte ihm Mut gemacht und sie hatte ihrem Kind den Namen seiner Mutter gegeben. Das konnte er kaum glauben. Das war einfach nicht zu glauben. Zeitlich würde es hinkommen, sie hatten circa dreizehn Jahre unterschied zueinander, aber das konnte doch nicht sein. Gab es wirklich solche Zufälle? Ihre Mutter hoffte, ihre Tochter würde jemanden wie ihn finden und Sam fand ausgerechnet das Original.
Jack glaubte eigentlich nicht an Schicksal oder Vorherbestimmung, auch nicht an übersinnliche Mächte, obwohl er schon ziemlich viel Verwirrendes gesehen hatte - nahm man nur mal Daniel als Beispiel - aber es deutete alles genau auf so etwas hin. Es musste Zufall sein. Es konnte nur Zufall sein. Er war sich ja nicht einmal sicher, ob das wirklich Sams Mum war, es hätte auch jemand sein können, der einfach nur entfernt aussah wie Carter. Wie groß war schon die Wahrscheinlichkeit, dass er ausgerechnet ihrer Mutter, auf dem Friedhof, bei strömendem Regen und sie hochschwan-ger, über den Weg lief. So etwas war vollkommen absurd. Er musste sich irren. Vielleicht spielte sein Unterbewusstsein ihm auch bloß einen Streich und die Frau sah Sam nur so ähnlich, weil sich seine Gedanken in diesem Punkt vermisch-ten, weil er sich nach ihrem Antlitz sehnte. So musste es sein. Etwas anderes kam nicht in Frage.
Dennoch hauchte Jack für niemand anderen hörbar: „Sie hat ihn gefunden.“
„O’Neill?“, fragte eine Stimme von der Tür her. Jack fuhr erschrocken herum und sah Teal’c vor sich stehen. Dieser hob verwundert seine Augenbraue, da er das momentane Verhalten seines Freundes nicht verstand.
„Oh Gott, Teal’c, Alter Junge! Hast du mich erschrocken!“, stieß Jack erleichtert hervor und stellte das Wasser ab. Er schnappte sich sein Handtuch und wickelte es sich um die Hüften.
„Alles in Ordnung?“, hakte der Hüne nach, als sein Freund an ihm vorbei trat.
„Alles bestens.“, meinte Jack abwesend. Die Sache ließ ihn immer noch nicht los. „Ich war nur in Gedanken.“ Erst jetzt merkte er, dass er fror. Jack rieb sich die Oberarme und begab sich zu seinem Spinnt, um sich wieder anzuziehen. Sein Magen meldete sich schmerzhaft. Es wurde Zeit, dass er sich etwas zu Essen gönnte. Er verscheuchte die letzten Gedanken an die eben zurückerlangte Erinnerung und begann damit, sich anzuziehen. Der Jaffa musterte ihn immer noch misstrauisch. Normalerweise hätte Jack das unangenehm sein müssen, doch wenn einer außer ihm noch einer hundertprozentig hetero war, dann Teal’c. Bei Jonas wäre ihm eher mulmig zumute gewesen.
„Ganz sicher, O’Neill?“, fragte der Jaffa nach.
„Natürlich.“, wehrte Jack ab und fügte hinzu: „Was verschafft mir eigentlich die Ehre deines Besuchs?“
„Ich wollte dich fragen, ob du Major Carter gesehen hast. General Hammond sucht sie.“, antwortete Teal’c in seiner immerwährenden, stoischen Ruhe.
„Ja, ich weiß wo sie ist. Sag George, dass ich sie ihm bringe.“ Mit diesen Worten verließ Jack fertig angezogen den Umkleideraum.

Colonel O’Neill kehrte in sein Quartier zurück, wo Samantha Carter immer noch friedlich und ahnungslos schlief. Er wusste, dass dies Ärger geben würde, aber er hatte nicht noch vor dem Frühstück damit gerechnet. Soviel Zeit hätten sie ihnen wenigstens gönnen können. Er setzte sich zu Sam aufs Bett und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Von dieser sanften Berührung wurde sie wach. Verschlafen blickte sie ihn an und lächelte. Dann erst wurde ihr klar, wo sie sich eigentlich befand und fuhr hoch. Sie saß im Bruchteil einer Sekunde senkrecht im Bett. Verwirrt sah sie ihn an.
„Colonel...“, begann sie angstvoll, doch er schüttelte nur den Kopf. Er wusste, was sie meinte, so wie ihm klar war, wovor sie Angst gehabt hatte, und umgekehrt. Erleichtert stieß sie hervor: „Puh! Und ich dachte schon.“
„Nicht zu früh freuen, Carter. Hammond sucht sie und er hat schon die halbe Basis nach ihnen absuchen lassen. Am Besten, sie ziehen sich etwas Ordentlicheres an und ich bringe sie dann zu ihm.“, versetzte Jack ihr einen kräftigen Dämpfer, ehe sie noch in Jubelschreie hätte ausbrechen können. Schlagartig verschwand ihr Lächeln von den Lippen - sie wurde wieder ernst.
„Ich kann auch gut alleine gehen.“, wehrte Sam ab.
„Ich weiß, aber so braucht er mich nicht mehr zu suchen, wenn er mich anschreien will. Und ich bin sicher, das will er.“, gab O’Neill sarkastisch zurück. Sam war ebenfalls davon überzeugt. Sie verließ zuerst den Raum, er folgte fünf Mi-nuten später. Nachdem sie sich in ihrem Quartier angekleidet hatte, machten sie sich schweigend auf den Weg zu ihrem Vorgesetzten. Vor der Tür blieben sie unschlüssig stehen. Sie sahen sich kurz an.
Sam fragte unsicher: „Und was sagen wir ihm, wenn er fragt, wo ich war?“
„Die Wahrheit.“, gab Jack ruhig zurück. „Ihn zu belügen, hätte eh keinen Sinn.“ Sie nickte zustimmend, klopfte an und trat ein, nachdem sie hineingebeten wurde.
„Sie wollten mich sprechen, Sir.“, sagte sie zaghaft und salutierte zuvor knapp.
„Ja, durchaus.“, antwortete dieser. „Sie können auch hereinkommen, Colonel. Es wird sie sicherlich genauso interes-sieren, was ich zu sagen habe.“ Jack schloss die Tür hinter sich und salutierte ebenfalls. Sie setzten sich auf Hammonds Aufforderung hin auf die zwei Stühle vor dessen Schreibtisch. Beide waren nervös, doch sie versuchten, sich nichts an-merken zu lassen. Jeden Moment rechnete Jack damit, angeschrieen zu werden, doch der Wutausbruch blieb aus.
Stattdessen meinte Hammond nur: „Die Tok’ra haben vor, die Trauerfeier für Jakob morgen stattfinden zu lassen. Ich habe es genehmigt. Die eigentliche Beerdigung wird Mittwochmorgen hier vollzogen. Das Prozedere kennen sie ja ge-nauso gut wie ich.“
„Was?“, fragte Jack ungläubig und drohte schon wieder ausfallend zu werden. Er machte es wie so oft in letzter Zeit, schluckte seinen Ärger herunter und fuhr sachlich fort: „So schnell schon?“
„Für die Tok’ra gibt es keine Zweifel. Ich sehe das zwar anders, aber da wir es ihnen nicht verbieten können, sollten wir wenigstens Jakob die Ehre erweisen und dabei sein.“, entgegnete George ruhig. Jack konnte ihm da leider - wenn auch widerwillig - nur zustimmen. Sam schloss für einen Augenblick die Augen. Sie hatte es doch tatsächlich geschafft, diese Tatsache bis eben zu verdrängen. Es traf beide härter, als normal war, denn sie hatten mit etwas vollkommen an-derem gerechnet.
„Wir werden natürlich dabei sein, General.“, sagte er für sein gesamtes Team zu. Sam hätte eh kein Wort über die Lippen gebracht. Hammond nickte abschließend und entließ sie. Bevor Jack jedoch das Büro verlassen hatte, bat Ham-mond ihn noch einmal um ein Gespräch unter vier Augen. Er wusste, jetzt war es soweit.
„Worum geht es, Sir?“, fragte O’Neill stoisch. Er wollte sich nichts anmerken lassen, auch wenn es ihm schwer fiel.
Hammond räusperte sich und erwiderte mit einer Gegenfrage: „Geht es ihnen gut, Jack?“
„Sir?“, entgegnete dieser verwirrt darüber, dass dieses Gespräch schon wieder nicht auf die Sache mit Sam hinaus-laufen würde. So berechnet Hammond auch war, manchmal schaffte er es wirklich, jeden zu überraschen, sogar Jack.
„Auch ihnen muss Jakobs Tod sehr nahe gehen. Ich will bloß sichergehen...“
„Ich komme damit klar, Sir.“, fiel Jack seinem Vorgesetzten ins Wort. Er wollte nicht daran erinnert werden, was er sonst in solch einer Situation getan hätte. Er war mit Daniels Verschwinden zurechtgekommen, wieso nicht auch damit? Im Grunde war es doch auch dasselbe, oder? Na ja, nicht direkt, aber wer würde denn kleinlich sein. Er jedenfalls nicht. Außer dass ihm klar war, dass Jakob bald zurückkommen würde. Er war sich da einfach sicher. Man konnte es Intuition nennen.
„Jack, ich rede als ihr Freund zu ihnen, nicht als ihr Vorgesetzter. Sind sie sicher, dass sie das schaffen werden?“, hakte General Hammond nach.
„Ich weiß ja, dass sie sich Sorgen um mich machen, George, aber ich kriege das schon hin.“, wehrte Jack ab und fügte sarkastisch noch hinzu: „Langsam gewöhne ich mich an diese „Mein Leben ist Scheiße“ - Theorie.“
„Und Sam? Glauben sie, dass sie es verkraften wird?“, war Hammonds nächste Frage.
„Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Carter ist stark, kein Zweifel, aber sie ist auch bloß ein Mensch und ein gefühlvoller noch dazu. Ich würde sie an ihrer Stelle im Auge behalten.“, erwiderte O’Neill ruhig und blickte aus dem Fenster hinunter auf das Sternentor. Er machte sich Sorgen um seine Freundin. Erst Daniel und jetzt Jakob - das zu verdauen, würde nicht leicht für sie werden. Sie wusste schließlich nicht, dass Daniel noch immer da draußen war und dass er auf sie Acht geben würde. Er hätte es ihr schon längst zu erklären versucht, wenn er nicht davon ausgehen müsste, dass sie es nicht verstehen würde, dass sie ihm nicht glauben würde. Sie hatte seinen Aufstieg mit eigenen Augen miterlebt, doch sie akzeptierte es nicht und würde dies auch keineswegs ohne Beweise. Etwas, dass er ihr nicht liefern konnte.
„Ich erwarte auch nichts anderes von ihnen.“, gab George zurück. „War sie deswegen gestern Nacht bei ihnen?“ Es lief doch darauf hinaus, spielte sich nur anders ab, als Jack es angenommen hatte. Da waren keine Wutausbrüche und keine Vorhaltungen. Es war einfach eine Feststellung und er hatte nicht vor, das zu leugnen. Erstens, weil er Hammonds Vertrauen genoss und keinen Grund sah, dieses zu zerstören und Zweitens, weil jede Lüge es nur schwerer für alle Be-teiligten gemacht hätte.
„Auch.“, gab Jack ehrlich zurück. „In erster Linie wegen dieser Erinnerungsgeschichte. Sie hatte eine wenig erfreuli-che Bekanntschaft mit Jolinars Vergangenheit gemacht.“
„Verstehe. Und bei ihnen?“, hakte der General nach.
„Nichts, was für die Tok’ra oder die Menschen von Bedeutung wäre. Nur privater Kram.“, erwiderte Jack und seufzte.
„Sollten sie jemanden zum Reden brauchen...“, setzte George an, doch wurde er abermals von ihm unterbrochen.
„Wie schon gesagt, ich komme klar, Sir. Kann ich jetzt gehen?“ Jack wollte diese Unterhaltung endlich hinter sich bringen. Seine Gedanken schweiften schon viel zu lange um dieses Thema. Er wollte es für die nächste Zeit wirklich ein-fach nur abhaken und sich auf etwas anderes konzentrieren, auch wenn er noch nicht genau wusste, auf was.
„Eines noch.“, hielt Hammond ihn zurück. Der militärische Ton war in dessen Stimme zurückgekehrt. „Colonel, sie wissen, dass ich ihnen vertraue, aber ich erwarte, dass so etwas nie wieder vorkommt.“
„Natürlich, Sir!“, bestätigte O’Neill, salutierte knapp und verließ das Büro seines Vorgesetzten. Er hatte mittlerweile eine Idee, was er machen konnte. Sein Wagen brauchte dringend mal wieder eine Generaluntersuchung und Jonas wä-re der richtige Mann, um ihm zu helfen. Sicherlich könnte er ihn mit ein paar Gratisfahrstunden ködern und vielleicht ihre Freundschaft etwas vertiefen. So ein kleiner Plausch unter Männern konnte nie schaden.

„Reich mir mal den großen Schraubenschlüssel.“, forderte O’Neill und streckte lediglich seine Hand unter dem Wa-gen hervor. Er halbe Stunde hatte es gewirkt, circa dreißig Minuten hatte er sich ablenken können, doch die Arbeit war fast getan. Er musste nur noch schnell die neue Bremsleitung befestigen, Flüssigkeit nachfüllen, denn die Alte hatte sich schleimig über seine Sachen ergossen und sich darin festgesaugt, sowie mit Jonas ausprobieren, ob es so funktionierte. Jack wusste schon jetzt, dass es funktionieren würde. Es funktionierte bei ihm immer auf Anhieb. Sicherlich wäre er auch ein guter Mechaniker geworden, wenn da nicht das Militär gewesen wäre. Reparaturen füllten ihn jedoch auch nicht aus. Ein Auto zu reparieren, gab ihm nicht das Gefühl, welches ihm sein Job verschaffte.
Wenn er ein Menschenleben rettete, fühlte er sich gut, dann ergab alles einen Sinn, sogar der Tod seines Sohnes. Dafür musste er aber schon viele Leben retten. So einen Planeten, vielleicht auch zwei. Kam ganz auf seine gegenwärti-ge Verfassung an. Meist war diese mies. Er wusste, dass er seine Freunde damit quälte, dass sie es nicht leiden konn-ten, wenn er mürrisch war, aber er konnte doch selbst nichts dagegen tun. Beim Aufwachen ging es meist schon los. Es musste nur ein Alptraum sein, der ihn weckte, oder der Wecker, der viel zu früh klingelte, wenn er mal wieder viel zu spät ins Bett gegangen war. Aber heute ging es ihm gut. Nicht wirklich großartig, so als könnte er Bäume ausreißen, aber auch nicht sonderlich schlecht, so dass er am Liebsten das ganze Universum in die Luft jagen würde, nur um endlich Ruhe zu haben.
Es war mehr ein dumpfes Gefühl von Neutralität. Er konnte weder glücklich noch sonderlich traurig sein. Es gab kei-nen Grund eines von beidem nachzusehen. Er wusste, Jakob war nicht tot, aber er war auch nicht wieder bei ihnen. Viel-leicht musste Jack sich einfach gedulden, was das anging, aber nicht, was das andere betraf. „Jonas, hör auf dem Kran-kenhauspersonal schöne Augen zu machen und reich mir den verdammten Schlüssel!“, stieß Jack genervt unter dem Wagen hervor. Er hörte weit entfernt drei Frauen kichern. Man, da hatte er ja wirklich ins Schwarze getroffen. Ihm wurde etwas Metallenes, Kaltes in die Hand gelegt, doch er wusste allein schon durchs Fühlen, dass es nicht das war, was er wollte. Es war ja nie das, was er begehrte. Resignierend seufzte er und meinte nüchtern: „Den Großen, Jonas.“ Das Werkzeug wurde ausgetauscht und endlich bekam er, wonach er verlangte. In Nullkommanichts hatte er alles festge-schraubt, was nötig war. Er rollte sich unter dem Wagen hervor und setzte sich auf.
„Glaubst du, eine von ihnen geht mal mit mir aus?“, fragte er nachdenklich und biss sich auf die Unterlippe. Jack sah zu ihm hoch. Der junge Mann lehnte an den Wagen, die Arme vor der Brust verschränkt und die Stirn in Falten. Ent-schieden schüttelte Jack den Kopf.
„Nicht bei deinen Fahrkünsten.“, antwortete er monoton und kramte in seiner Tasche nach dem Autoschlüssel. Jonas sah ihn verwundert an, als glaubte er nicht wirklich, dass es nur darauf ankam. Kam es ehrlich gesagt auch nicht, aber Jack hatte ehrlich gesagt keine Lust, darüber zu diskutieren, wer diesen Mann ins Bett ließ und wer nicht. Ihm war das im Grunde ziemlich egal. Sein Sexleben war frustrierend, da musste er nicht daran erinnert werden, dass Jonas alles haben konnte und er nicht. Er warf Quinn den Wagenschlüssel hoch und erhob sich. Dieser fing ihn auf und hielt ihn mit beiden Händen fest. Im ersten Moment schien er nicht zu verstehen. Er schaute das kleine Stück Metall nur perplex an, also ob er es noch nie zuvor gesehen hätte.
Ungläubig fragte er: „Darf ich fahren?“ Jack füllte inzwischen Bremsflüssigkeit nach und schloss dann die Motorhau-be. Das dreckige Hemd zog er aus, denn er hatte noch ein T-Shirt darunter.
„Klar, steig ein! Du kannst ja mal versuchen, sie zu beeindrucken, wenn du meinst, du schaffst das.“, gab Jack zu-rück und nahm auf dem Beifahrersitz platz, nachdem er sein Werkzeug hinten auf der Laderampe verstaut sowie seine von Bremsöl verschmierte Jacke ausgezogen hatte. Jonas setzte sich neben ihn und steckte den Schlüssel ins Schloss, um dann seine Hände ans Lenkrad zu legen. Jack sah ihn abwartend an, doch sein junger Freund tat nichts. „Was denn, noch nie ein Buch über theoretisches Fahren gelesen?“, witzelte O’Neill.
„Nein!“, gab Jonas nur zurück. Jack verdrehte die Augen. Musste er es ihm auch noch erklären. Hätte er sich eigent-lich denken können. Auf was hatte er sich da eigentlich eingelassen. Resigniert seufzend schüttelte er leicht den Kopf. Das würde ein langer Tag werden. Wenigstens lenkte es ihn ab, Jonas Anweisungen zu geben. Er hoffte nur, dass sein Wagen das Szenario heil überstehen würde. Zu seinem Glück parkten nicht allzu viele Autos auf dem Parkplatz. Wie schon erwähnt, war am Wochenende nie viel Betrieb. Die waren doch alle lieber zu Hause bei ihren Familien.
„OK, Kupplung, Gas, Bremse.“, erklärte Jack schließlich und zeigte auf die jeweiligen Pedale. „ Das Lenkrad wirst du ja sicher bedienen können. Dann noch die Gangschaltung. Die übernehme erst einmal ich.“ Jonas nickte eifrig und ver-suchte sich alles zu merken. „Jetzt Schlüssel herumdrehen, Kupplung treten, langsam Gas geben und gleichzeitig von der Kupplung gehen. Einfach kommen lassen.“ Der Motor heulte auf, machte dann ein komisches Geräusch und ein Ruck durchfuhr den Wagen, bevor er wieder aus ging. Jonas hatte ihn abgewürgt. Dieser wollte auch schon aufgeben, doch Jack hielt ihn zurück, bevor er den Schlüssel aus dem Zündschloss ziehen konnte. „He, Übung macht den Meister. Erzähl es keinem, aber das ist mir auch passiert. Teal’c hat für das richtige Anfahren zwei Stunden gebracht. Ich erwar-te, dass du es in einer perfekt beherrscht. Also, gib Gas.“, meinte er beschwichtigend und lehnte sich zurück. Knapp eine Dreiviertelstunde später hatte Jonas es drauf und sie drehten erste Runden um den Parkplatz.
Jack musste zugeben, dass dieser wirklich ziemlich schnell begriff. Aber die Gangschaltung musste noch warten, denn sie wurden eine weitere halbe Stunde später von einem Lieutenant angehalten, der ihnen mitteilte, dass SG-1 sich bereitmachen sollte, denn es würde in drei Stunden zu den Tok’ra gehen. Diese Trauerfeiergeschichte würde wohl mehr Zeit in Anspruch nehmen, als Jack vermutet hatte. Ihm sollte es Recht sein. Sicherlich würde Anise ach gerne die Daten dieses Erinnerungsgeräts auswerten. Ihr Tag würde nicht gerade der Erfreulichste ihres Lebens werden. Jack bedankte sich schnell für die Information und beendete dann die Stunde mit Jonas, indem er ihn ordentlich einparken ließ. Das konnte dieser außergewöhnlich gut, wie Jack zufrieden feststellte. Wenigstens etwas, das er ihm nicht beibringen muss-te.
„Danke, Jack!“, sagte Jonas schließlich und grinste breit.
„Wieso kannst du eigentlich parken, aber nicht fahren?“, wollte Jack nur so aus Neugier wissen. OK, es interessierte ihn nicht wirklich, aber der Weg ins Innere der Basis war ihm zu lang, als das er ihn schweigend verbringen wollte.
„Ich habe ihnen zugesehen, wie sie den Wagen aus der Parklücke gefahren haben und das Gleiche nur in entgegen-gesetzter Reihenfolge getan.“, erläuterte Jonas wild gestikulierend.
„Clever!“, gab Jack zurück und rief den Fahrstuhl. Unbeabsichtigt hatte er dem jungen Mann neben sich ein Kompli-ment gemacht. Das würde wahrscheinlich sein ganzes Image ruinieren, aber Jonas schien es nicht mitbekommen zu haben. Wenn doch, dann verbarg er es perfekt. Eventuell auch etwas, dass sich der Junge bei ihm abgeguckt hatte. Die Türen öffneten sich und sie stiegen ein. Den Rest des Weges schwiegen sie.

Es war dunkel in Colonel O’Neills Zimmer. Er selbst lag auf dem Bett, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und an die Decke starrend. Circa eine halbe Stunde lag er jetzt schon so da, hatte sich nicht einen Millimeter bewegt, genau wie er es auch in der nächsten Stunde nicht mehr vorhatte. Eigentlich dachte er an gar nichts. An was sollte er denn auch groß denken? An Jakob vielleicht, der sicherlich gerade versuchte, zu seiner Tochter zurückzukommen? Oder an Sa-mantha, der es immer schlechter zu gehen schien, je gefasster sie sich gab? Eventuell an Daniel, der überall und nir-gends zu sein schien, aber nicht dort, wo er hingehörte - bei Jack? An Kanaan, der ihn noch nach seinem Tod in Schwie-rigkeiten brachte? Sicherlich nicht. Zu lange hatte Jack schon über diese Dinge nachgedacht. Darüber, wie ungerecht das Leben doch war, wie schwer und wie satt er doch diese ganze Scheiße hatte. Er kam doch sowieso nie auf einen brauchbaren Nenner. Löste er ein Problem, stellte sich ihm ein Neues in den Weg. So war das nun einmal, er konnte es nicht ändern. Da war es leichter über Nichts nachzudenken.
Auch nach Daniels Verschwinden hatte er oft einfach nur so dagelegen, sich mit nichts beschäftigt und gewartet, dass es wieder etwas für ihn zu tun gab, dass ihn nicht davon abhielt, über Dinge wie diese nachzudenken. Man müsste meinen, dass er sich gerade in Momenten wie diesen den Kopf über solche Sachen zerbrach, aber wenn er nicht dazu gezwungen war, seinen Kopf anzustrengen, tat er es auch nicht. Als Soldat hatte er gelernt, alle Emotionen und Gedan-ken auszusperren, weil sie ihm lediglich das Leben erschweren würden. Er konzentrierte sich einfach auf Nichts, denn so konnte man ihm nicht schaden. Im Golfkrieg hatte das durchaus gut funktioniert, als sie ihn unter Drogen gesetzt und versucht hatten, so Informationen über ihn herauszubekommen. Er war sich sicher, nichts verraten zu haben. Er spürte, wie längst vergessene Erinnerungen wieder hochkamen.
Es war damals ebenso dunkel gewesen, wie derzeit in seinem Zimmer. Nur eine kleine Lampe, die von der Decke hing, schien auf sein Gesicht. Ganz so wie in diesen alten Spionagefilmen, die Jack so sehr verabscheute. Wahrschein-lich deswegen. Er saß auf einem Stuhl, die Hände und Füße gefesselt. Man wollte ja schließlich nicht, dass er floh. Als ob er dazu in der Lage gewesen wäre, hatten sie ihn doch mit Drogen voll gepumpt, um ihn ruhig zustellen. Er sah alles nur durch einen Schleier, das Licht blendete unnatürlich stark, in seinem Kopf drehte sich alles und sein Körper fühlte sich unglaublich schwer an. Allein den Kopf zu heben, bereitete ihm schon Schwierigkeiten. Der Gedanke, sich aus dem Staub zu machen, kam ihm da gar nicht erst in den Sinn. Als er es endlich schaffte, aufzusehen, drehte sich für einen Moment alles vor seinen Augen.
Er fühlte sich orientierungslos, wie ihm freien Fall. Für einen Augenblick glaubte er, die Balance zu verlieren, zur Sei-te zu kippen, doch der Stuhl stand fest auf dem Boden. Jemand trat neben ihn. Er sah etwas aufblitzen. Das Licht brach sich in der sterilen Nadel einer Spritze, die ihm kurz darauf schmerzhaft in die Armbeuge gerammt wurde. Jetzt wusste er wieder, warum er solch eine Abscheu gegen diese Dinger verspürte. Weckte schlechte Erinnerungen. Für einen kur-zen Augenblick wurde alles schwarz um ihn herum, dann verfestigten sich die Umrisse um ihn wieder und er erblickte ei-ne Gestalt vor sich. Er versuchte das benebelnde Gefühl abzuschütteln, doch es gelang ihm nicht wirklich. Das wieder-um erinnerte ihn an die Folter in Ba’als Palast, wo er kurz davor gewesen war, durchzudrehen. Dieser Gedanke ver-schwand so schnell wieder, wie er gekommen war, denn damals war das Stargate noch Zukunft und nicht greifbar. Das Gesicht des Mannes war erst nicht zu erkennen, aber dann beugte dieser sich unter den Lichtkegel.
Jack erblickte Daniels ernstes Gesicht. Er kniff die Augen zusammen, doch als er sie wieder öffnete, war es immer noch da. Sein Unterbewusstsein musste ihm einen Streich spielen, denn sein Freund konnte unmöglich da gewesen sein, doch bekam er das Bild nicht aus seinem Kopf. Egal wie oft er zwinkerte, ob er seinen Blick kurz abwandte oder sich einredete, dass das unmöglich den Tatsachen entsprechen konnte, es änderte sich nichts daran, dass Daniel wei-terhin vor ihm stand. Jack wollte die Erinnerungen verdrängen, aus dem Tagtraum aufwachen, doch es gelang ihm nicht. Anise hatte dieses Erinnerungsding auf seinen Wunsch hin hoch etwas höher gestellt und jetzt schien er es nicht mehr kontrollieren zu können. Er hatte sich übernommen und wurde nun dafür bestraft.
„Sag mir, was ich wissen will und ich lasse dich gehen.“, sagte Daniel sogar mit seiner Stimme und zog sich einen weiteren Stuhl heran, um sich vor O’Neill zu setzten. Dieser wollte seinen Blick abwenden, doch gelang es ihm nicht. Sein Körper gehorchte ihm lang schon nicht mehr.
„Ich weiß nichts.“, brachte Jack schwach heraus, versuchte gegen die Wirkung der Droge anzukämpfen - ohne Er-folg. Er wollte Daniel alles vertraten, sie hatten nie Geheimnisse gehabt, doch jetzt sträubte sich auch alles ebenso da-gegen. Sein Freund - sein Daniel - hätte nie zugelassen, dass ihm das passierte.
„Erzähl mir von den Antikern. Was weißt du über sie?“, fragte sein Gegenüber mit fester Stimme. Jack wollte, dass das aufhörte, doch es passierte nichts. Er hätte alles gesagt, wenn er etwas gewusst hätte.
Er gab zurück: „Ich weiß nicht annähernd so viel wie du, Daniel. Glaub mir!“
„Du weißt es!“, fuhr Daniel ihn wütend an. „Du weißt wer sie sind! Sag mir, wer sie sind!“
„Ich weiß es nicht!“, gab Jack zurück. Sein Kopf drohte zu zerspringen. Abermals kniff er die Augen zusammen. Er wollte nichts weiter, als aufwachen, doch auch diesmal gelang es ihm nicht. Er konnte diese Bilder nicht loswerden, er konnte sie nicht abschütteln, er konnte nicht entkommen. Es war wie damals und doch ganz anders. Andere Fragen, Daniel, der sie stellte, aber die gleichen Antworten. Er wusste es nicht. Woher sollte er es auch wissen. Man hatte es ihm nie gesagt. Oder doch? War es in seinem Kopf und er hatte keine Ahnung davon? Die Asgard hatten das Wissen ent-fernt, auf jeden Fall behaupteten sie das. Hatten sie ihn belogen? Hatten sie nicht alles entfernen können? War etwas in seinem Unterbewusstsein haften geblieben? Etwas Ausschlaggebendes, etwas äußerst Wichtiges? Wieso wollte Daniel es dann wissen, wieso auf diese Weise? Wenn er wirklich Informationen in sich trug, weshalb konnte er sich dann nicht erinnern? Wollte er sich nicht erinnern? War das Ausmaß dieses Wissens zu verheerend, war es überhaupt zu verant-worten? Er wusste nicht, was er glauben sollte. Er konnte nicht mehr klar denken. Er wollte nur, dass es endlich aufhör-te, dass er endlich aufwachte!
„Sag mir, wer sie sind!“, wiederholte Daniel seinen Satz etwas lauter.
„Ich weiß es nicht!“, gab Jack mit mehr Nachdruck zurück.
„Sag es mir! Wer sind sie? Wer sind die Antiker?“, brüllte Doktor Jackson in mittlerweile an.
„Wir! Wir sind die Antiker!“, stieß Jack verzweifelt hervor, bevor er überhaupt begriff, was er da sagte. Auf einmal er-schien alles ganz klar in seinem Kopf. Da war keine Leere mehr, sondern nur noch Erkenntnis. Er hatte das Wissen die ganze Zeit in sich getragen und es nicht einmal gewusst. Er musste sie laut aussprechen, um sie überhaupt verarbeiten zu können: „Vor Jahrtausenden waren sie wie wir, doch sie wussten, dass sie sterben würden, sie spürten, dass ihre Zeit reif war, also bauten sie die Sternentore. Sie brachten so das Leben zu unzähligen Planeten, säten es in den Ozeanen der verschiedensten Welten und ließen der individuellen Evolution ihren Lauf. Sie hinterließen in jedem Lebewesen im Universum, so unterschiedlich es auch sein mochte, einen Teil von sich - „Ihr Erbe an die Zukunft.“
Die Erkenntnisse, die er in Bruchteilen von Sekunden erlangte, waren mehr als verheerend, sie würden für die ande-ren vernichtend sein. Vielleicht hatte Jakob doch Recht. Vielleicht war das Ende für alle Beteiligten näher, als er sich selbst eingestehen wollte. Vielleicht war es längst zu spät, einen anderen Weg einzuschlagen. Für viele Völker würde es erst der Beginn sein, doch für einige - darunter vielleicht sogar ihres - würde es das Ende bedeuten. Sie hatten den Weg des Fortschritts gewählt, vor Jahrzehnten schon, eventuell war das der Tribut, den sie dafür zahlen mussten. Jack konn-te das nicht glauben. Das konnte unmöglich der Wahrheit entsprechen.
„Du zweifelst an deinen eigenen Worten?!“, sagte Daniel jetzt wieder versöhnlicher, als er Jacks Blick bemerkte. Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. „Tja, sie entsprechen der Wahrheit. Aber es ist noch nicht zuspät. Es gibt immer noch Hoffnung.“
„Wieso?“, hauchte Jack kraftlos und sah seinem Freund in die Augen.
„Ich wollte, dass du das weißt. Du bist die Hoffnung für viele Völker, ist dir das eigentlich klar, Jack?“, antwortete Doktor Jackson und lächelte jetzt sogar. Die Fesseln um Jacks Hände und Füße verschwanden, der Schleier in seinem Kopf lichtete sich und das Denken fiel ihm wesentlich leichter als zuvor.
„Wieso?“, wiederholte O’Neill seine Frage nur.
Daniel erwiderte: „Sie sehen deinen Schmerz, all das Leid, das du durchmachen musstest, und dennoch gibst du nicht auf. Du lässt dich nicht unterkriegen. Den Asgard, zum Beispiel, fehlt diese Willenskraft. Was glaubst du, warum sie sonst ein Schiff nach dir benannt haben?“ Jack fühlte sich wieder wohl und erhob sich, genau wie sein Freund es gerade getan hatte. Alles um sie herum verschwand, nur das Licht blieb. Wie beim letzten Mal.
„Du gehst wieder, jetzt, wo ich es weiß. Habe ich Recht?“, hakte Jack bedrückt nach. Ihm gefiel vielleicht nicht, wie das alles angefangen hatte, aber dennoch war er froh, seinen Freund wieder lächeln zu sehen.
„Ich kann nicht länger bleiben, auch wenn ich es gerne wollte. Aber wir werden uns bald wieder sehen, du musst nur Geduld haben.“, antwortete Daniel und Jack sah wahrhaftig Tränen in den Augen seines Gegenübers blitzen.
„Wie kann ich mir sicher sein, dass das nicht alles nur Hirngespinste sind. Dinge, die ich mir ausdenke.“, wehrte Jack ab. Diese Angst plagte ihn wirklich, auch wenn er es sich selbst gegenüber nicht zugeben wollte.
„Glaubst du echt, du hast solch einen blühende Phantasie?“, bemerkte sein Freund sarkastisch.
O’Neill ermahnte ihn: „Daniel!“
„Weil ich dir mein Wort gebe.“, erwiderte Doktor Jackson ruhig. „Mein Wort, dass er zurückkommen wird.“ Etwas schrillte laut auf, so dass Jack vor Schmerz die Augen zusammenkniff und sich die Ohren zuhielt. Als er nur wenige Au-genblicke später, nachdem das Geräusch verstummt war, aufblickte, war sein Freund verschwunden.

Wieder ertönte dieser unerträglich nervende Laut und Jack schreckte hoch. Einige Momente war er orientierungslos, dann begriff er, dass er sich in seinem Zimmer befand und dass es sein Wecker war, der ihn geweckt hatte. Mit einem festen Schlag brachte er diesen zum Schweigen. Er musste eingeschlafen sein. Es war nur ein Traum gewesen und doch sagte ihm sein Herz, dass dem nicht so war. Es war Daniels Art gewesen, mit ihm in Kontakt zu treten. Wahr-scheinlich hätte er noch Stunden mit sich selbst darum ringen können, ob es nun der Wahrheit entsprach oder sein Un-terbewusstsein ihn reingelegt hatte, aber dafür blieb keine Zeit, denn sie würden in einer halben Stunde aufbrechen. Also nahm er es erst einmal einfach hin und widmete sich wieder der Gegenwart. Er musste zu einer Beerdigung, doch dies-mal würde sie nicht das Ende bedeuten.
„Ich muss nur Geduld haben, dann kommt er zurück.“, murmelte er sich selbst zu und erhob sich, um sich umzuzie-hen und zu seinem Team zurückzukehren. Er würde die nächsten Stunden hassen - sie verfluchen - aber er würde sie durchstehen. Das war er nicht nur Jakob, sondern auch Samantha Carter schuldig. Das war alles, was er für sie unter-nehmen konnte. Das war alles, wozu er momentan in der Lage war. Pünktlich betrat er den Torraum. Seinen Traum hat-te er längst in einer der vielen Schubladen in seinem Gedächtnis verstaut und nicht vor, diesen wieder hervorzuholen, bevor er nicht gebraucht wurde. Natürlich mit der Hoffnung, dass er nie gebraucht wurde. Kurz darauf wurden seine Ge-danken in den Weiten des Weltraums zerstreut.

Colonel O’Neill spürte ein leichtes Ziehen, als Anise ihm das Aufzeichnungsgerät von der Schulter zog. Es war nicht so, dass es sonderlich schmerzte, es überraschte Jack bloß, da er gerade voll damit beschäftigt war, nicht Anise anzu-starren, die sich ihm in ihrer aufreizenden Kleidung wieder einmal darbot. Nicht, dass ihn das sonst sonderlich gestört hätte, aber anscheinend machte sich ein Verlangen in ihm breit, dass ihn dazu drängte, dringend mal wieder zu korres-pondieren, wie dieser Qu’on das auszudrücken gepflegt hatte. Wo war Bastet, wenn man sie mal brauchte. Jack hätte diese Option nicht wirklich in Betracht gezogen, da ihm der Gedanke bei Anise schon zuwider war, aber es war ja nicht verboten, mit dem Gedanken zu spielen. Vielleicht kam er aufs Korrespondieren zurück, wenn er wieder auf der Erde war. Jemanden dazu zu finden, war eigentlich nicht so schwer.
Eine verrauchte Bar, eine Menge Alkohol und keine Hemmungen - mehr brauchte man dazu eigentlich nicht. Es wür-de auch nicht dieses schlechte Gewissen geben, da man sich so oder so an nichts erinnern würde. Mal angenommen, dass Anise für ein paar Stunden aus Frayas Körper verschwand, könnte ihn die Vorstellung, dieses Ritual mit ihr zu voll-führen, schon etwas reizen. Sie war hübsch, keine Frage, und, so wie er wusste, auch nicht gerade prüde. Sie wäre dar-über hinaus auch ohne den Alkohol sicherlich nicht abgeneigt, es mit ihm wild und hemmungslos zu treiben. Leider konn-te er sich das im nüchternem Zustand für sich nicht vorstellen und da die Tok’ra sicherlich nicht irgendwo einen Vorrat an Jack Daniels bunkerten, fiel diese Option für den heutigen Abend sowieso flach. Er würde Wohl oder Übel wieder einmal eine Nacht alleine verbringen. Es sei denn,...
Er wurde je aus diesen nicht jugendfreien Gedanken gerissen, als Anise meinte: „So, das war’s!“
„War mir immer wieder ein Vergnügen.“, entgegnete Jack sarkastisch. Er beschloss den Gedanken von eben nicht zu Ende zu führen. Das würde nur Ärger bringen und er hatte sich doch vorgenommen, sich keinen Ärger in den nächsten Stunden zu machen. Er schnappte sich sein T-Shirt und zog es sich wieder über, was Anise augenscheinlich missfiel. Jack jedoch fand, er hatte ihr genug gegönnt. Wie er jetzt erst feststellte, hatte sie ihm noch ein Gerät an den Körper ge-heftet, diesmal jedoch hinter das linke Ohr, knapp unter dem Haaransatz.
„Wozu ist das?“, fragte er, obwohl es ihn eigentlich nicht interessierte. Er sah so schon aus, wie eine halbe Maschine, da würde ein Teil mehr oder weniger auch nicht mehr auffallen. Ihn störte das genauso wenig wie die anderen. Sie be-hinderten ihn schließlich nicht, wenn man mal von den Erinnerungen - also dem eigentlichen Sinn dieser Übung - absah.
„Es misst die Aktivitäten in deinem Gehirn und wertet aus, welche Hormone vom Körper ausgestoßen werden. So können wir exakt bestimmen, in welcher Region deines Gehirns bestimmte Informationen gespeichert sind, was uns hilft, das Erinnerungsgerät individuell auf dich einzustellen und deinem Unterbewusstsein so viele Daten wie möglich zu ent-locken.“, erklärte sie eisern.
„OK, und wie lange geht dieses Experiment noch?“, hakte er nach. Er hatte zwar verstanden, was diese Frau da von sich gegeben hatte, aber wie schon erwähnt, es interessierte ihn einfach nicht. Sollte sie doch herausfinden, was in ihm vorging, verstehen würde sie es sicherlich sowieso nicht. Sie war eine Tok’ra, eine Frau von einem anderen Planeten, die eigentlich an nichts anderem interessiert war, als an der Größe seiner Waffe - wenn ihr versteht, was er meinte. Sie würde keinen Zusammenhang zwischen den Erinnerungen und seinen Hormonen, sowie den aktivierten Zonen seines Gehirns ausmachen können. Er konnte es im Grunde selbst nicht, aber er war ja auch kein Arzt. Er war Soldat und als solcher dachte man nun einmal anders. Einfacher - vielleicht sogar zu einfach, als das eine Tok’rawissenschaftlerin es verstehen würde.
„Ungefähr eine Woche. Es kommt darauf an, was ich aus diesen Daten entnehmen kann.“, antwortete sie und blickte ihn einfach nur an. Normalerweise fummelte sie immer an ihren Geräten herum, wenn sie mit ihm sprach - wahrschein-lich um sich von ihm abzulenken - aber diesmal nicht. Sie schien es sogar darauf anzulegen, nicht abgelenkt zu werden. Wahrscheinlich war sie wieder auf diesem „Lo machen“ - Trip, wie beim letzten Mal, als sie alleine waren. Jack wartete gar nicht ab, bis sie die Gelegenheit dazu bekam, über ihn herzufallen, nickte nur verstehend und erhob sich von der Liege, auf welcher er gesessen hatte. Na ja, Altar aus diesen Tunnelkristallen traf es wohl eher, aber wer wollte denn kleinlich sein. Im Grunde war ihm das auch egal. Ihm war sowieso alles schnuppe. Er freute sich schon jetzt, wo es noch nicht einmal richtig begonnen hatte, auf den Augenblick, wo er wieder nach Hause konnte.
„Wir sehen uns!“, mit diesen Worten verließ er Anise Labor und gab somit Samantha Carter - welche er mit einem sanften Lächeln bedachte, als er an ihr vorbei ging - die Chance, sich auch mal so richtig unter die Lupe nehmen zu las-sen. Ihr würde diese Prozedur sicherlich genauso viel Freude bereiten wie ihm.

Es wurde Abend, auf jeden Fall wäre es jetzt auf der Erde dunkel geworden, aber hier unten in den Tunneln war es sowieso immer hell. Da konnte man wie im Stargatekomplex schon mal die Tageszeiten verwechseln. Gut, dass er eine Digitalanzeige auf seiner Uhr hatte, die in Abschnitten von vierundzwanzig Stunden die Zeit maß. Im Grunde müsste Co-lonel O’Neill auch müde sein, da er ja so gut wie keinen Schlaf gefunden hatte, aber dem war nicht so. OK, die Nacht mit Sam war toll gewesen, auch wenn er sich etwas Besseres hätte vorstellen können, als mitten in der Nacht aus dem Traum gerissen zu werden, aber er hatte sich ja schließlich nicht aussuchen können, was Sam träumte. Ihm wäre jedoch weitaus wohler dabei, wenn er das vermögen würde. So hätte er nicht die Befürchtung haben müssen, dass sie das mit Jolinar und Kanaan herausbekam.
Die Sonne stand noch hoch am Himmel und die Sonne brannte heiß auf seinen nackten Rücken, dennoch hatte Jack in nächster Zeit nicht die Absicht, sich auch nur einen Zentimeter von der Stelle zu bewegen. Es war nicht gerade berau-schend, denn der Planet bestand auf jeden Fall hier nur aus einer dunkelgrauen Steinwüste. Ab und zu war mal ein grö-ßerer Strauch zu sehen, welcher der barbarischen Sonne trotzte, doch sonst war es wie ausgestorben. Er hatte zwar den Gedanken im Hinterkopf, dass genau unter seinen Füßen Hunderte, wenn nicht Tausende von Menschen herum-schwirrten, wie Bienen in einem Bienenstock, doch das änderte auch nichts an der Tatsache, dass der Planet ansonsten wie ausgestorben schien. Vielleicht gefiel es ihm deswegen so gut hier. Es erinnerte ihn an seine Hütte in Minnesota, auch wenn dort der Ausblick besser war und er wenigstens angeln konnte. Vielleicht sollte er wirklich etwas Urlaub ma-chen, wenn die ganze Sache vorbei war und...
Schritte unterbrachen seine Gedanken. Es waren weder die von Sam, noch einem anderen Mitglied seines Teams. Er kannte sie mittlerweile auswendig. Das ließ ihn ruhiger schlafen, denn alle drei - na ja Teal’c weniger - hatten die An-gewohnheit, mitten in der Nacht draußen herumzugeistern, wenn sie eigentlich leise Wache halten sollten. Auch Jakob oder Hammond konnte er ausschließen. Sie hätte er nicht so schnell gehört, sie waren schließlich darauf trainiert wor-den, nicht gehört zu werden. Genau wie er vor vielen Jahren. Man konnte das nicht einfach ablegen. Das waren ganz klar die Schritte eines Tok’ra. Plump und unvorsichtig. Nicht, dass Jack ihn spüren konnte, aber er wusste es dennoch. Intuition - nicht mehr und nicht weniger. Jack drehte sich nicht um. Er hoffte, wenn er denjenigen ignorierte, wer auch immer es sein mochte, würde dieser schon wieder verschwinden und ihn alleine lassen.
Leider geschah das nicht. Wieso auch? Wäre ja noch schöner, wenn man ihn länger als ein bis zwei Stunden in Ru-he ließ. Der Tok’ra setzte sich neben ihn auf die Düne und versuchte zu ergründen, was Jack gerade beobachtet. Doch er sah nichts. Was ja auch nicht weiter verwunderlich war, denn da war ja auch nichts. Schließlich rang Jack sich doch noch dazu durch, diesen Typen wahrzunehmen. Er seufzte hörbar, fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und blickte den Tok’ra, den er mittlerweile als Qu’on identifiziert hatte, mit hochgezogenen Augenbrauen entgegen. Ihn interessierte nicht wirklich, was der Mann zu sagen hatte, schließlich war er mit Schuld, dass Jakob verschwunden war. Na ja, viel-leicht nicht direkt, aber indirekt. Jack hätte Jakob K.O. geschlagen, wenn dieser nicht gehört hätte, soviel stand jedenfalls fest.
„Ich wollte sie um Verzeihung bitten.“, brach Qu’on schließlich doch noch das Schweigen. Jack hatte bereits geahnt, dass so etwas in der Art folgen würde. Es war einfach zu offensichtlich, dass den Tok’ra Schuldgefühle plagten. O’Neill könnte jetzt einfach annehmen oder ablehnen. Beides wäre gelogen. Er hatte diesem Tok’ra nie wirklich die Schuld ge-geben, wieso sich also entschuldigen. Der einzige, dem er Vorwürfe machte, war doch er selbst. OK, auch Jakob, aber vor allem sich selbst. War er deswegen nicht auch beinahe zusammengebrochen? War er deswegen nicht auch einver-standen gewesen, sich quälen zu lassen? War deswegen jetzt nicht hier? Er schüttelte den Gedanken ab, wollte nicht mehr daran denken, was im Trainingsraum passiert war. Seine Knöchel hatten sich zwar weitgehend erholt, doch ab und zu tat es doch schon noch weh. Das allein erinnerte ihn schon an seine Schwäche, das sollte auch reichen.
„Nicht nötig.“, gab Jack letztendlich zurück. „Ich gebe ihnen nicht die Schuld.“
Er blickte mich verwirrt an und fragte ungläubig: „Nicht?“
„Nicht!“, bestätigte O’Neill und schüttelte amüsiert den Kopf. Er mochte diesen Kerl. Wahrscheinlich, weil ihn seine Naivität irgendwie an Daniel erinnerte. Eventuell auch nur, weil er nicht so hochnäsig wie die anderen Tok’ra war. Jakob hatte wirklich auf diesen Typen abgefärbt. Jack wartete, dass Qu‘on noch etwas sagte, denn er wusste, dass dieser noch lang nicht am ende war. Die Tok’ra hatten es so an sich, dass sie immer mit mehreren Sachen auf einmal antanzten.
Schließlich brach sein Gegenüber das Schweigen: „Sie und Major Carter, sie stehen sich sehr nahe, oder?“
„Kann man so sagen, ja.“, antwortete Jack ehrlich. Er ahnte, worauf Qu’on hinauswollte, was ihm gar nicht gefiel. Na-rim hatte er verkraftet - es hätte zwischen den beiden eh nicht funktioniert - diesen Poliktikertypen, an dem hatte er schon mehr zu kauen gehabt und an Lantash wollte er erst gar nicht denken. Er hätte Sam beinahe erobert. Noch einmal würde er nicht zulassen, dass sich jemand in sie verguckte, der eh keine Chance hatte. Auf jeden Fall nicht, solange er da war. Das hoffte er zumindest. Sicher konnte er sich jedoch auch nicht sein. Bei Sam konnte man das nie.
„Dann korrespondiert...“, setzte der Tok’ra an, wurde jedoch von Jack unterbrochen.
„Oh, nein! Das nun wirklich nicht. Die Regeln unserer Regierung verbieten diese Art von Beziehung.“, stellte Jack klar und wusste, dass er diesem Typen damit freie Bahn gab. Lieber das, als sich später vielleicht rechtfertigen zu müssen, denn jeder verquatschte sich irgendwann und Tok’ra schneller als andere. Schnell fügte er hinzu: „Sie hätten jedoch auch so keine Chance bei ihr, sie ist bereits vergeben.“
„Oh, ach so!“, meinte Qu’on enttäuscht. So Leid er Jack auch tat, so sehr freute er sich auch, dass ihm diese kleine Schwindelei eingefallen war. Er betete innerlich dennoch, dass er damit nicht auch noch Recht hatte. Das wäre nun wirk-lich nicht in seinem Sinn. Er war sich jedoch sicher, Jonas hätte es bereits erfahren und sich bei ihm verquatscht, wenn es so wäre. Musste nur noch Sam mitspielen, aber das würde sie sicher. Sie stand nicht auf diese Art Mann, soviel wusste er.
„Nimm es nicht so schwer. Du findest auch bald jemanden, vertrau mir.“, heiterte Jack ihn auf und klopfte ihm auf-munternd auf die Schulter. Jack kam die Geschichte schon fast wie ein Vater-Sohn-Gespräch vor.
„Das meinte Jakob Carter auch, als ich ihm erzählte, dass ich Anise attraktiv fände. Dieser meinte jedoch, sie sei nicht mein Kalieber - was auch immer das bedeuten mochte - und dass sie sich längst für sie entschieden hätte.“, erwi-derte der Tok’ra und Jack wurde hellhörig. Sprach man jetzt etwa schon im ganzen Universum davon? Sie hatte ihn doch lediglich geküsst und er hatte sie abgewiesen - was natürlich wieder keinen interessierte. Dass sie sich zu ihm hin-gezogen fühlte, sah man ihr an, denn sie trug sicherlich nicht immer solch aufreizende Kleidung, aber dass sie alle ande-ren Männer abwies, war ihm neu.
„Ach, wirklich?“, hakte Jack ungläubig nach und zog beide Augenbrauen nach. „Also meinetwegen kannst du sie ha-ben. Ist ja nicht so, als hätten wir etwas zusammen.“
„Nicht? Ich habe da anderes gehört.“, gab Qu’on verwundert zurück. Jack wollte gerade etwas erwidern und hatte auch schon seinen Mund geöffnet, als er innehielt und lauschte. Wieder vernahm er Schritte. Diesmal kamen sie ihm so-fort bekannt vor. Jonas Quinn. Er blieb heute aber auch von niemandem verschont. So lange einer von beiden wieder ging, sollte es ihm jedoch Recht sein. So konnte er sich wenigstens ungeniert aus der Affäre ziehen.
„He, Jonas!“, begrüßte O’Neill diesen, ohne hinzusehen.
„Jack, kann ich mit ihnen reden?“, fragte Jonas ohne Umschweife und gab so Qu’on zu verstehen, dass dieser sich doch bitte zu verpissen hatte.
„Sicher doch!“, gab Jack zurück und sah ihn endlich an. Ohne ein weiteres Wort zog sich der Tok’ra zurück. Resig-nierend schüttelte Jack den Kopf und meinte amüsiert: „Niedliche Kerlchen. Wirklich echt niedliche Kerlchen, diese Tok’ra. Die bringen einen immer wieder zum Lachen.“ Jonas sah ihn verwirrt an, hielt es aber für angebrachter, nicht zu fragen. Er würde es sicherlich so oder so nicht verstehen. Jack hatte manchmal einfach die Angewohnheit, etwas Zu-sammenhangloses daherzureden. Es war nicht weiter beachtenswert. Jonas setzte sich neben Jack und starrte ebenso gedankenverloren in die triste Felsenlandschaft, die sich ihnen bot, wie es O’Neill getan hatte. Ihm schien ebenfalls eini-ges durch den Kopf zu gehen. Jack ahnte, dass es sich um diese „Ich habe meinen Freund verloren“ - Sache handeln musste, denn Jonas hatte schließlich neulich so etwas erwähnt.
Er wollte schon fragen, ob alles in Ordnung sei, ließ es dann aber doch. Wenn sein junger Freund etwas zu sagen hätte, würde er schon mit der Sprache herausrücken. Auch diese Tatsache unterschied ihn von Daniel. Dieser hätte oh-ne Rücksicht auf Verluste einfach drauf los geplappert, anstatt sich in Schweigen zu hüllen. Letzteres gefiel Jack jedoch weitaus besser, denn er ging auch so mit seinen Problemen um - er schwieg sich aus. Manchmal tat es einfach nur gut, wenn man in Gesellschaft mal nichts sagte. Man war nicht mit sich alleine, kam nicht auf dumme Gedanken, aber man hatte dennoch Zeit für sich. Vielleicht war es das, was eine Männerfreundschaft wirklich ausmachte, dass man auch mal man selbst sein konnte, ohne sich früher oder später rechtfertigen zu müssen. Auch vor Daniel oder Teal’c hatte er oft so dasitzen und nichts sagen können - selbst vor Sam, auch wenn es nicht dasselbe war.
Es lag nicht direkt daran, dass sie eine Frau war - sie war nur die Frau seines Herzens und das war das eigentliche Problem. Seine Gedanken kreisten um sie, wenn sie bei ihm war, manchmal auch, wenn sie es nicht war. Natürlich war sie sehr oft bei ihm - zu seinem Leidwesen zu oft und dennoch nicht oft genug, als dass es ihm genügen würde. Sofort stiegen wieder Bilder in ihm hoch. Keine dieser verschütteten Erinnerungen, die ihn immer wieder aus dem Gleichge-wicht brachten, aber er wollte diese ebenso verdrängen, denn sie machten ihm immer wieder nur Ärger. Es war nicht richtig, sich an ihnen festzuhalten - sie störten seine Professionalität. Er erinnerte sich an die Begebenheit, die alles zwi-schen ihnen änderte.
Sie waren auf Cronos Mutterschiff gewesen, der Exodus, bevor sie von den Tok’ra übernommen wurde. Man hatte ihnen diese üblen Antikermanschetten verpasst, die sie schneller, stärker und leistungsfähiger als andere machten, doch im entscheidenden Moment versagten sie ihren Dienst. Daniel war bereits außer Gefecht gesetzt worden. Er selbst schaffte es noch durch die Energiebarriere, doch bei Sam versagte die Manschette bereits. Sie brach hinter dem Kraft-feld zusammen. Jack wollte zurücklaufen, sie holen und mit ihr fliehen, schließlich blieben ihnen nur noch fünf Minuten, doch auch seine Manschette versagte ihm in diesem Augenblick den Dienst. Sie saßen sozusagen fest. Ein perfektes Beispiel für seine These, dass seine Gefühle für sie, noch einmal sein Verhängnis sein würden. Als er wieder aus seiner Benommenheit erwachte, hörte er, wie sie ihn rief.
„Sir! Colonel!“ Nicht Jack, nur ein einfaches Sir und ein unpersönliches Colonel. Mehr brachte sie selbst jetzt nicht fertig. Er rappelte sich auf und sah ihr in die Augen. Dieses gigantische Blau fesselt ihn sofort wieder aufs Neue, doch er zwang sich, ihrem Blick zu widerstehen, denn es gab in diesem Augenblick Wichtigeres zu tun, als sich noch weitaus mehr in sie zu verlieben, als sowieso schon. Jack sah sich um. Er entdeckte eine Art Stab, der an der Wand hing und das Kontrollpanel, welches an der linken Wand, circa einen halben Meter über dem Fußboden, befestigt war. Er hatte nur eine Chance, sie lebend aus dem Schiff zu holen, und die beinhaltete die Deaktivierung des Kraftfeldes. Ohne sie würde er nicht gehen, diesen Entschluss hatte er bereits gefasst. Sie war alles, was er wollte. Sie zu verlieren, würde er sich nie vergeben können.
Also riss er mit all seiner Kraft den Stab von der Wand und hockte sich vor das Kontrollpanel. Ihre Augen folgten sei-nen Bewegungen, doch ansonsten rührte sie sich kaum, wenn man von ihren unregelmäßigen Atemzügen absah, die ih-ren Brustkorb zum Heben und Senken brachten. O’Neill entfernte die Verkleidung von der Steuervorrichtung und schlug wie wild auf das Kontrollpanel ein. Er atmete ebenfalls stoßweise, denn innerlich hörte er ein leises Ticken, welches ihm verriet, dass die Zeit bis zur Detonation der Sprengladungen allmählich ablief. Sie mussten sich beeilen, sie mussten endlich hier verschwinden, wenn sie nicht als Fettfleck auf einem gottverlassenen Planeten enden wollten. Er ver-schwendete keine Sekunde daran, darüber nachzudenken, dass er selbst sterben könnte, doch ständig spuckte ihm durch den Kopf, was passieren würde, wenn sie es nicht schaffte. Das würde er sich mit Sicherheit nie vergeben, er würde an diesem Verlust zerbrechen, sich die alleinige Schuld daran geben und er würde sich zu dem durchringen, was er schon vor langer Zeit einmal vorgehabt hatte - er würde seinem Leben ein für alle Mal ein Ende setzten. Vorausge-setzt, er ging nicht hier mit ihr schon drauf.
Wieder schrie sie etwas: „Sir, es ist keine Zeit mehr!“ Endlich sah er auf, widmete ihr wieder seine Aufmerksamkeit. Sie hörten stählerne Schritte in einem der angrenzenden Gänge. Eine Jaffapatrolie würde bald eintreffen und dann wä-ren Sam und er so oder so verloren. Doch das Schlimmste an allem war, dass er hilflos mit ansehen müsste, wie die Jaf-fa sie töteten, ehe auch er erlöst würde. Nein, soweit wollte er es nicht kommen lassen. Außer sich vor Verzweiflung schlug er auf das Kraftfeld ein. Wenn er sie schon nicht mehr retten konnte, wollte er wenigstens bei ihr sein. Er konnte sie nicht alleine sterben lassen. Das war ausgeschlossen. Sie bedeutete ihm zu viel - mehr als sie sollte - mehr als es gut für sie beide war - mehr als er es verkraftete. Er hätte nie gedacht, dass er je wieder so fühlen könnte, doch auf ein-mal schien das so einfach, dabei war ihm ebenso bewusst, wie kompliziert es auch war - wie aussichtslos, denn sie wür-den nie zusammen sein können. Zuviel stand dazwischen - das Militär, ihr Vater, Jack selbst.
Ja, er schien von allen Widrigkeiten die größte Hürde zu sein. Eine unüberwindbarer Barriere, die nicht einmal sie durchdringen würde. Doch das alles spielte im Moment keine Rolle. Es würde eh bald alles vorbei sein. Samantha sollte ihn nur bei sich wissen, alles andere war ihm gleich. Nach einigen schier endlosen Sekunden wurde ihm bewusst, dass es nichts brachte, wie besessen auf das Energiefeld einzuschlagen, also widmete er sich erneut dem Kontrollpanel, doch auch diese Traktur wies keine sichtbaren Ergebnisse auf. Das einzige, was er vergeudete, war Zeit. Zeit, die er nicht hat-te, die sie nicht mehr hatte. Dennoch konnte er nicht mehr damit aufhören. Er brauchte diese Frau. Er musste alles in seiner Macht stehende versuchen, um sie aus dieser ausweglosen Situation zu befreien, auch wenn es ihm sein Leben kostete. „Sir! Gehen sie schon!“, flehte sie ihn an.
„Nein!!!“, wehrte Jack vehement ab und wirbelte herum. Er sah ihr direkt in die Augen. Diese waren traurig und so voller schmerz. Aber auch gefüllt von Liebe. Sie bettelte förmlich, dass er gehen sollte, dass er sein eigenes Leben rette-te und sie zurückließ, doch er brachte es nicht übers Herz. Was er für sie fühlte, was in ihm vorging, all das zeigte er ihr mit seinem Blick, der mindestens genauso betrübt war, wie der Ihrige. Die Schritte kamen näher, doch für Bruchteile von Sekunden, wo sie sich einfach nur gegenüberstanden und nur durch ihre Augen kommunizierten, waren sie verblasst. Leider wurden sie schneller in die Realität zurückgerissen, als ihnen lieb gewesen wäre. Ewig hätten sie so dastehen können, solange sich nur nicht die Zeit weiter fortbewegte. Doch dem war nicht so. Sam riss sich als Erstes los und fuhr mit dem Oberkörper herum.
Im gleichen Augenblick trat der erste Jaffa um die Ecke und erspähte sie auch fast sofort. Wie in Zeitlupe riss der Krieger seine Stabwaffe hoch, richtete sie auf Carter, doch bevor er abdrücken konnte, durchfuhr ein gewaltiger Ruck das halbfertige Schiff. Die Zeit war um. Jack wurde fast von den Füssen gerissen, doch er konnte sich mit letzter Kraft noch halten. Sam ging es nicht anders. Die Jaffa hingegen taumelten und stürzten zu Boden. Noch einmal sah er das Kraftfeld blau aufschimmern, ehe es in sich zusammenbrach. Bald würde auch der Antrieb in die Luftfliegen, denn sie hatten gerade die Kühlanlagen lahm gelegt. Sie mussten so schnell sie ihre Füße tragen konnten, hier verschwinden. Zu rennen, war ihre einzige vernünftige Chance mit dem Leben davon zu kommen. Ohne groß darüber nachzudenken, er-griff O’Neill Carters Hand zu zog sie mit sich.
Sie brauchte noch einige Augenblicke mehr, ehe sie begriff, dass sie nicht mehr hinter dem Energieschild gefangen war. Sam war wieder frei und doch weiterhin gefangen, denn das, was sich ihre Augen in diesem Moment stumm ge-schworen hatten, war etwas, über das sie nie wieder ein Wort verlieren würden. Nicht ohne Zwang. Sie würden mit der Geschichte klarkommen, solange sie es nur totschwiegen. Genauso machten sie es auch, auch wenn es im Grunde das war, das keiner von ihnen wollte. Sie konnten nicht egoistisch sein und alles aufs Spiel setzten, dazu war ihre Mission zu wichtig. Sie verließen somit das Schiff als Colonel und Major, nicht als das, was sie zu gerne gewesen wären - ein einfa-cher Mann und eine normale Frau, die sich einfach nur ohne Hindernisse lieben konnten.

„Alles in Ordnung bei ihnen, Jack?“ Jonas Stimme riss ihn aus den Gedanken. Einen Moment hatte Jack dennoch das Gefühl gehabt, als hätte sein Freund Daniel ihn das gefragt, doch wie so oft in letzter Zeit schienen ihm seine Sinne einen Streich zu spielen. Er kniff sich in den Nasenrücken, um seine Gedanken wieder frei zu bekommen und sich auf die Wirklichkeit, das hier und jetzt, zu konzentrieren.
„Ja, klar!“, wehrte er ab, auch wenn er wusste, dass, so wie er im Augenblick aussehen musste, sein Gegenüber die Lüge sofort bemerkte. „Alles bestens!“
Alles, was Jonas erwiderte, war ein trockenes und wenig überzeugtes: „Natürlich!“
„Wollen sie reden?“, fragte O’Neill, als wieder eine längere Pause zwischen ihnen einsetzte. Nicht, dass ihm die Stille unangenehm wäre, aber seinem Freund schien wirklich etwas sehr Wichtiges auf der Seele zu brennen.
„Das Selbe habe ich eben auch gerade gefragt, als sie mir nicht zuhörten.“, lachte Jonas auf, doch war es ein eher kläglicher Versuch.
Jack sah ihn von der Seite aus an und hakte schließlich nach: „Und?“
„Glauben sie an Wiedergeburt?“, wollte Quinn wissen. Mit allem hätte Jack gerechnet, aber nicht mit dieser Frage. Dennoch versuchte er vergebens sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen.
„Wieso?“
„Ich schon.“, antwortete Jonas abwesend. „Na ja, ich hoffe zumindest, dass es so ist. Mein Freund Leon, er starb vor zehn Jahren, glaubte daran und er versprach mir, bevor er starb, er würde eines Tages in einem meiner Kinder zu mir zurückkehren und mich, bis es so weit sein würde, auf meinem Weg beschützten.“ Seine Stimme klang melancholisch - traurig. Ihm schien diese Sache immer noch sehr nahe zu gehen, was Jack nur zu gut nachvollziehen konnte. Sein Sohn selbst war erst vor etwas über neun Jahren gestorben, also auch nicht viel später als dieser Leon. Irgendwie hatte dieser Gedanke an Wiedergeburt etwas Beruhigendes, jedenfalls auf Jack. So verwunderte ihn nur noch mehr, dass Jonas plötzlich lachte und ungläubig hinzufügte: „Ist schon eine echt bizarre Vorstellung, was?“
„Ja, sicherlich.“, musste Jack ihm da zustimmen, denn er betrachtete die Sache dennoch realistisch, wie immer. „A-ber wer sagt denn, dass es nicht stimmt? Es wurde nie das Gegenteil bewiesen. Also ich bin nun wirklich kein gläubiger Mensch, aber ich weiß auch, dass es im Universum unvorstellbare Dinge gibt, die sich nicht wissenschaftlich erklären lassen, aber dennoch real sind. Das ist dann einfach so und daran gibt es nichts zu rütteln. Wieso sollte man Wiederge-burt nicht dazuzählen?“
„Dann denken sie wirklich, dass es so etwas geben könnte?“, hakte Jonas verwundert nach. Er hatte Jack eher für diesen „Nach dem Tod gibt es nur noch Leere“ - Typen gehalten.
„Solange mir niemand das Gegenteil beweist.“, bestätigte O’Neill noch einmal.
„So wie bei Jakob Carter.“, folgerte sein junger Freund. Jack nickte nur zustimmend, denn er spürte immer noch Jo-nas Blick auf sich ruhen. Es war ihm nicht unangenehm, doch es bereitete ihm dennoch Unbehagen, denn wieder hatte er das Gefühl, als würde Daniel ihn so beobachten, als wären es Jacksons Augen, die jeder seiner winzigen Bewegun-gen verfolgte. Sie hatte sicherlich zu viele dieser intimen und doch irgendwie distanzierten Gespräche geführt, dass es Jack einfach leichter zu fallen schien, wenn sein Unterbewusstsein sich Daniel als seinen Gesprächspartner vorstellte, als Jonas als diesen zu akzeptieren. Jack konnte es nicht ändern, genauso wenig, wie die Annahme, dass Jakob noch am Leben war. Er brauchte einfach Beweise, die seine Hoffnungen widerlegten. Er hatte gesehen, was mit Daniel pas-siert war, hatte fast selbst den Schritt getan, um Ba’als Folter zu entfliehen, doch irgendetwas hatte ihn davon abgehal-ten. So gerne er auch mit Daniel zusammen gewesen wäre, konnte er doch sein Team nicht im Stich lassen. Sie brauch-ten ihn jetzt mehr denn je, das hatte er inzwischen begriffen.
Besonders seine Sam war jetzt auf ihn angewiesen. Nicht nur wegen ihrem Vater, auch so, ganz ohne triftigen Grund. Sie liebten sich, mehr Gründe brauchte man nicht. Sie hatte damals nicht aufgehört, nach ihm zu suchen, ihn zu finden und zu befreien, hatte all ihre Energie und Kraft auf eine Karte gesetzt, um ihn wiederzubekommen, und das nur, weil sie nicht verkraftet hätte, ihn auch noch zu verlieren. Nicht, wo sie sich erst gerade von Daniel verabschieden muss-te. Auch Jack hätte es umgebracht, nicht bei ihr sein zu können. Lieber wäre er für immer gestorben. Wenn Daniel sich ihr zeigen würde, vielleicht würde sie dann verstehen, dass sie ihn nicht wirklich verloren hatte, dass er immer noch da war und sie nicht traurig sein musste. Eventuell wäre es ihm dann vergönnt, sich für Augenblicke die Last, immer und überall alles unter Kontrolle haben zu müssen, von den Schultern zu nehmen und einfach nur er selbst zu sein, wer auch immer das war.
Doch zurzeit blieb ihm keine andere Wahl, als diese Bürde, die er sich selbst auferlegt hatte, zu tragen und damit klarzukommen. Er würde es schon irgendwie schaffen. Er hielt es immer irgendwie durch. Jack erhob sich stöhnend. Er war es leid, die ganze Zeit in eine trostlose Landschaft aus Fels zu starren. Das würde ihn nur noch depressiv machen. Sein Knie schmerzte wieder einmal etwas mehr als sonst, was ihn mit Nachdruck darauf hinwies, dass er langsam aber sicher zu alt für diesen Job wurde. Aber er wäre vollkommen bekloppt, wenn er seinen Job einfach hinschmeißen würde. Es war der Sinn seines Lebens, weil es der Sinn im leben seiner Freunde war. Das Sternentor und seine Erinnerungen waren schließlich das einzige, was ihm von Daniel noch geblieben war. Nichts in der Welt würde ihn davon abhalten, weiterzumachen. Nicht, solange er nicht noch die leise Hoffnung in sich trug, dass sein Freund eines Tages zurückkom-men würde. O’Neill blickte in den wolkenverhangenen Himmel - es würde vielleicht regnen, eventuell auch nicht, doch einen Sturm würde es definitiv geben.
Ruhig meinte Jack: „Wir sollten wieder zu den anderen gehen. Hier draußen wird es bald sehr ungemütlich werden.“ Jonas erhob sich ebenfalls und pflichtete ihm da bei. Zusammen kehrten sie zu den Ringtransportern zurück und bega-ben sich unter die Erdoberfläche in die kristallenen Tunnel zu den Tok’ra. Das widerstrebte Jack zwar zutiefst, denn er hatte eigentlich keine Lust, auch nur einem dieser Schlangenköpfe zu begegnen, aber in einem Sandsturm begraben zu werden, darauf konnte er auch gut und gerne verzichten.

Colonel O’Neill war keine fünf Minuten in den unterirdischen Tunneln, als Teal’c ihm entgegenkam und nach Major Carter fragte.
„Keine Ahnung, wo Carter sich herumtreibt. Vielleicht ist sie im Quartier ihres Vaters.“, antwortete Jack schulterzu-ckend. Dabei musterte er seinen Gegenüber genau. Er sah deutlich die Sorge im Gesicht des Hünen und es kam nicht oft vor, dass dieser Mann zeigte, wie er sich fühlte. Er lachte ja nicht einmal oft.
„Dort habe ich bereits nachgesehen, doch sie ist nirgendwo aufzufinden. Sie antwortet auch nicht auf meine Rufe.“ Das machte ihn dann doch schon etwas nervös, sonst war Sam nämlich nie so unverschämt. Wenn sie nicht im Stütz-punkt war, dann konnte sie nur auf der Oberfläche herumspazieren und der Sturm wurde von Sekunde zu Sekunde hef-tiger.
„Major, melden sie sich!“, schrie er wütend in sein Funkgerät. „Carter!“ Aus dem Lautsprecher drang nur ein leises Rauschen, ansonsten blieb es stumm. Es gab einige Möglichkeiten, ihr Verhalten zu erklären. Entweder war ihr Funkge-rät defekt, der Sturm hatte sich soweit verschlimmert, dass sie ihn nicht hörte oder sie ignorierte ihn einfach. Letzteres war nicht auszuschließen, aber dennoch höchst unwahrscheinlich. Vielleicht hatte sie das Funkgerät ja auch verloren. Er versuchte es noch einmal: „Verdammt noch mal, Carter, jetzt melden sie sich doch endlich.“ Erst war wieder nur leises Rauschen zu hören, dann ertönte leises Knacken und zu guter Letzt verstümmelt ihre Stimme.
„Sir... Sturm... bin... Stargate... Koordinaten...“, hörte man sie abgehakt sprechen, der Rest wurde vom lauten Pfeifen des Windes verstümmelt und schließlich ganz verschluckt. Die Verbindung war miserabel.
„Wiederholen sie ihre Position, Major. Carter!“ Sein anfänglicher Zorn über sie, war in Sorge - ja fast sogar in Panik - umgeschlagen. Der Sturm hatte den letzten Kontakt zu ihr abgeschnitten.
„Sie sagte etwas vom Stargate, Colonel.“, wies Jonas daraufhin, dass sie wenigstens einen Anhaltspunkt hatten. Vielleicht war das sogar alles, was sie brauchten. Jack schloss kurz die Augen, stellte sich die Umgebung rings ums Stargate vor, so wie er sie vor Stunden zum ersten Mal erblickt hatte und spähte gezielt nach einem Unterschlupf, den Carter aufgesucht haben könnte. Sie war Soldat, sie handelte instinktiv. Ihm fielen sofort die Felsvorsprünge und die Einbuchtungen auf.
„Gibt es Höhlen in der Nähe des Stargates?“, wandte er sich an Qu’on, welcher sich dazugesellt hatte.
„Nein, die wurden alle beim letzten Erdbeben verschüttet, aber man kommt ungefähr zwanzig Meter tief hinein. Vor dem Sturm müsste man dort relativ geschützt sein.“, entgegnete dieser.
Jack wusste nicht, ob sie ihn hörte, dennoch schrie er förmlich ins Funkgerät: „Carter, es gibt dort Höhleneingänge. Suchen sie sich einen und verstecken sie sich dort. Wir kommen sie holen.“
„Bei diesem Sturm ist das viel zu gefährlich, O’Neill.“, versuchte Teal’c ihn von einer lebensgefährlichen Dummheit abzuhalten. „Die Wahrscheinlichkeit, dass man sich verirrt, ist viel zu groß.“
„Ich gehe trotzdem. Ich kann sie dort nicht zurücklassen. Noch habe ich gute Chancen sie zu finden.“, blieb Jack stur. Ihm missfiel es, sich mit dem Gedanken abzufinden, dass sie mutterseelenallein da draußen war und gegen den Sturm kämpfte, während er hier warten und Däumchen drehen sollte. Er musste zu ihr, auch wenn das wahrscheinlich das dümmste und unprofessionellste Verhalten wäre, das er je an den Tag gelegt hatte.
„Ihr schafft es nie vor dem Sturm zurück zu sein. Ihr würdet beide dort festsitzen, falls ihr euch überhaupt begegnet. Wir sollten lieber abwarten bis sich der Sturm legt und dann nach ihr suchen.“, redete jetzt auch Jonas auf Jack ein.
„Wir können hier doch nicht einfach tatenlos herumsitzen und nichts unternehmen?“, fuhr er seine Teamkollegen an.
„Uns wird keine andere Wahl bleiben.“, stellte Jonas klar. „Major Carter würde sicherlich auch nicht wollen, dass wir leichtfertig unser Leben für sie riskieren.“
„Woher wollen sie dass denn wissen, Quinn!“, blaffte Jack ihn an. „Sie kennen uns doch gar nicht! Sie sind doch nur hier, solange Daniel weg ist.“ Das traf Jonas hart und Jack wusste das, dennoch war es diesem egal. Er machte sich Sorgen und dann wurde er des Öfteren ausfallend. Damit musste sein junger Freund lernen, klarzukommen.
Dieser schien das jedoch anders zu sehen, denn er gab wütend zurück: „Dann sollten sie lernen, sich damit abzufin-den, Colonel, denn es scheint nicht so, als würden sie mich in nächster Zeit wieder loswerden!“ Das saß. Jonas hatte die Nase gestrichen voll und auch Jack war es leid, sich zu streiten, wo er doch Wichtigeres hätte machen können. Leider würde man ihn nicht gehen lassen und zur Not hätte Teal’c ihn sogar niedergeschlagen. Ihm blieb also wirklich keine an-dere Wahl, als abzuwarten und das Beste zu hoffen. Er fühlte sich jedoch elend, denn er hatte versagt. Jakob hatte ihm seine Tochter anvertraut und er hatte sie einfach im Stich gelassen. Wenn ihr etwas zustieß, er wusste nicht, wie er da-mit fertig werden sollte.
Seine Schuldgefühle würden ihn wahrscheinlich auffressen. Das taten sie ja jetzt schon. Wenn er wenigstens ihre Stimme hätte hören können oder er sich sicher wäre, dass sie ihn zumindest gehört hatte, dann wäre er beruhigt, doch so war es zum Wahnsinnig werden. Alle fünf Minuten sah er auf die Uhr, doch der Sturm schien sich übermäßig viel Zeit zu lassen. Nach drei Stunden sah es immer noch nicht besser aus und es würden noch weitere Stunden vergehen, ehe sie in Erwägung ziehen konnten, aufzubrechen. Teal’c hatte Jack die ganze Zeit schweigend Gesellschaft geleistet, aber im Grunde wollte dieser nur sichergehen, dass sein Freund nicht auf eigene Faust handelte. Anzunehmen wäre es schließlich, hatte er doch schon öfter eigenmächtig gehandelt.
„Ich bin sicher, Major Carter geht es gut.“, brach der Jaffa letztendlich doch noch das Schweigen.
„Mir wäre die Gewissheit lieber.“, erwiderte Jack und knetete weiterhin seine Mütze zwischen seinen Händen. Er hat-te die letzte halbe Stunde damit zugebracht, nichts weiter zu tun, als seine Kappe immer wieder einzudrehen, um sie dann wieder in Form zu bringen.
„Sobald der Sturm nachlässt, werden wir nach ihr suchen.“, vertröstete Teal’c ihn.
„Jetzt wäre mir lieber, aber ihr habt ja Recht, es ist zu gefährlich da draußen. Ich hoffe nur, es geht ihr auch wirklich gut. Ihr Vater erschlägt mich, wenn ihr etwas passiert.“, dachte Jack laut.
„Jakob Carter ist tot, O’Neill.“, stellte der Hüne stoisch richtig.
„Das werden wir erst noch sehen, Teal’c. Das werden wir erst noch sehen.“ Stöhnend erhob Jack sich und streckte seine müden Knochen und angespannten Muskeln. Er musste sich bewegen. Sinnlos herumsitzen brachte ihm nichts mehr und da er noch nicht an die Oberfläche konnte, um sie zu suchen, sah er sich nach Jonas um. Er wollte sich für die schroffe Bemerkung von vorhin entschuldigen, wenn man das, was er sich abringen würde, überhaupt so bezeichnen konnte. Leider war auch dieser wie vom Erdboden verschluckt.

Es war bereits einige Zeit dunkel auf dem Planeten, als sie endlich aufbrechen konnten. Die Temperatur war rapide abgefallen. Im Schein der Taschenlampen konnte Colonel O’Neill bereits seinen eigenen Atem dabei beobachten, wie er in kleinen Nebelschwaden davonzog. Nach wenigen Minuten steckte ihm die Kälte bereits in den Knochen. Er schallte sich innerlich selbst, nicht noch einen Pullover und ein paar warme Handschuhe eingepackt zu haben, wusste er doch um die Wetterbedingungen auf diesem Planeten. Aber er hatte ja auch nicht damit gerechnet, mitten in der Nacht nach einem Teammitglied suchen zu müssen. Auf das Unerwartete vorbereitet sein - das hatte man ihm beigebracht und der hatte es einfach ignoriert. Jetzt musste er Wohl oder Übel damit leben. Jack hoffte nur, dass sie klug genug gewesen war, sich wärmer anzuziehen als er. Ein leichter Wind wehte immer noch und trieb ihnen den Sand unter die Klamotten. Jack hasste Wüsten. Seit der Mission nach Abydos mied er sie lieber, denn diese Sandstürme waren einfach unbere-chenbar. Dennoch verschlug es ihn immer wieder auf solche Planeten, sehr zu seinem Leidwesen.
Jack hatte wieder begonnen, Sam per Funk zu rufen und befahl ihr zum x-ten Mal sich zu melden, doch wie zuvor blieb die Antwort aus. Langsam wurde aus seiner Sorge wirklich Panik. Wenn sie es in einen der Höhleneingänge ge-schafft hatte, könnte es dennoch gut sein, dass sie vom Sand verschüttet worden war oder sie hatte wirklich ihr Funkge-rät verloren und irrte jetzt ziellos umher. Eventuell war sie auch eingeschlafen, dann würde die Kälte dafür Sorgen, dass sie so schnell nicht mehr aufwachte. All das war möglich und genau über diese Dinge wollte er eigentlich gar nicht nach-denken. Er redete sich zwar ein, dass sicher alles in Ordnung wäre, dass es ihr den Umständen entsprechend gut ginge, doch immer wieder schweiften seine Gedanken dahin ab, dass ihr etwas Schreckliches zugestoßen war. Zehn Minuten später konnte er im Dunkel der Nacht die Umrisse des Sternentores erkennen.
„OK, wir teilen uns auf. Teal’c du kommst mit mir, Jonas, sie gehen mit Qu’on. Funkt mich an, wenn ihr sie gefunden habt. Ich werde weiterhin versuchen, sie zu erreichen.“, wies Jack die Anwesenden an und setzte sich in östlicher Rich-tung in Bewegung. Teal’c folgte ihm schweigend. Abermals sprach er ins Funkgerät: „Carter, melden sie sich endlich! Carter, reden sie verdammt noch mal mit mir!“ Er wollte nicht fluchen und ihm war auch nicht danach, sie anzuschreien, aber so würde sie ihn sicherlich eher hören. Sie schritten weiter und Jack wiederholte seinen Befehl noch ein paar weite-re Male in ähnlicher Ausführung, bis Teal’c plötzlich mitten im Schritt innehielt und aufhorchte.
„Ich habe etwas gehört, O’Neill.“, meinte dieser besonnen.
„Das war nur ich, Teal’c!“, wehrte Jack ab.
„Korrekt!“, erwiderte der Hüne und endlich begriff auch Jack, was sein Freund meinte. Sie hatten das Echo des Funkgeräts gehört. Er musste wirklich ganz schön gebrüllt haben. Sie liefen einige Meter weiter, dann kontrollierte Jack, ob sie wieder etwas hörten, indem er hinein pfiff. Aus einem der Eingänge einige Meter weiter ertönte ebenfalls ein leiser Pfeifton und sie wussten, dass Sam sich dort aufhalten musste. Sie musste sich im Sturm bis hierher verirrt haben. Bei jedem Höhleneingang - es waren insgesamt drei Stück - ließ er das Funkgerät knacken. Im Letzteren fand er das Ge-genstück dann schließlich unter einem Berg von Sand. Außer kleinere Wehen, die sich in den Ecken aufgetürmt hatte, war jedoch nichts zu erkennen.
„Carter!“, rief er lauthals nach ihr und drehte sich dabei einmal um seine eigene Achse, um die ganze Ebene überbli-cken zu können. Doch in der Dunkelheit konnte er kaum etwas erkennen. Nur Schatten und Umrisse, mehr war nicht auszumachen und das, obwohl die Taschenlampe, welche er in seinen eiskalten Händen hielt, spärliches Licht spende-te. Scheinwerfer und ein Auto hätten ihm jetzt weitaus mehr gebracht, doch wo sollte er auf diesem gottverlassenen Pla-neten so etwas nur finden. „Wo stecken sie Carter?“
„O’Neill.“, hörte er die ruhige Stimme des Jaffa hinter sich. Er fuhr herum, richtete den Lichtkegel der Taschenlampe auf dessen Gesicht und folgte dann seinem Blick. Unter dem Sand, der sich in einer der Ecken aufgetürmt hatte, beweg-te sich etwas. Eine Hand grub sich aus der dunklen Erde und es ertönte ein leises Stöhnen. Sofort sackte Jack auf die Knie, ließ die Lampe fallen und ergriff ihre Hand.
„Nicht bewegen, Carter!“, wies er sie ruhig an. „Wir holen sie gleich da raus. Schützen sie irgendwie ihre Augen.“ Er beugte sich über sie, gab Teal’c mit einem Blick zu verstehen, dass er sich außer Reichweite begeben sollte, setzte sich seine Schutzbrille auf, um auch seine Augen zu schützen, tastete am Rand der Düne entlang, bis er den Stoff der Uni-formjacke zwischen seinen Fingern spürte, zählte laut bis drei und zog diese dann mit einem schnellen Ruck von Sam herunter. Der Sand verstreute sich halb über O’Neills Körper, drang durch die kleinsten Öffnungen seiner Uniform bis zur Haut vor und begann bei jeder Bewegung unangenehm zu scheuern, doch das bekam er nur nebenbei mit. Längst hatte er sich die Brille von den Augen gerissen und sich wieder über Sam gebeugt. Er drehte den fast steifen Körper zu sich herum und schloss sie in die Arme. Erleichtert stieß er hervor: „Gott sei Dank, sie leben.“
„Kalt!“, kam es kleinlaut über ihre Lippen. Jack verstand sofort, löste sich von ihr und zog ihr die Jacke wieder an.
„Wir haben sie. Wir treffen uns am Stargate.“, sprach er ins Funkgerät und wandte sich dann wieder ihr zu. „Können sie gehen?“ Sie schüttelte nur schwach den Kopf. Sie hatte keine Kraft mehr, etwas zu erwidern. Ihr war schweinekalt, sie zitterte am ganzen Körper. Jack zog sie wieder an sich, diesmal jedoch, um sie hochzuheben und sie zu tragen. Kaum stand er halbwegs sicher auf den Beinen, legte Teal’c ihr auch noch dessen Jacke auf den Oberkörper. Der Hüne brauchte sie nicht allzu dringend, hatte er doch seinen Symbionten, der ihn gesund hielt. Trotzdem mussten sie sich be-eilen, denn Sam war bereits wieder eingeschlafen. Bis zum Stützpunkt war es zu weit, aber sie hatten ja das Stargate und somit die Krankenstation gleich nebenan. Es zehrte an O’Neills Kräften, Sam zu tragen und gleichzeitig durch den weichen Sand zu stapfen, doch um nichts in der Welt hätte er sie hergegeben. Solange sie in seinen Armen lag, spürte er ihren Atem an seinem Hals und das stetige Heben und Senken ihres Brustkorbes. Keine zehn Minuten später stießen sie auf das Stargate und die anderen, die dort bereits warteten.
Besorgt fragte Jonas: „Ist sie in Ordnung?“
„Sie ist stark unterkühlt. Ich bringe sie nach Hause. Ihr bleibt hier und haltet die Stellung. Wir kommen zurück, sobald Doc Fraiser es gestattet.“, befahl Jack und an dem Ton in seiner Stimme konnte man eindeutig erkennen, dass er keine Widerrede duldete. Sie sollten nicht gleich alle verschwinden, außerdem traute er Qu’on nicht zu, dass er den Weg allei-ne fand, genauso wenig wie Jonas. Deswegen wollte er auch, dass Teal’c ebenfalls blieb. Dieser wählte bereits die Erde an, denn er kannte O’Neill und wusste, was folgen würde.
„In sieben Stunden beginnt die Zeremonie.“, wies Jonas ihn noch einmal darauf hin und gab währenddessen den Code für die Iris ein, denn der Ereignishorizont hatte sich soeben stabilisiert.
„Ich werde versuchen, daran zu denken.“, wich Jack der indirekten Frage, ob sie es schaffen würden, aus. Er war kein Arzt, er wusste es nicht. Außerdem war es nicht allzu tragisch, wenn er das versäumte, schließlich glaubte er nicht, dass Jakob tot war. Sam würde diese Tatsache nur mitnehmen. Sie zweifelte nicht an der Aussage Qu’ons. Sie hatte ja auch nicht mit Daniel gesprochen - er war sich aber immer noch nicht sicher, ob es sich nicht doch bloß um einen bösen Traum gehandelt hatte. Jack hoffte einfach das Beste. Intuition. Der Rest seiner Gedanken verschluckte die Leere des Universums, als er durch den Ereignishorizont trat. Auf der anderen Seite rief er sofort: „Wir brauchen hier ei-nen Arzt!“ Sofort rollten drei Sanitäter eine Barre hinein. Angeführt wurden sie von Janet Fraiser, die sich sofort verge-wisserte, dass Sam auch noch am Leben war. Jack trat ein paar Schritte zurück, um ihr Platz zu machen, nachdem er Sam auf der Trage abgelegt hatte. Janet warf mit ein paar medizinischen Begriffen und einer Diagnose um sich, doch Jack hörte nicht wirklich zu. Es drang alles nur gedämpft in sein Ohr und schon wieder schien alles vor ihm in Zeitlupe abzulaufen. Erst General Hammonds Worte rissen ihn aus den Gedanken.
„Colonel, was um Himmels Willen ist passiert und wo ist der Rest von SG-1?“, fragte dieser aufbrausend.
„Major Carter geriet in einen Sandsturm. Teal’c und Jonas geht es gut. Sie sind noch dort.“, berichtete Jack kurz, doch war er immer noch nicht ganz wieder da. „Wenn es ihnen nichts ausmacht, Sir, gehe ich jetzt duschen.“ Er wartete nicht einmal das OK ab, sondern wandte sich sofort gedankenverloren dem Ausgang zu und verließ den Torraum. Er begriff noch immer nicht ganz, was gerade passiert war. Der Soldat in ihm vielleicht, doch nicht der Mann. Dieser befand sich noch immer unter Schock und das von dem Augenblick an, als er ihre Hand aus dem Sand ragen sah, blass und ir-gendwie leblos. Er hatte auf einmal mit dem Schlimmsten gerechnet. Auf jeden Fall so lange, bis sich die Finger einige Millimeter bewegten und er ihr leises Keuchen vernahm. Er brauchte jetzt wirklich dringend eine heiße Dusche, aber nicht nur, um die Kälte aus seinen Gliedern zu vertreiben, den Sand von seiner Haut, sondern auch die Erinnerungen und Gedanken aus seinem Kopf. Wenn er nachher nach ihr sah, durfte sie nicht merken, wie sehr ihn das mitgenommen hatte, dass ihn die Schuldgefühle von innen heraus aufzufressen drohten.

Eine halbe Stunde später betrat Colonel O’Neill die Krankenstation, um nach Sam zu sehen, doch Janet ließ ihn nicht sofort zu ihr. Erst wollte sie ihn unbedingt noch untersuchen, denn General Hammond hatte berichtet, wie er sich be-nommen hatte, nachdem sie Carter aus dem Torraum gebracht hatte. Er sah auch wirklich mitgenommen aus.
„Es geht mir gut.“, wehrte er dennoch ab. Doktor Fraiser blickte ihm ernst entgegen. Er kannte den Ausdruck auf ih-rem Gesicht - eine Mischung aus Sorge und Härte, die jede noch so große Autorität unter den Scheffel gestellt hätte. Selbst ein renommierter Admiral würde unter diesem Blick sputen. Jack versuchte dennoch jedes Mal von neuem, sich davor zu drücken, von ihr unter die Lupe genommen zu werden. Bis jetzt ohne jeglichen Erfolg.
„Colonel O’Neill, sie bewegen ihren Arsch sofort auf eines der Betten und entkleiden sich.“, wies sie ihn in einem Ton an, der ihm von ihr wohlbekannt war. Sie war auch Soldat, sie wusste, wie sie mit ihm umzugehen hatte. Außerdem war sie eine Frau und das machte es um vieles schwerer, ihr zu widersprechen. Leise vor sich hin fluchend setzte er sich auf eines der Betten und begann seinen Pullover auszuziehen, während sie den Trennvorhang zuzog.
„Aber es geht mir wirklich gut. Ich habe schließlich nicht fünf Stunden in einem Sandsturm festgesessen und mir den Arsch abgefroren.“, versuchte er erneut zu protestieren, doch er tat es schon mehr aus Gewohnheit. Es gehörte halt zu seinem Charakter, sich stur zu stellen und den Harten zu mimen. Das fiel ihm wesentlich leichter, als zuzugeben, dass auch er manchmal nicht mehr als ein einfacher Mensch war. Janet machte keine Anstalten, darauf zu antworten, son-dern begann damit, ihn abzuhören.
Sie wies ihn an: „Tief einatmen und dann die Luft anhalten.“ Er tat, wie ihm geheißen. Sofort machte sich ein Kratzen in seinem Hals bemerkbar, dass vorher noch nicht da gewesen war. Dieser Ort machte ihn krank, auf jeden Fall seiner Meinung nach. Er wiederholte ihre Aufforderung noch ein paar Mal, dann ließ sie endlich mit dem kalten Stethoskop von ihm ab. Erleichtert wollte er sich schon wieder anziehen, doch die Tatsache, dass Doktor Fraiser ihm einen überdimensi-onalen Eisstiel in den Mund stecken wollte, hinderte ihn daran.
„Ich sagte doch, ich bin nicht krank!“, nuschelte Jack aufgebracht.
„Colonel, Mund auf!“, befahl Janet streng und leuchtete mit ihrer kleinen Taschenlampe in seinen Hals.
„Das ist doch lächerlich.“, setzte er erneut an. „Ich war höchstens zwanzig Minuten draußen, da werde ich nicht gleich krank. Ich hatte nicht mal nach der Sache mit der Antarktis einen Schnupfen.“
„Wenn sie heute noch fertig werden wollen, Colonel, dann sollten sie lieber tun, worum ich sie bitte.“, entgegnete sie, anstatt auf das einzugehen, was er zum Besten gab. Er hielt still und sie konnte endlich etwas erkennen. Danach ließ sie vollends von ihm ab. Endlich konnte er sich wieder anziehen. Kaum hatte er die Hände wieder frei, drückte Janet ihm etwas in die Hand. Er identifizierte es als Antibiotika.
„Was soll ich damit?“, fragte Jack gereizt. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war eine Erkältung.
„Sie haben eine leichte Entzündung im Hals. Ist nur zur Vorbeugung. Sie wollen doch keinen ausgewachsenen Hus-ten bekommen, oder? Nehmen sie einfach jeden Tag eine Tablette und am Besten um die gleiche Uhrzeit, dann lasse ich sie auch zu Sam.“, antwortete Doktor Fraiser triumphierend und entließ ihn, nachdem er die erste Tablette sofort ge-schluckt hatte. Sie traute ihm nämlich in diesen Dingen nicht und wenn er auch nur eine nahm, würde das vielleicht so-gar schon reichen. Dafür hatte sie einfach zu viel um die Ohren. Sie konnte ihm ja schlecht hinterherlaufen. Sicherlich würde sie diese Tatsache auch zu Sam durchsickern lassen, sobald es dieser wieder etwas besser ging.

Mit den Händen in den Hosentaschen betrat O’Neill schließlich das kleine Zimmer, das an die Krankenstation an-grenzte. Außer ihnen waren noch eine Schwester und drei scheinbar schlafende Patienten anwesend. Für Einzelzimmer war kein Platz. Sam war ebenfalls noch im Land der Träume versunken und da er sie nicht wecken wollte, setzte er sich in einen der freien Stühle, lehnte sich zurück und wartete einfach ab, dass sie von alleine wach wurde. Die Schwester fragte ihn noch, ob er einen Kaffee haben wolle, aber er lehnte dankend ab. Ihm war einfach nicht danach, sich das hei-ße Gebräu die Kehle hinunter zu schütten. Ein Whiskey wäre ihm jetzt ehrlich gesagt lieber gewesen. Es dauerte nicht lange bis er eingenickt war. Er träumte nicht wirklich - es war mehr ein Vorsichhindösen. Er spielte den ganzen Tag noch einmal in seinem Gedächtnis ab.
Wie er aufwachte, diesen verrückten Tagtraum von Sams Mutter hatte, sie weckte, mit ihr zu Hammond ging und mit ihm dann noch unter vier Augen redete, wie er sein Auto reparierte und mit Jonas ein paar Runden drehte, dass er bei-nahe über Anise hergefallen wäre - natürlich nur gedanklich - die Unterhaltung mit Qu’on sowie Jonas und das nerven-zermürbende Warten, dass der Sturm endlich aufhörte, damit er nach Sam suchen konnte und letztendlich ihr Anblick, der ihn in eine Art Schock versetzt hatte. In sechs Stunden wäre dann diese Zeremonie, zu welcher er nun wirklich nicht wollte, doch Sam würde darauf bestehen. Hätte er gleich auf sie aufgepasst, so wie er es dem General angeraten hat-te...
All das wäre nicht geschehen und er würde jetzt hier nicht sitzen, sondern sich irgendwo in einer stillen Ecke sinnlos besaufen. Das könnte er sicherlich auch jetzt, wenn da nicht ein wichtiger Harken wäre - er war im Dienst und leider hielt er sich an Vorschriften. Ein leises Stöhnen ließ ihn aufhorchen. Sofort war er wieder hellwach. Na ja, halbwegs je-denfalls. Er fuhr sich übers Gesicht, richtete sich auf und sah Sam abwartend an. Einige Augenblicke später flatter-ten ihre Lider leicht auf und sie öffnete ihre Augen. Das Licht stach schmerzhaft, so dass sie diese sofort wieder schloss. Sie drehte ihren Kopf zur Seite und versuchte es noch einmal. Diesmal gelang es ihr und sie blickte direkt in Jacks Ge-sicht, welcher ihr erleichtert entgegen lächelte.
Er war froh, sie wieder wach sowie gesund und munter zu sehen. Für Augenblicke sahen sie sich einfach nur an, rührten sich nicht, waren nicht einmal sicher, ob sie überhaupt noch atmeten, dann riss Jack sich von ihren Augen los und räusperte sich. Er fuhr sich verlegen durchs Haar und stand auf. Plötzlich verspürte er den Drang, sich bewegen zu müssen. Sam setzte sich aufrecht hin, um ihn besser beobachten zu können. O’Neill wollte etwas sagen, doch wusste er nicht, was. Ihm fiel einfach nichts ein. Außerdem hatte er Angst, wenn er den Mund auf machte, sich bis auf die Knochen zu blamieren oder sich ununterbrochen entschuldigen zu müssen.
Schließlich war Sam es, die das Schweigen brach und sanft sagte: „Danke, dass sie mich gefunden haben.“
„Ich bin sicher, ich hätte sie nicht suchen müssen, wenn dieses Ding nicht gewesen wäre.“, entgegnete er gefasst und tippte sich an die Schläfe. Sam sah schuldbewusst auf ihre Hände. Sie gab sich wohl selbst die Schuld, weil sie es hätte kommen sehen müssen, weil sie sich zu weit vom Stützpunkt entfernt hatte, doch sie hatte mit so etwas ja nicht rechnen können. Ein Grinsen machte sich auf Jacks Gesicht breit und er fügte hinzu: „Ich muss wohl wirklich mal ein ernstes Wörtchen mit dieser Tok’ra reden. Es kann doch wirklich nicht sein, dass all ihre Experimente Querschläger wer-den.“ Ein leises Kichern entwich Sam und sie sah auf. Es tat ihm gut, sie lächeln zu sehen. Es war ehrlich und unge-zwungen. Er setzte sich zu ihr aufs Bett und strich ihr mit den Fingerrücken über die Wange.
„Ohne ihre Hilfe wäre ich nicht auf den Höhleneingang gekommen.“, gestand sie ihm zögernd und eine einsame Trä-ne rollte ihr über die Wange. Jack wischte sie mit dem Daumen bei Seite und schloss Sam in die Arme. Instinktiv spürte er, dass sie jetzt eine Schulter zum ausweinen brauchte, dass sie gehalten und beschützt werden wollte und dass er sie wissen lassen musste, dass sie nicht alleine war.
„Dafür bin ich doch da, oder?“, erwiderte er und fuhr ihr übers Haar. Sam krallte sich an ihm fest und genoss es ein-fach, ihn so nah bei sich zu wissen. Nie zuvor war ihre Freundschaft so innig gewesen, wie in den letzten Tagen. Sie wollte, dass das nie endete. Sie sehnte sich gerade zu danach, von ihm berührt zu werden. Ihm ging es nicht anders, doch er wusste, dass dieser Zustand nicht ewig anhalten würde. Irgendwann würden sie sich zu nahe kommen, einer von ihnen würde einen dummen Fehler begehen - wahrscheinlich sogar er selbst - und dann würde es wieder sein, wie zuvor. Doch das war noch ferne Zukunft, noch nicht zum Greifen nahe. Im Moment zählte nur, dass alles wieder in Ord-nung kam und wenn das ein angenehmer Nebeneffekt sein sollte, dann würde Jack daran garantiert nichts ändern. Vor-erst war seine höchste Priorität so oder so, sie zu trösten und ihr Halt zu geben. Mehr war bis zu Jakobs Rückkehr nicht wichtig. Alles andere würde sich schon irgendwie ergeben.

„Worum geht es wirklich?“, hakte Colonel O’Neill ohne Umschweife nach. Er wusste im Moment zwar nichts mit sich anzufangen, aber auf ein Gespräch unter vier Augen konnte er dennoch gut verzichten. Es würde doch eh nur darauf hi-nauslaufen, dass sein Verhalten unprofessionell war und das wusste er auch so.
„Das können sie sich doch denken, Jack.“, setzte Hammond an. Allein die Tatsache, dass er ihn beim Vornamen nannte, sagte alles. Es ging eindeutig um Carter und seine Gefühle für sie - etwas, über das er sowieso nicht gerne re-dete. Er hasste diese inoffiziellen Gespräche, wo er sich nie ganz sicher sein konnte, ob sein Vorgesetzter nun mit dem Soldaten oder dem Mann redete, schon gar nicht, wenn er beide Jack nannte. O’Neill tippte in dieser Unterhaltung auf Ersteres. Er würde ihm den zweiten Dämpfer verpassen und der Erste hatte schon gereicht. Es war schließlich schon hart genug, dass sie beide es wussten, da brauchten sie auch nicht noch Druck von oben. „Major Carter ist im Moment in einer psychisch angeschlagenen Verfassung und ich hoffe doch, dass sie...“
„Sie haben sich das letzte Mal schon klar genug ausgedrückt, was dieses Thema betrifft, General. Zwischen Carter und mir war nichts, ist nichts und wird auch nichts sein. Darauf gebe ich ihnen mein Wort. Wir wissen nur zu gut, was auf dem Spiel steht und werden es auch sicher nicht vergessen. Sie brauchen sich darum keine Sorgen zu machen. Unsere Freundschaft ist rein... freundschaftlich und daran wird sich auch sicher nichts ändern, dafür werde ich Sorge tragen. Carter ist Major, als mehr sehe ich sie nicht an.“, stellte Jack unmissverständlich klar. Das ihm seine eigenen Worte fast zum Würgen brachten, denn es war halb geschwindelt, unterdrückte er dabei erfolgreich. Er wusste, dass er genau so zu handeln hatte, dennoch hätte er viel lieber das genaue Gegenteil getan.
Aber er hatte gelernt, konsequent zu sein, und in diesem Punkt war er es mehr als in jedem anderen. Eine Bezie-hung würde Komplikationen nach sich ziehen, einen Haufen Ärger und fehlende Professionalität - alles Dinge, die er sich bei seinem Job nicht leisten konnte. Jede Ablenkung konnte Verluste nach sich ziehen oder sogar den eigenen Tod be-deuten. Es wäre nur eine Frage der Zeit bis es soweit kommen würde. Außerdem hatte sie jemand Besseren verdient als ihn. Ein Mann, der sie auf Händen tragen würde, der wusste, wovon sie redete, der ihr jeden Wunsch von den Augen ab-las - kurz um, jemand der nicht war wie er. Er hatte es einmal versucht und war gescheitert, noch einmal würde er solch einen Rückschlag eh nicht verkraften.
„Die letzten Wochen waren für alle Beteiligten sehr schwierig. Ich wollte nur sichergehen, dass es meinen Leuten auch wirklich gut geht und sie uneingeschränkt einsatzfähig sein. Das gilt besonders für mein bestes Team.“, erwiderte George ruhig.
„Ihnen ist doch nichts anderes widerfahren als uns. Die letzten sechs Jahre waren für alle sehr ‚schwierig’ und wir haben es dennoch gepackt. Auch diese Geschichte werden wir schon irgendwie überleben.“ entgegnete O’Neill zuver-sichtlich und vor allem mit einer Ruhe, die Hammond in Anbetracht dieser Situation nicht für möglich gehalten hatte. Jack war einfach klar, dass sich alles wieder normalisieren würde, wenn Jakob erst einmal wieder zu Hause war und auch dieses Erinnerungsgerät der Vergangenheit angehörte. Na ja, vorausgesetzt man konnte sein Leben normal nennen.
„Ich hoffe, dass sie Recht haben, Colonel.“, gab sein Vorgesetzter zurück. Diesem brannte jedoch noch etwas ganz anderes auf der Seele, O’Neill merkte es sofort. Er war schließlich nicht blind und kannte seinen Gegenüber immerhin schon an die sechs Jährchen. Er konnte von sich behaupten, Hammond halbwegs zu verstehen. Er wartete diesmal ge-duldig ab, dass noch etwas gesagt wurde, anstatt nachzuhaken. Man konnte einem ja schließlich nicht alles aus der Na-se ziehen und Hammond würde schon mit der Sprache herausrücken, wenn es wirklich wichtig war. Soviel war sicher. Letztendlich fragte George doch noch: „Hat sich eigentlich schon etwas wegen Anises Experiment ergeben?“
„Bei mir nicht viel. Kanaan hat sich nicht mehr gemeldet, Erinnerungen über die Antiker sind ausgeblieben und der private Kram hält sich auch in Grenzen. Im Grunde alles wie immer.“, erwiderte Jack in seiner typisch flapsigen Art.
Hammond entgegnete: „Sollten sie etwas erfahren, setzten sie mich bitte umgehend in Kenntnis. Ich will vor den Tok’ra davon wissen.“
„Selbstverständlich, Sir! Mir wäre nichts anderes in den Sinn gekommen.“, meinte Jack ernst. Hammond nickte und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum. O’Neill wandte sich wieder seinem Block zu. Jetzt erst sah er, was er da vor sich hingekritzelt hatte. Symbole - eine vollständigen Toradresse. Sie kam ihm nicht sehr bekannt vor und auch die Ko-ordinaten, die er daneben geschrieben hatte, sagten ihm nicht viel. Wahrscheinlich war es nur sinnloses Zeug, dass sich sein Gehirn in Folge des Stresses zurechtgelegt hatte. Was hätte es auch sonst bedeuten sollen? Es war ja schließlich unmöglich, dass ihm jemand eine Botschaft schickte, oder? Vielleicht hatte er die Adresse auch nur irgendwo gesehen, vielleicht war es eine von denen, die Kanaan kannte und die jetzt hervorgedrungen war.
Es könnte doch auch gut sein, dass Daniel ihm diese Botschaft geschickt hatte, um Jakob zu finden. Vielleicht saß er dort fest, war verletzt und brauchte Hilfe. Er würde es schon herausfinden. Im Computer nachzuschauen, schadete ja schließlich nichts. Ob sie schon dort waren oder nicht, würde er ja so erfahren. Er musste wissen, was es damit auf sich hatte. Als er auch nur an Daniel dachte, versetzte ihm das einen Stich. Der Schmerz über den Verlust saß wirklich tiefer, als er gedacht hatte. Jack nahm an, er wäre damit klargekommen, dass er es verstehen würde, dass die Sache im Trai-ningsraum nur ein Ausrutscher gewesen wäre, doch er hatte sich falsch eingeschätzt.
Lediglich hatte er die Tatsache erfolgreich verdrängt, dass sein Freund ihm wahnsinnig fehlte. Wahrscheinlich war Jack Jonas deswegen in den letzten Stunden so nahe gewesen - er hatte Daniel in ihm gesucht. Er hatte ihn jedoch nicht gefunden. Sicherlich war er aus diesem Grund so ausfallend geworden. O’Neill würde sich entschuldigen müssen, doch bis dahin war noch Zeit. Er würde sie sinnvoll nutzen und dann würde diese schon schneller vergehen, als ihm lieb war. Zuerst einmal begab er sich in den Kontrollraum, um den Computer zu checken.

Irgendjemand sagte irgendetwas auf gua’uldisch und Teal’c übersetzte es dann. Es waren bewegende Worte - auf jeden Fall schloss Colonel O’Neill das aus den Gesichtern der Anwesenden, doch er hörte nicht wirklich zu. Alles, was lediglich noch zu ihm hervordrang, waren die dumpfen Schläge seines eigenen Herzens, das Rauschen seines Blutes durch seine Adern und Venen sowie das gleichmäßig Geräusch seines Atems. Er hatte sich aus der Realität ausge-sperrt. Seine Umgebung war nicht mehr wichtig. Doch nach und nach kehrte sein Bewusstsein zurück. Es schien zumin-dest so.
Doch etwas war anders - er verstand nun genau, was gesagt wurde. Außerdem hatten sich die Personen verän-dert. Jonas und Teal’c waren überhaupt nicht zu sehen. Das Wort hatte jetzt auch eine junge Frau, nicht ein älterer Mann. Ihm wurde klar, dass er sich abermals in einer Erinnerung wieder fand. Neben ihm stand jemand - Jolinar von Malkshur. Sie weinte, doch war ihre Haltung weiterhin aufrecht und stolz. Er griff nach ihrer Hand, drückte diese leicht. Er wollte ihr anscheinend das Gefühl geben, dass sie nicht alleine war, dass er ihren Schmerz und ihre Trauer verstand, dass schon alles wieder in Ordnung kommen würde. Schleppend drehte sie sich zu ihm um und quälte sich mit einem Lächeln. Schmerzlich wurde O’Neill bewusst, wie sehr er diese Frau doch begehrte, aber auch, dass er sie unmöglich besitzen konnte. Ihr Herz gehörte einem anderen und das würde sich so schnell auch nicht ändern. Je mehr er sich auch einzureden versuchte, dass sie tabu für ihn war, desto verzweifelter liebte er sie.
Sie war einfach perfekt. Ihre Augen so strahlend blau wie die Ozeane der Erde vom Weltraum aus betrachtet, ihr Haar so schimmernd wie die Sonne, die sich im goldenen Wüstensand der Sahara brach und ihr Lächeln war so anste-ckend, wie ein Lächeln nur sein konnte. Jolinar erwiderte den Druck, den er sanft auf ihre Hand ausübte. Das war alles, was er von ihr haben konnte, dass war alles, was ihm genügen sollte, doch das tat es nicht. Er wollte sie ganz, nicht nur ihre tiefe Freundschaft zu ihm. Doch ihre Liebe würde er nie erlangen, nicht so wie Lantash. Es schmerzte ihn ungeheu-er, sie so sehr leiden zu sehen. Auch ihn hatte der Verlust seines besten Freundes sehr schwer getroffen, doch lang nicht so hart wie sie. Jolinar war der Hölle für ihn entkommen, nur um dann feststellen zu müssen, dass er bei einer Mis-sion gestorben war.
„Dein Tod war nicht vergebens. Viele Menschen erhielten ihr Leben wegen dir zurück. Du wirst durch uns nie in Ver-gessenheit geraten.“, sprach die junge Tok’ra ihre abschließenden Worte. Endlich konnte Jack sie auch identifizieren. Es war Selmak. Er konnte nicht sagen, woher er es wusste, es war einfach so, auch wenn er diese nur als alte Frau kennen gelernt hatte. Hundert Jahre waren halt eine lange Zeit. Die Tok’ra trat auf Jolinar und ihn zu und sprach ihnen ihr Mitleid aus. Die Erinnerungen an Kanaan hatten sich verflüchtigt.
Dann fragte sie: „Möchten sie den Ereignishorizont aktivieren, Major Carter?“

Jack wurde durch den Namen je in die Realität zurückgerissen. Er kniff kurz die Augen zusammen und als er diese wieder öffnete, stand wieder der ältere Tok’ra vor ihnen. Er war in die Wirklichkeit zurückgekehrt. Jetzt waren auch wie-der Teal’c und Jonas anwesend. O’Neill war wieder er selbst.
„Ja!“, antwortete Sam mit fester Stimme. Jack sah sie von der Seite aus an. Er wollte sichergehen, dass es ihr auch gut ging. Sein Blick streifte ihre rechte Hand, die immer noch in der Seinigen lag. Er fragte sich unwillkürlich, was von al-le dem nun real gewesen war und was Tagtraum. Eventuell war es ja damals auch so geschehen oder sein Körper hatte die Handlung der Vergangenheit auf die Gegenwart projiziert. Das musste dann vor der Sache mit dem Kuss geschehen sein. Sie ließ ihn langsam los und trat auf das DHD zu. Mit ihrer zierlichen, schlanken Hand überflog sie den Quarzkris-tall in der Mitte des Anwahlgerätes und legte diese schließlich vorsichtig darauf. Der Antimateriestrudel schoss aus dem überdimensional wirkenden Ring aus purem, gehärtetem Naquada hervor, als sie leicht zudrückte, und verschluckte ei-nen Totenkranz auf einem Sockel, da Jakobs Körper leider nicht verfügbar war. Nachdem der Ereignishorizont wieder in sich zusammengebrochen war, trat Colonel O’Neill an Major Carter heran. Er legte ihr mitfühlend seine große Hand auf die Schulter und sie die Ihrige darüber. Samantha begann unerbittlich zu schluchzen und Tränen strömten nur so über ihre Wangen, so dass er sie schließlich ganz in die Arme schloss, um ihr Halt zu geben und Trost zu spenden.

O’Neill brachte Major Carter zu ihrem Quartier. Jetzt wieder auf die Erde zurückzukehren, wo sie ihr erst gerade ein zweites Mal entflohen waren, hielt er für eine gänzlich schlechte Idee. Außerdem reichte es, wenn die Tok’ra Sam so aufgelöst sahen. Sie hatte nicht aufhören können zu weinen. Letztendlich hatte Jack sie tragen müssen, denn sie war einfach in sich zusammengesackt. Er fühlte sich hilflos, verfluchte sich selbst dafür, dass er nicht wusste, wo Jakob sich aufhielt - das mit der Adresse war schließlich nicht gewiss - und ihm so die Hände gebunden waren. Die Ungewissheit quälte ihn bereits, doch noch tausendmal schlimmer war es, abwarten zu müssen, dass etwas passierte. Solche Situati-onen konnte er auf den Tod nicht ausstehen und diese geschahen für seinen Geschmack einfach fiel zu oft in letzter Zeit. Er setzte sie auf dem Bett ab, wenn man das so nennen konnte. Seine Kleidung hatte sich im Schulterbereich be-reits mit Tränen voll gesogen und klebte nun unangenehm auf seiner Haut. Doch er dachte nicht daran, Sam von sich zu schieben, denn das, was er hier gerade unternahm, war alles, was er im Moment für sie vollbringen konnte. Er schloss die Augen und zog sie noch ein Stückchen enger an sich heran. Auch Jack war zum Weinen zumute, aber er unterdrück-te seine Tränen ihr zu liebe. Er sog Sams Duft tief ein und dieser kam ihm irgendwie vertraut vor.
Sanft löste er sich von dem weiblichen Wesen, welches er in den Armen hielt und sah sie an. Jolinar. Sie war so wunderschön. So einmalig. So perfekt. Endlich würde sein Traum in Erfüllung gehen, endlich würde er sie haben kön-nen. Was war schon falsch daran? Lantash war tot, er existierte nicht mehr. Er würde ihn nie vergessen, soviel war si-cher, aber das Leben musste weitergehen und er würde sicher mit Jolinar glücklich werden. Sie würde ihn lieben lernen, da war er sich sicher. Sie waren bereits die besten Freunde, daraus könnte ohne weiteres mehr werden. Er war zuver-sichtlich. Er strich über die zarte Haut ihrer schlanken Arme, spürte ihren Atem auf seinem Gesicht und hörte leise ihr Herz vor Aufregung klopfen. Ihre weichen, vollen Lippen lockten ihn zu einem erneuten Kussgefecht. Sie hatte so gut geschmeckt, es hatte sich alles so richtig angefühlt. Nie wieder wollte er sie missen. Erneut näherten sie sich, versanken schließlich in einem erneuten leidenschaftlichen Kuss. Ihre Tränen waren versiegt. Es dauerte nicht lange, dann began-nen sie sich auszuziehen.
O’Neill verdrängte die Erinnerung, konzentrierte sich wieder auf das Hier und Jetzt. Sam lag immer noch in seinen Armen - sie hatte bereits aufgehört zu schluchzen, krallte sich jedoch weiterhin an ihm fest. Liebevoll strich er ihr in gro-ßen Kreisen über den Rücken. Er wollte nicht, dass sie weiterhin weinte. Sie sollte sich beruhigen, vielleicht noch etwas schlafen. Sam war vollkommen entkräftet, schien einem Nervenzusammenbruch gefährlich nahe. Nie hatte er sie so ge-sehen und ehrlich gesagt, würde ihm dieses eine Mal auch vollkommen reichen. Er würde nie wieder zulassen, dass es ihr so schlecht ging. Nie wieder!
„Es war ein Fehler!“, hörte er plötzlich jemanden sagen. Er blickte verwundert auf. Vor ihm stand Jolinar. Sie trug die typische Tok’rauniform, doch fand er, dass sie darin um Vieles besser aussah, als die anderen Frauen dieses Stütz-punktes. Ihr Haar trug sie offen - es war noch feucht, sie musste gerade erst geduscht haben. Bilder der letzten Nacht flammten vor seinen Augen auf. Ihr perfekter Körper unter seinen Fingern, ihre Leidenschaft, ihre Ekstase. An das Ge-fühl, welches ihr vor Verlangen aufbäumender Körper unter seinen Händen verursachte. Ihre samtige Haut, ihre seide-nen Lippen, ihre vollkommenen Rundungen: die festen Brüste, die schlanke Taille; das wunderschöne Gesicht waren Eindrücke, die er immer noch so intensiv spürte, wie es letzte Nacht der Fall gewesen war. Allgegenwärtig waren ihre blauen, wie zwei Ozeane strahlende, Augen, die ihn leidenschaftlich angesahen und auf gleiche Weise verzaubert hat-ten. Er geriet ins Träumen, war halb weggetreten. Nichtsdestotrotz hörte er, was sie noch sagte: „Die letzte Nacht war ein einziger, großer Fehler.“ Er verstand ihre Worte nicht. O’Neill wollte sie begreifen, den Sinn erfassen, doch es gelang ihm nicht. Er blickte sie nur verständnislos an. Das war es nicht, was er hören wollte, soviel stand fest.
Jack rief sich zur Vernunft. Er machte sich bewusste, dass es Kanaan war, nicht er, der gerade unwiderruflich ver-nichtet worden war. Dessen Hoffnungen wurden allesamt zerschmettert, doch O’Neill durfte sie nicht mit den Seinigen identifizieren. Das war ein anderes Leben gewesen. Eine vollkommen andere Persönlichkeit, die er für kurze Zeit in sich trug, hatte das erlebt, er selbst existierte zu dieser Zeit noch nicht einmal, war nie wirklich Kanaans Wirt gewesen. Es waren nicht O’Neills Erinnerungen - diese Tatsache musste er sich permanent vor Augen halten. Doch dieser Gedanke war schwer zu greifen. Die Gefühle - der zermürbende Schmerz und die übermenschliche Verzweiflung - waren einfach zu real, als würde er all das noch einmal durchleben. Er konnte ihre Vergangenheiten nicht mehr grundsätzlich ausein-ander halten.
„Was?“, fragte er verwirrt. Seine Stimme war brüchig, nicht mehr als ein Flüstern.
„Es fällt mir schwer, dir das zu sagen, aber zwischen uns kann nie etwas sein. Ich liebe Lantash und ich spüre, dass er noch lebt. Ich kann nicht nach vorne sehen, solange ich die Hoffnung habe, dass er noch irgendwo da draußen ist. Die Nacht war wundervoll, aber dennoch ein großer Fehler. Bitte akzeptiere, dass es nicht noch einmal geschehen wird. Ich kann es nicht ändern, Kanaan.“, antwortete Jolinar mit ruhiger Stimme. Ihr fielen diese Worte sichtlich schwer, doch ihm war auch klar, dass sie ihre Meinung nicht ändern würde. Sie hatte eine Entscheidung getroffen, die er ihr nicht wie-der ausreden konnte.
Jack setzte dem ungeachtet an: „Er ist tot, Jolinar! Lantash ist tot! Er wird nicht wieder zurückkehren.“
„Beweise es mir!“, forderte sie ihn den Tränen nahe auf. „Wenn du mir an seiner Leiche beweisen kannst, dass er bei der Mission gestorben ist, dann werde ich versuchen, ihn gehen zu lassen, aber das wird nichts daran ändern, dass zwi-schen uns nichts sein kann.“
„Wieso?“, hakte er verzweifelt nach.
„Immer, wenn ich dich sehe, dann sehe ich ihn in dir.“, erwiderte sie und die erste Träne bahnte sich ihren Weg über ihre Wange.
„Wir sind uns überhaupt nicht ähnlich.“, wehrte Colonel O’Neill ab. Er war dabei aufgesprungen und stützte sich nun mit den Armen auf dem Tisch vor ihm ab. Seine Forschungsarbeit war vergessen - er wusste nicht einmal mehr, woran er überhaupt gearbeitet hatte - aber das war auch nebensächlich. Auch so hätte er es nicht einmal ahnen können, war es doch Kanaan, der eigentlich mit ihr gesprochen hatte, nicht aber er. Das musste er sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, um nicht den Verstand zu verlieren - was ihm unweigerlich drohte, wenn er dieses Gerät nicht bald los wurde. Au-ßerdem vergaß er alles um sich herum, wenn er in ihr Gesicht blickte, wenn ihre blauen strahlenden Augen, die seinen trafen.
„Wir waren immer zusammen. Wenn ich dich ansehe, überrollen mich Erinnerungen an bessere Zeiten, als er noch da war. Außerdem denke ich, dass ich nie so für dich fühlen könnte, wie ich für ihn empfinde, wie dein Herz für mich schlägt. Ich will, dass du glücklich wirst und mit mir kannst du das nicht. Ich würde dich nur unglücklich machen.“, ver-suchte Jolinar ihm begreiflich zu machen, wie sie diese Situation gefühlsmäßig erlebte, doch er stellte sich auf stur.
„Du bist die Einzige, die mich glücklich machen könnte.“, verlor er endgültig die Fassung. Jetzt traten auch ihm Trä-nen in die Augen, doch er kämpfte dagegen an. Er wollte vor ihr nicht weinen. Diese Blöße konnte er sich nicht geben. Er war zu stolz um seine eigene Schwäche zu zeigen, schon gar nicht vor der Frau, die er mehr zu lieben schien, als al-les andere auf der Welt - ja, selbst mehr als sein eigenes Leben.
„Verzeih mir, Jack! Verzeih mir!“, bat sie schluchzend und wandte sich von ihm ab.

Sein eigener Name riss ihn aus den Gedanken. Er hatte sich ein Stück von Sam gelöst, seine Hände ruhten an ihren Schultern und sie sah ihm verwundert entgegen. Er musste ein bizarres Bild abgegeben haben. Sein perplexer Blick, seine leichte Irretation, die sich in seinen Gesichtszügen widerspiegelte, wie zum Beispiel die hochgezogenen Augen-brauen.
Besorgt fragte sie: „Ist alles in Ordnung?“
„Ja, klar!“, wehrte O’Neill noch etwas desorientiert ab. Er musste Sam gehört haben, als er in dieser Erinnerung ge-fangen war. Es schien immer mehr so, als würden Kanaans Erinnerungen allmählich zu den Seinigen werden. Er machte keine Abstriche zwischen ihnen beiden mehr. Das bedeutete nichts Gutes. Er musste dieses beschissene Erinnerungs-ding wieder loswerden. Schnellstmöglich! Vielleicht hatte Anise ja nichts dagegen. So berauschend waren sei-ne Erkenntnisse ja nicht. Mal abgesehen von dem Gespräch mit Daniel, an das er lieber nicht denken wollte.
„Sicher?“, hakte Carter nach.
„Ganz sicher!“ Sie war immer noch misstrauisch, sagte jedoch nichts mehr. Plötzlich änderte sich ihr Blick. Verlangen lag darin, eine Spur von Trauer zwar, aber auch viel Leidenschaft. Im ersten Moment wollte er seinem inneren Drang nachgeben und es geschehen lassen, doch im letzten Moment rief er sich zur Ordnung und hielt sie sanft auf Abstand.
„Carter, nicht!“, bat er sie fast zärtlich. Alles in ihm sträubte sich dagegen, sie abzuweisen, doch es war nun einmal das einzig Richtige. Ob sie es in ihrem Zustand begriff, war die zweite Frage. Verständnislos blickte sie ihm entgegen, was auch das beantwortete. „Sie wissen nicht, was sie tun.“
„Das weiß ich sehr wohl!“, wandte Samantha ein. „Du willst es im Grunde doch auch.“
„Ja... Nein... Schon...“, stammelte Jack hin- und hergerissen. „Aber das ist falsch. Wir können diesen Fehler nicht noch einmal begehen.“ Jetzt war es passiert - er hatte, auch für andere offensichtlich, keine Abstriche mehr zwischen Kanaans und seinem Leben gemacht.
„Welchen Fehler, Jack?“, fragte Sam perplex. Sie konnte nicht einmal erahnen, wovon er sprach. Sicherlich hatte sie sich nicht an die atemberaubende Nacht und alles, was danach geschehen war, erinnern können, vielleicht wollte sie es auch nur nicht. Dem ungeachtet musste sie es erfahren. Major Carter war ganz von ihm gewichen und blickte ihm ernst entgegen.
O’Neill setzte an: „Den Fehler, den Jolinar und Kanaan vor knapp einem Jahrhundert begingen. Sie war gerade von Ne’thu zurückgekehrt, als sie erfuhr, dass Lantash höchstwahrscheinlich bei einer Mission ums Leben gekommen war. In ihrer Verzweiflung gab sie sich Kanaan hin. Sie waren damals die besten Freunde.“
„Und was hat das mit uns zu tun?“, hakte sie gereizt nach. Anscheinend wollte sie seine Einwände nicht hören.
„Dazu wollte ich gerade kommen.“, sagte Jack ernst und gab ihr so zu verstehen, dass sie ihn gefälligst ausreden lassen sollte. „Sie bereute es am nächsten Tag und das brach ihm das Herz. Ich fürchte, ich würde dir dasselbe antun. Außerdem zerbrach daran ihre Freundschaft und ich habe ehrlich gesagt keinen Bock darauf, dich ausgerechnet auf diese Weise zu verlieren.“ Er wurde laut, fast sogar zornig. Sie sollte verstehen, war in ihm vor sich ging, es akzeptieren und eventuell sogar genauso darüber denken wie er.
„Das hier mit uns ist nicht das Gleiche.“, wehrte Major Carter ab. „Du bist weder Kanaan, noch bin ich Jolinar und es gibt auch keinen Lantash. Außerdem sind unsere Gefühle für einander nicht anzuzweifeln.“
„Aber es gibt das Militär, dem wir beide nun einmal angehören, und Jakob.“, erwiderte O’Neill schroff. Wahrscheinlich wurde er nur laut, weil er sich mit seinen Worten selbst überzeugen wollte. Immer wieder hatte er alles gegeneinander abgewogen und jedes Mal kam er auf den gleichen Nenner - es gab keinen anderen Weg für sie beide. Sosehr ihm die-se Tatsache auch missfiel, er konnte nichts daran ändern. Sein Entschluss stand fest - er musste es unterbinden, auf je-den Fall solange, bis sich ihm eine andere Option zur Leugnung bot. Wenn sich die Machtverhältnisse im Universum zu ihren Gunsten verschieben würde, wäre er der Letzte, der einer Beziehung zwischen ihnen im Wege stehen würde, doch so wie die Lage momentan aussah - Anubis hatte einfach zuviel an Macht gewonnen - konnte er unmöglich etwas riskie-ren. Das musste sie einfach verstehen.
„Was zum Teufel hat mein Vater denn damit zu tun?“, wollte Sam wütend wissen. Jack atmete tief durch. Sich jetzt mit ihr zu streiten, würde gar nichts bringen, sondern nur alles verschlimmern. Er musste jetzt besonnen sein, ihr in aller Ruhe erklären, was ihn ihm vorging, sowie offen mit seinen Gefühlen sein, auch wenn das weder ihr noch ihm passen sollte. Sam würde sich wie ein kleines Mädchen behandelt fühlen, was sie überhaupt nicht leiden konnte. Aber auch dar-an konnte er nichts ändern.
Ausgeglichener fuhr er fort: „Alles! Ich habe ihm mein Wort gegeben. Er hat dich mir anvertraut, obwohl er wusste, wie ich für dich empfinde. Ihm war aber auch klar, dass ich es niemals soweit kommen lassen würde. Ich kann ihm jetzt nicht in den Rücken fallen, Carter. Unsere Freundschaft ist mir einfach zu wichtig.“
„Er ist tot, Jack.“, entgegnete sie den Tränen erneut nahe.
„Das glaube ich wiederum nicht. Nennen sie es einen sechsten Sinn, Intuition, wie auch immer, ich bin mir sicher - ich weiß - dass er noch lebt. Vertrauen sie mir, bitte!“ O’Neill streichelte ihr aufmunternd über die Wange und strich mit dem Daumen eine ihrer Tränen weg, die sich auf den Weg gemacht hatte. Mit einem sanften Lächeln und einer gewis-sen Ironie fügte er hinzu: „Darüber hinaus wissen sie doch, dass ich das alles schon mal hatte und ich glaube nicht, dass ich unmöglich zu mehr als einer flüchtigen Affäre in der Lage wäre. Sie wären bei jemand anderem wirklich besser auf-gehoben.“
„Ich will aber nur dich.“, entwich ein leichter Protest ihren Lippen, auch wenn sie wusste, dass er vollkommen Recht hatte. Sie lehnte sich an ihn und schloss die Augen. Ihren Tränen ließ sie freien Lauf. Zärtlich schloss er sie abermals in die Arme.
„Ich weiß!“, kam es als nicht mehr als ein Flüstern von ihm. Ihm ging es doch genauso, doch mehr als das durften sie einfach nicht haben. Es ging nicht anders! Vielleicht irgendwann, eventuell, wenn die Goa’uld vernichtet sein würden und sie nicht dabei starben. „Ich weiß!“
„Das Leben ist unfair.“, hauchte sie leicht schmollend und wischte sich mit der Hand eine Träne von der Wange. Sie traf damit den Nagel auf den Kopf, wie O’Neill resigniert feststellen musste. Zu gerne hätte er diesen Umstand ausge-merzt, doch diese Erkenntnis gehörte wohl zum Mensch sein dazu.
„Da könnten sie durchaus Recht haben.“, gab er lakonisch zurück.
Sam gestand schließlich: „Ich fühle mich so einsam.“ Jack drückte sie noch fester an sich und schloss ebenfalls die Augen. Sein Herz schien förmlich zu zerspringen.
„Das sind sie aber nicht.“, wehrte er ab. „Einer von uns wird immer für sie da sein, Carter, das verspreche ich ihnen. Egal was auch passieren mag.“ Er gab ihr einen Kuss aufs Haar. Seine Gedanken schweiften im selben Augenblick schon wieder ab.
Er fand sich neben Lantash wieder. Dieser sah alles andere als erfreut aus. Schnell machten sich Schuldgefühle und Gewissensbisse in Jack breit, aber auch eine gewisse Erleichterung, vermischt mit Ungewissheit darüber, was kommen würde. Er hatte ihm alles erzählt - Schweigen war nicht länger für ihn zumutbar gewesen. Es hatte ihn innerlich zerrissen. Dieser Mann war Kanaans bester Freund gewesen, er hatte das Recht, es zu erfahren. Sie hatten nie Ge-heimnisse voreinander gehabt, er wollte nicht damit anfangen. Nicht, wenn es dabei auch um seine Gefühle zu Jolinar ging. Er würde alle Folgen, die sich daraus ergeben würden, akzeptieren - er würde für seinen Fehler geradestehen.
„Du hast was?“, schepperte Lantashs metallische Stimme durch den Raum. Er war aufgebracht, außer sich vor Zorn. O’Neill zuckte unwillkürlich zusammen.
„Es tut mir leid!“, entschuldigte dieser sich. „Gib ihr keine Schuld, wir waren nicht zurechnungsfähig. Ich dachte,…“
Lantash fiel ihm ins Wort: „Versuch nicht, dich herauszureden. Ich will deine Ausflüchte nicht hören. Ich nahm an, du wärst mein Freund, aber da habe ich mich wohl geirrt.“ Jack schloss gequält die Augen. Ihm wurde jetzt erst wirklich be-wusst, dass er durch sein unüberlegtes Handeln, nicht nur Jolinar für immer verloren hatte, sondern auch seinen mit Ab-stand besten Freund. Dem ungeachtet konnte er die Nacht nicht mehr ungeschehen machen. Dazu war es zu spät. Wenn er die Zeit zurückdrehen könnte, vielleicht hätte er es dann unterbunden, aber da er das nicht zu bewerkstelligen vermochte, musste er unweigerlich lernen, damit zu leben. Eine andere Alternative blieb ihm nicht. Außerdem wollte er die Erinnerung an diese Nacht um nichts in der Welt missen. Es waren die schönsten Augenblicke gewesen, die er je mit einer Frau erlebt hatte.
„Ich will mich nicht rechtfertigen. Ich bereue nichts. Ich liebe Jolinar und genau deswegen werde ich gehen. Sie liebt mich nicht, sie liebt dich, das ist mir durchaus bewusst. Ich bezweifle, dass du mir vergibst und an deiner Stelle würde ich nichts anderes tun, aber ich bitte dich, sag ihr nicht, dass ich es dir erzählt habe. Sie würde sich nur noch mehr quä-len.“ Seine Liebe zu ihr war auch der Grund, warum er sich für diesen Weg entschieden hatte. Seine bloße Anwesenheit würde alle drei daran erinnern, was geschehen war und er für seinen Teil wollte seine Freunde nicht noch unnötig quä-len. Es würde ihnen helfen, zu vergessen, wenn er einfach aus ihren Leben verschwand. Vielleicht hätte er selbst ja auch das Glück, endlich zu akzeptieren, dass Jolinar nichts für ihn fühlte als Freundschaft, und neu anzufangen. Eventu-ell konnte er sich ja irgendwann doch noch in jemand anderen verlieben.
Garantieren konnte er jedoch für nichts. Es war auch möglich, dass es genau anders kommen könnte, dass er sein Leben verschwenden und unglücklich sterben würde. Er musste es zum Wohl seiner Freunde riskieren. Das war er Lan-tash und Jolinar einfach schuldig. Weder verneinte, noch bejahte dieser seine Bitte. Er schwieg lediglich und starrte ihm kalt entgegen. O’Neill wandte sich ab und verließ das Quartier. Jolinar kam ihm entgegen. Für einen kurzen Moment hielt er Blickkontakt, dann senkte er beschämt den Kopf. Er hielt ihrer Schönheit nicht länger stand. Seine Reaktion machte sicherlich auch ihr klar, dass Lantash es wusste, wollte es jedoch sicherlich nicht wahr haben. In diesem Moment ver-schwand er für immer aus ihrem Leben und er hatte sich nicht einmal von ihr verabschieden können. Diese Tatsache traf ihm wohl von allem am Meisten.

Dann kehrte er in die Realität zurück. Er hielt Major Carter immer noch im Arm. Sie hatte sich in der Zwischenzeit wieder beruhigt.
Nur leise drang an sein Ohr: „Ich habe Daniel gesehen.“ Sanft löste er sich von ihr und sah sie an. Nicht entsetzt, mehr verwundert, dass sie ihm das überhaupt erzählte. Sie fuhr fort, als er nichts erwiderte: „Als ich alleine in der Hölle war, hat er mit mir gesprochen. Er ist die ganze Zeit bei mir geblieben, solange bis ihr kamt. Vielleicht habe ich mir das auch nur eingebildet, ich meine, das ist doch total verrückt.“
„Wer sagt das?“, wehrte Jack ab. „Wenn sie glauben, dass er da war, dann war er es auch. Er wird nämlich immer in ihrem Herzen bei ihnen sein.“ Ein leichtes Lächeln huschte über ihre Lippen. Dieser Gedanke tat ihr sichtlich gut. Sam lehnte ihren Kopf zurück an Colonel O’Neills Brust. Vorsichtig legte sich dieser mit ihr aufs Bett. Nach einer Weile war Sam dann auch schon eingeschlafen.

Es war ruhig in dem kleinen Quartier, dass Colonel O’Neill zugewiesen worden war. Die Quarzkristalle spendeten gedämpftes Licht. Jack fragte sich, wie man da überhaupt schlafen konnte. Nicht, dass er müde war, ihm spuckte ein-fach nur zuviel im Kopf herum. Wenn er auch noch so sehr versuchte, nicht darüber nachzudenken, was schon alles passiert war und noch geschehen würde, es ließ ihn einfach nicht los. Da war die Toradresse, die er aufgezeichnet hatte. Sie waren noch nicht auf dem Planeten gewesen. Ihn beschlich das Gefühl, dass sie etwas mit Jakob zu tun hatte. Er konnte sich nicht erklären, wie ausgerechnet er das wissen konnte, aber dem war so. Daran gab es nichts zu rütteln. Vielleicht sollte er einfach mal hingehen? Hammond würde das nie erlauben und wenn doch, dann erst, wenn es zu spät war. Nein, wenn dann muss ich sofort los.
„Worauf wartest du denn noch?“, fragte plötzlich eine ihm wohl bekannte Stimme. Er hielt seine Augen weiterhin ge-schlossen. Angst machte sich in ihm breit, dass er sich das nur eingebildet haben könnte und niemand dort war. Eventu-ell hatte sein Unterbewusstsein, sein Gewissen, die Stimme von Daniel angenommen. Das musste es sein. Wieso dann diese Hoffnungen, dass er es wirklich war, dass er es sich nicht nur einbildete?
Jack antwortete dennoch leise: „Ich weiß nicht. Das du mir grünes Licht gibst, denke ich.“
„Habe ich das nicht gerade getan? Du solltest schnell etwas unternehmen. Jakob braucht dich jetzt. Er sitzt dort fest.“, erwiderte Daniel ruhig. Zu gerne hätte Jack jetzt in sein Gesicht gesehen, doch den Schmerz, den das mit sich brachte, hätte er wahrscheinlich nicht verkraftet. Also blieb ihm nichts weiter übrig, als ins Dunkel hinein zu reden.
„Ich dachte, ich solle Geduld haben. Lichtwesen hin oder her, du kannst dich immer noch nicht entscheiden.“, lachte O’Neill sarkastisch auf.
„Es gibt Zeiten, da muss man einfach Geduld haben, und andere, wo man handeln sollte. Ich gebe dir nur Ratschlä-ge, was du unternimmst, ist deine Entscheidung.“, stellte Daniel richtig. Jack vermisste es, so mit seinem Freund reden zu können, einfach nur zu wissen, dass er da war. Jackson hatte Recht, er musste etwas unternehmen. Jetzt! Jack schlug die Augen auf und sah sich um. Niemand war da. Pure Enttäuschung machte sich in ihm breit. Er hatte es gewusst und dennoch hatte der Schlag ins Gesicht nichts an seiner Stärke verloren. Es war eine Art geistiger KO-Schlag. In seinen Armen regte sich etwas. Er sah nach unten, genau in Samantha Carters Augen. Sie war anscheinend von seiner kleinen Unterhaltung aufgewacht. Hoffentlich hatte sie nichts gehört. Sie würde ihn wahrscheinlich für total bescheuert halten. Zu verübeln war es ihr nicht. Er glaubte ja selbst, durchzudrehen. Sie war bei ihm geblieben oder er bei ihr? Etwas in der Art. Trotz ihres Streits wollte er sie nicht alleine lassen. Er machte sich Sorgen, denn er wusste nicht, wie sie reagieren würde, wenn sie längere Zeit alleine war. Sie blickte O’Neill verschlafen entgegen.
„Mit wem hast du geredet?“, fragte sie schließlich immer noch benebelt.
„Ich habe nur laut gedacht, schlafen sie weiter.“, wehrte er ab und strich ihr sanft über die Wange. Ihn plagte ein schlechtes Gewissen. Er hatte einen klaren Befehl missachtet, er hatte ein Versprechen gebrochen. Wenn General Hammond das herausbekommen würde, er würde Jack den Kopf abreißen. Es war nichts passiert, er hatte sich zusam-mengerissen und auch ihr den Ernst der Lage nahe gebracht, dennoch hatte er gegen eine Bitte seines Freundes ge-handelt. Auch wenn es nichts Verwerfliches war, was sie da taten - sie ruhten lediglich in einem Bett - es ging längst schon nicht mehr mit den Regeln konform. Sie waren sich zu nahe gekommen. Auf Dauer würde selbst diese Zweisam-keit nicht gut gehen. Auch wenn es ihm höllisch schwer fiel, er musste alles wieder auf ein normales Level bringen, an-gefangen mit der Rettung von Jakob.
Samantha blickte ihn verwundert an und hakte nach: „Alles in Ordnung bei dir?“
„Es geht mir gut! Schlafen sie weiter, Carter.“, wies er sie jetzt mehr an, als er sie bat. Nichtsdestotrotz war seine Stimme weiterhin sanft und beruhigend.
„Du solltest auch schlafen, Jack.“, murmelte sie bereits im Halbschlaf. Kurz darauf war sie wieder im Reich der Träu-me versunken. Jack wartete bis sie ganz weg war und löste sich dann leise und vorsichtig von ihr. Er wollte sie nicht noch einmal wecken und ebenso wenig wollte er, dass sie mitbekam, dass er sich von diesem Planeten unerlaubt ent-fernte. Alleine würde er jedoch nicht gehen können, er wusste nicht, was auf ihn wartete. Also verschlug es ihn kurzer-hand zu den Quartieren von Teal’c und Jonas.

„Teal’c!“, zischte Colonel O’Neill leise. Er stand im Eingang zu dem Quartier seines Freundes und wartete ungeduldig darauf, dass dieser aus dem Kel’Noreem erwachte. Langsam öffnete der Hüne die Augen und hob verwundert eine sei-ner Brauen.
„O’Neill?“, fragte dieser stoisch. „Was machst du hier? Solltest du dich nicht etwas ausruhen?“
„Ach was, dazu ist später noch Zeit. Erst müssen wir Jakob nach Hause holen. Also beweg dich, wir gehen auf Tok’rasuche.“, wandte Jack ein und war auch schon wieder verschwunden. Teal’c verstand zwar nicht, was sein Freund genau damit meinte, nichtsdestotrotz folgte er diesem widerstandslos. Jonas Quinn war schließlich auch auffindbar und das in Qu’ons Labor.
„Colonel.“, sagte dieser kühl. Jack entschied, dass das mit der Entschuldigungsnummer noch warten musste, dafür war jetzt nämlich wirklich keine Zeit. Er hatte schon genug davon vertrödelt. „Alles in Ordnung mit Major Carter?“
„Wir gehen!“, befahl er, ohne auch nur auf die Frage des jungen Mannes einzugehen. „Qu’on, wir brauchen ein Spielzeug, mit dem man Koordinaten genau bestimmen kann. Hast du so etwas?“, wandte er sich an den Tok’ra.
„Natürlich! Wieso?“, entgegnete dieser.
Jack wehrte ab: „Nicht Fragen, einpacken!“ Dann drehte er sich zu Teal’c und wies diesen an: „Besorg uns Waffen und ein paar dieser Schockgranaten. Was immer du auch finden kannst. Wir treffen uns dann an den Ringen.“ Ein Ni-cken als Antwort war alles, was er erhielt und genau das, was er brauchte. Der Jaffa machte sich sofort auf den Weg.
„Was ist hier überhaupt los?“, fragte Jonas verwirrt. Das ganze Gehetze ging ihm ziemlich auf die Nerven.
„Ich weiß es auch nicht genau, Jonas Quinn, aber es muss sehr wichtig sein.“, gab Qu’on tonlos zurück. O’Neill seufzte. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Er verschwendete wertvolle Zeit mit Erklärungen. Wieso konnten ihm denn nicht alle so blind vertrauen und folgen, wie der Teal’c es tat.
„Ich weiß, wo Jakob sich aufhält. Wahrscheinlich stoßen wir auf Widerstand, aber ich habe beschlossen, dennoch zu gehen. Carter bleibt hier. Und jetzt genug der Erklärungen, gehen wir!“, erläuterte er grob. Er packte Qu’on am Kragen, welcher sich noch schnell ein Gerät schnappte. Dessen Finger zitterten dabei - er war sichtlich nervös. Jack umklammer-te seine MP-90 fester und machte große, schnelle Schritte. Es war ein Wunder, dass Jonas und der Tok’ra überhaupt hinterherkamen. Die anderen Anwesenden staunten nicht schlecht, dachten sich jedoch nichts weiter dabei, da ja Qu’on bei ihnen war. Teal’c stieß kurz vor den Ringen wieder zu ihnen. Er hatte bis auf zwei Stabwaffen, wovon er die Eine Jack zuwarf, noch ein paar Zats und anscheinend auch Schockgranaten. Alles war in einem Rucksack. Jack konnte also nur raten, womit sein Freund ihn überraschen würde.
Auf der Oberfläche des Planeten war es weitgehend ruhig. Der Sturm hatte sich mittlerweile ganz gelegt, so dass sie schnell vorankamen. Jack, der die Toradresse längst auswendig kannte, wählte diese schnell auf dem DHD an und akti-vierte es mit einem energischen Druck auf den runden Quarzkristall.
„Woher haben sie die, Colonel?“, hakte Jonas verwundert nach.
„Hat mir ein Vögelchen gezwitschert.“, sagte er matt. Das Wurmloch etablierte sich in einem ohrenbetäubenden Ge-töse. So schnell wie der quecksilberfarbende Strudel hervorgeschossen kam, war er auch schon wieder verschwunden. Der Ereignishorizont baute sich nur Bruchteile von Sekunden später auf und wirkte im Gegensatz zu der Uhrgewalt des Wirbels fast friedlich. Doch der Schein trug. Hinter dem See aus Antimaterie konnte ein todbringender Kampf toben, ein Heer aus Feuer lodern oder eine trostlose, lebensunwirkliche Welt schlummern. Normalerweise hatten sie Sonden, doch diesmal wurde es eine Reise ins Ungewisse.
Was sie auf der anderen Seite erwartete, konnten sie nur erahnen. Jack gab ihnen ein Zeichen, dass sie trotz allem aufbrechen würden, und trat neben Teal’c als Vorhut durch das Stargate. Auf der anderen Seite bot sie ihnen ein wohl-bekanntes Bild. Gigantische Berge im Hintergrund, in der Ferne war das Rauschen eines Flusses zu hören und Bäume direkt vor ihnen soweit das Auge reichte. Raureif lag auf der Wiese vor ihnen. Es war eiskalt, so dass O’Neill abermals zu frieren begann und die Eiskristalle seines eigenen Atems in Nebelschaden vor sich auftauchen sah. Die Tatsache, dass er wärmer angezogen war, milderte die Kälte auch nicht. Er froh immer noch. Wahrscheinlich würde es bei ihrem Glück auch noch entweder anfangen zu regnen oder zu schneien.
„Ganz wie zu Hause.“, kommentierte O’Neill zynisch. Der aufkeimende Sarkasmus löste seine Anspannung fast so-fort in Luft auf. Er blickte sich suchend um. Auf diesem Planeten dämmerte es bereits, wenngleich es auf der Erde erst Vormittag war. Es war nichts Auffälliges zu sehen. Sie waren allein. Diese Welt schien friedlich, nichtsdestotrotz konnte der Schein trügen. Hinter ihnen traten nur Sekunden später auch Jonas und Qu’on aus dem Ereignishorizont, welcher etwas später in sich zusammenbrach. Sie rückten vor. Qu’on, der sich neben Jack gesellt hatte, holte ein kleines Gerät aus dem Rucksack hervor und aktivierte es.
„Welche Koordinaten?“, fragte dieser und O’Neill vernahm ein leises Zittern in dessen Stimme. Einerseits konnte dies von der Kälte herrühren, andererseits aber auch von der aufkeimenden Angst in dem Tok’ra. Er fragte sich, ob er ihn nicht besser zu Hause gelassen hätte, aber jetzt war es zu spät. Außerdem brauchten sie jede Hilfe, die sie kriegen konnten. Schon allein, wenn Jakob verletzt war, konnte das ein Problem darstellen.
„35,47° Süd - 123,35° West.“, antwortete Jack wie aus dem FF. In den letzten Stunden vor seinem erneuten Auf-bruch zu den Tok’ra, hatte er den Zettel so lange wie hypnotisiert angestarrt, dass sich die Glyphen darauf förmlich in sein Gedächtnis gebrannt hatten. Der junge Tok’ra tippte auf dem Gerät umher, wartete, gab wieder etwas ein und bes-tätigte dann alles.
„Wir müssen da lang.“, meinte Qu’on kurz darauf und zeigte in die, von ihnen ausgesehen, linke Waldhälfte. „Ist etwa eine Stunde Fußmarsch.“ Jack nickte und wollte schon aufbrechen, als sein Blick auf Teal’c fiel. Dessen Gesicht zeigte eine gewisse nervliche Anspannung, als hätte er etwas Verdächtiges gehört oder wenigstens ein ungutes Gefühl, was die ganze Sache anging.
Wie zur Bestätigung seiner Vermutung sagte der Jaffa: „Wir sollten auf der Hut sein, O’Neill. Etwas stimmt hier nicht.“
„Zu ruhig.“, bestätigte Colonel O’Neill. „Ist mir auch schon aufgefallen.“
„Sind sie sich ganz sicher, dass wir hier richtig sind?“, wollte Jonas misstrauisch wissen. An dessen Stimme erkannte Jack genau, dass dieser immer noch sauer auf ihn war, weil er ihn angeschrieen hatte. O’Neill ignorierte den indirekten Protest und setzte sich in Bewegung. Die anderen folgten ihm widerstandslos. O’Neills Nerven waren bis zum Reißen gespannt, sein Griff versteifte sich um den Lauf der Stabwaffe, seine Sinne waren bis zum Äußersten geschärft. Der Co-lonel in ihm hatte die Kontrolle über den Körper errungen. Diese Tatsache wiegte ihn in Sicherheit, so sehr es ihn auch immer wieder beängstigte. Jetzt wünschte er sich Sam an seine Seite. Allein ihre Anwesenheit würde ihn beruhigen, doch unmöglich hätte er sie mitnehmen können. Mal ganz abgesehen davon, dass sie ihm nicht geglaubt hätte. Sie wäre auch enttäuscht gewesen, wenn er sich geirrt hätte.

Die Vier kamen gut voran. Teal’c ging vor, Jonas und Qu’on in der Mitte und Jack bildete die Nachhut. Knapp eine Stunde später erreichten sie die besagten Koordinaten. Da gab es nur noch ein Problem, niemand war dort. Jack hatte erwartet, Jakob auf Anhieb zu finden, doch es waren seit dieser Eingebung bereits mehrere Stunden vergangen. Er konnte sich im Umkreis von Meilen überall stecken. Frustriert nahm O’Neill seine Kappe ab und fuhr sich durch sein er-grautes Haar. Damit war sein einfacher Plan auch hinüber. Ein Neuer musste Wohl oder Übel her und das schnell. Für seine Unüberlegtheit hätte er sich ohrfeigen können. Er hätte die ganze Angelegenheit besser überdenken müssen, so wie es ihm beigebracht worden war. Daniel hätte natürlich auch etwas präziser mit seiner Inhaltsangabe sein können. Wenn es um Erleuchtung und den Aufstieg ging, war dieser in seinem Enthusiasmus nicht zu bremsen, aber wehe es ging mal darum, jemanden den Arsch zu retten, dann hüllte er sich weitgehend in Schweigen. Gott, wie Jack das hasste. Wenn sein Freund jetzt zugegen gewesen wäre, dann hätte er...
Ein lauter Knall ließ ihn in seinen stillen Ausführungen innehalten. Aus südlicher Richtung war dieser zu ihnen hin-über gedrungen. An den überraschten Gesichtern der anderen konnte er erkennen - mal abgesehen von Teal’cs - dass er sich das nicht nur eingebildet hatte. Der Jaffa war selbst jetzt die Ruhe selbst. Auch O’Neill ließ sich nicht wirklich et-was anmerken, sondern gab den klaren Befehl, dass sie ihm in die Richtung, aus welcher das Geräusch kam, folgen sollten. Die Stabwaffe im Anschlag schlich er los. Vorsichtig aber dennoch zügig setzte er einen Fuß vor den anderen, darauf bedacht so wenig Laute wie möglich von sich zu geben. Sein Atem ging flach, sein Herz raste jedoch so schnell, dass er glaubte, das gleichmäßige Schlagen könnte ihn verraten. Ein Blitz zuckte durch die Nacht, gefolgt von einem er-neuten Knall. Was auch immer das für eine Entladung gewesen war, sie war ganz und gar nicht natürlicher Art. Ver-gleichbar mit einer Impulswaffe, wie sie auf der Erde gerade erforscht wurde.
Vor ihnen breitete sich ein seichter, nicht allzu tiefer Flussgraben aus. In der Dunkelheit war er kaum zu erkennen, doch deutlich zu hören. Sie sahen lediglich Umrisse von größeren Steinen und sich schnell abwärtsbewegende Schatten auf dem Wasser. O’Neill tastete sich mit den Füßen allmählich vorwärts, während in seine Stiefel unaufhörlich das kühle Nass sickerte. Die Steine waren von der Strömung glatt geschliffen worden, ein falscher Schritt und er würde unweiger-lich stürzen. Allein die Hilflosigkeit im ersten Moment war Grund genug für ihn, das zu unterbinden. Außerdem würde er so nur auf sich aufmerksam machen. Deswegen hatte er für den Notfall Qu’on auch vor sich postiert, um ihn im Auge zu behalten. Jonas ging hinter im, dann kam Teal’c. Sie schafften es alle ohne Schwierigkeiten und nennenswerte Schäden über den Fluss. Kaum das sie auf der anderen Seite waren, begann es zu nieseln.
„Das hat gerade noch gefehlt!“, murmelte Jack fuchsig vor sich hin und stapfte vorwärts.
Ein weiterer Blitz erleuchtete den Himmel, gefolgt von Donner - dann noch einer und noch einer. Es war plötzlich wie ein gewaltiger Kugelhagel. Die Nacht wurde taghell. Jack erinnerte das schmerzlich an den zweiten Golfkrieg 1991 - Ku-wait, irakische Grenze, dicht am persischen Golf. Der Feind war schon viel zu weit zu ihnen vorgedrungen, die Muniti-on ging ihnen langsam aber sicher aus, sie verloren immer wieder gute Männer und die Verstärkung wollte einfach nicht eintreffen. Jack hatte seit Tagen nicht mehr geschlafen, hielt sich nur noch mühsam auf den Beinen. Seine Schulter schmerzte. Er hatte sie sich ausgekugelt, als er vor dem Feind geflohen war. Er kauerte allein in einem der vielen Ge-schützgräben. Neben ihm lag ein toter Soldat, die Augen weit aufgerissen - starr vor Angst. Jack zwang sich, nicht hin-zusehen. Die Erkennungsmarke des Soldaten hatte er abgenommen, doch er zweifelt stark daran, dass er sie zurück-bringen konnte, dass dieser Mann nicht vergessen wurde. Bald würde er neben ihm liegen oder vom Feind verschleppt und in Gefangenschaft genommen werden. Er zog den Tod vor.
Bei jedem Schuss zuckte er innerlich zusammen. Er selbst schoss nicht, das hätte nur auf ihn aufmerksam gemacht. Er musste ganz ruhig sein, durfte nicht von den anderen entdeckt werden. Langsam wurde es ruhiger, die Schüsse ver-stummten. Ein letzter Knall ertönte dicht neben ihm. Sand wurde aufgewühlt, die Druckwelle riss ihn von dem Fleck weg, wo er sich versteckt hatte, schleuderte ihn unsanft gegen die andere Wand des tiefen Grabens. Ein stechender Schmerz schoss erst durch seine Schulter, dann durch seinen Kopf. Dieser schlug dumpf auf einen Stein auf. Schwarze Flecken tanzten vor seinen Augen, wurden dichter, je mehr er sie abzuschütteln versuchte. Er drohte das Bewusstsein zu verlie-ren. Jemand packte ihn am Kragen, riss seinen Oberkörper in die Höhe und schrie ihn an. Es war...
Teal’c? Colonel O’Neill schüttelte den Kopf und kam schlagartig wieder zu sich. Er lag am Boden, der Jaffa halb über ihm. Neben ihm bewegte sich jemand - Jonas, wie er aus dem Augenwinkel erkannte. Qu’on hielt sich auf der anderen Seite geduckt. Jack setzte sich auf.
„Alles in Ordnung?“, fragte der Jaffa neben ihm beherrscht.
„Ich muss dieses Ding schleunigst wieder loswerden.“, murmelte er in sich hinein, anstatt zu antworten. Er war wü-tend auf sich selbst, weil er gerade jetzt diesen Gedanken hatte fassen müssen. Er wusste, wie er seine Gedanken zu steuern hatte, damit sie ihm nicht entglitten, damit er die Kontrolle behielt, und dennoch passierte es ihm immer wieder, dass er in die Vergangenheit abtauchte.
Teal’c hakte geruhsam nach: „Bist du einsatzbereit, O’Neill.“ Jack wusste dennoch, dass dieser sich Sorgen machte.
„Ich will verdammt sein, wenn nicht!“, antwortete Jack ernst. Er blickte in die Gesichter der anderen. Sie schienen al-lesamt in Ordnung zu sein. Der Schrecken saß ihnen zwar noch in den Knochen, aber das war mehr als normal. Er wandte sich an den Jaffa: „Kennst du diese Art von Waffe, Teal’c?“
„Nein, die ist mir vollkommen unbekannt.“, erwiderte dieser.
„Ich kann erkennen, wo sie ihren Ursprung hat. Vielleicht können wir sie dann entschärfen. Einen Moment.“, mischte Qu’on sich ein und begann in seinem Rucksack herumzukramen. Kurz darauf hielt er ein anderes, kleines Gerät in der Hand auf welches er abermals einhakte. Kurz darauf entflammte das Terminal und gab die Koordinaten preis. „Wir müs-sen ungefähr zwanzig Meter in südliche Richtung.“
„OK, Qu’on, Jonas - ihr wartet hier. Teal’c, folge mir!“, wies O’Neill die Anwesenden an.
Quinn protestierte lautstark: „Kommt nicht in Frage. Ich komme auch mit.“
„Nein, jemand muss auf Qu’on aufpassen und das wirst du sein.“, wehrte Jack hart ab.
„Ich bin nicht einer deiner braven Soldaten, du kannst mir nichts befehlen.“, konterte Jonas.
„Du bist ein Mitglied von SG-1 und solange ich noch das Kommando habe, wirst du auf mich hören. Ich habe ehrlich gesagt nämlich keine Lust, noch einen meiner Freunde zu verlieren. Also bewege deinen Arsch nicht von der Stelle!“, zischte Jack scharf und duldete keine weitere Widerrede. Jonas hatte offensichtlich auch nicht vor, einzuhaken. Er nickte nur beschämt.

Colonel O’Neill machte sich auf den Weg, dicht gefolgt von Teal’c. Sie kamen schnell voran, auch wenn sie das Un-terholz etwas aufhielt. Eine Art Steuerkonsole, wie Jack sie aus alten Sciencefictionfilmen kannte, tauchte in circa hun-dert Meter Entfernung vor ihnen auf. Sie wurde von fünf Männern bewacht, zwei Weitere bedienten die Waffe. Sonst konnte er niemanden erkennen. Anscheinend handelte es sich dabei um Jaffapatrolien.
„OK, Teal’c, gib mir eine dieser Schockgranaten.“, wies O’Neill ihn an. Der Jaffa reichte ihm diese.
Vorher fragte er jedoch noch: „Bist du dir sicher, dass Jakob Carter hier ist?“
„Vertrau mir einfach, Kumpel, OK?“, entgegnete Jack, klopfte dem Hünen freundschaftlich auf die Schulter und rückte dann noch etwas vor. Durch einen massiven Baumstamm geschützt, sondierte er abermals die Umgebung. Er hatte sich nicht geirrt. Jetzt erkannte er auch die Waffen. Es war eine Mischung aus Stabwaffe und Maschinengewehr, wenn so etwas überhaupt funktionieren konnte. Erinnerte ihn auch irgendwie an eine viel zu dünn geratene Panzerfaust, nur dass dieses Ding silbern zu sein schien. Auf jeden Fall war sie lang und man trug sie in zwei Händen. Er wollte gar nicht wis-sen, was passierte, wenn man diese Dinger abfeuerte. Zum Schutz vor dem unangenehmen Geräusch, welches die Schockgranate auslösen konnte, stopfte er sich Ohropax in die Ohren, ehe er die kleine Kugel aktivierte und diese, so gut es eben auf dem unebenen Boden ging, zwischen die feindlichen Linien rollte. Keine drei Sekunden später erfüllte ein helles Licht die Umgebung und die fünf Wachen brachen augenblicklich zusammen. Jack hatte die Augen zugeknif-fen, hielt sich die Ohren zu. Der Pfeifton war dennoch fast unerträglich.
Als er schon glaubte, es nicht mehr aushalten zu können, verstummte dieser endlich. O’Neill ließ sich an dem Baum zurücksinken und sondierte dann erneut die Lage. Die Wachen waren ausgeschaltet, doch die Konsole ansich schien durch ein Kraftfeld geschützt zu sein. Er rief die anderen über Funk zu sich. Ohne sie würde er es sicherlich nicht schaf-fen, denn er war nicht gerade der Experte für außerirdische Technologien unter ihnen. Einmal mehr wünschte er sich Sam an seine Seite, die ihn aufmunterte und ihn daran erinnerte, wer er war, was sie in ihm sah und er nicht erkennen konnte. Ganz deutlich sah er ihre blauen Augen vor sich, wie sie in noch vor einigen Stunden angesehen hatte. Mittler-weile war er sich nicht mehr so sicher, ob er sie hätte abweisen sollen. Wer sagte denn, dass sie es wirklich verstand. Aber war es nicht auch das einzig Richtige gewesen?
Jakob vertraute ihm, verließ sich darauf, dass er auf dessen einzige Tochter aufpasste und dafür sorgte, dass ihr kein Leid angetan wurde. Er würde ihr irgendwann unweigerlich wehtun. Sie hatten nicht die selben Ziele. Sam wollte ir-gendwann eine Familie, Kinder und ein geregeltes Leben, er hingegen würde das alles nicht noch einmal durchmachen wollen, lebte lieber allein, abgeschieden in einer Berghütte und konnte sich einfach nicht aus dem Stargateprojekt he-raushalten. Es war sein Sinn im Leben, etwas für das er sterben würde, wenn es sein musste. Dort hatte er seine Freun-de, alles, was er liebte. Das könnte er nicht aufgeben. Nicht einmal für sie. Ihr ging es auch nicht anders. Sie wussten beide von den Gefühlen des anderen - vielleicht irgendwann, in einer besseren Zukunft - nur darauf konnten sie hoffen. Eventuell änderte Jack irgendwann seine Meinung über den Rest seines Lebens. Doch nicht jetzt, denn vorrangig galt es jetzt, Sams Vater zu finden.
„Kannst du das Kraftfeld ausschalten?“, fragte O’Neill, sobald Teal’c und die anderen da waren, an Qu’on gewandt.
Dieser erwiderte: „Ich denke schon. Solange die beiden nicht auf mich feuern.“ Er wies in die Richtung der Konsole, wo die beiden überlebenden Jaffa ihre Waffen in Anschlag genommen hatten. Sicherlich wurde auch schon Verstärkung geholt. Sie mussten sich also beeilen.
„Das übernehmen wir. Wir lenken sie ab und du schaltest das Kraftfeld aus. Gib uns eine Minute, dann schleich dich heran.“ O’Neill gab seinem Team ein Zeichen und sie schlichen auf die kleine Richtung zu, wobei sie sich in verschiede-ne Richtungen hin verteilten. Jonas wurde als Erstes entdeckt. Sofort begannen beide Seiten zu feuern. Die Waffen der Jaffa drangen durch den Schutzschild mühelos hindurch und jeder Schuss hinterließ riesige Verbrannte Wunden im Bo-den und an den Bäumen. Die Salven von SG-1 jedoch prallten wirkungslos ab. Während sich beide Seiten einen unglei-chen Kampf lieferten, versuchte Qu’on das Gerät auszuschalten. Vergebens. Was er auch tat, es wollte sich nicht deak-tivieren lassen.
„Colonel O’Neill!“, drang dessen Stimme leise durch das Funkgerät. „Anscheinend kann man den Schutzschild nur von innen deaktivieren.“ Jack, der hinter einem Baum Schutz gesucht hatte, ließ seinen Kopf nach hinten sinken. Er musste einen klaren Kopf behalten. Irgendwie musste man diesen Schild doch von außen aufkriegen. So schwer konnte das doch nicht sein. Vielleicht hatte dieser Schild ja die gleiche Schwachstelle, wie das, welches durch das Handmodul aktiviert werden konnten. Er musste es testen. Einen Versuch ist es allemal wert.
„Zieh dich zurück, ich versuche es auf meine Weise.“, wies er den Tok’ra an und bahnte sich seinen Weg durch dich-tes Unterholz und war geschützt durch die Bäume in die Nähe der Steuerkonsole. Wenn es mit dem Kopf nicht funktio-nierte, musste man halt Gewalt anwenden. Er schloss kurz die Augen, während er den Druckknopf löste, der ihn von seinem Messer trennte. Tief einatmend wirbelte er herum und warf den Dolch, nur um kurz darauf festzustellen, dass die Klinge an dem unsichtbaren Schild abprallte und zu Boden fiel. So ging es also nicht. Er musste sich etwas anderes ein-fallen lassen. Nur was? Sam hätte jetzt sicherlich eine Idee gehabt. Ihr fiel immer etwas ein. Ein starker Impuls, der das ganze System auf einmal lahmlegte...
Das war es. Jack hatte eine Idee. Er hoffte, dass wenigstens das funktionieren würde. Suchend sah er sich um und entdeckte nicht weit von sich entfernt eine dieser komischen Waffen. Die würde sicherlich ausreichen, jedenfalls hoffte er es. Sam hätte es zumindest versucht. Jetzt musste er nur noch an sie herankommen und irgendwie dazu bringen, dass sie das System überlastete. Aber sicherlich würde Letzteres das kleinste Problem sein, hatte er doch einen Tok’ra, der sich mit Goa’uldspielzeug auskannte. Er musste schnell sein, durfte keinen falschen Schritt machen und musste sich die kürzeste und ungefährlichste Route wählen. Schnell erläuterte Jack seinen Plan und sprang kurz darauf auch schon auf, um das gewünschte Objekt an sich zu reißen. Irgendwie kam ihm die Situation bekannt vor und ehe er es realisierte, be-fand er sich wieder im persischen Golf.
Es war jetzt kein Wald mehr, der ihm genügend Schutz geboten hatte, sondern ein riesiges Armeezelt. Gefange-nenlager. Er war geflohen, als sie ihn schon für halbtot gehalten hatten. So fühlte er sich auch. Sein Knie schmerzte un-natürlich stark. Die Kniescheibe war herausgesprungen, als er mit seinem Flugzeug abgeschossen und mitten über feindlichem Gebiet hatte abspringen müssen. Man hatte ihn entdeckt, nachdem er dort einfach von seinem Team zu-rückgelassen worden war, und gefangengenommen. Er hatte jedoch nicht vor gehabt, dort zu sterben. Ihm stand etwas Wichtigeres bevor. Er musste der Frau, die er liebte, einen Antrag machen. Jetzt durfte er nicht sterben. Zu diesem Zeit-punkt hatte er noch nichts von Charlie gewusst.
Hakenschlagend bewegte er sich vorwärts, denn man hatte ihn bereits entdeckt und feuerte auf ihn. Kugeln aus Ma-schinengewehren verfehlten ihn nur knapp, eine streifte flüchtig sein Bein. Haut und Kleidung riss in Fetzen, der starke Geruch von verbranntem Fleisch stieg ihm in die Nase und er spürte das Blut seine Wade herunterrinnen. Taumelt be-wegte er sich vorwärts, überbrückte die letzten Schritte mit einem Hechtsprung und bekam die Panzerfaust mit der linken Hand gegriffen, während er sich über die rechte Schulter abrollte. Sofort kam er wieder auf die Beine, stützte sich auf sein gesundes Knie. Angst und Adrenalin durchströmten seinen Körper. Sein Puls raste, er keuchte, seine Nerven schmerzten unermesslich, jeder Zentimeter seiner Haut glühte.
Er nahm die Waffe in Anschlag, wusste, er hatte nur einen Versuch, die feindlichen Linien zu brachen, ehe sie ihn mit ein paar gezielten Schüssen durchlöcherten. Der Gedanke an die Frau, die er liebte, gab ihm den nötigen Mut, dies durchzuhalten, zu zielen und zu feuern, sich nochmals in Bewegung zu setzten, sich aus er Gefahrenzone zu bringen und das in Bruchteilen von Sekunden. Er hatte nicht sein Leben wie einen Film vor sich vorbeilaufen sehen, war noch nicht bereit gewesen, zu sterben. Er musste kämpfen. Für die Frau, die er liebte, für ihre gemeinsame Zukunft. Er ver-sprach ihr vor seiner Abreise, zurückzukommen. Er würde sein Versprechen halten, komme was wolle. Er war nicht der Typ Mann, der sein Wort nicht hielt.
Mit einem weiten Sprung rettete er sich hinter ein weiteres Zelt, kam dort zum erliegen. Keuchend richtete er sich auf und lehnte sich an eine Kiste, die an der Plane stand. Er wusste, dort konnte er nicht lange verharren, also schleppe er sich weiter vorwärts. Sein Bein schmerzte, doch er versuchte das Brennen und Ziehen zu ignorieren, sich nur darauf zu konzentrieren, zurückzukommen. Eine andere Wahl blieb ihm nicht. Aufzugeben, war keine Option für ihn. Er hatte es bis hier her geschafft, er würde auch den Rest des Weges noch schaffen. Er sah den Militärhubschrauber schon vor sich. Plötzlich drang eine ihm wohlbekannte Stimme durch sein Funkgerät. Im ersten Moment war er so erschrocken, dass er sich hysterisch hin- und herdrehte.

Der Hubschrauber sowie das Lager waren verschwunden. Er befand sich wieder im Wald, etwas weiter ab vom Ge-schehen. Erleichtert fuhr er sich über das schweißnasse Gesicht, versuchte wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Ungläubig starrte er auf die Waffe in seinen Händen. Er hatte es doch tatsächlich geschafft, trotz dieses Blackouts. Er spähte in die Richtung, wo er die Konsole vermutete. Sie war jedoch nicht beschädigt worden. Das war aber auch nicht der Sinn gewesen, obwohl es ihm Einziges erspart hätte. Als er sich aufrichten wollte, durchzuckte seine Wade ein ste-chender Schmerz. Er war wirklich gestreift worden. Die Wunde war nicht tief, nur ein Kratzer, aber das Fleisch war ver-brannt und würde sich bald entzünden. Sie mussten also einen Zahn zulegen. Ab heute würde er nie wieder so unvorbe-reitet an eine Sache herangehen. Das war ihm eine Lehre gewesen.
„O’Neill?“, dringt erneut Teal’cs Stimme zu ihm durch. Jack schüttelte die Gedanken an das eben passierte ab und konzentrierte sich wieder auf die Realität. Für Schwäche war jetzt keine Zeit, er musste einen Plan zu Ende bringen.
„Bin hier, Kumpel.“, antwortete er und sondierte noch einmal die Lage. Es hatte sich nicht viel geändert. Beide Par-teien lieferten sich immer noch einen unerbittlichen und unfairen Kampf. Das würde sich hoffentlich bald ändern und der Vorteil sich auf ihre Seite schlagen.
„Geht es dir gut?“, wollte der Jaffa wissen.
Jack entgegnete: „Sicher. Werde diesen Schlagenärschen jetzt Feuer unter dem Hintern machen. Kannst du wörtlich nehmen.“ Er konnte sich bildlich vorstellen, wie sein Freund jetzt wie typisch seine Augenbraue hob und ein ernstes, fast angsteinflösendes Gesicht machte. Dann wandte er sich dem Tok‘ra zu: „Bist du auf deinem Posten, Qu’on?“
„Bin soweit!“, kam eine knappe Antwort. So liebte Jack das. Keine Verzögerungen, alles lief, wie er es wollte.
„Jonas, wie sieht’s bei dir aus?“, fragte O’Neill sicherheitshalber. Er wusste, dass sein junger Freund auf sich Acht geben konnte, ging jedoch lieber auf Nummer sicher. Er war der Kommandant, er hatte sie in diese Lage gebracht. Es war an ihm, dass sie dort heil wieder herauskamen. Mit Jakob verstand sich.
„Will ja kein Spielverderber sein, Colonel, aber wir bekommen Besuch. Ich höre Jaffapatroullien.“, erwiderte Quinn wenig erfreut.
„Ich ebenfalls O’Neill!“, stimmte Teal’c ihm da zu, der den Wortwechsel mitgehört hatte.
„OK, zieht euch diskret zu uns zurück. Auf keinen Fall das Feuer erwidern, dass zieht nur unnötig Aufmerksamkeit auf euch.“, wies Jack sie an und setzte sich wieder in Bewegung.

Unentdeckt gelangte er zur Konsole, wo Qu’on bereits in dessen Schatten auf ihn wartete. Er hatte alles vorbereitet, musste nur noch schnell die Waffe anschließen und dann den inneren Energiekern überhitzen, was sich wiederum auf das Steuerpult auswirken würde. Jack verstand nicht viel von dem, was Qu’on da eigentlich fabrizierte, doch er fragte auch nicht nach. Carter hätte jetzt sicher weitschweifend mit ihren Erklärungen ausgeholt, was nur ihrer Nervosität zuzu-schreiben gewesen wäre, doch der Tok’ra hielt sich diskret zurück. Ihm war wohl längst von Jakob klargemacht worden, dass Jack das nicht die Bohne interessierte.
Geschützt durch die Konsole, die sie vor den Angriffen der Jaffa schützen würde, hielt er Ausschau nach seinen Freunden, doch sie waren nicht zu erblicken. Konnte sowohl ein gutes als auch ein schlechtes Zeichen sein. Er hoffte in-nig auf Ersteres. Er konnte sich keine Verluste erlauben, schon gar nicht jetzt. Das würde nicht nur ihre Angriffskraft schwächen, sondern auch dafür Sorge tragen, dass Sam dennoch nicht Lachen konnte. Er wollte sie glücklich sehen, deswegen taten sie das hier doch nur. OK, er hatte auch vor, General Carter zu retten - dieser war schließlich einer sei-ner besten Freunde - aber vorrangig ging es O’Neill wirklich nur um Sam. War ja auch mehr als verständlich, liebte er sie doch mehr als sein Leben.
Über Elektroden gelangte die Energie der Waffe in das Kontrollpult. Zuerst geschah gar nichts. Das ging Jack zu langsam, aber auch Qu’on würde nichts daran ändern können. Sie würden Gefahr laufen, dass ihnen die Waffe um die Ohren flog und dann wäre es egal, ob sie von den Jaffa umzingelt wurden oder nicht, sie wären schließlich längst Wurm-futter für diesen Planeten. Nervosität stieg in ihm auf, der Zweifel, dass sie es nicht schaffen würden, kroch in seinen Geist, doch er bekämpfte ihn mit Optimismus, wo immer er nur konnte. Wenn doch nur Teal’c und Jonas auftauchen würden, dass hätte ihn milder gestimmt. Als er schon kaum noch damit gerechnet hatte, brannten die ersten Sicherun-gen, oder auch Kristalle, durch, so dass es aus allen Ecken und Enden Funken sprühte.
Unkontrolliert flackerte das Schutzschild auf. Die Jaffa, so konnte Colonel O’Neill erkennen, versuchten vergebens den Schaden zu beheben, indem sie auf die Tastatur mit ihren schlaksigen Fingern einhakten, nichtsdestotrotz verloren sie den Kampf und das Energiefeld brach zusammen. Triumph breitete sich in Jack aus, aber auch eine gewisse An-spannung, denn jetzt war es an ihm, diesen Typen den Gar auszumachen, denn sie konnten ihnen immer noch gefähr-lich werden. Außerdem blieb ihnen nicht mehr viel Zeit, um dieses Ding abzuschießen - das weiterhin kontinuierlich die Gegend um sie herum beschoss - und Jakob zu lokalisieren, bevor die Patrouille bei ihnen eintraf. Selbst Jack konnte jetzt schon ihre Schritte vernehmen. Ihnen blieben nur noch Augenblicke.
Jack deutete Qu’on an, zu warten, zückte seine Zat, welche er zwischen Gürtel und Bund befestigt hatte, und schlich um die Konsole herum zum Eingang. Er hielt sich geduckt, damit man ihn nicht sah, wirbelte dann blitzschnell um die ei-gene Achse und gab einige Schüsse ab. Er traf beide, einen zweimal, den anderen lediglich mit einem Schuss. Er winkte Qu’on und betrat das Kontrollpult. Mit weiteren drei Schüssen ließ er die am Boden liegenden Jaffa verschwinden, wäh-rend sich Qu’on an die Arbeit machte. Das Meiste hatte bereits die Überlastung erledigt, doch die Energieversorgung der eigentlichen Waffensysteme war wohl von denen des Schildes unabhängig, denn sie feuerte weiterhin grelle und vor al-lem laute Energiekugeln auf das Gelände.
Jacks Anspannung wuchs kontinuierlich. Eine Hand auf seiner Schulter ließ ihn herumschnellen, bereit seinen An-greifer auf die Matte zu legen. Erst fast zu spät erkannte er in seinem Feind Jonas überraschtes Gesicht. Für ihn selbst war es längst zu spät gewesen, im vernichtenden Schlag inne zu halten, doch etwas hatte ihn am Arm gepackt und bremste die Wucht seiner ausholenden Bewegung, bis sie allen Schwung verloren hatte und er seine Faust sinken ließ. Verwirrt, fast schreckhaft, ließ er seinen Freund los, dessen Handgelenk er immer noch fest umklammert hielt. Der Sol-dat hatte voll uns ganz die Kontrolle unternommen. Für den Bruchteil von Sekunden war in ihm kein Jack mehr gewesen. Er war einfach verschwunden. Selbst, wenn er Jonas getroffen, wenn Teal’c - er wusste einfach, dass dieser ihn gepackt hatte - ihn nicht zurückgehalten hätte, es ihn wahrscheinlich nicht einmal leid getan hätte. Nicht in diesem Augenblick je-denfalls.
Sein junger Freund starrte ihn nur mit weit aufgerissenen Augen an, unfähig sich zu bewegen. Er wagte ja nicht ein-mal mehr zu atmen. Plötzlich erkannte Jack Daniel in ihm. Den gleichen Ausdruck hatte Daniel gehabt, als Jack ihn ge-schlagen hatte. Nicht absichtlich - war er doch nicht Herr seiner Sinne gewesen - aber er hatte es getan. Hatte sich von Daniel angegriffen gefühlt, als wollte dieser ihm den Besitz stehlen. Es war eine ihrer ersten Missionen gewesen, sie hat-ten sich über Carter unterhalten, welche verletzt worden war. Daniel hatte sich nur freundschaftlich nach ihr erkundigt, doch bei Jack hatte das den Urinstinkt der männlichen Rivalität geweckt. Er war das Alphamännchen dieser Basis, das war schon lange klar gewesen, schon seit seinem ersten Erscheinen in dieser Basis, und Sam war sein persönlicher Be-sitz - so hatte er jedenfalls in diesem Moment gedacht.
Dass Daniel sich nach ihr erkundete, zeugte davon, dass er Jack seiner Position berauben wollte, ihn offen heraus-forderte, und O’Neill tat das, was sein Instinkt ihm gesagt hatte, er verteidigte sein Revier. Er hatte sich im Nachhinein schuldig gefühlt. Nicht sofort, aber als er wieder voll zu Bewusstsein gekommen war. Er wusste selbst, dass er nicht Herr seiner Sinne gewesen war, dass Daniel ihm das längst vergeben hatte, aber als er ihn dort so liegen sah, bewusstlos und immer noch von dem Virus, der sie alle befallen hatte, beeinflusst, überkam ihn Scham. Sein Leben war darauf ge-strickt, Schwächere zu verteidigen und an diesem Tag hatte er absichtlich und voller Kampfeslust dagegen verstoßen. Noch heute schauderte es ihm bei dem Gedanken.
Er schüttelte die Gedanken an damals ab, versuchte, es sich nicht allzu bildlich vorzustellen, da er die Befürchtung hatte, dieses Erinnerungsgerät würde noch weitere, viel schlimmere Erinnerungen ans Tageslicht befördern, die er im Moment wirklich nicht gebrauchen konnte. O’Neill brauchte seinen klaren Kopf. Er wandte seinen Blick von dem immer noch perplexen und versteinerten Jonas ab und sah sich um. Die stählernen Schritte der Jaffa kamen näher, der Schutz-schild würde für den Fall des Angriffs nicht wieder aktiviert werden können und sie bildeten - so mitten auf der Lichtung - eine perfekte Zielscheibe. Selbst ein Anfänger könnte ihnen Schaden zufügen. Jack blickte zu Teal’c, suchte seine Bes-tätigung - sie waren Krieger, verstanden einander stumm - und dieser nickte nur, nahm seine Stablanze in Anschlag und sondierte die Umgebung.
Colonel O’Neill tat es ihm gleich, gab Qu’on zu verstehen, dass dieser sich gefälligst beeilen sollte, Jakob ausfindig zu machen. Die Kugelblitze und der laute Krach verschwanden für einen Augenblick, dann setzte er mit größerer Wucht und fiel dichter wieder ein. Sie fuhren vor Schreck ein Stück in sich zusammen, als nur knapp neben ihnen eine Energie-entladung auf dem sandigen Boden nieder ging. Dreck wurden aufgewirbelt, hinterließ eine kleine Staubwolke über der Erde. Von weit ab hörten sie Schmerzensschreie, Stöhnen und Worte, die in einer für Jack fremdartigen, aber dennoch bekannten, Sprache geschrieen wurden. Qu’on hatte ihnen, indem er den Einzugsbereich veränderte, die Jaffa vom Hals gehalten, ihnen ein Zeitfenster geschaffen, ihren Freund zu suchen. Fragte sich bloß, wie sie ihn finden sollten. Das Ge-lände war nicht gerade klein und man konnte sich in der schützenden Dunkelheit gut verstecken.
Aber auch dafür schien eine Antwort von seitens dem Tok’ra gefunden worden zu sein, denn er hatte den Kommuni-kator mit dieser Steuerkonsole verbunden, so dass er Lautsprecherdurchsagen machen konnte, die sich weit über das gesamte Gebiet erstreckten. Jack fragte sich erst gar nicht, wie das funktionierte, es tat es einfach und das war alles, was er wissen musste. Sam hätte das sicherlich auch hingekriegt, doch hätte sie mehr Zeit gebraucht. Etwas, dass sie nicht hatten. Selbst jetzt nicht, denn Trotz der Ablenkung würde die Patrouille unaufhörlich vorrücken. Sie mussten hier verschwinden. Sie hofften, Jakob würde sich irgendwie bemerkbar machen können. Zumindest meinte Qu’on, dass Ja-kob noch ein funktionierendes Kommunikationsgerät haben müsste. Alle beteten dafür, dass dieser Recht hatte und sie ihren Freund bald finden würden.
Jack übernahm es, Sams Vater zu rufen: „Jakob, hören sie mich? Kommen sie schon, melden sie sich! Irgendwie! Ich weiß, dass sie hier sind, verdammt noch mal, wachen sie auf und sagen sie mir, wo sie sind!“ Seine Stimme über-schlug sich fast, war eine Mischung aus Zorn und Sorge. O’Neill war außer sich. So hatte er sich nicht mehr gefühlt, seit… Gott, dass war erst ein paar Stunden her. Die gleiche zerberstende Ungewissheit, die ihn von innen heraus aufge-fressen hatte, wie bei Sams Verschwinden und ihrer anschließenden Suche. Durch Zufall hatten sie Carter gefunden, er hoffte, das Glück wäre ihm wieder holt. Darauf wetten konnte er nicht, schien doch jedes Mal sein Glück aufgebraucht, wenn er erneut in scheinbar ausweglose Schwierigkeiten geriet.
Hier musste er darauf vertrauen, dass sein Freund noch genug davon übrig hatte, damit sie ihn fanden, falls er sich überhaupt auf diesem verdammten Planeten aufhielt. Immer wieder wiederholte er in ähnlicher Ausführung seinen aus-drücklichen Befehl, seine eindringliche Bitte, sein stummes Flehen. Jedes Mal einen Funken leiser und besorgter, dass etwas hätte passiert sein können. Auch Jack begann langsam zu zweifeln. Wollte es nicht, zwang sich gerade zu dazu, es nicht zu tun, konnte es jedoch nur schwer aufhalten. Genau zu dem Zeitpunkt, als er die Hoffnung aufgeben und all das hier für sinnlose Zeitverschwendung abstempeln wollte, erhielt er seine gewünschte Antwort. Ein greller Blitz am Himmel. Er wartete auf den folgenden Knall, doch dieser blieb aus. Das Licht verschwand auch nicht, war immer noch schwach zu erkennen. Die Erkenntnis traf ihn wie ein herber Schlag ins Gesicht…
Daniel! Sein Freund gab ihm ein Zeichen, bewegte sich auf sehr dünnem Eis, indem er ihm bei der Suche half. Colonel O’Neill war dankbar für die Unterstützung, die sein Freund ihm hatte zukommen lassen. Daniels Gründe waren jedoch sicher nicht, dafür zu sorgen, dass es Jack besser ging, sondern Sam. Sie hatten sich immer schon sehr nahe gestanden, waren vom gleichen Kalieber. Bruder und Schwester - das beschrieb die ganze Geschichte wohl am Besten. Es war nie mehr zwischen ihnen gewesen, Jack wusste das. Ihre Empfindungen für einander waren nie über tie-fe Freundschaft hinausgewachsen, was wohl eher für seine Gefühle für diese Frau zugetroffen hätte. Er teilte seine Er-kenntnis den anderen mit, welche ihn voller Skepsis ansahen - bis auf Teal’c verstand sich. Sie wussten nichts von Da-niel und Jack hatte es erfolgreich verschwiegen, selbst jetzt.
Er würde sich eine plausible Ausrede einfallen lassen, sobald sie zurück waren. Ihm schien dieser Planet sowieso ir-gendwie bekannt vorzukommen. Nicht, dass er nicht aussehen würde wie jeder andere, den sie betreten hatten, und dieses Klima aufwies, aber dennoch war die Umgebung irgendwie vertraut. Hier gab es einen Goa’uldstützpunkt, viel-leicht war gar nicht mal er es, der sich schon einmal hier befunden hatte. Eventuell entsprangen diese bekannten Ein-drücke aus den Erinnerungen seines nicht wirklich freiwilligen Gastes Kanaan. Wäre immerhin eine plausible Erklärung und die Tok’ra konnten sich nicht sicher sein, wo Kanaan schon alles im Universum herumgegeistert war. Die Galaxie war riesig, da verlor man einen einfachen Tok’ra schon mal für einige Zeit aus dem Blickfeld. Ihn hatte man auch oft ge-nug irgendwo vergessen. Er wollte gar nicht weiter darüber nachdenken. Wenigstens hatte er jetzt eine glaubwürdige Ausrede. Na ja, halbwegs jedenfalls. Der Rest ist ein Kinderspiel!

Sie kamen dem Licht verdächtig nahe, als es verschwand. Daniel wollte anscheinend nicht gesehen werden. Gesicht wahren oder so. Sie riefen nach Jakob, hielten immer wieder inne und lauschten - durchstöberten die Gegend nach Un-terschlüpfen. Colonel O’Neill schlug vor, sich zu trennen, jedoch nicht allzu weit auseinander zu driften. Sie brauchten den anderen, sobald die Jaffa es schafften, sich aus dem Einzugskreis der Maschine zu entfernen und auf sie zusteuer-ten. Nur zusammen hätten sie eine reelle Chance, zu verschwinden.
„Jakob, verdammt noch Mal, melden sie sich endlich. Wo zum Teufel stecken sie?“, ließ Jack wütend und vor allem tierisch laut verlauten. Er hörte ein Stöhnen dicht neben sich. Eine Ansammlung von Büschen versperrte ihm die Sicht, auf das, was sich dahinter verbarg - oder wer. Er schob das Strauchwerk zur Seite und erblickte einen geschundenen, blutverschmierten und halb bewusstlosen General Carter. Mit einem Satz war er neben ihm, kniete nieder und fühlte den Puls. Schwach aber ruhig und gleichmäßig. Sein Freund würde es überstehen. Selmak würde schon dafür sorgen. Frag-te sich bloß, wie er ihn hier wegschaffen sollte. Er brauchte Hilfe - Teal’c! Er packte entschlossen sein Funkgerät und teilte mit: „Ich habe ihn gefunden. Südlich von euch!“
Erst in diesem Moment bemerkte er das Bündel in den Armen seines Freundes. Es bewegte sich. War das die Ent-deckung, die Jakob retten wollte. Als er das Baumwolltuch vorsichtig, fast wie hypnotisiert, zurückstreifte - seine Hände zitterten leicht vor Anspannung - kam das Gesicht eines Neugeborenen zum Vorschein. Er formte das Wort Baby mit seinen Lippen, brachte jedoch keinen Ton heraus. Ein Kind? Sein Freund hatte ein Kind gerettet. Es könnte der Grund für den plötzlichen Angriff gewesen sein. Ein Goa’uldsäugling eventuell, den Anubis unter allen Umständen los-werden wollte. Qu’on hatte doch gemeint, dass Bastet ständig mit ihren Vertragspartnern Korrespondierte. Vielleicht wollte sie sich schwängern lassen?
Aber das war doch verboten oder hatte Jack da etwas falsch verstanden. Konnte ja sein, dass er sich irrte, wäre nicht das erste Mal. Aber wieso ausgerechnet ein Kind? Er nahm es seinem Freund ab, der vor Schmerz leise stöhnte, zu sich kommen zu schien, bettete es sanft in seinen Armen. Große braune Augen starrten ihn an, untypisch, wenn man be-dachte, dass das kleine Bündel blondes Haar hatte. Es war ein Junge, ein kleiner, strammer Bursch. Das weckte Erinne-rungen - Gute und Schlechte. Das Kind konnte höchstens ein paar Wochen alt sein. Was suchte so ein unschuldiges Geschöpf auf solch einem furchtbaren Planeten? Es musste mehr dahinter stecken, dass Jakob dieses gerettet hatte, als Vaterinstinkte. Irgendetwas war besonders an dem kleinen Knirps. Intuition.
„Er ist wunderschön, nicht wahr?“, sagte eine Jack wohlbekannte Stimme hinter ihm. Er fuhr herum, erhob sich und blickte in zwei stahlblaue Augen. Daniel. Wenn Jack nicht alle Hände voll gehabt hätte, er hätte sich selbst gekniffen, nur um sicher zu gehen, dass es kein Traum war. Sein Freund stand wirklich und wahrhaftig vor ihm, die Arme vor der Brust verschränkt, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. O’Neill verspürte das Verlangen, seinen Freund zu umarmen, ihn nie wieder gehen zu lassen, doch das würde nicht geschehen. Er würde ihn nicht halten können, also wollte er es erst gar nicht soweit kommen lassen, dass er begann zu klammern. Sie hatten das geklärt. Er ging seinen Weg und Daniel den, der für diesen richtig erschien. Nichts anderes würde in Erwähnung gezogen.
Jack nickte und fragte schließlich: „Was ist er?“
„Nicht was, wer!“, antwortete Daniel, sprach in Rätseln. Jack hob beide Augenbrauen, sah ihn abwartend an. Seine stumme Aufforderung, diese Tatsache in verständlichen Worten für ihn zu erläutern. Sein Freund fuhr fort, schien nur auf diesen Ausdruck in O’Neills Gesicht gewartet zu haben: „Er ist du, Jack! Sie haben dich geklont.“ Fassungslos starrte Jack Daniel an, konnte nicht glaube, was sein Freund ihm anvertraut hatte. Geklont - das Wort formte sich lang-sam in seinem Geist. Vieles hätte er diesen Schlangenärschen zugetraut, aber nicht ausgerechnet das. Geschockt war er ja schon gewesen, als Daniel ihm damals berichtet hatte, dass Shau’ris Sohn so ein Harsissesdingsbums war, der das gesamte Wissen der Goa’uld in sich vereinigte.
Anwiderung verspürte er, als er von Sam hörte, dass Sokar sich einen Wirt aus Unas und Mensch gezüchtet hatte. Selbst Nirrtis Experimente mit Cassandra als lebendige Bombe oder neuen, verbesserten Wirt hatte er begreifen kön-nen, aber ausgerechnet ihn zu klonen... Wenn es Sam gewesen wäre - schließlich bevorzugte Bastet weibliche Wirte, um Konversationen mit den männlichen Goa’uld zu pflegen - aber ihn? Solch eine Unverschämtheit hätte er von ihnen nicht erwartet. Wenn er dieser Bastet über den Weg laufen sollte, dann würde er ihr mit bloßen Händen den Hals um-drehen. Er hatte Katzen schon immer gehasst, besonders, wenn sich eine Goa’uld als diese darstellen ließ. Was wollte sie mit einem Baby, dass seine Gene besaß? Das ergab für ihn keinen Sinn.
„Wieso?“, war alles, was er herauszubringen vermochte.
„Weil die Erde ganz oben auf der Liste der Goa’uld steht und Bastet hoffte, ihn gegen dich eintauschen zu können, sollte einer der Goa‘uld dich gefangen nehmen, der mit ihr kopulierte.“, berichtete Daniel. Um sie herum war es still ge-worden. Jack hatte gerade noch ein neues Wort gelernt, dass Sex stilvoll umschrieb. Zögernd fuhr sein Freund fort: „Auch die anderen hatte sie klonen wollen, doch lediglich von dir war ausreichend Material vorhanden. Ba’al war ziemlich großzügig.“ Dass dieser Schlangenkopf darin involviert gewesen war, hätte Jack sich auch ohne diese Bemerkung aus-malen können. Wo sonst hätten sie frische DNS herbekommen sollen, wenn nicht aus der Zeit in Ba’als Gefangenschaft. Sein Glück schien wohl gewesen zu sein, dass die anderen so schnell eine Lösung für sein Problem gefunden hatten. Dennoch hätte Daniel das verhindern müssen. Dieses Kind konnte doch nichts für sein Leben. Es hätte nie da mit hi-neingezogen werden dürfen. Das war dem kleinen Wesen gegenüber nicht fair.
O’Neill brauste auf: „Das ist nur ein Baby!“
„Jetzt noch! Nirrti ist jedoch dabei gewesen, ein Verfahren zu entwickeln, um ihn schneller heranreifen zu lassen.“, wandte Jackson ein.
„Haben die beiden etwa auch... korrespondiert?“, hakte Jack nach, einen undeutbaren Ausdruck im Gesicht. Anzüg-lich bemerkte er: „Hätte ich zu gerne gesehen.“ Daniel verdrehte die Augen. Nur sein Freund konnte in Augenblicken wie diesen an Sex denken, in denen es noch nicht einmal um ihn ging. Allein bei dem Gedanken daran, dass diese beiden Frauen miteinander intim wurden, ließ Colonel O’Neill bereits schlecht werden. Er fand Nirrti einfach widerwärtig und das nicht nur, weil sie eine Goa’uld war. Diese war auch ganz und gar nicht sein Typ. Er hoffte, sie nie wieder sehen zu müs-sen - jedenfalls nicht in nächster Zeit.
„Jack!“, ermahnte Daniel ihn. „Gib mir das Kind! Ich verspreche, es an einen sicheren Ort zu bringen. Niemand wird ihm ein Leid zufügen, dafür sorge ich.“ Er hielt O’Neill seine Hände entgegen, wartete geduldig darauf, dass dieser ihm das Bündel übergab. Jack starrte auf den Säugling hinab - in dessen riesige, rehbraune Augen, in das rosige Gesicht mit den paar blonden Strähnen auf dem Kopf - welcher ihn anlächelte. Für einen Moment spielte O’Neill mit dem Gedanken, das Kind selbst aufzuziehen, schließlich war es so etwas wie sein Sohn, doch er verwarf die Idee gleich wieder. Er wür-de sich nicht heraushalten können, das wusste er, und dieses Kind hatte einen besseren Vater verdient, als den, den er abgeben würde.
Sanft sprach er zu ihm: „Pass gut auf dich auf und mische dich ja nicht in intergalaktische Angelegenheiten ein, be-schweren einem nur graues Haar. Außerdem willst du doch sicher nicht so ein Griesgram werden, wie ich, oder? Such dir lieber ein hübsches Mädchen und lass dich irgendwo nieder.“ Danach überreichte er den Jungen an seinen Freund. Er vertraute Daniel sein Leben an - auch wenn dieser sich durch den Aufstieg verändert hatte - wieso nicht auch das dieses Kindes. Da war nichts mehr von dem Mann, der um jeden Preis seine Freunde und Schwächere schützen wollte, doch damit konnte Jack leben, solange es nur Momente wie diese gab, in welchen er wenigstens einen gewissen Teil der Beschützerrolle wieder einnahm.
Jackson verwandelte sich in ein Lichtwesen und war bereits dabei, zu verschwinden, als O’Neill ihn zurückhielt: „Warte! Wir sehen uns, oder?“ Daniel nickte entschieden.
„Wir sehen uns bald wieder, vertrau mir!“ Jack blickte seinem Freund nach, als dieser entschwebte. Er wollte diesen nicht gehen lassen, doch wie hätte er ihn auch aufhalten sollen. Daniel war lediglich ein Geist oder etwas in der Art und O’Neill hatte damals seinen Schuh durch ihn hindurch werfen können. Ihm war es ein Rätsel, wie Daniel dann das Kind davontragen konnte. Ohma hatte es ebenso hinbekommen, wieso sein Freund dann nicht auch. Das war eine der Myste-rien, die er wohl nie begreifen, aber als Solches hinnehmen würde.

Ein lautes Stöhnen ließ Colonel O’Neill herumfahren. Jakob kam zu sich. Erst flatterten nur unkontrolliert dessen Li-der, dann öffnete er die Augen. Erleichtert fiel Jack ein Stein vom Herzen. Er kniete sich sofort wieder neben seinen Freund, hörte bereits die Schritte seiner Begleiter hinter sich.
„He, mein Freund, Zeit zum Aufwachen!“, begrüßte er General Carter und half ihm, sich aufzurichten.
„Jack, was machen sie denn hier und wo ist das Kind?“, fragte dieser verwundert, sich nach dem Säugling umse-hend. Auch ohne einen Blick in Teal’cs Gesicht, welcher sich genau hinter ihm postiert hatte, wusste O’Neill, dass jener eine Braue wie typisch nach oben wandern ließ.
Jack wehrte ab: „Später Jakob! Alles weitere, wenn wir zu Hause sind.“ Er half seinem alten Freund auf die Füße, stützte ihn leicht, indem er dessen Arm immer noch zwischen den Händen hielt, bereit jeden Augenblick fester zuzupa-cken, damit Jakob nicht wieder in sich zusammensackte. Dieser war zwar immer noch schwer lädiert, ansonsten jedoch kräftig genug, alleine zu gehen, wenn auch mit etwas Unterstützung von Teal’c, welcher O’Neills Platz eingenommen hatte, nachdem dessen Bein schmerzlich zu protestieren begann. Eine schallende Explosion zog nur wenige Augenbli-cke später ihre Aufmerksamkeit auf sich.
Diese kam aus der Richtung, in welcher sich die Maschine befunden hatte. Entweder hatten die Jaffa es geschafft, die Steuerkonsole zu zerstören, womit sie sich ins eigene Fleisch geschnitten hätten, oder diese hatte sich selbst ver-nichtet. Keine sehr intelligente Technologie, wenn man bedachte, dass sie sich selbst zur Zielscheibe gemacht hatte, anstatt das unter allen Umständen auszuschließen. Goa’uld dachten halt auch nicht an alles, waren sie doch viel zu ar-rogant dazu. Sicherlich hätten sie nie eingeplant, dass ihr Schutzschild überwunden werden könnte. Schon gar nicht von einer Handvoll primitiver Menschen.
„Wir sollten endlich verschwinden.“, sprach Jonas gequält aus, was alle andere zum selben Zeitpunkt dachten. Sie machten sich auf den Rückweg. Quinn und Qu’on gingen voran, sollten dafür Sorge tragen, dass die Verbindung stand und die anderen drei Männer problemlos ohne weitere Schwierigkeiten hindurchgehen konnten. Die Jaffapatrolie würde sich sicherlich auch in Richtung Tor begeben. Das war nur logisch und dazu am Effektivsten. Es war die einzige Mög-lichkeit für sie, von diesem Planeten zu fliehen. Zumindest das Militär hätte so gehandelt, diese Schlussfolgerung getrof-fen. Wenn Jack nicht gewusst hätte - Teal’c war das lebende Beispiel - dass diese Schlangenärsche strategisch wie er denken würden, hätte er es glatt in Erwägung gezogen, zu hoffen, sie würden woanders nach ihnen suchen. Die Chan-ce, dass dem wirklich so sein würde, war praktisch gleich Null.
Sie kamen auch lang nicht so schnell voran, wie Jack es sich gewünscht hätte. Sein Bein war nicht bereit, ihn noch schneller zu tragen - das Adrenalin hatte ihn zu Anfang keinen Schmerz spüren lassen, doch jetzt litt er dafür doppelt so sehr, und Jakob stolperte mehr vor sich hin, als das er lief. In jeder Beziehung war alles grundsätzlich schiefgelaufen. Colonel O’Neill hatte ganz gegen seine Natur gehandelt, war unvorsichtig und leichtsinnig gewesen, hatte seine Freunde in Gefahr gebracht, gegen ausdrückliche Befehle verstoßen und sich zu allem Überfluss auch noch anschießen lassen. Das alles nur, weil ein alter - toter - Freund mit den Augen geklimpert und eindringlich auf ihn eingeredet hatte. Von nie-mand anderem, außer Daniel, hätte er sich so manipulieren lassen.
Dieser hatte es schon immer geschafft, seinen Willen durchzusetzen. Selbst nach seinem Tod konnte dieser das nicht lassen. Nicht, dass Jack nicht froh gewesen war, mal wieder etwas von Jackson zu hören, vermisste er diesen doch schrecklich, nichtsdestotrotz wären ihm andere Umstände - nicht annähernd so lebensbedrohliche - lieber gewe-sen. Das hätte ihn wahrscheinlich nicht in solche Schwierigkeiten gebracht. Leider waren diese, egal, wo sein Freund auch hinging, vorprogrammiert. Er hätte es doch von Anfang an ahnen müssen, kannte er Daniel doch mittlerweile schon fünf Jahre. Ich lerne es wohl nie!

Am Fluss angekommen, nahmen Teal’c und Colonel O‘Neill Sams Vater in die Mitte und trugen ihn halb über das Wasser. Alleine wäre er wahrscheinlich schon nach den ersten Schritten ausgerutscht, falls er sich überhaupt hätte auf den Beinen halten können. Zu schwach war er noch. Er schien gefoltert worden zu sein. Auch Jack war nicht mehr der Unverwüstlichste, rutschte er nach der Hälfte des Weges auf einem der vielen im Flussbett liegenden Steine aus, konnte jedoch gerade noch so von Teal’c und Jakob an der Jacke gepackt und auf den Füßen gehalten werden. Mit einem Ni-cken deutete O’Neill seine Dankbarkeit an und sie setzten den Weg fort.
Er fragte sich, wie der Hüne die Kraft aufbrachte, ihn vor dem Fall zu bewahren sowie gleichzeitig General Carter zu stützen, der alles andere als leicht war, und seine eigene Balance zu halten. Jeder andere wäre sicherlich ebenfalls aus-gerutscht und mit ihnen zu Boden gegangen. Jack bewunderte Teal’c immer wieder für dessen übermenschliche Kraft und den eisernen Willen, den dieser Mann aufbringen konnte, wenn andere bereits mit ihrem Leben abgeschlossen und alle Hoffnung aufgegeben hatten. Auch Jack selbst konnte eine Menge einstecken, aber er war sich sicher, dass er nicht annähernd soviel hatte durchmachen müssen, wie sein schweigsamer Freund neben ihm.
Beide waren sie durch die verschiedensten Höllen gegangen, hatte sich Befehlen beugen müssen, die gegen ihre Ethik verstießen, verloren geliebte Menschen - Sohn oder Frau - kämpften jeden Tag darum, dass Frieden und Freiheit im Universum herrschten, versuchten dabei, sich selbst nicht zu vergessen und fochten mit ihren inneren Dämonen um die Vorherrschaft ihrer Gedanken - gewannen meist, mussten aber auch immer wieder Niederlagen einstecken. Sie wa-ren sich sehr ähnlich - anders als Daniel und Jack - Krieger mit makaberer Vergangenheit und ebenso harter Gegenwart. Ihre momentane Situation verdeutlichte das nur allzu gut.
Hinter ihnen waren die ersten Schritte der Jaffa zu vernehmen. Leise fluchend stapfte O’Neill vorwärts, sie steigerten ihr Tempo, um wieder außer Reichweite zu kommen. Die Vorsicht, nicht ins Wasser zu stürzen, konnten sich die Drei nun nicht mehr leisten. Dem ungeachtet schafften sie es irgendwie heil und trocken zum anderen Ufer. Von dort aus war es nicht mehr allzu weit - vielleicht noch zwanzig Minuten, wenn sie sich beeilten. Auch ihre Verfolger hatten das Tempo erhöht, kamen aus südwestlicher Richtung auf sie zu. Jack war drauf und dran, sich für seine fehlende Weitsicht selbst in den Hintern zu treten. Es wäre schon ein Wunder nötig, um sich noch rechtzeitig zum Tor retten zu können und das, oh-ne nennenswerte Schäden davonzutragen.
Dafür waren sie jedoch fiel zu langsam. Jakobs Verletzungen und seine eigene Wunde hielten sie auf. Jack war si-cher, Selmak tat, was sie konnte, um seinen Freund genesen zu lassen, doch ließ sie sich damit eindeutig zu viel Zeit. Etwas Beeilung wäre andererseits auch nicht verkehrt. Ungefähr jetzt mussten Jonas und Qu’on beim Stargate ange-kommen sein und entweder nach Hause oder den Tok’rastützpunkt anwählen. Wenigsten sie hätten noch die Chance, bei wachsender Gefahr durch die Jaffa, den Planeten zu verlassen. Auch Teal’c könnte es noch weitgehend ohne Wi-derstand bis zum Tor schaffen, wenn Jack ihn jetzt wegschickte. Es waren nur noch 10 Minuten - fünf, wenn er lief. Der Hüne schien zu genau derselben Schlussfolgerung gelangt zu sein.
„Geh schon vor, O’Neill!“, meinte dieser nämlich plötzlich. Jack blickte den Jaffa ungläubig an.
„Kommt nicht in Frage! Ich habe euch in diese Scheiße hineingezogen, du wirst sie jetzt nicht für mich ausbaden. Wenn hier einer die Beine in die Hand nimmt, bist du das!“, stellte dieser unmissverständlich klar. Teal’c nickte nur, doch bezweifelte Colonel O’Neill, dass er überhaupt zugehört hatte. Manchmal konnte sich sein Freund ziemlich stur stellen. Dies würde wieder einer dieser Momente werden, soviel war sicher. Fragte sich nur, wann der Jaffa beginnen würde, seinen Dickschädel vollends überhand nehmen zu lassen.
Jakob hakte ein, nur damit die beiden nicht noch einen handfesten Streit vom Zaun brachen: „Wie habt ihr mich ei-gentlich gefunden?“ Ihm war schon klar, dass für einen Kaffeeklatsch keine Zeit war, aber für Auseinandersetzungen noch weniger. Außerdem war das vielleicht die letzte Gelegenheit, etwas zu erfahren, auch wenn er bezweifelte, eine Antwort zu erhalten, mit der er etwas anfangen konnte. Die Jaffa kamen näher und gegenüber General Hammond wür-den zumindest Jacks Freunde leugnen, eine unerlaubte Mission hätte stattgefunden. Es könnte ihm seine Karriere kos-ten, doch auch daran hatte er natürlich keinen Gedanken verschwendet. Das war auch so ziemlich das Letzte, an das er jetzt zu denken hatte, rückte die Jaffa doch unaufhörlich weiter vor.
„Kanaan!“, war alles, was O’Neill zum Besten gab. Das Sternentor tauchte in diesem Augenblick vor ihnen auf, ge-nauso wie die Jaffa, welche den Schutz des Waldes verließen und auf sie zu feuern begannen. Es waren einige Dutzend - sie trugen die unterschiedlichste Bewaffnung. Jack riss seine MP hoch und gab ein paar Salven auf die Verfolger ab. Kurz darauf war auch schon das Magazin leer und lediglich ein dumpfes Klicken ertönte. Er löste die Waffe und ließ die-se fallen. Sie wäre nur Ballast, würde er sie dennoch mitnehmen. Teal’cs Stabwaffe hatten sie ebenfalls zurücklassen müssen, als sie Jakob gefunden hatten. Jetzt blieben ihnen nur noch eine Handfeuerwaffe und die Zats, die sie sich von den Tok’ra geborgt hatten.
Tatkräftig unterstützten Jonas und Qu’on die drei Männer mit ihren Stablanzen, doch aus dieser Entfernung konnten sie nicht allzu viel ausrichten, außer die Angreifer auf Abstand zu halten. Nichtsdestotrotz näherten sich die Jaffa unauf-hörlich, achteten lediglich darauf, nicht in die Schusslinie zu geraten, sondern hinter Jack und seine zwei Kameraden zu kommen. Die Verbindung stand nicht, die Symbole waren jedoch bereits gewählt worden - sie brauchten nur noch zu ak-tivieren - doch die drei Männer waren immer noch fünf Minuten vom Gate entfernt, zu weit weg, um ein Wurmloch aufzu-bauen. Es würde in sich zusammenbrechen, eh sie es passieren könnten. Man könnte es von der anderen Seite jedoch offen halten, doch dazu müssten Quinn und der junge Tok’ra zuerst einmal hindurchgelangen. Jetzt hatten sie noch eine reelle Chance dazu.
Jack musste sich entscheiden. Wenn er sie wegschickte, wären sie auf sich allein gestellt und das würde ihre Aus-sichten, zu entkommen, so ziemlich gen Null sinken lassen. Dem ungeachtet schien ihm gar keine andere Wahl zu blei-ben. Wenigstens seine Freunde - wenn er sie so nennen konnte - sollten die Möglichkeit erhalten, unbeschadet aus die-ser verzwickten Situation zu befreien. Schließlich rief er den anderen zu: „Verschwindet von hier! Geht schon!“ Jonas be-tätigte den runden Quarzkristall des DHD’s und das Wurmloch baute sich mit lautem Getöse und einem wuchtigen Anti-materiewirbel, im inneren des riesigen Rings aus Naquada, auf. Nachdem sich der Ereignishorizont etabliert hatte, traten Qu’on und Quinn unter andauerndem Feuern durch das Tor und verschwanden. Die Verbindung blieb bestehen. Sie hiel-ten den Heimweg offen.
Es waren nur noch einige Meter. Jack spürte, wie Jakob immer schwerer wurde und seine Wade unerträglich zu schmerzen begann - sein Bein versagte immer wieder für Sekundenbruchteile den Dienst. Sicherlich blutete er jetzt auch aus dem Streifschuss, denn er spürte eine unnatürliche Wärme unter seinen Sachen und in seinem Schuh. Die stähler-nen Schritte der Jaffa waren nahe, immer wieder schlugen Slawen aus Stab- oder anderen Waffen dicht neben ihnen ein. Hakenschlagend bewegten sie sich vorwärts. Blind schoss Jack mit seiner Zat in die Reihen der Jaffa, streckte nur wenige von ihnen nieder - es wurde langsam unangenehm warm zwischen seinen Fingern, während sich die Waffe im-mer weiter aufheizte. „Teal’c, du auch!“
„Ich werde euch nicht zurücklassen, O’Neill!“, entgegnete der Hüne lakonisch und Jack wusste, dass er dessen Mei-nung nicht umstimmen konnte. Diesem Dickkopf war selbst er nicht gewachsen. Wenn Teal’c etwas als wichtig oder notwendig erachtete, konnte ihn niemand vom Gegenteil überzeugen - nicht einmal, wenn es um dessen eigenen Tod ging. Daniel und O’Neill hatten es einmal versucht, ohne Erfolg. Dennoch wollte dieser dazu ansetzen, ihn wegzuschi-cken. Dazu kam er nicht mehr, da sich sein Kamerad kurzerhand dazu entschloss, Jakob zu packen und zu schultern, um dessen Last allein zu tragen. Teal’c war stark, er würde diese Belastung durchhalten, auch wenn es ihn an seine Grenzen brachte, soviel war sicher.
Fluchend gab Jack seinem Freund Feuerschutz, griff auch noch zu dessen Waffe, um sich die Verfolger vom Leib zu halten. Diesmal gab er jedoch ganz gezielte Schüsse ab, da er sich jetzt nur auf diese Aufgabe konzentrieren musste. Sie erreichten das DHD, an welchem eine Art Haftmiene befestigt worden war. Anscheinend hatte Qu’on die brillante Auffassung vertreten, dass diese ihnen unter keinen Umständen folgen, geschweige denn die Koordinaten erfahren soll-ten. Teal’c setzte Jakob wieder ab und trat mit ihm durch den Ereignishorizont. Jack tat es ihnen nur wenige Sekunden später gleich und entging damit nur knapp einer Energieentladung, die genau auf ihn zugesteuert hatte. Reißend wurde er vorwärts gezogen und wieder zerstreuten sich seine Gedanken in den Weiten des Universums.

Kaum, dass Colonel O’Neill auf der anderen Seite des Sternentores aus dem Ereignishorizont geschleudert wurde und sich ungeschickt über die Schulter abrollte, presste Qu’on seinen Daumen auf den Knopf des Fernzünders und am anderen Ende des Wurmlochs explodierte das DHD. Durch die Druckwelle wurden einige Jaffa in Mitleidenschaft gezo-gen und die Verbindung unterbrochen. Keuchend kam Jack auf die Füße. Für einen kurzen Augenblick gab sein verletz-tes Bein erneut nach und er wäre zu Boden gesackt, hätte Jonas ihn nicht gepackt und gestützt. Er war dankbar für die Hilfe, deutete das mit einem Nicken an.
Ein schneller Blick in die Runde verriet ihm, dass alle in Ordnung und sie nicht alleine waren. Um sie herum standen einige Tok’ra, darunter auch Anise - anscheinend aus Angst vor ihrem Versuchskaninchen - und natürlich auch Major Carter. Diese hatte ihren Vater herzlich in die Arme geschlossen und war anscheinend nicht gewillt, ihn in den nächsten Stunden wieder frei zu geben. Ein erleichtertes Lächeln huschte über Jacks Lippen. Allein für diesen Anblick hatte es sich gelohnt, diese Strapazen auf sich zu nehmen. Wieso war ich dann gleichzeitig auch so traurig?
„Dad, ich bin so froh, dass es dir gut geht.“, stieß Sam mit tränenerstickender Stimme hervor. Sie war ganz offen-sichtlich überglücklich, ihren Vater wieder zu haben, doch Jack erkannte auch eine gewisse Bedrücktheit im Klang ihrer Stimme. Ihr wurde wahrscheinlich gerade genau wie ihm bewusst, dass er Recht behalten hatte. Ihr Vater würde noch lange Zeit zwischen ihnen stehen.
„Ich dachte schon, ich würde es nicht schaffen. Wären Jack und die anderen nicht gewesen...“ Er ließ den Satz ab-sichtliche offen. Jeder der Anwesenden konnte sich denken, was er damit sagen wollte.
„Tja sie kennen uns ja! Wir sind immer da, wo etwas los ist.“, konnte O’Neill sich diesen zynischen Spruch nicht ver-kneifen. Selbst in Momenten wie diesen konnte er nicht aus seiner Haut. Einiges würde sich halt nie ändern.
Mit bebender Stimme bat sie, sich noch enger an ihren alten Herren schmiegend: „Tu mir das bitte nie wieder an!“
„Ich verspreche es dir, Kleines.“, gab Jakob, ebenfalls den Tränen nahe, zurück. Es war ein bewegender Moment und Jack hätte sich eigentlich für die beiden freuen müssen, doch er empfand nur Trauer und Wut. Er hatte gerade sein Schicksal besiegelt - würde nie mit der Frau, die er so begehrte, zusammenkommen - somit für immer alleine bleiben. Das machte ihn wütend auf sich selbst und die Ungerechtigkeit des Lebens, welches er führte und das er nicht bereit war, aufzugeben. Für ihr Glück würde er sicherlich lernen damit klarzukommen. Er war es schließlich auch gewesen, der sie abgewiesen hatte, also blieb ihm im Grunde gar keine andere Wahl.
Ein kleiner Trost war es, dass Sam in seiner Nähe sein, dass er sie immer um sich haben würde, jetzt mehr denn je. Gedanklich ohrfeigte er sich selbst dafür, dass er überhaupt in so einem Augenblick zugelassen hatte, so zu empfinden. Er sollte sich gefälligst freuen. Er hatte einen seiner besten Freunde gerettet, den Goa’uld obendrein noch richtig in den Hintern getreten, die Frau, die er über alles liebte, konnte wieder ungezwungen lachen und hatte den wohl wichtigsten Teil ihrer Familie zurückgewonnen. Dem ungeachtet konnte er es nicht. Jedenfalls noch nicht. Doch er würde es bald - für sie.
Ihre Blicke trafen sich, ein stummes ‚Danke‘ verließ ihre Lippen. Mehr konnte er zu diesem Zeitpunkt wohl nicht er-warten und ihm wurde klar, dass er mehr auch gar nicht benötigte. Außer vielleicht einer heißen Dusche sowie Doktor Fraisers geschickten und - wenn er sich benahm - sanften Hände. Um eine Spritze mit langer Nadel, die vorbeugend ge-gen Entzündungen wirken sollte, würde er womöglich nicht herumkommen, doch ausnahmsweise konnte er damit leben. Danach würde er dann einiges zu erklären haben - Hammond würde fuchsteufelswild werden - aber auch damit wurde er fertig, solange sich Samantha Carter nur in seiner Nähe befand.

Er - nein Kanaan - stand in seinem Quartier. Es war weitgehend ausgeräumt, die sowieso wenigen Habseligkeiten, die ein jeder Tok’ra sein Eigen nannte, waren in einer einfachen Kiste verstaut, die auf seinem Bett stand. Darunter wa-ren persönliche Aufzeichnungen über jede einzelne seiner Missionen, die meist ausgesprochen detaillierter waren, als die, welche er dem Hohen Rat zukommen ließ, ein sehr alter Glücksbringer - eine Kette, deren Anhänger aus Naquada bestand und die Form einer zweiköpfigen Schlange einnahm. Es erinnerte ihn immer wieder daran, wer er war. Auch er hatte zwei Gesichter - ein Gutes und ein Böses - er bestand aus zwei eigenständigen, völlig unterschiedlichen Persön-lichkeiten, die sich einen Körper teilten, setzte immer wieder Masken auf, um von den Goa’uld nicht erkannt zu werden, welche er bespitzelte und verstellte sich selbst gegenüber seinen Freunden, damit sie nicht merkten, wie sehr ihn seine eigenen Gefühle auffraßen.
Jetzt jedoch hatte man ihm die Maske vom Gesicht gerissen und ihn als das enttarnt, was er war - ein Verräter. Er hatte seinen besten Freund hintergangen, hatte die Hilflosigkeit und den Schmerz dessen Gefährtin schamlos ausge-nutzt, sich selbst damit aus seinem bekannten Leben gerissen. Vielleicht war das die Strafe - er würde nie wieder zu dem zurückkehren können, was er in dieser einen Nacht zerstört hatte. Sein Leben in diesem Stützpunkt war vorbei. Er würde verschwinden. Bereits als er den Entschluss gefasst hatte, mit Lantash zu reden, hatte er mit dem Gedanken ge-spielt, einfach fort zu gehen. Nun gab es kein Zurück mehr. Er hatte sich von beiden verabschiedet, wenn man es so nennen konnte. Es war auf seine Art gewesen. Kein wirklicher Abschied, aber alle drei wussten sie, dass es vorbei war, dass es für sie keinen anderen Weg geben würde.
Sein Herz war zerrissen, lag blutig, in Scherben zu seinen Füßen. Es würde Jahre dauern bis es sich einigermaßen erholt hatte - er besaß ein ewiges Leben, hatte Jahrhunderte für die Heilung. Allein der Gedanke daran, sein restliches Leben ohne Jolinar fristen zu müssen, schmetterte ihn zu Boden. Er musste Abstand gewinnen, wusste, dass er hier ver-rückt werden würde, wenn er nicht ging. Er warf einen Blick zum Ausgang. Der Tunnel war leer - kein Wunder, es war mitten in der Nacht und die Meisten der hier ansässigen Tok’ra schliefen bereits. Colonel O’Neill - Kanaan - schnappte sich die Kiste mit seinen persönlichen Dingen und verließ sein Quartier. Hier hielt ihn nichts mehr. Sie waren ohne ein-ander besser dran.
Sein Weg führte ihn zu den Transportringen. Er kam an Lantashs und Jolinars Quartier vorbei. So stark der Drang auch war, einen Blick hinein zu werfen, er tat es nicht. Erfolgreich kämpfte er dagegen an. Er verfluchte sich in diesem Augenblick, ein Tok’ra zu sein, denn als solcher vertrat er die Ansicht, dass Türen überflüssig seien. Manchmal jedoch war dies eine durchaus angebrachte Notwendigkeit, besonders, wenn man versuchte, Dinge aus seinem Geist auszu-sperren. Mentale Barrieren waren eine Sache, doch der Anblick einer Geliebten in den Armen eines anderen war etwas vollkommen anderes. Das konnte jede noch so unverwüstliche Mauer zum Einsturz bringen. Nur wenige Tok’ra begeg-neten ihm bis er endlich die Ringe erreichte.
Jeder hier schien zu wissen oder wenigstens zu ahnen, wieso er von hier fort ging. War es so offensichtlich gewe-sen? Hatte man ihm seine Gefühle etwa angesehen, die er so krampfhaft zu unterdrücken versucht hatte? Wieso war ihm das nie aufgefallen - warum hatte sie nie etwas gesagt? Hatte sie selbst auch nichts davon mitbekommen? Waren ihr seine Blicke und zweideutigen Gesten verborgen geblieben? Sie konnte ihn doch nicht so einfach übersehen haben. Vielleicht wollte sie es auch bloß nicht wahrhaben. Das war immerhin leichter, als sich damit auseinandersetzen zu müs-sen. Sie hatte es dennoch tun müssen - in dem Augenblick, als er sie das letzte Mal gesehen hatte.
Auf der Oberfläche angekommen, atmete Jack - Kanaan - ein paar Mal tief durch. Er war aus dem unterirdischen komplex entkommen - es war eine regelrechte Flucht gewesen - jetzt musste er nur noch weg von diesem Planeten. Es zog ihn magisch zum Sternentor. Seine Füße trugen ihn voran, wie in Trance stapfte er durch den dunklen Sand unter seinen Sohlen. Einer von vielen unbewohnten Planeten im Universum und ideales Versteck für die Tok’ra. Keine Zivilisa-tion, der sie mit ihrer Anwesenheit eventuell Schaden zufügen konnten - oft genug nicht einmal höherentwickelte Tierar-ten. Nicht lange und er sah bereits den gigantischen Ring aus Naquada in der Dämmerung aufblitzen. Seine einzige Chance, dem allen zu entkommen.
Den Rest des Weges, nicht mehr als ein paar hundert Meter, legte er laufend zurück. Das letzte Stück rannte er so-gar. Er hatte nur einen Gedanken, so schnell wie möglich seine Vergangenheit hinter sich zu lassen und ein neues Le-ben anzubrechen. Es würde dauern, doch er würde Jolinar irgendwann vergessen oder zumindest verdrängt haben, die tiefen Wunden in seinem Herzen sowie seiner Seele würden vernarben und vielleicht irgendwann würde er sich wieder einer Frau so hingeben können, wie er es bei ihr vermocht hatte. Seine Hände huschten über das Anwahlgerät, suchten sich wie von selbst die Bestimmungskoordinaten einer anderen Tok’rawelt und mit einem entschiedenen Druck auf den halben, kreisförmigen Quarzkristall in der Mitte des DHD's etablierte sich das Wurmloch in einem lauten Getöse. Er warf keinen Blick zurück, bevor er ins Stargate trat und sich mit unsagbar hoher Geschwindigkeit durch die Galaxie schleu-dern ließ. All seine Gedanken verstreuten sich in der Leere des Raumes, um ihn herum.

„Jack!“, riss ihn eine ihm wohl bekannte Stimme aus den Gedanken. Er schüttelte die Erinnerungen ab, blickte zu seinem Freund hinüber und musste unwillkürlich schmunzeln. Er hatte es tatsächlich geschafft, Jakob zu retten. Er konn-te es immer noch nicht richtig begreifen. Von Anfang an war soviel schiefgelaufen und doch hatten sie einen Ausweg ge-funden. Nicht zuletzt hatte er das Qu’on zu verdanken gehabt. Er machte sich eine geistige Notiz, dass er diesem noch danken musste. General Carter wurde immer noch von einem Doktor der Tok’ra drangsaliert, doch von ihm selbst hatten sie mittlerweile abgelassen. Sam und die anderen waren nicht anwesend, doch konnte er sich sicher sein, dass sie draußen vor der Tür auf sie lauerten.
„Sorry, war in Gedanken.“, entschuldigte sich Colonel O’Neill und streckte seine angespannten Glieder. Dann ließ er sich gegen die Wand hinter sich sinken. „Womit kann ich dienen?“ Ein durchaus als spöttisch anzusehendes Grinsen umspielte seine Lippen. Noch vor einer halben Stunde hatten ihn Gewissensbisse geplagt, weil er sich nicht hatte für seine Kameradin und ihren Vater hatte freuen können, doch das war Vergangenheit. Durch Kanaan war ihm klar gewor-den, dass es hätte weitaus schlimmer kommen können. Er hätte sowohl Jakob als auch Samantha verlieren können, e-ventuell sogar noch einen seiner besten Freunde.
Carter hakte nach: „Woher wussten sie, wo ich war?“
„Kanaan.“, antwortete Jack einsilbig. Er hätte ihm ja wohl kaum sagen können, dass Daniel ihm den Weg gewiesen, dass dieser ebenso das Kind mitgenommen hatte, welches Jacks Gene trug. Sicherlich wusste Jakob schon längst um das Geheimnis des Kindes, sonst hätte er es wohl kaum beschützen wollen. Stellte sich nur noch die Frage, warum aus-gerechnet Anubis etwas dagegen hatte, dass er geklont worden war und als Spion eingesetzt werden sollte. Gab es da etwa noch einen Haken, den Daniel ihm verschwiegen hatte? Wenn ja, würde Carter es wissen.
„Kanaan? Wie sollte das denn bitte schön gehen?“, wollte Jakob wissen. Er blickte Jack misstrauisch entgegen.
„Er ist schon einmal dort gewesen. Qu’on stellte uns die Daten zur Verfügung und ich erkannte, dass einer der Mon-de des angrenzenden Planeten ein Stargate besaß, genauso wie auch das Schiff, habe ich Recht? Da keine Transpor-terspuren und auch keine Fluchtkapseln von den Systemen des Al’keshs empfangen worden waren, blieb nur diese Möglichkeit übrig. Ich bin mir sicher, Kanaan hatte das in keinem seiner Berichte erwähnt, denn er war ein Wesen, das sich peinlichst genau an das Notwendigste in seinen Berichten hielt. Die Koordinaten hatte er dennoch in seinem Kopf und ich habe sie ausgegraben. Dann musste ich sie nur noch da herausholen.“, erläuterte O’Neill die falschen Tatsachen mit einer Überzeugung, die er von sich selbst nicht erwartet hätte. Er hätte sich glatt selbst davon überzeugen können, so logisch klang das.
Es war für ihn, als wäre es wirklich so abgelaufen. Vielleicht schien es sogar auch halbwegs der Wahrheit zu ent-sprechen. Die Koordinaten waren im einfach so zugeflogen - ein Streich seines Unterbewusstseins - und Daniel hatte dieses Faktum lediglich genutzt, um ihm einen Schubs in die richtige Richtung zu geben. Sein Freund durfte sich schließlich nicht einmischen, doch wenn er es allein herausfand, sprach auch wieder nichts gegen einen freundschaftli-chen Tritt in den Hintern. Ob Jakob ihm das abkaufte, war da die andere Frage, doch es sah ganz danach aus. Der miss-trauisch Blick, wich einem leicht Skeptischen, jedoch wahrscheinlich nur, weil Jack auf gut Glück auf den Planeten ge-kommen war, ohne wirklich zu wissen, ob sein Freund sich auch wirklich dort aufgehalten hatte oder überhaupt noch am Leben war.
„Ihr seit einfach so wegen einer Ahnung von dir auf einem Goa’uldplaneten herumspaziert, nur weil du gehofft hast, mich dort zu finden?“, vergewisserte sich Carter ungläubig.
„Yepp! Während die anderen deine Beerdigung feierten, habe ich mir überlebt, wie ich dich retten kann. Selbst deine Tochter hat mir nicht geglaubt, aber ich wusste, dass es dir gut geht. Wir sind Soldaten der US Air Force, uns kriegt kei-ner dieser Schlangenärsche klein.“, entgegnete Jack energisch und fügte hinzu: „Nichts für ungut.“, als er Jakobs tadeln-den Blick bemerkte. Dieser senkte kurz den Kopf und als er wieder aufsah, leuchteten dessen Augen kurz auf. Der Sym-biont hatte die Kontrolle übernommen. Jack war begeistert. Nicht, dass er die Tok’ra im Körper seines Freundes nicht mochte, doch er war immer wieder froh, wenn er nicht mit ihr sprechen musste.
Seine generelle Abneigung gegen diese Parasiten ließ sich auch bei Selmak nicht ganz abschalten. Schon gar nicht, wenn es ihn an Kanaan erinnerte, den er in sich getragen hatte. Es lag schon eine gewisse Ironie darin, dass ausge-rechnet die Schlange, die ihm die schlimmsten Wochen seines Lebens - wenn man vom Irak absah - beschert, seinem Freund durch ihr Wissen den Hintern gerettet hatte. Vielleicht sollte er seine feindselige Haltung gegenüber diesem Tok’ra noch einmal überdenken und endlich akzeptieren, dass Kanaan für immer ein Teil von ihm bleiben würde, auch wenn er nicht, wie es bei Jolinar der Fall gewesen war, in seinem Körper zugrunde ging.
„Und das Kind?“, fragte die Tok’ra mit metallischer Stimme. Colonel O’Neill war von Anfang an klar gewesen, dass diese Unterhaltung unweigerlich auf diese Frage hinauslaufen musste. Jakob hatte sein Leben und das aller Tok’ra ris-kiert, als er es zu beschützen versuchte. Vielleicht fiel es Jack deswegen so schwer, ihm offen ins Gesicht zu lügen, doch ihm würde keine andere Wahl bleiben. Was auch immer Bastets Ziel gewesen war, er durfte dieses Kind nicht län-ger in die Angelegenheiten dieses Krieges mit hineinziehen. Er musste es unter allen Umständen schützen - sich selbst vor so einem Schicksal bewahren. Wer konnte schon sagen, was die Tok’ra mit dem kleinen Wurm vorhaben würden, wie Jakob auf Daniels Mitwirkung reagiert hätte. Nein, so war es für alle Beteiligten besser so.
„Ich habe nur dich gefunden.“, schwindelte O’Neill ohne rot zu werden. Er hatte sein ganzes Leben lang Menschen anlügen, hatte die Wahrheit bis zur Unkenntlichkeit verdrehen müssen, er war es gewohnt. Auch wenn es bei Freunden manchmal noch schmerzte, ihnen die Unwahrheit zu erzählen, kam er dennoch damit klar. Ihm blieb gar keine andere Wahl. „Vielleicht hast du es dir eingebildet?“
„Jack!“, ermahnte Jakob ihn drohend. Der Wirt hatte wieder die Kontrolle bekommen. „Ich bilde mir so etwas nicht ein. Wegen dem Kind bin ich extra noch einmal zurückgekehrt und wäre beinahe Fischfutter geworden.“
„Was ist eigentlich so wichtig an dem Säugling, dass ihr es unbedingt in die Finger bekommen wollt? Noch so ein Harssisissdingsbums?“, hakte Jack beiläufig nach. Er war sich sicher, dass Daniel ihm nicht alles erzählt hatte und dass auch General Carter sich in Schweigen hüllen würde. Wenn die Tok’ra wirklich mal alles verraten würden, was sie wüss-ten, wäre das so etwas wie ein Weltwunder. Die würden sicher rausgeschmissen oder wenigstens degradiert werden, wenn sie zuviel preisgeben würden. So eine Art Verschwörung - frag nicht, sag nicht - den ganzen Spionageorganisatio-nen, sprich CIA, NID und wie sie alle hießen, sehr ähnlich.
Jakob überlegte einen Augenblick, was er seinem Freund sagen konnte, dann gab er zurück: „Das Kind ist etwas be-sonderes und es könnte uns schaden, wenn es in die falschen Hände fallen würde.“ Er hatte es wenigstens angedeutet, mehr konnte Jack wohl nicht verlangen.
„Tja, ich habe da so ein Gefühl, dass er in guten Händen ist. Nennen sie es Intuition.“, wehrte Jack mit einem ver-schwörerischen Grinsen ein, erhob sich und verließ den Raum. Was die Tok’ra konnten, war schon lange seine Speziali-tät gewesen. Sie warfen ihnen Brocken zu, es war Zeit, auch mal den Spieß umzudrehen. Sollte Jakob doch in die Ant-wort interpretieren, was er wollte, Jack würde sich diesmal in Schweigen hüllen und das mit einem zufriedenen Lächeln. Um die Geschichte zu einem runden Abschluss zu bringen, lenkte er seinen Weg zielstrebig zu Anise Quartier, welches auch ganz in der Nähe ihres Labors lag, um sie aufzufordern, alledem endlich ein Ende zu machen. Colonel O’Neill hatte sich lange genug selbst gequält. Er fand, dass es für ein paar Monate genug gewesen sein sollte, vorausgesetzt ihm machte kein schleimiger Parasit einen Strich durch die Rechnung.

Colonel O’Neill traf Anise in ihrem Labor an. Sie trug wieder eines dieser viel zu knappen und freizügigen Oberteile. Von dem kurzen Rock mal ganz zu schweigen. Unwillkürlich fragte er sich, ob sie wirklich immer so aufreizend herumlief oder es nur machte, wenn er in ihrer Nähe war. Nicht, dass es ihn sonderlich stören würde, wenn sie sich zur Schau stellte, er war lediglich neugierig. Allein der Gedanke, es könnte dementsprechend aussehen, schmeichelte ihm sehr. Es gab nicht viele Frauen, die dieses Opfer für ihn brachten, schon gar nicht die Frau, die er wollte. Wäre sie jederzeit so attraktiv gekleidet, wie die Tok’ra in diesem Augenblick, und das nur, um ihm zu gefallen, könnte er glatt beginnen, an Überheblichkeit zu erkranken. Dem war natürlich nicht so und selbst wenn, würde es nicht ewig so bleiben, da blieb er realistisch - aber man würde doch noch träumen dürfen. Auch er wurde vom Alter ganz offensichtlich nicht verschont, was er heute mehr denn je zu spüren bekommen hatte.
„Colonel O’Neill?“, fuhr Anise überrascht auf, als sie ihn nach einigen Augenblicken endlich bemerkte. Er lehnte läs-sig am Eingang, doch es erleichterte ebenso seine angespannten Muskeln in seinem Körper, die ihn nur noch unter gro-ßem Protest zu tragen schienen. Ganz offensichtlich hatte sie nicht mit seinem Besuch gerechnet, genauso wenig, wie er es geplant hatte. Nun, wo er schon einmal hier war, würde sie ihn sicherlich auch nicht so schnell wieder entlassen und auch er würde erst wieder gehen, sobald sie ihn von ihrem Folterinstrument befreit hatte. Nichtsdestotrotz hielt er es für unhöflich, mit der Tür ins Haus zu fallen, also pflegte er vorher noch etwas belanglose Konversation.
„Und, schon etwas Wichtiges entdeckt?“, fragte er beiläufig - es interessierte ihn nicht wirklich, denn er kannte be-reits, was sie sich sicherlich schon angesehen hatte - und trat hinüber zum Schreibtisch, auf welchem er sich nieder ließ. Seine Beine baumelten knapp über dem Boden - er schonte so sein geschundenes Bein sowie seine schmerzenden Fü-ße - und stützte sich mit den Händen auf der Tischplatte ab. Jack musterte sie eindringlich. Sie wich seinem Blick aus, versuchte sich vergebens auf das zu konzentrieren, was auch immer sie dort vollbringen wollte. Anscheinend war seine bloße Gegenwart ihr auf einmal unangenehm, was nicht zu verübeln war, hatte sie doch in seiner verkorksten Vergan-genheit herumgestöbert.
Die Tok’ra erwiderte: „Nur, dass sie ein ebenso schmerzvolles Leben geführt haben, wie es bei Kanaan der Fall ge-wesen war.“ Ihre Worte waren nicht mehr als ein Flüstern, ihre Stimme sehr brüchig, doch O’Neill verstand sie dennoch laut und deutlich, saß er doch schließlich keine zwei Meter von ihr entfernt. Der Versuch, ihm nicht zu nahe zu treten, und ihm die Möglichkeit zu geben, in die Unterhaltung noch einzulenken, war ihr mehr als gelungen. Er hätte es jederzeit mit einem schlechten Scherz beenden und zum eigentlichen Anliegen seines Besuches übergehen können. Dem unge-achtet war er sich nicht wirklich sicher, ob er das auch tun würde. Er fühlte sich von ihr nicht bedroht. Jack hätte es ihr schließlich genauso gut erzählen können. Nicht, dass er wirklich auf diese Zuhörerin wert gelegt hätte, ging sie das alles doch am wenigstens etwas an. Nichtsdestotrotz wusste Anise jetzt, was damals passiert war und auch damit konnte er leben. Es war ja nicht so, dass ihm eine andere Wahl bleiben würde. Letztendlich entschied er sich doch für den schlech-ten Scherz.
„Ja, diese Schlange war schon ein verbissener Zeitgenosse.“ Ein herzhaftes Gähnen begleitete diesen Satz. Er war zu müde und ausgelaugt, um sich über sein verkorkstes Leben sowie all das, was in den letzten Tagen geschehen war, den Kopf zu zermartern. Im Grunde wollte er nur noch nach Hause - eine heiße Dusche, ein kühles Blondes und sein weiches Bett. Vielleicht nicht direkt in dieser Reihenfolge, aber er würde alles irgendwie schon abarbeiten. Vorher muss-te er jedoch sein Handicap loswerden - das Motiv seines Besuches bei der Tok’ra, welche ihn immer noch nicht wagte, anzusehen. Also, kam er ohne Umschweife zur Sache: „Aber, dass ist nicht der Anlass, aus dem ich dich aufgesucht ha-be, wie du dir sicherlich denken kannst. Ich möchte, dass du dieses Erinnerungsdingsbums und alles andere von mei-nem Körper entfernst. Ich denke nicht, dass es noch etwas bringen wird. Bis jetzt hat es mich nur behindert und es wäre eine zu hohe Gefahr, so auf Mission zu gehen, was ich durchaus wieder anstrebe, jetzt, wo Jakob zu uns zurückgekehrt ist. Also, walte deines Amtes.“
Anise nickte betreten und nahm den Aktivator zur Hand. Nachdem sie die Platine abgeschaltet hatte, entfernte sie diese. Sie bat ihn, sein T-Shirt anzuheben und entfernte auch die übrigen Sensoren und Aufzeichnungsgeräte. Zuletzt löste sie auch noch den Sensor an seinem Hinterkopf, was ein unangenehmes Stechen verursachte, bei welchem sich sein Gesicht angewidert zu einer Grimasse verzehrte. Danach rieb er mit den Fingern über die gerötete Stelle und nutze die Chance gleich auch noch seinem verspannten Nacken eine kleine Massage zu gönnen. Vollkommen geschafft und ausgelaugt, schloss er einen Moment die Augen. Jack fühlte sich, als hätte er etliche Jahre nicht mehr geschlafen, wäre Wochen, wenn nicht sogar Monate, durchweg gelaufen, ohne sich eine Pause zu gönnen und hätte seit Tagen nichts mehr gegessen. Letzteres könnte sogar fast zutreffen. Jetzt wollte er sich nur noch ausruhen.
„Alles in Ordnung, Colonel O’Neill?“, fragte Frayer besorgt und legte ihre Hand auf die Seinige. Als er die Augen wie-der öffnete, trafen sich ihre Blicke und er erkannte die Sorge in ihrem Gesicht. Jack nickte entschieden, schenkte ihr ein Lächeln und erhob sich. Mehr denn je hatte er den unbändigen Wunsch nach Hause zu kommen und er würde diesem Verlangen nicht mehr länger im Weg stehen. Man würde ihn in der Basis so schon genug aufhalten - besonders Doktor Janet Fraiser - doch daran wollte er noch gar nicht denken.
„Alles bestens.“, wehrte er ab. Er trat zum Ausgang, wandte sich dann aber noch einmal um und sagte: „Wir sehen uns!“, ehe er die Tok’ra alleine zurückließ. Sein Weg führte ihn zu seinen Freunden, mit denen er schnellstmöglich zur Erde zurückkehren wollte. Hier hielt ihn wahrlich nichts mehr.

Eine Stunde später standen sie alle vor dem Sternentor, die Koordinaten der Erde wurden von Jonas eingegeben und SG-1, im Beisein von Jakob Carter, war bereit nach Hause zurückzukehren. Sie würden alle eine ganze Menge zu erklären haben, aber vielleicht gönnte General Hammond ihnen ja eine Schonfrist, wenn er seinen alten Freund heil und gesund wieder sah. Colonel O’Neill hoffte dies jedenfalls. Noch ein paar aufreibende Stunden, in denen er Rede und Antwort stehen musste, konnte er beim besten Willen nicht ertragen. Er würde wahrscheinlich mitten im Satz entweder ohnmächtig werden oder einschlafen. So oder so wäre er dann für die nächsten Tage nicht mehr ansprechbar. Ihm wur-de beim Gedanken daran mehr denn je bewusst, dass er dringend mal wieder einen richtigen Urlaub brauchte. Ein paar freie Tage, wo er nicht zu erreichen war, nicht abrufbereit sein musste.
Sowie sein Körper als auch sein Geist verlangte nach mehr, als nur ein Wochenende oben in seiner Hütte. Er musste raus aus Amerika - weg von allem Bekannten. Vielleicht flog er zur Abwechslung mal in ein anderes Land auf einem an-deren Kontinent. Ägypten soll um diese Jahreszeit ganz angenehm sein. Den Gedanken verwarf er gleich wieder. Er hatte für lange Zeit genug von Sand und Steinen. Da zog es ihn doch eher nach Spanien oder Italien. Ein Land, wo es zwar warm war, aber auch nicht zu heiß - wo keine Wüsten angrenzten oder ihn etwas an die Goa’uld und das Stargate erinnerte. OK, dann fiel Rom auch flach. An Cronos wollte er nun wirklich auch nicht mehr erinnert werden. Er war heilfroh, dass dieser längst draufgegangen war. Er würde sich also doch noch einen anderen Ort suchen müssen. Irgendetwas würde er schon finden. Mexiko, klang doch nicht schlecht. Keine Goa’uld, keine schlechten Erinnerungen und kein Stargate. Darüber hinaus war das Essen auch noch gut.
„Ab nach Hause, Campers!“, stieß Jack, voller Tatendrang in die Hände klatschend, hervor, nachdem sich der Ereig-nishorizont etabliert hatte. Jakob schüttelte resignierend den Kopf, während O‘Neill von Teal’c lediglich ein Nicken in Kombination mit einer leichten Verbeugung erhielt. Sie waren ganz offensichtlich alle seiner Meinung.
„General Hammond wird Augen machen.“, bemerkte Jonas breit grinsend. Sie hatten sich zusammengerauft. Zwar herrschte nicht mehr diese vertraute Stimmung zwischen ihnen, wie noch einen Tag zuvor, nichtsdestotrotz hatten sie die Differenzen bereinigt, indem sie die Fronten klärten. Fürs Erste war es so wahrscheinlich auch angebrachter, als auf die andere Art und Weise. So würde Jonas schneller lernen, dass es schwer war, O’Neills Freund zu sein und auch zu bleiben. Dessen Gemütszustand schwankte immer wieder zwischen Hoch und Tief. Vielleicht würde sich das irgend-wann ändern, doch nur dann, wenn dieser sich endlich hundertprozentig eingestand, dass er seinen Freund Daniel nicht in Quinn finden würde, nicht so, wie sein Herz es sich wünschte. Jack nickte zustimmend. Jakob und Jonas traten zuerst in das Wurmloch, ließen sich von diesem bis zur anderen Seite des Universums mitreißen. Jack wollte auch gerade hin-durchtreten, als Major Carter ihn am Arm zurückhielt.
Mit fester Stimme sagte sie: „Ich möchte mich bei ihnen bedanken, dass sie meinen Vater gerettet haben, auch wenn ich bis jetzt immer noch nicht ganz begreife, wie sie wissen konnten, wo er sich aufhielt. Das kam doch der Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleich.“ Sie sah ihn an, schenkte ihm ein breites Lächeln. Wie Jack das vermisst hatte. Auch er musste grinsen. Sie hatte so ziemlich den Nagel auf den Kopf getroffen. Dass Jakob und die andern ihm das abkauften, hatte er sich auch denken können - sie waren einfach nur froh, dass alles glimpflich ausgegangen war - doch bei Sam hatte er einfach nicht so gute Karten. Sie durchschaute es sofort, wenn er sie anflunkerte. Nicht, dass er damit aufhören würde, aber sie wusste es und das war ihm wiederum klar. Sie kannte ihn einfach zu gut.
„Glück schätze ich! Einfach gut geraten!“, wehrte O‘Neill ab, spielte es zu einer Lappalie herunter. Sam musterte ihn eingehend. Wie erwartet, kaufte sie ihm das nicht ab, doch sie hakte auch nicht weiter nach. Auch sie war einfach nur froh, dass sie ihren Vater wieder wohlbehalten bei sich wusste.
„Trotzdem!“, wehrte Samantha ab, kam einen Schritt näher an ihn heran und platzierte ihre sanften, vollen Lippen auf seiner Wange. Instinktiv schloss Jack bei dieser sanften Berührung die Augen. Zärtlich flüsterte sie ihm ins Ohr: „Dan-ke... für alles!“ O‘Neill biss sich bei diesen Worten auf die Unterlippe. Ohne es auch nur zu ahnen, hatte Carter genau das ausgesprochen, was auch Daniel ihn vor knapp einem halben Jahr wissen ließ. Das Bild seines Freundes - das brei-te Lächeln, die von Tränen verklärten Augen und die Entschlossenheit - bahnte sich den Weg in seinen Kopf. Er hielt es einen Moment lang fest, genoss den zufrieden stellenden Anblick, ehe er den Gedanken an seinen Freund wieder zei-hen ließ und sich dem Hier und Jetzt widmete.
Carter hatte von ihm abgelassen und sich dem Sternentor zugewandt. Noch einmal drehte sie sich kurz um und sah ihn musternd an, dann fügte sie mit ernster Miene hinzu: „Und sollten sie auch nur noch einmal in Erwägung ziehen, mich zurückzulassen, werden ich Sie erschießen.“ Mit einem eintausend Watt Sam-Carter-Lächeln verabschiedete sie sich von diesem Planeten sowie Colonel O’Neill, welcher immer noch wie angewurzelt dastand und weder wusste, was plötzlich in sie gefahren war, ihn zu küssen, noch was er darauf erwidere sollte. Letzteres erledigte sich von selbst, denn sie war bereits verschwunden und würde auf der anderen Seite des Sternentores keinen Wert mehr auf irgendeine - eh belanglose - Erwiderung legen. Es war längst alles mit diesen paar Worten gesagt worden.
Sie hätte ihn anschreien, ihm eine Szene machen können, doch sie hatte es lediglich bei diesem einen Satz belas-sen. Innerlich waren ihr die Beweggründe bekannt, warum er sie nicht mitgenommen hatte, doch sie sah deswegen noch lange keinen Sinn darin. Jack löste sich aus seiner Starre und fuhr zu Teal’c herum. Dieser hatte, nicht verstehend, wa-rum Sam ihn geküsst hatte, eine Augenbraue hochgezogen und sah ihm verständnislos entgegen. Wieder konnte O’Neill nur grinsen. Der Blick seines Freundes war einfach zu köstlich. Er fragte sich, wie General Hammond, Jakob Carter und all die anderen wohl geguckt hätten - wäre gewiss ein Bild für die Götter gewesen. Tja, vielleicht irgendwann, eventuell schafften sie es doch noch zueinander zu finden. Später!
„Gott, ich liebe diese Frau!“, platzte es überschwänglich aus Jack heraus und er fügte in Gedanken hinzu, dass er immer so für sie empfinden würde. Er schubste Teal’c mit einem kräftigen, freundschaftlichen Schlag auf die Schulter durch den Ereignishorizont und folgte kurz darauf. Der aufkeimende Gedanke, dass diese Worte mehr Wahrheitsgehalt hatten, als er jemals zugeben würde, verströmte ins unendlich tiefe Universum und jedes liebende Herz vernahm das wohlig warme Pulsieren, welches sich auch in dem Seinigen unaufhaltsam ausbreitete.

Ende

© 2004 Lenari


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