Wünsche und Hoffnungen by Lenari
Summary: Ein Gespräch unter vier Augen.
Categories: Stargate SG-1 Characters: Daniel Jackson (SG-1), Jack O’Neill (SG-1), Janet Fraiser, Samantha Carter (SG-1), Teal’c (SG-1)
Genre: Friendship, General
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 6 Completed: Ja Word count: 13082 Read: 30714 Published: 15.04.14 Updated: 15.04.14
Story Notes:
Und wieder etwas kitschiges oder wie auch immer ihr diesen kreativen Ausbruch nennen wollt. Ist nicht gerade eine meiner besten FFs, aber man kann ja schließlich auch nicht alles haben, oder? Ist eigentlich auch nur, um meine Schreibblockade zu überbrücken, die ja irgendwann mal eintreffen musste. Leider auch nur bei einer FF. Ich merke schon, ich drifte vom Thema ab. OK, OK, genug gequatscht, lest einfach selbst und wenn ihr wollt, Feedback wäre nicht zu verachten.

1. Kapitel 1 by Lenari

2. Kapitel 2 by Lenari

3. Kapitel 3 by Lenari

4. Kapitel 4 by Lenari

5. Kapitel 5 by Lenari

6. Kapitel 6 by Lenari

Kapitel 1 by Lenari
Wünsche und Hoffnungen


Kapitel 1

„Carter, nun bewegen sie schon ihren Arsch aus dem Zelt!“, forderte Colonel O’Neill seine Untergebene schon zum x-ten Mal auf, doch abermals ertönte nur ein aufmüpfiges Nein. Ihm wurde das langsam zu Bund. Sie führte sich auf wie ein Kleinkind. Was war ihr denn nun schon wieder über die Leber gelaufen? Er auf jeden Fall hatte die Nase voll. Er konnte den Spieß genauso gut umdrehen. „OK, dann komme ich halt rein und wenn sie nicht angezogen sind, ist das ihre Schuld.“, warnte er sie vor, ehe er den Reißverschluss des Zeltes hochzog und durch die Öffnung hineinkletterte. Sam hatte sich in ihrem Schlafsack verkrochen und blickte ihm schmollend entgegen. Die Hände hatte sie vor der Brust verschränkt.

„Was soll das? Können sie nicht einfach Janet herholen?“, bluffte sie ihn an. Sie war sichtlich wütend, doch Jack wusste, dass es nicht wegen seiner Unverschämtheit war. Sie war sauer auf sich selbst und die ganze Welt. Er ahnte auch, warum. Es war gut gewesen, ins Zelt zu kriechen, als dieses Thema vor den anderen durchzukauen, die es einfach nichts anging. Es war persönlich. Eventuell sogar zu persönlich, als das er sich da einmischen sollte, doch sie war schon einmal zu ihm gekommen, wahrscheinlich war es an der Zeit, dass er zu ihr kam. Er setzte sich neben sie, stützte seine Arme auf die Knie und verschränkte die Finger ineinander. Er sah sie nicht an. So würde es beiden leichter fallen, darüber zu reden.

Er bemerkte ruhig: „Es hat wieder nicht geklappt, oder?“ Allein diese Frage zu stellen, war schon ein Eingriff in ihre Privatsphäre, doch sie würde sie beantworten. Sie hatte es ihm vor ein paar Monaten unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut und er hatte es wie versprochen, für sich behalten, also war diese Frage von ihm berechtigt. Außerdem war er der einzige auf diesem gottverlassenen Planeten, der auch nur halbwegs nachvollziehen konnte, wie ihr im Augenblick zumute sein musste. Sie schüttelte den Kopf, bis ihr klar wurde, dass er diese Geste gar nicht gesehen hatte. Dennoch brachte sie nichts heraus. Es war so schon für sie schlimm genug, es zu akzeptieren.

„Ich war mir so sicher.“, fand sie schließlich ihre Sprache wieder. „Ich habe es förmlich gefühlt.“ Sie ließ ihre Hände zu ihrem Bauch wandern, strich sanft darüber, als würde sie ein Kind unter ihrem Herzen tragen. Doch dem war nicht so. Heute Morgen, als sie aufwachte, hatte es sie wie ein Schlag ins Gesicht getroffen. Sie hatte weinen wollen, doch hatte sie bis jetzt einfach nicht die Kraft dazu gefunden, sie war einfach zu aufgewühlt, zu zornig, um Tränen vergießen zu können.

„Vielleicht sollten sie etwas mehr Abstand nehmen, sich mal wieder so richtig verwöhnen lassen. Machen sie einen längeren Urlaub, fahren sie weg und kommen sie zur Ruhe. Sie werden sehen, beim nächsten Versuch klappt es.“, versuchte er ihr, Mut zu machen und fand endlich auch die Kraft, sie anzusehen. Er wusste, wie sie sich fühlen musste. Auch er hatte das schon einmal durchgemacht. Als Charlie drei war, hatten sie noch ein Kind bekommen wollen, doch sie hatten sich so sehr unter Druck gesetzt, dass es einfach nicht hatte klappen wollen. Also gaben sie es schließlich auf. Es hatte auch danach nicht sein sollen, doch sie fühlten sich wesentlich wohler in ihrer Haut. Er wusste, nicht einmal ein zweites Kind hätte ihre Ehe nach dem Unfall kitten können, was zu Lasten des Kindes gegangen wäre. Also, war es durchaus besser so.

„Vielleicht.“, gab sie in Gedanken versunken zurück. Sie starrte auf ihre Hände, die leicht zu zittern begonnen hatten. Sie fühlte sich elend, doch konnte sie immer noch keine Tränen vergießen. Sie konnte in Jacks Gegenwart einfach nicht weinen. Er wünschte sich, etwas für sie tun zu können, doch was konnte er schon groß ausrichten? Er konnte sie nicht mit einem Kind segnen, so sehr er sich dies auch gewünscht hätte. Sie hatte sich damals gegen ihn entschieden - wahrscheinlich wurde es endgültig Zeit sie gehen zu lassen. Doch so konnte sie nicht alleine bleiben. Er wollte sie glücklich sehen.

„Haben sie je über eine Adoption gesprochen?“, fragte Jack gerade heraus. Das war eines der Themen, die auch Sarah und er durchgekaut hatten, neben medizinischen Wunderpillen, über ausgefallenen Stellungen bis hin zur künstlichen Befruchtung. Letztendlich hatten sie sich dagegen entschieden, doch hier war das anders. Sie besaßen bereits Charlie, da war es nicht so tragisch, aber bei ihnen handelte es sich um ihr erstes Kind. Da schon solche Probleme zu haben, war wirklich nicht fair.

„Einmal.“, gab Samantha zu. „Ich war jedoch dagegen. Ich will spüren, wie es in mir heranwächst, wie es tritt und sich bewegt und freue mich sogar auf die Schmerzen der Geburt. Ich will sagen können, dass es mein Fleisch und Blut ist, verstehst du?“ Er konnte das gut nachvollziehen. Ihm war schon klar, dass Sam das adoptierte Kind ohne wenn und aber lieben würde - so wie sie es bei Cassandra tat - doch es war nicht dasselbe. Sarah hatte ähnlich argumentiert. Er nickte nur.

Schließlich bemerkte er sarkastisch: „Vielleicht bringt er es ja nicht?“ Es war seine Art mit der Situation umzugehen und die Tatsache, dass Sam leise kicherte, bestätigte ihm, dass er wenigstens auf diese Sache noch das Monopol hatte. So sehr ihr Ehemann sich auch anstrengen würde, er könnte niemals den scheinbar ungünstigsten Zeitpunkt für einen schlechten Scherz finden, damit sie darüber lachte, auch wenn ihr nicht danach zumute war. Darin war er ungeschlagener Meister. Kurz darauf kullerten die ersten Tränen über ihre Wangen und aus dem lachen wurde leises schluchzen. Jack schloss sie freundschaftlich in die Arme.

„Das ist nicht fair.“, schniefte sie in seine Schulter. Er fuhr ihr sanft über den Rücken, versuchte sie wieder zu beruhigen. Er hasste es, wenn sie deprimiert war, besonders, wenn es um dieses Thema ging. Ihm war klar, wie sehr sie sich ein Kind wünschte, schon immer eines gewollt hatte und jetzt wollte es einfach nicht funktionieren. Das war Eines der Dinge, die gegen eine Beziehung zwischen ihnen gesprochen hatte, er wollte keine Kinder mehr. Er fühlte sich dem einfach nicht gewachsen. Schon, Cassandra war auch für ihn wie eine Tochter für ihn, doch das war etwas anderes. Sie war eben nicht sein eigen Fleisch und Blut.

Darüber hinaus war es mit ihrem Job nicht zu vereinbaren, dass sie eine Liebesbeziehung eingingen - es würde ihn unkonzentriert und unvorsichtig machen - und er wusste nur zu gut, dass es nicht funktionieren würde. Nicht auf lange Sicht gesehen. Das hatte er endgültig hinter sich. Sie waren Freunde und das war auch gut so. Mehr konnte und sollte zwischen ihnen nicht sein. Manchmal, wenn er allein in seinem riesigen Haus war, fühlte er sich einsam und wünschte sich, sie hätten sich anders entschieden, doch in Momenten wie diesen wurde ihm bewusst, dass er ihr nur so helfen konnte, all das durchzustehen - eben, weil er nicht derjenige war, mit welchem sie sich ein Kind wünschte.

„Ich weiß!“, redete er beruhigend auf sie ein. „Aber ich verspreche dir, dass alles gut werden wird. Ihr braucht beide nur eine Auszeit. Ihr dürft euch nicht unter Druck setzten.“ Er drückte sie sanft von sich und wischte ihr mit den Daumen die Tränen von den Wangen. Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen, als er das tat. Sie fühlte sich so unendlich beschützt und geborgen - ein Gefühl, dass nur er ihr geben konnte. Auch bei ihrem Mann fühlte sie sich wohl, keine Frage, aber bei Jack war diese Empfindung noch um Vieles intensiver. Er tippte Sam auf die Nase und meinte, als würde er mit einem kleinen Kind sprechen: „Du weißt doch, Stress ist Gift für ein Baby.“

„Du hast ja Recht. Vielleicht sollte ich etwas Zeit bei meinem Bruder verbringen. Das bringt mich sicherlich auf andere Gedanken.“, überlegte Samantha laut und lehnte sich wieder an Jacks Schulter. Ihr war immer noch nach Weinen zumute, doch sie wehrte sich strickt dagegen, sich noch einmal gehen zu lassen. Sie wusste schließlich, dass das auch nichts ändern würde. Davon würde sie auch nicht schwanger werden.

„Glaubst du wirklich, dass deine Nichten so eine große Hilfe wären?“, hakte O’Neill nach, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten. Bevor sie auch hätte etwas erwidern können, fuhr er bereits fort: „Nein, du weg von allem. Ich kenne da einen tollen See in Minnesota, abgeschieden vom Rest der Welt, fern ab von der Zivilisation. Kein Telefon, kein Fernseher - nur du und die Schönheit der Natur. Du hättest mal wieder Zeit für ein gutes Buch und etwas Sonne könnte dir auch nicht schaden. Was hältst du davon?“ Er blickte sie abwartend an. Sam hatte die Augen geschlossen, stellte sich alles haarklein vor und war von dem Gedanken mehr als angetan.

„Klingt phantastisch.“, antwortete sie und schenkte ihm ein leichtes Lächeln. Er streichelte ihr liebevoll die Wange, dann ließ er sie los und krabbelte Richtung Ausgang. Sie sah ihm verwundert nach. Sie verstand nicht, wie er sie so einfach zurücklassen konnte. Das ging doch nicht. Obwohl, es wäre besser, denn sie begann bereits wieder, sich in ihn zu verlieben. Etwas, dass sie nicht wieder durchmachen wollte. Es war schwer genug gewesen, sich von ihm loszueisen und den entscheidenden Schritt zu tun - den Heiratsantrag ihres Mannes anzunehmen. Jack hatte sie damals sogar dazu aufgefordert, sie inständig darum gebeten. Sie war froh darüber gewesen und hatte ihre Entscheidung nie bereut. Sie hatte O’Neill schließlich weiterhin um sich - als guten Freund und Vorgesetzten.

Er wandte sich noch einmal zu ihr um und sagte: „Ich kann davon ausgehen, dass du nicht für das Schlimmste gerüstet warst?“ Sie nickte ihm zu. Seine Diskretion war erstaunlich. Sie hatte wirklich nicht daran gedacht, etwas mitzunehmen, sollte sie sich geirrt haben. Sie war sich doch so sicher gewesen. Er verließ das Zelt und kam kurz darauf mit seinem Rucksack wieder hinein. Demonstrativ warf er diesen neben sie. Ein breites Grinsen umspielte seine Lippen. Dann fragte er spitzbübisch: „Schaffst du es alleine oder soll ich helfen?“ Sam kicherte unbewusst los. Sie schüttelte entschieden den Kopf.

„Ich kriege das schon hin!“, versicherte sie ihm und er verließ mit einem Nicken das Zelt.


weiter: Kapitel 2

Kapitel 2 by Lenari
Kapitel 2

Es war bezaubernd. Samantha Carter verliebte sich sofort in dieses kleine Fleckchen Erde. Jetzt konnte sie verstehen, warum Jack seine wenige Freizeit hier verbrachte. Die Morgensonne, die sich auf der ruhigen Oberfläche des Sees brach, der leichte Dunst über dem Wasserspiegel, der angrenzende Wald, die verschiedensten Wildblumen überall auf der Wiese - in dieses Panorama musste man sich einfach verlieben. Sie sog die klare, saubere Luft tief in ihre Lungen. Es war ein berauschendes Gefühl, hier zu sein. Es war herrliches Wetter, weshalb sie sich entschlossen hatte, sich in die Sonne zu legen und sich etwas Bräune zu holen, so wie Jack es ihr aufgetragen hatte. Aus dem Buch, das Sam in der Hand hielt, hatte sie noch keinen einzigen Satz gelesen. Sie konnte sich einfach nicht von dem einmaligen Anblick losreißen. Hier war sie Jack weitaus näher, als sie es in all den Jahren vermocht hatte.

Sie hätte vielleicht schon früher hierher mitkommen sollen, doch damals war alles anders gewesen und natürlich hätte sie die ganze Zeit mit ihm zusammen verbracht. Nicht, dass sie ihm nicht damals schon blind vertraut hatte, dass er nichts versuchen würde, was ihr oder anderen schaden könnte, was sie bereuen könnten, dem ungeachtet war sie wenig davon überzeugt, dass sie sich hätte zurückhalten können. Ihr Verlangen nach diesem Mann war am ersten Tag geweckt worden. Allein die Tatsache, dass er für sie tabu war, machte ihn interessant. Mit seinem sarkastischen Humor hatte er sie aus der Reserve gelockt, seine braunen Augen hatten sie gefesselt und seine raue aber auch sanfte Art machte sie immer wieder schwach. Am Anfang hatte sie sich damit abfinden können, von ihm lediglich als Kameradin - als Freundin - bezeichnet zu werden, doch irgendwann, ab einem bestimmten Punkt, war das einfach nicht mehr möglich.

Wann genau, konnte sie beim besten Willen nicht sagen, doch eines Tages wurde ihr bewusst, dass es längst nicht mehr zu ertragen war, ihn nur als Freund betrachten zu können. Als er sie nicht hatte alleine lassen wollen, wurde ihr schlagartig klar, dass sie ihn liebte, so wie er es ganz offensichtlich getan hatte. All das wäre nicht so frustrierend gewesen, hätten sie es sich nicht gegenseitig gestehen müssen. So lange es zwischen ihnen unausgesprochen geblieben war, waren beide damit klargekommen, doch danach war es immer wieder hart gewesen, sich nicht im anderen zu verlieren. Dann lernte sie ihn kennen - ihren Ehemann. Er war so vollkommen anders als ihr Jack. Auch er hatte Humor, keine Frage, doch fehlte der sarkastische Unterton, der Hauch von Optimismus in scheinbar ausweglosen Situationen. Auch war er kein Soldat, sondern Wissenschaftler wie sie.

Er verstand, was sie von sich gab. Sie konnten sich in stundenlangen Diskussionen verlieren, die über alle möglichen physikalischen Begebenheiten handelte. Dem ungeachtet hatte sie sich auch mit Jack unterhalten können - über andere Dinge - auch wenn Worte zwischen ihnen meist überflüssiger Ballast waren. Sie verstanden sich halt auch so. Er las in ihren Gesten und in der Art, wie sie ihn ansah - sie tat es ihm gleich. Ihre Beziehung war halt etwas Besonderes gewesen, war sie immer noch. Sie hatte nichts von ihrem Zauber verloren, nichtsdestotrotz distanzierten sie sich in einer Hinsicht immer weiter voneinander und verschmolzen in einer anderen zu einer Einheit. Sie konnten endlich ungezwungen eine tiefgehende Freundschaft aufbauen, ohne sich damit auseinandersetzen zu müssen, dass sie einander begehrten. Jeder von ihnen führte ein eigenes Leben, sie hatten sich für getrennte Wege entschieden, um näher zusammenzufinden. In der ersten Zeit war es schwierig.

Sam hatte sich nicht entscheiden können, welches die richtige Entscheidung sein würde. Sie liebte ihren Mann, doch sie hatte ebenso Gefühle für Jack gehabt. Es war einfach kompliziert und frustrierend aus ihrer Sicht gewesen. Jedoch nicht aus O’Neills. Er hatte von Anfang an darauf bestanden, dass sie diese Chance, glücklich zu werden, wahrnahm. Carter hatte damit gerechnet, dass er wütend oder wenigstens traurig werden würde, doch er hatte sich aufrichtig für sie gefreut. So ein Verhalten hatte sie nun wirklich nicht von ihm erwartet, doch er überraschte sie immer wieder. Genauso wie in der Unterhaltung im Zelt. Solch eine Diskretion, auch gegenüber den anderen, hätte sie von ihm eigentlich nicht erwartet. Auch nicht, dass er im Gegensatz zu ihr, an diese persönliche Sache denken würde. Er war verheiratet gewesen, lebte mit zwei Frauen zusammen - sie hätte sich denken müssen, dass es ihm nichts ausmachen würde, über solche Themen zu reden, sogar selbst die weise Voraussicht zu entwickeln, daran zu denken. Er war halt ein Mann, der auf alle Eventualitäten vorbereitet sein wollte, auch wenn es ihm nicht immer gelang.

Samantha schüttelte den Gedanken an ihren Vorgesetzten ab. Es war nicht rechtens an so einem wunderschönen Tag, ausgerechnet hier an ihn zu denken, auch wenn sie alles an diesen Mann erinnerte. Hier hatte er einen Großteil seines Lebens verbracht und würde auch noch weitere Jahre über diesen Flecken Erde wandern, sich diesen atemberaubenden Anblick betrachten und einfach nur sein Leben genießen, sich entspannen und die Probleme der Welt außer Acht lassen. Genau das würde sie jetzt auch versuchen. Sie schlug endlich das Buch auf - ein Liebesroman. Normalerweise hatte sie nichts übrig für diesen Kitsch, besonders nicht, wenn es selbst nicht so klappen wollte, wie sie es sich vorstellte, doch sie hatte ihn in Jacks Regal gefunden - sicher ein Überbleibsel seiner früheren Frau Sarah oder einer seiner neuen Lieben, die er bereits auch hierher entführt hatte. Wie auch immer, sie würde es sich zu Gemüte führen, ihr eigenes Dasein für eine Weile vergessen und sich ganz der Erzählung hingeben.

Das Buch war bereits ziemlich abgegriffen, was darauf hinwies, dass es öfters gelesen worden sein musste, doch das konnte nur ein gutes Zeichen sein, fand Sam. Sie würde es nicht eher aus der Hand legen, ehe sie nicht auch die letzte Zeile gelesen hatte. Es begann wie jedes andere Buch auch, mit der Beschreibung eines wunderschönen Ortes, abseits der großen, hektischen Welt, wo sich jeder noch kannte, das Leben einfach gestrickt war und man genügend Ruhe fand, um sich selbst zu finden. Ein Paradies, wo es nur wenige Intrigen gab, Kinder noch ohne Angst spielen konnten und nur selten Nachrichten über die grausame Realität in anderen Ecken der Erde vordrangen. Es spielte in einer früheren Zeit, als das Dasein noch nicht von Maschinen beherrscht wurde und man sich noch auf andere Weise unterhielt, als über das Internet. Manchmal wünschte sich Sam insgeheim in dieser Zeit gelebt haben zu können, aber nur für eine kleine Weile. Eben so lange, wie dieses Buch brauchen würde, gelesen zu werden.

Eine junge Frau mit kurzem blonden Haar tänzelte durch die Idylle, was es ihr noch einfacher machte, sich in die Geschehnisse hineinzuversetzen und bald war sie ganz in der verhängnisvollen Liebe zwischen Pascal und Juliett versunken, die sich nicht haben durften, da er nur ein kleiner Straßenkünstler und sie eine Frau aus angesehenem Hause war. Eine typische Tragödie aus Liebe und Hass, vermischt mit Sehnsucht, Leidenschaft und schockierenden Geheimnissen. Sam ließ sich von den beflügelten Worten mitreißen, entschwand vollkommen in eine andere Welt, welche der Autor dieses Buches sich vor Jahren vorgestellt haben musste. Sie bewunderte Menschen, welche die Gabe besaßen, mit einfachen Verben, ausschmückenden Adjektiven und abstrakten Substantiven Meisterwerke zu zaubern, die einen vom ersten Buchstaben an in ihren Bann zogen.

Erst ein lautes Klingeln gleich neben ihr ließ sie beim Lesen innehalten. Sie brauchte ein paar Sekunden, um sich wieder zu fangen - zu begreifen, dass sie wieder in der Realität und an einem ebenso wunderschönen Ort war, wie er in dem Buch und ihrer blühenden Phantasie existiert hatte - und zu ihrem Handy zu greifen. Sie fragte sich, wer sie wohl anrufen würde, insgeheim hoffend, dass es sich um Jack O’Neill handelte, der ganz eigenständig ebenfalls eine wichtige Rolle in ihren Träumen eingenommen hatte. Das Display enttäuschte jedoch ihre Hoffnungen, denn es wies sie ganz deutlich darauf hin, dass es sich um Janet Fraiser, ihre beste Freundin, handelte. Mit einem resignierten Seufzer, hob sie ab und ließ ihren gegenüber knapp wissen, dass sie am Apparat war.

„He Süße, wie geht es dir?“, fragte Janet überschwänglich und Sam konnte förmlich sehen, wie sie in den Hörer grinste. Auch sie selbst musste bei dem Gedanken schmunzeln, wie ihre Freundin lang gestreckt auf der Couch lag, sicherlich Schokolade oder Eis in sich hineinstopfte, leise Musik im Hintergrund laufen ließ und mit der Telefonschnur spielte - so, wie diese es schon so oft bei ihren Anrufen getan hatte.

„Sehr gut!“, antwortete Carter und nahm einen Schluck von ihrer Eistee, die durch die Eiswürfel immer noch kühl war. Es war Sommer und die Sonne berannte hier heißer als in Colorado, da war solch eine Erfrischung immer das Richtige. Wenn Jack gewusst hätte, was sie hier gerade tat, würde er sicherlich eine ärgerliche Standpauke halten, aber er war ja nicht anwesend, also konnte ihr das auch egal sein. Ruhe war gut und schön, aber ganz ohne zwischenmenschliche Beziehungen - und sei es nur ein kleines Telefonat - könnte sie keine zwei Tage überleben. Er war da ganz offensichtlich anderer Meinung, was jedoch sein Ding war. „Es ist bezaubernd. Ich denke, ich werde nachher noch etwas schwimmen gehen. Mir ist schon ganz schön war.“

Janet stöhnte frustriert auf und meinte dann resignierend: „Bei uns gießt es wie aus Eimern. Ich würde zu gern mit dir tauschen.“ Sam hatte zwar Mitleid mit ihrer Freundin, doch tauschen würde sie unter keinen Umständen. Nicht, wo es ihr hier doch so gut gefiel. Sie hatte Zeit für sich und musste mal nicht die ganze Zeit an die Arbeit und andere Probleme denken. Jack hatte Recht behalten, etwas Abstand wirkte manchmal wirklich Wunder. Sie konnte neue Kräfte sammeln und sich von allem distanzieren, um eine neue Perspektive zu gewinnen. Sie musste sich unbedingt noch einmal bei ihm bedanken, sobald sie zurückkam und vielleicht irgendwann noch mal hierher flüchten.

„Tja, ich aber nicht mit dir.“, gab Carter ehrlich zurück und hörte Janet leise kichern.

„Habe ich geahnt. Na ja, Hauptsache ist doch, es gefällt dir. Aber nächstes Mal kommen Cassandra und ich mit. Dann lassen wir die Männer zu Hause und machen uns ein paar entspannende Tage. Ich bin jetzt schon ganz begeistert. Jack wird schon nichts dagegen haben. Wir schicken einfach Cass vor, der kann er nicht widerstehen.“, schmiedete sie bereits einen Plan, wie auch sie aus ihrem Haus herauskam. Sicherlich wollte sie sich nur schöne Gedanken machen. Sam gefiel diese Idee sogar. Lange nicht mehr hatten sie alleine etwas unternommen. OK, sie sahen sich so gut wie jeden Tag, aber dennoch waren sie immer unter Menschen. Hier würden sie ungestört über ihre Jungs lästern können. Auch Sam freute sich bereits, da sie wusste, dass, wenn sie sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatten, dies auch durchziehen würden.

„Klingt gut, das machen wir!“, stimmte sie zu und kicherte ebenfalls leicht, wenn sie sich vorstellte, dass die Jungs pitschnass im Regen standen, während sie sich in der Sonne aalten. Ein köstliches Bild. Leises Fluchen aus dem Hörer ließ sie aufhorchen. Anscheinend war Jack gerade eingetroffen und hatte sich dem strömenden Regen nicht entziehen können. Sie hörte eine Unmengen an Schimpfwörtern, durchsetzt mit mehreren Varianten von ‚verdammt‘ und dem Rascheln von feuchter Kleidung. O’Neills Dank dafür, dass er sie hierher gefahren hatte. Sie würde sich bei Gelegenheit auch dafür entschuldigen. Sie hörte Janet quietschend aufschreien. Instinktiv hielt Samantha den Hörer weiter von ihrem Ohr weg. Sie hörte auch so, was gesprochen wurde.

„Igitt, Jack!“, stieß ihre Freundin hervor und sprang gleichzeitig auf, wie Sam hören konnte. „Hör auf damit, du bist ganz nass und kalt... Nein, bleibe weg von mir... Argh!!!!“ O’Neill hatte begonnen, sie zu ärgern und Carter wusste, wie empfindlich Janet auf so etwas reagierte - genauso gut, wie er. Ein breites Grinsen legte sich auf ihre Lippen. Sie war froh, dass ihre Freunde zusammen glücklich geworden waren. Nachdem sie geheiratet hatte, waren sich die beiden näher gekommen und anders als Sam hatte Janet keine Schwierigkeiten damit gehabt, ihren Rücktritt vom Militär einzureichen, um mit ihm zusammen sein zu können. Sie reiste so oder so nicht oft durch das Gate und es bedeutete ihr auch nicht soviel, Mitglied der Air Force zu sein, wie Sam selbst. Es sollte wohl so sein. Sie waren sich beide auch viel ähnlicher, hatten sie doch gleiche Ziele für die Zukunft. Kinder gehörten nicht dazu, denn sie hatten ja Cass, die Jack schon vor einiger Zeit adoptiert hatte, um auch wirklich ihr Vater sein zu können.

O’Neills Stimme schallte aus dem Hörer: „Bis in drei Tagen, Sam. Janet muss jetzt auflegen, sie hat Stubenarrest.“ Sam hörte Janet protestieren, doch verstand nicht wirklich, was sie sagte, denn es wurde von einem leisen aber zufriedenem Seufzer unterbrochen. Bevor sie auf Wiedersehen hätte sagen können, hatte er auch bereits eingehängt. Resigniert schüttelte sie den Kopf. Er hatte sie jedoch auf eine gute Idee gebracht. Sam schaltete ihr Handy ab, legte es zur Seite, schnappte sich ihr Buch, ihren Eistee und ihr Handtuch und machte es sich auf dem Bootssteg gemütlich, die Füße ins angenehm kalte Wasser haltend. Sie fand wirklich, so ließ es sich leben und vielleicht wurde ihr Wunsch wirklich irgendwann war. Sie hatte die Hoffnung noch lang noch nicht aufgegeben.


weiter: Kapitel 3

Kapitel 3 by Lenari
Kapitel 3

Es war ein wunderschöner Morgen. Die Sonne ging langsam über der Stadt auf und verhieß einen warmen Sommertag, Vöglein sagen ihre fröhliche Melodie und nur noch vereinzelt erinnerten Rinnsäle am Straßenrand und kleinere Pfützen auf dem Gehweg an den gestrigen Regen. Jeder wusste, dass Janet Fraiser es hasste, wenn draußen schlechtes Wetter war, dass sie sich dann am Liebsten im warmen, kuscheligen Bett verkriechen und warten würde, bis es vorbei war, doch manchmal war es auch tröstlich, einfach nur zusehen, wie der Himmel weinte. Es gab ihr einen gewissen inneren Frieden. Außerdem erinnerte sie ein solcher Schauer an Jack, welcher immer noch schlief. Er hatte sich in die Laken gekuschelt, lag auf dem Bauch und lächelte ihr zufrieden zu. Im Schwarz der Bettwäsche schien er förmlich zu versinken, doch war der Anblick alles andere als beängstigend. Er stimmte sie auf die gleiche Weise versöhnlich wie der Regen es tat.

Damals, es war jetzt genau ein Jahr her, da hatte es auch in Strömen gegossen. Janet hatte nicht mehr mit Besuch gerechnet, doch dann klingelte es plötzlich an der Tür. Oft hatte sie sich gefragt, was passiert wäre, wenn sie ihm nicht geöffnet hätte, doch so wenig, wie sie es hätte rückgängig machen können, wollte sie es auch ändern. Es war einfach richtig gewesen, auch wenn er aus falschen Motiven gekommen war. Völlig aufgelöst hatte Jack an jenem Abend vor ihr gestanden, pitschnass bis auf die Knochen. Wie immer zierte ihn seine Lederjacke, doch selbst die hatte dem kühlen Nass keinen Einhalt gebieten können. Wie sich später herausstellte, war er den ganzen Weg zu ihr gelaufen, nichtsdestotrotz hätte schon allein der Weg vom Auto zur Tür gereicht, um ihn so aufzuweichen. Ein ähnlicher Schauer wie gestern Nacht, doch da war er ihretwegen gekommen.

Vor einem Jahr waren es andere Anlässe gewesen - Beweggründe, die Janet erst viel später von ihm erfahren sollte. In dieser Nacht wollte sie diese jedoch auch nicht kenne, sonst hätte sie wahrscheinlich gefragt. Sie hatten so oder so nicht viele Worte gewechselt. Im ersten Moment, als sie sich gegenübergestanden hatten, sahen seine haselnussbraunen Augen sie einfach nur an, musterten sie eindringlich, nahm sie mit der Intensität seines Blickes gefangen. Schwere Tropfen fielen weiterhin auf ihn nieder, aber Janet glaubte nicht, dass er sie noch bemerkte. Seine ganze Aufmerksamkeit galt allein ihr. Sie brachte keinen Ton heraus, konnte sich nicht bewegen und vergaß wahrscheinlich sogar für einen Moment das Atmen. Die Luft um sie herum war wie elektrisiert, Funken sprühten zwischen ihnen, sorgte für ein leichtes Kribbeln sowohl auf seiner als auch auf ihrer Haut.

Seine Augen waren von Trauer und Schmerz erfüllt, als ihre Blicke sich trafen. Oft las Janet diesen Ausdruck in seinem Gesicht, seiner Haltung und auch seinen Worten, doch in diesem Augenblick waren sie allgegenwärtiger denn je. Sie ergriffen auch von ihr Besitz, zeigten ihr, wie ähnlich sie sich im Grunde doch waren. Beide einsam, verletzlich und vom Leben enttäuscht. Der Traum von einer heilen und glücklichen Familie war ihnen - wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise - genommen worden. In ihren Herzen hatte einzig und allein der Wunsch gelegen, irgendwann doch noch glücklich werden zu können. Deswegen hatte sie wohl Cassandra zu sich genommen, doch er hatte niemanden. Eine Zeit lang war da Sam gewesen, für die sein Herz sicherlich nach all der Zeit immer noch schlug. Dem ungeachtet hatte er sie ziehen lassen.

Wahrscheinlich hatte aus diesem Grund Jacks Weg an diesem Abend auch zu ihrem Haus geführt, nicht aber zu dem Carters. Diese war nicht mehr für ihn erreichbar gewesen, würde es nie wieder auf diese Art sein. Als Freundin durchaus, doch nicht als das, was er so verzweifelt gesucht hatte - seine Liebe. Schon damals, in dem Augenblick, als Janet die Tür öffnete, wusste sie, dass sie Sam nie das Wasser reichen könnte, doch im Gegensatz zu ihr konnte sie ihn auf eine Weise glücklich machen, auf die Carter es nicht vermochte - indem sie einfach nur für ihn da war. Jack war von ihnen beiden der Erste gewesen, der sich aus seiner Erstarrung gelöst hatte und einen Schritt auf sie zu machte. Janet las in seinen Augen, wonach er sich sehnte, wieso er hierher gekommen war. Im ersten Moment wollte sie ihn davon abhalten, so weit zu gehen, dass er nicht mehr zurück konnte.

In dem Augenblick jedoch, als er ihr zwei Finger an die Lippen legte und ihren leisen Protest verstummen ließ, wurde ihr bewusst, dass es längst zu spät war, umzukehren, dass sie bereits mit dem Öffnen der Tür die Grenze überschritten hatte, welche seit dem Treffen ihrer Blicke schon lange hinter ihnen lag. Es gab kein Zurück mehr und das war auch gut so. Jack hatte sich zu ihr hinuntergebeugt, ihre Lippen mit den Seinigen versiegelt und in diesem Augenblick schien die Welt für sie beide stehen zu bleiben. Sie berührten sich nur auf diese zärtliche Weise, die mehr auszudrücken vermochte, als alle Worte des Universums dazu in der Lage gewesen wären. Ihre Hände suchten einander und fanden sich schließlich. Die Berührung seiner kalten Haut hatte ihr einen wohligen Schauer über den Rücken laufen lassen. Nie zuvor hatte sie geglaubt, dass solch ein Kontakt auch angenehme Gefühle bei ihr auslösen könnte, doch wie immer sorgte dieser Mann auch bei ihr für immer wieder neue Überraschungen, was diese Situation und noch so viele andere bewiesen hatten.

Janets Hände wanderten seine Arme hinauf, streiften verloren über das nasse, raue Leder seiner Jacke bis hoch zu seinem feuchten Haar. Dort fanden sie endlich ihre Ruhe. Auch Jacks Hände hatten sich selbstständig gemacht, waren auf ihren Rücken gewandert, wo sie mit jeder Berührung einen elektrischen Sturm hinterließen, er durch ihre Nervenbahnen zuckte und sie halb besinnungslos sowie vor Leidenschaft als auch Verlangen machte. Er nahm sie fest in seinen Griff, hob sie an, ohne jedoch den Kuss zu unterbrechen und trug sie ins Warme, die Tür mit dem Fuß hinter ihnen schließend. Sie wollten es beide mehr als alles andere. In diesem Moment erschien es für sie einfach das Richtige zu sein und sie hatten ihre Entscheidung nie bereut.

Janet Fraiser schlüsselte die Gedanken ans vergangene Jahr ab, riss sich von dem morgendlichen Anblick los und trat vom Fenster weg, um sich zu Jack aufs Bett zu setzten. Er hatte sich auf die Seine gedreht, umarmte das Kissen und seufzte zufrieden. Sie strich ihm über das bereits vollkommen graue Haar und lächelte leicht bei dem Gedanken, dass er so unschuldig und zufrieden aussah, wenn er schlief. Wie ein kleiner Junge, der noch nie etwas Schlimmes im Leben gesehen hatte. Jack hatte schon lange keine Alpträume mehr gehabt. Vielleicht lag es daran, dass es jetzt alles etwas ruhiger im Universum geworden war, eventuell aber auch an der Tatsache, dass er glücklich war und allein Janets Gegenwart ihm die nötige Geborgenheit gab, sich sicher zu fühlen. Ab und zu holte ihn seine Vergangenheit noch ein, besonders an Tagen wie diesen, doch lang nicht mehr so oft wie früher, als er noch alleine damit zu kämpfen hatte, als er mit niemanden darüber hatte reden können.

Jetzt war das anders. Jetzt hatte er Janet und Cassandra an seiner Seite und sie würden ihn nie verlassen, soviel war sicher. Fraiser liebte Momente wie diese. Sie war immer vor ihm wach. Nicht, dass er ein Langschläfer war - ganz im Gegenteil - nichtsdestotrotz schaffte sie es immer wieder, noch vor ihm wach zu werden. Allein der Gedanke, ihn beim Schlafen beobachten zu können, ließ sie ihre Augen öffnen. Außerdem musste sie im Gegensatz zu ihm zur Arbeit. Heute würde sie ihm eh nicht beistehen können, er musste seinen Dämonen allein gegenüberstehen und sie bekämpfen. Er heute Abend würde er sich zurück in ihre Arme flüchten können, um all den Schmerz und die Trauer des Erinnerns in der Geborgenheit, welche ihre Nähe für sich schon ausstrahlte, untergehen und für immer verschwinden zu lassen. Sie würde für ihn das vollführen, was sie auch im Jahr davor vollbrachte - sie würde allein für ihn da sein.

„Wie spät ist es?“, hörte sie Jacks raue Stimme murmeln. Er drehte sich ganz auf den Rücken, wischte sich den Schlaf aus den Augen und sah sie mit halb zugekniffenen Augen schlaftrunken an. Man sah ihm an, wie sehr ihm die helle Fröhlichkeit dieses Morgens missfiel, denn sein Körper schrie förmlich nach mehr Schlaf, den er wohl heute Vormittag nicht mehr finden würde.

„Es ist kurz vor acht. Zu früh für dich, um aufzustehen. Versuch lieber noch etwas zu schlafen. Du siehst scheußlich aus.“, antwortete Janet und machte sogar einen für Jacks Verhältnisse ganz passablen Scherz. Er kniff die Augen zu Schlitzen zusammen, zog die Stirn kraus und musterte Janet mürrisch, dann schnappte er sie sich und drückte sie zu sich in die Laken, legte sich halb auf sie, damit sie nicht entkommen konnte. Sie kicherte verzückt, versuchte sich dennoch von ihm loszureißen, was ihr natürlich nicht gelang. Sie war bereits angezogen und es musste ja nicht gleich jeder in der Basis sehen, dass sie selbst am frühen Morgen nicht die Finger voneinander lassen konnten.

„Du siehst dafür umso besser aus.“, bemerkte Jack und küsste sanft ihre Lippen, dann kuschelte er sein Gesicht in ihre Halsbeuge. „Und du riechst auch noch so verführerisch.“ Er sog ihren Duft tief in sich auf und seufzte wohlig. „Aber eines stört,…“, fügte er hinzu, sah sie wieder an und grinste schelmisch. Seine Augen glühten bösartig - irgendwie unheilsvoll. „…die Kleider müssen weg.“ Seine linke Hand wanderte zu den Knöpfen ihrer Bluse, doch sie konnte ihn im letzten Moment davon abhalten, sein Werk zu vollenden.

Entschieden schüttelte Janet den Kopf und gab zurück: „Die bleiben gefälligst, wo sie sind. Ich muss gleich zur Arbeit, Jack, das weißt du doch. Aber heute Abend gehöre ich ganz dir, da kannst du meinetwegen mit mir machen, was immer du willst. Versprochen.“ Sie gab ihm einen Kuss auf die Nase und er kuschelte sich wieder an sich. Es fühlte sich für beide einfach berauschend an, arglos dazuliegen und einander festzuhalten. Das waren die Momente, die sie beide wirklich liebten und um nichts in der Welt eintauschen wollten. Es fühlte sich einfach nur richtig an und diese Empfindung machte es letztendlich zu etwas ganz besonderem.

„Kannst du nicht einfach blaumachen? Ruf an und sag, dass du krank bist.“, nuschelte O’Neill mürrisch in ihren Hals. Er wollte heute unter keinen Umständen alleine sein, denn er begann langsam zu erahnen, welcher Tag heute war, auch wenn sein Bewusstsein, dass noch nicht wirklich realisierte, so hatte sein Unterbewusstsein das schon lange erkannt. So, wie sie unmöglich bleiben konnte, so war ihm auch klar, dass er dieses Wissen nicht achtlos beiseite schieben konnte, auch wenn er sich noch so sehr danach sehnte. Ein kleiner Trost für ihn war es, dass dieser Tag nicht mehr nur schlechte Erinnerungen in ihm weckte, sonder jetzt auch eine positive Bedeutung für ihn aufwies. Sein Leben hatte sich heute vor einem Jahr grundlegend geändert und er war mehr als froh darüber.

„Du weißt gar nicht, wie gerne ich das würde, um den ganzen Tag mit dir im Bett liegen und mich von dir verwöhnen lassen zu können, aber sie brauchen mich nun einmal dort. Außerdem wirst du sicher auch ohne mich etwas mit diesem herrlichen Tag anzufangen wissen, nicht wahr?“, wandte Janet ein, löste sich aus der Umarmung - auch wenn es ihr schwer fiel und ihr Herz schon nach Bruchteilen von Sekunden unter der Trennung litt - und setzte sich auf. Liebevoll streichelte sie ihm über das Haar, nachdem er sich wieder auf den Rücken gelegt und die Augen geschlossen hatte. Frustriert brummte er einen leisen Protest.

„Ich werde auf den Friedhof gehen und Charlie besuchen, mich in eine verrauchte Bar setzten, mich besaufen und dann den wohl unglaublichsten Sex mit dir haben, an den ich mich nicht mehr werde erinnern können. Klingt doch nach einem guten Plan.“, antwortete Jack sarkastisch und presste sich verärgert eines der Kissen aufs Gesicht. Resignierend schüttelte Janet den Kopf und nahm ihm das Kissen weg, um es an seinen ursprünglichen Platz zurückzulegen.

Dann flüsterte sie versöhnlich: „Er besticht durch seine Einfachheit.“, gab ihm einen Kuss auf die Wange und setzte den Weg zur Tür zurück. Auf der Schwelle wandte sie sich noch einmal um und blickte Jack lächelnd entgegen, welcher sich halb aufgesetzt und ihr hinterher gesehen hatte. „Ich…“, begann sie, unterbrach sich kurz darauf jedoch selbst. „Wir sehen uns heute Abend.“

„Ja!“, stimmte Jack ihr zu und schenkte ihr ein verstehendes Nicken. Ihm war einleuchtend, was sie hatte sagen wollen, doch wie schon so oft, hatte sie sich selbst im letzten Moment gestoppt. So gerne sie ihn auch wissen lassen wollte, dass sie ihn liebte, ebenso sehr war ihr auch klar, dass er den ersten Schritt machen musste. Sie durfte ihn nicht drängen, ihm nichts aufzwingen, was er selbst nicht wollte. Er würde schon etwas sagen, wenn er bereit dazu war. Sie musste nur eines haben - etwas Geduld und Vertrauen. Mit diesem zuversichtlichen Gedanken verließ sie das Schlafzimmer und schließlich auch das Haus, welches sie gemeinsam mit ihm bewohnte.


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Kapitel 4 by Lenari
Kapitel 5

Es war ein kleines Lokal außerhalb der Stadt, welche Doktor Jackson betrat. Nur einige Wenige hatten sich hierher verlaufen. Es war schließlich erst früher Vormittag. Die Bar war so gut wie voll, doch an den Tischen saß kaum jemand. Lediglich drei von ihnen waren besetzt. Daniel sah sich, nach jemand Bestimmten suchend, um und fand diesen letztendlich in einer Ecke sitzend. Allmählich steuerte er auf seinen Fund zu. Er hätte diesen Mann unter Milliarden wieder erkannt. Die breiten Schultern, die hochgewachsene Gestalt, das graue Haar, markantes Gesicht und diese immer ernsten Züge um die traurigen Augen. Colonel O’Neill! Viele Männer seines Alters sahen ihm ähnlich, doch er hatte etwas an sich, das kein anderer mit ihm gemein hatte. Daniel wusste bis heute noch nicht, was, aber er würde es vielleicht irgendwann noch herausfinden.

Jack hielt ein halbvolles Whiskeyglas in der Hand, eine Flasche stand daneben, die er sicherlich vorhatte, heute noch auszutrinken. Sein Blick war nach unten gerichtet - er würde seinen Freund erst sehen, wenn dieser zu ihm hinüber ging und sich zu ihm setzte. Das hatte dieser auch ohne weiteres vorgehabt. Die beiden Männer saßen oft zusammen, redeten, tranken, rissen Witze und diskutierten über ihre verkorksten Leben. In letzter Zeit war es in ihren kleinen Welten ruhiger geworden, sie hatten sich ein kleines bisschen mehr Menschlichkeit erlaubt und waren sogar seit langem mal wieder so richtig zufrieden.

Nichtsdestotrotz störten immer noch Tage wie diese die Harmonie in ihrem Dasein. Tage, an denen man an weniger glückliche Zeiten erinnert wurde, Momente, die mit Schmerz und Trauer verbunden waren, in denen man sich klein und unbedeutend fühlte sowie wo jeder Wunsch sinnlos und jedes Problem riesig erschien. Auch in Daniels Leben gab es fiele dieser Augenblicke - Shau’ris Tod, der Tod seiner Eltern, als er noch ein Kind war, die Läuterungen durch die Goa‘uld - aber auch er ließ sich davon nicht unterkriegen, genauso wenig wie Jack. Sie hatten gelernt, damit zu leben, es so lange zu verdrängen, wie es eben nötig war, um weitermachen zu können und sie hatten einander einen Teil des Schmerzes abgenommen, um ihn so zu lindern.

Doktor Jackson wusste, welcher Tag für Jack heute war - sowohl ein Guter als auch ein Schlechter - sein Freund musste sich nur entscheiden, was er gewählt war, aus dieser Tatsache zu schaffen. Deswegen war er hier, um Jack sozusagen einen Tritt in die richtige Richtung zu verpassen. Natürlich hatte ihn auch ein ganz persönliches - durchaus erfreuliches - Anliegen, so hoffte er jedenfalls, hierher getrieben. Er hatte eine Bitte an Jack, die seine Welt vollkommen machen, aber auch zu mehr Problemen führen konnte. Das hing ganz von Jack ab. Normalerweise schien das ein sehr ungünstiger Moment, um Jack damit zu überfahren.

Doch vielleicht war es für Daniel Jackson auch der einzig Richtige. Er setzte sich neben seinen Freund, während er der Kellnerin ein Zeichen gab, seine Bestellung aufzunehmen. O’Neill ließ kurz seinen Blick zu ihm wandern, widmete sich dann wieder seinem Glas. Daniel bestellte sich einen Kaffee. Jetzt schon einen für Jack mitzubestellen, hielt er für keine gute Idee und auch die Flasche Whiskey wegbringen zu lassen, wäre die gänzlich falsche Lösung. Also ließ er seinen Freund gewähren, welcher das Glas in seinen Händen in einem Zug geleert und wieder nachgefüllt hatte.

„Was willst du?“, fragte Jack leicht gereizt und ließ die goldbraune Flüssigkeit seine Kehle hinunter laufen. Er sah Daniel nicht an, aber das war auch typisch für den Air Force Colonel, den er so gut kannte. Eine andere Reaktion auf sein Auftauchen hätte ihn auch verwundert.

„Was glaubst du?“, entgegnete Doktor Jackson galant und nahm den Kaffee von der Kellnerin entgegen. Er hatte sich vorgenommen, erst einmal Jack die Führung des Gesprächs zu überlassen, ohne selbst je die Kontrolle verlieren. Zwingen konnte er seinen Freund zu nichts, auch wenn er es noch so gerne gewollt hätte.

„Denkst du nicht, wir sind zu alt für diese Spielchen?“, wollte Jack ungerührt wissen. Was Daniel konnte, beherrschte er auch schon seit Jahren. Er konnte diese Scharade beliebig lange fortführen.

„Möglich. Kommt ganz darauf an.“, erwiderte Jackson ruhig und nahm einen Schluck von dem heißen Gebräu. Jack zog hörbar die Luft ein. Sein Freund nervte ihn jetzt schon gewaltig und hätte er bereits mehr getrunken gehabt, als drei Gläser... daran wollte er lieber nicht denken. Der Gedanke war zu verlockend.

Colonel O’Neill wusste, er würde es bereuen, dennoch fragte er: „Worauf?“

„Ob du bereit bist, wie ein vernünftiger Mann mit mir zu reden oder lieber wie ein sturer Hund.“, antwortete Daniel grinsend. Jack konnte beides sein, wenn er wollte. Dieser warf einen Blick auf sein neu gefülltes Glas und die sich darin bewegende Flüssigkeit, dann stellte er es demonstrativ auf den Tisch und schob es mit dem linken Handrücken von sich weg. Es war nicht außer Reichweite, aber auch nicht mehr mit einer Bewegung an seinem Mund. Das musste Daniel wohl oder übel genügen. Am Liebsten hätte er Jack natürlich aus dem Lokal geschleift, ihn ins Auto verfrachtet und nach Hause geschleift, doch selbst im angetrunkenen Zustand - oder gerade in diesem - war Jack noch um einiges kräftiger als er selbst. Es war nicht so, dass Daniel ein Schwächling war, nur hielt er Kämpfe für eine eher schlechte als rechte Lösung. Seine Stärke waren die Worte und diesen Vorteil würde er gnadenlos ausnutzen.

„Also, schieß los, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.“, sagte Jack unberührt und blickte seinem Freund in die Augen. Jackson konnte darin lesen, wie sehr O’Neills Herz gerade heute schmerzte, doch davon konnte und durfte er sich nicht abschrecken lassen. Er hatte eine Mission und er würde das Angefangene zu Ende führen. Jemand anderes würde ihm wehtun, wenn er es nicht tat.

„Ich wollte mit dir über Janet reden.“, begann Daniel mit ruhiger Stimme, aber immer darauf gefasst, dass Jack ihn unterbrechen würde. „Ich weiß, dass es mich eigentlich nichts angeht, aber ich mache mir Sorgen um euch.“

„Du meinst, Cassandra macht sich Sorgen.“, wandte O’Neill ein und nahm einen Schluck Kaffee aus Daniels Tasse.

Sein Gegenüber erwiderte: „Genau. Sie befürchtet, dass Janet irgendwann der Meinung sein könnte, dass du sie nicht wirklich liebst und nur bei ihr bist, weil Sam sich letztendlich doch gegen euch entschieden hatte. Ich habe ihr natürlich sofort klar gemacht, dass dem nicht so ist.“ Er sah Jack abwartend an, doch dieser starrte nur die Flasche vor sich an. In seinen Augen war nichts zu lesen. Sie waren einfach nur leer und kalt. Selbst der Schmerz über Charlies Tod war aus ihnen gewichen.

„Woher willst du wissen, dass sie nicht Recht hat?“, gab Jack reserviert zurück und griff nach dem gerade erst beiseite geschobenen Whiskeyglas. Er trank zwar nicht davon, doch spielte er ganz offensichtlich mit dem Gedanken. Er schien das eben Gesagte durchaus erst gemeint zu haben, nichtsdestotrotz würde Daniel sich nicht so einfach damit zufrieden geben, denn er wusste, dass es bloß Jacks Art war, ihn auf Distanz zu halten, und sich seinen eigenen Gefühlen und Ängsten nicht stellen zu müssen. Dieser hatte nämlich durchaus auch die Befürchtung, dass Janet irgendwann die Nase von ihm voll haben könnte und gehen würde. Vielleicht nicht gleich heute oder morgen, aber irgendwann schon. Janet war nicht die Frau, die ewig mit ansah, wie sich der Mann, den sie liebte, zugrunde richtete.

„Weil ich dich besser kenne.“, gab Daniel entschlossen zurück. „Du würdest ihr nie wehtun - auf jeden Fall nicht mit Absicht - und egal, was du nach diesen zwei Jahren noch für Sam empfindest, es hat nichts mit deinen Gefühlen für Janet zu tun. Doch das hier, dass wird sie irgendwann dazu bringen, zu gehen. Ich weiß, dass du deinen Sohn liebst und schrecklich vermisst, doch du musst endlich lernen, loszulassen, sonst wird sie dich früher oder später verlassen. Das ist nämlich euer Tag, Jack, und den solltest du mit ihr verbringen, anstatt hier in einer Bar zu sitzen und dich vollaufen zu lassen.“ Nachdem Jackson seine kleine Rede, die er auf dem Weg hierher mindestens an die tausend Mal geübt hatte, beendete, leerte Jack sein Glas mit einem Zug. Der Alkohol suchte sich seinen Weg dessen Kehle hinunter und in dessen Blut. Ein wohlig warmes Gefühl breitete sich in ihm aus, ließ ihn äußerlich erschauern.

Schließlich entgegnete er: „Denkst du etwa, dass weiß ich nicht? Ich versuche es ja auch, Daniel, aber ich kann ihn doch nicht einfach aus meinem Gedächtnis streichen. Das geht einfach nicht, verstehst du das denn nicht?“ Jack hätte wütend klingen wollen, doch war in seiner Stimme mehr Verzweiflung mitgeschwungen. Er wusste einfach nicht, wie er damit umgehen sollte und Daniel konnte es ihm auch nicht sagen. Für ihn war es selbst schwer genug, Vergangenheit und Zukunft unter einen Hut zu bringen. Vielleicht hatte sie ihn deswegen hierher geschickt. Hilfe zur Selbsthilfe oder so ähnlich.

„Natürlich verstehe ich das, Jack, mir geht es mit Shau’ri nicht anders. Ich vergehe nur nicht in Selbstmitleid.“, wandte Daniel energisch ein. Sein Freund hatte sich bereits nachgeschenkt und das handgroße Gefäß an seine Lippen gesetzt, hielt jetzt jedoch inne und stellte es schließlich wieder ab. Jackson hatte Recht, er verging in Selbstmitleid und ertränkte seinen Schmerz in Alkohol. Längst hatte er doch schon gelernt, damit zu leben und hatte längst wieder ein neues Glück gefunden. Wieso das also?

O’Neill gestand, zögernd: „Ich habe Angst Daniel. Tage wie diese, erinnern mich daran, was ich alles zu verlieren riskiere. Es war einfacher mit dem Schmerz umzugehen, als ich noch alleine war, doch jetzt... ich habe das ungute Gefühl, dass alles noch einmal von vorne beginnt, dass Janet und Cassandra irgendwann auch einfach verschwinden, dass sie meinetwegen...“ Jack hielt inne, wagte das Wort nicht einmal zu denken, geschweige denn auszusprechen. Letztendlich spülte er die aufkommenden Gedanken und Gefühle mit Whiskey hinunter.

„Ist ein Jahrestag denn so etwas Schlimmes?“, fragte Daniel plötzlich amüsiert, als hätte er Jacks Zweifel gar nicht gehört. Doch das hatte er durchaus, wusste nur, dass sie nicht Trübsal blasen durften, wo es doch darauf hinauslaufen sollte, dass Jack seinen Arsch aus der Bar und nach Hause bewegte. Dazu musste er ihn an das Gute am heutigen Tag erinnern und ihn vielleicht sogar wütend machen. Und, bei Gott, das würde er.

„Ich hasse dich, Daniel!“, lachte Jack auf und ließ endlich vom Alkohol ab. Es war nicht böse gemeint gewesen, was seinem Gegenüber natürlich klar war. Es war nur O’Neills Art, ihm zu sagen, dass dieser es nicht ausstehen konnte, wenn sein jüngerer Freund Recht hatte. Auch Daniel konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sofort war Jack wieder ernst geworden, als er fragte: „Wieso bist du wirklich hier? Und sag mir nicht, wegen Janet. Ich kenne dich besser.“

„Na ja,...“, druckste Daniel verlegen herum. Was er zu sagen hatte, würde seinem Freund überhaupt nicht gefallen und er machte sich auf alles gefasst - Gebrüll, Beleidigungen und eine Faust in seinem Gesicht. „Cass und ich wollen heiraten und ich möchte dich um deinen Segen bitten.“ Er rutschte schnell etwas zurück, kniff reflexartig die Augen zusammen und duckte sich in Erwartung des Schlages. Umso überraschter war er, als nichts passierte. Jack wurde nicht laut, beschimpfte ihn nicht und schlug auch nicht zu. Er saß lediglich weiterhin ruhig da und starrte auf das leere Whiskeyglas in welchem sich ein letzter Tropfen der goldbraunen Flüssigkeit durch Jacks Handbewegungen hin- und herbewegte. Er schien zu überlegen, was er sagen sollte. Erleichtert, aber auch etwas verwirrt, atmete Daniel auf und setzte sich wieder ordentlich hin.

„Liebst du sie?“, fragte Jack schließlich. „Liebst du sie, wie du Shau’ri geliebt hast?“

„Auf die gleiche Art und Weise - nein. Aber mit der selben Intensität.“, antwortete Daniel ehrlich. „Sie ist mein Leben.“ Während er das gestand, war sein Blick auf den Kaffeebecher in seinen Händen gerichtet. Das schwarze Gebräu wärmte seine Innenflächen, so dass es fast schmerzte.

„Na dann, viel Glück! Du wirst es brauchen.“, entgegnete Jack mit einem breiten Grinsen auf den Lippen. „Sie ist eine Fraiser, vergiss das niemals.“ Daniel sah ihn erstaunt an. Der Stimmungswandel seines Freundes hatte ihn vollkommen überfahren. Doch auch auf seinem Gesicht machte sich nach und nach ein Lächeln breit. Colonel O’Neill erhob sich, zahlte und ging voraus. Als Jackson sich nicht rührte, drehte er sich noch einmal zu ihm um. „Komm schon, Danny, ich dachte, wir wollen nach Hause.“

„Ähm, ja klar!“, murmelte Daniel vor sich hin und stand ebenfalls auf. Jack schaffte es doch immer wieder, den Spieß umzudrehen. Jetzt war er derjenige, der sich Sorgen machte, denn Cassandra hatte allerdings eine Menge Eigenschaften ihrer Adoptivmutter angenommen und nicht nur liebenswerte und gute. Er würde es nicht einfacher haben, als Jack, ganz und gar nicht. Oh Mann!


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Kapitel 5 by Lenari
Kapitel 5

Der Schrei eines neugeborenen Säuglings erfüllte die Nacht. Die Sterne standen hoch am Himmel, schienen klar auf das kleine Lager außerhalb der Stadt nahe dem Stargate. Ein hünenhafter Mann saß am Feuer, starrte wie gebannt in die Flammen und schien längst vergangenen Zeiten nachzusinnen. So befremdlich seine Momentane Situation auch war, so bekannt kam ihm alles doch vor. Vor nicht ganz zweiundzwanzig Jahren hatte er schon einmal an einem Feuer gesessen und darauf gewartet, dass er den ersten kräftigen Schrei seines neugeborenen Sohnes vernehmen konnte. Damals hatte es sein Herz mit Stolz erfüllt und auch heute fühlte er sich nicht minder geehrt. Aber da war noch ein anderes Gefühl, dass sich dazu schlich. Teal’c begann sich alt zu fühlen.

Sein Leben im ständigen Kampf forderte allmählich seinen Tribut. Er war nicht weniger gebrechlich, als noch vor ein paar Jahren, seine Knochen schmerzten nicht bei jeder Bewegung, die er machte, keine noch so kleine Falte zierte sein Gesicht und sein Haar wäre sicher noch lang nicht grau geworden, wenn er es hätte wachsen lassen, anstatt sich regelmäßig den Kopf zu rasieren - alles in allem immer noch hervorragend in Form - nichtsdestotrotz war das Gefühl allgegenwärtig, seit er von dem eigentlich freudigen Ereignis erfahren hatte. Großvater! Dieses Wort kreiste durch seine Gedanken, seit O’Neill ihn vor Monaten so genannt hatte. Dies war er nun. Er war ungewollt alt geworden und jetzt wusste er nicht, wie er damit umgehen sollte.

Teal’c hatte nie geglaubt, sich mit diesem Problem herumschlagen zu müssen, denn er war ein Krieger, der immer damit rechnen musste, dass er bei einem Kampf getötet werden könnte. Nicht, dass er es je darauf angelegt hatte, hatte er sich selbst doch ein Versprechen gegeben, doch dem hätte durchaus so sein können. Nach Rya’cs Geburt hatte er noch mehr auf sich geachtet, wenn er in die Schlacht zog - was weitaus weniger häufig der Fall war, hatte er doch längst sein vorgegebenes Ziel erreicht - dennoch, so hätte sein Schicksal aussehen können. Doch es sollte anders kommen. Er sollte sich gegen die falschen Götter erheben, sich den Tauri anschließen und seinem Volk den Weg in die Freiheit weisen. Trotz all diesen Taten, trotz der Verehrung, die ihm im Laufe der Zeit zuteil geworden war, schien sein Leben leer, seit er diesen Weg beschritten und in die Jahre gekommen war.

Man sah ihm sein Alter lang noch nicht an - der Symbiont verlangsamte den Reifungsprozess - dem ungeachtet war er schon länger auf der Welt als sein Freund Jack, dem man die vergangenen fünfzig Jahre bereits deutlich ansah. Besonders heute, wo er sich ständig über seine müden Knochen beklagte und meinte, langsam zu alt für diesen Job zu werden. So auch in diesem Augenblick, als er sich neben Teal’c nieder ließ. Dem ungeachtet würde O’Neill niemals seinen Platz im Stargateprogramm einfach so aufgeben. Nicht einmal für seine Gefährtin Janet, die ebenfalls in dem kleinen Lager war und mitgeholfen hatte, das Kind zur Welt zu bringen. Meinen Enkel, schoss es ihm durch den Kopf. Auch wenn er es nicht zugegeben hätte, aber dieser Gedanke beängstigte ihn.

„Was ist los, Großer, willst du deinen Sohn nicht beglückwünschen?“, fragte Jack und klopfte dem Hünen freundschaftlich auf die Schulter. Dann starrte auch dieser ins Feuer, während er immer wieder seine müden Knie durchstreckte. Teal’c antwortete auf die Frage nicht. Ehrlich gesagt, wusste er nicht, wie er darauf antworten sollte. Auf eine Art freute er sich schon, doch andererseits glaubte er auch, seinen Sohn dadurch verlieren zu können - so albern das auch klang. Er war seine einzige noch lebende Familie, der Teil seines Lebens, der ihn daran erinnerte, dass er ein liebender Vater und guter Ehemann gewesen ist, bevor alles kompliziert geworden war.

Er war der Grund gewesen, warum Teal’c das alles überhaupt auf sich genommen hatte. Er wollte, dass Rya’cs Nachfahren frei von Unterdrückung aufwachsen konnten. Im Grunde hatte er es auch geschafft, doch waren die Zeiten weiterhin schwierig und sehr gefährlich. Immer noch versklavten Goa’uld überall in der Galaxie Unschuldige und auch andere Gefahren lauerten in den Weiten des Universums. Für ein Neugeborenes könnte auch nur ein feindlicher Übergriff den Tod bedeuten. Außerdem bestand immer die Gefahr, dass es seinen Vater oder seine Mutter verlieren könnte, so wie es bei Teal’c selbst der Fall gewesen war.

Nachdem der Hüne weiterhin schwieg und Jack die Stille mehr als unangenehm geworden war, fuhr dieser fort: „Rya’c sah richtig Happy aus, als er seine Tochter endlich im Arm halten konnte. Er will Bel’nar oder so nennen. Sagt dir der Name etwas?“ Colonel O’Neill sah ihn abwartend an, beobachte, wie das Licht der Flammen auf dem dunklen Gesicht des Jaffa tanzte. Es waren ihm vertraute Züge, doch seit einiger Zeit schien sein Freund sich verändert zu haben. Es sah älter aus, als würde auch er langsam in die Jahre kommen. Der Gedanke daran, Großvater zu werden, setzte ihm mehr zu, als Jack angenommen hatte.

„So hieß meine Mutter. Ich habe mir bereits gedacht, dass er diesen Namen für sein Kind wählen würde.“, entgegnete Teal’c stoisch und starrte auch weiterhin geistesabwesend in die Flammen. Er war geehrt darüber, was sein Sohn getan hatte - keine Frage - dem ungeachtet konnte er sich einfach nicht darüber freuen, so sehr er es auch versuchte. O’Neill endlich anblickend, fuhr er fort: „Ich hatte nur nicht erwartet, dass dies so bald geschehen würde.“

„Also, da liegt der Hase begraben.“, erwiderte Jack lakonisch und erklärte auf Teal’cs fragenden Ausdruck in dessen Gesicht hin: „Ist nur eine Redewendung. Was ich sagen wollte, ist, dass du nicht damit klarkommst, jetzt Großvater zu sein.“

„Das ist wohl korrekt.“, stimmte der Hüne ihm zu. „Es kommt mir vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass ich Rya’c zum ersten Mal in meinen Armen hielt und heute ist er selbst Vater geworden.“

Colonel O’Neill fügte anfangs ernst hinzu: „Und in etwa zwanzig Jahren wird er genau da sein, wo du jetzt bist. Aber im Gegensatz zu dir, wird er um einiges älter sein, denn pupärtierender Mädchen können noch weitaus schlimmer sein, als Jungs. Ich weiß, wovon ich rede. Ich lebe schließlich mit zwei Fraiserfrauen zusammen. Du solltest dich glücklich schätzen. Bel’nar wird nicht zu dir kommen, wenn sie Probleme mit deinem besten Freund hat.“ Teal’c blickte ihm verwirrt entgegen, dann begriff er. Er wusste um die Beziehung zwischen Daniel und Cassandra, ebenso, wie ihm klar war, dass Jack genau diese Tatsache zuwider war. Dieser hatte sich zwar damit abgefunden, aber es wurmte ihn dennoch weiterhin. Besonders seit en neusten Ereignissen - sprich der angekündigten, baldigen Hochzeit.

„Ängstigt dich der Gedanke denn nicht, dass auch du bald Großvater werden könntest?“, fragte Teal’c verwundert. Genau dieses Gefühl beschlich ihn nämlich, wenn er daran dachte. Er fürchtete sich vor so Vielem. Dass einem von ihnen etwas zustoßen könnte, dass seine Enkelin die folgenden Jahre nicht überleben könnte oder dass ihr gewaltsam Vater oder Mutter entrissen werden könnten. Eventuell, dass er nicht mehr miterleben könnte, wie sie aufwuchs, so wie es bei seinem Sohn schon halb der Fall gewesen war. Auch er war oft nicht da gewesen, weil er in die Schlacht ziehen musste, Apophis immer und überall hin begleitet hatte - wie ein Schatten.

Er hatte die ersten Schritte Rya’cs nicht gesehen, sein erstes Wort nicht gehört und so viele andere Dinge, welche ihm jetzt so unendlich wichtig erschienen. Als er sich dann gegen die Goa’uld aufgelegt hatte und seinem Volk zeitweise den Rücken kehrte, hatte sein Sohn ihn dafür gehasst - genauso wie bei dem Tod dessen Mutter Drey’Auc. So vieles hatte Teal’c in den letzten Jahren falsch gemacht und es machte ihm Angst, dass sein Sohn genauso handeln, dass er ähnliche Fehler begehen könnte. Im Nachhinein bereute er so einiges, auch wenn er wusste, dass es das Richtig gewesen war. Denn durch den Kampf für die Freiheit seines Volkes hatte er das Recht auf ein normales Leben - wie es sich jeder wünschte - verwirkt.

„Angst? Nein.“, antwortete Jack unbeirrt. Teal’c hatte dieses Wort nie in Bezug auf sich benutzt, dem ungeachtet hatte sein Freund das längst vermutet. Sie waren sich sehr ähnlich - Krieger, die viel zu lange, viel zu viele Qualen hatten durchstehen müssen. Es brauchte zwischen ihnen nicht viele Worte, um den jeweils anderen zu verstehen. Auf jeden Fall nicht in Bezug auf so etwas. „Ich weiß, dass es in drei bis vier Jahren soweit kommen wird - Cassandra will unbedingt Kinder - und ich habe mich damit abgefunden, alt zu werden. Vielleicht ist dieser Gedanke für mich leichter zu ertragen, weil ich Janet habe und sie - obwohl sie fast sechs Jahre jünger ist als ich - gleichzeitig Großmutter wird. Was mich zu dem Schluss bringt, dass du ganz dringend mal wieder eine Frau brauchst.“

„Ich denke nicht, dass ich bereit bin, mich wieder neu zu binden.“, entgegnete Teal’c stoisch. Nicht in den nächsten Tagen jedenfalls, aber vielleicht irgendwann, denn seinen Lebensabend wollte er unter keinen Umständen alleine verbringen.

„Ja, kann sein, aber du hast ja noch eine Menge Zeit. Fünfzig Jahre, vielleicht auch noch mehr. Wer weiß das schon.“, wandte Jack lakonisch ein und erhob sich, um seine müden Knochen zu strecken. Er hatte noch etwas Wichtiges vor, weswegen er überhaupt erst hergekommen war, um mit seinem Jaffafreund zu reden. Deswegen fügte er auch, den Blick gen Himmel gewandt, hinzu: „Im Gegensatz zu mir! Also haben Janet und ich uns entschlossen, es endlich offiziell zu machen. Na ja, jedenfalls für uns. Einer eurer Priester will uns in knapp einer Stunde nach euren Bräuchen trauen und ich wollte dich bitten, mein Trauzeuge zu sein und natürlich gegenüber den anderen dichtzuhalten. Wir wollen es ihnen bei Gelegenheit selbst sagen. Was sagst du? Bist du dabei?“

„Natürlich, O’Neill! Es ist mir eine große Ehre.“, erwiderte der Hüne und stand ebenfalls auf. „Aber ein verstehe ich nicht: Wieso gerade jetzt und hier?“ Abwartend blickte Teal’c seinen Freund an, der sich etwas verlegen - was sonst eigentlich eher untypisch für ihn war - durchs Haar fuhr.

Dieser entgegnete zögernd: „Na ja, ich hatte mit Janet gewettet, dass die Kleine dir ähnlicher sieht als ihren Eltern und sie hat dagegen gehalten. Das Ende vom Lied war, dass wir uns jetzt trauen lassen.“ Die beiden Männer hatten sich in Bewegung gesetzt und gingen auf eines der Zelte zu, in welchem sich die provisorische Krankenstation befand und sicher noch Rya’c mit seiner Familie zu finden sein würde.

„Dann hast du die Wette verloren.“, folgerte Teal’c, der seinen Freund gut genug zu kennen glaubte, dass dieser es nicht gerade auf diese Wendung angelegt hatte, jedoch zu seinem Wort stehen würde. Auf der Erde würde sich für sie nichts ändern. Es war also nicht mehr als ein Liebesbeweis, den er für sie erbringen wollte.

„Nicht so ganz.“, wandte Jack ausweichend ein. „Ehrlich gesagt, hatten wir beide Recht. Sie sieht euch allen Drei ähnlich. Deswegen auch die Zeremonie hier und dann etwas später eine schöne kleine Hochzeitsfeier zu Hause. Damit lassen wir uns aber noch etwas Zeit. Mindestens bis unser Kind unter der Haube ist. Dann haben wir wenigstens unsere Ruhe.“ Sie waren am Eingang zum Zelt angekommen und Teal’c blieb unschlüssig stehen. Es gab nun kein zurück mehr und Colonel O’Neill würde einen Rückzieher auch nicht zulassen. Er würde ihn zu seinem Glück zwingen, wenn es sein musste. Genau das tat dieser auch, indem er dem Jaffa einen kräftigen Schubs vorwärts gab. Teal’c taumelte ins Zelt und kam vor Janet Fraiser zum Stehen, welche seine Enkelin in der Hand hielt und bewundernd musterte.

Mit einem Lächeln überreichte sie den Säugling an den Hünen weiter und zog sich diskret an Jacks Seite zurück. Zum ersten Mal warf Teal’c einen Blick auf seine Enkelin - auf seine Zukunft - und er war vom selben Stolz erfüllt, wie bei Rya’cs Geburt. Eventuell sogar noch etwas mehr. Und da wurde ihm klar, dass er sich völlig grundlos Sorgen gemacht hatte, dass seine Bedenken vollkommen überflüssig gewesen war. Er war lang noch nicht alt, noch viele wundervolle Jahre lagen vor ihm und alles, was er bei seinem Sohn versäumt hatte, würde er sicherlich bei ihr nachholen können. Bel’nar! Sowohl O’Neills als auch Janet hatten sich geirrt: Sie sah nicht ihnen allen, sondern ganz allein ihrer Urgroßmutter und Namensgeberin - Teal’c Mutter - ähnlich. Sie war einfach wunderschön, sie war perfekt!


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Kapitel 6 by Lenari
Kapitel 6

Hammond ließ seinen Blick zwischen Carter und Colonel O’Neill hin und her schweifen. Diese unterhielten sich gerade über irgendetwas. Ihre Beziehung zueinander hatte sich in den letzten sechs Wochen deutlich verändert. Sie gingen viel ungezwungener miteinander um, vertieften ihre Freundschaft auch außerhalb der Basis. Sie aßen öfter zusammen mit ihren Lebenspartner zu Abend, berührten sich immer wieder freundschaftlich - so wie im Augenblick gerade. Jack hatte seine Hand auf ihren Arm gelegt und brachte sie so sanft zum Verstummen, um ihr etwas erklären zu können. Das war mitunter das Merkwürdigste an der ganzen Geschichte, denn diesmal war er es, der ihr etwas zu erklären versuchte. Zwischen ihnen bestand etwas, ein Geheimnis vielleicht - George hatte nie nachgefragt.

Er selbst war nur froh, dass sich seine beiden besten Männer so gut verstanden. Die erste Zeit nach Samanthas Hochzeit war sehr kritisch für sie gewesen - Jack hatte sich einfach unmöglich aufgeführt - doch nachdem sich die Spannung in einem heftigen Streit zwischen ihnen entladen hatte, hatte dieser es vorgezogen, es in sich hineinzufressen. Auch dieser Zustand hielt einige Wochen an, bis er eines Tages wie ausgewechselt in des Generals Büro gekommen war und sich für sein unmögliches Benehmen entschuldigt hatte. Erst im Nachhinein hatte sein Gegenüber begriffen, was - oder besser gesagt - wer diese Veränderung vollbracht hatte. Knapp einen Monat später war dann ein Schreiben von Doktor Fraiser auf seinen Schreibtisch geflattert, welche ihren Rücktritt eingereicht und um die Weiterbeschäftigung als zivile Ärztin ersucht hatte.

Er brauchte dann nur noch eins und eins zusammenzählen, um die Lage zu begreifen. Rückblickend waren ihm dann auch die kleinen Anzüglichkeiten, die Blickgefechte zwischen ihnen und die scheinbar zufälligen Berührungen deutlicher ins Auge gestochen. Er hätte es eigentlich schon sehen müssen, bevor ihn der Rücktritt wie ein Schlag getroffen hatte, doch die Ereignisse der letzten Monate hatten ihn dafür blind gemacht. Außerdem hatten sowohl Jack als auch Janet die Professionalität gewahrt und sich, bis auf die Kleinigkeiten, weitgehend normal gegenüber benommen. Nicht einmal der Rest von SG-1 schien etwas bemerkt zu haben und wenn doch, wusste auch diese, es sich nicht anmerken zu lassen. Unter Freunden war das mehr als verständlich.

Natürlich hatte der General versucht, einen Rücktritt Major Fraisers zu unterbinden, doch nachdem sein Änderungsvorschlag an den Präsidenten von diesem abgelehnt worden war, hatte er das Papier unterschrieben und seine Entscheidung seiner mit Abstand fähigsten Ärztin mitgeteilt. Zu diesem Zeitpunkt war auch SG-1 zugegen gewesen. Sam und Daniel waren, kaum das Hammond es ausgesprochen hatte, sprachlos, Teal’c hatte seine typische Reaktion gezeigt und Jack war aufbrausend geworden. Er hatte Janet erst nur verständnislos angestarrt und hatte dann lauthals von dieser erfahren wollen, welcher Teufel sie geritten hatte, ihre Karriere für ihn auf Spiel zu setzten.

Ihre Antwort war ein Kuss gewesen, der jedem mehr als eindeutig signalisierte, wie erst sie es mit ihm meinte. George hatte O’Neill, seit er diesem das erste Mal begegnet war, nicht oft sprachlos erlebt - höchstens zwei Mal - doch in dem Augenblick nach dem Kuss hatte er nur mit offenem Mund dagestanden, nicht dazu fähig, auch nur einen Protest loszuwerden. Offensichtlich hatte sie niemanden in ihr Vorhaben eingeweiht - vielleicht auf die Gefahr hin, dass er es ihr wieder ausgeredet hätte, eventuell aber auch, weil sie sich Hammonds Reaktion nicht sicher sein konnte. Hatte sie Jack erst einmal vor vollendete Tatsachen gestellt, konnte dieser es auch nicht mehr rückgängig machen. Alles in allem hätte George nicht zufriedener sein können.

Das war jetzt über ein Jahr hergewesen und seitdem herrschte Harmonie in der Basis und in seinem besten Team. Keine Beschwerden waren mehr von der Krankenstation gekommen, die Gerüchte über Jack und Sam so gut wie versiegt. OK, es kriselte, als O’Neill von Daniel und Cassandra erfuhr - er hatte sie in Flagrante erwischt - doch auch das legte sich wieder. Zwar erst nachdem Doktor Fraiser ihnen nach einer heftigen Auseinandersetzung mit Handgreiflichkeiten auf der Krankenstation den Kopf gewaschen hatte, aber immerhin. Diese betrat auch gerade den Besprechungsraum. Jack hatte sich auf der letzten Mission einige weniger tragische Verletzungen zugezogen und wollte uns nun ausführlich über seinen Gesundheitszustand informieren. Auch über den der anderen, denn Sam ging es seit Tagen augenscheinlich nicht sehr gut.

„Sir!“, begrüßte sie den General kurz und setzte sich neben Jack, welcher sofort ihre Hand ergriff und leicht zum Zeichen seiner großen Zuneigung drückte. Die Seinige war dabei in einen leichten Stützverband gehüllt, da er sich diese während der Mission verstaucht hatte. Augenscheinlich hatten sie ihre Beziehung noch vertieft. O’Neill musste endlich aufgewacht sein, wie Hammond treffend im Geiste feststellte. Nachdem Janet diesem ein verheißendes Lächeln geschenkt hatte, fuhr sie sachlich und professionell, an Hammond gewandt, fort: „Soweit es Colonel O’Neills Gesundheitszustand betrifft, scheint bis auch die Verstauchung seines Handgelenks und einigen Blessuren nichts Ernstes passiert zu sein. Die restlichen Mitglieder von SG-1 erfreuen sich bester Gesundheit. Mit einer kleinen Einschränkung…“

Sie pausierte, verleite ihren Worten so noch etwas mehr Nachdruck. Alle fünf Augenpaare hatten sich gespannt auf sie gerichtet, versuchten aus ihrer Haltung und dem Ausdruck in ihrem Gesicht schlau zu werden, doch da war nichts. Nicht einmal der General konnte genau sagen, worauf sie hinaus wollte, doch da sich keine Beunruhigung in ihren Worten fand und auch ihr Blick nicht zeigte, dass man mit schlimmeren Befürchtungen rechnen musste, hielt sich seine Anspannung in Grenzen. Er kannte nicht nur dieses Team in- und auswendig, sondern auch seine Chefärztin. Hammond wusste, wann sie etwas Ernstes herausfand und wann es sich nur um Lappalien handelte.

„Und die wäre?“, fragte George resolut. Man konnte in ihrem Gesicht die schlechten Nachrichten lesen, welche diese viel zu oft zu verkünden hatte. Dann veränderte sich nicht nur ihre Stimme, auch ihr Blick war dann stur auf ihre medizinischen Unterlagen geheftet, die sich jedoch längst auswendig konnte. Jetzt jedoch zeigte sie nichts außer Professionalität, was durchaus auch eine gute Nachricht zur Folge haben könnte. Hammond hoffte dieses zumindest, denn er hatte einen leisen Verdacht, warum einer seiner besten Offiziere in letzter Zeit gesundheitlich nicht in Topform war und dieser Verdacht sollte sich bald verhärten.

Mit einem Blick auf Major Carter fuhr sie fort: „Sam, es sieht ganz danach aus, als wärst du endlich schwanger. Herzlichen Glückwunsch!“ Bingo, er hatte mitten ins Schwarze getroffen. Im ersten Moment starrte die Betroffene der Ärztin nur perplex entgegen, konnte immer noch nicht ganz begreifen, was ihr gerade mitgeteilt wurde. Es hatte sie heftig und ohne Vorwarnung getroffen. Sie hatte anscheinend nicht damit gerechnet.

„He, dass war doch genau das, was sie wollten, Carter. Nun freuen sie sich auch.“, bemerkte Colonel O’Neill breit grinsend und stupste seiner Kollegin freundschaftlich mit dem Ellenbogen in die Seite. Diese löste sich augenblicklich aus ihrer Starre. Tränen traten ihr in die Augen.

„Schwanger!“, hauchte sie, nur um es noch mal gehört zu haben, um es wahrhaftig zu begreifen. Hammond war in seinem Leben nie glücklicher und stolzer über solch eine Nachricht geworden. Er freute sich, als wäre Sam seine eigene Tochter. In gewisser Weise stimmte das sogar, denn er behandelte seine Leute manchmal wie seine Kinder, Carter darunter besonders, denn er kannte sie bereits von klein auf. Ein Lächeln zauberte sich auf ihr Gesicht, während sie erst Colonel O’Neill und danach auch noch Janet Fraiser um den Hals fiel. So stürmisch erlebte Hammond sie sonst nur, wenn ihr Vater mal wieder zu Besuch kam.

„Meinen Glückwunsch!“, sagte Daniel freudig.

„Von mir auch alles Gute!“, stimmte ihm Teal’c da zu und schenkte ihr - so ganz gegen seine Natur - noch den kläglichen Versuch eines Grinsens. Sam sprang auf, lief um den Tisch und schlang die Arme um die Beiden, drückte sie fest und meinte, dass diese die Größten wären und sie diese zum Fressen gern hätte, was mit einer hochgezogenen Augenbraue von unserem Jaffafreund kommentiert worden war. Auch General Hammond erhob sich, stellte sich vor sie und lächelte ihr väterlich entgegen.

Ganz unmilitärisch meinte er dann: „Ich freue mich für dich, Sam.“ Er streckte ihr die Hand entgegen, doch sie fiel ihm nur überglücklich um den Hals, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und bedankte sich bei ihn, wobei sie ihn liebevoll als Onkel George bezeichnete. Das hatte sie, seit sie zum Stargateprogramm gekommen war, nicht mehr getan und davor - was als Soldatin verständlich war - auch nur ganz selten benutzt. Früher jedoch, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war, als ihre Mutter noch gelebt hatte, war diese Bezeichnung ein Muss für sie gewesen. Er war gerührt, dass Samantha sie in diesem Augenblick ebenfalls benutzte.

„OK, und wer sagt es jetzt Dad?“, fragte sie grinsend, nachdem sie sich von Hammond etwas gelöst hatte und grinste amüsiert über ihre eigene Frage.

„Onkel George.“, kam es lakonisch von Colonel O’Neill. Der General bedachte ihn mit einem tadelnden Blick, wie immer, wenn Jack etwas sagte, was er sich besser hätte verkneifen sollen, aber doch irgendwie auf groteske Art und Weise zur Situation gepasst hatte. Dieser zuckte lediglich unschuldig mit den Schultern.

„Hast du nicht noch jemanden vergessen, Major Carter?“, machte Teal’c sie darauf aufmerksam, dass alle außer der Vater selbst anwesend waren. „Solltest du es nicht auch deinem Ehemann sagen?.“

„Ich wusste, da war noch was.“, gab sie gespielt grübelnd zurück, zog die Stirn wie typisch kraus und machte einen Schmollmund. Das erinnerte George ungemein an ihren Vater Jakob, eine spezielle Art des Carterhumors. Nicht ganz so sarkastisch wie der von Jack, aber dennoch mehr als wirkungsvoll, durch seine gewisse Ernsthaftigkeit, die beibehalten worden war. Verwundert blickte der Jaffa sie von unten herauf an. Schnell fügte sie abwehrend hinzu: „War nur ein Scherz.“ Erwartungsvoll blickte sie den General an und dieser konnte ihr unmöglich den stummen Wunsch in ihren Augen abschlagen.

„Nun gehen sie schon, wir kommen auch ohne sie zurecht.“, erwiderte dieser und scheuchte sie förmlich um den Besprechungsraum. Sie gab ihm noch einen Kuss auf die Wange und wandte sich dem Ausgang zu.

Janet rief ihr zu: „Sam, vergiss nicht, dich zu schonen.“

„Ich weiß, Janet, ich werde ab heute keinen Finger mehr krumm machen.“, entgegnete Major Carter und war auch schon verschwunden. Resigniert den Kopf schüttelnd sah er einem seiner besten Offiziere nach, wie sie ihr Glück scheinbar mit der ganzen Welt zu teilen versuchte. Augenblicke wie diese waren immer noch das Größte für ihn. Nach all den Jahren voller Entbehrungen hatte seine Leute auch ein harmonisches und liebevolles Privatleben verdient. In den letzten Wochen hatten ihn viele schöne Ereignisse erreicht. Die Tatsache, dass Daniel und Cassandra bald heiraten würden und er sie trauen sollte, dass Jack und Janet heimlich den Bund der Ehe geschlossen hatten, ohne jemandem etwas davon zu sagen. Außer ihm natürlich. Anscheinend wollten sie die anderen beim nächsten gemeinsamen Abend schocken sowie die Nachricht darüber, dass Teal’cs Sohn Rya’c Vater geworden war und sie alle der Taufe Bel’nars - so wollten sie das Kind nennen - beiwohnen sollten. Nach dem Tod von Bra’tak war dies seit langem wieder eine Freudentag auf Chulak und sollte ausgiebig gefeiert werden. Dem Jaffa in ihrer Mitte war der Stolz über seinen Enkel immer noch anzusehen. All diese Ereignisse ließen Grund zur Hoffnung, dass all die Jahre des Schmerzes sowie der Verluste nicht umsonst gewesen waren und sich ihr Engagement für ihren Planeten gelohnt hatte. Mit einem Räuspern fasste General Hammond sich wieder und setzte die Besprechung, welche noch eine halbe Stunde dauerte, fort. Trotz allem war der Kampf nämlich noch lange nicht vorbei.


Ende

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