Kein Abschied- aber auch kein Wiedersehen by Jenny
Summary: Zwei ganz bestimmte SG-1 Mitglieder müssen lernen, dass einem Abschied nicht immer auch ein Wiedersehen folgt.
Categories: Stargate SG-1 Characters: Daniel Jackson (SG-1), Jack O’Neill (SG-1), Multi-Chara
Genre: Character Death, Drama, Friendship, General, Hurt/Comfort, Songfic
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 13 Completed: Ja Word count: 29064 Read: 80113 Published: 11.02.13 Updated: 11.02.13
Story Notes:


Spoiler: Helden Teil 1 + 2

Anmerkung 1:
Ich habe Vala, Mitchell, Landry und Dr. Lam bei der Story etwas außen vor gelassen, also nicht wundern, wenn sie nicht erwähnt werden. Die Songtexte stammen alle von Glashaus, aus dem Album „3“ und von Herbert Grönemeyer aus dem Album „Bleibt alles anders“. Sie gehören nicht mir.

Anmerkung 2:
Daniel lebt wieder in einem Apartmentkomplex, nicht mehr in seinem Haus.

1. Vorwort by Jenny

2. Kapitel 1 by Jenny

3. Kapitel 2 by Jenny

4. Kapitel 3 by Jenny

5. Kapitel 4 by Jenny

6. Kapitel 5 by Jenny

7. Kapitel 6 by Jenny

8. Kapitel 7 by Jenny

9. Kapitel 8 by Jenny

10. Kapitel 9 by Jenny

11. Kapitel 10 by Jenny

12. Kapitel 11 by Jenny

13. Kapitel 12 by Jenny

Vorwort by Jenny
Kein Abschied- aber auch kein Wiedersehen


Vorwort

Ich habe noch nie ein Vorwort zu einer meiner Fanfictions geschrieben, aber ich fand es in diesem Fall angemessen. Ich habe in den letzten Monaten gelernt, dass die Realität die besten Geschichten schreibt und so ist es auch hier.

Am 22. September 2006 habe ich meinen Ehemann und drei meiner besten Freunde bei dem Transrapidunglück im emsländischen Lathen verloren. Seit dem kommt es mir so vor, als ob mein Leben ein einziger schlechter Film ist, ein Manuskript, geschrieben von einem sadistischen Wesen, dass es liebt, mir Steine in den Weg zu werfen.

Ich habe nach einer Möglichkeit gesucht, die Angst, Unsicherheit und Hoffnung auszudrücken, die ich in den ersten Tagen nach der Katastrophe gefühlt habe. Denn es war mir ein Lehrmeister. Wer noch nie in einer solchen Situation war, kann sich schlecht dort hinein versetzen. Es ist ein seltsames Gefühl.

Wir alle schauen jeden Abend die Nachrichten und hören gar nicht mehr hin, wenn es wieder zehn Tote bei einem Verkehrsunfall gab, oder zwei Urlauber in den Alpen starben. Aber alles ändert sich, wenn es dein Mann ist, von dem die Medien berichten. Wenn es deine Zukunft ist, die vor deinen Augen in Stücke gerissen wird und egal wie sehr du dir wünscht, es sei ein Traum, du wachst einfach nicht auf.

Ein solches Erlebnis verändert deinen Realitätssinn dramatisch und du fängst an, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Und das möchte ich mit dieser Fanfiction auch bei dir erreichen.

Wenn du diese Geschichte liest, wirst du wahrscheinlich mittendrin abbrechen, weil du sie „zu hart“ findest, oder nicht „Stargate- mäßig“. Das ist auch ok, denn sie ist nicht jedermanns Sache. Sie behandelt das Thema Tod mit einem sehr realistischen Aspekt, ohne etwas schön reden zu wollen, denn dazu bleibt uns in einer solchen Situation wenig Zeit.

Wenn wir einen geliebten Menschen verlieren, gleicht die Situation selten einem Hollywood Drama und auch darum wird es in dieser Geschichte gehen. Es gibt viele Wendungen, Momente der Hoffnung, Verzweiflung und Wut. Es geht um die Suche nach dem Licht am Ende des Tunnels und der Entscheidung, den angefangenen Pfad zu beenden oder den Mut aufzubringen, um weiter zu gehen.

Die Tragödie vom 22. September 2006 hat mir gezeigt, dass das Leben ein Geschenk ist. Eine unendliche Anzahl von Optionen, die man jeden Tag nutzen kann- oder auch nicht. Es ist ein Privileg diese Wahl zu haben und es benötigt eine Menge Weisheit, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Aber das Leben ist auch unvorhersehbar. Man weiß nie, ob eine Rundfahrt im Transrapid vor dem geliebten Karatelehrgang nicht in einer Todesfahrt endet, man weiß nie, ob man den nächsten Tag noch erlebt, egal wie alt man ist oder wo man wohnt. Der Tod macht keinen Unterschied zwischen alt und jung, er sucht seine Opfer scheinbar wahllos, ganz gleich, wie viel Kummer er bereitet.

Diese Fanfiction soll eine Einsicht darin geben, was in einem Menschen vorgeht, wenn man ohne Vorwarnung mit der bitteren Realität konfrontiert wird- und lernen muss, damit zu leben...


weiter: Kapitel 1
Kapitel 1 by Jenny
Teil 1

Drum sag' ich mir
Is' nur Kino,
alles halb so schlimm.
Is' nur Kino,
nur ein schlechter Film,
in den ich reingeraten bin.
Is' nur Kino,
alles halb so schlimm.
Doch ich fühl' mich so,
als wär' ich mittendrin...




Daniel sah erst auf, als ein altes eingerahmtes Bild von SG-1 auf seinem überfüllten Schreibtisch landete.

Vielleicht hätte er doch Hellseher werden sollen.

Zumindest war ihm klar, wer vor der Tür stand, bevor derjenige überhaupt klopfte.

Unter dem schmalen Spalt hatte er die Schatten von zwei Füßen gesehen, die unsicher von einen Standort auf den nächsten wechselten und schließlich nachdenklich einfach nur so da standen.

Und dann klopfte es.

Er hatte nicht aufgesehen, sondern nur ein beschäftigtes „Herein“ gerufen und sich seinen Büchern zugewandt. Bevor er umziehen würde, wollte er alles so gut wie möglich organisieren, um in der neuen Wohnung nicht komplett den Überblick zu verlieren.

Nun starrte er auf das Bild, das er viel zu gut kannte.

Genauer gesagt stand es eingerahmt auf der Küchentheke seines Apartments.

„Das hier hat dir mal was bedeutet.“, kam der säuerliche Vorwurf, doch Daniel erwartete auch nichts anderes.

Diese Reaktion war für Jack normal und so hatte er seine Antworten auch schon parat gelegt.

„Du kannst dir gar nicht vorstellen wie viel.“

Im Augenwinkel erhaschte er O’Neills überraschten Blick, der sich Sekunden später wieder hinter einer Fassade aus Wut und Verständnislosigkeit versteckte.

Vielleicht hatte er aber auch einfach nur eingesehen, wie er sich damals fühlte, als er zusah, wie Jack die Umzugskartons aus seinem Büro trug.

„Warum willst du es dann beenden?“

Auf diese Frage hatte er nur gewartet.

Zum ersten Mal kam auch in ihm wieder die Wut über all das auf, was in den letzten Jahren falsch gelaufen war. Mit einer fast abwertenden Geste deutete er auf das Bild, vermied noch immer Augenkontakt mit Jack.

„Weil es DAS schon längst nicht mehr gibt!“

Der General trat einen Schritt auf ihn zu, sah sich aber zunächst ziellos in dem leerer werdendem Büro um.

Bis auf einen Schrank und drei Regale war alles von den Wänden, es gab keine Stammesmasken oder Artefakte mehr, nach deren Bedeutung er seinen Freund aus Langweile fragen konnte.

Nachdenklich steckte Jack die Hände in die Hosentaschen und wartete, bis sein Gegenüber damit fertig war, eine Kiste zu beschriften.

„Das ist nicht fair, und das weißt du auch.“

Daniel stieß ein Lachen aus und sah seinem Freund zum ersten Mal tief in die Augen.

Sein verletzter Stolz und der Schmerz über die Einsamkeit der letzten Jahre trafen auf Unverständnis und Enttäuschung.

War es schon so weit mit ihnen gekommen, dass sie sich nicht einmal mehr in die Augen blicken konnten und die Emotionen des anderen verstanden? Hatten sie sich so auseinander gelebt?

Daniel war gleichzeitig enttäuscht, hatte er doch erwartet, dass die sieben Jahre direkte Zusammenarbeit mit Jack etwas mehr hinterlassen hatten als nur böse Blicke und dicke Mauern, hinter denen die Gefühle verborgen wurden.

„Dann passe ich mich ja allmählich an.“, schoss er zurück und verfehlte sein Ziel nicht.

Jack zog eine Grimasse. Noch immer schien ihm nicht klar zu sein, warum er das hier alles tat, oder wenn es ihm klar war, zeigte er es nicht.

„Wo liegt dein Problem?“

In seiner Stimme schwang ein bitterer Unterton mit, so als wusste Jack schon, das egal was er auch sagte, es nichts mehr änderte. Daniel hatte seine Entscheidung gefällt, die Gleise umgestellt und befahren. Jetzt gab es kein zurück mehr.

„Ich habe kein Problem. Ich habe lediglich beschlossen, dass es nach fünfzehn Jahren an der Zeit ist, etwas anderes zu tun.“

Nicht das er je etwas anderes tun wollte, als das, was er hier tat. Es waren nur die Umstände, die seinen Lebenswechsel hervorriefen. Auch wenn es eine Illusion war, er fragte sich, warum gute Dinge nicht einfach so bleiben konnten, wie sie waren.

SG-1 war ein eingespieltes Team gewesen, jeder hatte seine Aufgabe und erfüllte sie mehr als zufrieden stellend. Aber scheinbar waren sie so gut, dass O’Neill unbedingt General werden musste.

Damit hatte er nach einigen Monaten zu leben gelernt.

Aber dann komplett aus seiner Nähe zu verschwinden?

Warum rief er so selten an? Ließ man ihn in Washington vierundzwanzig Stunden pro Tag, sieben Tage die Woche arbeiten?

Wahrscheinlich fühlte sich Daniel einfach nur verletzt.

Egal in wie viel Arbeit er steckte, er würde die Zeit finden den Telefonhörer anzuheben und eine bestimmte Nummer zu wählen. Dazu waren sie schließlich Freunde. Gewesen?

Dann dieser ganze Unsinn mit Sam.

Nicht, dass Daniel die beiden nicht verstand, wahrscheinlich machte es in ihren Augen Sinn, eine Fernbeziehung einzugehen, aber spätestens dann ebbten auch die 2 Emails ab, die er vorher noch pro Monat von Jack bekommen hatte.

Wenn es nun etwas neues gab, wurde es über Sam mitgeteilt.

Und wenn Jack dann mal vorbei kam, verbrachte er sowieso die meiste Zeit nur mit...ja, ganz genau. Nur mit Sam.

Es war überraschend, wie schnell ihn sein Kündigungsschreiben hierher gebracht hatte. Wahrscheinlich war er sowieso da gewesen, denn Sams Geburtstag stand ja an.

Und Teal`c?

Der hielt sich fein säuberlich aus der Sache raus.

Seiner Ansicht nach hatte sich bei SG-1 nie etwas geändert, dem es nachzutrauern wert wäre.

Daniel hatte sich kürzlich mit ihm über das Thema unterhalten, aber am Ende einfach abgebrochen, weil nicht mal der Jaffa ihn verstand.

Was war so schwer daran zu verstehen, welch schlimme Konsequenzen Jacks Weggang mit sich brachten?

Nun gut, zumindest brauchte es ihn in Zukunft nicht mehr zu stören.

„Du solltest gerade nach fünfzehn Jahren wissen, dass es da draußen nichts gibt, das dem Stargateprogramm in irgendeiner Weise gleich steht.“

// Wie recht du doch hast Jack, wie recht du doch hast...//

„Damit unterstellst du mir, das es das ist, wonach ich suche.“

Daniel schnappte sich einen weiteren Karton und füllte ihn mit alten Tagebüchern über die ersten Missionen. Sie riefen viele Emotionen in ihm hervor und ließen ihn fast die angespannte Diskussion vergessen, die er gerade führte.

„Du hast soviel hierein investiert, warum willst du das jetzt alles zurück lassen? Die Leute hier brauchen dich, du bist für sie unersetzlich.“

Jack machte eine kurze Pause und schaute in seine Richtung.

„ ...und für mich ebenso.“

Diese Worte schnitten sich tief in Daniels Herz denn er wusste, wie schwer es seinem Freund fiel, seine Gefühle auszudrücken. Das, was er gerade gesagt hatte meinte er aus tiefstem Herzen, aber so sehr es ihn auch traf, Daniel musste zu dem stehen, was er geplant hatte.

„Das Leben steckt eben voller Überraschungen- und man bekommt nicht immer das, was man sich wünscht.“

Die Aussage wirkte schroffer, als er es erwartete und dennoch spiegelte sie seine Gefühle wieder. So erging es ihm, nachdem Jack beschlossen hatte, nach Washington zu ziehen.

Der Schmerz saß noch immer zu tief.

Vermutlich hatte O’Neill eine emotionalere Antwort auf sein Statement erwartet, als diese aber ausblieb, verschloss auch er sich wieder komplett hinter den Mauern, die seine Seele schützten.

Abwertend deutete er mit dem Finger nach draußen.

„Gehört diese Glückskeksweißheit zu der selben Reihe von Unsinn, wie dir nen Bart wachsen zu lassen oder deine Kündigung einzureichen? Versuchst du gegen irgendetwas zu rebellieren?“

Daniel sah nicht auf, als die Wahrheit ihn traf.

Beschäftigt verschloss er den nächsten Karton und verstaute die Jahre an gemeinsamen Erinnerungen zusammen mit einigen persönlichen Dingen auf einem kleinen Rollwagen, der in wenigen Minuten von einem Soldaten abgeholt wurde.

„Rebellion sieht in meinen Augen anders aus, Jack. Ich passe mich lediglich der Situation an.“, gab er gelassen zurück.

Auch in O’Neill vermochte er keine Regung zu sehen. Nachdenklich sah dieser ihn an und nahm einen faustgroßen Stein, der neben Daniels Schreibtischlampe lag. Während er sein Spielzeug in der Hand auf und ab warf, musterte er seinen Freund besorgt.

„Indem du wegrennst.“

// Ja Jack, du hast verdammt Recht, indem ich wegrenne!//

Vermutlich musste sein Verhalten für den General komplett unlogisch erscheinen und das war auch so beabsichtigt, schließlich sollte seine Flucht nicht zu offensichtlich wirken. Im Prinzip konnte man es auch nicht Flucht nennen, er vermied einfach jeglichen weiteren Stress.

Keine sinnlosen Debatten mehr über die Wichtigkeit des Stargateprogrammes, keine erfolglose Warterei mehr auf bessere Zeiten als Team, auf ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl, das nach Jacks Abgang verschwunden war. Mit ihm war SG-1 zerbrochen, ob er es sich nun eingestehen wollte oder nicht.

„In dem ich mir etwas suche, das mir Spaß macht.“, fauchte er dann zurück und nahm Jack das Artefakt mit den babylonischen Keilschriftsymbolen ab.

„Und warum hast du hier keinen Spaß mehr? Was kann spaßiger sein, als auf ner Achterbahn durch die Galaxie zu reisen?“

Eigentlich sollte diese Diskussion umgekehrt laufen, dachte Daniel sich, als er seine Packtätigkeit für eine kurze Zeit unterbrach. Vor einigen Jahren hätte er O’Neill liebend gerne gefragt, was an einer Stelle in Washington soviel besser sein kann, als weiterhin im SGC zu arbeiten. Aber zu solchen Unterhaltungen war keine Zeit mehr gewesen. Alles hatte schnell gehen müssen.

„Meine Ruhe zu haben.“, antwortete er schlicht und erntete einen überraschten Blick seines Gegenübers.

Jack ließ die Worte in sein Bewusstsein sinken. Seit wann verlangte Daniel Jackson seine Ruhe? Der Mann, der ohne den Einsatz körperlicher Gewalt für Wochen seinen Schreibtisch nicht verlassen würde.

Er überlegte lange, was in der Vergangenheit falsch gelaufen sein musste, um seinen Freund so zu verstimmen.

Die Sache mit Washington gehörte mit Sicherheit dazu, das saß Daniel schon die ganze Zeit wie ein Stein im Magen und er gab ja selbst zu, dass SG-1 seitdem ein anderes Team war. Aber sie kamen doch trotzdem noch miteinander klar, die Harmonie innerhalb der Gruppe hatte seit seiner letzten Einschätzung nicht gelitten, woher nun also dieser plötzliche Sinneswandel?

„Du bist eifersüchtig.“

Diese Worte gingen Jack leichter über die Lippen, als er erwartete. Aber genau das musste es doch sein. Seit er die Beziehung zu Sam aufgebaut hatte, war das bisschen Freizeit, dass er hatte auf ein Minimum geschrumpft, da er so oft es ging bei ihr sein wollte, schließlich sahen sie sich sonst kaum.

Das letzte Mal, dass er sich irgendwo mit Daniel zum Lunch in der Cafeteria getroffen hatte lag knapp drei Jahre zurück.

Oh man, wie hatte er nur so blind sein können?

„Nein.“

Nein? Wem wollte Daniel hier etwas vormachen?

„Oh doch, du bist eifersüchtig, dass ich mit Sam zusammen bin.“

Jack war näher getreten, um einen besseren Blick auf Daniels Augen zu erhaschen. Die sprachen meist eine andere Sprache und auch diesmal wurde er nicht enttäuscht und erkannte, dass er in die richtige Richtung ging.

Er empfand es als traurig, denn sein bester Freund sollte nicht auf Sam eifersüchtig sein, immerhin entstammte ihre Beziehung einer komplett anderen Natur. Dennoch gab er zu, in den letzten drei Jahren vergleichsweise wenig Zeit für Dinge, die nicht mit Washington oder Sam zusammenhingen geschaffen zu haben.

Aber andererseits saß er ja in Washington nicht den ganzen Tag auf seinem faulen Hintern und sah sich Hockeyspiele an, er tat dies für gewöhnlich im liegen. Er hatte dort eine Menge zu tun, das stand außer Frage.

Ständig sollte er dies machen, das machen.

Und indes war es spätabends geworden und er wollte einfach nur noch todmüde ins Bett fallen.

„Jack, ich glaube du phantasierst.“, antwortete Daniel gereizt und wollte sich wieder seinem Rollwagen zuwenden, als O’Neill ihn am Arm zurückhielt.

„Deswegen betreibst du all den Unsinn hier. Das ist eine Art Schuldgefühlstrip. Du bist sauer, weil ich mehr Zeit mit Sam verbringe, als mit dir.“

Die Worte verfehlten ihre Wirkung nicht und schienen den Archäologen tief zu treffen, denn für einen Augenblick hielt er inne, unterdrückte irgendetwas, das er sagen wollte und riss sich dann von Jacks Arm frei.

„Für so etwas habe ich im Moment keine Zeit.“, antwortete er dann giftig und schob den Rollwagen in Richtung der Tür.

Wenn der Soldat nun schon nicht kam, um ihn von dieser Situation zu erlösen, musste er die Dinge eben selbst anpacken.

Stur bahnte er sich den Weg aus seinem Büro hinaus, ohne noch einmal zurückzublicken. Erst bei den Fahrstühlen machte er halt.

Jack war ihm gefolgt und stand bereits neben ihm.

„So ist’s gut Daniel, renn vor dem Problem weg, wie du es immer schon getan hast.“

Er würdigte dieser Anschuldigung nicht mal eine Antwort, nur einen bösen Blick. O’Neill deutete diese Geste richtig und wusste, dass er einen Schritt zu weit gegangen war. Daniel indirekt einen Feigling zu nennen hatte er nicht gewollt, es war ihm im Eifer der Diskussion einfach so über die Lippen gerutscht.

„Ich war immer für dich da, als du mich gebraucht hast, vergiss das nicht.“, fuhr er sanfter fort und hoffte, seinen Freund doch noch zu erreichen.

Daniel ließ den Kopf gesenkt und kaute sich unsicher auf der Unterlippe herum.

War das eine Drohung gewesen? Oder doch mehr ein Flehen? Die Tiefe, mit der Jack die Worte aussprach verschleierten ihren wahren Inhalt.

„Ich bin überrascht, dass du dich überhaupt noch an ein uns erinnerst.“, stichelte Daniel weiter, unfähig, seine Enttäuschung zu verbergen.

Jack konnte sehen, wie er vor Anspannung seine Kiefermuskeln spielen ließ. Es fiel ihm schwer zu mutmaßen, wie lange Daniel diesen Ärger schon in sich getragen hatte, aber gemessen an seinem Verhalten mussten es viele Monate sein.

Vermutlich war der Prozess seiner Änderung so langsam verlaufen, dass es niemandem auffiel bis es zu spät war und seine Entscheidung stand.

Aber Jack konnte und wollte das nicht akzeptieren.

„Das ist etwas, dass ich nie vergessen habe.“, versicherte er bedrückt.

Egal was er auch versuchte, er kam nicht mehr an seinen Freund heran. Zu groß waren ihre Differenzen geworden, als das man sie mit einigen wohlgemeinten Worten beiseite räumen konnte.

„Wir werden sehen.“, erwiderte Daniel kalt, während sich die Fahrstuhltüren öffneten. Ohne ein weiteres Wort schob er den Wagen hinein und ließ Jack allein auf dem Korridor zurück. Er drückte den Knopf für die Parkebene und brachte einige Kartons, die ins Rutschen geraten waren wieder in Position.

„Gibt es keine Möglichkeit, wie ich deine Entscheidung ändern könnte?“, fragte er ein letztes Mal, als sich die Türen schon wieder zu schließen begannen.

Diesmal traf Daniels Blick seinen und was O’Neill da sah, beunruhigte ihn zutiefst.

„Nein Jack, die gibt es nicht.“

Und damit verbargen die Stahltüren des Fahrstuhls die Sicht auf seinen Freund und er blieb alleine zurück.

+++

„Du wirkst beunruhigt, O’Neill.“, stellte Teal`c vom Beifahrersitz aus fest und blickte seinen Freund von der Seite aus an. Der Geländewagen fuhr leise die Bergstraße entlang und war auf dem Weg zu einem exklusivem Restaurant im nahe gelegenen Nationalpark, wo sie ihr Wiedersehen feiern wollten.

Jack blickte stur auf die Straße und er ließ sich nichts anmerken.

„Ich will gerade nicht darüber reden, ok Teal`c?“, seine Stimme klang ruhig, aber fordernd. Sie waren auf dem Weg zu einer Feier, da hatte er wirklich keine Lust, derzeitige Sorgen zu besprechen.

„Wie du wünscht.“

Der Jaffa wandte seinen Blick wieder ab und wurde still. Es war Sam, die die Unterhaltung fortführte.

„Wir sollten noch mal mit Daniel reden. Vielleicht hat er einfach etwas falsch verstanden.“

„Worüber willst du denn noch mit ihm reden?“, Jacks Stimme war gefüllt mit Frustration und Ärger, „Er blockt doch alles ab. Ich hatte gehofft, dass er sich in seinem Alter nicht mehr wie ein pubertierender Teenager aufführt.“

„Vielleicht ist es etwas ganz anderes, das ihn stört, etwas...etwas persönliches. Vielleicht gibt es etwas in seinem Privatleben, dass ihm Sorgen bereitet und er glaubt nicht, dass wir ihm dabei helfen können.“

„Daniel und Privatleben?“, die Anschuldigung rutschte ihm einfach so über die Lippen und O’Neill spürte das schlechte Gewissen in ihm aufsteigen. Daniel war sein bester Freund, vielleicht brauchte er ihn gerade tatsächlich mehr, als es ihm bewusst war.

Eine unangenehme Stille breitete sich in dem Fahrzeug aus und sie fuhren weiter bergauf, bis sie an dem Restaurant angekommen waren. Der Parkplatz war überfüllt und Jack war froh, Sitzplätze reserviert zu haben.

„Ich stimme ColonelCarter zu.“, erklärte Teal`c, als sie aussteigen wollten, „Wir sollte noch einmal versuchen, mit Danieljackson zu reden. Vielleicht wird er sein Vertrauen in uns zurückgewinnen und erklären, was ihn besorgt.“

Jack blieb still sitzen und beobachtete die Leute, die aus dem Restaurant gingen. Sie machten alle einen zufriedenen Eindruck und er konnte das gebackene Rotbarschfilet bis zum Wagen riechen.

„Was schlagt ihr also vor?“, fragte er, obwohl er doch genau die Antwort kannte.

Sam räusperte sich und holte einen Flyer unter dem Fahrersitz hervor.

„TOPOs hat eine tolle italienische Küche. Wir könnten ein paar Pizzen und Bier abholen und zu Daniels Apartment fahren.“

Jack rollte mit den Augen und startete den Wagen wieder.

Soviel zu dem entspannten Abend im Fischrestaurant.

+++

Jack klopfte vorsichtig an die Tür.

Im Inneren hörte er den Fernseher laufen und jemand bewegte sich langsam auf ihn zu, denn die alten Bretter im Boden des Apartmentkomplexes knarrten bei jedem Schritt.

Jack fühlte sich bestätigt, dass er Sam und Teal`c im Auto warten ließ, denn zuerst musste er ein paar Dinge mit Daniel allein klären. Er musste seinen Rücktritt verhindern, egal wie. Daniel war essentiell für das Team und den gesamten Komplex, er durfte nicht einfach so abhauen.

Was ihn auch immer zu seiner Entscheidung bewogen hatte, er würde es wieder ungeschehen machen.

Die Tür öffnete sich und ein verschlafener Daniel blickte ihn entnervt an. Die glasigen Augen und der schwere Geruch von Bier, der aus dem Zimmer strömte besorgten Jack zutiefst. Trotzdem ließ er sich nichts anmerken.

„Hey Dannyboy, Teal`c, Sam und ich dachten, wir besuchen dich mal für eine unangekündigte Party.“

Daniel versuchte die Tür wieder zu schließen, doch O’Neill griff dazwischen.

„Geh weg, Jack“

Langsam folgte er ihm ins Wohnzimmer und betrachtete die Galerie an Bieren, die auf dem Couchtisch aufs Öffnen warteten oder schon leer waren. Ein halbvolles Glas stand neben dem Fernseher und Daniel brachte es in die Küche.

„Hast du getrunken?“

Er wusste, dass es eine dumme Frage war, aber zumindest würde sie ihn zum sprechen bringen. Und wer wusste schon, Betrunkene sprachen doch immer die Wahrheit. Vielleicht konnte er so die Gründe für Daniels Kündigung herausfinden.

„Bin ich hier in einer Quiz- Show?“, antwortete der Archäologe gereizt und ließ sich zurück aus der Küche leicht schwankend auf der Couch nieder.

„Du bist ja ein richtiger Knaller, wenn du betrunken bist.“, kommentierte Jack den Angriff abfällig und setzte sich auf die gegenüberliegenden Couch. Unauffällig stellte er einige Flaschen Alkohol unter den Tisch, damit Daniel nicht auf die Idee kam, noch mehr zu konsumieren. So wie er klang, tat er das nämlich schon den ganzen Abend lang.

„Bist du hierher gekommen, um mir das zu sagen?“

„Nein, ich bin hierher gekommen, weil Teal`c, Carter und ich dachten, wir bes-“, wiederholte er geduldig, doch er wurde unhöflich unterbrochen.

„Geh einfach weg.“

„Kann es sein, dass wir diese Diskussion schon mal geführt haben?...Vielleicht habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt. Es gibt keine andere Option.“, schoss Jack zurück und legte demonstrativ seine Jacke ab. Carter und Teal`c würden noch ein paar Minuten länger warten müssen.

„Oh doch Jack, die gibt es.“, selbstsicher schnappte Daniel sich eine neue Bierflasche, öffnete sie und nahm einen großen Schluck. Als er sie mit wackligen Händen auf den Couchtisch stellen wollte, nahm Jack ihm auch das ab und stellte sie ebenfalls beiseite.

„Tatsächlich?“

„Oh ja...“, Daniel atmete hörbar aus und dehnte sich auf der Couch nach Herzenslust, „Ich bin kein Mitglied des SGC mehr, allem voran kein SG-1 Mitglied mehr. Du hast keine Befehlsgewalt über mich und wenn du sie je hattest, ist es mir nicht aufgefallen. Egal, ich bin jetzt endlich raus aus all dem Wirrwarr.“

Jack verschränkte die Arme vor der Brust und blickte ihn herausfordernd an.

„Um was zu tun?“

„Meine Ruhe zu haben.“, Daniels vorheriger Aggression war eine Engelsgeduld gewichen und er grinste seinen Freund glücklich an. Wenn das hier gut ausging, würde er nie wieder auch nur in die Nähe von Alkohol kommen, das schwor sich Jack.

„Sind wir schon wieder bei dem Thema angelangt...“

„Wenn es dir nicht passt, kannst du jederzeit gehen.“

„Ich gehe erst, wenn du aufhörst dich selbst zu bemitleiden.“

Das traf zielsicher den wunden Punkt und Daniel blickte ihn böse an. Wie früher suchten seine Augen in denen von Jack nach Unsicherheit oder Reue, über das was er gesagt hatte, doch er fand diesmal keins von beidem.

Als er antwortete, sprach Daniel betont langsam und hob dabei mahnend den Zeigefinger.

„Ich bemitleide nicht mich selbst, ich bemitleide die Situation. Das ist ein großer Unter-“, er schluckte, als müsse er sich erbrechen,“...schied.“

„Was ist an der Situation so verkehrt?“

Jetzt war es für Jack an der Zeit, tiefer zu graben.

„Alles.“

Zumindest arbeitete Daniels alkoholisiertes Gehirn noch gut genug, um ihn immer wieder vom Kern der Diskussion wegzuleiten.

„Ist er nicht subtil, unser Sprachgenie...“

Daniels Zeigefinger kam wieder zum Vorschein und deutete diesmal auf die Tür.

„Hey, ich habe dich nicht darum gebeten, hierher zu kommen.“

„Darum geht es auch nicht. Was zur Hölle ist los mit dir?“

Daniel kicherte übertrieben.

„Mit mir ist alles in Ordnung, es ist der Rest von SG-1, um den ich mir Sorgen mache, wobei ich erwähnen sollte, dass SG-1, so wie es mal war schon lange nicht mehr existiert.“

„Das erwähntest du bereits.“, Jack seufzte innerlich und überlegte, ob es nicht das beste war, seinen Freund erst den Rausch ausschlafen zu lassen, bevor er diese Diskussion fortführte.

„Warum fragst du dann?“, Daniel suchte nach der angefangenen Bierflasche, die Jack hinter dem Couchtisch versteckt hatte. Als er sie nicht fand, nahm er sich eine weitere Flasche, die neben dem Sofa stand und öffnete sie.

„Weil du meiner Frage ausgewichen bist...du hast genug geladen für heute!“, Jack sprang auf und nahm ihm das Bier ab, bevor er überhaupt davon trinken konnte. Daniel wollte protestieren, doch sein Griff war nicht stark genug.

Enttäuscht blickte er der Flasche nach, die zusammen mit dem Rest seiner Sammlung neben Jack und weit weg von ihm landete.

„Ist es meine Beziehung zu Sam, die dich stört? Was ist es? So eine Entscheidung zu treffen ist nicht deine Art, Daniel. So was kommt doch nicht aus heiterem-“

“Starlights in heaven...”, begann Daniel zu summen und blickte an die Decke, wo eine einsame Fliege ihre Kreise um die Zimmerlampe zog.

„Du entfaltest eine interessante Persönlichkeit, wenn du betrunken bist, wusstest du das schon?“, Jack stand auf, um ihm ein Glas Wasser zu holen. Vielleicht bekam er ihn dann wieder halbwegs zu Verstand.

„Liegt das nicht tief in jedem von uns?“, fragte Daniel vom Wohnzimmer aus, während Jack in der Küche nach Gläsern suchte. Als er zwischen all den Umzugskartons nur eine Kaffeetasse fand, begnügte er sich damit.

„Nicht, das ich verstehe, wovon du redest.“, entgegnete er und kam mit dem Wasser zurück, nur um zu sehen, wie Daniel gerade wieder versuchte, sich eine der Bierflaschen zu holen. Doch Jack stoppte ihn in der Bewegung und schubste ihn auf die Couch zurück.

„Das wiederum ist ebenfalls nichts neues.“, kommentierte Daniel, als er unverrichteter Dinge seinen Plan aufgeben musste. Doch die Freude über den verbalen Punktesieg hielt nicht lange an, denn Jack drückte ihm nur die Tasse Wasser in die Hand und wechselte das Thema.

„Du hast mir immer noch nicht gesagt, warum du ausgestiegen bist. Denkst du nicht, dass du mir das nach all den Jahren schuldig bist?“

Daniels Augen wurden plötzlich glasklar und er blickte Jack verletzt an.

„Denkst du nicht, dass DU es mir nach all den Jahren schuldig warst, mal anzurufen? Ist es so schwer, mal den Telefonhörer anzuheben?“

„Du weißt genau, dass ich in Washington eine Menge zu tun habe, Daniel.“

„Komm mir nicht mit Washington!“, Daniels Stimme wurde außerordentlich laut und er zügelte sich etwas, „Das hat schon damit begonnen, dass du General wurdest. Wusstest du, dass wir seit dem Tag nur zwei Mal als Team etwas unternommen haben, während wir vorher jeden Monat mindestens einmal weg waren.“

Jack wusste darauf keine Antwort, sondern hielt nur dem wütenden Blick stand. Natürlich konnten sie seit seiner Beförderung nicht mehr soviel Zeit miteinander verbringen wie früher, aber sie waren doch immer noch Freunde, oder?

„Genau das dachte ich mir.“, fuhr Daniel fort, „Zu schade, dass dir unsere Freundschaft nicht wichtig genug war, aber das ist die Art von Bestätigung, nach der ich gesucht habe.“

Der Schlag traf ihn genau in die Magengrube und Jack konzentrierte sich, die richtigen Worte zu finden. Er wusste, wenn er jetzt etwas falsches sagte, war alles verloren, wenn er das richtige sagte, konnte er Daniel zurückgewinnen.

„Ok, ich war vielleicht nicht der beste Freund in den letzten drei Jahren und es gibt keinen Grund, der das entschuldigt. Ich hätte öfters anrufen sollen, aber ich habe es nicht getan und das tut mir leid.“

Daniel wurde still und nahm einen tiefen Atemzug. Müde senkte er seinen Kopf und massierte sich abwesend die Schläfe.

„Alles in Ordnung?“, hakte Jack nach und erntete ein schwaches Nicken.

„Wenn das der einzige Grund ist, warum du aus SG-1 ausgestiegen bist, ich kann-“

Daniel winkte ab und lehnte sich wieder zurück.

„Du hast ja so was von keine Ahnung.“

„Dann erklär’s mir.“

Daniel wollte eine Begründung ansetzen, winkte aber zunächst ab, so als argumentiere er mit sich selbst, ob es das richtige war. Schließlich seufzte er resignierend.

„Wir waren mal eine richtige Familie, erinnerst du dich noch Jack? Wir konnten aufeinander bauen. Wenn jemand ein Problem hatte, war Hilfe zur Stelle. Wir haben einander mal soviel bedeutet, dass nichts auf der Welt uns trennen konnte.“

„So ist es auch jetzt noch.“

„Nein, so ist es nicht. Sam ist so gut wie nie erreichbar. Sie schiebt seit neustem eifrig extra Schichten im NASA Zentrum, und wenn sie das nicht tut ist sie mit dir zusammen. Teal`c arbeitet noch immer am Aufbau der Jaffa Bewegung und ist kaum auf der Erde. Meistens unternehme ich Missionen alleine mit Mitchell und einigen Leuten von SG-4. Das Team ist auseinander gebrochen, seit du General geworden bist.“

„Gerade du beschwerst dich darüber? Wer hat denn damals mit Kündigung gedroht, wenn er nicht nach Atlantis darf?“

„Was sollte ich denn tun? Das Team gab es nicht mehr, jeder ging seinen Weg...nur ich war noch da. Genauso ist es auch geblieben. Wir haben vielleicht einmal im Monat eine Mission, was soll ich den Rest der Zeit machen? Ich bin es leid, sechzehn Stunden Schichten im Übersetzen zu schieben und dann nicht mal Anerkennung für meine Arbeit zu bekommen. Ich bin es leid abends ins Bett zu gehen und zu wissen, dass es keinen Freund mehr gibt, bei dem ich auf ein Bier vorbei kommen könnte.“

Jack wollte argumentieren, doch Daniel schnitt ihm mit einer entsprechenden Geste das Wort ab.

„Hast du überhaupt eine Ahnung, wie oft ich versucht habe dich anzurufen? Wie viele Emails und Kurzmitteilungen ich dir geschickt habe?“

O’Neill schüttelte geschlagen den Kopf und wartete auf den Rest von Daniels Rede. Nach ihrer vorherigen Diskussion im SGC hatte er mit allem gerechnet, doch dieser Besuch in seinem Apartment sprengte seinen Horizont.

Er hätte nie gedacht, dass all diese Dinge Daniel so nahe gingen. Nichts hatte darauf hingedeutet; wenn er denn mal mit seinem Freund sprach, war dessen Stimme heiter und er erzählte ihm über all die tollen Dinge, die er auf fremden Planeten gefunden hatte. Doch nun stand er vor den Trümmern seines Gedankenpalastes und musste einmal mehr feststellen, dass er statt einen Schritt nach vorne zu gehen, zehn Schritte zurückgegangen war.

„Ich habe so etwas den Großteil meiner Jugend miterleben müssen. Wann immer ich dachte, ich hätte eine Familie, löste sich alles auf, weil jeder unbedingt sein Ding durchziehen musste. Und am Ende war ich immer derjenige, der allein dastand. Ich werde nicht zulassen, dass ihr mir das auch antut.“

War es nun der Rausch oder Daniels Gefühlsausbruch, aber der Archäologe wurde seltsam still. Nur das leichte Zittern seine Hände verriet die Anspannung in ihm.

„Daniel, ich...“, Jack fand nicht die richtigen Worte, um auszudrücken, was in dem Moment in ihm vorging und das brauchte er auch nicht, als sein Freund ihn wieder unterbrach.

„Es ist schon ok, Jack. Du kannst daran nichts mehr ändern. Lass mich einfach gehen...“

Lass mich einfach gehen....diesen Satz hatte er zuletzt vor zehn Jahren gehört, als er sich mit Daniel auf der Traumebene traf. Gott, das war lange her. Wie die Zeit doch die Menschen veränderte...

Aber Jack würde ihn nicht einfach gehen lassen, dazu waren sie viel zu gute Freunde. Stattdessen wollte er den morgigen Tag abwarten und noch einmal das Thema mit Daniel besprechen, wenn er wieder klaren Geistes war.

„Es ist spät.“, sprach er dann ruhig und stand auf. Müde griff er sich seine Jacke und behielt Daniel dabei genau im Auge, „Du solltest dich schlafen legen.“

Der Archäologe nickte nur leicht mit dem Kopf und starrte gedankenverloren auf seine Tasse Wasser.

„Wir sehen uns dann morgen.“, murmelte Jack noch und verließ dann das Apartment. Er wusste, Daniel brauchte Zeit für sich, um alles neu zu beurteilen und vielleicht, so hoffte er, würde er morgen schon wieder im SGC bereit stehen und mit neuer Energie weitermachen, so als sei nie etwas geschehen.

An die andere Möglichkeit wollte er gar nicht denken, denn akzeptieren könnte er sie nie.

+++

Es war gut, dass Jack auf der Heimfahrt Sam und Teal`c erklärt hatte, dass Daniel krank war. Sie hätten ihn in dem Zustand wahrscheinlich nicht wieder erkannt und wären verletzt über seine Anschuldigungen gewesen.

Er hatte sich vorgenommen, darüber zu schweigen, nicht nur um Daniels Integrität zu schützen, aber auch, um noch mal genau zu überdenken, wie er diese verfahrene Situation lösen konnte.

Jack war nicht in der Lage, das alte SG-1 Team wieder neu zusammen zu setzen, zurück nach Colorado Springs zu kommen und Mitchell rauszuwerfen. Es war einfach der Lauf der Geschichte, der das Team zu dem machte, was es nun war.

Und diese Situation war unumkehrbar.

Konnte er Daniel versprechen, sich öfters zu melden und zu versuchen, SG-1 mehr als einmal alle drei Jahre an einen Tisch zu bekommen? Natürlich. You betcha.

Aber er konnte ihm unmöglich versprechen, alles wieder so zu machen, wie es war.

Daniel verlangte etwas von ihm, das außerhalb seiner Reichweite lag und Jack musste ihm das irgendwie verständlich machen, ohne ihn weiter weg von sich zu drängen.

Sein offenes Geständnis gestern, dass ihn seine Versetzung nach Washington enttäuscht hatte, lag Jack noch immer schwer im Magen. Natürlich war Daniel sein bester Freund. Sie hatten einige Dinge durchlebt, Gedanken geteilt, von denen nicht einmal Sam wusste.

Über Jahre hinweg waren sie für einander da gewesen, verdammt, sie waren bereit gewesen ihr Leben füreinander zu geben. Wie viel stärker konnte eine Freundschaft denn sein?

Aber das jetzt alles zu Ende war, nur weil sie nicht mehr im selben Team arbeiteten war Unsinn.

Jack musste ihm irgendwie begreiflich machen, dass er immer noch für ihn da war, wenn er ihn brauchte.

Auch wenn Daniel im Moment einige – meist selbst heraufbeschworene- Probleme mit Sam und Teal`c hatte, sollte er doch zumindest das Gefühl haben, das Jack an seiner Seite stand, egal was kam.

Als er damals am emotionalen Tiefpunkt seines Lebens angelangt war, schneite Daniel in das verworrene Bild hinein und bot seine bedingungslose Freundschaft an.

Jetzt, da er in Schwierigkeiten steckte, war es Jacks Pflicht, Daniel da hindurch zu helfen.

Entschlossen klopfte er am nächsten Tag an die Tür des Apartments und wartete auf eine Antwort.

Es war schon kurz nach zwei am Nachmittag und da Sam sowieso in den Komplex musste, wollte er die freie Zeit nutzen, um mit seinem Freund zu reden.

Mehrere Sekunden vergingen und nichts tat sich.

Jack klopfte ein weiteres Mal an, nur um wieder keine Antwort zu erhalten.

„Daniel?“, seine Stimme hallte entlang des Ganges, auf dem das Apartment lag. Auch keine der anderen Türen öffnete sich und es schien, als sei das gesamte Gebäude ausgestorben.

„Daniel? Bist du hier drin? Mach die Tür auf.“

Jack ging zum Fenster am Ende des Korridors und blickte auf die Parkplätze. Dort, wo normalerweise Daniels Fahrzeug stand, war der Platz frei.

„Suchen Sie jemanden?“, fragte ein Mann und Jack drehte sich blitzartig um, hatte er doch niemanden kommen hören.

„Meinen Freund.“, erwiderte er überrascht und folgte seinem Gegenüber. Der Mann schien der Hausmeister zu sein, denn neben dem Fahrstuhl stand ein kleiner Werkzeugkoffer und mehrere Wohnungsschlüssel hingen an seinem Gürtel.

Jack deutete etwas ratlos auf die Tür zu Daniels Apartment.

„Ach, Sie meinen Mr. Jackson.“, der Mann kratzte sich am Kopf und musterte Jack ausgiebig, „Der ist heute Morgen ausgezogen, da sind sie zu spät dran.“

„Er ist was?!“

Er verlor den Boden unter den Füßen, das spürte er ganz genau. All seine geordneten Gedanken wurden von Emotionen hinweggeschwemmt und versanken irgendwo tief in seinem Innersten.

Daniel war weg?

Wo war er denn hin? Warum hatte er nicht gewartet, bis er noch einmal mit ihm gesprochen hatte?

Die unerwartete Niederlage brachte eine Leere in Jack zum Vorschein, die er seit vielen Jahren verdrängt geglaubt hatte.

Daniel konnte doch nicht einfach so aus seinem Leben verschwinden!? Sollte ihr Treffen gestern tatsächlich das letzte gewesen sein? War er deshalb so ruhig gegen Ende? Weil er trotz intensivem Alkoholgenuss wusste, dass es kein Wiedersehen mehr geben würde?

„Wissen Sie, wohin er gezogen ist?“, fragte er nach einer Weile und der Mann schüttelte enttäuscht den Kopf.

„Soweit ich weiß hat er nichts gesagt, aber Sie können den Vermieter noch mal fragen. Er ist sehr früh heute Morgen ausgezogen und ich war schon gegen Neun Uhr damit fertig, die Wohnung für den nächsten Mieter vorzubereiten.“

All diese Fakten erschlugen Jack fast und er hielt sich an der einzigen Hoffnung fest, das vielleicht der Vermieter eine Ahnung hatte, wohin Daniel so schnell verschwunden war.

Du verdammter, egoistischer Hurensohn!, schimpfte er im Geiste mit seinem Freund, denn nur so konnte er seine Wut und Verzweiflung halbwegs verbergen, Was fällt dir ein, einfach so zu verschwinden? Hast du denn nicht mal an deine Freunde gedacht?

Jack verstand tief in seinem Inneren die Ironie dieser Situation.

So wie er Daniel vor einigen Jahren mit seiner Abreise vor vollendete Tatsachen gestellt hatte, so ging es nun auch ihm.

Du verdammter Mistkerl! Ich war noch nicht damit fertig dich zu überzeugen, hier zu bleiben. Das ist nicht fair!

Der Mann verschwand wieder und Jack lehnte sich überfordert gegen die Wand.

Das ist nicht fair...hatte er ihm das nicht in seinem Büro vorgeworfen? Die Antwort darauf blieb ihm nun fast im Halse stecken.

Dann passe ich mich ja allmählich an...


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Kapitel 2 by Jenny
Teil 2

Ich rutsch' tiefer in den Sessel und fühl' mich benommen.
Dreh' mich zur Seite doch du bist längst weg.
Les' im Abspann unsere Namen verschwommen.
Jetzt noch 'ne Änderung im Drehbuch, das hätt' wohl keinen Zweck.



Zwei Jahre später hatte Jack damit abgeschlossen.

Die schmerzlichen Erinnerungen an Daniels Weggang waren erfolgreich verdrängt und das Leben ging weiter.

Jack hatte nie mehr von ihm gehört, hatte duzende Emails geschrieben, doch trotz der Tatsache, dass Daniels Emailaccount noch aktiv war, erhielt er keine Antwort.

Sein Mobiltelefon war abgeschaltet und niemand in Chicago wusste von ihm.

Oft stundenlang hatte er dagesessen und rumtelefoniert, hatte ein Spiel daraus gemacht, ihn zu jagen.

Sobald er eine Spur hatte zeichnete er sie in seine Weltkarte ein, doch Daniels Zickzack-Kurs trieb ihn in den Wahnsinn.

An einem Tag wollte jemand aus Paris ihn gesehen haben, die Woche darauf meldete sich ein Mann aus Belize. Daniel war verdammt gut darin geworden, ihm aus dem Weg zu gehen und irgendwann beschloss Jack, dass es das beste war, seine Suche einfach einzustellen.

Daniel hatte seinen Pfad gewählt, sollte er damit glücklich werden.

Er selbst hatte genug Probleme.

Die Beziehung zu Sam war kurze Zeit später in die Brüche gegangen. Sie gab ihm die Schuld daran, meinte, er sei zu oft weg, hatte zu wenig Zeit für sie. Jack war der Meinung, dass sie zu hohe Ansprüche an ihn stellte.

Er konnte nicht einfach mir nix dir nix aus Washington zurückkehren und ihr eine heile Welt vorspielen, die es schon längst nicht mehr gab.

Doch die Wahrheit war, das der Alltag ihre Beziehung eingeholt hatte.

Die ständige Trennung, die räumliche Ferne, der Stress, ihre unterschiedlichen Ansichten, wie das gemeinsame Zusammenleben aussehen sollte...all das hatte dazu geführt, dass sie nach fast fuenf Jahren einfach Schluss machten und ihr Leben so weiterführten, als sei nie etwas geschehen.

Er kam nach wie vor zu Besuch in den Komplex, tauschte einige freundliche Worte mit seinen alten Kollegen aus und verschwand dann für mehrere Monate.

Er fühlte sich wieder frei.

Die Beziehung zu Sam hatte ihn eingeschränkt. Zwar hatte er sie über alles geliebt, dennoch fühlte er sich, als hätte sie seine Federn gestutzt und ihm die Unabhängigkeit genommen, die er so bitter nötig hatte.

Jack hatte seine Vorstellungen vom Leben, brauchte die Natur und dann und wann einfach die Ruhe. Er mochte keine langen Dialoge, doch Sam wollte über alles reden, wollte Probleme besprechen, wo es doch eigentlich nichts mehr zu besprechen gab.

Er hingegen forderte bedingungsloses Vertrauen und jemandem, der seine Gedanken von seinen Augen ablesen konnte.

Irgendwann hatten sie dann einfach eingesehen, das sie beide zu verschieden waren und in ihrem Partner nach etwas suchten, das nicht erfüllt werden konnte.

Ihre Trennung war friedlich verlaufen, es gab keine bösen Nachworte mehr, die Anschuldigungen waren schon Monate zuvor ausgetauscht worden, in der Zeit, bevor sie sich nur noch anschwiegen. Bevor sie alles in sich hinein fraßen, statt es gemeinsam zu besprechen. Als sie sich noch liebten...

Sie nahmen sich ein letztes Mal in den Arm und dann packte Jack seine Sachen und verließ ihr Haus in Colorado Springs.

Er musste sich eingestehen, dass er nicht mehr derselbe Mann wie früher war.

Er brauchte jetzt umso mehr Freiräume, zog sich gerne allein auf ein Bier zurück, ließ die Vergangenheit Revue passieren und genoss die Ruhe. Sehr oft dachte er an sein Team, all die verrückten Abenteuer, die sie erlebt hatten.

Es war schon irre gewesen.

Hätte ihm jemand so etwas vor der ersten Stargatemission aufgetischt, er hätte ihn für komplett durchgeknallt gehalten...

Nun hatte er wieder alle Zeit der Welt um sein Leben zu genießen, ging oft Abends in ein Lokal und traf hin und wieder auch Frauen. Aber es war nie etwas ernstes.

Jack war ein gebranntes Kind und scheute das Feuer.

Für eine feste Beziehung war er nicht mehr in der Stimmung, wollte stattdessen lieber seinen Seelenfrieden. Und er wollte seine Freunde um sich herum haben, wollte Erinnerungen aufleben lassen und dankbar sein für all die Jahre, die sie zusammen verbracht hatten.

Er nippte an seinem Bier und schaute geistesabwesend die Nachrichten. Dann und wann erwischte er sich doch immer wieder, wie er archäologische Dokumentationen verfolgte und darauf hoffte, ein Lebenszeichen von Daniel zu sehen.

Es war ihm egal, ob er ihn erreichte oder nicht. Hauptsache er wusste, es ging ihm gut.

An diesem Tag geschah dann das Unerwartete.

Bevor das Wetter gezeigt wurde, kündigte die Nachrichtensprecherin den erstaunlichen Fund einer alten Pyramide in Südamerika an. Das Kamerabild war schlecht und der starke Regen vor Ort machte es schwierig, etwas zu erkennen.

Jack hatte sich gerade gefragt, wie man unter solchen Bedingungen überhaupt arbeiten konnte, als jemand mit dunkler Brille und grünem Bandana durchs Bild huschte.

Abrupt saß er aufrecht auf seiner Couch und verfolgte den Bericht. Die Szene war nur kurz gewesen, aber die Gesichtszüge und die Art, wie er lief, ließen ihn keine Minute zweifeln.

„Die Pyramide wurde auf das Jahr siebentausend vor Christus zurück datiert und wirft den Wissenschaftlern viele Fragen auf.“, erklärte die Außenreporterin, „Wie konnte eine solch frühe Kultur ohne sichtbare Spuren dieses Bauwerk aufschichten? Wie war es ihnen möglich, die gigantische Treppe, die das Tor zum Himmel darstellen soll anzufertigen? Vielleicht kann mir Doktor Nicholas Jackson die Frage beantworten, er ist der Leiter dieser Ausgrabung.“

Damit schwenkte die Kamera wieder auf Daniel, der sich offensichtlich große Mühe gab, nicht erkannt zu werden und der Frau schnell verdeutlichte, dass er an einem Interview nicht interessiert war.

Damit gab sie enttäuscht wieder in die Nachrichtenstation ab und Jack schaltete den Fernseher aus.

Dieser verdammte...nein, das konnte er nicht glauben. Daniel hatte tatsächlich den Vornamen seines Großvaters angenommen um anonym zu bleiben. Wie konnte er nur so dumm sein und diese List nicht erkennen?

Jack spürte das Kribbeln in seinen Fingerspitzen, als er von der Couch aufstand. Wie es schien war die Jagd wieder eröffnet und als erstes würde er sich die Aufzeichnung des Berichts liefern lassen.

Daniel mochte gut im Versteckspiel sein, doch er war nicht gut genug um einem alten Special Ops Offizier zu entkommen.

+++

Der lange Flug war ermüdend gewesen, doch Jacks Laune konnte er nicht verderben.

Er war daran gewöhnt.

Vom Anbeginn seiner militärischen Karriere war er an Langstreckenflüge gewöhnt, und die meisten von ihnen waren weitaus weniger komfortabel als ein Sitz in der Business Class.

Während der Pilot das lokale Wetter beschrieb, dehnte er seine steifen Muskeln und griff nach dem Handgepäck. Viel hatte er nicht mit sich genommen, ein paar T- Shirts, kurze und lange Hosen und Moskitospray. Zum Überleben im Dschungel von Belize brauchte er nicht sonderlich viel.

Die Passagiere wurden ungeduldig, als die Treppe an das Flugzeug herangefahren wurde und er ließ einem Bankdirektor den Vortritt, mit dem er sich wahrend des Fluges über Patzer bei der Hochzeit unterhalten hatte.

Trotz seiner schlechten Erfahrungen konnte Jack sich anpassen, konnte über die Witze seines Nebenmannes lachen, obwohl ihm nicht danach war.

Er konnte ein Chamäleon sein und niemand würde je erfahren, wer er wirklich war oder was er dachte.

Es dauerte nicht lange und er verließ das Flugzeug, ließ die Sicherheitskontrollen hinter sich und schnappte sich das nächste Taxi Richtung Stadtmitte.

Der Tag war noch jung und so beschloss Jack, sich gleich auf die Suche zu machen. Diesmal wollte er Daniel nicht die Gelegenheit geben, kurz vor ihrem Wiedersehen zu verschwinden.

Er checkte in sein Zimmer ein, nahm das Nötigste mit sich und verschwand dann zwischen Häuserblocks und kleinen Verkaufsbuden, auf der Suche nach einem Führer.

+++

„Hey Daniel.“

Der leise Gruß ließ ihn augenblicklich auffahren. Ein kleiner Spachtel, mit dem er versucht hatte, einige alte Steinblöcke freizulegen fiel zu Boden und versank im rotbraunen Schlamm der Umgebung.

„Oder sollte ich lieber Nicholas sagen?“

Der stille Vorwurf wirkte wie eine Faust ins Gesicht.

Er wünschte sich an irgendeinen entlegenen Ort dieser Welt, nur fort von hier. Fort von den alten Erinnerungen, vom Schmerz, der übermächtigen Enttäuschung. Aber er war gefangen in seinem eigenen Dilemma.

Daniels Labyrinth aus Lügen und Verstecken war durchschaut worden und somit nutzlos.

Wie oft schon war er im Geiste dieses Szenario durchgegangen, hatte nach Ausreden gesucht oder vielleicht auch einer Entschuldigung. Aber er war sich nie darüber schlüssig geworden, wie er reagieren würde, wenn er Jack jemals wieder gegenüber stand.

Doch nun war der Moment gekommen.

Zwei Jahre lang hatte sein Spiel funktioniert, zwei Jahre lang war er fast wöchentlich von Ort zu Ort gereist. Manchmal, besonders auf langen Flügen vermisste er das Sternentor, die rasanten Reisen durch das Universum.

Aber wie er es an dem Abend beschlossen hatte, an dem Jack ihn in seinem Apartment besuchte; er wollte wieder zurück zu seinen Wurzeln, wollte den wahren Daniel wieder finden, einen unabhängigen, starrköpfigen Träumer, den anderer Leute Meinung schon längst nichts mehr bedeutete.

Er wollte wieder da sein, wo er vor Beginn des Stargateprogrammes war. Natürlich vermisste er nicht all die leeren Vorlesungsräume, aber er vermisste seinen alten Charakter. Über die Jahre hinweg war er mit SG-1, mit seinen Teammitgliedern sozusagen verschmolzen, hatte gelernt sich auf sie zu verlassen und hin und wieder auch mal Militär zu sein.

Und natürlich kam es, wie es kommen musste.

Sein Vertrauen war zerstört worden, seine Abhängigkeit war ihm zum Verhängnis geworden.

Er hatte gelernt die gemeinsamen Abenteuer zu schätzen und zu genießen. Umso mehr tat es dann weh, als ihm das entrissen wurde.

Und sein bester Freund, der sich vor vielen Jahren mal sein „Seelenverwandter“ nannte, hatte seine Position aufgegeben und war weggezogen, hatte ihn in dem Wirrwarr zurückgelassen und so getan, als hätte es die vorangegangenen Jahre nie gegeben.

Ja, er gestand sich ein, dass sein bisheriges Leben ein einziges Chaos gewesen war. Darum brauchte er auch seine Ausgrabungen, sein Wissen, eine Konstante, die sich nicht änderte, egal in welche Richtung der Wind sich drehte.

Er brauchte Sicherheit, das Gefühl gebraucht zu werden, egal was geschah.

Er wollte wieder er selbst werden.

Leider hatte er nach zwei Jahren festgestellt, dass die Einsamkeit ihn jetzt mehr störte, als er es geplant hatte.

Früher im SGC hatte er wenigstens noch die Mannschaft hinter sich, doch jetzt, während der Ausgrabungen hatte er ständig irgendwelche Geier um sich herum, die nur darauf warteten, dem berühmten Daniel Jackson zu beweisen, dass seine Theorien nicht richtig waren. Und es gab nach all den Jahren immer noch Leute, die sich über seine alten UFO- Vorlesungen amüsierten.

Damals schien ihm die Flucht in die Einsamkeit eine willkommene Änderung gewesen zu sein, doch nun vermisste er es, Freunde zu haben.

Wenn er abends alleine war, gab es niemanden, mit dem er sich auf einen Kaffee treffen konnte. Wenn er krank war, würde niemand für ihn Medizin besorgen, er musste sich im hundeelenden Zustand selbst auf den Weg zur nächsten Apotheke machen.

Und das schlimmste war...niemand beschützte ihn mehr.

Sein Ideal, zurück zu seinen alten Wurzeln zurück zu kehren, allein gegen die ganze Welt zu kämpfen und überall seinen Kopf durchzusetzen war kläglich gescheitert.

Stattdessen stieß er auf Feindseligkeiten, Eifersucht und Abneigung.

Und Daniel war mittlerweile erwachsen geworden, zu alt um noch den Enthusiasmus aufzubringen, jeden Einzelnen von ihnen vom Gegenteil zu überzeugen.

So sehr er zuvor allein sein wollte, so sehr bereute er es nun auch. Ganz egal wie schlimm ihm die Situation im SGC vorgekommen sein mochte, es war nichts gegen das hier.

Aber nach seiner Kündigung hatte es kein Zurück mehr gegeben, das wusste er.

Doch nun?

Was wollte Jack hier?

Er entliess eine leichtes Seufzen, als er das tropfnasse Bandana abnahm und sich zögerlich umdrehte.

„Was? Du weisst nicht, was du sagen sollst? So habe ich dich ja noch nie erlebt.“

Jacks hämische Worte durchschnitten die Stille zwischen ihnen, waren die einzigen Geräusche der Zivilisation zwischen dem endlosen Plätschern von feuchtwarmen Regentropfen auf den moosbefallenen Steinen.

Nach all den Versteckspielen innerhalb der Vereinigten Staaten und Europa fand er ihn hier, am entlegendsten Ort der Welt, wo es keine Mobiltelefone und kein High Speed Internet gab. Nicht mal einen Bankautomaten.

„Hi Jack.“, stiess er hervor.

Wie oft hatte er das vor vielen Jahren während ihrer gemeinsamen Dienstzeit gesagt. Doch jetzt fühlte sich der Ausspruch seltsam fremd an. Wie ein altes Lied, das man nach langer Zeit zum ersten Mal wieder hört.

„Wenigstens erinnerst du dich noch an meinen Namen.“, erwiderte O’Neill gespielt überrascht und deutete auf ein abgelegenes Zelt.

„Ich glaube wir sollten uns mal unterhalten.“

+++

Sie wollten darüber reden doch stattdessen schwiegen sie sich nur an.

Wortlos hatte Daniel nach einem Plastikbecher gegriffen, ihn mit Wasser aus dem Kanister gefüllt und reichte ihn Jack. Alles war besser als das, was aus dem naheliegenden Brunnen kam.

Die Atmosphäre war deprimierend und die Stille tat ihr übriges.

Minutenlang hatten beide dagestanden und warteten darauf, dass der jeweils andere anfing zu sprechen.

Doch erst nach einer Weile gewann Daniel den Mut, den ersten Schritt zu tun.

„Wie war dein Flug?“

Ungewillt darüber zu reden, zuckte Jack nur mit den Schultern.

„Okay.“

„Mhm.“

Daniel schenkte sich selbst etwas Wasser ein und starrte gedankenverloren auf einige Ausgrabungsfunde, die in dem Zelt darauf warteten, verpackt und verschifft zu werden.

Einige seiner Mitarbeiter hatten die Kartons schon vorbereitet, aber ihre Arbeit nicht abgeschlossen. Nun lag es an ihm, die Funde für den nächsten Morgen fachgerecht zu verpacken, bevor der Lagerfahrer vorbei kam und sie in die Stadt brachte. Er konnte sich einfach auf niemanden mehr verlassen...

„Dir scheint deine neue Arbeit ja Spass zu machen.“, entgegnete Jack und trat näher heran.

Nur noch ein Meter trennte sie.

Ein seltsames Gefühl kam in Daniel hoch, eine Art Wille zur Zusammengehörigkeit. Egal wie gespannt die derzeitige Situation war, er fühlte sich in Jacks Gegenwart geborgen.

Auch wenn ihre letzten Dialoge nicht die freundlichsten gewesen waren, wusste Daniel doch tief in seinem Herzen, dass er für ihn da sein würde, wenn er wirklich Hilfe brauchte. Und keine Streiterei konnte das verhindern.

Es war das unausgesprochene Versprechen, das sie sich nach der Abydos Mission gegeben hatten...

Endlich sah Daniel auf und traf Jacks Blick.

„Deine scheint dich offensichtlich nicht auszufüllen. Immerhin hast du Zeit, mir nach zu spionieren.“

Noch immer war er etwas distanziert, leicht gereizt über des bisherigen Ausgang des Tages. Der Regen hatte die Ausgrabungsarbeiten um zwei Tage verlängert, die Universität saß ihm im Nacken und wollte Fortschritte sehen, die Arbeiter wurden unruhig und wollten ihr Geld. Und schon kam das nächste große Problem in Form eines USAF Generals.

„Ich glaube, das ist eine normale Reaktion, wenn man von dir vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Eine Email um mir Bescheid zu geben, dass alles ok ist, wäre nett gewesen.“

Jack war schnell wie eh und je. Daniel wusste, dass er mit seiner Antwort nicht so einfach davon kommen würde. Innerlich lächelte er über die Situation. So lange hatten sie sich nicht gesehen und waren schon wieder bei den typischen Jack- Daniel Dialogen angekommen.

„Tut mir leid wenn das hier nicht unbedingt der beste Platz für Wireless LAN ist.“

„Ach, bist du hier schon seit zwei Jahren?“

Ihre Diskussion begann sich im Kreis zu drehen und beide hielten inne, wussten sie doch, dass es sie nicht weiter brachte.

Erschöpft nach dem langen und auszehrenden Arbeitstag setzte Daniel sich auf einen Klappstuhl, deutete Jack an, dasselbe zu tun. Das Zelt bot wenig Komfort, aber es hielt den Regen ab, der seit Stunden schon ihr ewiger Begleiter war.

Unüblich für die Jahreszeit war es ein eiskalter Regen, der den Körper auskühlte und die Muskeln versteifte. Er machte die Arbeit fast unerträglich.

„Wie geht es Sam?“

Jack machte eine Grimasse und rieb sich dann den verspannten Nacken.

„Gut...schätze ich.“

„Du schätzte es?“

Er trank einen Schluck Wasser, ehe er fort fuhr.

„Wir...haben uns entschieden, nicht mehr länger zusammen zu leben.“

„Oh.“, bemerkte Daniel, wartete auf ausführlichere Details ihrer Trennung, aber sein Freund war wortkarg wie immer. Wenigstens hatte sich das nicht geändert.

Es tat ihm leid, dass sie sich getrennt hatten. Im nachhinein hatte er es Jack wirklich gegönnt. Und auch Sam. Die beiden waren ein gutes Team gewesen, auch wenn er nach wie vor die Ansicht vertrat, dass sie langfristig nicht zusammen gepasst hätten. Es war weniger der Altersunterschied als der Interessenkonflikt, der ihn immer besorgt hatte.

Jack mochte sich für eine Weile mit Sams technischen Interessen anfreunden können, aber auf Dauer würde es ihm zuviel werden. Ihr Enthusiasmus und Entdeckerwahn war einfach zu viel für den alten, entspannungsliebenden Jack O’Neill.

„Tut mir leid, wenn ich der Grund dafür war.“

Daniel war sich nicht sicher, wieso er das gesagt hatte. Es war ihm einfach über die Lippen gerutscht, ohne das er genauer darüber nachgedacht hatte.

„Warst du nicht...nicht direkt.“, entgegnete Jack und sah sich beschäftigt um.

Sie beide wussten es besser.

„Wie lange willst du dieses Spiel noch fortsetzen?“, fragte der General dann, um das Thema zu wechseln. Hier ging es schließlich nicht um ihn, sondern um Daniel.

„Du hast es doch bereits beendet. Wie könnte ich es dann fortsetzen?“

Die spitzfindige Antwort erregte Jacks Aufmerksamkeit und er wandte sich wieder seinem Freund zu.

„Kommst du zurück?“

Hoffnung lag in seiner Stimme. Vielleicht, so wünschte er, konnten sie ihre alte Fehde beilegen und noch einmal von vorne anfangen.

Daniel war sich unschlüssig darüber, wie er diese Frage beantworten sollte und blickte wieder zu dem Tisch voller Artefakte. Er konnte nicht einfach mittendrin aufhören. Oder?

„Nein. Wahrscheinlich nicht. Ich weiss es nicht...Ich habe das hier angefangen und will es vorerst fortsetzen. Es macht sehr viel Spass.“

Jack vermied es, erneut den Vergleich zwischen Interstellarreisen und feuchtfröhlichen Ausgrabungen zu ziehen. Sie hatten das bereits geklärt.

„Denkst du, du wirst mal die Zeit finden, dich zu melden?“

Er hatte den Zweifel in Daniels Augen erkannt. So ganz wollte er noch nicht aufgeben.

„Bestimmt.“, der Archäologe fuhr sich mit der Hand durch die nassen Haare, „Ich werde noch zwei Wochen hier bleiben um die Ausgrabungen abzuschliessen, dann werde ich nach Chicago zurückkehren und die Arbeiten von Dr. Jordan übernehmen. Immerhin kann ich alles nun in einem komplett anderen Kontext sehen als noch vor zwanzig Jahren.“

Jack interessierte all das gar nicht. Er wollte etwas ganz anderes wissen.

„Dann bist du also ok?“

Wieder zögerte er. Dies war das absolut sicherste Anzeichen, dass Daniel mit der Situation nicht ganz so zufrieden war, wie er es ihm vorspielte.

Zögern bedeutete bei Daniel immer, dass er ungern log, sich aber eine gute Ausrede einfallen lassen musste, um unnötige Diskussionen zu umgehen.

„Ja...so könnte man es ausdrücken.“

Jack liess ihn gewähren. Wahrscheinlich, so nahm er an, hatte sich die archäologische Gesellschaft nicht so sehr weiterentwickelt, wie Daniel es sich gewünscht hatte. Vor siebzehn Jahren war er bereits seiner Zeit voraus gewesen, doch nun, mit all seinem Wissen...es musste frustrierend sein.

„Und zwischen uns...denkst du, wir können das ausarbeiten?“

Diesmal zögerte er nicht. Es schien, als hätte er sich die Antwort bereits zurecht gelegt.

„Ich denke wir sind mittlerweile alt genug, um über solche Kleinigkeiten hinweg zu sehen. Lass uns mal zusammen Kaffee trinken, wenn ich wieder in den USA bin. Ich könnte vorbei kommen, sobald ich alles in Chicago erledigt habe.“

Ein Lächeln zierte Daniels Lippen. Etwas, das Jack gern erwiderte.

„Hört sich gut an.“

Beide schwiegen für eine kleine Weile, dann deutete Daniel nach draussen, wo sich das Wasser weiterhin in dreckigen Pfützen sammelte, ehe es in den nahe liegenden Fluss strömte.

„Und nun sieh zu, dass du aus diesem schrecklichen Klima heraus kommst. Ich habe noch viel zu tun. Ich melde mich morgen bei dir.“

Jack musste zugeben, dass ihm das Wetter nicht allzu sehr zusagte und Daniel wirkte tatsächlich beschäftigt.

Das Hauptziel seiner Mission war erreicht, er hatte seinen Freund wieder gefunden und sie hatten den alten Streit beendet. Nun konnten sie nach vorne sehen, konnten sich treffen, alte Geschichten wieder aufleben lassen und füreinander da sein.

Er war erleichtert. Wer konnte schon ahnen, dass sein Plan sich so auswirken würde? Daniel hätte ihn aus dem Camp werfen können, oder aber, er konnte einfach wieder verschwunden sein, wie so viele Male zuvor.

Doch diesmal hatte das Glück gewollt, dass sie sich wieder trafen. Es war eine Fügung des Schicksals, ein Wink von oben oder einfach nur Zufall. Aber sie hatten sich wieder getroffen und Jack würde diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen.

„Pass auf dich auf, Daniel.“

Zufrieden umarmte er seinen Freund und ging aus dem Zelt.

Es sollte das letzte Mal sein, dass er ihn lebend zu Gesicht bekam.


weiter: Kapitel 3
Kapitel 3 by Jenny
Teil 3

Seitdem du weg bist, ist so manches ok.
Dafür das es korrekt ist, tut es aber ganz schön weh.
Ich bin wirklich gesegnet, hatte Glück.
Und vieles ist super wie es ist, bis auf die Lücke die nicht schliesst.

Es ist ein defekter Kreis, von 280 Grad.
Der rettende Beweis, den ich leider grad nicht hab.
Es ist der Sinn des Lebens, den keiner mir verrät.
Man muss wirklich kein Genie sein um zu merken das was fehlt...





Am nächsten Morgen war er zurück geflogen.

Washington meldete Probleme und die Dinge zwischen Daniel und ihm waren geklärt. Alles andere würden sie ausarbeiten.

Froh über den Ausgang seines Kurzurlaubes war er in Dallas zwischengelandet und wartete ungeduldig auf seinen Anschlussflug. Es war einer der großen Monitore, der seine Aufmerksamkeit erregte.

Gelangweilt folgte er den Schlagzeilen, als seine Augen an dem Wort „Belize“ hängen blieben. Gefolgt von „Guerillas“. Gefolgt von „mehrere Tote“. Gefolgt von „archäologische Ausgrabung“.

Er verlor den Sinn für seine Umgebung als sein Augen hektisch an dem Monitor haften blieben. Doch der Text lief bereits weiter und berichtete nun von den Wahlvorbereitungen der Demokraten.

Quälende drei Minuten vergingen, ehe die Nachricht wieder erschien.

„In Belize wurde durch einen Guerillaangriff am frühen Morgen ein Zeltlager von ausländischen Forschern vollständig zerstört. Die Rede ist von mehreren Toten. Es handelte sich um ein Team von Wissenschaftlern, die eine archäologische Ausgrabung durchführten.“

Jacks Herz raste.

Verzweifelt griff er nach seinem Mobiltelefon. Natürlich hatte er das verdammte Ding in Belize ausgeschaltet.

Er drückte die grüne Taste und nach ewig wirkenden fünfzehn Sekunden war er startbereit.

Daniel hatte ihm seine Telefonnummer gegeben und Jack tippte sie verzweifelt ein.

Nichts.

Hatte er die richtige Vorwahl benutzt?

Ein weiteres mal tippte er alle Nummern ein, ging sicher, dass alles korrekt war.

Diesmal konnte er nicht falsch liegen.

„Der gewünschte Gesprächspartner ist zur Zeit leider nicht erreichbar.“

Sein Magen drehte Loopings.

Er bekam nicht einmal mehr mit, wie zum Boarding aufgerufen wurde.

Die Entscheidung war sofort getroffen.

Er würde nicht nach Washington zurück kehren, musste zunächst herausfinden, was hier vor sich ging.

Nach drei weiteren sinnlosen Versuchen legte er auf und erkannte auf seinem Display die Nachricht, dass eine Voicemail auf ihn wartete.

Ungeduldig wählte er den Anrufbeantworter an.

„Neue Nachrichten...Eine.“, meldete die Maschine und schaltete durch.

„Hi Jack, ich bins Daniel.“, O“Neill atmete tief durch. Gott, das war knapp gewesen., „Ich...ich schätze ich wollte mich nur dafür bedanken, dass du den ganzen Weg hierher geflogen bist, um mich zu sehen. Es bedeutet mir eine ganze Menge...Ich muss mich jetzt wieder an die Arbeit machen, wir sehen uns in ein paar Wochen. Bye.“

Beruhigt wollte er schon wieder auflegen, als der Anrufbeantworter automatisch noch den Tag und die Zeit des Anrufes meldete.

Entgegen seiner Vermutung hatte Daniel ihn gestern Abend angerufen, nicht etwa heute.

Seine Beunruhigung wuchs zu neuen Höhen und er stand auf, entschied, zum nächsten Schalter seiner Fluggesellschaft zu gehen und einen Rückflug nach Belize zu buchen.

+++

Die Zeit ist eine relative Variable, die sich je nach Gemütszustand verändert. Für einige wirkt sie oft zu kurz, meist dann, wenn man Spass hat. Doch für Jack verging sie an diesem Tag nicht schnell genug.

Mehrere Male binnen einer Minute blickte er auf seine Uhr, durchlief im Kopf sein weiteres Vorgehen, rutschte unruhig in dem engen Sitz der kleinen Passagiermaschine hin und her und bewegte die Fusszehen auf und ab. Es trieb ihn in den Wahnsinn.

Wie lange noch, bis sie da waren?

Er hatte die Stewardess schon drei Mal gefragt, beim letzten Mal war sie verständlicherweise genervt gewesen. Doch Jack hatte ihr die vagen Umrisse seines Dilemmas beschrieben und sie hatte versprochen, ihn auf dem laufenden zu halten. Schliesslich besass diese kleine Maschine noch keine standardisierten multifunktionalen Fernsehgeräte mit GPS- Routenverfolgungssystem. Sie besass nicht einmal einen Projektor für Filme.

Jack hatte die Flugbegleiterin gefragt, ob es irgendwie möglich war, den lokalen Fernsehsender anzurufen, um nach genaueren Informationen zu fragen, doch auch sie hatte wenig Ahnung. Warum hatte er sie überhaupt gefragt? Er fing an, die Nerven zu verlieren.

Sein Geist wollte ihn darauf vorbereiten, dass eine Möglichkeit bestand, dass es Daniels Camp war. Dass er unter den Opfern war. Doch sein Herz verweigerte es. Sie hatten sich gerade erst wieder gesehen, Frieden geschlossen, eine neue Zukunft gestartet...und überhaupt, die Wahrscheinlichkeit, dass Daniel unter den Opfern war, war so unheimlich gering. Belize war ein El Dorado für Archäologen, bestimmt gab es dort sehr viele Ausgrabungsorte. Und auch sehr viele Archäologen. Er machte sich vermutlich umsonst Sorgen. Aber er wollte sicher gehen.

„Wir werden in fünfzehn Minuten landen.“, meldete der Pilot, während Jack sich nervös durch die Haare fuhr. Er wollte endlich am Boden sein, Dinge erledigen und nicht nur dumm dasitzen. Umso langsamer vergingen die fünfzehn Minuten dann auch. Und die fünf Minuten Rollbahn- Sightseeing, die fünf Minuten, ehe die Treppe an das Flugzeug herangefahren wurde, und die fünf Minuten, bis jeder elende, hochmotivierte Südamerikaurlauber vor ihm ausgestiegen war.

Sofort schaltete er sein Handy wieder ein. Zwar musste er den Roaming- Dienst nutzen, aber Hauptsache, das Ding funktionierte.

Wieder erhielt er nur Daniels Voicemail, hinterliess zum siebten Mal eine Nachricht, dass Daniel ihn doch bitte zurückrufen möge. Aber er hatte während seines Rückfluges keinen Anruf erhalten.

Hektisch rannte er durch den Flughafen, kämpfte sich durch die Kontrollen und wieder zum Taxistand. All das kam ihm wie ein krankhaftes Deja- Vu vor, wie ein Albtraum, der gerade erst begann.

Und so sollte es auch sein...

+++

Jack hatte diesmal nicht einen Stadt- und Waldführer gesucht, er war schnurstracks zur Polizeistation gelaufen, hatte mit seinem Militärausweis gewunken und sich einen Beamten zur Seite geholt.

Schnell schilderte er ihm, was los war und erhielt die Nachricht, dass es sich bei dem Überfall tatsächlich um Guerillas gehandelt hatte und dass das befallene Camp eine Grabungsgenehmigung durch die Stadtverwaltung bekommen hatte, unterschrieben von Nicholas Jackson.

Der Schock betäubte Jack und sein Geist fiel in Autopilot.

Die Lage hatte sich geändert. Wie standen die Chancen jetzt?

Daniel war der geborene Diplomat und gut darin, sich aus lebensgefährlichen Situationen heraus zu reden. Mit Sicherheit war alles in Ordnung und er war noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen.

Und wenn nicht?

Nein, das war eine Option, die er gar nicht in Betracht ziehen wollte. Die Wahrscheinlichkeit war so gering...

Er erkundigte sich nach einer Polizeistreife, die ihn zur Ausgrabungsstelle fahren konnte, doch man sagte ihm, die US- Amerikanische Regierung hätte sich bereits eingeschaltet und das ganze Gebiet abgeriegelt.

Jack wusste, wenn sich seine Regierung einschaltete, bedeutete das, es gab US- amerikanische Opfer.

Waren noch andere Amerikaner vor Ort, als er das Lager besuchte?

// Denk nach, verdammt!//

Er wusste es nicht mehr genau, war er doch so auf Daniel fixiert gewesen. Verdammt!

„Das macht nichts, ich habe Top Secret Freigabe.“, erklärte er dem Polizisten und erhielt einen skeptischen Blick. Bin kein Drogenfahnder, wollte er hinzufügen, doch biss sich stattdessen auf die Zunge.

Der Mann verschwand in einem angrenzenden Büro und Jack überprüfte seine Uhr. Eine Stunde, seit er gelandet war. Was hatte er bisher erreicht? Wie konnte er an Informationen gelangen? Warum wurde alles von der Presse abgeschirmt?

Die Uhr an der Wand über ihm tickte fordernd und er begann rhythmisch mit seinen Fingern auf den Tisch zu klopfen, um etwas Anspannung los zu werden. Doch es half nichts. Sein Blutdruck stieg weiter und weiter an, sein Magen drehte Loopings, die Ungewissheit trieb ihn in den Wahnsinn.

Er nutzte die Zeit, um seinen Plan weiter zu vervollständigen.

Ziel Eins. Zum Camp fahren. Das bekam er hin.

Ziel Zwei. Feststellen, ob Daniel ok war. Das war ja wohl eine sichere Konstante.

Ziel Drei. Daniel mit in die USA nehmen, damit er nicht noch einmal beinahe getötet werden würde.

Und was, wenn er doch...?

// Wirst du wohl damit aufhören, Jack?! //

Er musste diese Gedanken los werden. Es war so unwahrscheinlich, dass sein Freund unter den Opfern war, aber trotzdem überschwemmten ihn diese Sorgen.

Warum ging er nicht ans Telefon? Warum rief er ihn nicht zurück?

Möglichkeit Eins: Er war gerade damit beschaeftigt, sich mit den Behoerden ueber das Geschehene zu unterhalten.

Möglichkeit Zwei: Er war verletzt. Wo hatten sie ihn hin gebracht? Wie weit war das nächstgelegene Krankenhaus entfernt? Wie gut war die Versorgung in dem Krankenhaus? Wie schwer waren seine Verletzungen?

Möglichkeit Drei: Er war unter den Opfern. Inakzeptabel.

Der Polizist liess auf sich warten, also ging Jack zurück zu der Frau, die am Empfang saß.

„Wissen Sie vielleicht, wohin die Verletzten des Guerilla- Überfalls gebracht wurden?“

Die Frau schüttelte betrübt den Kopf.

„Leider nein, Sir. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es Verletzte gab. Aber ich kann Sie mit den zwei Krankenhäusern hier in der Gegend verbinden. Wenn es Verletzte gab, wurden sie mit Sicherheit dorthin gebracht.“

Er nickte und die sympathische Frau begann, eine Telefonnummer einzutippen. Anschließend reichte sie ihm den Hörer.

Eine Frau meldete sich und natürlich sprach sie Spanisch. Gott sei Dank hatte Jack noch die wichtigsten Redewendungen aus seiner Ausbildungszeit behalten und kämpfte sich bis zum diensthabenden Arzt durch.

„Hallo, ich bin General Jack O’Neill, United States Air Force. Ein Freund von mir war in einen Guerrilla Überfall verwickelt. Sein Name ist Daniel oder Nicholas Jackson. Befindet er sich in Ihrem Krankenhaus? Haben Sie Opfer des Überfalls in Ihrem Krankenhaus?“

Gott, er klang wie jemand, der gerade erst die Sprache gelernt hatte...

Der Arzt verneinte und verwies ihn zu dem anderen Krankenhaus. Schnell legte er auf und liess die Polizistin die andere Nummer wählen. Es gab noch keinen Grund zur Beunruhigung, Daniel war bestimmt dort.

Wieder spulte er seinen Text herunter. Diesmal etwas nachdrücklicher.

Man verwies ihn zur Notaufnahme und er erklärte sein Problem ein drittes Mal.

Der Mann am anderen Ende wirkte leicht genervt, im Hintergrund waren hektische Stimmen hörbar.

„Lassen Sie mich die Liste überprüfen.“

Unbemerkt für die Außenwelt begann Jack zu zittern. Sein Atem ging rasend. Zu viel hing von diesem Telefonat ab, als das er ruhig bleiben konnte.

Die Sekunden vergingen nur langsam, doch nicht sie waren es, die den Takt angaben. Es war sein eigener Herzschlag, der in seinen Ohren pochte und Ströme reinsten Adrenalins durch seinen Körper jagte.

Im Augenwinkel erkannte er, wie der Polizist vom anderen Schreibtisch wieder zurückkam und ihn erwartungsvoll anblickte. Vielleicht konnte er ihm mittlerweile weiter helfen.

„Nein Sir, er ist nicht auf der Liste der Verletzten, die eingeliefert wurden. Tut mir leid.“

Die Nachricht des Arztes zerschmetterte seine Hoffnung, seine Möglichkeit Nummer zwei. Daniel was also nicht verletzt in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Nun, das hatte ja noch nicht allzu viel zu bedeuten. Jack war sich sicher, es gab für alles eine rationale Erklärung.

Wahrscheinlich war er wirklich vor Ort damit beschäftigt, den Feds Auskunft über die Situation zu geben. Zur Bestätigung holte er sein Mobiltelefon hervor. Vielleicht erreichte er ihn ja jetzt.

Währenddessen lief er auf den Beamten zu und gab ihm ein Zeichen, sich noch ein paar Sekunden zu gedulden. Möglicherweise löste sich dieses ganze Dilemma in Luft auf, sobald er Daniel ans Telefon bekam.

Wieder meldete sich die Mailbox. Er begann diese nervige Frauenstimme zu hassen.

Frustriert legte er auf und wartete auf das, was der Polizist ihm zu sagen hatte.

„General O’Neill, ich habe die Erlaubnis erhalten, Sie zu der Unglücksstelle fahren zu dürfen.“

Na dann konnte es ja los gehen...

+++

Die Fahrt hatte bereits eine halbe Stunde über unebenes Terrain in Anspruch genommen und raubte Jack den letzten Nerv. Jedes Mal, wenn sie sich einer kleinen Abfahrt näherten, hatte er gehofft, sie würden endlich da sein. Alles sah so ähnlich aus, als wäre es aus einem Guss.

Zwei Polizeistreifen waren ihnen entgegen gekommen und ein schwarzer SUV fuhr hinter ihnen, um ebenfalls zur Unglücksstelle zu gelangen.

Nervös überprüfte Jack immer wieder die Umgebung, versuchte sich die Bilder einzuprägen, aber was gab es sich da schon zu merken? Wo er auch hinblickte standen Sträucher, Bäume und es gab keine Zeichen der Zivilisation. Weder Schilder noch irgendwelche Markierungen wiesen ihnen den Weg.

„Ich hoffe, es geht Ihrem Freund gut.“, übte sich der zuvor schweigsame Polizist im Smalltalk.

Jack war nicht in der Stimmung, um über diese Dinge zu reden. In wenigen Minuten würde er Klarheit über Daniels Schicksal erhalten und plötzlich fühlte er sich so, als wollte er die Wahrheit gar nicht wissen. So als ob sein Herz lieber mit der ewigen Sorge leben wollte, als eine Wahrheit zu akzeptieren, die inakzeptabel war.

Aber es war ein Risiko, das er eingehen musste, Kopf oder Zahl, alles oder nichts.

Im Endeffekt wuerde die Klarheit ueber Daniels Verbleib besser sein als eine ewige Ungewissheit.

„Ich auch. Er hat eine Tendenz, immer in Schwierigkeiten zu geraten.“

Ein tiefes Loch ließ sie in ihren Sitzen auffahren und Jack stiess sich den Kopf an der Decke des Wagens.

„Tut mir leid.“, entschuldigte sich der Fahrer, „Wir sind in wenigen Minuten an der Ausgrabungsstelle.“

Da war es wieder, das unsichtbare Messer in seiner Magengrube, das sich bei jedem Puzzlestück der Wahrheit weiter in sein Fleisch bohrte. Jacks innerer Instinkt drängte ihn fort, warnte ihn, nicht weiter zu gehen. Aber sein Verstand, sein militärisches Denken und der Trieb, die Wahrheit zu erfahren waren stärker. Ob es ihm gefiel oder nicht, er musste der Ungewissheit ins Auge blicken.

Er überprüfte sein Handy. Noch immer kein Anruf. Warum hatte er es überhaupt überprüft? Der Alarmton war auf die höchste Stufe gestellt, er hätte es von einer halben Meile Entfernung aus gehört, wenn es geklingelt hätte.

Frustriert fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht. Er wurde zu alt dafür. Warum zum Teufel meldete Daniel sich nicht? Er schuldete ihm einiges, falls das hier gut ausging- wovon er ausging.

Je näher sie kamen, umso weniger war Jack in der Lage sich zu konzentrieren. Die Gedanken jagten ungeordnet durch seinen Kopf, sobald er hoffte, eine Sache überdacht zu haben, tat sich eine andere auf, sobald die geregelt war, vergaß er die erstere. Es war frustrierend. Dafür war er all die Jahre im Militär gewesen, um plötzlich den Kopf zu verlieren.

Aber zumindest merkte es niemand...

+++

Die letzte Kurve war fast erreicht, als ein schriller Klingelton durch den Jeep schallte. Jack fuhr in seinem Sitz auf und ließ fast sein Mobiltelefon fallen.

Auch der Polizist neben ihm wusste für eine Sekunde nicht, was los war und blickte seinen Beifahrer verwundert an.

Jack war fast durch die Decke gegangen, doch nachdem sich der erste Schrecken gelegt hatte, bereitete sich das gute Gefühl der Beruhigung in ihm aus. Da war er endlich, der –mit mehr Leben als eine Katze ausgestattete- Daniel Jackson.

Sofort nahm er das Telefon hoch und faltete es auseinander.

„Du hast ganz schön lange auf dich warten lassen.“, fuhr er sein Gegenüber an.

Während der Polizist den Wagen an der Stelle des Überfalls parkte, blieb Jack noch sitzen. Er erkannte fünf örtliche Polizeistreifen, mehrere Regierungsfahrzeuge der USA und einen großen Leichenwagen. Von dem Camp war nicht mehr geblieben als einige zerfetzte Zelte und herumliegende Holzkisten. Die zwei Jeeps der Archäologen steckten mit aufgeschlitzten Reifen und eingeschlagenen Scheiben im Schlamm.

Als er als Antwort nur ein Zögern erhielt, wurde er skeptisch.

„Daniel? Was ist los?“

Er hörte ein Räuspern am anderen Ende der Leitung und schließlich meldete sich der Anrufer.

„Jack, ich bin’s Sam. Wir hatten uns Sorgen gemacht, nachdem du nicht am Flughafen erschienen bist. Ist alles in Ordnung?“

+++

Taubheit war alles, was Jack spürte.

Sein Körper war taub, sein Geist war taub.

Er konnte nicht denken, fühlte sich, als seien seine Gedanken in eine Schüssel voll Honig gefallen. Egal wie sehr er kämpfte, er kam nicht frei.

Die Nerven in seinem Körper arbeiteten nicht mehr richtig. Er spürte weder die feuchte Wärme der Tropen, noch, dass der Polizist ihm auf die Schulter tippte.

Alles was er tun konnte war neben dem Jeep stehen zu bleiben und auf den Leichenwagen zu blicken.

Das war unmöglich.

Das Schicksal spielte ihm wieder einen Streich und er war es leid, sich ständig um nichts Sorgen machen zu müssen. Daniel rannte hier irgendwo herum und sprach mit den Polizisten, er hatte ihn nur noch nicht gefunden.

Komisch, wie eng verknüpft die Wahrscheinlichkeit war, dass Daniel unter den Opfern sein könnte...

Natürlich konnte das nicht der Fall sein, aber es war durchaus möglich. Daniel hatte das bestimmt noch gar nicht eingesehen und ihn deshalb nicht zurück gerufen.

War ihm denn nicht klar, dass er sich Sorgen machen würde?

Daniel schuldete ihm eine gute Erklärung.

Jack biss sich auf die Innenseite seiner Wange. Der Schmerz sollte das wiederkehrende „Was wenn doch?“- Mantra in seinem Kopf beenden. Aber es half nichts.

Nicht einmal der Taubheit tat es einen Abklang.

„Senior.“, sprach der junge Polizist neben ihm, „Wollen Sie nicht nach Ihrem Freund suchen?“

Jacks Kopf schnellte zur Seite.

Richtig, er musste dieses Dilemma beenden um Daniel zu finden und ihm die Meinung zu sagen.

Wie konnte er ihn so lange im Unklaren lassen, es war doch offensichtlich, dass er sich Sorgen machen würde.

Die guten alten Zeiten eben...

Der Polizist führte ihn an dem Leichenwagen vorbei und das Messer in Jacks Magen machte eine 360 Grad Drehung. Alles in ihm verkrampfte sich, es schnürte ihm die Luft ab.

Der blosse Gedanke an die unwahrscheinliche Möglichkeit, dass...

Wo zum Teufel war Daniel?

Sein Atem ging rasend, Schweiß bildete sich auf seiner Stirn. Jacks Mageninhalt wanderte nach oben, seine Hände waren zu Fäusten geballt.

Er überprüfte die Umgebung, sah hier und da einige Polizisten, gelbe Absperrbänder und Blut. Viel Blut.

Er schluckte die bittere Gallenflüssigkeit herunter als er einige Blutspritzer an dem Vorratszelt sah, in dem er sich zuletzt mit Daniel unterhalten hatte.

Das sah nicht nach einem Überfall aus, das war eine Hinrichtung gewesen!

„Kann ich Ihnen helfen, Senior?“, riss ihn ein Mann aus den Gedanken.

Es war ein lokaler Polizist, der die selbe Uniform trug wie der Beamte, der ihn hierher gefahren hatte.

„Ja.“, sprach Jack und schluckte kurz, „Ich suche meinen Freund. Sein Name ist Daniel oder Nicholas Jackson. Er ist hier irgendwo und unterhält sich mit den Behörden.“

Er spürte, wie die beiden Männer hinter seinem Rücken Blicke austauschten, aber er dachte sich nicht viel dabei. Paranoia war das letzte, was er gerade gebrauchen konnte.

„Sir, ich würde Sie gerne bitten, kurz mit mir zu kommen.“

Dieser Satz...diese Floskel machte Jack nervös.

Es war nicht der Ausspruch, „Ja, ich sag ihm, dass sie hier sind.“ oder „Ja, er steht gleich hinter dieser Ecke.“.

Nein, der Mann wollte, dass Jack mit ihm kam.

Wieder spürte er das Messer, fühlte bittere Gallenflüssigkeit in seinem Hals, atmete hastig, um das Übelkeitsgefühl zu unterdrücken.

Aber es würde ihm nicht mehr lange gelingen.

Sein Herz pochte so schnell und hart, Jack wunderte sich, dass es niemand anderes hörte. Er zitterte, hatte sein Hemd mittlerweile durchgeschwitzt, er wurde kurzatmig.

Doch er folgte dem Mann wortlos.

Sie liefen über schlammiges Terrain zu einem der Streifenwagen, dessen Kofferraum als sporadischer Schreibtisch genutzt wurde. Sämtliche Akten türmten sich dort obwohl es danach aussah, als könnte es jede Sekunde wieder anfangen zu regnen.

Der Mann wühlte in einigen Unterlagen herum und Jack fragte sich zum wiederholten Mal, warum er seine Zeit verschwendete.

Schließlich holte er einen blauen Reisepass hervor und schlug ihn auf. Es war Daniels.

„Ist das der Mann, nachdem sie suchen?“

Jack versuchte den Kloss herunter zu schlucken, der seinen Hals verstopfte und ihm vom sprechen abhielt. Also gut, er war offensichtlich entführt worden und die Geiselnehmer hatten die Pässe hier gelassen um zu beweisen, dass die amerikanischen Geiseln in ihrer Gewalt waren. Wie einfallsreich. Deshalb hatten die Medien auch nichts davon berichtet, sie wollten die Geiseln schützen. Warum hatten sie ihm das nicht gleich gesagt?

„Ja.“, brachte er flüsternd hervor und schwor, dass er sich innerhalb der nächsten Sekunden übergeben musste. Er hielt dem Druck nicht mehr länger stand.

„Sind Sie sich absolut sicher?“

„Ja.“

Warum die Fragerei? Ich kann es verkraften, wenn du mir erzählst, dass er entführt wurde!

Der Polizist räusperte sich.

„Ihr Freund ist leider unter den Opfern. Es tut mir sehr leid für Sie.“


weiter: Kapitel 4
Kapitel 4 by Jenny
Teil 4

Kann meinen Ohren nicht trauen, ich fass’ nicht was man sagt.
Werd es auch morgen nicht glauben,
denn es ist ganz gewiss nicht wahr.
Irgendwer irrt sich bestimmt,
oder du spielst mir einen Streich.
Es ist sicher nur halb so schlimm und wir beide sehen uns gleich.



Jack hatte schon viele verschiedene Arten von Schmerzen durchgemacht. Er war mit Carter in der Antarktis gestrandet, wurde von Aprophis erschossen und von Ba’al gefoltert.

Aber die eine Tatsache, die er in all den Jahren gelernt hatte war, das nichts so sehr weh tat wie seelischer Schmerz.

Eine körperliche Wunde konnte mit der richtigen Einstellung zum Leben gut verheilen, doch wenn erst mal die Seele litt, gab es nichts, dass den Körper aufhielt, ihr beizuwohnen.

Der menschliche Geist war so stark, dass er bereit war, sich selbst aufzugeben, wenn er an einen gewissen Punkt angelangte.

Und Jack musste es schließlich wissen.

Er war es, der seinen einzigen Sohn verlieren musste, weil er seine Waffe nicht richtig verstaut hatte. Es war etwas, dass er sich niemals verzeihen würde, ein Albtraum, der ihn fast jede Nacht einholte, egal wie viel Zeit verging.

Seine Seele hatte diesen Schock niemals verkraften können und litt noch heute- wie auch sein Körper.

Die Schalfstörungen, die Anfälligkeit für Depressionen, die Stimmunsgschwankungen, Appetitlosigkeit, Lethargie...

Die Liste war lang aber Jack hatte nie wirklich etwas daran gelegen, das zu ändern. Immerhin war dies die Strafe, die ein Vater für solch eine Tragödie erhielt.

Und nun stand er im südamerikanischen Dschungel und verschluckte fast seine Zunge.

„Huh?“, war das einzige, was Jack über die Lippen kam.

Was hatte der Mann da gerade gesagt?

War er ein morbider Komiker? Oder sprach er die Sprache nicht gut genug und meinte Opfer der Entführung? Was für ein seltsamer Film spielte sich da vor seinen Augen ab?

„Es tut mir wirklich leid, Senior.“, wiederholte der Polizist. Wahrscheinlich war es offensichtlich, dass Jack ihm nicht glaubte.

Wie konnte er das auch? Es handelte sich hier um ein lächerliches Missverständnis!

Daniel war nicht tot, er war entführt worden.

„Nein.“, antwortete Jack.

Es war kein verzweifeltes nein, sondern ein bestimmtes, ruhiges nein.

Trotzdem spürte er bereits den Schock in sich aufkommen.

Sein Herz raste, er konnte kaum mehr einen klaren Gedanken fassen, die Bilder verschwammen vor seinen Augen...

Sein Geist bereitete sich auf ein traumatisches Erlebnis vor...

„Nein?“, erkundigte sich der Polizist überrascht.

Wahrscheinlich hatte er mit einem Wutausbruch gerechnet, einigen Schimpfwörtern und Tränen. Aber nicht mit einem bestimmten nein.

„Nein.“, wiederholte Jack schlicht.

Wusste der Mann denn nicht, wie gering die Wahrscheinlichkeit war, dass so etwas passierte?

Wie gering die Wahrscheinlichkeit war, dass Daniel Jackson überhaupt sterben konnte?

All die Missionen, all die Close calls, all die Risiken, die sie eingegangen waren. Der Mann wusste offensichtlich nicht, von wem er hier sprach.

„Aber Senior, Sie haben doch selbst gesagt, dieser Mann hier sei Ihr Freund.“

Der Polizist wedelte Daniels Reisepass vor Jacks Augen herum und das machte den General wütend. Dies war persönliches Eigentum und gehörte nicht in die Hände eines Kleinstadtpolizisten.

„Das ist er auch. Aber er kann nicht tot sein.“

Der Mann sah ihn verzweifelt an und schüttelte leicht den Kopf.

„Hören Sie, Senior. Ich war zuerst vor Ort und habe die Leichen identifiziert. Glauben Sie mir, es ist Ihr Freund.“

Das unsichtbare Messer führte den Todesstoss in Jacks Magengrube aus und raubte ihn das letzte bisschen Energie.

Sein Herz schlug so schnell wie nach einem Marathon und sein Körper gehorchte ihm nicht mehr. Er begann zu zittern, so sehr, dass er es nicht mehr hinter seiner Militärfassade verbergen konnte.

„Ich...ich will ihn sehen.“


weiter: Kapitel 5
Kapitel 5 by Jenny
Teil 5

Es muss sich um einen Fehler handeln, es liegt bestimmt ein Irrtum vor.
Täuschen kann sich jeder mal und nur
wer es nicht aufdeckt wird zum Tor.
Ich weiss auch nicht warum ich wein,
ich bleib dabei, zu unmöglich ist das hier.
Wie gering ist die Wahrscheinlichkeit,
dass mir sowas passiert?




„Senior, das, das kann ich nicht zulassen.“

Der Polizist hatte den Reisepass schnell wieder in seinen Unterlagen versteckt und fuhr sich nervös über den Kinnbart.

„Sie müssen mir in dieser Angelegenheit vertrauen. Es handelt sich wirklich um Ihren Freund und es tut mir sehr leid, dass er unter diesen Umständen ums Leben gekommen ist. Ich versichere Ihnen, wir werden die Schuldigen finden und zur Rechenschaft ziehen.“

Jack hatte sich nicht die Mühe gemacht, den Polizisten ausreden zu lassen sondern drückte sich an ihm vorbei und marschierte schnurstracks auf den Leichenwagen zu.

„Sie wissen nicht, von wem Sie reden.“, stieß er hervor und musste gleichzeitig bittere Gallenflüssigkeit herunter schlucken, weiterhin im Kampf gegen die Übelkeit.

Was für ein seltsamer Albtraum spielte sich hier ab? Waren denn alle blind geworden?

Daniel Jackson konnte nicht tot sein, der Mann war überhaupt nicht tot zu kriegen.

Unzählige mächtige, gottesgleiche Wesen hatten sich an der Aufgabe versucht und waren alle gescheitert.

Der Mann war nicht tot zu kriegen.

Das war Daniel Jacksons Schicksal.

Er war dazu auserkoren als alter Mann der Jugend von den sagenhaften Abenteuern des SG-1 Teams zu erzählen, die Menschen zu bilden, ihnen die Augen zu öffnen. Er würde die Menschheit von der Wichtigkeit des Stargates überzeugen, die Politiker der Welt dazu bringen, sich die Hände zu reichen für den gemeinsamen Kampf gegen das Böse.

Was stimmte in diesem Bild nicht?

Ganz einfach. Es gab einige Hinterwald- Cops, denen nicht klar war, dass Daniel Jackson nicht tot sein konnte.

Aber er würde sie vom Gegenteil überzeugen, selbst wenn das bedeutete, dass er es ihnen zeigen musste.

// Was ist, wenn sie recht haben?//

Diese elende kleine Stimme in seinem Hinterkopf war offensichtlich genauso wenig tot zu kriegen wie Daniel.

Gott, der Mann schuldete ihm einen Gefallen...

Nur er schaffte es, außerhalb der sicheren Mauern des SGC im südamerikanischen Dschungel entführt zu werden.

„Senior, Sie können da nicht rein!“, rief ihm der Polizist nach, doch Jack lief weiter.

Noch einmal schluckte er das seltsame Gefühl in seiner Magengegend herunter und öffnete dann die Doppeltuer des Leichenwagens.

// Komm schon Jack, du hast vorher schon Tote gesehen, führ dich nicht so auf!//

Er machte einen Schritt und stand zwischen vier Liegen mit Toten, die vorsorglich in schwarze Leichensäcke verpackt worden waren.

Der Anblick schnürte ihm fast die Luft ab.

Wie viele Überlebende hatte es noch mal gegeben? Zwei?

Wie war die Wahrscheinlichkeit? Zwei aus 6. Ein Drittel?

Ja, das war genug fuhr Daniel.

Der Mann würde überleben, wenn die Chancen Eins zu Zwanzigtausend standen, da gab es bei einem Drittel wohl keine Probleme.

„Senior!“, mahnte der Polizist, der mittlerweile zu ihm aufgeschlossen hatte.

Er stand nervös vor der Rampe des Leichenwagens und wollte Jack zurück halten, aber er sah ein, dass es nicht möglich sein würde.

Langsam begann der General in dem schwachen Licht den Reißverschluss des ersten Leichensacks zu öffnen. Es machte ihn wütend, dass er so weit gehen musste, aber wenn es nötig war, um die lokalen Behörden davon zu überzeugen, dass Daniel nicht tot war, dann musste es wohl sein.

Was er sah war ihm nicht unbekannt, aber es war auch etwas, an dass er sich nie gewöhnen würde.

Er hatte also recht behalten, es war eine Hinrichtung gewesen.

Verdammt, diese Terroristen waren schlimmer, als er gedacht hatte.

Wie konnten Menschen so etwas einander antun? Er hatte gehofft es irgendwann einmal zu verstehen, doch selbst nach all den Reisen zu fernen Planeten, all den verschiedenen Kulturen, blieb es ihm immer noch ein Rätsel warum die Menschen einander bekämpften, obwohl dort draußen doch ein viel größerer, gefährlicherer Feind auf sie wartete.

Die Methode war ein glatter Schuss ins Herz gewesen.

Schnell und effektiv.

Jack schluckte wieder. Der arme Mann.

Aber zumindest war es nicht Daniel.

Er konnte es ja auch nicht sein, denn Daniel war entführt worden und er vergeudete hier seine Zeit, um diese Männer davon zu überzeugen, ihre Arbeit richtig zu machen.

Demonstrativ schüttelte er den Kopf und wandte sich dem zweiten Leichensack zu.

Jeweils zwei Säcke waren zu jeder Seite des Leichenwagens aufgebahrt worden und bereit zum Abtransport in die nächstgelegene Stadt.

Jack kniete sich hin um nach der zweiten Leiche zu sehen, während der Polizist ebenfalls das Fahrzeug betrat und sich neben ihn stellte.

Er ignorierte ihn und suchte nach dem Reißverschluss.

Als er ihn endlich gefunden hatte, öffnete er auch den zweiten Leichensack.

Jack hörte den Polizisten hinter ihm zischend einatmen, machte sich aber nichts daraus. Der Mann war nur ein Polizist, wahrscheinlich war er niemals im Krieg gewesen, so wie er. Zwar gewöhnte man sich auch dort nicht an solche Anblicke, aber man lernte, seine Emotionen zu verbergen.

Er sah nach dem Toten und...verlor das Gleichgewicht und stürzte zur Seite.

// Was zur Hölle?//

Hatte ihm gerade jemand mit einem Baseball Schläger an die Stirn geschlagen?

Jack hustete und kam wankend wieder auf die Knie um nach dem Toten zu sehen.

// Nein...aber das ist doch...wer spielt mir hier einen Streich?//

Sein Atem kam stoßweise, fast schon krampfhaft, denn es war das einzige, dass ihn in dieser Sekunde wissen liess, dass er noch lebte, dass das hier real war, auch wenn die Realität relativ war.

Seine Finger glitten zitternd an den Rand der Trage und versuchten den Schlitz in dem Leichensack zu vergrössern. Immer wieder schienen sie an dem schwarzen kalten Plastik abzurutschen und schließlich ergriff der Polizist die Initiative und öffnete den Reißverschluss weiter.

Unbewusst wippte Jacks Kopf hin und her, so als ob es ihm dadurch besser ging.

Aber im Moment musste er zunächst verstehen, was hier vor sich ging.

War er in einer falschen Realität? Wie hatte der Wechsel so schnell stattgefunden?

„Ich werde Sie kurz alleine lassen, Senior.“, erklärte der Polizist und stieg aus dem Leichenwagen, liess ihn zurück.

Jack schluckte und rang nach Luft, doch alles schien ihm plötzlich zu stickig. Der Sauerstoff war verschwunden und durch warme Feuchtigkeit ersetzt worden, die ihn zu ersticken drohte und sich wie Klebstoff auf seine Lungen legte.

Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn und rannen an seinen Schläfen entlang bis unter sein Kinn.

// Was geht hier nur vor sich?//

Unfähig sich zu bewegen beschränkte Jack sich darauf, nach unten zu blicken, dort, wo sein Freund lag.

Ausgestreckt auf einer Liege, nicht mehr am Leben, tot.

Wie konnte das sein? Wie konnte Daniel Jackson tot sein? Spielte ihm hier jemand einen Streich? Wer würde davon profitieren?

Die Todesursache war die selbe wie bei dem anderen Mann.

Er sah die Spuren von all dem Blut, das aus der Wunde geflossen war. Sein Hemd war braun verklebt und noch immer feucht. Der kupferne Geruch stach ihm in die Nase und machte es Jack noch schwerer, gegen die aufsteigende Übelkeit anzukämpfen.

Aber gestern hatten sie sich doch erst noch gesehen. Wie konnte das sein? Wie konnte er von einem Tag auf den anderen in so etwas verwickelt werden?

Er hatte ihn noch angerufen, ihm gedankt, dass er hierher gekommen war.

Gott.

Jack fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, wischte Unmengen von Schweiß vermischt mit Tränen weg und schüttelte immer wieder den Kopf.

Das konnte nicht wahr sein, nicht jetzt...und nicht so.

Gab es denn irgendwelche Zweifel?

Er blickte in Daniels Gesicht, erkannte Schürfwunden. Wahrscheinlich hatten die Terroristen sie verhören wollen. Seine rechte Schläfe zierte noch die kleine Narbe von den Gedankentransmittern der Goa’uld Schrägstrich Tok’ Ra, die unter der aschfahlen Haut nun dunkel hervor stach.

Wenn ihm jemand einen Streich spielte, gab er sich verdammt viel Mühe.

Daniels Gesichtszüge waren entspannt, was bei einem Toten nichts neues war.

Er hatte es immer gehasst, wenn ihm Menschen erzählen wollten, dass der Tote wenigstens entspannt aussah. Nach dem Tod entspannten sich alle Muskeln, ganz gleich ob der Mensch vorher Höllenqualen erlitten hatte oder im Schlaf starb.

Es war also wirklich Daniel.

Jack verlor den Kampf gegen die Übelkeit. Er musste hier raus.


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Kapitel 6 by Jenny
Teil 6

Der Horror wirkt so täuschend echt und doch nimmt es seinen guten Lauf.
Denn sicher ist ich träum nur schlecht
und wach in ein paar Minuten auf.
Vernommen, vernommen hab ich´s schon,
doch weiss, es muss ein Missverständnis sein.
Irgendeine Störung in der Kommunikation...bitte, bitte komm jetzt endlich heim...



Drei Tage später...

„Wenn Sie mir bitte folgen wollen, wir haben eine große Auswahl an verschiedensten Särgen, entsprechend Ihrem Geschmack und Budget. Bevorzugen Sie eine bestimmte Farbe?“

Jack fuhr sich mit der Hand über die Bartstoppeln und gab sich die grösste Mühe, seine Wut zu unterdrücken.

Was war das hier, ein Shoppingparadies?

Gab es auch Särge im Angebot? Oder konnte er seinen Senior Citizen Discount benutzen? Oder die Coupons aus der Tageszeitung von letzter Woche?

Er war bereit das Bestattungsinstitut zu verlassen, doch er musste das hier durchziehen. Wenn er sich nicht persönlich um alles kümmerte, würde die Aufgabe irgendeinem Schwachkopf vom Militär in die Hände fallen, der Daniel wahrscheinlich nicht einmal persönlich kannte.

Jack war all das so leid.

Was zur Hölle tat er überhaupt hier? Was für ein ungerechtes Leben war das? Daniel sollte vor ihm sterben? Und nicht einmal als der Held, der er war, sondern als Opfer eines Terroristenangriffs.

Die Welt stand Kopf. Das war alles nicht richtig, nicht fair.

Warum lebte er noch?

Warum hatte Daniel sterben müssen?

„Sir?“, räusperte sich der Bestatter, der erwartungsvoll vor einer Reihe verschiedenfarbig lackierter Särge stehen geblieben war.

Jack überflog die traurige Sammlung und fand alles von normal bis kitschig. Das Ende der Reihe zierte ein Kindersarg mit aufgemalten Autos. Hatten die Menschen überhaupt keinen Sinn mehr für Pietät? Aber wenn sie niemand wählen würde, würde das Bestattungsinstitut sie ja nicht ausstellen.

Er fixierte sich schnell auf ein rotbraunes Modell der Marke „Wisconsin“ für knappe viertausend Dollar. Der Sarg war schlicht doch geschmackvoll.

Genau das, wonach er suchte.

Der Bestatter begann seine gut einstudierte Rede über die Vorteile des Holzsarges gegenüber den neueren Modellen mit all dem Schnickschnack.

Jack hörte ihm nicht zu, sondern starrte auf das Innere des Sarges, wo ein weißes Kissen seinen neuen Bewohner zum Einzug einlud. Die Seitenwände waren ebenfalls mit weißem Satin verarbeitet und kleinere Muster waren in das Material gestickt worden. Daniel würde es bestimmt mögen...

Er kam wieder zu sich als der Bestatter seine Rede über das Bestattungs- Komplett- Sorglos Paket beendet hatte für nur 12,000$, also ein richtiges Schnäppchen und so viel weniger Ärger als wenn man sich selbst um alles kümmerte.

„Wann wird der Leichnam hierher gebracht?“, war Jacks einziger Kommentar auf sein Shoppingerlebnis hin.

Drei Tage waren vergangen und Daniels Körper...Leichnam wurde immer noch in diesem verdammten Südamerika gelagert, in irgendeinem verdammten Kühlhaus in irgendeinem verdammten Krankenhaus in irgendeiner verdammten Stadt!

Es machte Jack krank.

Schon schlimm genug das all das geschehen war, aber jetzt konnte er nicht mal seinen Freund beschützen. Er war hilflos der Dummheit anderer Menschen ausgesetzt, in einem Land, dass zu seinem Verhängnis wurde.

Der Mann räusperte sich und zuckte dann mit den Schultern.

„Ich telefoniere täglich mit den Behörden vor Ort aber die Papiere sind wohl noch nicht genehmigt worden.“

„Was für Papiere?“, wollte Jack dann wissen.

„Die Ausfuhrgenehmigung.“

„Soll das heißen Daniel wird wie reguläre Fracht behandelt, die durch den Zoll gehen muss?“

Ihm wurde bei dem Gedanken schlecht. Das hier war tatsächlich ein Albtraum. Diese ganze verdammt Welt war ein Albtraum.

„Auch wenn es absurd klingt, aber so ist es leider. Ich habe gestern mit einem Bestattungsinstitut vor Ort telefoniert und eine Einbalsamierung des Leichnams angeordnet.“

„Hohoho.“, unterbrach ihn Jack mit ausgestrecktem Arm, „Sollte ich nicht ein Mitspracherecht haben, was mit ihm passiert? Ich bin der Repräsentant von Daniels Nachlass.“

Der Bestatter war nicht besonders beeindruckt sondern faltete die Hände ineinander.

„Mr. O’Neill...“

„General.“, fiel ihm Jack ins Wort.

General O’Neill...die Wahl, wann welche Schritte eingeleitet werden, um den Leichnam bestmöglich zu erhalten wurde Ihnen von Mutter Natur beraubt. Sie können einen Leichnam nur so lange in eine Kühltruhe stecken und erwarten, dass er in dem selben Zustand wieder herauskommt wie der, in dem Sie ihn zum letzten Mal gesehen haben. Ich verstehe Ihren Ärger in dieser Situation, aber wir müssen diese notwendigen Schritte einleiten- gerade um dem Toten die letzte Ehre zu erweisen.“

Jack war still geworden und musterte die Gesichtszüge des Mannes. Aber er konnte sie nicht lesen, wusste nicht, ob er Mitgefühl oder Anmaßung zeigte, ob er sich über ihn lustig machte, oder tatsächlich verstand, wie es ihm ging.

Er bezweifelte es. Niemand konnte überhaupt erahnen, wie es ihm im Moment ging.

Jack selbst lebte in einem wirren Traum. Er nahm an, dass es eine Art Sicherungsmechanismus seines Gehirns war, eine Art Autopilot. Er sprach, atmete, reagierte- aber er lebte nicht. Fühlte nichts außer Wut. Wie eine Maschine organisierte er alles, setzte Unterschriften auf staatliche Dokumente, regelte die Trauerfeier...aber wo war er geblieben?

Was war mit ihm geschehen?

Er war längst woanders, an einem Ort, wo seine Seele Ruhe und Geborgenheit finden konnte. Aber wo war das? Bei Daniel? Würde er in Frieden ruhen nach all dem, was geschehen war?

Jack glaubte daran, dass manche Seelen weiterlebten, aber er konnte sich nicht daran gewöhnen seinen besten Freund jetzt auf einer anderen Ebene der Existenz zu suchen.

Eigentlich müsste er daran gewöhnt sein. Wie oft schon hatten sie gedacht, Daniel sei tot, wie oft hatte er ihm selbst beim Sterben zugesehen? Wie oft schon hatte er genau dieselben Gedanken in seinem Geist wiedergespielt, wie er es nun tat.

Doch diesmal gab es einen bedeutenden Unterschied.

Diesmal war es endgültig.

Keine Antiker, keine ausserirdischen auf-die-letzte-Minute-wirkenden Supertechnologien, nichts als der niederschmetternde Lauf der Dinge, die Grundlagen des Universums, Leben und Tod.

Daniel war tot, er selbst war am Leben.

Und das Universum erkannte nicht, dass das falsch war.

„Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, einen Kaffee vielleicht?“, bot der Bestatter nun mit einer freundlicheren Stimme an und begleitete Jack zurück in sein Büro.

„Ja, eine Tasse bitte.“

Seit dem Vorfall hatte er kaum etwas gegessen. Nur das Notwendigste, um seinen Kreislauf aufrecht zu erhalten. Eine Tasse Kaffee würde ihm gut tun, denn nach der Besprechung im Bestattungsinstitut stand der Besuch beim Rechtsanwalt an. Noch ein Termin. Mehrere Dinge, die Daniels persönlichen Besitzt anbetrafen mussten noch geregelt werden.

All das war so absurd.

Was machte den Tod heutzutage aus?

Wo war die Ehre im Sterben geblieben?

Sterben bestand aus drei Dingen. Sterben. Den Körper durch die Einbalsamierung erhalten, damit jeder ihn bei der Trauerfeier anstarren konnte und es ihnen so vorkam, als sei er noch am Leben. Und Anwälte.

Anwälte waren die wahren Gewinner in der Geschichte des Todes.

Sie regelten alles, kassierten groß ab und ließen sich dafür feiern.

Jack seufzte innerlich.

Alles zu seiner Zeit.

Er würde allen das an den Kopf werfen, was er von ihnen hielt- sobald er sie nicht mehr brauchte.

Aber im Moment war er auf ihre Hilfe angewiesen und machte gute Mine zum boesen Spiel.

Der Bestatter brachte ihm etwas Kaffee und wuehlte in den Unterlagen seines dicken Ordners mit Daniels Namen auf dem Cover.

„Das muss für Sie sehr schwer sein, Sir. Haben Sie Freunde, die Ihnen durch diese schwere Zeit helfen können?“

Bestatter- Smalltalk. Genau das hatte ihm gerade noch gefehlt.

„Ja.“, antwortete er, um diese Diskussion bereits im Keim zu ersticken. Was ging es diesen Mann an, wie er mit seiner Trauer klar kam? Er wurde dafür bezahlt, Daniel wieder zurück in die USA zu bringen, die Beerdigung zu organisieren und einen schönen Friedhof zu finden.

Er war kein Seelenklemptner.

Der Mann räusperte sich und reichte ihm dann einen Brief.

„Die Archäologische Gemeinschaft will einen Teil der Beerdigungskosten übernehmen und hat 55 Gäste für die Trauerfeier angemeldet.“

Jack kicherte unfreiwillig.

„Ich bin gerührt.“

Der Bestatter ignorierte seinen Einwurf und reichte ihm eine Broschüre.

„Darin werden Sie die Gebühren für Grabstellen und die Öffnung von Gräbern finden. Das wird allein von der Stadt Colorado Springs verwaltet. Wenn Sie Zeit haben sollten Sie in den nächsten Tagen dort vorbei schauen, ich weiß nicht, wie viele Gräber noch frei sind.“

Jack seufzte nur.


weiter: Kapitel 7
Kapitel 7 by Jenny
Teil 7

Wenn der Herr es will dann endet hier,
Was dann wohl enden soll.
Doch vielleicht prüft er auch nur,
Ob wir es aus tiefstem Herzen woll’n.
Wie schlecht das Blatt auch ist wir wenden es.
Und sind die Chancen auch nicht groß.,
Das Schöne an Bedrängnis ist.
Wir sind die falschen Freunde los.



Er kam an dem Abend erst spät heim.

Noch immer war er fasziniert, wie viele Instanzen eingeschaltet werden mussten, nur um eine Beerdigung zu regeln. Einmal mehr wünschte er sich die alten Zeiten zurück, in denen man die Cowboys in der Prärie begraben konnte, ohne irgendwelche Erbschaftsstreitereien, Leichenausfuhrgenehmigungen und...und Anrufbeantworter.

Ohne hinzusehen wusste er, dass mehrere Anrufe darauf warteten, abgehört zu werden.

Er machte sich auf den Weg ins Badezimmer, um seine verschwitze Kleidung abzulegen und überprüfte währenddessen die Nachrichten.

Zuerst meldete Sam sich wieder. Sie war besorgt, nachdem er sie gestern nicht zurück gerufen hatte. Mit tränenerstickter Stimme wollte sie wissen, ob zumindest mit ihm alles ok sei und wo sie übernachten konnte, da sie nach der Trauerfeier noch einen Tag da bleiben wollte.

Dann meldete sich der Bestatter noch einmal, meinte, dass die Ausfuhrgenehmigung endlich durch sei und die Leiche am Sonntagabend in Colorado Springs ankommen würde. Dadurch könne dann auch die Besuchszeit und die Beerdigung planungsgemäss am Dienstag und Mittwoch stattfinden.

Die südamerikanischen Behörden hatten auch angerufen um noch einmal sicher zu gehen, dass alles, das Daniel an dem Tag bei sich hatte an seine Adresse geschickt wurde.

Dann war Mitchells Anruf aufgezeichnet worden. Auch er wollte wissen, wie er sich nützlich machen konnte und wann die Trauerfeier stattfand.

Schließlich unterbrach Jack die Wiedergabe des Anrufbeantworters und ließ die ausstehenden neun Nachrichten für heute Abend ruhen.

Vielleicht, so hoffte er, würden sie sich von selbst beantworten.

Er war jedenfalls erschöpft. Nichts ging mehr.

Den ganzen Tag über war er von einem Amt zum nächsten gerannt und nun wollte er einfach nur noch seine Ruhe haben.

Müde holte er sich ein Bier aus dem Kühlschrank und ließ sich auf seine Couch fallen.

Das Knarren der alten Federn war für eine Weile das einzige Geräusch in dem leeren Haus und Jack beschränkte sich darauf, seiner Atmung zuzuhören.

Er starrte auf den fast leeren Mahagoni Tisch.

Nur ein Anglermagazin zierte das dunkel glänzende Möbelstück, das dem Raum ein geschmackvolles Ambiente gab.

Gegenüber stand die Couch aus seinem alten Haus, aus dem er vor einigen Jahren ausgezogen war. Irgendwie war es ihm fremd geworden, und so hatte er sich ein neues gesucht.

Die meisten alten Möbel hatte er weggeworfen, wollte einen Neuanfang wagen. Aber er hatte sich nie von der Couch trennen können. Zu viele Erinnerungen lagen darin verborgen.

Gute Erinnerungen.

Jack nahm einen Schluck von seinem Bier und lehnte sich zurück.

Teal’c und Daniel hatten oft auf der Couch gesessen, mit ihm diskutiert, mit ihm getrunken.

Jack musste kichern als ihm einfiel, wie er Daniel das letzte mal so betrunken gemacht hatte, dass Teal’c ihn in sein Apartment tragen musste. Für Stunden hatte der Archäologe sich über die Tatsache tot gelacht, dass er unzählige Fremdsprachen erlernt hatte, aber kein Wort mit seinen Fischen wechseln konnte.

Es war ein guter Abend gewesen.

Jack wischte sich eine Träne von der Wange und trank einen weiteren Schluck Bier.

/Was für ein Archäologe trägt eine Waffe mit sich herum?/

/Ich tue es./


Wie hatte das nur alles passieren können? Von einen Tag auf den anderen? Ohne Vorahnung?

/Daniel Jackson...schuf diese Einrichtung. Als ein Mitglied von SG-1 war er unsere Stimme, unser Gewissen. Er war ein sehr couragierte Mann...ein guter Mann...für die, die das Glück hatten, ihn zu kennen war er auch ein Freund.../

Unruhig stand er von der Couch auf und lief auf seinen Glasschrank zu, in dem er all seine Bilder aufbewahrte.

An höchster Stelle standen natürlich die Bilder von Charlie und Sara. Daran würde sich nie etwas ändern.

Seine Augen wanderten entlang all der Fotorahmen und endeten schließlich auf seiner Sammlung von SG-1 Bildern.

Gott, was waren sie doch für ein einmaliges Team gewesen.

Jung, ehrgeizig, ein Zusammenhalt wie er in keiner Familie stärker sein konnte.

Und wie sie alle Probleme mit dem richtigen Einsatz von Intelligenz und Durchsetzungsvermögen gelöst hatten, wie sie sprichwörtlich über Lösungen gestolpert waren, wie sie...füreinander da gewesen waren.

/Ich gehe und sieh dir das Unheil an, in das du dich gebracht hast./

Er nahm ein Bild von Daniel aus dem Schrank und hielt es ins Licht.

Eigentlich war es ein Auszug von einem Ausgrabungsfilm, den Daniel mit seiner Kamera aufgenommen hatte. Als Jack ihn und das Team begleitete erwischte er Daniel dabei, wie er mit dem Kopf an eine Wand von Steinreliefs gelehnt über einer Aufzeichnung kauerte und ein Nickerchen hielt. Wahrscheinlich hatte er an dem Tag wenig geschlafen und nach Stunden der pausenlosen Arbeit hatte ihn die Müdigkeit eingeholt.

Als verantwortungsbewusster Anführer hatte Jack dann das einzig richtige getan und Daniel beim Schlafen gefilmt.

Wieder wischte er sich eine Träne weg und stellte das Bild zurück in seinen Schrank, damit es nicht einstaubte.

Er hatte bereits so viele Bilder von Daniel für die Trauerfeier gesammelt, aber die meisten davon waren Aufnahmen für seine Publikationen oder das Militär. Es waren keine Daniel- Bilder. Kein einziges der Fotos für die Beerdigung zeigte ihn so, wie er war.

Heldenhaft. Passioniert. Ehrgeizig. Nobel. Eine innere Stärke, wie er sie nur von wenigen Männern kannte.

Wenn es darauf ankam, kämpfte er wie ein Löwe für sein Team. Und wenn er es verhindern konnte, stiftete er Frieden, wo andere bereits die Waffen zogen.

Wie sollte man so einen Menschen mit Bildern beschreiben?

Wie sollte man ihn mit Worten beschreiben?

/Und zwischen uns...denkst du, wir können das ausarbeiten?/

/Lass uns mal zusammen Kaffee trinken, wenn ich wieder in den USA bin./

/Hört sich gut an./

/ Ich melde mich morgen bei dir./


Morgen...

Er hatte sich bei ihm gemeldet. Noch am selben Abend. Ihm gedankt.

/Ich...ich schätze ich wollte mich nur dafür bedanken, dass du den ganzen Weg hierher geflogen bist, um mich zu sehen. Es bedeutet mir eine ganze Menge...Ich muss mich jetzt wieder an die Arbeit machen, wir sehen uns in ein paar Wochen. Bye.../

Es war kein Abschied gewesen. Und dennoch hatte es auch kein Wiedersehen gegeben...

Das Klingeln seines Telefons riss Jack aus den Gedanken und erschrak ihn dermaßen, dass er zur Seite sprang.

Schnell setzte er sein Bier ab und atmete tief durch, um sich wieder unter Kontrolle zu bringen.

Schließlich nahm er den Hörer nach dem dritten Klingeln ab.

„Ja?“

„Ich bin’s Jack.“

Sams Stimme war brüchig und er dachte über eine gute Ausrede nach, jetzt nicht mit ihr telefonieren zu müssen. Es war nicht die richtige Zeit und er war definitiv nicht in der richtigen Stimmung.

„Ich...“, begann sie und schluchzte wieder.

Jack war einfach nur still. War nicht in der Lage zu reden. Erkannte denn niemand, dass er einfach nur allein sein wollte?

„Ich mache mir Sorgen um dich.“, vervollständigte sie endlich ihren Satz.

Jack schwieg weiter. Er wollte nicht darüber reden.

„Können wir hier denn irgendetwas tun? Du musst es nur sagen. Wir können vorbei kommen und dir helfen.“

Wobei brauchte er jetzt noch Hilfe? Alle relevanten Dinge waren bereits entschieden.

Jack blickte auf die Uhr. Es war kurz nach zehn und er war einfach nur müde. Die letzte Nacht hatte er komplett wach gelegen, die Nacht davor nur vier Stunden geschlafen.

Er war erschöpft. Und er war emotional.

„Ich bin ok. Sehe dich dann am Dienstag für die Besuchszeit.“

Damit legte er auf, ehe sie überhaupt antworten konnte.

Er brauchte seine Distanz. Wer ihn jetzt in eine Ecke drängte würde es deutlich zu spüren bekommen.

Als er seine Flasche Bier leer getrunken hatte, legte Jack den Telefonhörer neben das Telefon und machte sich auf den Weg in sein Schlafzimmer. Es würde eine weitere unruhige Nacht werden...

+++

„Daniel würde sich sicherlich geehrt fühlen.“

Es war das zehnte Mal, dass er diesen Satz hörte.

Jack schwor sich, dem nächsten Kandidaten dafür ernsthaft zu verletzen. Wer waren all diese fremden Leute überhaupt? Was hatten sie mit Daniel zu tun? Kamen sie nur zum Gaffen, nachdem die Medien für eine halbe Woche über dieses Drama berichtet hatten?

Er spulte sein Nicken- und- Dackelblick- Programm herunter und arbeitete sich zu der nächsten Traube von Menschen vor, die sich neben dem Sarg versammelten.

Gott sei Dank war er zu Sinnen gekommen und hatte sich gegen einen offenen Sarg entschieden. Egal wie gut das Bestattungsinstitut war, Daniel hätte nicht so ausgesehen, wie er in Realität aussah. Es wäre wie eine Maske gewesen und seine wahren Freunde hätte der Anblick eher gestört als das er ihnen die Möglichkeit gegeben hätte, von ihm Abschied zu nehmen.

Der geschlossene rotbraune Sarg war würdevoller als irgendeine andere Alternative. Auf diese Weise behielten die Leute Daniel so in Gedanken, wie er wirklich gewesen war, sei es sie kannten ihn als Kind oder als reifen Wissenschaftler.

Jack seufzte vor Erleichterung, als sich die Traube aus Menschen als SGC Personal herausstellte. Wenigstens handelte es sich um bekannte Gesichter. Auch wenn es die Situation nicht besonders leichter machte.

„Jack.“, es war Davis, der als erster aus der Reihe trat und ihm eine Hand auf die Schulter legte.

„Es tut mir so leid. Auch wegen dir. Das du das alles mitmachen musstest. Du hast meine Nummer, wenn du irgendetwas brauchst.“

Er nickte stumm und hörte sich dieselbe Rede noch einmal von Harriman, Siler, Mitchell, Landry und Macintosh von SG-9 an, ehe er sich schließlich Teal’c zuwandte, der wie ein Wachhund neben dem Sarg stand.

Seit Stunden hatte er sich nicht davon wegbewegt und Jack bezweifelte, dass sich bis nach der Besuchszeit irgendetwas daran ändern würde.

Ein stilles Nicken war alles, was zwischen den beiden Männern ausgetauscht werden musste, und doch wussten sie beide, was der andere dachte.

Jack war ihm einfach nur dankbar dafür, dass er Daniel diese Ehre erwies. Er wusste, es würde ihm viel bedeuten. Gerade nach all den Spannungen der letzten Jahre war es gut, SG-1 noch einmal so vereint zu erleben- selbst wenn ein Mitglied fehlte.

Als er sich sicher war, dass ihn niemand außer Teal’c beobachtete, legte Jack kurz eine Hand auf den Sarg, so als ob es ihm Kraft gab, den nächsten Tag zu überleben. Das Material fühlte sich kalt unter seinen Fingern an und doch gab es ihm das Gefühl, dass er nur dadurch seine Beziehung zu Daniel aufrecht erhalten konnte. Es war wie ein Draht zu einer anderen Welt.

Er schloss die Augen für eine kurz Zeit, holte tief Luft und machte sich dann wieder auf den Weg in die Menge.

Noch immer erstaunt, wie das Bestattungsinstitut so viele Menschen beherbergen konnten, steuerte er zielsicher auf die Vertreter der Archäologischen Gesellschaft zu. Gott sei Dank hatte er seine Uniform an, sonst hätte er fast seine guten Manieren vergessen...

+++

/Ich bin bereit, das Risiko einzugehen, Jack./

/Aber ich bin es nicht! Lass uns von hier verschwinden!/

/Jack!/


Jack schreckte aus seinem Tagtraum auf, als die Erinnerung an diese bestimmte Diskussion zurück kam.

/Ich bin so gut wie tot, sieh zu, dass du von hier verschwindest./

/Ich lasse dich hier nicht zurück Daniel!/

/Verschwinde endlich!...ich halte euch den Rücken frei.../


Ein leichtes Zittern ging durch seinen Körper

Jack war das alles so leid.

Warum nur? Warum in aller Welt hatte Daniel sterben müssen?

Es gab so viele Menschen hier draussen, die den Tod weitaus eher verdienten als Daniel und dennoch...

Wie viele Menschenleben hatte er in seiner Laufbahn im SGC wohl geretten? Zwei Millionen? Vielleicht drei? Vielleicht war es leichter einfach nur die Kulturen zu zählen. Oder aber die Planeten?

Daniel Jackson, ein Mann von globaler Sicherheit, ein Mensch, dem unendlich viele Männer, Frauen und Kinder ihr Leben zu verdanken hatte, war von einem schiesswütigen Dschungelpiraten kaltblütig getötet worden.

Nach all den Missionen, den verrückten Abenteuer, den Situationen, in denen er einmal mehr bewies, wieviel Kampfgeist und Herz in ihm steckte...nach all dem war es ein Zwischenfall auf der Erde, der ihn endgültig auslöschte.

Nein, Daniel Jackson war es nicht vergönnt, noch einmal als Held zu sterben.

Er starb gefesselt, kniend, vielleicht um eine friedliche Lösung debattierend.

Vielleicht hatte er sogar versucht einen Deal mit den Terroristen abzuschliessen. Tötet mich, aber lasst sie gehen...Das sah ihm ähnlich. Aber egal wie er es drehte und wendete, er war gestorben.

Wie konnte man diesen galaktischen Verlust überhaupt in Worte fassen? Und wie sollte man den menschlichen Verlust beschreiben? All die vielsagenden Blicke, der stille Trost, die Einsamkeit, wenn sie länger nicht voneinander gehört hatten...

Wie sollte irgendjemand jemals verstehen, was ihm Daniels Tod angetan hatte? Wie sehr es ihn zerrissen hatten, wie es sein Herz sprichwörtlich aus seiner Brust riss, wie es ihn nachts um den Schlaf trieb, es ihn auf immer verbitterte.

Er hasste die Menschen. Hasste sie für das, was sie Daniel angetan hatten, einem Mann, der sich wahrscheinlich liebend gerne für sie geopfert hätte, hätte er die Chance gehabt. So dankten sie ihm also?

Mochten ihre Feinde sie überrollen und auf ewig auslöschen, denn eine Kultur, die Daniel Jackson nicht schätzte, war es nicht wert erhalten zu werden.

So wie er.

Was machte all das jetzt noch für einen Sinn?

Wo würden ihre gemeinsamen Witze bleiben? Wer würde ihm das Gefühl geben, dass er nach all den Jahren noch immer gebraucht wurde? Nicht als General, sondern als Mensch?

Was war er doch für ein Narr gewesen, als er die letzten zwei Jahre einfach weggeworfen hatte. Wie viel hätten sie gemeinsam unternehmen können, wenn er gewusst hätte, dass...dass es seine letzten zwei Jahre waren...

Wie oft hätte er ihm sagen können, dass er so gerne auf seine Emails geantwortet hätte, doch er war zu beschäftigt, um sich um seinen besten Freund zu kümmern, zu eifersüchtig darauf, dass er noch immer ein Teil von SG-1 war, während Jack in Washington allenfalls Berge von Akten bekämpfte.

Daniel war da draussen, rettete die Galaxie, erlebte Abenteuer, während er nur da sass und sein Leben verschwendete.

Wie kindisch war er nur gewesen? Wie sollte er sich das jemals vergeben?

Wenn er ihm einfach nur zurück geschrieben hätte, ihm weiterhin die Unterstützung gegeben hätte, die Daniel so bitter nötig hatte wäre er vielleicht niemals gegangen. Vielleicht würde er noch immer die Galaxie retten und alles wäre beim alten.

Doch er hatte ihn weit von sich gedrängt, wollte seinen Freiraum und am besten nichts, was ihn daran erinnerte, womit er die Jahre davor sein Brot verdient hatte. Es war seine Bestimmung und Jack war zu stur gewesen, es einzusehen.

Vergiss die Logik!

Wer brauchte schon Logik, wenn er in seinem Herzen doch die Wahrheit kannte, wusste, wo er hingehörte- und viel wichtiger, wohin nicht.

Und auch Daniel hatte es gewusst.

Seine Bestimmung war es, mit seinem Team zu sein, ihnen zu helfen, ihnen Schutz zu bieten und ihnen den richtigen Weg zu zeigen. Es war schliesslich sein Team.

SG-1, das war Jack O’Neill, Daniel Jackson, Sam Carter und Teal’c.

Es war nicht nur das allererste SG- Team, nein, es war auch eine Legende, ein Vorbild, eine Tradition...ein Vermächtnis.

Er gehörte nicht nach Washington, egal wie sehr die anderen an seinen Ideenreichtum glaubten. Jack gehörte in das SGC, wo er Seite an Seite mit seinem Team zusammen arbeiten konnte, selbst wenn er mittlerweile zu alt fürs Schlachtfeld geworden war.

Das bedeutete nicht, er konnte ihnen nicht auch auf anderen Wegen nahe sein.

Es war seine Bestimmung gewesen von dem Moment an, an dem er zum ersten Mal durch das Sternentor geschritten war.

Und Daniel hatte das von Anfang an gewusst.

Aber statt auf ihn zu hören, hatte er sich von ihm distanziert, hatte es seiner Eifersucht erlaubt, ihn aufzufressen, bis es schliesslich zu spät war und Daniel sich von ihm abwandte, als er versuchte, die Fehler der Vergangenheit wieder gut zu machen.

Jack seufzte und senkte die Waffe wieder.

Das mindeste, was er jetzt für ihn tun konnte war, seinen Ruf zu verteidigen, ihm die letzte Ehre zu erweisen und sich um alles zu kümmern, bis die Dinge wieder halbwegs unter Kontrolle waren.

Die Trauerfeier morgen...nein, er blickte auf die Uhr, heute...musste glatt ablaufen. Viele hochrangige Gäste waren eingeladen, Daniels Nachlass musste verwaltet werden, alle Verträge gekündigt und dann...dann konnte er sich um seine Schuldgefühle kümmern und wie er am besten aus diesem Dilemma entwich.

Er war zu müde, um zu kämpfen, zu müde um irgendetwas Gutes in dieser Tragödie zu suchen, zu müde, um noch mal von vorne anfangen zu können.

Es war vorbei. Für sie beide.

Aber das war etwas, um das er sich später kümmern musste.

Er hatte schliesslich einen langen Tag vor sich...


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Kapitel 8 by Jenny
Teil 8

Keine Tränen,
Keine Gewalt,
Nichts ist richtig,
Nichts ist falsch.
Es ist leider nichts,
Leider nichts umsonst.
Jede Illusion hat ihren Preis.
Jeder Rausch ist nur auf Zeit...



„...aber wer hätte auch gedacht, dass wir uns so früh wieder hier versammeln müssen, um uns von einem solchen Ausnahmetalent unserer Wissenschaft verabschieden zu müssen. Wir werden Sie sehr vermissen, Doktor Jackson.“, beendete eine weitere zwielichtige Gestalt der Archäologischen Gesellschaft seine Lobrede und Jack blickte kurz in die Zunft aus Wissenschaftlern, die sich zu seiner Rechten in der Kirche versammelt hatten. Unter ihnen waren auch Steven Rayner und Sarah Gardner.

Er nickte ihnen kurz zu und wartete dann darauf, dass General Hammond, der extra aus Washington angeflogen war, Jacks Rede ankündigte.

Er hatte lange mit sich gehadert, hatte bezweifelt, dass er noch einmal die Kraft aufbringen würde, eine solche Rede zu geben- diesmal endgültig.

Diesmal wussten sie, dass Daniel nicht zurück kommen würde, es gab keine unklaren Faktoren mehr, der Leichnam lag aufgebahrt in einem Sarg genau neben ihm, es gab keine Antiker, die ihn noch ein weiteres Mal aufsteigen lassen würden, keine übermächtige ausserirdische Kraft, die sich einmischte...keine Wunder in der letzten Sekunde.

Alle Hoffnungsschimmer waren ausgelöscht.

Genau das war es auch, was die meisten störte. Die Endgültigkeit.

Egal wie viele Freunde er gefragt hatte, keiner hatte die Kraft aufbringen können, angesichts der schrecklichen Ereignisse eine Rede zu halten. Selbst Leute, die seit Jahrzehnten im Militär waren hatten offen zugegeben, dass sie die Situation selbst noch nicht verkraftet hatten und nicht wussten, ob sie eine Rede vor Publikum standhalten würden.

Jack räusperte sich bei der Nennung seines Namens und stand von der Bank auf. All seine Medallien und Abzeichen, die er sorgfältig an seiner Uniform angebracht hatte, glänzten im einfallenden Sonnenlicht von einem grossen Fenster in der Decke.

Es war so ein schöner Herbsttag.

Die Sonne schien, die Temperaturen waren mild. Definitiv der falsche Tag für eine Beerdigung.

Es war ein schwerer Gang zum Podium und Jack hatte mehrmals schlucken müssen, um das Übelkeitsgefühl zu bekämpfen, dass sich mit jedem Schritt vergrösserte.

Sein Blick fiel auf den Sarg, der friedlich neben dem Podium stand, umringt von einem Meer aus Blumen. Der rot- weiße Kranz, der auf ihm lag war von Jack. Er hatte ein Vermögen gekostet, aber er konnte sich nichts passenderes vorstellen, als die wunderschöne Mischung aus roten Rosen und weißen Nelken, umringt von einem schwarzen Schleier.

So viele Leute waren gekommen und hatten Blumen gebracht, dass die Kirchenleitung kurzfristig beschlossen hatte, alle Kränze, die nicht mit auf das Podium passten in den Gängen aufzubauen. Jeder Platz in der großen Kirche war besetzt und viele der Besucher, die zu spät gekommen waren mussten sich mit einem Stehplatz begnügen.

Jack beeindruckte das Blumenmeer, als er über die Massen hinweg blickte.

Er erkannte die meisten der Gesichter, die ihn erwartungsvoll anschauten. Viele von ihnen hatten Tränen in den Augen.

Jack schluckte ein letztes Mal, schüttelte Hammonds Hand, bevor er vor das Mikrophon trat.

Alle Augen waren auf ihn gerichtet, doch er blickte nur auf den Sarg.

Hatte es so enden sollen? War das von Anfang an Daniels Bestimmung? War es sein Schicksal, die unmöglichsten Dinge zu überleben...den Tod zu überleben- nur um dann auf der Erde grundlos zu sterben?

Er hatte immer darauf gehofft, dass das Leben sich wie ein Kreis nach einer unbestimmten Zeit schloss, dass jeder dann ging, wenn es seine Zeit war.

Aber er hätte es besser wissen müssen, hatte nicht den Krieg mitgemacht um noch daran zu glauben. Doch irgendwo in seinem Unterbewusstsein hatte er immer auf eben das für sich gehofft- und auch für Daniel.

Ein erfülltes Leben.

Ein Leben, das man mit den Worten „Ich bin jetzt bereit, weiterzugehen.“ beenden konnte.

Ein Kreis, der sich schloss.

Daniels Kreis hingegen war unteerbrochen, so als sei ein Stück davon entfernt worden und er würde sich nie wieder schließen. Seine Reise war zu einem abruptem Ende gekommen, ohne dass es jemand hätte ahnen können.

Und es war schmerzhafter, als er es sich jemals hätte vorstellen können...

Jack räusperte sich.

„Gestern vor zwanzig Jahren habe ich Daniel auf einer Mission kennen gelernt. Ich war der Leiter eines vierköpfigen Teams und wir sahen uns einem gefährlichem Feind gegenüber. Zwei meiner Teammitglieder waren gute Freunde von mir, wir kannten uns schon seit langer Zeit. Aber dieser Jackson...er passte einfach nicht ins Bild. Über die nächsten Tage hinweg verstand ich, warum es mir so ging- er dachte in anderen Bahnen als meine Leute und ich. Wir waren Soldaten, hatten unsere Aufgaben und erfüllten sie. Aber Daniel- er war ein Schatzsucher, ein Träumer, ein Idealist. Für ihn ging es im Leben um mehr, als nur seinen Job zu tun. Er wollte Dinge verändern, in die Geschichte eingreifen, Menschenleben retten.“

Jack verweilte für einige Sekunden und blickte wieder auf den Sarg.

Wie ein Mahnmal stand er neben ihm und erinnerte ihn an das, was geschehen war. Viel mehr sogar, er machte es gegenwärtig. Er war ein stummer Zeuge der Dummheit dieser Gesellschaft.

„Und das tat er auch oft genug. Wenn wir schon aufgegeben hatten, fing er erst richtig an, seine diplomatische Ader zu nutzen. Er hasste nicht, er lernte seinen Feind zu verstehen. Selbst im Angesicht der Möglichkeit, dass seine Freunde durch Feindeshand getötet worden waren, ließ er sich nicht von seiner Wut lenken sondern erreichte eine friedliche Konfliktlösung zwischen den verfeindeten Parteien. Ich glaube nicht, dass ich das fertig bringen würde.“

Er sah in Sams Richtung. Die Astrophysikerin saß zusammen mit Mitchell in der ersten Reihe und nickte ihm weinend zu. Jack nickte kaum merklich zurück und fuhr fort.

„Daniel war ein passionierter Mann mit hohen moralischen Wertvorstellungen und während meine Worte nicht genug sind, um ihn zu beschreiben habe ich heute etwas mitgebracht. Es sind Auszüge von Missionsberichten, die unter strenger Verwahrung durch die Amerikanische Regierung stehen. Deshalb habe ich sie leicht abgeändert. Es sind Dialoge, die Daniel und ich während einiger unserer Missionen geführt haben. Ich denke, sie sprechen für sich selbst...“

Damit holte er das Blatt Papier aus seiner Hosentasche und faltete es auseinander.

/Die Entscheidung steht./

/Diese Mission hatte niemals etwas damit zu tun, ihnen zu helfen, oder? Wir sind gekommen, um uns selbst zu helfen...dir ist es komplett egal, was mit ihnen passiert. Du willst ihr Wissen und nutzt ihre Notlage zu deinen Gunsten aus./

/Ja, Daniel, genau das tue ich. Sie bekommen etwas, das sie wollen, und wir bekommen alles, was wir wollen. Ich habe damit kein Problem...bist du dir überhaupt darüber im klaren, was sie uns anbieten?/

/Aber für welchen Preis?/


Und er hatte damals so recht behalten. Jack könnte sich noch immer dafür ohrfeigen, wie er ihn behandelt hatte.

/Ich nehme nicht an, dass du über das, was geschehen ist reden willst./

/Nicht wirklich./

/Habe ich mir fast gedacht./

/Wir gerieten in einen Hinterhalt. Murray wurde in den Rücken getroffen...ich hätte es kommen sehen sollen./

/Ich dachte immer der Grundgedanke eines Hinterhaltes ist, dass du es nicht kommen sehen sollst...mein Punkt ist dass ich sicher bin, dass du dein Bestes gegeben hast./


Jack blickte dabei in Teal’cs Richtung und der Jaffa nickte leicht mit dem Kopf.

Selbst im Angesicht der Tatsache, dass Teal’c hätte tot sein können, verurteilte Daniel ihn damals nicht. Was brachte einen Mann dazu, so vergebend zu sein?

Jack wandte sich seinem letzten Paragraphen zu.

Er hatte diese Diskussion damals mit Daniel kurz nach der Netu- Mission geführt, als sie in dem Tok’Ra Schiff zurück zur Erde flogen.

/Ich will nicht, dass du dir die Schuld daran gibst, wenn Sam, Teal’c oder mir etwas zustößt./

/Wie kommst du darauf, dass ich mir dafür nicht die Schuld geben würde? Ich bin der Leiter dieses Teams, euer Wohlergehen ist meine Verantwortung./

/Verantwortung ist eine Sache- aber wir wollen nicht, dass du dir die Schuld gibst, falls uns während einer Mission etwas zustößt./


Er war damals nur Daniels Blick ausgewichen, denn standhalten konnte er ihm nicht.

/Jack, du bist ein guter Mensch, ein guter Anführer...und ein guter Vater./

/Fang jetzt nicht damit an, Daniel./

/Aber daher weht der Wind doch, oder?...Jack, du warst ein wundervoller Vater für Charly und er hat dich über alles geliebt. In einem Wimpernschlag würde er dir für das vergeben, was geschehen ist. Wir alle wissen das. Es ist nur eine Schande, dass du es dir nicht selbst eingestehst./

/Egal was du sagst, Daniel, ich könnte es nicht verkraften, wenn euch etwas zustößt. Nicht noch einmal.../

/Wenn Sam, Teal’c oder mir etwas zustößt dann nur, weil es nichts gab, was du daran hättest ändern können. Wir vergeben dir...wir erteilen dir bedingungslose Absolution im Voraus, wie wäre das?...Denn der einzige, der dir nicht vergeben kann ist dein innerer Schweinehund. Er gibt dir gerne die Schuld an allem, was deinen Freunden und deiner Familie zustößt, er gönnt dir keine Pause und frisst dich von Innen auf. Vielleicht...vielleicht ist es an der Zeit, dass du auf Charlie hörst. Höre endlich auf, den Vater, den er geliebt hat für etwas zu foltern, dass niemals seine Schuld war./


Die Stille in der Kirche war fast überwältigend und Jack ließ seine letzten Worte noch ein paar Sekunden lang wirken, ehe er weiter sprach.

„Gestern vor zwei Wochen habe ich Daniel zum letzten Mal gesehen. Er war auf einer Ausgrabung in Südamerika. Wenige Stunden, bevor die Terroristen das Camp überfielen hat er mich noch einmal angerufen und sich dafür bedankt, dass-“

Jack atmete tief durch, versuchte, seine Emotionen in den Griff zu kriegen. Aber es war zu schwer.

Kopfschüttelnd unterbrach er seine Rede und blickte zu dem Sarg neben sich.

„Machs gut, Kumpel.“, hauchte er dann, ehe er die Fassung verlor. Still trat er vom Mikrophon zurück und verließ das Podium.

+++

„Gute Rede, General.“, hörte er jemanden hinter sich sprechen, als Jack den Friedhof nach der Beisetzung verließ.

Der Anblick eines Grabes, das geschlossen wurde verursachte ihm immer Unannehmlichkeiten. Denn es war jedes Mal ein Leben, dass damit abgeschlossen wurde, eine Existenz, die zu Ende ging.

Es verursachte ihm Gänsehaut.

Er hatte nicht bis zum Ende bleiben wollen, hatte nicht zusehen wollen, wie der Betondeckel ueber dem Sarg geschlossen wurde und trotzdem...sein Beschützerinstinkt wirkte auch jetzt noch. Er musste fuer Daniel da sein- bis zum Ende. Selbst wenn das bedeutete, dass es sein Herz brach zu sehen, wie der Sarg langsam in dem Loch verschwand.

Jack drehte sich nach der Quelle des Ausspruches um und erkannte einen kleinen stämmigen Mann, der ihm irgendwie bekannt vor kam.

Aber er hatte in den letzten Tagen und Wochen so viele Gesichter gesehen, bekannt oder fremd, dass er sich schwer tat, den Mann einzuordnen.

„Mein Name ist Emmett Bregman. Ich bin der Reporter, der Sie damals über das SGC interviewt hat, als dieser schreckliche Zwischenfall mit Doktor Fraiser passierte.“

”Ah...“, Erkenntnis huschte über Jack’s Gesicht und er war sich für einen Augenblick unsicher, ob er froh oder wütend über das Wiedersehen sein sollte.

Immerhin hatte dieser Mann es in der damals schon prekären Situation geschafft, seine dreckigen Finger tiefer in die Wunde zu stecken, die Janets Tod in den Herzen der Menschen des SGC hinterlassen hatte.

Es war einfach nur eine Kombination aus falschem Timing und fehlender Pietät gewesen, die Jack so wütend auf dem Mann gemacht hatte.

Aber er musste auch zugeben, dass er Daniel damals aus seiner Krise geholt hatte, als Jack nichts weiter tun konnte, als verletzt im Krankenbett zu liegen und vergeblich darauf zu warten, dass sein Freund vorbei schaute. Zu dem Zeitpunkt hatte er noch nicht gewusst, dass Daniel alles mit angesehen hatte, nur dass er ihr geholfen hatte, Wells zu stabilisieren.

Aber als Sam ihm davon erzählte wurde klar, warum er nicht den Mut aufgebracht hatte, vorbei zu schauen. Für Wochen nach dem Ereignis hatte Daniel ihm nicht in die Augen blicken können, sei es aus Angst, Jack würde ihm für das Geschehen die Schuld geben und enttäuscht sein, oder aber dass er sich selbst zu sehr dafür schämte, Janets Tod nicht verhindert zu haben.

Jack hätte ihm von Anfang an sagen können, dass es nichts gab, wofür er sich schuldig fühlen müsste, aber Daniel war nie an sein Krankenbett gekommen.

Erst später erfuhr er von der Diskussion, die Bregman und Daniel geführt hatten und das anschließende Video.

„Ich kann noch immer nicht glauben, dass das alles wahr sein soll.“, gab der Reporter offen zu und faltete die Hände ineinander.

Jack nickte stumm.

Er, von allen Beteiligten sollte am besten wissen, dass dieser Horror wahr war, aber er war derjenige, der es am meisten verleugnete. Vielleicht war sein Geist noch nicht bereit für die Tatsache, dass Daniels Tod endgültig war und es handelte sich um eine Art Selbsterhaltungsmechanismus- vielleicht drehte er auch einfach nur langsam durch.

So oder so, er war gezwungen, den Tatsachen ins Auge zu blicken, musste funktionieren und die richtigen Entscheidungen treffen.

„Das kann keiner von uns.“, erwiderte Jack tonlos und lief langsam weiter, sodass Bregman mit ihm Schritt halten konnte.

„Sind die Schuldigen inzwischen gefunden worden?“, wollte der Reporter dann wissen.

„Macht es einen Unterschied?“, konterte Jack und senkte den Kopf weiter.

Das alles war ein perverser...irrealer...zerschmetternder Albtraum.

„Ich verstehe...“, gab Bregman leise zurück und suchte in seiner Jackentasche nach etwas.

Jack schwor sich ihn auf der Stelle zu erwürgen, wenn es ein Tonbandaufnahmegerät war.

„Doktor Jackson hat mir vor einiger Zeit diese Email hier geschickt. Ich habe sie behalten und dachte, Sie würden Sie vielleicht gerne lesen.“, erklärte er dann und reichte ihm ein gefaltetes Blatt Papier.

Zögerlich nahm Jack es entgegen und hielt an, um die Nachricht zu lesen.

/Emmett, es tut mir leid, dass ich mich erst jetzt melde, aber hier ist so viel in der Zwischenzeit passiert. Jack ist mittlerweile Brigadier General geworden, nachdem General Hammond nach Washington versetzt wurde. SG-1 ist jetzt zu dritt unterwegs. Wir haben eine neue Ärztin aber das seltsame Gefühl, wenn wir die Krankenstation betreten verfolgt jeden. Ich wollte dir noch einmal aufrichtig für deine Berichterstattung danken. Auch wenn wir auf verschiedenen Pfaden unterwegs waren, hatten wir doch stets das gleiche Ziel. Vielleicht wirst du irgendwann einmal hierher zurück gerufen, um ein Gedenkvideo über ein gefallenes SG-1 Mitglied anzulegen. Ich bete zu Gott, dass das noch für lange Zeit unnötig sein wird. Aber keiner von uns weiß, was der nächste Tag bringt. Unsere Missionen sind gefährlich und oftmals unvorhersehbar. Und vielleicht werden deine Berichte in vielen Jahren, wenn keiner von uns mehr hier ist um Auskunft über das Stargateprogramm zu geben, der Leitfaden für die Menschen sein, die an unsere Ideale glauben. Vielleicht werden sie verstehen, was die Leute hier geleistet haben, wie viel sie riskiert haben, um die Menschheit über Jahre hinweg vor den Goa’uld oder den Ori zu schützen. Ich kann mir kein besseres Vermächtnis vorstellen. Daniel./

Jack atmete kurz durch und traf dann Bregmans Blick.

Der Mann hatte die Schultern tief gesenkt und wirkte ebenso erschüttert, wie er selbst.

„Ich wusste nicht, dass Sie beide weiterhin Kontakt hatten.“, gab er dann offen zu und der Reporter nickte langsam.

„Daniel schrieb etwa einmal alle zwei Monate. Ich erzählte ihm, was in meiner Welt geschah, er erzählte mir von seiner. Ich glaube es hat ihm manchmal geholfen abzuschalten. Gerade nach der ganzen Geschichte mit Anubis, dann Ihrer Beförderung nach Washington, der Neuaufbau von SG-1. Ich denke es hat ihm geholfen, mit mir darüber zu sprechen, weil ich ein Außenstehender war. Ich betrachtete die Dinge neutral.“

„Er hat Ihnen all das erzählt?“, fragte Jack leicht erschüttert nach, doch Bregman winkte ab.

„Ich hatte ebenfalls eine gewissen Sicherheitsfreigabe, nachdem ich im SGC war. Ich kann Ihnen versichern, dass niemand jemals etwas von dem erfahren hat, worüber wir gesprochen habe- bis auf Sie selbst.“

Jack wollte ihn dafür anfahren, sich ohne seine Erlaubnis mit Daniel zu unterhalten, möglicherweise wertvolle SGC Informationen zu erhalten- aber nach dieser Geste fing er an, seine Einstellung Bregman gegenüber zu überdenken. Vielleicht war der Mann gar nicht so übel, wie er ihm zu Beginn vorgekommen war.

Vielleicht hatte Daniel seine Gründe gehabt, sich mit ihm zu unterhalten.

Immerhin antwortete sein bester Freund ja nicht mehr auf seine Emails...

Er biss sich verbittert auf die Unterlippe.

Wenn er nur...wenn er nur irgendetwas in der Vergangenheit anders gemacht hätte...hätte er es verändern können? Wäre Daniel jetzt noch immer SG-1 Mitglied und würde durch sein Team beschützt werden?

„Danke.“, sprach er dann schlicht und steckte den Zettel in seine Uniform.

Als er zu seinem Wagen laufen wollte, hielt Bregman ihn noch einmal an der Schulter zurueck.

„Ich weiss, dass die kommenden Wochen sehr schwer fuer Sie sein werden.“, erklärte er dann.

„Sind Sie jetzt auch ein Experte fuer Psychologie geworden?“, schoss Jack zurueck, doch Bregman liess sich davon nicht einschüchtern.

„Sie, Jack, von allen Beteiligten sollten sich Ihres Glücks bewusst sein.“

Bei der Erwähnung des Wortes Glück drehte sich Jack schlagartig wieder dem Mann zu. Wie konnte er von Glück reden?!

„Wie bitte?“, fragte er gereizt nach.

Bregman räusperte sich und spielte an seiner Kravatte.

„Auch wenn Sie es im Moment noch nicht einsehen werden, aber sie haben an dem Tag, an dem Daniel getötet wurde ein Geschenk erhalten.“

„Oh bitte, kommen Sie mir jetzt nicht mit Sie haben es ueberlebt um einen hoeheren Zweck zu erfüllen-Mist!“, fuhr Jack ihn an und wollte sich wieder abwenden, aber aus irgendeinem Grund fuehlte er sich so, als müsse er bleiben und den Mann ausreden lassen.

“Sie haben ihn noch einmal sehen können, das ist es, was ich damit sagen wollte.“

Der Reporter wurde seltsam still, ehe er weiter sprach.

„Wie viele Menschen haben die Möglichkeit, sich noch einmal zu sehen, bevor sich ihre Wege für immer trennen? Wie viele von ihnen können so wie Sie Frieden schliessen?...Sie haben an diesem Tag ein Geschenk erhalten, Jack, und ich bin in keiner Position in der ich behaupten kann, mich mit der Fügung der Dinge auszukennen. Aber vielleicht sollte es so sein, vielleicht hat es das Schicksal so gewollt.“

„Daniel ist tot, verdammt!“

Jack’s Hände zitterten vor Anspannung und er tat sich schwer damit, seine Fassung länger unter Kontrolle zu behalten.

Warum musste er Mann das machen? Warum musste er ihn so aus der Reserve locken? Konnte er nicht sehen, dass momentan nicht der richtige Zeitpunkt fuer solche Diskussionen war?

„Das ist sehr richtig.“, versuchte Bregman ihn zu beruhigen, „Und egal wie sehr ich Ihnen ins Gewissen rede, es wird die Situation nicht ändern. Aber vielleicht wird es irgendwann Ihre Ansichten verändern...Vielleicht werden Sie irgendwann aufwachen und dafür dankbar sein, dass es diesen Tag gegeben hat, dass Sie noch einmal die Chance hatten, ihn zu sehen, mit ihm zu sprechen. Dass, obwohl sich Ihre Wege trennten, Ihre Freundschaft dennoch immer erhalten blieb.“

Jack nickte betäubt und wollte sich abwenden um endlich zurueck zu seinem Wagen zu gehen, sich in seine Welt zu verkriechen und allein zu sein, doch der Reporter war noch nicht fertig.

„Vergessen Sie bitte eines nicht, Jack. Daniel war das Herz Ihrer Einrichtung- und er war das Herz Ihres Teams. Sie koennen ihm kein groesseres Denkmal setzen als da weiterzumachen, wo er aufgehört hat.“


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Kapitel 9 by Jenny
Teil 9

Setzt mich aus auf ein dunkles Meer,
Schwimmst nicht mehr hinterher.
Hast dich weggestohlen,
Hast dich weggestohlen.
Kalte Seele, blonder Blick,
Feiger Abgang, fieser Trick,
Kein Prozess, kein wieso.
Kein Prozess, kein wieso.
Lässt mich ertrinken, ertrinken im Strudel,
Lässt mich zurück...



Jack fuhr an diesem Abend ziellos durch die Strassen.

Zu viel ging in seinem Geist vor sich, als dass er einfach nur auf der Couch sitzen und auf den ausgeschalteten Fernseher starrten konnte.

Er hatte begonnen, alle Telefonanrufe zu ignorieren, um wenigstens etwas Frieden in sein Leben zurück zu bekommen.

Aber Trauer war ein langwieriger und zäher Prozess.

Er hatte gehofft, dass sich nach zwei Monaten etwas an seinem Gemütszustand ändern würde, aber weit gefehlt.

Wenn es in irgendeine Richtung ging, dann ging es bergab.

All die Worte und Taten, die dem 4. Oktober, dem Tag der Beerdigung gefolgt waren hatten geholfen- aber sie hatten Daniel nicht zurück gebracht. Und sie hatten seinen Schmerz nicht gemildert.

Es verging kein Tag, keine Stunde, keine Minute, in der er nicht an ihn dachte.

Er fragte sich, was Daniels letzte Gedanken gewesen waren und ob er lange hatte leiden müssen. Ob er als erster dran gewesen war oder ob er seinen Mitarbeitern beim Sterben hatte zusehen müssen.

Diese und viel grausamere Gedanken jagten ihm durch den Kopf und verfolgten ihn bis in die Nacht hinein.

Er hatte versucht, der Depression zu entrinnen, doch es war wie eine Kletterpartie an einer schroffen Felswand. Wann immer er dachte, er hatte endlich Halt gefunden, zerbröckelte der Stein, an dem er sich festhielt und er stürzte wieder nach unten.

Ein ewiges Auf und Ab, das ihn in den Wahnsinn trieb.

Nach einem Monat hatten sie die Terroristen gefunden, die Daniel getötet hatten- unglücklicherweise waren sie auf der Flucht erschossen worden. Und das, obwohl Jack den Job doch am liebsten selbst erfüllt hätte.

Der Hass auf diese Männer hatte sich wie ein Schleier auf seine Seele gelegt und überschattete all seine Handlungen.

Er hatte ihn verbittert.

Die Tatsache, dass er den Tod seines besten Freundes nicht selbst hatte rächen können machte ihn rasend.

Was hatten sich die Behörden überhaupt dabei gedacht? Es war sein Recht, für seinen Freund einzustehen. Und er wollte diese Männer leiden lassen. Er wollte sie so leiden lassen, wie Daniel hatte leiden müssen, bevor sie ihn kaltblütig erschossen hatten. Er wollte ihnen bewusst machen, wen sie getötet hatten.

Wer brauchte schon die Behörden, wenn einem Selbstjustiz weiter brachte?

Und wann würde diese elende Welt endlich aufhören, sich weiter zu drehen? Wie konnten die Menschen einfach so weiter leben, wussten sie denn nicht, dass Daniel tot war? Was mit ihm gestorben war? Wie konnten sie einfach so zu ihren Schreibtischen zurückkehren, als sei nie etwas geschehen?

Jack verfluchte sie alle.

Er wollte in die Welt hinaus schreien, wollte jeden dazu bringen, ihm zuzuhören, um den Menschen klar zu machen, was für eine Tragödie sich abgespielt hatte und sie für ihren Mangel an Aufmerksamkeit zur Verantwortung ziehen.

[i9Wie konnte das Leben der anderen weiter gehen, wenn seins doch zum Stillstand gekommen war?[/i9

Er fuhr den Highway entlang Richtung Ortsausgang. Er musste aus diesem Käfig heraus, selbst wenn es nur für ein paar Minuten war.

Die Enge brachte ihn um.

/Hi Jack, ich bins Daniel. Ich...ich schätze ich wollte mich nur dafür bedanken, dass du den ganzen Weg hierher geflogen bist, um mich zu sehen. Es bedeutet mir eine ganze Menge...Ich muss mich jetzt wieder an die Arbeit machen, wir sehen uns in ein paar Wochen. Bye./

Wie sollte es nur ohne ihn weiter gehen?

Wusste das Schicksal denn nicht, dass es zwei Menschen umbrachte, wenn es Daniel von ihm nahm? Wer zog in dieser verrückten Welt überhaupt die Fäden?

Wer traf die Entscheidungen über Leben und Tod? Wer war dafür verantwortlich, dass Daniel genau an diesem Tag, genau an diesem Ort war und einer der vier Menschen sein musste, die getötet wurden? Warum hatte er nicht fliehen können?

Herrgott, warum waren bereits zwei Monate vergangen und er wusste noch immer nicht detailliert, was geschehen war?!

Alles was er immer wieder hörte war, dass Terroristen das Camp gestürmt hatten, die Leiter der Expedition zusammen trieben, beschimpften und töteten.

Wie konnten zwei Leute fliehen, ohne dass es bemerkt wurde? Warum war Daniel nicht unter ihnen?

Jack kam wieder zu sich, nachdem er über die Grenzmarkierung an der Seite des Highways gefahren war. Das laute Rattern der Reifen weckte ihn für eine kurze Zeit komplett auf, ehe er wieder in seinen Halbschlaf zurück kehrte.

Er hatte das oft erlebt in den letzten Wochen.

Auf seiner Fahrt durch die Stadt würde er am Punkt A starten und erst wieder komplett zu sich kommen, als er Punkt B erreicht hatte, ohne sich daran zu erinnern, wie er dort hin gekommen war.

Vielleicht waren bei ihm tatsächlich mehrere Sicherungen durchgebrannt, seitdem...

Das war Jacks einzige Zeitrechnung.

Das davor und das danach.

Davor...gut.

Danach...Horror, Wut, Verzweiflung. Und Schmerz.

Ein Schmerz, den er gehofft hatte nie mehr spüren zu müssen.

Aber jetzt war es Gewissheit. Und der Schmerz war eine Konstante, die ihn überall hin begleitete.

Wenn er lachte tat es weh, wenn er weinte tat es weh. Wenn er nichts tat, tat es weh.

Was sollte er nur ohne ihn machen?

Das Klingeln seines Handys weckte ihn auf und er verlangsamte etwas, um den Anruf entgegenzunehmen.

Nur wenige Leute hatten diese private Nummer, daher nahm er an, dass es wichtig war.

Um sicher zu gehen schaute er auf das Display und sah...Daniels Namen.

Er zuckte ruckartig zusammen und der Wagen schoss nach links.

Das Telefon flog aus seiner Hand und landete auf dem Beifahrersitz, während Jack verzweifelt versuchte, sein Fahrzeug wieder in den Griff zu kriegen. Mehrmals landete er beinahe im Graben, bis er die Gewalt über die Lenkung zurückerhielt und am Straßenrand anhielt.

Sein Herz raste und er griff rasch nach seinem Handy.

Wer spielte hier solche Tricks mit ihm?

Daniels Handy war längst in seinem Haus untergebracht und still gelegt worden. Wie konnte er dann einen Anruf bekommen?

Er griff nach dem Mobiltelefon und war überrascht, als er keine Nachricht wegen eines entgangenen Anrufs erhielt. Skeptisch ging er ins Hauptmenü und suchte nach der Liste der letzten entgangenen Anrufe. Aber auch dort war kein Anruf von Daniel aufgezeichnet worden.

Eine Gänsehaut breitete sich über seinen gesamten Körper aus und Jack brauchte lange, um sich wieder zu beruhigen.

Es musste der Stress der letzten Wochen sein.

Er begann sich zu wünschen, dass Daniel sich meldete, als hatte er Halluzinationen.

Gottverdammtes Gehirn. Es trieb ihn noch zur Weißglut.

Wütend nahm er die nächste Abfahrt und machte sich auf den Heimweg.

+++

An diesem Abend lag Jack lange wach.

Eigentlich wie immer, aber dieses Mal hatte er sich geweigert, auf Schlaftabletten zurück zu greifen. Alles was die taten war, ihn noch müder zu machen als er sowieso schon war.

Nein, er wollte endlich wieder einen klaren Kopf bekommen, wollte sich seiner Umgebung bewusst sein, ohne ständig das Gefühl zu haben, er lebe in einer anderen Welt als der Rest der Stadt.

Dr. Lam hatte ihn Tage nach der Trauerfeier auf das Problem Depression angesprochen, aber er hatte sie einfach ignoriert. Es gab keine Probleme, die er nicht selbst lösen konnte.

Wenn seine Depression in den Wahnsinn trieb, dann sollte es offensichtlich so sein, denn in diesem verdammten Universum hatte er sowieso kein Mitspracherecht über sein Schicksal. Wenn es nämlich so wäre, hätte er sich in einem Wimpernschlag für Daniel geopfert. Er hätte sein Leben für das seines besten Freundes gegeben, der noch viele Jahre auf dieser Welt verdient hätte. Er hätte hier sein sollen, wenn die Wahrheit über das Sternentorprogramm endlich an die Öffentlichkeit kam und der Rest der Welt erkannte, wie richtig Daniels Theorien vor zwanzig Jahren doch waren.

Aber nein, das Schicksal hatte entschieden, dass Daniel sterben musste.

Warum, darauf fand niemand eine Antwort.

Viele Besucher der Trauerfeier hatten versucht, in dem Geschehen etwas Gutes zu sehen. Die Skala reichte von „Wenigstens ging es schnell und er hat nicht leiden müssen.“ bis „Zumindest habt ihr euch noch einmal gesehen.“.

Jack hatte sich seine Kommentare erspart, es war es nicht wert gewesen.

All diese Menschen verstanden nicht, wie sehr Daniels Tod ihn wirklich traf.

Für sie war es ein Verlust, ein tragischer Verlust, aber eben nur ein Verlust. Doch für Jack war es sein schlimmster Albtraum.

Jedes mal, wenn Daniel in den letzten Jahren etwas geschehen war, hatte sich ihm der eine Gedanke aufgedrängt: Was, wenn er vor mir stirbt?

Immer wieder hatte er es verleugnet, die Antiker würden es schon richten.

Aber jetzt, da der schlimmste Fall eingetreten war, wusste er nicht, wie er reagieren sollte. All die Jahre, all die Missionen, während denen Daniel nur knapp dem Tod entkommen war, hatte er Zeit gehabt, diesen Fall zu überdenken. Doch er hatte niemals eine Antwort gefunden.

Und nun fand er sich in der Mitte dieses Durcheinanders wieder...

„Komm schon Daniel, tauch endlich auf.“, säuselte er vor sich hin, als er auf seiner Couch lag, die Arme hinter dem Kopf verschränkt.

Er starrte auf eines seiner Bilder von Daniel, konzentrierte sich auf all seine Sinne- und wartete.

Bestimmt würde er gleich auftauchen und sagen, dass die Antiker sich kurzfristig entschieden hatten, ihn doch noch einmal auferstehen zu lassen. Aller guten Dinge waren ja schließlich drei.

Er würde dieses helle Sweatshirt und die beige Hose tragen, Jack würde seinen Schuh nach ihm werfen und alles war wieder in Ordnung.

Doch der Raum blieb still.

Das einzige Geräusch war das wiederkehrende Ticken der Uhr neben dem Fernseher.

„Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, mir ein Zeichen zu schicken.“, fuhr er fort und nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche.

/Komm schon, Daniel. Lass das Licht an und aus gehen oder das Telefon klingeln. Oder erscheine mir einfach nur./

Aber nichts geschah.

Jack verstand es nicht.

Sollte es nicht so sein, dass er ihm erscheinen sollte, wenn er ihn am meisten brauchte? Dann wäre doch jetzt der perfekte Zeitpunkt.

Im absoluten Tiefpunkt seiner Depression könnte Daniel ihm ein Zeichen schicken, nur eine Nachricht, dass er noch immer irgendwo da draußen war- und er würde auch Jack damit retten.

Er starrte auf Daniels Bild und wartete.

Es sollte eine lange und ereignislose Nacht werden.


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Kapitel 10 by Jenny
Teil 10

Es ist nicht zu beschreiben, wie kalt und leer es ist.
Ich versuche nicht zu zeigen, wie sehr ich dich vermiss.
Meine Freunde tun ihr bestes,
Aber das Beste ist nicht gut genug.
für das was du mir warst hat diese Welt kein Substitut.
Dies ist ein Akt der Verzweiflung,
Ein stummer Schrei.
Eines Menschen voller Leiden, seiner Wunde die nicht heilt.
Es ist ein letzter Kampf, gegen das woran es liegt.
Wie ein Vogel mit nur einem Flügel der bestimmt nicht fliegt...



„Warum fühle ich mich ihm in meinem Wagen näher, als wenn ich an seinem Grab stehe?“

Jacks Frage war ungewohnt offen und Teal’c zögerte für eine Weile, um nach einer passenden Antwort zu suchen. Doch auch dem Jaffa mangelte es fünf Monate nach dem schrecklichen Unglück noch immer an den richtigen Worten.

Sie alle hatten versucht das beste aus den Umständen zu machen, doch so sehr sich auch zwangen, es war nichts mehr wie zuvor.

„Vielleicht ist seine Seele nicht dort, wo sein Körper ist, sondern bei den Menschen, die ihn geliebt haben.“

Jack schnaufte verächtlich und schüttelte den Kopf.

Er war nicht um ein Uhr morgens in Teal’c Quartier gestürmt um diese stumpfsinnigen Redewendungen zu hören. Stattdessen hatte er gehofft, von dem Jaffa etwas weisere Antworten zu erhalten um seine derzeitige Situation zu verstehen.

„Du klingst schon wie Oprah, T.“

Damit stand er von dem Hocker auf und wollte Teal’cs Quartier verlassen, als dieser ihn zurück hielt.

„Ich verstehe, dass euer weltliches Fernsehen den Tod zu einem Klischee gemacht hat, aber das ändert nichts an den Fakten.“

Jack drehte sich abrupt um und hob anerkennend die Augenbrauen.

„Netter Ausdruck.“

Teal’c senkte als Zeichen der Dankbarkeit kurz seinen Kopf.

„Wie auch immer O’Neill, ich bin der festen Überzeugung, dass Danieljackson noch immer hier bei uns ist. Auch wenn die Antiker offensichtlich nicht eingeschritten sind, ist es für mich schwer nachvollziehbar, dass sein Geist einfach verschwinden würde.“

Jack senkte den Kopf und nahm einen tiefen Atemzug.

„Du hast recht.“

Vielleicht gab es im Universum noch weit mehr, als sie bisher entdeckt hatten. Vielleicht waren die Antiker nicht die einzigen, die Leute „auferstehen“ ließen. Oder vielleicht lagen sie mit ihrer Theorie ganz falsch, dass nur das „Aufsteigen“ ein Weiterleben der Seele bedeutete. Möglicherweise gab es noch andere Wege, die sie bisher einfach noch nicht erforscht hatten.

„Und du musst lernen dir dafür zu vergeben, dass du noch am Leben bist, O’Neill.“, fuhr Teal’c dann fort und riss Jack komplett aus den Gedanken.

Wie...woher...woher wusste er das?

Er blickte dem Jaffa tief in die Augen und spürte, wie er ihn wie offenes Buch las. Die beiden Männer standen sich sekundenlang schweigend gegenüber, bis Jack schließlich langsam den Kopf schüttelte.

„Das kann ich aber nicht, Teal’c.“

Der Jaffa trat einen Schritt auf ihn zu und das Licht der vielen Kerzen seines Quartiers beleuchtete eine Seite seines traurigen Gesichts.

„Du musst es, denn es war nicht deine Schuld...Und du hättest es nicht verhindern können.“, Teal’cs Augen verdunkelten sich plötzlich,“ Wärst du dort geblieben, wärst du nun auch tot, egal was du glaubst, welch einen Unterschied deine Präsenz gemacht hätte. Ihr wärt beide tot und Danieljackson hätte den Menschen verloren, der sich immer am stärksten für ihn eingesetzt hat- selbst nach seinem Tod.“

Jack schluckte hart.

Teal’c hatte es genau auf den Punkt gebracht. All diese Gedanken waren ihm in den letzten Monaten gekommen. Welch einen Unterschied hätte es gemacht, wäre er im Camp geblieben? Hätte er Daniel beschützen können? Hätten sie die Terroristen übewältigen können? Wäre er auch gestorben?

Die Wahrscheinlichkeit dafür war sehr groß. Aber zumindest wäre Daniel dann nicht alleine gewesen.

„Denkst du, Danieljackson hätte dich an seiner Seite gewollt? Hätte dich zusehen lassen wollen, als diese Männer ihn ermordeten? Denkst du, es hätte einen Unterschied gemacht? Ist es nicht auch in seinem Interesse, dass du noch am Leben bist?“

Teal’cs Worte begannen ihn nervös zu machen. Konnte der Jaffa seit neustem seine Gedanken lesen?

„Wie machst du das?“, fragte er ihn dann und runzelte die Stirn, „Woher weißt du all das, Teal’c?“

Verständnis umspielte den Blick des Jaffa, als er leicht den Kopf senkte. Menschen, die ihn nicht kannten wäre die Geste gar nicht aufgefallen, aber für Jack bedeutete es alles.

„Weil ich mit Danieljackson ebenfalls einen meiner besten Freunde verloren haben, O’Neill.“

+++

Jack fand sich an dem selben Tag noch an Daniels Grab wieder.

Er hatte sich für einen hellgrauen Stein entschieden. In der Mitte hatte er ein Bild von ihm einarbeiten lassen, links und rechts darüber waren bemalte Rosen und darunter seine Lebensdaten.

Geliebter Bruder, Enkelsohn und Freund.

Der Bestatter hatte ihn überrascht angeblickt, als er nach dieser Inschrift verlangte, doch Jack hatte seinen Willen durchgesetzt.

Daniel mochte keinen leiblichen Bruder haben, aber er war das nächste an einem Bruder, was ein Mensch sein konnte.

Und Jack würde sich nicht mit Leuten wie Bregman oder Sarah Gardner unter die Kategorie Freunde schreiben lassen. Sie waren mehr als nur Freunde, sie waren Seelenverwandte.

Sie konnten einander in die Augen blicken und wussten, was der andere dachte- mit wem sollte er das jetzt tun? Wer würde ihn jetzt wie ein offenes Buch lesen, ohne das Jack viel erklären musste?

Warum konnte das nicht alles ein schrecklicher Albtraum sein? Warum konnte er sich nicht in den Arm kneifen und schweißgebadet aufwachen? Warum durfte er nicht an Daniels Stelle sein?

Tränen bildeten sich in seinen Augen.

Es waren über zweiundzwanzig Jahre her, seit er wirklich geweint hatte. Zweiundzwanzig Jahre...

Und die Zeit dazwischen hatte er genutzt, um all seinen Kummer in sich hinein zu fressen. Was für eine Verschwendung.

Er wischte sich schnell die Tränen vom Gesicht für den Fall, dass jemand den Friedhof betrat.

Es kam immer seltener vor, dass er Bekannte an Daniels Grab traf. Wie es das Sprichwort schon sagte, das schöne an Bedrängnis war, dass man die falschen Freunde los wurde. Es war erstaunlich gewesen, wie viele Leute sich nach dieser Tragödie von ihm abgeseilt hatten, obwohl sie auf der Trauerfeier noch große Reden geschwungen hatten und schworen, ihn niemals zu vergessen. Und sie konnten in fünf Monaten nicht einmal das Grab besuchen...

Und gerade die, deren Loyalität er über Jahre hinterfragt hatte setzten sich nun für ihn ein.

Diese Welt war aus den Fugen geraten...

Jack legte die Blumen vor dem Grab nieder und stieg wieder in seinen Wagen.

Es machte alles keinen Unterschied mehr.

Die Welt würde sich weiter drehen, ganz egal, ob Daniel oder er noch am Leben war. Wen würde es kümmern? Wessen Leben würde es noch beeinflussen?

Seit Monaten hatte er nicht mehr gearbeitet und plante sein Nichtstun auch in naher Zukunft fortzusetzen. Was nützte ihm seine Arbeit, wenn er sich nicht konzentrieren konnte? Wenn es keinen Unterschied mehr für Daniel machte?

Das Kapitel war abgeschlossen und egal was er tat, es hatte keinen Zweck.

Daniel war tot, Vergangenheit, eine schöne Erinnerung. Aber nicht mehr da.

/Vielleicht bin ich ja das Opfer des groessten „Versteckte Kamera Scams“, den es je gegeben hat...also gut Dannyboy, du kannst jetzt raus kommen, wir hatten alle eine lustige Zeit, aber du kannst jetzt wieder zu uns zurück kommen.../

Jack trat aufs Gaspedal, als er den Highway erreichte und fuhr in den Abend hinein. Was sollte er auch daheim machen? Alles, was er dort vorfand war Hausarbeit und nervige Anrufe. Er hatte dafür keine Zeit.

Er fragte sich, ob es in dem scheinbar fragilem Gefüge des Schicksals einen Unterschied machen würde, wenn er die Kontrolle über seinen Wagen verlor und mit Tempo 180 gegen einen Brückenpfeiler fuhr?

Was würden sie wohl über ihn sagen auf der Trauerfeier?

Wahrscheinlich würde der gesamte NID vorbeikommen und seinen Tod betrauern, Sam würde komplett die Fassung verlieren und alle anderen?

Er wusste es nicht und es störte ihn auch nicht. Niemand fragte ihn nach seiner Meinung, bevor man Daniel aus seinem Leben riss.

Ein Schuss unterbrach das monotone Schnurren des Motors und Jack erschrak dermaßen, dass er eine Notbremsung durchführte. Zu seinem Glück – Gott sei Dank hatte er so viel verdammtes Glück- geriet der Wagen nicht ins Schlingern und er war alleine auf dem Highway.

Es hatte sich so angehört, als sei der Schuss direkt neben ihm abgefeuert worden und Jack nahm an, dass es mit seinem Wagen zu tun hatte. War vielleicht eine Feder gebrochen? Oder ein Reifen geplatzt? Das fehlte ihm gerade noch, mitten im Nirgendwo in der Dunkelheit strandete er mit seinem Wagen.

Er überprüfte im Rückspiegel, dass kein Auto kam und stieg aus, um sein Fahrzeug zu untersuchen. In der Dämmerung konnte er nicht viel erkennen, also holte er seine Taschenlampe aus dem Kofferraum und machte sich an die Arbeit.

Die Reifen, Federn und Stossdämpfer waren in Ordnung, der Motor lief bestens, nichts hatte seine Scheiben getroffen, denn sie waren alle noch intakt und wiesen nicht einmal Kratzer auf. Der Wagen war gerade mal acht Monate alt und Jack konnte an nichts anderes denken, dass so ein Geräusch hervorrufen könnte.

Und er konnte schwören, dass es sich wie ein Gewehrschuss angehört hatte. Direkt neben ihm, nicht im angrenzendem Wald. Die Lautstärke, die Nähe...

/Du drehst durch, du drehst durch, du drehst durch./

Jack schloss die Motorhaube und schlug mit beiden Händen fest darauf, um etwas Dampf abzulassen.

Das trieb ihn noch in den Wahnsinn!

Empfing er hier wirklich Zeichen seines Freundes oder waren es nur seltsame Zufälle, die ihn ernsthaft an seiner geistigen Zurechnungsfähigkeit zweifeln ließen?

Passierte das hier wirklich?

Aber wie konnte man sich all das einbilden?

Erst der Anruf, jetzt der Schuss.

Und selbst wenn es Zeichen waren, was sagten sie aus? Was wollte Daniel ihm damit klar machen?

Verzweifelt fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht und stieg wieder in seinen Wagen.

Genug Depression für diesen Abend, er musste nach Hause, um sich auf den nächsten Tag voller Wut, Verzweiflung und Ausweglosigkeit vorzubereiten.

+++

/ Ich habe über eine ganze Menge nachgedacht...und ich weiss, ich klinge nicht immer so, als ob ich dir glaube, aber ich glaube an dich./

Jack fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und atmete seufzend aus.

Wie konnte er nur so tief sinken?

Wie hatte all das passieren können? Warum fand er sich nun an der Schwelle der Verzweiflung wieder, während um ihn herum das Leben weiter ging?

Es waren sieben Monate vergangen, doch es fühlte sich nach wie vor an, als sei es erst gestern passiert.

Die Wut über die wiederfahrene Ungerechtigkeit flammte in ihm und wartete darauf, heraus gelassen zu werden. Doch an wem sollte er es schon auslassen? Die Mörder waren tot, erschossen von ihrer eigenen Regierung. Wen sonst gab es zu bestrafen?

Gott, er vermisste ihn so.

Gedankenverloren blickte er auf seine Haustür, wünschte sich zum tausendsten Mal, er würde einfach herein kommen, sich auf die Couch gegenüber von ihm setzen und ausspannen. Sie würden reden, über die alten Zeiten lachen, ein Hockeyspiel anschauen...

All das war ihm genommen worden.

Er war um viele Jahre der Freundschaft beraubt worden, ohne dass ihm jemals eine Wahl gelassen wurde. Niemals konnte er das in diesem Leben wieder bekommen, es war alles verloren.

Welchen Sinn machte all das nun also noch?

Wozu blieb er in diesem Leben, wenn alles, was geschah doch sowieso ausserhalb seiner Reichweite lag? Wenn er krampfhaft versuchte, die Menschen, die ihm am nächsten waren zu beschützen, nur um am Ende festzustellen, dass es keinen Sinn machte.

Egal wie sehr er sich anstrengte, wenn es ihre Zeit war, nahm das Schicksal ihm diese geliebten Menschen, ganz gleich mit welcher übermenschlichen Kraft er dagegen ankämpfte.

Jack trank einen Schluck Bier und verhärtete den Griff um seine Waffe.

So kalt fühlte sie sich an, so...unreal. So nüchtern.

Er konnte all das hier und jetzt beenden. Nur ein Schuss und er würde endlich heraus finden, ob es da draussen mehr als nur die Antiker gab. Vielleicht würde er Daniel wieder sehen. Nein, Daniel war im Himmel, er dagegen würde sich in südlicheren Gebieten wiederfinden.

All das läge hinter ihm, er bräuchte sich nicht mehr zu fragen, was als nächstes passieren würde. Wer nach ihm kommen würde, wann die Menschheit über das Stargateprogramm erfuhr. Oder aber wann er endlich ein passendes Ventil für seine Wut finden würde.

All das wäre gegessen.

Jack nahm einen weiteren Schluck, um den Mut aufzubringen.

Aber...Moment mal, Mut? Wie konnte er hier überhaupt von Mut reden? Er würde sich von dieser Welt stehlen, als einsamer, verbitterter Mann. Viele würden zu seiner Trauerfeier kommen, aber nur wenige würden sich an ihn erinnern. Sie würden über ihn reden, dass seine Reaktion absehbar gewesen sei. Immerhin war er schon immer ein durchgedrehter Special Ops Typ gewesen. Sie würden kopfschüttelnd an seinem Grab stehen und sich fragen, warum ein Mann, der so viel erlebt hatte nicht einmal den Mut zum Leben aufbringen konnte. Und sowas nennte sich der Führer von SG-1, dem Flagschiff des SGC...

Was für ein Feigling.

Es brauchte nicht viel Kraft oder Mut, um den Abzug zu ziehen, das konnte er wahrlich gut.

Nein, es brauchte eine ganze Menge Mut und Kraft, ihn nicht zu ziehen. Den Schritt zu wagen, und es nicht zu tun.

Jeder konnte sich so davon stehlen, sei es aus Gleichgütigkeit oder Schmerz. Aber nur wenige nahmen die Herausforderung an und gaben nicht auf.

Jack wollte einer von ihnen sein. Selbst wenn es nur für diesen Abend war und er sich morgen wieder auf seiner Couch sah, während er seine Waffe schussbereit in der Hand hielt. Selbst wenn es nur ein Tag war, eine Woche, ein Monat.

Wenn er jetzt abbrach, würde er niemals erfahren, was später passierte, wäre garantiert nicht in der Lage, die Dinge um ihn herum zu beeinflussen, statt hier in seinem Haus vor Selbstmitleid zu versinken. Er würde da sein, wenn die Menschheit von dem SGC erfuhr und würde ihnen erzählen können, was für ein Mensch Daniel Jackson gewesen war. Vielleicht würden sie ihm dann die Ehre erweisen, die er immer schon verdient hatte.

...Oder aber er konnte jetzt abdrücken.

Noch ein Schluck Bier und Jack lehnte sich müde auf seiner Couch zurück.

„Wir haben uns noch nie für den einfachsten Weg entschieden, oder Daniel?“, fragte er dann und ging zu Bett.


weiter: Kapitel 11
Kapitel 11 by Jenny
Teil 11

Wenn der Kompass nur Himmel und Hölle zeigt,
alle Sinne verschwimmen.
Wenn Du Dir nicht vergeben kannst,
Keiner Deine Feuer löscht.

Ich dreh mich um Dich,
Ich dreh mich um Dich,
Stell mich vor den bösen Blick.
Deine Tränen werd ich übernehmen,
Alle Qualen, alle Folter überstehn.
Auch wenn Du verzweifelst,
gehe ich neben Dir.
Wenn sich alles verdunkelt,
bring’ ich Dich durch die Nacht.



Ein Jahr war vergangen und er war noch immer am Leben.

Surprise!

Jack lächelte verbittert. Was für ein Erfolg.

Das Schicksal hatte es gut mit ihm gemeint, damit er auch genug leiden konnte, bevor er letztendlich starb. Wie bei Daniel eben, nur viel...viel länger.

Er hatte sich von fast allen Freunden isoliert, wollte auf unbestimmte Zeit alleine sein, bis er überhaupt erst begreifen konnte, was geschehen war.

Selbst nach über einem halben Jahr hatte er immer noch nicht einsehen können, dass sein Freund nicht zurück kommen würde. Egal wie sehr er sich vom Gegenteil überzeugen wollte, es kam ihm immer nur so vor, als sei Daniel auf einer langen Ausgrabungsexpedition und bald zurück.

Doch endlich, nach einem Jahr, fast auf den Tag genau, traf ihn die Einsicht.

Für Wochen hatte er diesen unglaublichen Schmerz mit sich herum getragen, hatte kaum gegessen und noch weniger geschlafen, einfach nur gelitten.

Alles war wieder so intensiv, als wäre es eben erst passiert.

Noch einmal spürte er die Verzweiflung, das Wissen, so nah an ihm dran gewesen zu sein und trotzdem unfähig, seinen Tod zu verhindern. Es hatte ihn fast aufgefressen.

Doch dann, an einem regnerischen und kalten Tag, war der Schmerz auf einmal verschwunden. Sein ständiger Begleiter für all die Monate war urplötzlich in eine Schublade gerutscht, war zwar zugängig, aber von einem Tag auf den anderen gebändigt.

Zum ersten Mal sah er wieder durch den Nebel, der seinen Geist für all die Monate verschleiert hatte.

Wo er vorher auf eine alte und dreckige Herbstwiese geblickt hatte, fand er plötzlich den kleinen spätblühenden Löwenzahn, der sein zierliches Köpflein dem Wind entgegen stellte.

Wo er sich vorher über die anderen Autofahrer beschwert hatte und rücksichtslos seine Wege erledigte, hielt er plötzlich wieder an, um Leute vor ihm über die Strasse zu lassen.

Jack war sich nicht sicher, ob er froh oder traurig über die Wendung sein wollte.

Hatte seine Trauer nun ein Ende? Oder hatte er einfach nur die Depression besiegt? Oder viel schlimmer, hatte er Daniel endgültig und unabsichtlich aus seinem Geist verdrängt? Warum war ihm nicht mehr ständig nach trauern? Warum freute er sich plötzlich wieder über Dinge wie Hockeyspiele oder Homer Simpson?

Warum durfte er wieder glücklich sein, obwohl Daniel noch immer tot war?

Es war ihm unverständlich.

Und so hatte Jack die nächsten Woche ständig zwischen Auf und Ab gelebt, freute sich über eine grüne Ampel und verfluchte im nächsten Augenblick die Strassen, brachte den Mut auf um Sam anzurufen und beendete das Gespräch, bevor es überhaupt richtig angefangen hatte.

Er traute sich selbst nicht mehr ganz.

In einer Zeitschrift hatte er gelesen, dass dies ein Teil des seelischen Heilungsprozesses war, aber wollte er wirklich geheilt werden? Wollte er nicht lieber an der Trauer zugrunde gehen? Immerhin war er Daniels bester Freund.

Würde Daniel das wollen? Natürlich nicht. Würde er sich anders verhalten, wäre die Situation umgekehrt verlaufen? Ungewiss.

Jack wusste nicht, ob er ein Recht darauf hatte, wieder glücklich zu sein...

Ob seine Trauer und sein Elend lange genug angedauert hatten, um Daniels tragischen Tod zu rechtfertigen.

Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und stieg aus dem Wagen.

Am Straßenrand hatte er ein Schild gesehen, „Great Dane Puppies for sale“. Vielleicht war das für ihn im Moment das allerbeste.

Ein Welpe würde ihm helfen, sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren- und viel besser, er würde die Stille in seinem Haus beenden.

Bevor er den Mut verlor, lief er auf das alte Bauernhaus zu und klopfte.

Im Inneren konnte er das Wimmern und Bellen von mehreren Hunden ausmachen. Zumindest gab es noch Welpen.

Doch auch nach dritten Klopfen meldete sich niemand und Jack nahm an, dass die Familie für ein paar Stunden weggefahren war. Er würde es später wieder versuchen...wenn er nicht vorher wieder einen Stimmungseinbruch erlitt.

+++

Eine Woche später saß er in seinem Keller und faltete Daniels Hemden sorgfältig, um sie in einer großen Plastikbox zu verstauen. Er würde sie in naher Zukunft sowieso nicht wieder anziehen. Aber falls er entschied, wieder zurückzukehren, in welchem Zeitraum auch immer, standen sie für ihn bereit.

Als er das abgeschlossen hatte, beschriftete er die Box und stellte sie neben die mit den Hosen.

Jack hatte seinen Keller aufräumen wollen und entschied, dass er Daniels Sachen am sichersten in Plastikboxen verwahrte. Zumindest waren sie dort geschützt vor Staub und Wasser.

„Tiny, komm her.“, rief er die neuste Bereicherung in seinem verrücktem Leben und ein kleiner schwarz weißer Däne machte sich langsam auf dem Weg die Treppen herunter.

Laut wimmernd machte der Welpe auf sich aufmerksam und Jack lächelte nur.

„Du bist ein größerer Nörgler als Daniel.“

Stolpernd kam sein neuer Hausbewohner neben ihm zum stehen und begann, an den Dingen, die auf dem Boden verstreut lagen herum zu schnuppern.

Jack beobachtete ihn für eine Weile und wandte sich dann wieder seiner Tätigkeit zu. Er musste noch immer Daniels persönliche Dinge verstauen.

Der Mann hatte so viele Unterlagen und Bücher, aber wirklich persönliche Dinge wie Briefe oder Bilder waren rar gesät.

Umso mehr schätze Jack die wenigen Dinge, die er fand, selbst wenn es nur eine kurze handgeschriebene Notiz war oder ein alter Schokoriegel. All das war Daniel. Es war sein Nachlass, sein Leben, sein Sein.

Jack schluckte die Traurigkeit herunter und beobachtete, wie Tiny an einem von Daniels Journalen herum schnupperte.

Eigentlich tat er das mit allen Dingen, aber aus irgendeinem Grund war der Welpe nur interessiert an dem einen Buch, das in einem Stapel von Büchern lag.

Jack rutschte zu ihm herüber und nahm es an sich.

Die Codierung an der Seite sagte ihm zunächst nichts, bis er die erste Seite aufschlug und zu lesen begann.

/Es ist erstaunlich, wie viel man über sich lernt, wenn man erst einmal vergisst, wer man war und sich selbst wieder neu kennen lernt. Es ist sicherlich eine Reise ins Ungewisse, ein Erlebnis und gleichzeitig das Beängstigendste, dem ich jemals gegenüberstand. Wie konnte ich auch wissen, wer ich wirklich war? Also musste ich mich auf die Worte meiner sogenannten Freunde verlassen, die ich nicht kannten, obwohl sie mich kannten. Das war sicherlich sehr verwirrend. Aber heute bin ich froh, dass ich es gemacht habe. Allein, gestrandet auf einem fremden Planeten, als Teil einer Meute von Nomaden habe ich mich einsam gefühlt. Ich war mit ihnen aber ich war dennoch keiner von ihnen. Und plötzlich, als ich unter all den Fremden mit den seltsamen Uniformen drei Menschen ausmachte, die mir bekannt vorkamen, wusste ich, dass ich nicht am richtigen Ort war. Ich wusste, dass es irgendeine Verbindung zu diesen Menschen gab, auch wenn ich mir deren Natur nicht bewusst war. Und ich hab die Herausforderung angenommen und bin ihnen zurück zur Erde- die sich später als mein Zuhause herausstellte- gefolgt. Was für eine Reise... Wer kann schon von sich behaupten zwei Mal zum ersten Mal durch das Sternentor gegangen zu sein? Und all die Menschen, die mich empfingen? Fremd und doch seltsam bekannt. Eine innere Beruhigung, die ich empfand, wenn ich in der Nähe von Jim war. Jack wird mir wahrscheinlich nie dafür verzeihen können, dass ich ihn ständig so nannte. Es war fast so, als konnte ein Teil meines durcheinander gewürfelten Gedächtnisses trotz des Antiker Einflusses noch immer eine Bindung zu ihm herstellen. Und erst das seltsame Gefühl, als mir sein richtiger Name zum ersten Mal wieder über die Lippen kam. „Jack“. Wie ein Wiedersehen nach vielen Jahren. Ich erinnere mich noch immer an seinen Blick, als er mich auf dem Planeten wieder erkannte. Es war diese Mischung aus Euphorie und Unglauben, wie ich sie bei ihm noch niemals gesehen habe. Ich bin froh, dass ich das für ihn tun kann. Er, von allen, verdient es am meisten, einen Freund an seiner Seite zu haben, der ihn gegen den Rest der Welt verteidigt. Jack hat genug durchgemacht, es wird Zeit, dass er wieder glücklich wird. Ich hoffe nur, dass ich niemals (wieder) vor ihm sterbe. Ich weiß, er wird sich schrecklichste Vorwürfe machen, obwohl ich voraussagen kann, dass es nicht seine Schuld sein wird. Aber das ist ihm egal, er wird sich trotzdem schuldig fühlen. Ich hoffe nur, dass er noch einmal den Weg zurück zur Hoffnung findet und dass mein Tod ihn nicht für den Rest seines Lebens verbittert. Er muss einsehen, dass wir alle nur Passanten in dieser rasanten Welt sind, keiner hat die Garantie auf ein ewiges Leben. Aber es ist das, was wir aus dieser unbestimmten Zeit erreichen, das den Unterschied macht. Jeder kann mit wenig Mühe sein Leben verschwenden, aber nur manche können es nutzen und mit ihrem Einsatz das Leben anderer verändern. Das erzeugt ein Vermächtnis, das noch lange in den Menschen der Nachwelt weiterlebt./

Damit brannte die Glühbirne in seinem Keller durch und Jack blieb in der Dunkelheit zurück.


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Kapitel 12 by Jenny
Teil 12

Tausend Wünsche ungeträumt,
Tausend Fragmente ungereimt.
Nur ein Hauch,
Nur ein Hauch von nichts.
Erpress mich, mit deinem Platz auf deinem Thron.

Heb mich irgendwo auf,
In irgendeiner Zelle in deinem Kreislauf.
Denk auf deiner Zeitreise mal an mich.
Vielleicht bleibt was unter’m Strich.
Vielleicht findest du mich zwischen Zeilen,
Zwischen Zeilen irgendwo...



„Hey Sam.“

Er trat ihr entgegen und umarmte sie, während Tiny an der Leine um ihre Beine herum lief.

Die Astrophysikerin hatte Tränen in den Augen, aber sie versuchte trotzdem zu lächeln.

„Das ist also dein neuer Partner. Ich hoffe du weißt, wie groß diese Hunde werden können.“

Jack lächelte zurück und ließ Tiny in dem Hundepark von der Leine, während er sich mit Sam auf eine angrenzende Bank setzte.

Es war mittlerweile wieder Frühjahr und die ersten Blumen schossen durch den Boden, verschönerten die Stadt mit jedem Tag ein bisschen mehr.

Die Sonne tat ihr bestes, um den Tag zu erwärmen, doch noch immer wehte der kalte Winterwind durch die kahlen Äste der Bäume.

„Das will ich doch hoffen.“, gab er entspannt zurück und beobachtete, wie Tiny sich mit einem kleinen Rehpinscher anfreundete.

„Wie geht es dir?“, wollte sie dann wissen und Jack zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß es nicht.“

Sam nickte und griff nach seiner Hand. Jack akzeptierte die Geste und gab sie zurück.

„Er wäre so stolz auf dich.“, sprach Sam und wischte sich mit der freien Hand eine Träne von der Wange.

Ja, das wäre er mit Sicherheit.

Jack hatte es geschafft. Nach all der Zeit hatte er die Depression endgültig besiegt, hatte seine Hoffnung zurück gefunden und viel wichtiger, er hatte Frieden mit der ganzen Sache gefunden, etwas, was er nie für möglich gehalten hätte.

„Er war es, der mir die Stärke gegeben hat.“, fuhr er dann fort, obwohl er sich nicht sicher war, warum er das gesagt hatte. Es war ihm einfach so über die Lippen gerutscht.

Aber genauso war es auch gewesen.

Es waren die kleinen subtilen Zeichen, Dinge, die er nicht mehr mit Logik erklären konnte, die ihn Daniels endgültiges Verschwinden anzweifeln ließen.

War er aufgestiegen? Sicherlich nicht. War er noch immer irgendwo da draußen? Mit Sicherheit.

Jack machte sich nicht die Mühe, um nach einer Erklärung zu suchen, er nahm es einfach hin, wusste in seinem tiefsten Inneren, dass es wahr war.

„Ich habe gehört, du kommst zum SGC zurück.“

Ein dankbares Lächeln zierte ihre Lippen. Jack erwiderte die Geste.

„Ja, die Steuervorteile für Pendler sind in den letzten Jahren drastisch zurückgegangen.“

Ihr Ellenbogen traf ihn in die Rippen.

„Erzähl mir nicht so einen Unsinn.“

„Naja, ich könnte SG-1 zurücknehmen und das mit Abstand älteste Offworld Teammitglied sein. Wie hoch wäre dann unser Team- Durchschnittsalter? Fünfundfünfzig? Nein, warte, Teal’c ist schon weit über Hundert. Hundertundzwanzig? “

Sam grinste und warf einen Stock durch die Luft, nachdem Tiny ihn ihr gebracht hatte.

„Wir würden dich mit offenen Armen empfangen.“, sprach sie dann und ein geheimnisvolles Lächeln umspielte ihre Lippen.

„Was?“, wollte Jack wissen und warf ihr einen fragenden Blick zu.

Sie haderte kurz mit sich und sah dann in die Ferne, um ihm nicht in die Augen blicken zu müssen.

„Wir haben einen neuen Archäologen im Team. Und er brennt nur darauf, dich kennen zu lernen.“

Jacks Lächeln erlosch, als die Worte in sein Unterbewusstsein durch drangen.

Ein neuer Archäologe? So früh? Nein, er konnte das nicht mitmachen. Nicht so kurz, nachdem...

/Du musst den Kreis schließen, Jack. Du musst deiner Berufung folgen und deine Aufgabe erfüllen./

Woher war das eben gekommen?

Nein, er wollte sich nicht mit einem anderen Archäologen herum ärgern. Wollte das nicht noch einmal alles durchmachen, wollte sich nicht noch einmal binden, nur um dann alles wieder zu verlieren.

/Du musst./

Aber er würde es nicht überstehen, dem Mann beim Arbeiten zuzusehen. Es würde ihn immer nur an Daniel erinnern.

/Was ist daran so schlimm?/

War er stark genug, um die Reise nun fortzusetzen? Würde er aus Daniels Schicksal Stärke gewinnen, statt sich davon tiefer in den Abgrund ziehen zu lassen?

Würde er die Stärke haben?

/Ich habe niemals einen stärkeren Mann als dich getroffen, Jack./

Seit wann sprach seine innere Stimme in diesem Ton mit ihm?

/Es ist wichtig, dass du das Vermächtnis fortsetzt./


Jack blickte zu Sam, die ungeduldig auf eine Antwort wartete.

Weit weg von ihnen spielte Tiny noch immer mit dem kleinen Rehpinscher und beide Hunde kämpften um die Herrschaft über einen Stock. Obwohl sie ein ungleiches Paar waren, passten sie irgendwie zusammen.

Unterschiede zogen sich schließlich an.

Es war keine Frage, ob er stark genug war, die neue Herausforderung anzunehmen. Er wusste, es war das, was er tun musste. Er war auserkoren, Daniels Vermächtnis fortzusetzen. Und das funktionierte nur, indem Leute über ihn lernten- und von ihm lernten.

„Ist schon in Ordnung, ich weiß, was du sagen willst.“, unterbrach Sam seinen Gedankengang und stand von der Bank auf.

Enttäuscht wandte sie ihm den Rücken zu und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ich weiß selbst, dass er Daniel nicht ersetzen kann. Keiner von uns erwartet das von ihm. Aber er ist ein Ausnahmetalent auf seinem Gebiet- und er ist ein wirklich netter Mann. Er hat vor Jahren mal mit Daniel auf einer Ausgrabung zusammengearbeitet.“

„OK.“

Sam drehte sich überrascht zu ihm um und versuchte aus seinen Augen herauszulesen, wie sein Ausspruch gemeint war.

„Was...?“

„OK.“, wiederholte Jack und lächelte.

„Ist..ist das dein Ernst?“, fragte sie überrascht und ihre Augen glänzten plötzlich, wie er es schon seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte.

„Ich denke schon, ja.“

Er hatte nichts weiter sagen können, denn Sams Arme schlangen sich um seinen Hals und er spürte ihren sanften Kuss auf seiner Wange.

So lange hatte er darauf gewartet, gehofft, aber niemals gedacht, dass er es jemals wieder erleben würde.

Jack umarmte sie so fest es ging, drückte sie an sich und genoss ihre Nähe.

/Ich habe es geschafft. Ich habe meinen schlimmsten Albtraum überstanden. Ich bin bereit, weiterzumachen, meinen Zweck zu erfüllen./

„Danke.“, flüsterte Sam in sein Ohr und er spürte ihre Tränen an seiner Wange.

Er drückte sie fester an sich und wischte sich kurz selbst mit der Hand über die Augen.

/Ich habe es geschafft, weil du immer an meiner Seite geblieben bist, Daniel./


Ende Teil 12

Ich kann nicht mehr sehen,
Trau nicht mehr meinen Augen.
Kann kaum noch glauben,
Gefuehle haben sich gedreht.
Ich bin viel zu traege,
Um aufzugeben.
Es waer auch zu frueh,
weil immer was geht.

Wir waren verschworen,
Waeren fuereinander gestorben.
Haben den Regen gebogen,
Und Vertrauen geliebt.
Wir haben versucht,
Auf der Schlussfahrt zu wenden.
Nichts war zu spaet,
Aber vieles zu frueh.

Du hast den Raum mit Sonne geflutet,
Hast jeden Verdruss ins Gegenteil verkehrt.
Nordisch nobel, deine sanftmuetige Guete.
Dein unbaendiger Stolz, das Leben ist nicht fair.

Ich gehe nicht weg,
Hab meine Frist verlaengert.
Neue Zeitreise auf eine Welt.
Habe dich sicher in meiner Seele,
Ich trag dich bei mir bis der Vorhang faellt,
Ich trag dich bei mir bis der Vorhang faellt...




Ende

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