Ein Himmel ohne Sterne by Sphere
Summary: SG-1 ist zusammen mit den Asgard an Bord eines ihrer Schiffe unterwegs und hat dort Probleme mit einer Schar von Replikatoren. Zu allem Überfluss werden sie während ihrer Reise inmitten der Kluft zwischen den Galaxien aus dem Hyperraum gerissen und auf einem Planeten zur Ladung gezwungen, den es dort eigentlich gar nicht geben sollte. Sehr schnell geraten sie in Konflikt mit dessen nichtmenschlichen Bewohnern.
Categories: Stargate SG-1 Characters: Asgard, Daniel Jackson (SG-1), Jack O’Neill (SG-1), Samantha Carter (SG-1), Teal’c (SG-1), Thor
Genre: Action, Friendship, General
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 6 Completed: Ja Word count: 49526 Read: 31802 Published: 21.05.12 Updated: 21.05.12
Story Notes:
Es handelt sich im Wesentlichen um eine Action-Geschichte, die aber auch ihre nachdenklichen Momente hat. Sie greift auf Einiges an technischen Asgard-Spielereien zurück und spielt in einer fremdartigen Welt. Auch verleiht sie unseren guten, aber etwas steifen Freunden von den Asgard etwas mehr Profil. Obwohl sie in der fünften Staffel spielt, gibt es auch einige aktuelle Bezüge. // Ich weiß natürlich, dass die Geschichte nicht sonderlich kurz ist, aber lasst euch bitte DAVON nicht vom Lesen abhalten!

1. Kapitel 1 by Sphere

2. Kapitel 2 by Sphere

3. Kapitel 3 by Sphere

4. Kapitel 4 by Sphere

5. Kapitel 5 by Sphere

6. Epilog by Sphere

Kapitel 1 by Sphere
Ein Himmel ohne Sterne


KAPITEL 1

Mit einem Mal verstand Jack, warum die Asgard sie so sehr wegen ihrer Fähigkeit zu kämpfen schätzten. Sie selbst konnten es nämlich nicht. Das war offensichtlich.
Die beiden Asgard standen in der Mitte des Korridors ihres Schiffes. Sie waren in bläulich-silbrige Hightech-Monturen gehüllt und trugen silbern glänzende, elegante und schlanke Gewehre, die länger waren als ein Asgard hoch und die sie aus unerfindlichen Gründen trotz ihrer schwächlichen Arme noch tragen konnten.
All dieser Ausrüstung zum Trotz wirkten die kleinen Gestalten dennoch verloren, als der Schwarm Replikatoren auf sie einstürmte.
Dabei bemühten sie sich durchaus: Immer wieder rasten grellweiße Strahlen aus den Mündungen ihrer Waffen, durchschnitten den ein oder anderen Robo-Käfer und fraßen danach tiefe Furchen in das Metall des Korridors. Jack hatte noch keine andere Strahlenwaffe gesehen, die bei den Replikatoren mehr verursachte als ein kurzes, irritiertes Zögern und dennoch: Es dauerte nicht lange, bis sich aus zwei oder drei Bruchstücken wieder ein ganzer Replikator zusammensetzte, der sofort dem Schwarm zu folgen begann.
Das alles schien die Asgard nicht zu interessieren. Obwohl sie es trotz der großen Menge an Käfern schafften, Schüsse ins Leere zu setzen, obwohl ihre Treffer kaum Verluste verursachten, blieben sie stehen. Sie kämpften nicht, sie setzten lediglich ihre Technologie ein! Und entweder die Technik erfüllte ihren Zweck oder sie tat es nicht.
Offensichtlich tat sie das nicht, aber auf die Idee, dass dies zum Teil daran lag, wie sie diese Technik einsetzten, kamen sie wohl nicht.
All das registrierte Jack in den wenigen Sekunden, bis er und sein Team auf gleicher Höhe wie die Asgard waren. Er hob seine eigene Waffe und eröffnete das Feuer.
Eine P-90 verschoss 15 Projektile pro Sekunde. Bei Dauerfeuer entleerte dies das Magazin in drei-eindrittel Sekunden, zerschmetterte diese Lego-Insekten jedoch mit einer Wucht, bei der keine noch so ausgefeilte Asgardwaffe mithalten konnte.
Die Replikatoren zerplatzten förmlich unter dem Beschuss. Aus ihrer Gruppierung gelöste Module wirbelten durch die Luft und regneten zu Boden, die meisten durch die Wucht der Erschütterung oder des Aufschlags so stark beschädigt, dass sie sich nur selten zu einem neuen Käfer formierten.
Dennoch kamen immer neue nach und obwohl ihr Vormarsch sich verlangsamt hatte, bewegten sie sich doch unaufhaltsam auf ihre Position zu. Das leise Kreischen ihrer Gelenke, das Klicken ihrer Beine auf dem Boden war selbst durch das Knattern ihrer Waffen hinweg zu hören und ging Jack durch Mark und Bein. Er hasste diese Geräusche.
„Zurück!“, befahl Jack.
Doch die Asgard standen da wie angewurzelt, feuerten mit einer Ruhe vor sich hin, für die Jack nur Verständnislosigkeit aufbringen konnte.
Zurück! “, wiederholte er und gab dem Asgard neben ihm einen sanften Stoß. Doch statt zu schwanken, stand dieser erstaunlicherweise unverrückbar wie ein Fels.
Verdammt, war alles, wozu Jack zu denken im Stande war. Grimmig setzte er den Beschuss fort, bestrich mit seiner Waffe den Korridor vor ihm, doch er sah keine Chance den Asgard zu helfen, wenn sie weiterhin dort stehen bleiben wollten. Für jede zerstörte Maschine kam eine neue nach. Es war abzusehen, dass die Replikatoren sie sehr schnell erreichen würden.
Von einem Moment zum anderen strömten dann jedoch keine weiteren Käfer nach. So plötzlich wie der Schwarm aufgetaucht war, so abrupt endete er. Ehe Jack es sich versah, waren die verbliebenen Roboter weggeputzt.
Als der Krach ihrer Waffen verstummte, herrschte plötzlich eine unheimliche Stille. Misstrauisch beobachtete Jack die dicke Schicht aus Replikatormodulen und Gewehrkugeln am Boden, ob sich darin nicht doch vielleicht etwas bewegte. Er kickte in den Haufen leerer Magazine zu seinen Füßen und ließ einige davon nach vorn schlittern. Noch immer rührte sich nichts, erhoben sich keine neuen Techno-Käfer aus den eigenen Trümmern.
Sie hatten wohl tatsächlich gewonnen.
Jack drehte sich zu dem Asgard neben ihm herum. „Was ist an dem Wort zurück so schwer zu begreifen?!“, fuhr er ihn an.
Das kleine Wesen sah ihn ruhig aus den beiden riesigen, schwarzen Augen an. „Nichts“, erklärte es unnahbar.
„Also warum seid ihr dann nicht zurückgewichen?“, warf Jack dem Asgard an den für seine Größe überproportional großen Kopf. „Ihr habt euch und mein Team gefährdet!“
Der Blick des Asgards wurde intensiver. Obwohl er sein Haupt in den Nacken legen musste, um Jack ins Gesicht zu sehen, blickte er ihn dennoch so an wie eine lästige Bakterie unter dem Mikroskop. „Du bist O’Neill, nicht wahr?“, fragte er.
„Zwei L“, bestätigte Jack, dabei möglichst verärgert klingend, um sich nicht den Wind aus den Segeln nehmen zu lassen.
„Obwohl du auf ausdrücklichen Wunsch von Commander Thor hier bist, gibt dir das uns gegenüber noch lange keine Anweisungsbefugnis“, erklärte Jacks Gegenüber höflich, aber bestimmt.
„Das ist doch...“, begann Jack in aufschäumendem Ärger, mäßigte sich dann jedoch. Der Asgard war schließlich nicht irgendein Rekrut, den er nach Belieben hätte zusammenstauchen können. „Wir standen kurz davor, überrannt zu werden“, zwang er sich daher zu einer Erklärung. „Wären wir ein paar Meter zurückgewichen, hätte uns das den nötigen Abstand gegeben, um aus sicherer Entfernung weiter kämpfen zu können.“
„Du schätzt die Lage falsch ein. Wir standen zu keinem Zeitpunkt davor, überrannt zu werden“, musste Jack sich anhören.
„Was?!“, zischte er ungläubig.
„Diese Gewehre stellen die neueste Generation an replikatorbrechenden Waffen dar und sind das Beste, was unsere Wissenschaft je hervorgebracht hat“, sprach der Asgard wie zu einem kleinen und nicht allzu klugen Kind. „Unsere Chancen, diesen Kampf zu gewinnen, standen daher optimal.“
„Eure Chancen?! Ich werd euch sagen...“
„Jack...“ Daniels mahnende Stimme ließ ihn verstummen.
Jack und der Asgard starrten sich einen Moment stumm an.
Dann ergriff der zweite Asgard das Wort. „Natürlich wissen wir eure Geste durchaus zu schätzen“, erklärte er diplomatisch. „Obwohl eure Unterstützung vollkommen unnötig war, sind wir euch dennoch zu Dank verpflichtet.“
„Gegenseitige Hilfe ist die Grundlage jeder Allianz“, nahm Daniel den dargebotenen Ball auf. „Wir haben euch gerne geholfen.“
Die beiden Asgard nickten. Dann schulterten sie mit ungelenken Bewegungen die viel zu großen Waffen. Einen Moment fürchtete Jack, die Gewehre würden gleich zu Boden poltern, aber obwohl die beiden sich recht umständlich anstellten, schienen sie das nicht zum ersten Mal zu tun. Schweigend wandten sie sich ab und verschwanden durch den Korridor.
Immer noch mit seinem gekränkten Stolz kämpfend meinte Jack: „Teal’c, bitte kneif mich.“
Der brennende Schmerz in seinem Arm bewies, dass er nicht träumte. Er war tatsächlich gerade Zeuge bodenloser Arroganz geworden. War es denn so schwer einzusehen, dass ein paar Halbwilde mit Metallkugeln und etwas explosivem Pulver mehr bewirken konnten, als Jahrtausende der Asgardtechnik?
Oder war es gar nicht so einfach? Sie mochten hin und wieder auch mal etwas arrogant sein, aber gewöhnlich verstanden sich die Asgard darauf, dies zu verbergen.
Tatsache war, dass sie es mit einem Volk zu tun hatten, welches alt geworden war. Zwar waren die Asgard deswegen nicht müde oder hätten Probleme gehabt, ihre bestehende Technik weiterzuentwickeln. Aber mit Innovationen taten sie sich schwer. Und vielleicht nicht nur damit.
Wäre es möglich, dass sie sich in all den Jahrtausenden so weit entwickelt hatten, dass sie gar nicht mehr in der Lage waren, Furcht zu empfinden? Dass sie sich schnell verändernde Situationen, dass sie Kampfsituationen gar nicht mehr einschätzen konnten? Jack dachte dabei noch gar nicht an die Einschätzungen eines erfahrenen Soldaten, sondern eher an einen Höhlenmenschen, der wusste, wann er fliehen und wann er kämpfen musste.
Und wenn dem so war, dass die Asgard damit völlig überfordert waren, dann war es keine Arroganz gewesen, was sie eben erlebt hatten. Sondern einfach nur Ehrlichkeit.
Ehrlichkeit, welche auf den Zustand der Asgard schließen ließ.
Und das beunruhigte ihn mehr, als jede Beleidigung es hätte tun können.

Der Lift war groß und geräumig. So wie eigentlich alles hier recht groß war – riesig für die Maßstäbe der Asgard. Aber diese mochten es wohl so.
Mit einem leisen Zischen glitten die Türen beiseite und entließen SG-1 auf die Brücke des Schiffs.
Dies war kein kleines Einmannschiff, wie das, welches sie gestern geborgen hatte. Es war auch nicht evakuiert worden, wie einst die Beliskner. Nein, es war voll besetzt und quoll vor Asgard geradezu über.
Zwar konnte Jack den Eigennamen des Schiffs nicht aussprechen, geschweige denn ihn sich merken. Was ihm dafür umso leichter fiel, war die Typenbezeichnung: Es war ein Schiff der O’Neill-Klasse und das erfüllte ihn mit einem gewissen Stolz.
Aufgrund des neuen Schiffstyps sah die Brücke ein wenig anders aus als sie es bisher zu sehen bekommen hatten. Die Brücke ließ sich sowohl über einen Lift, als auch über das angrenzende Deck betreten. Von der Rückseite her, wo sie standen, führten an beiden Seiten Rampen hoch zu einer Galerie. Die Wand über und unter den Galerien war gesäumt von Kontrollpulten, vor denen Asgard saßen und stumm ihre angeblichen „Steine“ umher schoben.
Beide Hälften der vorne unterbrochenen Galerie wurden durch eine glasig-grüne Scheibe miteinander verbunden, deren Oberseite völlig leer war. Darunter stand der große, löffelartige Sessel von Thor, flankiert von zwei mächtigen, runden Pulten, die drehbar waren und in denen sich jeweils ein Asgard aufhielt.
Die Vorderseite der Brücke schließlich wurde von drei großformatigen holographischen Displays dominiert, welche sich beliebig umgruppieren ließen. Links davon war in den Boden eine Kommunikationsplattform eingelassen.
Für Jack gab es keinen Grund zu jubeln, nur weil sie den zurückliegenden Kampf im Korridor gewonnen hatten. Er wusste, wie es im Rest des Schiffes aussah.
„Thor, mein Freund“, eröffnete Jack diesem, als sie die Mitte der Brücke erreicht hatten. „Ich glaube, ihr seid dabei, diesen Kampf zu verlieren...“ Jack sah sich um. Der hier herrschenden Ruhe zu urteilen, schienen diese Stoiker seine Sorge nicht zu teilen.
Auf dem Grund von Thors Augen glaubte Jack so etwas wie Trauer zu erkennen. „Dies ist der Grund, aus dem ich euch auf die Brücke gebeten habe, O’Neill“, erklärte er, kam jedoch vorerst nicht dazu, dies weiter darzulegen.
Das mittlere Holodisplay, welches bisher die vorbeiziehenden blauen Streifen des Hyperraumes gezeigt hatte, zeigte auf einmal nur noch die Schwärze des Leerraumes zwischen den Galaxien.
„Commander Thor“, erklärte der Asgard an dem linken Pult vor ihnen ruhig. Er hieß Herodot oder Hermiod oder so ähnlich. „Wir haben soeben den Hyperraum verlassen.“
Thor nahm seinen beinahe überrascht wirkenden Blick vom Holodisplay und fragte: „Die Replikatoren?“
„Nein. Die Hyperantriebsmotoren sind nicht beeinträchtigt. Trotzdem können wir kein Hyperraumfenster mehr öffnen.“
Schweigen.
„Vielleicht eine Anomalie im Hyperraum selbst?“, fragte dann – natürlich – Carter.
„Leider sind die Sensoren ausgefallen, welche derartige Anomalien detektieren würden.“ Hermiod stellte eine Tatsache fest und klang auch genau so.
„Dann seht doch einfach aus dem Fenster“, hörte Jack sich seine dumme Idee aussprechen.
„Es ist nicht gesagt, dass eine solche Störung optisch sichtbare Effekte hervorrufen würde, welche wir von unserer Position aus erkennen könnten“, hielt der Chefingenieur und Stellvertreter Thors ihm vor.
„Aber es wäre durchaus möglich“, schlug sich Carter auf Jacks Seite.
Thor machte so etwas wie ein Nicken und Jack vermerkte zufrieden, dass seine Idee wohl doch nicht so dumm gewesen war.
Der Bildschirm zeigte noch immer die sternenlose Schwärze, welche das Raumschiff gerade durchflog. Es war nur ein kleiner und verwaschener Fleck zu sehen, der wohl die von ihnen angesteuerte heimatliche Milchstraße darstellte. Abgesehen davon, dass sie eigentlich vorerst im Hyperraum hatten bleiben wollen, war dies der erwartete Anblick. Innerhalb einer Galaxie maß man die Entfernung zum nächsten Stern in Lichtjahren. Hier jedoch, auf halbem Weg zwischen den Sterneninseln, waren es Millionen Lichtjahre bis man wieder auf einen Planeten hoffen konnte. Allzu viele Galaxien, die hell genug waren, damit man sie auf diese Entfernung mit bloßem Auge noch sehen konnte, gab es entsprechend nicht.
Der heimatliche Lichtklecks begann langsam nach rechts zu wandern und ließ den Schirm nun völlig dunkel werden, als er aus dessen Anzeigebereich herauswanderte. Es dauerte eine ganze Weile, bis ein weiterer Fleck erschien, der irgendwann verharrte und nach unten wanderte, als die Kamera nach oben schwenkte.
Die ganze Zeit hatte Jack erwartet, gleich ein farbenprächtiges, nebulöses Etwas zu erblicken. Weltraumanomalien waren immer sehr bunt und hübsch anzusehen, wie er gelernt hatte. Als Carter dann „Halt“ rief, war er direkt enttäuscht.
Es war nur ein einzelner blauer Punkt.
„Das sieht aus wie ein Stern“, meinte die Wissenschaftlerin seines Teams.
„Das ist nicht möglich“, erwiderte Thor sachlich. „Zwischen den Galaxien können sich weder Sterne bilden, noch ist ein blauer Stern langlebig genug, um aus einer Galaxis herausgeschleudert zu werden und innerhalb seiner Lebensspanne bis hierher zu kommen.“
„Wem erzählst du das? Dennoch ist er da!“ Es war nicht schwer, Carters Begeisterung über dieses Rätsel zu bemerken.
„Was immer es ist“, warf Hermiod ein. „Es wird größer.“
„Das heißt, dass wir damit zusammenstoßen werden?“, fragte Daniel mit leichtem Entsetzen in der Stimme.
„Dies lässt sich zur Zeit noch nicht sagen.“ Überflüssig zu erwähnen, wie leidenschaftslos Hermiod klang.
„In der Zwischenzeit gibt es dringendere Probleme“, meldete sich wieder Thor zu Wort. „Probleme, wegen denen ich euch ursprünglich hierher gerufen habe.“ Er wedelte mit der Hand und das linke der drei Holodisplays begann, eine Außenansicht des Schiffes zu zeigen – es war ein schönes und ausgesprochen elegantes Schiff, wie Jack fand. Die Typenbezeichnung passte sehr gut...
„Vor 15 eurer Minuten begann einer unser Neutrino-Reaktoren größere Mengen an Delta-Strahlung zu emittieren. Dies geschieht gewöhnlich nur bei einer Überhitzung. Da sich die Reaktoren nicht herunterfahren lassen, waren wir gezwungen ihn auszuwerfen.“ Thor hob noch einmal mit der Hand. Die Außenansicht des Schiffs drehte sich und zoomte auf einen Teil der Hülle. „Wir vermuten, dass die Replikatoren einen Teil der Radiatoren konsumiert haben, welche gewöhnlich die von den Reaktoren erzeugte Wärme ins All abstrahlen. Da die Strahlung die Replikatoren nicht beeinträchtigt, sind die Auswurfsmechanismen inzwischen von ihnen blockiert worden.
Wir würden es begrüßen, wenn ihr die Replikatoren von den Radiatoren vertreiben würdet, um zu verhindern, dass sie weiteren Schaden anrichten.“
„Na, klar doch.“ In Jacks Worten klang jedoch kein Sarkasmus mit. Zwar kam er sich manchmal von den Alliierten der Erde reichlich ausgenutzt vor. Nachdem er aber den Mist gesehen hatte, den die Kerle im Korridor produziert hatten, kam er nicht umhin, Thor zuzustimmen. Außerdem gehörten die Asgard zu den Aliens, denen er gerne half.
„Die Radiatoren befinden sich an der Außenhülle des Schiffs“, stellte Teal’c fest.
Dies ließ Jack jetzt doch aufseufzen. „Okay. Teal’c – dann werden wir uns mal die Raumanzüge anziehen.“
„Das wird nicht nötig sein, O’Neill“, hielt ihn Thor zurück. „Unter den gegebenen Umständen werden wir euch mit den notwendigen Mitteln ausstatten.“ Er starrte intensiv neben seinen Sessel. Das gleißende Licht eines Asgard-Transportvorgangs leuchtete auf, verharrte etwas länger als gewöhnlich und ließ etwas auf dem Boden zurück, als es erlosch. „Dies sind vergrößerte Varianten der von uns benutzten Schutzanzüge“, erklärte Thor.
„Cool!“ Jack sah auf den bläulich-silbernen Stoff, der dort am Boden lag und fragte sich, warum die Dinge sonst nicht auch so einfach waren.
Ja – warum eigentlich nicht? „Wir hätten gerne ein Dutzend davon“, fügte er hinzu.
„Die Asgard werden den Menschen niemals einen Teil ihrer Technologie zur Verfügung stellen“, schnarrte Hermiod ungnädig von der Seite.
Im Grunde hatte Jack besseres zu tun, als sich mit einem humorlosen Asgard wie Hermiod zu streiten. Daher widmete er sich wieder den Anzügen und stellte fest, dass sie ausgesprochen leicht waren. „Entschuldige, Thor“, meinte er, dann doch etwas skeptisch. „Aber der hier ist mir zu groß.“ Er sah hinüber zu Teal’c. „Ich fürchte, der passt keinem von uns.“
Thor schien das jedenfalls nicht zu stören. Er blinzelte nachsichtig und bat Jack dann: „Du solltest ihn jetzt anlegen, O’Neill.“
Eigentlich sah Jack keinen Sinn darin, Kleidung anzuprobieren von der klar war, dass sie ihm nicht passen würde. „Einfach überstreifen?“, fragte er dann trotzdem.
„Es sei denn, du möchtest die Recyclingsysteme des Anzugs in vollem Unfang nutzen. In diesem Fall solltest du deine vorhandene Kleidung vorher ablegen. Auch der Tragekomfort sollte sich dadurch erhöhen.“
Jack brauchte einen Moment, bis er verstand: Nein, er hatte nicht vor, sich in die Hose zu machen.
Also zog er lediglich die schwarze SG-Weste aus und schlüpfte schließlich seufzend in die Hosenbeine. Gleichzeitig wies sein Team an, diesem Beispiel zu folgen.
„Ist das alles?“, fragte Daniel ungläubig, während auch er in den einteiligen Anzug schlüpfte. „Gibt es keinen Rucksack mit Lebenserhaltungssystemen oder so?“
„Alle benötigte Hardware befindet sich im Material des Anzuges“, beteuerte Hermiod von seiner Konsole her.
Jack befühlte den Stoff genauer. Er war einige Millimeter dick, ließ sich knittern und verbiegen, jedoch kaum eindrücken.
„Der Anzug verfügt über einen Schutzschirm. Dieser dient allerdings nur dem Schutz vor extremen Umwelteinflüssen. Gegen Energiewaffen bietet er nur unzureichenden Schutz und Replikatoren können ihn durchdringen“, erläuterte Thor. „Die eingebauten Kraftverstärker sind für uns sehr wichtig, da sie einem Asgard das Tragen schwerer Gerätschaften erlauben. Für euch dürften sie zwar unnötig sein, jedoch haben wir sie der Einfachheit halber in der Konstruktion belassen.“
Das erklärte jedenfalls die Stärke der Asgard im Korridor.
„Kraftverstärker?“, echote Daniel. „Also daher kommt die Legende von deinem Machtgürtel und den Eisenhandschuhen?“
Der Blick des vermeintlichen Donnergottes schien ausdrücken zu wollen, dass er so etwas nicht mit Außenstehenden diskutierte.
Inzwischen hatte Jack den Anzug übergestreift und kam sich in dem schlappernden Stofffetzen ziemlich albern vor. Es gab nicht einmal einen Reißverschluss, mit dem er ihn an der Vorderseite hätte schließen können.
Ehe er sich jedoch beschweren konnte, kam Leben in den Anzug.
Mit einem schmatzenden Geräusch zog er sich um ihn zusammen, schmiegte sich an seinen Körper und verschloss sich.
Einen Moment war Jack wie gelähmt. Dann entspannte er sich, denn der Anzug machte keinerlei Anstalten ihn zu zerquetschen. Die Tatsache, dass er ziemlich eng anlag, bemerkte er nicht etwa dadurch, dass es ihn irgendwo gekniffen hätte, sondern daran, dass sein Blick etwas länger als angemessen an Carter haften blieb. Erst danach fiel ihm auf, dass der Stoff der Uniform äußerst dicht an seinen Körper gepresst wurde, was durchaus ein etwas gewöhnungsbedürftiges Gefühl war.
„Eine Frage hätte ich, wenn wir es schon sein sollen, welche die Replikatoren vertreiben“, kam es schließlich von Daniel. „Die Kugeln unserer Waffen werden doch von Explosionen angetrieben – von Feuer. Und Feuer braucht doch Sauerstoff, den es im Vakuum nicht gibt. Womit sollen wir da draußen also schießen?“
Verdammt. Jack hatte eigentlich keine Lust auf diese komischen Asgard-Gewehre.
„Das ist kein Problem“, beantwortete Carter die Frage, während sie die SG-Weste einfach über ihrem Anzug anlegte. „Der nötige Sauerstoff ist bereits im Pulver vorhanden. Unsere Waffen funktionieren sogar besser, wenn sich die Explosionen ohne den Gegendruck einer Atmosphäre ins Vakuum ausdehnen können.“
Das war ein Wort. Zufrieden hob Jack seine Waffe vom Boden auf und sah grimmig hinüber zum Holodisplay. Seiner Ansicht nach hatten sie nun genug Zeit vertrödelt.


* * *


EIN TAG ZUVOR

Eigentlich hatte Daniel erwartet, dass es kaum eine harmlosere Mission als diese geben könnte.
Seit sie Jacob Carters abgestürztes Frachtschiff wieder flott gemacht hatten – und damit die Erde vor einem Asteroiden aus Naquada gerettet hatten – hatte Sam Druck bei General Hammond gemacht. Mit dem Goa’uld-Raumschiff verfügten sie über die Möglichkeit, überlichtschnelle Reisen an Orte anzutreten, die über kein Stargate verfügten. Sam wollte diese neu gewonnene Fähigkeit nutzen, um ein besonderes astrophysikalisches Phänomen zu untersuchen.
Offensichtlich hatte der General irgendwann nachgegeben und so hatten sie sich auf den Weg gemacht. Inzwischen war das Ziel erreicht.
Das Sonnensystem wurde von einer großen, roten Sonne dominiert. Der zweite Stern war dagegen kaum zu sehen. Was jedoch deutlich auf seine Anwesenheit hinwies, war der gewaltige Materieschlauch, der sich zwischen den beiden Sonnen erstreckte.
Dass sich in diesem Schlauch Materie von dem großen Stern zum kleinen bewegte, wusste Daniel zwar, konnte es allerdings nicht erkennen. Die Szenerie wirkte im Gegenteil wie eingefroren. Genau wie Wolken, die sich auch nicht zu bewegen schienen, wenn man sie nicht lange genug beobachtete.
Das System verfügte über keine Planeten oder sonst etwas, das nicht ausschließlich wissenschaftlichen Wert gehabt hätte. Wenn sie also tatsächlich dort jemandem begegnen sollten, dann nur einem friedlichen Forscher. Was also hätte schief gehen sollen? Es gab nur sie und die beiden Sterne.
„Und Sie sind sicher, dass es sicher ist?“, wiederholte Jack seine Frage.
Sam rollte mit den Augen. „Sir“, erklärte sie ihm ruhig. „Der Weiße Zwerg saugt seit vielen, vielen Jahren Materie von seinem Nachbarn ab. Was meinen Sie, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass er gerade jetzt die kritische Masse überschreitet und zur Supernova wird?“
Darüber musste Jack eine Weile nachdenken. „Okay!“ Er stieß sich von der Wand des Cockpits ab, an welcher er bis eben gelehnt hatte, winkte zufrieden Teal’c und verkrümelte sich mit diesem in den Frachtraum.
Etwas ratlos blieb Daniel zurück. Es kam nicht oft vor, dass er während einer Mission nichts zu tun hatte. Zwar hatte er sich etwas Arbeit aus dem SGC mitgebracht, aber irgendwie kam es ihm reichlich unpassend vor, während einer Mission an so etwas zu arbeiten.
„Was genau untersuchen Sie denn da?“, fragte er Sam schließlich. Viel zu oft wurde sie von Jack bei ihren Ausführungen abgewürgt. Jetzt könnte sie sich einmal aussprechen.
„Ich...“, begann sie, stockte aber dann. „Tut mir leid, Daniel“, erklärte sie ihm bedauernd und schüttelte den Kopf. „Ich würde das jetzt gerne tun und nicht darüber reden.“
„Schon verstanden“, machte er einen Rückzieher. Offensichtlich war es ihr diesmal ganz recht gewesen, nicht in Details gehen zu müssen.
Da Daniel nichts Besseres zu tun wusste, ging er nach hinten in den Frachtraum. Dieser war gefüllt mit Kisten voller Ausrüstung und Waffen, welche irgendwann einmal eingeladen worden waren und die niemand für ihre Mission hatte ausladen wollen. Zwischen all den Kisten saßen Jack und Teal’c am Boden, Spielkarten in der Hand.
„Hey, Daniel“, rief Jack. „Teal’c kennt da ein tolles Spiel von Chulak. Braucht leider mindestens drei Personen. Sie wissen nicht zufällig jemanden, der Lust hätte mitzuspielen?“
Daniel brauchte keine zweite Einladung. Ganz abgesehen davon, dass es genau den gesuchten Zeitvertreib darstellte, war Daniel stets neugierig auf Einblicke in andere Kulturen.
Das Spiel war allein schon deswegen recht interessant, weil man es mit drei unvollständigen Kartensätzen spielte. Wie Daniel rein zufällig wusste, spielten die Jaffa ihre Spiele nicht mir Karten aus Karton, sondern mit hölzernen Chips, deren Art und Menge sich von gewöhnlichen Spielkarten unterschied. Dies machte die ungewöhnliche Kartenmischung notwendig, die Daniel nun in der Hand hielt.
Zwar glaubte er, sehr schnell die Regeln zu begreifen – was er allerdings nicht verstand, war das kurze, tiefe Grummeln, welches Teal’c des Öfteren von sich gab. Es dauerte eine Weile, bis er erkannte, dass es eine Art unterdrücktes Lachen darstellte. Daniel hatte zu vermuten begonnen, dass das Spiel irgendeinen tieferen Sinn aufwies, den er nicht durchschaute, war jedoch bis heute nicht dazu gekommen, Näheres herauszufinden.
„Teal’c!“, rief es auf einmal vom Vorderteil des Schiffes her. „Wir müssen hier weg. Jetzt!


* * *


Ein einziges Mal hatte Daniel einen dieser NASA Raumanzüge getragen und war froh gewesen, dass er im Weiteren davon verschont geblieben war.
Sie waren dick, bestanden aus soundsoviel Schichten, einschließlich Wasserkühlung und Heizung, hatten starre Handschuhe und waren unangenehm schwer. Wirklich schlimm war es geworden, als er durch das Stargate getreten war und sich der Anzug ruckartig wie ein Luftballon im Vakuum aufgebläht hatte. Er hatte sich nur mühsam bewegen können und das hatte seine Begeisterung für die Mission damals beinahe gedämpft.
Die Raumanzüge der Asgard waren nicht nur federleicht, sie waren auch von einem Schutzschild umgeben, welcher die Luft im Inneren hielt. Entsprechend blähte sich der Anzug auch nicht auf und Daniel konnte genauso gemütlich auf der Hülle des Schiffes stehen, wie in seinem Inneren.
Das heißt, er hätte dort gemütlich stehen können, wenn Thor sie zu ihrem Vergnügen hier her gebeamt hätte. So aber stand er nun vor einem der Radiatoren – einer Art Passivkühler, der so groß wie ein zweistöckiges Haus und bedeckt von Replikatoren war, die bereits riesige Löcher in ihn hineingefressen hatten.
Ohne zu zögern griff Daniel nach dem Gewehr und entsicherte es.
Das Sternentor hatte sehr schnell dafür gesorgt, dass ein Teil seiner Skrupel dahingeschwunden war und es gab Momente, in denen bereitete ihm das Angst. In diesem Augenblick jedoch, brauchte er definitiv kein schlechtes Gewissen zu haben.
Betrachtete man es aus Sicht der Replikatoren, so waren sie niemandes Feind. Wenn sie Raumschiffe und Planeten angriffen, dann taten sie das nicht aus Bosheit. Wenn sie Sternenreiche stürzten, dann strebten sie dabei nicht nach Reichtum oder Macht. Ihr einziges Interesse lag darin, sich zu vermehren. Die dafür notwendigen Rohstoffe entnahmen sie ihrer Umgebung. Und da es sich bei den Rohstoffen um Materialien wie Stahl oder veredeltes Trinium handelte, die in der Natur so nicht vorkamen, war die „Umgebung“ stets eine technisierte Zivilisation und nie eine unbewohnte Welt. Wehrte sich die Zivilisation, so taten das auch die Replikatoren.
Zwar waren sie intelligent in dem Sinne, dass sie geplant vorgehen konnten und lernfähig waren. Jedoch verfügten sie über keinerlei Bewusstsein, geschweige denn die Fähigkeit, über ihr eigenes Tun nachzudenken. Es waren seelenlose Maschinen, eine Krankheit, die zwar ebenfalls keine bösen Absichten hatte, aber dennoch bedingungslos bekämpft werden musste, wenn sie auftrat.
Als Daniel das erste Mal eine vollautomatische Waffe abgefeuert hatte, hatte er noch geglaubt, taub werden zu müssen. Diesmal hörte er nichts. Die Waffe wurde vom Schutzschirm nicht eingeschlossen – durfte nicht eingeschlossen werden, um freies Schussfeld zu haben – aber draußen gab es keine Luft, welche den Schall hätte leiten können. Das Mündungsfeuer war völlig geräuschlos. Eine lautlose Waffe in der Hand zu halten und trotzdem sich bemühen zu müssen, dass ihre Erschütterungen sie nicht aus dem Ziel laufen ließen, hatte etwas seltsam Unwirkliches an sich.
Die Replikatoren reagierten schnell. Keiner von ihnen setzte seine Mahlzeit fort, keiner zog sich in die Deckung der Oberseite des Kühlers zurück. Sie alle drehten sich um und kamen die senkrechte Wand heruntergestürmt. Schnell hatten die ersten den Boden erreicht und wären auch längst bei ihnen gewesen, wenn sie nicht zuvor genauso lautlos zerplatzt wären, wie ihre Waffen feuerten.
Bauteile stoben in alle Richtungen davon. Viele von ihnen verließen das schwache Schwerefeld der Mjölnir, wurden herausgeschleudert in das gähnend-schwarze, scheinbar alles-verschlingende Nichts über ihnen oder schlitterten bis über den Rand des Schiffes hinweg.
Plötzlich stieß sich einer der größeren Käfer von der Wand ab und landete unmittelbar vor Daniels Füßen.
Er zuckte zusammen und schoss.
Wäre der Käfer nicht so beschäftigt damit gewesen, sich am Boden festzukrallen, damit die Wucht seines eigenen Aufpralls ihn nicht ins All schleuderte, hätte das böse enden können. Die Tatsache, dass Daniel sicher war, solange ihn keiner der Replikatoren erreichte, konnte ihn in diesem Augenblick nur noch wenig beruhigen, zu nahe war ihm das riesige Viech eben gekommen.
Die Säure der Replikatoren war giftig. Sie konnten mit einer Beiläufigkeit töten, dass man ihren Opfern manchmal gar nicht ansah, was sie getötet hatte. Aber wenn sie böse wurden, wenn man sie wirklich wütend machte... Die Säure fraß sich selbst durch den härtesten Asgard-Verbundstoff. Daniel hatte die Akte mit den Fotos der Toten an Bord des russischen U-Bootes gesehen und wünschte sich bis heute, er hätte seine Neugier besser gezügelt.
Eine Granate flog auf einer seltsam schwankenden Bahn, welche ihr das unregelmäßige Schwerefeld nahe der Außenhülle des Schiffes diktierte, auf das Dach des Radiators und schleuderte in einer grellen Explosion dutzende von Käfern davon.
Es war ein purer Reflex von ihm, das Feuer einzustellen, als die Käfer mit einem Mal stehen blieben. Dann drehten sie um und machten, dass sie davonkamen.
Daniel zögerte nicht. Ob jetzt oder später, die Replikatoren mussten zerstört werden. Er war der erste, der erneut das Feuer auf den fliehenden Gegner eröffnete.
Dann waren sie fort. Sofort schloss sein Schirm die nicht mehr benötige Waffe mit ein.
„Ähm. O’Neill an Thor...“ Daniel sah, wie Jack etwas ratlos gegen die Scheibe seines Helmes klopfte.
„O’Neill?“, erklang sofort die Stimme des Asgard aus dem Funkgerät des Anzuges.
„Hab ich irgendwas verpasst? Die Käfer ziehen sich zurück!“
Schweigen. Einzig die Schutzschirme, die stückweise zwischen ihren Füßen und der Schiffshülle eingequetscht waren, erzeugten dort unten ein kaum wahrnehmbares Brummen.
„Möglicherweise habt ihr sie in die Flucht geschlagen“, schlug Thor dann vor.
Während Jack das als äußerst unwahrscheinlich ablehnte, hatte Daniel das Bedürfnis, nach oben zu sehen. Dorthin, wo nur das Nichts des intergalaktischen Leerraumes sein sollte.
„Leute“, hörte er sich sagen und deutete nervös nach oben. „Die gute Nachricht ist, dass wir nicht in die Sonne stürzen werden...“

Daniel starrte hoch zur braun gefärbten, schlechten Nachricht, die nicht weniger bedrohlich, als es der Stern hätte sein können, über dem Schiff zu hängen schien.
„Ist es das, wofür ich es halte?“, fand Jack seine Sprache wieder.
„Wenn Sie es für einen Planeten halten, dann ja“, bestätigte Daniel. Das Ding war bereits verdammt nah, ließ gerade noch soviel vom „Himmel“ frei, dass man es nicht bemerkte, wenn man lediglich geradeaus blickte.
Die Oberfläche der Welt bestand aus graubraunen und teilweise bläulichen Landmassen. Aus der Tatsache, dass einige der erkennbaren Linien Daniel an Küstenstreifen erinnerten, schloss er, dass die tiefbraunen Flächen Ozeane darstellen – aus was auch immer sie bestanden. Die Wolken jedenfalls hatten eine gelbliche Farbe, womit für ihn endgültig klar war, dass er mit diesem Planeten jedenfalls nicht das Paradies vor sich hatte.
„Thor, kannst du unseren Kurs bestimmen?“, fragte Sam, die einen kühlen Kopf behalten hatte.
Nach kurzem Zögern kam die Antwort. „Wir bewegen uns auf den Planeten zu, allerdings nicht im freien Fall. Es steht zu vermuten, dass wir von einem Zugstrahl sicher zur Oberfläche hinabgeleitet werden.“
Also war es kein Zufall gewesen, dass sie am einzigen Stern inmitten dieser Leere aus dem Hyperraum gefallen waren, dachte Daniel. Es schien statt dessen irgendjemanden oder irgendetwas auf dieser Welt zu geben, der oder das großen technischen Aufwand betrieb, um sie zu sich zu holen. Möglicherweise waren sie bereits im Hyperraum vom Kurs abgebracht worden.
„Trotzdem würde ich es vorziehen, wieder rein zu kommen“, meinte O’Neill. „Es könnte hier draußen etwas stürmisch werden, wenn wir in die Atmosphäre eintreten.“
„Du hast recht O’Neill“, erklärte Thor. „Die Schutzschilde der Mjölnir sind leider ausgefallen. Die zu erwartende Reibungshitze würde euch zweifellos töten.“ Schweigen. „Allerdings sind die Transporter ebenfalls nicht mehr einsatzbereit. Ihr werdet eine Luftschleuse aufsuchen müssen. Die am nächsten liegende befindet sich links von euch, auf der Seitenfläche des Schiffes.“
Grimmig mahlten Daniels Zähne übereinander. Manchmal fragte er sich, ob Schwierigkeiten magnetisch waren und sie irgendwo in ihren Körpern starke Magnete bei sich trugen.
„Ihr solltet euch beeilen“, musste Thor zu allem Überfluss noch drängen.
„Dann los“, befahl Jack und gemeinsam wandten sie sich nach links. So schnell es ging, schritten sie über die silbrige, wie poliert glänzende Hülle des Asgardschiffes.
Nach Thors Angaben war es reines Glück, dass ein Teil der Schiffgravitation bis hier nach draußen drang. Entsprechend hatte sich auch keiner der Konstrukteure die Mühe gemacht, hier für ein gleichmäßiges Schwerefeld zu sorgen. So kam es vor, dass die Schwerkraft mal stärker, mal schwächer und mal gar nicht vorhanden war.
Das behauptete zumindest Thor. Daniel merkte davon nichts, da der Raumanzug ein eigenes Schwerefeld erzeugte, was ausgesprochen komfortabel war. Allerdings wirkte das Feld nur im Inneren des Kleidungsstücks. Am Boden hielt sie nicht Schwerkraft, sondern Zugstrahlprojektoren in ihren Sohlen. Das war auch der Grund, warum sie schritten und nicht rannten. Sie mussten stets mindestens einen Fuß am Boden halten, ansonsten bestand die Gefahr, dass sie, ohne es zu merken, in ein Gebiet der Schwerelosigkeit kamen und sich mit einer falschen Bewegung ins All abdriften ließen.
Daniel kniff die Augen zusammen. Irgendwie hatte er das Gefühl, nicht mehr richtig sehen zu können.
Er warf einen Blick zu den Freunden an seiner Seite und sah, dass sie in eine rötliche Aura gehüllt waren. Diese schien an ihren Köpfen zu beginnen und dann nach unten kegelförmig aufzufächern. Erst jetzt fiel Daniel der Rotstich auf, den auch die restliche Welt bekommen hatte.
Er machte Sam darauf aufmerksam. „Es sind vermutlich Ionen der oberen Atmosphärenschichten, die gegen unsere Schutzschilde schlagen und dort zum Leuchten angeregt werden“, vermutete sie.
„Ich verstehe nur Atmosphäre“, beschwerte sich Jack.
„Wir sollten uns beeilen, Sir“, erwiderte sie schlicht.
Das taten sie dann auch und erreichten schließlich den Rand der Mjölnir.
„Und jetzt?“, fragte Daniel etwas ratlos. Vorsichtig spähte er über den unermesslich tiefen Abgrund hinweg.
„Es sind unsere Stiefel, die sich am Schiff festsaugen“, erinnerte Sam. „Und die Anzüge sorgen dafür, dass bei unseren Stiefeln immer unten zu sein scheint, selbst wenn wir frei im All schweben würden. Wir könnten also genauso problemlos auf der Seitenwand des Schiffes entlang laufen, wie wir es gerade auf seiner Oberseite tun.“
Jack sah sie misstrauisch an. „Ja, Carter... Nur, wie kommen wir über die Kante?“, fragte Jack, welchem Sams Erklärung zu Daniels Verwunderung sofort einleuchtete.
„Ich glaube, da hinten ist die Schiffswandung abgerundet“, warf Daniel ein. Der Übergang zwischen Ober- und Seitenfläche erfolgte dort nur ganz allmählich.
Sam schüttelte in ihrem Helm den Kopf. „Wir haben für einen solchen Umweg keine Zeit!“
Ehe irgendwer noch etwas sagen konnte, hob Teal’c seinen rechten Fuß an, löste ihn von der Oberseite des Schiffes und lehnte sich etwas nach vorne. Als er ihn dann auf der Seitenfläche des Schiffes wieder absetzte, saugte sich der Stiefel daran fest und schien dort tatsächlich zu haften.
Dann begann Teal’c sich weiter nach vorne zu lehnen. Daniel musste einen Impuls unterdrücken, ihn nicht zurückzureißen, damit er nicht vornüber fiel. Es sah ziemlich grotesk aus, als Teal’c weit mehr als 45 Grad nach vorne gebeugt schließlich auch seinen linken Fuß vom Boden löste.
Langsam, ganz langsam begann er das rechte Bein durchzustrecken, mit dem er auf der Seitenfläche stand, zog das linke Bein nach und setzte es neben dem rechten wieder ab. Dann beugte er sich weiter nach vorn. Als Teal’c zur Ruhe kam, war die Seitenwand des Schiffes zu seinem Fußboden geworden.
Das Ganze sah aus, als ob eine optische Täuschung mit einem Mal Realität geworden wäre. Wie gebannt hatte Daniel den Vorgang verfolgt. „Alles okay?“, fragte er schließlich etwas ungläubig.
„Schwindlig“, erklärte Teal’c knapp.
„Na, dann los. Ihr habt den Mann gesehen“, forderte Jack sie auf und hob ebenfalls einen Fuß an, während er die Arme zum Balancieren ausstreckte.
Daniel sparte sich letzteres, da er ziemlich sicher war, dass es nicht helfen würde. Statt dessen atmete er tief durch und versuchte die Vorstellung loszuwerden, an einer steil abfallenden Klippe aus Metall zu stehen.
Er folgte Teal’cs Beispiel, winkelte den Fuß an und setzte ihn auf die Wand der Klippe. Dann schloss er die Augen, weil er fürchtete, sich sonst nicht überwinden zu können. Doch er öffnete sie sofort wieder, weil sein Gleichgewichtssinn nicht verstand, was los war: obwohl er seinen Körper nach vorne geneigt hatte, schien nichts dabei passiert zu sein.
Daniel sah sich um und erkannte, dass in Wahrheit lediglich sein Gefühl für unten unverändert geblieben war. Nach vorne geneigt hatte er sich durchaus. In seltsam verrenkter Haltung stand er nun auf der Kante. Diese wirkte jetzt aber nicht mehr wie die abrupte Grenze zu einem Abgrund, sondern wie die Spitze eines Berges, der nur noch allmählich vor ihm abfiel. Allmählich konnte Daniel nachvollziehen, warum Teal’c gemeint hatte, ihm wäre dabei schwindelig geworden.
Ohne darüber nachzudenken, lehnte sich Daniel weiter nach vorne und beobachtete, wie dadurch der scheinbare Berg immer flacher zu werden schien.
Schließlich konnte er den auf der Oberseite des Schiffes verbliebenen Fuß nicht mehr halten, zog ihn nach und setzte ihn auf der Ebene unter ihm wieder ab, welche eben noch eine steil abfallende Klippenwand gewesen war. Mit einem Mal stand er nun tatsächlich auf der Seitenwand des Schiffes!
Teal’c befand sich neben ihm. Scheinbar noch genauso wie zuvor, nur dass sein Schutzschirm inzwischen in einem hellen Orange strahlte und die Aura ihre Ausbreitungsrichtung geändert hatte. Der Blick durch die Helmscheibe zeigte, dass Teal’c die Augen geschlossen hatte. Daniel wurde dabei allerdings das Gefühl nicht los, dass es nicht nur das Leuchten der vorbeiströmenden Luft war, welche Teal’cs Gesichtsfarbe ungewöhnlich erscheinen ließen.
Als ob er bemerkt hätte, dass Daniel ihn beobachtete, verkündete Teal’c: „Mir ist übel.“ Der Schritt über die Kante hatte ihm und seinem Gleichgewichtssinn offenbar ziemlich schwer zugesetzt.
„Dir ist schon klar, dass du dich in dem Helm nicht übergeben darfst?“, fragte Daniel besorgt.
Teal’c senkte den Kopf in einem Nicken, schien es dann aber nicht wagen zu wollen, ihn wieder zu heben.
Sam trat an Teal’c heran. „Nicht erschrecken“, sprach sie in beruhigendem Tonfall. Ihr Schutzschirm, welcher bisher ein gleichmäßiges Oval mit möglichst geringer Angriffsfläche und ohne abrupte Krümmungen gebildet hatte, passte sich den neuen Erfordernissen an und schmiegte sich dicht um ihren Arm, als sie diesen Teal’c entgegenstreckte. Der Schirm brummte für einen Moment, als er auf den Kollegen traf, der Teal’c umschloss, zeigte dabei eine Art weißes Schneegestöber, wie ein Fernseher auf einem toten Kanal, und verschmolz mit seinem Partner.
Sam drückte eine Taste auf Teal’cs Arm, woraufhin sich dessen, bis auf einige wenige metallene Verstrebungen völlig durchsichtiger Helm zusammenfaltete, wie die Maske eines Horus-Kriegers.
Verwundert hob Teal’c den Kopf. Mit einem Mal schien er ungeschützt dem Vakuum ausgesetzt zu sein.
„Die Helme dienen nur als Sicherheit, falls die Schutzschirme ausfallen“, erklärte Sam.
„Das könnte allerdings bald geschehen“, behauptete Jack.
Sam zögerte. „Finden wir es doch raus“, erwiderte sie dann und ließ Teal’c wieder los. „Anzug – wie ist mein Schildstatus?“
Sofern der Anzug ihr antwortete, konnte Daniel das nicht hören. Jedoch erinnerte er sich daran, dass Thor gemeint hätte, dass man sich mit dem internen Computer des Anzugs ganz normal unterhalten könnte. Thor hatte allerdings so viel gesagt, bevor er sich trotz der Zeitnot hatte überwinden können sie schließlich nach draußen zu beamen, dass Daniel bis eben gar nicht mehr daran gedacht hatte.
„Anzug – wie ist mein Schildstatus?“, wiederholte er.
In der linken, unteren Ecke seines Blickfelds erschienen zwei Balken. Interessanterweise blieben sie dort auch, als er den Kopf drehte. Er konnte sich das nur so erklären, dass die Bilder nicht in die Helmscheibe, sondern direkt auf seine Netzhaut projiziert wurden. Natürlich war der Rand seines Sichtfeldes unscharf, wie das beim menschlichen Auge nun mal so war. Erst, wenn er gezielt die Balken anblickte, wurden sie deutlich lesbar.
„Der linke Balken zeigt die derzeitige Auslastung des Schirmes“, verkündete eine Stimme, die wie ein Asgard klang. Der Balken war mit 23% beschriftet, was bedeutete, dass der Schutzschirm mit den Luftteilchen durchaus fertig wurde. „Der rechte Balken zeigt den derzeitigen Energievorrat an.“ Dieser Balken war auf 89% gesunken. Daniel brauchte keine langen Erklärungen, um zu begreifen, dass der Schirm ausfallen würde, wenn der Balken nahe an die Null heran kam – geringe Schirmlast hin oder her.
„Geht’s wieder, Kumpel?“, fragte Jack Teal’c.
Dieser nickte jetzt schon wieder selbstsicherer. „Es geht, O’Neill.“
Inzwischen konnte Daniel auch an diversen Vorsprüngen der Schiffsoberfläche ein geisterhaftes, orangenes Leuchten ausmachen. Der Planet war inzwischen erschreckend nahe. Es schien so, als wolle ihnen nicht der Himmel, sondern der Erdboden auf den Kopf fallen.
„Dann weiter!“, beschloss Jack.
Gesagt, getan. Thor gab ihnen über Funk Anweisungen, welche Richtung genau sie einzuschlagen hatten und nach einigem Dahinschreiten fanden sie schließlich die Schleuse.

Jack ging in die Hocke und presste die Finger auf den Knopf, den er für den unteren der drei hielt. Ohne zu murren wich das Schott beiseite. Murren tat lediglich Daniel, als ihm klar wurde, dass er eben nicht einfach in die entstandene Öffnung hineinhüpfen konnte, sondern statt dessen wieder ein Klettern über die Kante der Schleuse vor sich hatte.
Teal’c würde das bestimmt freuen...


* * *


EIN TAG ZUVOR

Natürlich war die Sache nicht ganz so einfach, wie sie es dem Colonel dargelegt hatte. Es war nur sehr wenig eine Frage der Wahrscheinlichkeit, wann der Stern explodierte.
Der Weiße Zwerg sammelte so lange Materie ein, bis Druck und Temperatur in seinem Inneren ausreichten, um den Kohlenstoff, aus dem er weitgehend bestand, in einem Fusionsvorgang zu zünden. Dies erfolgte explosiv und würde den Stern vollständig zerreißen.
Es gab Berechnungen darüber, wie lange es dauern würde, bis dieser Zeitpunkt kam. Die Veröffentlichung zu diesem Thema war gerade mal drei Jahre alt. Sam hatte sie gelesen, aber nicht nachgerechnet. Grund dafür war schlicht, dass solche Rechnungen toll aussahen und tolle Ergebnisse lieferten, nichtsdestotrotz aus den unterschiedlichsten Gründen gnadenlos ungenau oder auch falsch sein konnten. Genau deswegen war sie in dieses System geflogen. Sie wollte wissen, wie weit der Stern mit dem Aufsammeln wirklich war und dann die Theorie solange bearbeiten, bis sie die Wirklichkeit widerspiegelte.
Nur hatte sie nicht damit gerechnet, dass die Vorhersage aus der Veröffentlichung derart falsch war.
Also war es so gekommen, wie es kommen musste: der Stern war vor ihrer Nase explodiert. Und sie waren nah gewesen. Zu nah. Sie hatten nicht bleiben können, um das Schauspiel zu beobachten, sondern hatten in den Hyperraum fliehen müssen.
Nur war die durch die Explosion entstandene Tachyon-Stoßfront schneller gewesen und so war das gleiche geschehen, wie bei letzten Mal, als Sam eine Sonne in die Luft gejagt hatte: es hatte sie in eine andere Galaxie verschlagen.
Die Begeisterung war alles andere als groß gewesen, doch keiner hatte ihr einen ernstzunehmenden Vorwurf gemacht.
Da hatten sie also gesessen. In einem beschädigten Frachtschiff, in einer unbekannten Galaxie. Mit einem irreparabel beschädigten Hyperantrieb, der ihnen allerdings selbst, wenn er funktioniert hätte, niemals die Heimreise ermöglicht hätte.
Vor lauter Verzweiflung hatten sie beschlossen, einen Notruf zu senden und gehofft, doch einmal Glück zu haben und an jemand Freundlichen zu geraten.
Tatsächlich hatten sie Glück gehabt. Eine Menge sogar, denn die Galaxie war gar nicht so fremd. Es war die Galaxie Ida, die Heimat der Asgard. Ein kleines Schiff mit einem Asgard namens Aegir war sehr schnell zur Stelle und schleppte sie ab.
Es war offensichtlich gewesen, dass die Asgard ein schlechtes Gewissen hatten, ihnen bei der Sache mit dem Asteroiden nicht geholfen zu haben. Anders konnte Sam es sich nicht erklären, dass Aegir sie nicht zum nächsten Sternentor schleifte und gute Heimreise wünschte – wohlgemerkt ohne das für sie so wertvolle Frachtschiff.
Statt dessen brachte er sie zu einem modernen Asgardkreuzer, welcher sie sofort einschleuste. Das Schiff trug den Namen von Thors Hammer: Mjölnir. Derzeitiger Kommandant war Thor selbst und so kam es, dass der Oberkommandierende der Asgardflotte das Team höchstpersönlich nach Hause kutschierte.
So zumindest hatte der Plan ausgesehen, bis das Glück beschloss – möglicherweise aus Langeweile – sie wieder zu verlassen.
Sie hatten Ida noch nicht lange hinter sich gelassen, als die ersten Systeme des stolzen Schiffes ausfielen. Das leise Klicken und Quietschen in den Wänden war nicht nötig gewesen, um ihnen zu sagen, was da los war – die Asgard wussten es sofort. Alle ihre anderen Instinkte mochten längst vollkommen verkümmert sein, aber wenn Replikatoren an Bord waren, dann spürten die Asgard das.
Leider nur zu spät.
So spät, dass von den Kisten voller Ersatzmagazinen im Frachtraum ihres Schiffes am Ende der Mission sicher nichts mehr übrig sein würde.


* * *


Sie waren sicher im Inneren des Schiffes angekommen, standen wieder in der Zentrale. Die drei Holodisplays hatten sich in ein einziges verwandelt und zeigten die näher kommende Oberfläche des fremden Planeten.
Scham erfüllte Teal’c. Einem Krieger hatte nicht schlecht zu werden. Sein Zustand hatte die Gefährten aufgehalten und somit einer unnötigen Gefahr ausgesetzt.
Es war schon schlimm genug gewesen, beinahe in Panik zu geraten, als O’Neill ihm einst erklärt hatte, er solle mit einem rucksackartigen Ding auf dem Rücken, von dem er nie geglaubt hätte, das es seinen Fall bremsen könnte, aus einem fliegenden Vehikel der Tau’ri springen. Doch damals hatte er getan wie geheißen und der Fallschirm hatte sich ohne Probleme geöffnet.
Diesmal dagegen hatte er die Probleme verursacht und das würde er so schnell nicht vergessen.
Auf dem Display wurden allmählich Details der Planetenoberfläche sichtbar. Das Land unter ihnen war grau und mit rechteckigen, blauen Flächen bedeckt, die wohl Felder waren. Auch Siedlungen schien es zu geben – oder waren es Großstädte? Teal’c war sich über die Größenverhältnisse noch nicht im Klaren.
Sie näherten sich der Küste von einem der braunen Ozeane her. Inzwischen waren sie so tief, dass Teal’c eine große, offenbar betonierte Fläche erkennen konnte, die von einigen wenigen, flachen Gebäuden gesäumt war.
„Sind das Menschen?“, fragte Daniel und deutete auf einige Pünktchen am Rand der Fläche.
„Möglicherweise das Empfangskomitee“, schlug Teal’c vor, der das Gefühl hatte, dass diese Fläche ihr Ziel darstellte.
Der Asgard an dem Pult rechts vor Thors Kommandosessel hieß Hyrrockin, war anscheinend weiblich und so eine Art Navigator. Die Weiblichkeit sah man ihr allerdings genauso wenig an, wie anderen Asgard ihre Männlichkeit. Ihr Name war identisch mit dem einer Riesin, welche der Legende nach als einzige in der Lage gewesen war, ein bestimmtes, ausgesprochen schweres Boot zu Wasser zu lassen. „Die Replikatoren zünden die Atmosphärentriebwerke“, meldete sie.
Ein Zittern durchlief das Schiff. Ganz offenbar nur widerstrebend begann die Mjölnir nach rechts zu schwenken, ohne jedoch ihren Sinkflug zu beenden.
„Warum haben die das nicht früher getan?“, sprach Daniel Jackson aus, was ihn bewegte.
„Die wollen doch landen“, klärte O’Neill ihn lakonisch auf. „Nur wollen sie selbst bestimmen wo.“
„Der Zugstrahl wurde deaktiviert“, kommentierte Hyrrockin das Aufhören des Zitterns.
Die Mjölnir senkte sich auf eines der mit blauen Gewächsen bepflanzten Felder herab, schien noch einen Moment zu zögern und setzte dann auf.
O’Neill deutete auf das Hologramm mit der Außenansicht. In einiger Entfernung war dort der Beginn des braunen Ozeans zu erkennen. „Also, entweder haben die hier weit mehr Probleme mit Umweltverschmutzung als wir oder...“ Der Satz versiegte mit einem „...ähm.“
„Es handelt sich um Schwefelsäure, O’Neill“, klärte ihn Thor auf.
O’Neill blickte angewidert auf das Display. „Wie nett...“
Mit seinem Unbehagen, sich auf einer Welt zu befinden, auf der die Ozeane nicht aus Wasser bestanden, war er dabei keineswegs alleine, denn auch Teal’c flößte der Anblick nicht gerade das Gefühl ein, hier zu Hause zu sein. Die gelben Wölkchen und das braune „Wasser“ vermittelten ihm den Eindruck einer vergifteten Umgebung. Sämtliche Farben wirkten irgendwie falsch und waren es vermutlich im Lichte der blauen Sonne auch. Bei gewöhnlicher Beleuchtung betrachtet, hätte sich bestimmt ein anderes Bild ergeben.
Das Holo, welches den Blick nach draußen zeigte, verschmälerte sich, um Platz für ein neues Display zu schaffen, welches eine Tabelle in Asgardschrift zeigte. „Die Außentemperatur beträgt 131°C“, las Thor ihnen vor. „Der Druck liegt bei etwa dem neunfachen eurer Welt und die Atmosphäre besteht weitgehend aus Neon und Argon.“
„Also das perfekte Urlaubsparadies“, kommentierte O’Neill.
„Kann es auf so einer Welt überhaupt Leben geben?“, fragte Daniel Jackson ungläubig und fast so, als gäbe es keine anderen Probleme.
„Natürlich. Den Asgard sind eine ganze Reihe von vergleichbaren Welten bekannt, die zwar über keine Intelligenz, allerdings über höheres Leben verfügen“, erklärte Thor bereitwillig. „Es basiert wie wir auf Kohlenstoff, weil es anders kaum herzustellen ist. Allerdings eignen sich die Edelgase der Atmosphäre nicht für eine irgendwie geartete Atmung. Statt dessen nehmen die Lebewesen meist roten Phosphor über die Nahrung auf. Dieser wird in ihrem Körper dann in eine energieärmere Modifikation überführt, was ohne die Zufuhr irgendeines anderen Stoffes funktioniert.“
„Aber wie...“, begann Major Carter sofort nachzufragen, wurde jedoch von einem gequälten „Jaaa!“ seitens Colonel O’Neill sehr schnell wieder unterbrochen.
Dieser schüttelte den Kopf, als hätte er Wasser in die Ohren bekommen, welches er nun verzweifelt versuchte, dort wieder herauszubekommen. Auf Carters vorwurfsvollen Blick meinte er: „Das können Sie doch sicher mit Thor irgendwann unter vier Augen bereden, oder?“. Dann begann er wieder wie abwesend an seinem schief gelegten Kopf herumzuklopfen.
Major Carter schien sich für diesen Vorschlag nicht sonderlich begeistern zu können, fügte sich aber.
Thor blinzelte, sah von einem zum anderen und war vermutlich zu intelligent, um den Dialog zwischen den beiden zu begreifen.
Hermiod entwickelte an seiner Konsole verstärkte Aktivität. „Es öffnen sich mehrere Luftschleusen im Schiff“, erklärte er. „Atmosphäre des Planeten dringt in die Korridore ein.“ Das Holo mit den Daten über den Planeten verschwand und machte Platz für eine Schiffskarte, in welcher einige Zonen zu blinken begannen. Groß waren diese allerdings nicht. „Die betroffenen Sektionen werden durch Notschotten und Kraftfelder abgeriegelt“, beruhigte Hermiod.
Erneut gruppierte sich die Holoanzeige um, kehrte zur Dreiteilung zurück und zeigte nun unter anderem eine etwas nach unten gekippte Außenansicht. Ein endloser Schwarm von Replikatoren regnete auf die Oberfläche des Planeten herab.
„Die Ratten verlassen das sinkende Schiff“, kommentierte O’Neill den Vorgang.
Obwohl Teal’c nicht ganz klar war, was O’Neill damit sagen wollte, verstand er dennoch, was die Replikatoren antrieb: Der Planet stellte weit mehr Ressourcen zur Verfügung, als das Asgardschiff. Und diese Ressourcen wollten sie sich aneignen.
Doch statt loszustürmen, begannen die Käfer übereinander herzufallen, als wollten sie sich gegenseitig auffressen.
Leider war dem nicht so. Statt dessen verschmolzen sie und nahmen eine neue Form an.
In dieser neuen Konfiguration waren sie bestimmt dreimal so groß, wie die größten Modelle, welche ihnen bisher begegnet waren. Der neue, lang gezogenen Körper endete in zwei riesigen Beinen und erinnerte Teal’c an den einer Heuschrecke, wie sie nicht nur auf der Erde heimisch war.
Mit einem riesigen Satz sprang die erste Replikator-Heuschrecke los, flog viele Meter weit und berührte den Boden nur sehr kurz, bevor sie erneut sprang.
„Sie müssen eine große Entfernung zurücklegen, wenn sie die nächste Stadt erreichen wollen“, erklärte Major Carter tonlos. „Dass sie sich an die Gegebenheiten anpassen, macht durchaus Sinn.“
„Ja – aber Heuschrecken?!“, kam es von O’Neill.
„Sie werden wie eine der sieben Plagen über diese Welt herfallen“, seufzte Daniel Jackson, stets auch um das Wohl anderer besorgt.
Teal’c sah die Sache pragmatischer. Die Tatsache, dass die Replikatoren das Asgardschiff verließen, würde ihnen das Leben sehr erleichtern. Dass nun das Leben von jemandem schwerer werden würde, welcher sie mit Gewalt aus dem Hyperraum gerissen und schließlich hierher entführt hatte, erschien Teal’c als kein allzu hoher Preis.


weiter: Kapitel 2

Kapitel 2 by Sphere
KAPITEL 2

Dumpfe Befriedigung erfüllte den Oberkommandierenden der Asgardflotte. Die Replikatoren hatten vollständig das Schiff verlassen. Das zumindest hatten nicht nur die akribischen Durchsuchungen ergeben, sondern wurde auch von den inzwischen wiederhergestellten internen Sensoren bestätigt.
Sie waren gerade noch einmal davongekommen, hatten nicht gesiegt, weil sie überlegen gekämpft hatten, sondern allein, weil ihnen der Zufall zur Hilfe gekommen war.
Begeisterung, gar Euphorie darüber, konnte Thor jedoch nicht in sich fühlen. Früher, als er noch jung gewesen war und über ein für sein Volk stark ausgeprägtes Gefühlsleben verfügt hatte, wäre das vielleicht noch anders gewesen. Doch diese Emotionen hatten nicht nur dafür gesorgt, dass ihm seine Artgenossen mit einer gewissen Skepsis gegenübergetreten waren, sondern hatten ihm auch sonst mindestens so viele Schwierigkeiten eingebracht, wie sie ihm von Vorteil gewesen waren.
Heute, an die fünfzehntausend Jahre später, war er ruhiger geworden und – wie er trotz aller Bescheidenheit zu behaupten wagte – auch weiser.
Die Replikatoren waren ein vergleichsweise junges Phänomen. Dennoch hatten sie innerhalb von nur eineinhalb Jahrtausenden die Asgard an den Rand der Vernichtung geführt. Milliarden waren der Gier nach Rohstoffen zum Opfer gefallen.
Doch die Toten waren nicht das Problem! Das Ende einer Zivilisation kam gewöhnlich schon lange bevor das Volk ausgestorben war.
Trotzdem hasste Thor die Replikatoren sowenig wie er die Goa’uld hasste. Alles andere wäre kindisch gewesen und einem Asgard, einem erfahrenen Asgard wie ihm, unwürdig. Er zog es vor, dem Feind mit kühlen Kopf entgegenzutreten. Und daher behielt er auch jetzt die Ruhe.
Die Reparaturen an der Mjölnir liefen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis all die anstehenden technischen Probleme gelöst waren.
Mit einem Mal stand das vertraute SG-1-Team neben seinem Sessel. Vier muskelbepackte Gestalten von einschüchternder Größe und primitivem Körperbau. Die Gesichter mit den winzigen, sich ständig bewegenden Augen wurden von einer klobigen Nase dominiert, welche Thor trotz all seiner Bemühungen immer noch mit instinktgesteuerten Tieren assoziierte.
Abgesehen von diesen Äußerlichkeiten waren die Menschen auch tatsächlich äußerst unvernünftige Wesen. Obwohl die Asgard nicht bereit waren, dieses Volk der Willkür der Goa’uld zu überlassen, hatten viele daher keine allzu hohen Ansichten bezüglich ihrer Schützlinge.
Thor dagegen glaubte, dass sein Volk im Laufe der Evolution und/oder durch die lange Klon-Praxis des eigenen Körpers etwas verloren hatte. Was es war, wusste er zwar nicht, aber er ahnte, dass die Menschen noch darüber verfügten. Daher widmete er selbst einem einfachen Wikingerkrieger, der mit ihm Kontakt aufnahm, seine volle Aufmerksamkeit – ganz zu schweigen von O’Neill und seinem Team. Zu ihnen hatte er mehr Vertrauen gefasst, als zu manchem Asgard.
„Hey, Thor! Was dagegen, wenn wir einen Ausflug nach draußen machen und versuchen rauszufinden, wer uns da vom Himmel geholt hat?“ Ungeduld und der Übereifer der Jugend sprachen aus O’Neills Worten. Dennoch war auch Thor sich darüber im Klaren, dass dieser Planet mit seinen Bewohnern eine Variable darstellte, welche noch zu beliebig großen Schwierigkeiten führen konnte.
„Ihr Menschen habt eine Redensart“, erwiderte Thor schließlich wohlüberlegt. „Wenn – dann richtig.“ Mit einem Gedankenbefehl an den Schiffscomputer rief er auf dem Frontschirm eine Karte der Umgebung auf. Die Handbewegung, die er dabei machte, hatte keinerlei Bedeutung. „Die nächste Siedlung ist für euch zu Fuß nicht zu erreichen. Ihr solltet warten, bis die Transporter wieder funktionieren.“
„Nun, dann nehmen wir eben unser Frachtschiff“, beharrte O’Neill trotzig.
„Ich bedaure“, klärte ihn Thor über die Fakten auf. „Aber wir hatten bisher keine Gelegenheit, die Atmosphärentriebwerke eures Schiffes wieder in Stand zu setzen.“
Er wählte die Formulierung euer Schiff statt das Goa’uld Schiff nicht nur, um kein Missfallen auf sich zu ziehen. Im Gegensatz zum Höhlenasgard, der ein Feuerzeug zwar besitzen, nicht aber auch einsetzten konnte, waren seine Gegenüber erstaunlich gut in der Lage, mit ihnen weit überlegener Technik umzugehen.
„Na schön.“ O’Neill klatschte in die Hände, so dass es in Thors Ohren unangenehm laut knallte. „Dann eben nicht.“ Das Vorhandensein der menschlichen Mimik war nicht zu übersehen. Thor wusste, dass die Schwierigkeit allerdings darin lag, sie auch korrekt zu deuten. Obwohl Colonel O’Neills Gesicht auf den ersten Blick erfreut wirkte, kannte sich Thor nach Jahrtausenden der Übung gut genug aus, um zu bemerken, dass O’Neill nicht sonderlich begeistert über diese Antwort war.


* * *


Auf jedem Schiff, welches Sam kannte, sei es ein amerikanischer Flugzeugträger zur See oder ein Goa’uld-Mutterschiff im All, war der Klang der Sirenen doch überall laut, deutlich und als Warnsignal zu erkennen. Jeder sollte es hören und ein Gefühl der Gefahr vermittelt bekommen.
Nicht so bei den Asgard. Zwei dezente, angenehm klingende Signaltöne waren alles. Wäre Sam damit nicht bereits vertraut gewesen, sie wäre nie auf die Idee gekommen, dass es sich dabei um einen Alarm handelte.
Einige Stunden waren seit der Landung der Mjölnir auf dem fremden Planeten inzwischen verstrichen. SG-1 war in der Zwischenzeit durch das Asgardschiff gewandert und Sam hatte mehr von der außerirdischen Technologie zu sehen bekommen als je zuvor. Natürlich hatte bei ihr sofort das Kribbeln in den Fingern eingesetzt. Sie hätte nur zu gern geholfen, doch die Asgard ließen sie nicht an die Aggregate heran. Sam fühlte sich ein wenig gekränkt, war sich aber natürlich im klaren, dass es so am effizientesten war und sie nur gestört hätte.
Als dann die „Sirene“ ertönte, schien es dagegen wieder etwas zu geben, wo sie und das Team sich nützlich machen konnten und daher dauerte es nicht lange, bis SG-1 zur Brücke zurückgekehrt war.
Dort herrschte ein etwas geschäftigeres Treiben als sonst – was aber lediglich auf die umfangreichen Reparaturarbeiten zurückzuführen war, welche koordiniert werden mussten. Sam bemerkte nicht, dass sich durch den Alarm darüber hinaus Aktivität entwickelt hätte.
„Thor, was sollte der Alarm?“, fragte der Colonel seinen Lieblings-Asgard.
„Ein Marschflugkörper ist im Anflug.“
Überrascht sah Sam auf das Holo und machte einen unscharfen, stabförmigen Gegenstand mit Stummelflügeln aus, welcher an Größe gewann.
Ein feindlicher Flugkörper? dachte sie. Aber das ergab doch keinen Sinn! Wozu griff man jemanden an, der einen nie zuvor behellig hatte und den man auch nie kennen gelernt hätte, wenn man nicht selber die Initiative ergriffen hätte?
„Ich hoffe, ihr habt inzwischen eure Schutzschilde wieder auf Vordermann...“, schlug O’Neill vor.
„Nein“, erwiderte Thor schlicht.
„Wie? Nein?!“
„Nein“, wiederholte sich Thor geduldig.
„Es handelt sich um einen Naquada-Sprengkopf“, erklärte Hermiod als rede er über das Wetter. „Umgerechnet hat er eine Sprengkraft von etwa 1000 Tonnen eures TNT.“ Das sind ja nur etwa 10 Prozent der Hiroshima-Bombe... drängte sich Sam der Vergleich auf. „Vermutlich wollen sie keine größeren Kaliber einsetzen, um nicht die weitere Umgebung zu gefährden.“
„Dann startet und rettet eure Hintern!“, legte O’Neill nahe.
„Wir haben noch immer Probleme mit dem Zugriff auf die Steuerung der Antriebssysteme“, erklärte Thor.
„Können wir den Flugkörper abschießen?“, schlug nun Sam vor.
„Dazu ist er bereits zu nahe.“
„Oder mit den Zugstrahlen vom Kurs abbringen?“
„Nein.“
Wie? Nein?! dachte nun auch Sam. Eine kleine Atombombe raste auf sie zu und alles, was Thor zu sagen hatte war, dass er nichts dagegen tun konnte?
War das die berühmt-berüchtigte Asgardmentalität? Die Vorstellung, dass das Leben Schach war und nicht Poker, dass man, wenn man erst einmal Schach-matt gesetzt war, nichts mehr dagegen tun konnte und es auch nichts half, sich darüber aufzuregen? Glaubte Thor all seine Möglichkeiten erschöpft zu haben und würde tatsächlich seelenruhig abwarten, bis es zur Explosion kam, die sie alle vernichten würde?
Oder klammerte er sich an die verzweifelte Hoffnung, dass sein Hightech-Schiff den Einschlag überstehen würde? Dass zumindest ein Teil intakt bleiben würde?
Das unscharfe Bild des Marschflugkörpers, welches bisher nur aus den Daten aktiver Sensoren errechnet worden war, gewann an Klarheit, als er in die Reichweite der leistungsfähigen Teleoptiken des Schiffes kam. Er war einer normalen Cruise Missile nicht unähnlich, wie sie sich auf der Erde immer noch großer Beliebtheit erfreute.
Aber nein, setzte Sam ihren Gedanken fort. Es wäre unmöglich eine solche Explosion ohne Schutzschirm zu überstehen. Es gab ultimative Grenzen der mechanischen und thermischen Belastbarkeit eines Raumschiffes, völlig egal wie ausgeklügelt die verbauten Materialien der Asgard waren. Sie hatten keine Chance. Von ihnen würde nichts übrig bleiben, wenn es wirklich zu einer Explosion kam.
Sam sah hinüber zu ihren Freunden und Teamkollegen. Sie starrten auf die Außenansicht. Zweifel und Sorge war in ihre Gesichter geschrieben. Jedoch keine Angst. Sam erging es ähnlich – wenn man dem Tod so oft wie SG-1 von der Schippe gesprungen war, verlor man wohl die Fähigkeit sich ins Unvermeidliche zu fügen, selbst, wenn es groß und zunehmend deutlicher vor einem aufragte.
„Zehn Sekunden bis zum Einschlag“, verkündete Hyrrockin.
Auf dem Flugkörper waren bereits die außerirdischen Schriftzüge zu erkennen. Dicht über dem Boden raste er heran.
Dann erstrahlte er in gleißendem Licht und verschwand.
Mit einem Mal war Sam völlig klar, was los war. „Warum hast du uns das nicht gesagt?“, entfuhr es ihr.
Thor sah zu ihr herüber. „Du hast mich nicht gefragt“, erklärte er. „Ihr habt lediglich eine Reihe von Vorschlägen angeführt, die sich alle als nicht hilfreich erwiesen haben.“
Sam schluckte. Nur weil die Asgard hin und wieder eine dumme Idee brauchten, hieß das nicht, dass sie von ihrem Handwerk nichts verstanden hätten. Die Transporterstrahlen der Asgard stellten mächtige Waffen gegen Ziele dar, welche nicht von einem Schild geschützt wurden. Schon früher hatten ihre Verbündeten damit ganze feindliche Basen Stück um Stück von der Oberfläche eines Planeten gebeamt ohne die zerlegte Materie anschließend wieder zusammenzusetzen. Es war danach nichts außer Wolken aus losen Atomen übrig geblieben. Sam hatte das gewusst und an alles gedacht, nur an das nicht.
„Aber wieso habt ihr damit so lange gewartet?“, fragte Daniel ungläubig.
„Weil es psychologisch wirksamer ist, wenn die Hoffnungen des Gegners erst unmittelbar vor dem Ziel zerstört werden.“ Thor bemerkte das Erstaunen, welches sich in Teal’cs gehobener Augenbraue manifestierte, und fuhr fort: „Wir hätten niemals die Gestalt menschlicher Götter angenommen, wenn wir keine Ahnung von Psychologie gehabt hätten.“
„Ja. Du hättest aber uns vorwarnen können!“, beharrte Colonel O’Neill und sprach Sam damit aus der Seele.
Einen Moment schwieg Thor, der Gedanke schien ihm neu zu sein. Dann sagte er etwas, was für einen Asgard alles andere als selbstverständlich war: „Möglicherweise hast du recht.“
Sie kamen nicht dazu, weiter darüber zu diskutieren. „Wir empfangen eine an uns gerichtete Funkbotschaft“, meldete Hermiod. „Aufgrund der bisher abgehörten Kommunikation sind wir in der Lage, sie zu übersetzen.“
Schön, dass man sie darüber informiert hatte, dass schon zuvor Signale von den hiesigen Bewohnern aufgefangen worden waren...
Eines der Holodisplays veränderte sich und begann ein neues Bild zu zeigen, von dem Sam allerdings nicht sofort sagen konnte, was es darstellte.
Das menschliche Hirn war unglaublich gut darin, bekannte Dinge zu erkennen. Mit Neuem tat es sich jedoch schwer und so dauerte es lange Sekunden, bis sich für Sam sinnvolle Formen und Konturen aus dem Bild hervorzuschälen begannen.
Das Bild zeigte wohl ein Lebewesen.
Es war fremdartiger, als alles, was sie je gesehen hatte und ähnelte nichts, was sie gekannt hätte. Der einzige Vergleich, der sich vielleicht unter Vorbehalten ziehen ließ, war der, dass es an einen riesigen Knoten erinnerte.
Das Wesen war eine Art Schlauch, der in sich selbst verknotet war, sich verzweigte, in Verdickungen mündete und wieder zusammenlief. All das war in ständiger Bewegung, rutschte umher oder blähte sich in unregelmäßigen Abständen an wechselnden Stellen auf. Es wäre Sam unmöglich zu sagen gewesen, ob sich der „Schlauch“ hätte entknoten lassen oder nicht. Die Farbe variierte von schwarz zu hellbraun, wies aber kein einheitliches Muster auf.
Auffällig war eine Art Tentakel, welcher nach oben in die Luft gesteckt war und wie die Schnur eines nicht vorhandenen Luftballons hin und her schwang.
Nach einer Weile begann Sam nach Sinnesorganen zu suchen und tatsächlich gab es eine Reihe von Öffnungen und Hervorstülpungen in anderer Farbe, welche dafür in Frage kamen. Was davon jedoch welchen Zweck erfüllte, war Sam völlig schleierhaft.
„Wir verfügen noch über weit mehr und weit mächtigere Waffen“, erklang die tiefe Stimme des Wesens über die Funkverbindung. „Stellt eure Angriffe ein oder wir werden euch vernichten.“
„Ich bin Thor, Oberkommandierender der Asgardflotte“, stellte dieser sich als erstes einmal kühl vor, um seinem Gegenüber zu zeigen, dass er dessen Äußerung nicht als sonderlich dringend ansah. „Wir haben euch nicht angegriffen.“
Die Erwiderung des Fremden kam schnell und hart. „Eure Kampmaschinen zerlegen eine unserer Städte und du wagst es zu behaupten, ihr würdet uns nicht angreifen?“
Auf einmal machte der Angriff mit dem Marschflugkörper Sinn. Woher sollte man hierzulande wissen, dass sie die Replikatoren nicht mit Absicht ausgeschleust hatten? Tatsächlich wären diese Mutierten von Neumann-Maschinen eine nicht zu verachtenden Waffe gewesen, wenn irgendjemand über sie hätte befehligen können. Für die Außerirdischen musste es wie ein Angriff auf sie gewirkt haben.
Offenbar hatten ihnen die Replikatoren inzwischen sogar so stark zugesetzt, dass sie sich gezwungen sahen dem Ungeheuer den Kopf abzuschlagen – also das Schiff zu zerstören, welches die Roboter geschickt hatte und möglicherweise lenkte.
„Wir nennen diese Maschinen Replikatoren“, erklärte Thor. „Sie unterstehen nicht unserer Kontrolle. Bevor ihr uns zu Landung gezwungen habt, waren sie im Gegenteil damit beschäftigt unser Schiff zu zerlegen, wie du dich ausdrücken würdest.“
„Ich werde mich nicht von dir hinhalten lassen“, beharrte der Alien auf dem Holo. „Wenn ihr euch nicht zurückzieht, werdet ihr vernichtet.“
„Selbst, wenn euch das gelingen sollte“, erwiderte Thor und legte dabei einen Hauch Herablassung in seine Worte. „...wird die Explosion unseres Schiffes etwa die zehnmilliardenfache Sprengkraft von dem Flugkörper haben, mit dem ihr uns angegriffen habt. Da du sicherlich weißt, was dies für eure Welt bedeuten würde, sehe ich deine Drohung lediglich als Versuch an, nichtvorhandene Stärke zu demonstrieren – und nicht als Zeichen ausgesprochener Dummheit.“
Sams Respekt vor Thor wuchs. Dass er derart kaltblütig einen Bluff improvisieren konnte, hätte sie ihm nicht zugetraut. Und ein Bluff war es definitiv: Wenn ein Asgardschiff der Beliskner-Klasse relativ unspektakulär in der Atmosphäre verglühte, dann war auch die O’Neill-Klasse immer noch weit von der beschriebenen Sprengkraft entfernt, selbst wenn sie über das zehnfache an Energievorräten verfügte.
Der Alien allerdings schien beeindruckt genug zu sein, um erst einmal nichts zu erwidern.
„Vielleicht wäre ein persönliches Treffen dem gegenseitigen Vertrauen förderlich“, nutzte Thor die Gelegenheit. „Ich schlage vor, dass wir uns in einer Stunde am Schutzschild meines Schiffes treffen.“
Nachdem der Alien einen Moment damit verbracht hatte, seinen Knoten umzuordnen, kam schließlich die Antwort: „Einverstanden.“ Dann wurde das Holo schwarz.
„Hermiod“, wandte sich Thor an seinen Chefingenieur. „Es wäre erstrebenswert, wenn bis in einer Stunde der Schutzschirm wieder einsatzbereit wäre...“


* * *


Der Schild war in der Tat rechtzeitig wieder einsatzbereit. Fasziniert hatte Daniel beobachtet, wie die Asgard den Schirm zuerst ganz dicht am Schiff aufgebaut hatten, um in den Zwischenraum möglichst wenig der planetaren Atmosphäre einzuschließen. Dann hatten sie ihn auf seine normale Größe und Form ausgedehnt und mit Luft aus der Mjölnir befüllt. Auf diese Weise wäre es nun auch ohne Raumanzug möglich gewesen, außerhalb des Schiffes zu atmen.
Gewöhnlich war der Schutzschirm durchsichtig. Nun wurde er dadurch sichtbar, dass sich außen und innen verschiedene Gase befanden. Zwar waren beide durchsichtig, aber die Grenze zwischen ihnen konnte man, wie die Scheibe eines Aquariums, trotzdem klar erkennen.
Jetzt stand Daniel mit SG-1 und Thor auf dem Boden der fremden Welt. Thor hatte sie gebeten, ihn zu begleiten – nur ganz knapp bevor sie ihn danach hatten fragen können.
Hinter dem Schutzschirm erstreckte sich eine weite Ebene mit kniehohen, tiefblauen Gewächsen, die offenbar in großem Stil angebaut wurden. Hier, im Inneren des Schirms, hatten sie nicht überleben können. Sie waren aufgeplatzt und lagen schlaff am Boden. Der grellgrüne Schleim, welcher Daniels Stiefel bedeckte, machte deutlich, was für eine gute Idee es gewesen war, trotz der atembaren Luft die robusten Asgardanzüge anzubehalten.
Die toten Pflanzen verströmten einen Geruch, der beißend war und an Verbranntes erinnerte. Daniel beobachtete, wie Jack fluchend den Schalter an seinem Arm drückte und sich surrend der Helm um seinen Kopf schloss. Auch Teal’c tat es ihm gleich und sperrte auf diese Weise den Gestank aus.
Sam dagegen machte keine Anstalten, dem Beispiel zu folgen. Vermutlich war sie in irgendwelchen Labors abgehärtet worden. Thor konnte mit seiner platten Nase vermutlich sowieso gar nichts riechen.
Daniel für seinen Teil wollte dieser fremden Welt so nahe wie nur möglich sein. Er wollte sie erleben. Dies ging aber nicht, wenn er den Helm schloss und daher nahm er von dieser Option Abstand.
Hinter ihnen türmte sich die 1,5 Kilometer lange Mjölnir wie ein gefallener Riese auf. Das Schiff mochte dafür gedacht sein, dicht über einer Planetenoberfläche zu schweben. Eine echte Landung war aber wohl nie geplant gewesen. Tief hatten sich die Heckfinnen in das weiche Erdreich eingegraben. Allerdings nicht tief genug, als dass die Mjölnir in eine horizontale Lage geraten wäre und so sah es aus, als wäre das silberne Schiff mit der Nase voran in den Boden gerammt.
Ihre Verhandlungspartner ließen nicht lange auf sich warten. Noch vor Ablauf der Stunde kam ein tropfenförmiges Gefährt mit der stumpfen Seite voran herangerast. Im Licht der Sonne blitzte es auf. Erst kurz vor dem Ziel bremste es ab, beschrieb eine elegante Kurve und blieb etwa anderthalb Meter über dem Boden schweben.
An seiner Seite öffnete sich eine Luke und ein über zwei Meter großes, kugelförmiges Ding fiel aus der Öffnung, überschlug sich zweimal und näherte sich dann dem Schirm.
Als die vier anderen Wesen auf die gleiche Weise ihr Transportmittel verließen, wurde Daniel klar, dass der erste Alien keineswegs gestolpert war. Sie taten das mit Absicht.
Wie sich die riesigen Knäule vorwärts bewegten, hätte Daniel indes nicht sagen können. Zwar rutschten ihre Unterseiten über den Boden, schienen sich daran festzukrallen und vorwärts zu ziehen. Aber das alleine war es nicht. Zum Teil schienen sie zu gleiten wie eine Schnecke, zum Teil gingen sie aber auch auf einigen Schlauchteilen. Es war ein sinnverwirrender Mischmasch aus Bewegung, den Daniel in seiner Gesamtheit nicht wirklich durchschaute.
Schließlich erreichten die fünf Wesen die Grenze des Schutzschirms.
„Ich bin Sasss. Unser Volk nennt sich Tzenk“, erklärte das Wesen, welches ihnen am nächsten war, mit volltönender Stimme. „Wir haben uns bereits unterhalten.“
„Ich bin Thor“, stellte sich dieser noch einmal vor. Beiden war klar, dass sie sich ansonsten kaum wieder erkannt hätten.
„Bevor wir beginnen, solltest du wissen, dass ich mich informiert habe“, erklärte das Wesen, das sich Sasss nannte. „Ihr seid mit euren Triebwerken kaum in der Lage, unseren Zugstrahlen zu widerstehen. Wir könnten euch jederzeit wieder von hier entfernen und in sicherem Abstand zu unserer Welt zerstören.“
Daniel seufzte innerlich. Er hatte gehofft, dass inzwischen genug mit den Säbeln gerasselt worden war.
„Dann solltest du allerdings bedenken, dass wir durchaus in den Lage sind, einen Großteil der genannten Energiemenge auch kontrolliert freizusetzen. Wir könnten eure Welt in Schutt und Asche legen.“
„Jaja“, schritt Daniel ein, dem das jetzt zu viel wurde. Es war allmählich Zeit, dass sie voran kamen. Daher machte er dem Tzenk einen Vorschlag. „Wie wäre es damit: Wir gewähren einer Delegation von euch Zugang zu unserem Schiff. Auf diese Weise könnt ihr euch vergewissern, dass auch wir Angriffen durch die Replikatoren ausgesetzt waren.“ Daniel warf einen Blick hinunter zu Thor, der ihn überrascht ansah und fuhr dann fort. „Im Gegenzug verzichtet ihr auf weitere Angriffe.“
Nach kurzem Zögern drang aus den Tiefen des außerirdischen Körpers die Antwort. „Wir können uns weitere Verzögerungen nicht leisten. Jede Minute, die wir vergeuden, gewinnen die Kampfroboter an Boden.“
„Auch damit könnten wir euch vielleicht helfen“, erwiderte Daniel. Sie mochten zwar keine Schuld an den Taten der Replikatoren tragen, dennoch fühlte er sich für ihre Anwesenheit ein Stück weit verantwortlich. Daniel sah hinüber zu Jack. Dieser wusste längst, worauf er hinauswollte und schaute durchaus skeptisch drein – machte aber keinerlei Anstalten ihm ins Wort zu fallen. „Wir kennen uns mit dem Vorgehen dieser Maschinen aus und könnten euch mit eurer Taktik helfen“, erweiterte Daniel also den Handel. „Im Gegenzug werdet ihr nicht nur auf Angriffe verzichten, sondern uns auch aktiv dabei helfen, eure Welt wieder zu verlassen.“
„Nein“, kam sofort die Antwort von Sasss. „Das ist nicht verhandelbar.“
Jetzt war es an Daniel einen Moment zu schweigen. „Aber warum?“, fragte er dann. „Wieso habt ihr uns überhaupt hier her geholt?“
Das Wesen blieb die Antwort schuldig.
„Wenn wir euch verstehen könnten, wären wir vielleicht in der Lage, uns doch irgendwie einig zu werden“, versuchte er es weiter.
Lange Zeit schwieg Sasss, zog einen Teil seiner Schläuche aus seinem Körper und ließ sie an anderer Stelle wieder hineingleiten.
„Wir haben zu lange auf euch gewartet, um euch jetzt so einfach gehen zu lassen“, erklärte er dann zögernd.
„Wie bitte?“, meldete sich Jack. „Auf uns?“
„Nicht auf euch im Speziellen. Auf irgendjemanden.“ Inzwischen schien der Tzenk sich entschlossen zu haben, sie aufzuklären, denn seine Worte kamen flüssig und nicht länger zögerlich. „Über unseren ganzen Planeten verteilt gibt es in allen Kulturkreisen eine Legende, welche sich so oft und so exakt wiederholt, dass es sich nicht um ein Produkt unserer Fantasie handeln kann. Demnach war früher der Nachthimmel übersät von Sternen. Abertausende von Lichtern, die auf uns herabstrahlten“, erzählte er.
„Doch eines Tages verschwanden die Lichter und es blieb nichts als Schwärze zurück. Die Interpretationen waren so zahlreich wie die Kulturen, aber allen gemeinsam war, dass wir glaubten, etwas Wichtiges verloren zu haben.
Heute wissen wir, dass die Lichter Sonnen ähnlich der unseren sind. Wir haben versucht die benachbarten Sterneninseln mit Raumschiffen zu erreichen, stießen aber sehr schnell an die Grenzen unser Fähigkeiten. Zwar erreichen wir heute ein vielfaches der Geschwindigkeit des Lichtes, aber es genügt nicht, um die gewaltige Entfernung in einer angemessenen Zeit zu überwinden. Eine Reise über Generationen hinweg funktioniert ebenfalls nicht, weil die Triebwerke zu schnell verschleißen und schließlich den Betrieb einstellen.
Seit uns das klar wurde, versuchen wir nicht mehr, selber diese Strecke zu überwinden, sondern jemanden zu uns zu holen, welcher über diese Fähigkeit verfügt. Jemand, der in der Lage ist, uns dies zu lehren. Das ist der Grund, aus dem wir das Fischernetz entwickelt haben, welches euch zu uns geleitet hat.“
Daniel nickte. Mit einem Mal sah er die vergangenen Ereignisse in einem anderen Licht. Die Wesen hatten keine feindlichen Absichten gehabt. Sie waren im Gegenteil auf ihre Hilfe angewiesen.
„Wir werden euch keinerlei Technologie überlassen“, verkündete Thor abweisend. „Das ist ebenfalls nicht verhandelbar.“
„Aber wieso?“, platze es aus Sasss heraus. Nachdem er derart ausführlich die Probleme seines Volkes gebeichtet hatte, schien er nicht mit Widerstand gerechnet zu haben.
„Wir beschleunigen nicht die Entwicklung primitiver Völker.“
Daniel erkannte Schwierigkeiten, wenn er sie sah. Ehe die beiden Kontrahenten sich also weiter in die Punkte verbissen, auf welche sie sich so schnell nicht einigen konnten und dabei alle bisherigen Erfolge zunichte machten, ergriff Daniel wieder das Wort. „Statt uns daran zu stören, was uns trennt, sollten wir vielleicht zusammenfassen, über was wir uns einig werden könnten“, erklärte er daher schnell. „Wir würden euch gestatten, unser Schiff zu besichtigen und euch beim Kampf gegen die Replikatoren unterstützen. Ihr dagegen verzichtet darauf, uns mit Raketen zu beschießen oder sonst wie zu bedrohen.“
Es dauerte einen Moment, dann erklärten sich alle drei Seiten – auch Jack – für einverstanden.
Sie einigten sich darauf, den Austausch der Delegationen in einer weiteren Stunde abzuwickeln. Dann verschwanden die außerirdischen Wesen wieder in und mit ihrem Fluggerät.
„Irre ich mich oder hat der Kerl tatsächlich unsere Sprache gesprochen?“, fragte Jack. „Ich meine, das war kein Funkgespräch, wo irgendein abgedrehter Übersetzungscomputer sich einmischen könnte.“
„Du irrst dich“, antwortete Thor. „Die Mjölnir ist in der Lage schwache Kraftfelder zu erzeugen, welche einerseits den Original-Ton abblocken und andererseits die Übersetzung wiedergeben – ähnlich einem eurer Lautsprecher.“
„Und du bist sicher, dass ihr solche Geräte nicht auch auf anderen Planeten verbuddelt habt...?“
Statt darauf zu antworten, wandte sich Thor Daniel zu. „Dein Vorgehen hat sich als äußerst effektiv erwiesen“, erklärte er zu Daniels Erleichterung. Ja, er war tatsächlich froh, die Sache derart gut abgewickelt zu haben. „Unter diesen Umständen wäre es durchaus sinnvoll, wenn du die weiteren Verhandlungen übernehmen würdest.“
„Sehr gerne“, erwiderte Daniel automatisch.
„Gut.“ Auf seinen dürren Beinen marschierte Thor in Richtung Mjölnir zurück. Schließlich erfasste ihn ein Zugstrahl und zog ihn in eine der Schleusen hoch über ihnen – man musste schließlich den Tzenk nicht sofort zeigen, dass man in der Lage war zu beamen.
„Mann, der ist jetzt aber sauer“, meinte Jack neben ihm.
„Wer?“, Daniel verstand nicht.
„Na, Thor.“
Überrascht sah Daniel den Colonel an. „Das glaube ich nicht. Die Asgard haben kein Ego, das man kränken könnte. Für sie zählt nur der Erfolg.“ Genau das schien auch Thors letzte Aussage zu bestätigen.
Jack machte eine Geste, die ziemlich eindeutig ausdrückte Red du nur. „Wie auch immer. Ich kenne Thor. Und der war wirklich sauer.“
Mit diesen Worten drehte er sich um und ging, gefolgt von Teal’c, zurück zum Schiff.
Betroffenheit breite sich in Daniel aus. Ihm war schon klar, dass es nicht sonderlich höflich gewesen war, sich derart in den Vordergrund zu drängen. Aber er hatte nur helfen wollen. Thors Autorität anzuzweifeln lag ihm fern.
„Was meinen Sie?“, fragte er Sam, die neben ihm stehen geblieben war. „War er wirklich böse auf mich?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich wäre es vermutlich. Aber inzwischen ist mir klar geworden, dass ich Thor schlechter kenne, als ich dachte. Keine Ahnung also, was er denkt.“
„Vielleicht sollte ich besser mit ihm reden“, kam ihm der Gedanke.
„Schaden kann es nicht“, meinte Sam. „Kommen Sie jetzt“, fügte sie hinzu und zog ihn mit sich.


* * *


Zögernd verharrte Jack vor der Schleuse. Inzwischen herrschte draußen wieder die normale Atmosphäre des Planeten. Heiß, ohne Sauerstoff und wahrlich erdrückend.
Das Wetter hatte sich verschlechtert und es hatte zu regnen begonnen. Schwefelsäure, wie man ihm erklärt hatte. Die gelblichen Tropfen waren riesig. Sie sanken derart langsam zu Boden, dass Jack eine ganze Weile an seiner Wahrnehmung gezweifelt hatte, bis er es schließlich widerstrebend als Tatsache akzeptierte.
„Können wir überhaupt einfach so da raus?“, fragte er Carter.
„Mit unseren NASA-Raumanzügen bestimmt nicht. Der hohe Druck wäre weniger das Problem, ein Taucher kann mit sowas fertig werden und wir würden das auch irgendwie hinbekommen. Aber die Gase dort draußen sind zu heiß und zu dicht. Und dann ist da noch die Säure! Mit den Schutzschirmen der Asgard allerdings stellt dies alles kein Hindernis mehr für uns dar.“
Ein einfaches Ja hätte auch gereicht... Jedenfalls war Jacks Unbehagen, was den Planeten anging verschwunden, als sich die Schleuse hinter SG-1 und dem Asgard namens Hermiod schloss. Das Unbehagen den Bewohnern gegenüber war jedoch ungebrochen. Nachvollziehbare Motive hin oder her. Tatsache war, dass diese Wesen das Leben seines Teams und das der Asgard schon drei- bzw. zweimal gefährdet hatten. Entsprechend groß war Jacks Misstrauen.
Um diesen Leuten den Kampf gegen die Replikatoren zu lehren, war Carter die Idealbesetzung, denn sie hatte mit sowas bereits Erfahrung. Gerade aber, weil Jack misstrauisch war, wollte er sich selbst ein Bild von den hiesigen Verhältnissen machen und daher würde er selbst sie begleiten.
Daniel dagegen würde an Bord der Mioll... des Asgardschiffs bleiben und weiter verhandeln. Ihm zur Seite würde Teal’c stehen und sowohl aufpassen, dass Daniel nichts geschah, als auch, dass dieser keine Dummheiten anstellte.
„Wir haben versucht, im globalen Computernetzwerk dieses Planeten einen Hinweis auf die Position der Projektoren dieses so genannten Fischernetzes zu finden“, informierte sie Hermiod. „Leider ohne Erfolg. Allerdings macht das Netzwerk einen durchaus unvollständigen Eindruck.“
„Inwiefern?“, sprang Carter sofort darauf an.
„Wir vermuten, dass es mindestens ein weiteres Netzwerk gibt, welches jedoch vollständig auf drahtlose Verbindungen verzichtet und über keine oder sehr gut getarnte Verbindungen zum offenen System verfügt. Es könnte durchaus von Vorteil sein, Zugriff auf dieses Geheim-System zu erlangen.“
Es könnte von Vorteil sein... „Hey, Herbert!“, merkte Jack auf.
Die Augen des Asgards wurden zu engen Schlitzen. „Hermiod“, quetschte er äußerst ungnädig zwischen seinen kleinen Zähnen hervor.
„Wie auch immer. Du willst damit sagen, dass wir die Kerle ausspionieren sollen“, fasste Jack Hermiods Vorschlag in klarere Worte und ignorierte dabei in provokanter Weise, dass Hermiod eigentlich von Menschen gesiezt werden wollte.
Hermiod ließ sich nicht darauf ein. „Wenn unsere diplomatischen Verhandlungen fehlschlagen sollten, müssen wir auch ohne die Zustimmung der Bewohner in der Lage sein, dieses Sonnensystem zu verlassen.“
Die pragmatischen Worte des Asgard waren Balsam für Jacks Ohren. Manchmal hatte er das Gefühl, er wäre der einzige, der seinen Sinn für Realität behielt. Doch ganz offensichtlich war dem doch nicht so. Vielleicht war mit dem Kerlchen doch was anzufangen.
Jack bekam eine Gänsehaut, als der asgardsche Zugstrahl nach ihm griff und ihn durch das inzwischen offene Außenschott der Schleuse dem 120 Meter entfernten Grund entgegen buchsierte. Zwar hatte er dies heute schon mal erlebt, aber an diese Freischwebenummer würde er sich bestimmt so schnell nicht gewöhnen. Entsprechend froh war er, als er endlich auf dem mit stinkenden Pflanzen bedeckten Boden aufsetzte, vor deren Geruch ihn aktiver Schutzschirm und Helm jedoch zuverlässig abschirmten. Auch gegen die herabregnende Flüssigkeit bot der Schild übrigens einen komfortablen Schutz.
Die großen Tropfen platschten gegen das Kraftfeld, welches daraufhin ein leises Brummen von sich gab. Schlieren ziehend rann die Flüssigkeit daran herab.
Ihre Freunde waren bereits vor Ort. Ganze zehn dieser Tzenk-Wesen standen in Raumanzügen vor ihrem Flugzeug. Die Anzüge schwebten ein Stück über dem Boden und sahen aus wie simple, riesenhafte Plastiktüten. Sie waren vollkommen undurchsichtig und hatten verschiedene Farben, welche wohl dazu dienten, die Träger auseinander zu halten. Wie diese Wesen durch das Material hindurch ihre Umgebung wahrnehmen konnten, war Jack schleierhaft.
Daneben standen unbekleidet wie eh und je drei weitere Tzenk. Der Regen schien sie nicht zu stören. Auch die Tatsache nicht, dass es laut Thor um fast 20 Grad abgekühlt hatte – sofern man bei Temperaturen über dem Siedepunkt von Kälte reden wollte. Lediglich von den durch den Sauerstoff getöteten Pflanzen schienen die Aliens Abstand halten zu wollen.
Jeder von ihnen sah ein wenig anders aus und das lag nicht nur an ihrer unterschiedlichen Größe, Maserung und Farbe. Die Verdickungen in den Schläuchen, welche Jack für Beutel mit ganz bestimmten Organen gehalten hatte, waren bei einem der Wesen überhaupt nicht vorhanden, während sein Artgenosse über sehr wenige, dafür aber umso größere Klumpen verfügte, welche die Schläuche stark durchhängen ließen.
Zwar waren ihre Körper ständig in Bewegung, aber zu atmen schienen sie tatsächlich nicht. Erst jetzt, nachdem er sie eine Weile beobachtet hatte, begann er Thor in dieser Hinsicht zu glauben. Bisher war Jack immer der Meinung gewesen, dass jedes Lebewesen irgendetwas atmen musste, selbst wenn es für Menschen noch so giftig wäre. Doch diesen Leuten schien es tatsächlich zu reichen, irgendwelches Zeugs in sich rein zu futtern.
„Ich bin Sasss“, erinnerte sie eines der Wesen netterweise. Es war dasjenige mit den „gemäßigten“ Verdickungen. Von irgendwo her aus dem Spaghetti-Haufen, der sein Körper war, kam ein Tentakel und deutete auf einen gelblich-gräulichen Sack, dessen Insasse nicht zu erkennen war. „Das ist Schesch. Er ist Diplomat und wird euer Schiff inspizieren.“
„O’Neill“, stellte Jack sich kurz angebunden vor. Und mit in Richtung seiner Kollegin geneigtem Kopf: „Das ist Major Carter. Wir sollen euch mit der Insektenplage helfen.“
„Ja. Das sollt ihr.“ Jack war sich nicht sicher, aber sein Mangel an Begeisterung schien etwas zu sein, was er mit diesem Sasss gemeinsam hatte. „Dann kommt mit.“ Sasss wandte sich um, schaffte es irgendwie aus dem Stand bis zur Luke des tropfenförmigen Fluggerätes hochzuspringen und verschwand darin.
Skeptisch betrachtete Jack den Eingang, der auf Höhe seiner Brust schwebte. Jack griff in die Führungsschiene der Luke, wollte sich daran nach oben ziehen und stellte fest, dass er bereits ins Innere kullerte.
„Die Kraftverstärker, Sir“, erinnerte Carter ihn leider etwas zu spät an eine der Asgard-Spielereien des Anzuges. Ehe Jack ihr seine Hand anbieten konnte, kletterte sie ihm nach, wobei er feststellte, dass sie sich trotz des theoretischen Wissens auch nicht geschickter als er anstellte. Der Umgang mit dem System erforderte wohl ein wenig Übung. Sie grinste ihn schief an und er erwiderte das Grinsen.
Hinter ihnen schloss sich die Luke und sperrte den Regen aus. Jack hob den Kopf, um nach Sasss zu sehen, welcher sie bestimmt spöttisch musterte. Zu seiner Überraschung hing das Wesen an der Decke – wie auch immer es das anstellte. Lediglich ein einsamer Tentakel baumelte herab.
Jack erinnerte sich an das erste Bild, was sie per Funk empfangen hatten. Dort hatte es so ausgesehen, als wäre dieser Tentakel in die Luft gesteckt gewesen. Jetzt wurde ihm klar, dass dieses Bild auf dem Kopf gestanden hatte. Ein völlig fremdes Funksignal in ein verwertbares Bild umzuwandeln, erforderte bestimmt einiges an Cleverness. Doch selbst, wenn man das hinbekam, sagte einem noch niemand, wo bei dem fertigen Bild oben und unten waren. Die wohl doch nicht ganz so cleveren Asgard-Computer hatten vermutlich einfach nur geraten. Und bis eben war niemandem aufgefallen, wie falsch sie damit gelegen hatten...
Jack trat einen Schritt beiseite, um nicht den regennassen, sicherlich ziemlich schweren Alien unmittelbar über seinem Kopf hängen zu haben und ging schließlich zu einem der Fenster. Vom Start hatte er kaum etwas mitbekommen. Etwa einen Kilometer unter ihnen jagte bereits die blaugraue Landschaft hinweg.
Da keiner der anwesenden Aliens zu verlangen schien, dass sie ihnen jetzt schon Informationen gaben und auch selbst schwiegen, widmete Jack sich gemeinsam mit Carter wieder dem Fenster.


* * *


Es gehörte zu Teal’cs fester Überzeugung, dass es Wesen im Universum gab mit denen man niemals in Frieden zusammen leben konnte. Solange ein Goa’uld nicht das aufgab, was ihn zum Goa’uld machte, war eine Koexistenz vollkommen unmöglich und Teal’c würde bis zum letzten Blutstropfen kämpfen, um dieses Volk zur Strecke zu bringen.
Doch im Prinzip konnte es sehr wohl weise sein, einem ehemaligen Gegner die Hand zu reichen. Vielleicht war ihr ganzer Konflikt mit der hiesigen Bevölkerung tatsächlich ein einziges, tragisches Missverständnis. Teal’c wünschte sich das wirklich.
Doch Vertrauen musste man sich verdienen.
Und die Tatsache, dass die Delegation der Tzenk aus 10 Personen bestand, die kaum zu überblicken waren, machte auf Teal’c keinen sonderlich gewinnenden Eindruck.
Ihnen eine Eskorte mitzugeben, um die Gäste zu überwachen und gegebenenfalls in Schach zu halten – das schienen die Asgard nicht für nötig zu halten. Vielleicht waren sie auch gar nicht auf die Idee gekommen.
Ganz anders Daniel Jackson. Dieser führte ganz bewusst keine andere Waffe mit sich, als die, welche sowieso fest an den Unterarm des Asgardanzuges montiert war. Er hatte Teal’c gebeten, ebenfalls auf weitere Bewaffnung zu verzichten.
Doch wie gesagt: Vertrauen musste man sich verdienen. Selbst, wenn er sich wünschte, dass die Welt ein bisschen mehr so wäre, wie Daniel Jackson sie sah, blieb Teal’c doch Realist. Und als solcher konnte er ein derartiges Verhalten nicht verantworten.
Daniel hatte ihn mit einem Blick angesehen, welchen Teal’c schon bei verschiedenen Gelegenheiten bei irdischen Hunden beobachtet hatte. Doch damit kam er bei ihm nicht durch und das wusste Daniel Jackson, denn er hatte auf jeden weiteren Kommentar verzichtet.
Zusammen mit den Tzenk und dem Asgard Hermiod standen sie in dem Korridor, in welchem sie vor nicht allzu langer Zeit gegen Replikatoren gekämpft hatten. Die Spuren dieses Kampfes waren in Form von tausenden zerstörter oder inaktiver Bauteile noch immer deutlich zu sehen – allerdings genauso die Tatsache, dass ihr Sieg nicht von Dauer gewesen war: Die Wandverkleidung war fast vollständig verschwunden und legte Rohrleitungen sowie ungeschützt durch die Luft schneidende Energiestrahlen frei.
„Ihr müsstet Schäden dieser Art bereits kennen“, kommentierte Daniel Jackson. Er hockte am Boden und fuhr mit seinen Handschuhen über die aufgequollenen Kanten des Metalls. „Sie werden von Replikator-Säure verursacht.“
Irgendwie erwartete Teal’c, jetzt zu hören zu bekommen, dass dies alles ja hübsche Dekoration, aber immer noch kein Beweis wäre. Es kam jedoch anders.
„Sasss ist einer unserer militärischen Führer. Er scheint mir ein recht misstrauischer Kerl zu sein“, erklärte das Wesen, welches ihnen als Schesch vorgestellt worden war. Das dreckige Grau seines Anzugs hatte sich im weißen Licht des Schiffes in ein knalliges Gelb verwandet. Wenn die Tau’ri ihr radioaktives Material in Tüten gepackt hätten – diese Farbe hätte eine solche Tüte gehabt. „Aber ich glaube euch.“ Die schwebende Tüte drehte sich ein Stückchen. „Allerdings hätte ich eine Bitte. Seit ich denken kann, wünsche ich mir, Wesen aus den Sterneninseln zu begegnen. Ich würde gerne mehr von eurem Schiff sehen. Nicht als Inspektion, sondern rein aus Neugier heraus.“
Die Stimme des Diplomaten machte einen durchaus freundlichen Eindruck. Doch Teal’c hütete sich davor, daraus irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Schließlich war er nicht darüber informiert, ob die Stimme wirklich die Gefühle des Wesens widerspiegelte oder ihr Klang nur ein reines Fantasieprodukt der Übersetzung war.
Wenn Daniel Jackson ebenfalls Zweifel hatte, so zeigte er diese nicht. „Oh, ich denke, das dürfte kein Problem sein.“ Hastig sah er hinüber zu Hermiod. Es war Daniel anzusehen, wie er bemerkte, dass er schon wieder mehr Initiative entwickelte, als ihm zugestanden hätte.
„Sicher“, murrte Hermiod und klang dabei ziemlich missbilligend. Vorsichtig balancierte er über die Trümmer der Replikatoren.
Hermiod war einer der wenigen Asgard, welcher seinem Unmut nach außen hin Luft machte. Leise murmelte er etwas in seiner Muttersprache vor sich hin, was Teal’c unwillkürlich für eine Ansammlung von Flüchen hielt. Doch sowohl den Übersetzer des Anzuges, als auch den Bordcomputer, schien es nicht zu kümmern, dass es Teal’c brennend interessierte hätte, was der Asgard da sagte und so blieben die geheimnisvoll klingenden Laute unverständlich.
„Ihr müsst wissen, dass bei uns seit hunderten von Generationen jedes Neugeborene mit dem Gefühl aufwächst, dass die Welt nicht mehr vollständig ist“, erklärte ihnen Schesch, ohne dass ihn jemand danach gefragt hätte. „Auch wenn wir sie noch nie mit eigenen Augen gesehen haben, so vermissen wir doch die Sterne. Der Anblick eines Nachthimmels, an dem man mit bloßem Auge maximal den Lichtpunkt einer einzelnen, verlorenen Galaxie sehen kann, löst in uns ein unbeschreibliches Gefühl der Leere aus.“
Teal’c verstand das sehr gut. Er war auf Olymp aufgewachsen, der Heimatwelt von Kronos. Sie stand so nahe am Zentrum der Milchstraße, dass die Nächte dort heller waren als eine Vollmondnacht der Erde. Nach der Ermordung seines Vaters und dem Trauma durch die darauf folgende Flucht nach Chulak hatte Teal’c vieles vermisst. Doch das einzige, was er sich eingestanden hatte, war der Verlust des fantastischen Sternenhimmels gewesen.
„Seit 351,89 eurer Jahre sterben unsere Alten in der Verbitterung, dass unser Hyper-Fischnetz niemanden zu uns gebracht hat.“ Mit einem gewissen Unwillen registrierte Teal’c die übermäßig genaue Umrechnung von Zeiteinheiten durch die Asgardmaschinen. „Wir hatten mit schnellen Erfolgen gerechnet, doch die blieben aus und ließen uns beinahe resignieren. Stellt euch unsere Euphorie vor, als ihr auf einmal auf unseren Bildschirmen aufgetaucht seid!“ Trotz der tiefen Stimme des Wesens hatte Teal’c unwillkürlich das Bild eines kleinen, irdischen Kindes vor Augen, dessen größter Wunsch zu seinem Geburtstag endlich wahr gemacht wurde. „Ihr müsst wissen, dass ich derjenige hätte sein sollen, mit dem ihr Kontakt aufnehmt. Ich war derjenige, der auf dem Landefeld in der ersten Reihe stand.
Doch dann beantwortete ihr unsere Rufe nicht und habt auch sonst keinerlei Anstalten gemacht, Kurs auf unseren Planeten zu nehmen. Zum Glück lagen für einen solchen Fall die Pläne längst auf dem Tisch und so hat man euch mit einem Zugstrahl gelandet.
Wir hielten eure Roboter zuerst für eine Delegation, die uns begrüßen sollte.“ Ein seltsames Geräusch klang aus den Tiefen des Anzuges. „Dann gab es die ersten Toten. Unsere Welt ist erstarrt vor Entsetzen. Mit einer solchen Attacke hatten wir nicht gerechnet. Wir hatten gehofft, Freunde zu finden und nicht etwa...“ Ein Gurgeln. Dann verstummte er vollends.
Teal’c wusste, was Daniel Jackson sagen würde, schon bevor dieser es aussprach. „Um genau zu sein, habt ihr sehr wohl Freunde gefunden“, lächelte er vorsichtig.
„Das hoffe ich...“, erwiderte Schesch, nun wieder gefasst. „Allerdings kann ich nicht verstehen, warum ihr uns eure Antriebstechnik verweigert, obwohl wir durchaus bereit wären, euch dafür großzügig zu entschädigen.“
Teal’c wurde hellhörig, als das Gespräch plötzlich wieder auf den harten, aber auch schlüpfrigen Boden der Diplomatie zurückkehrte.
„Es ist keine Sache des Preises“, erklärte Daniel Jackson. „Die Asgard würden euch die Technik kostenlos überlassen, wenn sie nicht der Meinung wären, dass es zum Schutz von euch besser wäre, es eben nicht zu tun.“
„Die Asgard?“, wiederholte Schesch. „Also rechnet ihr euch nicht dazu?“
„Nein.“
„Daher also der Größenunterschied...“, erkannte Schesch. Von seinem Standpunkt aus sahen sich Menschen und Asgard bestimmt ausgesprochen ähnlich. „Und überlassen die Asgard euch Technologie?“
Schön wäre es, dachte Teal’c. Es gab in der Milchstraße Milliarden Menschen mit keiner oder nur minderwertiger Technik. Die Asgard dagegen waren nur wenige. Würde man die Menschen mit Asgardtechnik ausrüsten – die Goa’uld wären innerhalb von Tagen vollständig ausgerottet.
Daniel beantwortete die Frage von Schesch nicht. Vielleicht war es ihm unangenehm in Hörweite von Hermiod dieses Thema zu diskutieren. „Ich werde sehen, ob ich ein Treffen zwischen dir und Thor arrangieren kann“, versprach er statt dessen. „Dann kannst du deinen Standpunkt ihm gegenüber darlegen.“
Teal’c bezweifelte nicht, dass Daniel Jackson sich darüber hinaus mit der Kraft all seiner Worte für Scheschs Anliegen einsetzen würde.
Inzwischen war Teal’c dem nicht mehr abgeneigt. Allerdings hoffte er, dass Daniel Jackson diesen Aufwand nicht würde bereuen müssen.


* * *


Der Weg des dahinrasenden Fluggeräts folgte dem Verlauf der Küste. Sie ließen den Säure-Regen hinter sich, so dass sich der Blick nach unten klärte. Der Planet erschien Jack zunehmend suspekt – es schien hier nicht einen einzigen Baum zu geben!
Schließlich erschien die Stadt am Horizont, welche sie bereits beim Landeanflug hatten erahnen können. Die Silhouetten von beeindruckenden Wolkenkratzern verschiedener Form erstrahlten im Licht der blauen Sonne und machten einen durchaus einladenden Eindruck.
Als sie näher kamen, bemerkte Jack den Dunst, der über den Häusern zu hängen schien. Doch es handelte sich nicht um Smog, wie er zuerst befürchtete, sondern um Staub. Staub, den einstürzende Hochhäuser in die Luft gewirbelt hatten. Und davon schien es etliche zu geben. Die Replikatoren waren ganz offensichtlich fleißig gewesen.
In dem Viertel der Stadt, auf welches sie sich zu bewegten, flitzten fliegende Gleiter unterschiedlicher Größe zwischen den Häusern umher. Allerdings für eine Stadt dieses Kalibers viel zu wenige, so dass dieser Ort trotz einer gewissen Aktivität irgendwie tot wirkte.
Das andere Ende der Stadt brodelte dagegen nur so. Riesige Ströme von kleinen Flugzeugen wälzten sich sowohl aus ihr heraus, als auch wieder in sie hinein. Für Jack sah es nach einer Evakuierung der Bevölkerung aus, die dort in vollem Gange war.
Sie landeten auf einer breiten, wie leergefegt wirkenden Straße. Sasss und seine beiden Begleiter kugelten sich kommentarlos aus der Schleuse und sie folgten ihnen. Zielstrebig bewegten sich ihre Führer auf eines der Hochhäuser zu, welche um sie herum in die Höhe ragten.
Dessen Eingang führte in ein großes Foyer. Dessen Decke wurde geziert von der holographischen Projektion eines prächtigen Nachthimmels. An der ihnen gegenüberliegenden Wand des Raumes reihte sich eine Tür an die andere.
Inmitten des Foyers stand ein Brunnen, der eine silbrige Fontäne in die Höhe spritzte. Das flüssige Metall rann über mehrere Stufen herab und floss durch einige gewundene Spiralen in ein Becken hinab. Es erinnerte Jack an Quecksilber, nur irgendwie befürchtete er, dass es sich um etwas Geschmolzenes handelte.
Die drei Aliens stellten sich jeweils vor eine der Türen, welche sich einen Augenblick später bereits öffneten. „Stellt euch vor einen der Zugänge und drückt in ihrem Inneren den zweitobersten Knopf“, wurde ihnen gesagt. Dann schlossen sich die Türen hinter ihren wortkargen Gastgebern.
Jack tat wie geheißen und ging zu einer der Türen, die sich ohne merkliche Verzögerung öffnete. Dahinter lag eine Kabine. Groß genug für ihn und Carter, aber nicht ausreichend groß für zwei der wandelenden Riesenknoten. Obwohl es sich lediglich um einen Lift handelte, blieb das Drücken außerirdischer Knöpfe Carters Aufgabenbereich. Und so war sie es, welche auf die Taste für das zweitoberste Stockwerk drückte. Die Türen schnappten zu und öffneten sich bereits nach einer einzigen Sekunden wieder.
„Die immense Beschleunigung des Lifts wird wohl von Trägheitsdämpfern ausgeglichen“, kommentierte Carter die Geschwindigkeit, mit welcher der Lift sie transportiert hatte.
Der Raum, der sich ihnen nun darbot, erschien wie eine kleine Version des Foyers aus dem sie kamen. Die Decke wurde diesmal geziert von einer pompösen Spiralgalaxie, welche sich langsam drehte – was man nicht in der Realität haben konnte, schuf man sich eben in seiner Fantasie.
Sasss erwartete sie bereits und wies ihnen den Weg durch eine große Tür. Dahinter öffnete sich vor Jack ein Saal welcher im Gegensatz zum Asgard-Laden vor Aktivität nur so überquoll.
Überall hasteten Tzenk herum, selbst an der Decke hangelten sie sich entlang. Lange Reihen mit Konsolen füllten den Raum aus, Projektoren warfen Bilder an die Wand und Hologramme in die Luft. Der Raum war von Stimmen einer Sprache erfüllt, die fremdartiger als alles war, was Jack kannte, da die Stimmbänder, welche sie erzeugten, nichteinmal annähernd menschlich waren. Es waren so viele Gespräche, dass der kleine Asgardcomputer seines Anzuges wohl gar nicht erst versuchte, sie alle zu übersetzen.
Sasss führte sie zu einem großen Tisch, auf dem ein dreidimensionales Hologramm der Stadt zu sehen war. Erneut spähte Jack misstrauisch an die Decke, wo zwei Wesen sich über einen dort montierten Bildschirm beugten.
„Die grünen Gebiete zeigen die Orte an, welche von den Robotern besetzt oder verwüstet wurden“, erklärte ihr Führer und zeigte auf einen in seinem Umfang nicht vernachlässigbaren Randbereich der Stadt, den Jack bereits aus der Luft hatte bewundern können. „Die roten Symbole zeigen unsere Truppen.“
„Ihr befindet euch auf dem Rückzug.“ Jack brauchte nicht lange hinzusehen, um das zu erkennen.
„Das sollte dich nicht wundern. Die wenigsten von uns haben eine Waffe je außerhalb des Schießstandes eingesetzt. Es gibt hier nur uns selber, wen also sollten wir gewöhnlich bekämpfen?“
Das erklärte die primitive Cruise Missile, mit der sie beschossen worden waren. Trotz modernem Sprengkopf hatte Jack von einem Volk mit Hyperantriebs-Unterbrechern und Zugstrahlen ein moderneres Zubringersystem erwartet. Es schien fast so, als hätten die Tzenk irgendwann in ihrer Geschichte ihre Forschung an Waffen eingestellt.
„Aber wenn dem so ist, warum besitzt ihr dann überhaupt Waffen?“, warf Carter ein.
„Weil wir uns vor genau so einem Fall schützen wollten, dass jemand von außen uns angreift“, erklärte Sasss knapp. „Ihr hattet gesagt, dass ihr uns helfen könntet. Also: Helft uns!“
„Die Replikatoren ernähren sich von Metallen, welche sie in der Umgebung finden können und nutzen sie dazu, um Kopien von sich selbst zu erstellen“, erklärte Carter, während Jack weiter die Umgebung musterte und vertrauensvoll seine Stellvertreterin machen ließ. „In diesem Fall vermutlich die Metalle, welche eure Hochhäuser stützen.“
„Sie haben uns zu Anfang völlig ignoriert, sind einfach an uns vorbei und in die Häuser eingedrungen. Erst, als wir versuchten sie daran zu hindern, begannen sie unsere Leute anzufallen. Seitdem greifen sie an, wenn sie uns nur von Weitem sehen.“
„Werden hier in der Nähe Metalle verarbeitet oder größere Mengen gelagert?“
„Es gab Zwischenlager für das aufbereitete Erz, welches auf unserem Raumhafen aus dem äußeren Sonnensystem angeliefert wird.“
„Gab? “, warf Jack ein.
„Die Replikatoren, wie ihr sie nennt, haben es schon vor längerer Zeit eingenommen.“
Jacks Blick kreuzte sich mit dem von Carter. Sie dachten beide dasselbe: es war bereits eine nicht unerhebliche Menge an Replikatoren gewesen, die sie hier eingeschleppt hatten. Wenn die Käfer inzwischen genug Material gefunden hatten, um sich nennenswert zu vermehren, könnte es unmöglich werden, die Kontrolle über die Situation zurück zu gewinnen.
Nicht, dass Jack das etwas ausgemacht hätte. Allerdings saß er hier fest und solange dies der Fall war, ging es ihn sehr wohl etwas an.
„Gibt es noch andere Lager?“, fragte Carter, während sie sich auf den Tisch stützte und intensiv das Hologramm musterte.
„Nein.“
„Gibt es Kraftwerke in der Stadt?“, setzte sie nach.
„Es gab ein geothermisches Kraftwerk am Stadtrand, das allerdings vor Jahren stillgelegt wurde.“
„Die Replikatoren werden angezogen von Energie. Wenn ihr das Kraftwerk wieder in Betrieb nehmen könntet, würde sie das anlocken und wir könnten einen großen Teil von ihnen in die Luft sprengen.“
Nach kurzem Zögern begann Sasss kommentarlos die Konsole vor ihm mit drei verschieden geformten Schläuchen, die von irgendwo her gekommen waren und alle in verschiedenen Gliedmaßen endeten, zu bearbeiten. „Das würde 4 Tage dauern“, erklärte er dann.
Hier schaltete sich Jack wieder ein und kehrte die zwei Schritte zum Tisch zurück, um die er sich entfernt hatte. Er wusste, wie dieses Spiel funktionierte. „Okay, ihr habt 4 Stunden!“
Mit einem schmatzenden Geräusch verschwanden die Tentakel wieder. „Ich verstehe nicht. Wieso haben wir 4 Stunden?“
„Es ist gut, Colonel...“, hielt Carter ihn unbehaglich von einer Erwiderung ab und versicherte beinahe entschuldigend: „Er meint das genauso wie er es sagt.“ Jack schwieg enttäuscht und Carter wandte sich wieder dem Alien zu. „Wie funktioniert das Kraftwerk? Ihr lasst durch die Erdwärme eine Flüssigkeit verdampfen und treibt damit Turbinen an, die dann Strom erzeugen?“
„Genau.“
„Dann könntet ihr aber auch theoretisch umgekehrt diese Turbinen mit Strom in Drehung versetzen?“
„Das wäre viel schneller machbar.“
„Dann tut das! Für die Replikatoren ist es egal, ob die Energie erzeugt oder verbraucht wird. Sie muss nur da sein, so dass sie abgezapft werden kann.“
„Sobald keine Replikatoren mehr nachkommen“, ergänzte Jack, dem der Plan gefiel, „jagt ihr einen von euren Marschflugkörpern in das Kraftwerk.“
Carter blickte ihn einen Moment überrascht an, nickte dann und erklärte den Grund: „Die Replikatoren sind sehr intelligent. Sie könnten eine vorbereitete Bombe entschärfen. Also bringen wir die Bombe erst ins Ziel, wenn wir sie auch einsetzen wollen.“
Unruhig, wie Jack fand, wand sich ihr Gegenüber im durchaus wörtlichen Sinne. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass er keinen Grund hatte ihnen über den Weg zu trauen. „Wir werden das in Betracht ziehen.“
„Kommen wir zu dem Raumhafen, den du erwähnt hast.“ Carter war heute offenbar gar nicht zu bremsen. „Wenn ihr noch Schiffe dort stehen habt, müsst ihr sie starten lassen. Nicht nur, weil ihr Metallanteil sicher größer als der eurer Häuser ist, sondern auch, weil sie den Replikatoren die notwendige Mobilität geben würden, um sich frei über eure Welt zu verbreiten.“
Ein zuckender Hautlappen legte sich über die Konsole. „Drei Schiffe können aufgrund von Reparaturarbeiten nicht starten. Die anderen werden in Kürze den Raumhafen verlassen.“
„Ihr solltet verhindern, dass die Replikatoren diese Schiffe einnehmen“, sprang Jack auf das Thema an. „Schick einen Teil deiner Truppen zum Raumhafen. Das letzte, was ihr gebrauchen könnt, sind Käfer mit Raumschiffen.“


* * *


Daniel fand, dass die Asgard ein recht zwiespältiges Volk waren. Auf den ersten Blick erschienen sie als nüchterne Logiker. Erst, wenn man genauer hinsah, fand man ein Gefühlsleben, obwohl Daniel dieses durchaus als gedämpft beschreiben würde. Mit ihrer Logik konnten die Asgard die edelsten, aber auch die kompromisslosesten Taten rechtfertigen. Auch ihre Position zu den Menschen war alles andere als einfach. Einerseits fühlten sie sich aufgrund ihrer Technik und dem enormen Alter ihrer Zivilisation ihnen klar überlegen. Andererseits bewunderten sie die Menschen für ihren Erfindungsreichtum und ihre Anpassungsfähigkeit. Aufgrund dieses komplexen Charakters war sich Daniel nicht völlig sicher, wie endgültig Thors ablehnende Haltung den Tzenk gegenüber war. Noch während der Schiffstour hatte er deswegen die Gelegenheit genutzt und ein Treffen zwischen Thor und Schesch arrangiert. Die übrigen Mitglieder der Delegation wurden in der Zwischenzeit weiterhin von Hermiod und Teal’c durch das Schiff geführt und bei Laune gehalten. Bei der kommenden Unterredung hätten sie nur gestört.
Schesch brachte seine Wünsche und Vorschläge äußerst eindringlich vor. Die Übersetzung strotzte nur so vor Leidenschaft. Doch es sah nicht gut aus. Er hätte sich genauso gut mit einer leblosen Puppe unterhalten können, wie sie im Filmgeschäft manchmal eingesetzt wurden, denn Thor zeigte sich stur.
„Sei versichert, dass ich dein Anliegen durchaus nachvollziehen kann“, erklärte er. „Du irrst dich allerdings, wenn du glaubst, dass wir euch durch Erfüllung dieses Wunsches einen Gefallen tun würden. Wir handeln so, um euch vor euch selbst zu schützen. Irgendwann werdet ihr dies vielleicht nachvollziehen können.“
Daniel hielt den Zeitpunkt für gekommen, selber etwas zum Thema beizutragen. „Ich denke nicht, dass eure Handlungsweise in diesem speziellen Fall Sinn macht.“
Thors ruhiger Blick wanderte zu ihm herüber. „Ich verstehe nicht.“
Daniel hatte Schesch lange genug zugehört, dass er allmählich glaubte, sich gut in dessen Denkweise hineinversetzen zu können. „Ihr handelt nach diesem Prinzip, um die Tzenk vor Schaden zu bewahren. Dieser Schaden wird jedoch eintreten, wenn sie nicht bald in der Lage sein werden, die benachbarten Galaxien zu erreichen. Sie verzehren sich danach und es gibt Grenzen, was ein Volk auszuhalten vermag.“
Er warf Schesch einen Seitenblick zu. Sofern er sich gerade vor Empörung über die von Daniel erwähnte Schwäche seines Volkes in seinem Schutzanzug lila-blassblau verfärbte, bekam er davon nichts mit. Zwar hatte er Schesch vorbereitet und ihm gesagt, er solle nicht widersprechen. Dennoch war er sich nicht sicher, wie er die Behauptung aufnahm.
„Das sind nur Vermutungen, Daniel Jackson“, erklärte Thor ihm sanft. „Wir wissen nicht, ob es sich so verhalten wird. Im Gegenteil könnte dein Volk, Schesch, daraus gestärkt hervorgehen. Auf der anderen Seite gibt es durchaus Erfahrungswerte, was mit Völkern geschieht, welche unsere Technologie erhalten haben.“
Daniel verstand die Einstellung der Asgard was das anging durchaus, denn er kannte die Erfahrungen der Tollaner, dessen Nachbarvolk sich mit Hilfe der neuen Technik selbst ausgerottet hatte. Allerdings glaubte er nicht, dass dieses Totschlag-Argument auf die Tzenk zutraf.
„Wie wäre es mit einem Kompromiss?“, schlug er vor. „Schesch, ihr benötigt doch eigentlich gar nicht das Wissen um die Hyperraumantriebe, nicht wahr? Was ihr wirklich braucht, sind die Triebwerke selbst, völlig egal von woher sie kommen.“
„Vorerst zumindest.“ Schesch schüttelte seinen Leib in einer Geste, die Daniel nicht so recht deuten konnte. „Auf Dauer wäre es trotzdem besser, wenn wir die Triebwerke selber bauen könnten.“
Daniel beschloss, dies als diplomatisches Ja zu deuten.
„Thor“, fuhr Daniel fort. „Ihr habt schon früher Menschen Technologie zur Verfügung gestellt. Sei es der Hammer oder die Personen-Tarnvorrichtungen von PX3595. Und ihr konntet das ohne Bedenken tun, weil ihr uns um Jahrtausende voraus wart. Die Menschen wären gar nicht in der Lage gewesen, diese Technik zu begreifen, geschweige denn nachzubauen!
Wo also wäre der Unterschied, wenn ihr den Tzenk eine gewisse Anzahl eurer Hyperraumantriebe zur Verfügung stellen würdet? Antriebe der neuesten Generation, aber trotzdem so gebaut, dass sie nach einem bestimmten Zeitraum von euch gewartet werden müssen und ansonsten ihren Geist aufgeben. Selbst, wenn die Tzenk die Triebwerke aufschrauben würden, könnten sie nicht verstehen, was sie vorfinden. Auf diese Weise hättet ihr ständig die Kontrolle darüber, wie eure Technik eingesetzt wird!“
„Du vergisst allerdings eines“, erwiderte Thor. „Es würde sich dabei nicht um einige wenige göttliche Artefakte handeln, die zur Sicherung des Überlebens dienen. Die Tzenk wissen sehr wohl, dass es prinzipiell keinen Unterschied zwischen ihrer und unserer Technik gibt. Das ist ein Unterschied. Wie groß wäre unter diesen Umständen die Motivation ihre eigene Technik fortzuentwickeln?“
Eine Pause entstand. Dann sagte Schesch schlicht: „Ungebremst.“
Thor schüttelte langsam in einer absolut menschlichen Geste den Kopf. „Glaub mir, ich habe es gesehen. Selbst, wenn eure Forschung nicht sofort zum Erliegen kommt, wird sie doch stets nur uns nacheifern. Ihr werdet versuchen, uns zu kopieren und nicht selber etwas zu entwickeln. Gute Ansätze, die den unsrigen vielleicht sogar überlegen gewesen wären, wenn sie Zeit zum Reifen gehabt hätten, gehen auf diese Weise unwiederbringlich verloren.“
Darüber musste Daniel erst einmal einen Moment nachdenken. Tatsächlich war einer der Gründe, welcher auf der Erde zahllose Zivilisationen von Ureinwohnern vernichtet hatte, die überwältigende Macht der vermeintlich überlegenen Kultur gewesen. „Nimm uns als Beispiel“, widersprach er schließlich, als er merkte, dass auch Schesch darauf nichts einfiel. „Wir bemühen uns zur Zeit unsere eigenen überlichtfähigen Raumschiffe zu bauen und soweit ich weiß, sind die Bemühungen sehr groß, dass möglichst viele Bauteile aus eigener Produktion stammen.“
„Das ehrt euch. Aber wie lange werdet ihr das durchhalten? Warum solltet ihr eure eigenen Antriebe benutzen, wenn ein Asgard-Triebwerk zehntausendmal leistungsfähiger und weniger fehleranfällig ist?“
Darauf wusste Daniel nichts mehr zu erwidern. „Vermutlich hast du recht“, musste er zugeben.
Thor legte den Kopf schief und warf ihm einen seltsamen Blick zu. „Das soll nicht heißen, dass wir nicht eines Tages euch mit unser Technik versorgen werden“, eröffnete er Daniel dann zu dessen völliger Überraschung. „Es könnte die Situation entstehen, dass die möglichen Risiken und Nachteile in Anbetracht eurer möglichen Vernichtung durch die Goa’uld oder andere Kräfte in Kauf zu nehmen sind.“
„Ach? Tatsächlich??“, war alles, was Daniel dazu einfiel. Diese Idee war nicht unbedingt schnell in den Asgard gereift.
...Oder auch nicht. Vielleicht diskutierten sie auch schon seit Jahrhunderten oder zumindest Jahren über dieses Thema ohne sich zu einem Entschluss durchringen zu können.
„Aber dies soll jetzt nicht das Thema der Diskussion sein“, lenkte Thor das Gespräch zurück auf sein Ursprungsthema. Vermutlich war ihm aufgefallen, dass diesen Punkt in Anwesenheit von Schesch zu erwähnen, dem er jede Technik vorenthielt, nicht gerade taktvoll gewesen war.


* * *


Die Explosion hatte das Kraftwerk zerstört und das Umland verwüstet. Ein beängstigend großer Schwarm an Replikatoren war dabei vernichtet worden, ein Vielfaches von dem, was vor einem halben Tag erst ihr Schiff verlassen hatte. Doch Jack wusste genau, dass es nicht reichte. Carter wusste es und Sasss ahnte es wohl ebenfalls.
Der Druck auf die kämpfenden Truppen in der Stadt hatte nicht nachgelassen. Im Gegenteil. Eben erst hatten sie erfahren, dass der Raumhafen gefallen war. Die Bilder aus einer kleinen, fliegenden Überwachungsdrohne zeigten die drei Schiffe der Tzenk. Sie glichen dicken Dreiecken, denen die Spitze fehlte. Wie eine graue Flüssigkeit schwappten die Replikatoren über das Flugfeld und verschwanden im Inneren der Raumschiffe.
„Wir haben ein Problem!“
Mit dem Gedanken Erzähl mir was Neues, drehte Jack sich um. Er hatte noch nie einen Tzenk gesehen, der umherschwabbelte wie Wackelpudding. Genau dies tat jedoch das Wesen, welches eben zu ihnen gekrochen war. „Sie kommen!“
Jack musste nicht lange fragen wer kam.
Sasss reagierte nicht, vermutlich musterte er die Karte vor ihm. „Unsere Truppen sind anderweitig gebunden“, meinte er dann, wohl mehr zu sich selbst. „Wir müssen evakuieren.“ Jack fragte sich, woher Sasss diese Ruhe nahm, wenn er noch nie einen echten Kampf geführt hatte.
„HaltHaltHalt!“, hielt Jack ihn gestenreich zurück, ehe Sasss seine glorreiche Erkenntnis für alle im Raum hörbar wiederholte. Jack schwante nämlich Böses. „Ihr habt doch hoffentlich eine Ausweichzentrale?“
Sasss erstarrte auf der Stelle. „Wir sind froh, überhaupt diese Zentrale zu haben.“
Genau das hatte Jack gefürchtet. Es sah so aus, als wären die Tzenk bald die Schlange, welcher man den Kopf abschlug, und nicht umgekehrt.
„Dann wäre Evakuieren eine ziemlich schlechte Idee, oder?“, warf Jack ihm vor, obwohl seine Worte dabei durchaus locker klangen. Als Sasss etwas zu lange schwieg, half er ihm auf die Sprünge. „Wenn ihr Waffen habt, dann solltet ihr sie hier und jetzt einsetzen“, drang er in ihn.
„Die Roboter besteigen die Häuser über die Fassaden und konsumieren die Stockwerke von oben nach unten“, murmelte Sasss. „Wir können sie während ihres Aufstieges abschießen!“
Er sprang nach vorn, überschlug sich und stieß dabei röhrende Laute aus, die bereits nicht mehr übersetzt wurden. Auf einmal kam Bewegung in die anderen Aliens. Mit einer Geschwindigkeit, welche er diesen Riesen nicht zugetraut hätte, strömten sie dem Ausgang entgegen.
Jack blickte hinüber zu Carter. Sie stand an dem beeindruckenden Panoramafenster, welches eine Wand des Raumes vollständig einnahm. Grimmig blickte sie nach unten, grimmig wandte sie sich um und grimmig kam sie zu ihm zurück.
„Wie viele sind es?“, hörte Jack sich sagen.
„Viele“, meinte sie nur und ließ mit diesen Worten einem alteingesessenen Soldaten einen Schauer über den Rücken laufen.
Gemeinsam folgten sie den Tzenk zu den Lifts. Diese brachten sie auf das Dach des Hochhauses. Jack konnte das bedrohlich anschwellende Surren und Klappern der Replikatoren bereits hören, bevor er auch nur einen Käfer zu Gesicht bekam.
Jack griff nach einem Schlauch eines vorbeikommenden Aliens und hielt diesen dadurch davon ab, an ihm vorbei zu stürmen. „Die Replikatoren werden nicht nur über die Fassaden angreifen, sobald sie auf Widerstand stoßen“, erklärte Jack leise aber eindringlich. „Ihr solltet ein paar von euren Leuten nach unten schicken, um die Liftschächte zu bewachen.“ Erst jetzt ließ er den unangenehm weichen Schlauch wieder los.
„Ja“, bestätigte das Wesen, doch die Art, wie es sich davon schlängelte, ließ Jack zweifeln, dass es ihn wirklich verstanden hatte.
Sie gingen zum Rand des Hauses. Da gab es kein Geländer oder irgendetwas, was einen Sturz nach unten verhindert hätte. Es war seltsam: Jack konnte an der geöffneten Luke eines Flugzeuges stehen, ohne dass ihm schwindelig wurde oder er Skrupel gehabt hätte, mit einem Fallschirm heraus zu springen. Doch bereits der Balkon eines normalen Hauses ließ Unbehagen in ihm emporsteigen.
Carter hatte solche Probleme nicht und er beneidete sie darum ungemein. Als er sich dann jedoch vorsichtig über den Rand des Hauses lehnte, vergaß er sein Unbehagen über die Höhe sofort und vollständig. Die ganze Fassade war ein einziges Meer der Bewegung. Obwohl sie lediglich das Aussehen von Insekten imitierten, marschierten die Replikatoren genauso selbstverständlich die Wand hoch, wie es ihre organischen Vorlagen taten.
Eine Explosion zerschmetterte Fensterglas und Roboter. Splitter und Bauteile fielen mit wachsender Geschwindigkeit dem Boden entgegen. Weitere Explosionen folgten schnell hintereinander, wurden immer häufiger. In der dichten Luft klangen sie tief und lang gezogen, wie aus weiter Ferne. Jack bemerkte, dass es die Gewehre der Tzenk waren, die zwar immer nur ein einzelnes Projektil verschossen, dieses dafür aber am Ziel explodierte.
Auch Jack griff nach seiner Waffe, entsicherte und schoss Dauerfeuer. Irgendwie mussten sie einfach der anströmenden Flut Herr werden.


* * *


„Ja, ähm...“, versuchte Daniel seinen roten Faden wieder vom Boden aufzulesen. Thors unverhoffte Aussage, dass die Asgard ihnen vielleicht doch irgendwann etwas von ihrer Technik überlassen würden, hatte ihn ziemlich aus dem Konzept gebracht. „Okay, vergiss, was ich gerade gesagt habe“, erklärte er schließlich. Das mit den Triebwerken konnten sie wohl getrost vergessen. Ihm war aber soeben etwas ganz anderes eingefallen. Entsprechend hatte er das zuvor nicht mit Schesch abstimmen können. Dennoch war dies wohl der beste Zeitpunkt, es vorzubringen. „Ein ganz anderer Vorschlag. Hört zu: Die Asgard bringen ein Sternentor zu diesem Planeten mitsamt Energiequelle und Software für einen Transport über intergalaktische Distanzen.“
Er unterbrach sich und erklärte Schesch in knappen Worten, was es mit einem Sternentor auf sich hatte. Dann fuhr er mit seinem Plan fort: „In einer der Nachbargalaxien platziert ihr ein weiteres Stargate auf einer Welt, welche mit dieser hier vergleichbar ist. Auf diese Weise können die Tzenk beliebig diese Welt mitsamt Sternenhimmel aufsuchen, ohne dass ihr irgendwie weiter in ihre Entwicklung eingreifen würdet.“
Daniel sah gespannt von einem zum anderen. Dies waren die spannenden Momente in einer Verhandlung, wenn die Vorschläge auf dem Tisch lagen und beide Seiten sich dazu äußern mussten.
„Ein interessanter Vorschlag“, bekannte Thor und nickte. „Aber eine derartige Entscheidung kann ich unmöglich alleine treffen. Nur der Hohe Rat der Asgard darf über so etwas befinden.“
„Nur zu!“ Auf K’Tau hatte es kein Problem dargestellt, mit dem Hohen Rat in Verbindung zu treten, warum sollte es an Bord dieses Hightech-Schiffes anders sein? Daran sollte es nicht scheitern. „Es dürfte wohl nicht schwer für dich sein, den Rat zu überzeugen“, vermutete Daniel. „Immerhin bist du der Oberkommandierende der Flotte und hast sicher Einfluss. Außerdem ist der Vorsitzende des Rates doch Penegal, welcher der Legende nach ein guter Freund von dir sein soll.“
Thors Mine verfinsterte sich in einem Maße, wie ein Asgard das eben zuwege brachte. „Meine Beziehung zu Penegal steht hier nicht zur Debatte“, erklärte er derart eisig, dass Daniel auf seinem geistigen Notizblock vermerkte, das Thema nie wieder anzusprechen. „Außerdem fällt die Entscheidung demokratisch und nach sorgfältiger Prüfung.
„Ich wollte nicht beleidigend sein“, beeilte sich Daniel zu versichern. Er hatte Thor heute wohl schon genug vor den Kopf gestoßen.
Schesch rief seine Anwesenheit wieder in Erinnerung. „Warum dieser Aufwand?“, wollte er wissen. „Dein Schiff wäre ganz alleine im Stande, das Genannte zu leisten.“
„Ein derartiges Vorgehen würde zwar euch nicht schaden“, erklärte Thor und verhielt sich dabei schon wieder, als wäre soeben nichts geschehen. „Allerdings könnte es das bestehende Machtgefüge der betreffenden Galaxie massiv stören.“
Daniel seufzte auf. Die verschrumpelten Hirne der Asgard schienen an alles zu denken – um nicht zu sagen: schienen überall ein Haar in der Suppe zu finden.
„Ich versichere dir“, kam es nun heftig von Schesch. „Wir haben nichts dergleichen vor! Seit Ewigkeiten träumen wir davon, uns in eine Gemeinschaft mit anderen Völkern einzureihen, die zwischen den Sternen wohnen. Nichts liegt uns ferner, als diese Gemeinschaft zu stören oder ihr gar Schaden zuzufügen.“
Thor jedoch konnte er damit nicht beeindrucken. „Träume verblassen, wenn sie mit der Realität konfrontiert werden“, philosophierte er lakonisch.
„Du selber hast gesagt, dass ihr keinen Planeten wie diesen kennen würdet, der über intelligentes Leben verfügt“, kam Daniel Schesch zu Hilfe. „Wen also sollten die Tzenk stören? Unsere Welten sind für sie so tödlich wie umgekehrt.“
„Du als Historiker solltest wissen, dass Kriege eher selten um Lebensraum geführt werden.“
Daniel gab auf. Er hatte geglaubt, etwas bewirken zu können. Jetzt konnte er Thor nicht einmal vorwerfen, stur zu sein. Er hatte einfach Gründe, die Daniel nicht widerlegen konnte.
„Aber wie gesagt“, fuhr Thor fort. „Der Vorschlag stellt durchaus eine Option dar. Allerdings ist ein Zusammentreffen mit dem Hohen Rat zur Zeit nicht möglich. Ich werde es euch mitteilen, wenn sich das ändert.“
Erneut seufzte Daniel, wenn diesmal auch nur innerlich. Was blieb ihm übrig, als das zu akzeptieren?
„Wir danken dir für deine Mühe“, verkündete Schesch floskelhaft. Er war Diplomat und als solcher hatte er erkannt, dass er soeben genau soviel erreicht hatte, wie er unter diesen Umständen überhaupt hatte erreichen können. Seinen Unmut darüber zu zeigen, dass es weniger als erhofft war, hätte nichts gebracht. „Ich bin mir sicher, dass wir schon bald eine Lösung finden werden, die uns alle – auch den Hohen Rat – zufrieden stellen wird.“
Amen, dachte Daniel sarkastisch.


* * *


Jack ließ das außerirdische Gewehr zu Boden gleiten, gerade noch vorsichtig genug, dass nicht die Gefahr bestand, es könne von alleine los gehen.
Sein Blick wanderte über die Toten.
Die Tzenk verfärbten sich im Tod schwarz und schrumpelten wie Luftballons, aus denen man die Luft heraus ließ.
Viele dieser unansehnlichen Fladen lagen um Jack herum. Doch inzwischen war Ruhe eingekehrt.
Kein Klicken von Replikatoren.
Keine durch Mark und Bein gehenden Schreie der Sterbenden.
Er und Carter hatten gefeuert, was die Magazine hergaben. Es hatte nicht lange gedauert, bis Replikatoren in allen Formen und Größen nicht nur über die Fassade heranströmten, sondern auch aus den Liftschächten. Von den Tzenk, welche diese bewacht hatten, war sicherlich nichts übrig geblieben.
Sie waren umzingelt worden. Rücken an Rücken hatte er mit Carter gestanden und um sich gefeuert – bis die Magazine zu Ende waren.
Daraufhin hatte er die Asgardwaffe versucht, doch ein kurzer Treffer schadete diesen Legotechnik-Alpträumen nicht und da sie nicht einfach stehen blieben, sondern sich mit einem Sprung in Sicherheit brachten, war ein Dauerbeschuss auch nicht praktikabel gewesen.
In seiner Verzweiflung hatte er sich eines der Gewehre von einem toten Tzenk geschnappt. Doch diese Waffe war nicht für Menschenhände gedacht. Er hatte nicht einmal den Abzug gefunden.
So hatte er also mit einem Mal vollkommen wehrlos inmitten eines Schachtfeldes gestanden, ohne noch irgendwie eingreifen zu können.
Es hatte ihn einige Beherrschung gekostet, nicht einfach loszustürmen, auf den kleinen Käfern herumzutrampeln und gegen die großen zu treten. Mit dem Asgardanzug hätte er damit vermutlich sogar durchschlagenden Erfolg gehabt, doch hätte es keine zwei Sekunden gedauert, bis mehr Replikatoren seinen Schirm durchdrungen und an ihm hochgeklettert wären, als er hätte abstreifen können...
Also hatte er es gelassen und dem Wahnsinn um ihm herum zugesehen. Einzig die Tatsache, dass Carter unmittelbar hinter ihm stand, hatte ihn ein wenig beruhigt. Doch letztlich war sie genauso hilflos wie er gewesen.
Ein Tzenk kam auf Jack zu. Seine Waffe hatte er irgendwie im Inneren seines Körpers aufgehängt. Sie schwabbelte zwischen den zitternden Schläuchen umher.
„Ihr hattet Recht!“, erklärte ihnen Sasss mit einer Art von Begeisterung, die Jack kannte und als äußerst gefährlich einstufte. „Man kann sie tatsächlich besiegen!“ Mit diesen Worten torkelte Sasss zu den anderen Überlebenden.
Jack wandte sich zu der Kollegin um, die inzwischen wieder neben ihm stand. „Carter?“
„Sir?“
„Das war knapp.“
„Ja, Sir“, seufzte sie. Doch diese Worte sagten nichts aus. In ihren Augen sah Jack dagegen, dass auch sie das Gleiche dachte wie er: Warum lebten sie noch und warum überlebte ausgerechnet gerade der Tzenk, den sie kannten – während so viele andere gestorben waren? Nicht, dass Jack undankbar gewesen wäre, aber manchmal verstand er das Universum einfach nicht.


weiter: Kapitel 3

Kapitel 3 by Sphere
KAPITEL 3

Scheschs Funkspruch erreichte die Mjölnir, während Daniel sich gerade auf der Brücke befand. Er vermutete, dass der Botschafter sich lediglich erkundigen wollte, ob die von ihnen gelieferte Ausrüstung gut angekommen war.
Nach einigem Überlegen hatten sich die Tzenk doch bereit erklärt, sie aktiv bei der Reparatur ihres Schiffes zu unterstützen. Sonderlich begeistert war Hermiod wegen der angeblich „miserablen Qualität“ der gelieferten Ware zwar nicht gewesen, verbaut schien das Material aber wohl dennoch zu sein.
„Ich muss euch noch einmal bitten, uns eure Hyperantriebstechnologie zu überlassen“, begann Schesch mit einem Klang in der Stimme, welcher in Daniel sofort alle Alarmsirenen zum Läuten brachte. Mit einem Mal brachte Schesch keine Bitten mehr vor. Er übte sich nicht mehr in endloser, diplomatischer Geduld. Plötzlich stellte er Forderungen und Daniel fragte sich, was diesen Sinneswandel bewirkt hatte.
„Dir ist bekannt, wie wir verblieben sind“, erklärte Thor geduldig.
„Dann lässt du uns leider keine Wahl“, übertönte Scheschs Stimme den Klang der Sirenen in Daniels Kopf. „Es sind Replikatoren in zwei weiteren Städten gesichtet worden. Gemäß der Aussage eurer Freunde teilen sich diese Maschinen nur auf, wenn ihre Zahl bereits extrem groß ist. Wir haben daher keine Zeit mehr. Unsere Welt wird von dieses Wesen überrannt werden! Übergebt uns eure Technik oder wir werden euch vernichten.“
Du Narr! durchfuhr es Daniel. Vor Kurzem erst hatte er sich mit Jack über Funk unterhalten. Er wusste inzwischen, wie schlecht die Aktien tatsächlich standen und war bereits dabei gewesen, Argumente zu formulieren, welche er Thor unter die Nase reiben konnte.
Es ging mit einem Mal nicht mehr um einen vergleichsweise harmlosen Wunsch der Tzenk, sie wollten nicht mehr sozusagen zum Spaß die Galaxien bereisen. Jetzt hing an dieser Fähigkeit ihr blankes Überleben, denn erfolgreich verteidigen konnten sie ihre Welt inzwischen nicht mehr. Sie mussten fliehen.
Vermutlich hätte Thor das sogar eingesehen und schnell seine harte Haltung aufgegeben. Die Asgard waren auf das Wohl der Mehrheit aus und man musste nicht lange rechnen und abwägen, um zu wissen, wie es nach einem vernichteten Planeten um selbiges bestellt war.
Doch die Chance hatte Schesch in diesem Moment verspielt, denn eines wusste Daniel ganz genau: Thor ließ sich zu gar nichts zwingen! Jeder, der es versuchte, würde sich daran die Zähne ausbeißen.
Schesch fuhr fort. „Mir war nicht bewusst, dass meine Delegation während unseres Besuches eine Bombe bei euch deponiert hat. Es hat mich anfangs ziemlich verärgert, aber jetzt bin ich froh darum. Die Bombe enthält Neutronenmaterie, die nur unter hohem Druck stabil ist. In 4,8973 Minuten wird dieser Druck wegfallen und die Neutronen werden freigesetzt. Dem Schiff wird das nicht schaden, aber die Neutronen werden euch alle umbringen, wenn ihr nicht vorher kapituliert.“
Eine energische Geste, welche Daniel Thor gar nicht zugetraut hätte, ließ das Holo verlöschen.
„Daniel Jackson, Teal’c. Ihr seid mit dem Verlauf der Schiffstour von der Delegation vertraut. Aufgrund der kurzen Zeit, die uns gegeben wurde, kann das Versteck der Bombe nicht sonderlich gut sein. Findet sie. Hermiod wird von hier aus die Asgardmannschaften der betreffenden Sektionen instruieren.“ Es war keine freundliche Bitte, was Thor da vorbrachte. Es war ein Befehl.
Teal’c wandte sich sofort um und stürmte davon.
„Ist das nicht zu wenig Zeit“, widersprach Daniel. „Sollten wir nicht besser weiter versuchen mit ihnen zu verhandeln?“
„Überlass das mir.“ Thors leise Stimme duldete keinen Widerspruch und Daniel respektierte militärische Kommandostrukturen inzwischen genug, um in dieser Situation auch keinen weiteren Zweifel verlauten zu lassen. Auch er eilte davon.


* * *


Die Tzenk feierten ihren unverhofften Sieg. Sie tanzten um ihre Toten herum, wogten mit ihren riesigen Leibern umher und stießen trötende Laute aus.
Auf diesem Schlachtfeld kam Jack der Vorgang reichlich makaber vor, ganz zu schweigen davon, dass er die Besatzung der Kommandozentrale der hiesigen Truppen vor sich hatte, die eigentlich Wichtigeres zu tun hatte.
Vermutlich wäre er durchaus in der Lage gewesen, sich Gehör zu verschaffen und dem Einhalt zu gebieten. Doch er tat nichts dergleichen. Er war nicht Daniel, er hatte nie gelernt, sich in die Mentalität anderer Völker hineinzudenken. Dennoch riet sein Instinkt ihm, diese Wesen gewähren zu lassen. Er glaubte zu wissen, dass sie diesen Moment brauchten – und zwar nur diesen Moment.
Carter sah ihn zweifelnd von der Seite an und er registrierte sehr genau jeden ihrer Blicke. Doch behielt er letztlich zu seiner Erleichterung recht. Schon nach wenigen Minuten kehrte Ruhe ein und die überlebenden Tzenk begannen diszipliniert zu den wenigen Liftschächten zurückzukehren, welche nicht durch die Replikatoren zerstört worden waren.
„Na also“, murmelte Jack und wollte sich ebenfalls auf den Weg machen, als ihm ein dicker, runzliger Tentakel, welcher in einer verschlossenen Öffnung mündete, den Weg versperrte.
„Wartet“, hielt Sasss ihn sanft zurück.
Sie verharrten, bis alle, abgesehen von ihnen dreien, das Dach verlassen hatten.
„Ihr werdet feststellen, dass ihr keine Verbindung mehr zu eurem Schiff bekommt.“
Eine lange Sekunde brauchte Jack, bis er die Schwere dieser Aussage begriff.
„O’Neill an Thor...“, sprach er in seinen Helm.
Schweigen. Eigentlich hätte der Anzug die Verbindung sofort herstellen müssen.
„Was ist hier los?“, fuhr Jack den Alien an.
„Die verantwortlichen Stellen scheinen beschlossen zu haben, dass die Technologie eures Schiffes uns nützlicher ist, als eure Hilfestellung. Zur Zeit werden eure Freunde angegriffen. Ich habe den Befehl bekommen, euch festzusetzen.“ Die Worte kamen schnell, aber völlig sachlich und ruhig.
„Aber du hast nicht vor, das auch zu tun“, erkannte Carter.
„Nein“, bestätigte Sasss.
Jack hatte diesen Knoten nie getraut. Dass sie erneut angegriffen, wunderte ihn überhaupt nicht. Dass ausgerechnet der Kerl, welcher sie vor Kurzem noch am liebsten mit einer Atombombe in die Luft gesprengt hätte, nun auf ihrer Seite stand, schon.
„Ich bezweifle, dass ein leistungsfähiger Hyperantrieb oder das Wissen darum uns jetzt noch helfen könnten. Dazu ist es wohl zu spät“, erklärte Sasss verbittert. „Aber selbst, wenn ich mich irre: Mit euch habe ich keinen Streit.“
Der zurückliegende Kampf hatte offenbar mehr Vertrauen geschaffen, als zerstört. Von der Reserviertheit und dem verborgenen Misstrauen von Sasss war nichts mehr übrig.
„Okay, dann hilf uns“, ergriff Jack die Gelegenheit beim Schopf. Sie mussten so schnell es ging zurück zum Asgardschiff.
„Tut mir leid, ihr überschätzt meinen Einfluss. Ich werde jetzt in den Kommandostand zurückkehren und eure Suche anordnen. Es besteht kein Zweifel, dass man euch finden wird.“
„Na toll“, antwortete Jack sarkastisch. „Und wie sieht dein Plan wirklich aus?!“ Das konnte doch nicht sein Ernst sein!
„Mehr kann ich nicht für euch tun.“ Sprach’s und verschwand hinter einer Lifttür, die sogleich hinter ihm zuschnappte.
Jack zerbiss einen Fluch zwischen den Zähnen.
Sie mussten ungesehen von diesem Dach runter. Das war erst einmal das Wichtigste. Wie sie danach durch eine replikatorenverseuchte Stadt voller feindlicher Truppen zu ihrem kilometerentfernten Schiff kommen sollten, mit nichts in der Hand als einer leeren P-90 – darüber konnten sie dann immer noch nachdenken. „Kommen Sie“, winkte er Carter zu den Aufzügen.
„Sir! Halt, warten Sie!“
Er drehte sich zu ihr um.
„Die Straßen sind voller Tzenk“, erinnerte sie hastig. „Die Häuser dagegen werden von ihnen nur betreten, wenn sich darin Replikatoren befinden. Das gleiche gilt für die Dächer.“
„Ihr Punkt, Carter!“
„Wir springen von Dach zu Dach, Sir.“
Unwillkürlich sah Jack hinüber zum nächsten Hochhaus. Es war mehrere Stockwerke höher, als das, auf dem sie sich befanden. Das galt auch für die anderen Nachbargebäude, die er derzeit sehen konnte. Ganz zu schweigen davon, dass Straßen die Häuser voneinander trennten.
Ausgesprochen breite Straßen.
„Die Kraftverstärker dienen den Asgard nur dazu, schwere Gegenstände tragen zu können. Die vergrößerten Versionen in unseren Anzügen sind aber zu weit mehr im Stande“, ereiferte sich seine Wissenschaftlerin weiter. „Ich habe mir die Spezifikationen angesehen, Sir. Wir können das durchaus schaffen!“
„Eigentlich bin ich ja eher ein Fan von Verfolgungsjagden in Autos“, machte er seinem Zweifel Luft.
Doch Carter war jetzt nicht nach Scherzen zumute. Eigentlich war ihr in solchen Situationen nie nach Scherzen zumute. „Sir!“, drang sie in ihn. „Ich glaube, das ist unsere beste Chance.“
„Dann los.“
Hatte er das eben wirklich gesagt?
Sie hatten schon viele verrückte Dinge getan. Aber sowas? Das erschien selbst ihm ein wenig lebensmüde.
Andererseits: Wenn Carter sagte, dass es ging, wenn sie in ihren nie endenden Gedankengängen aufgrund der Gebrauchsanweisung dieser modischen Overalls zu dem Schluss gekommen war, dass es möglich war... dann war das wohl so.
Unbehaglich stellte er fest, sich tatsächlich auf den Absprung vorzubereiten.
„Wir brauchen nicht soviel Anlauf, Sir“, belehrte ihn Carter. „Wenn wir die Leistung der Anzüge unterschätzen, springen wir über das Ziel hinaus.“
Sie sprinteten gleichzeitig los. Der Rand des Daches kam näher, doch es war zu spät, an der eigenen Courage zu zweifeln. Jack stieß sich vom Boden ab und sprang ins Nichts.


* * *


Thors Verstand analysierte die Lage nüchtern.
Die Tzenk standen unter gewaltigem Druck. Einerseits vom rein psychologischen Standpunkt, weil vor Kurzem ihre größten Hoffungen erst erfüllt und dann zerschmettert worden waren. Aber auch durchaus von der Sachlage her, denn es bestand jetzt kein Zweifel mehr, dass den Replikatoren nicht mehr Herr zu werden war.
Dies mündete in Aktionismus. Die Tzenk hatten das Gefühl, handeln zu müssen, gleichgültig ob es vernünftig war oder nicht. Ein in die Enge getriebenes Tier mochte als guter Vergleich dienen.
Unglücklicherweise hatten sie den einzigen Punkt gefunden, an welchem sie ihnen tatsächlich gefährlich werden konnten. Keine ihrer Waffen hätte den Schirm der Mjölnir durchdringen können. Jede gewöhnliche, Hitze erzeugende Explosion innerhalb des Schiffes wäre sofort erkannt und mit Kraftfeldern auf einige wenige Kubikmeter eingedämmt worden.
Die Freisetzung der Neutronen dagegen würden die Sensoren erst bemerken, wenn es zu spät war. Mit einer derartigen Bombe war es äußerst elegant möglich, alles Leben an Bord auf zellularer Ebene abzutöten.
Das Schiff in Besitz nehmen konnten die Tzenk deswegen noch lange nicht. Die Mjölnir würde sich auch ohne Besatzung zu verteidigen wissen und sich notfalls selbst zerstören, um nicht in die falschen Hände zu geraten. Dass solche Vorkehrungen sinnvoll waren, hatten die Asgard inzwischen gelernt.
Natürlich hätte Thor dies Schesch mitteilen können. Doch da es hier bekanntermaßen nicht mehr um Vernunft ging, hielt er dies für nicht sonderlich sinnvoll. Schesch hätte ihm nicht zugehört.
„Die drei Schiffe auf dem Raumhafen sind soeben gestartet, Commander“, meldete Hyrrockin von ihrer Station her. Offensichtlich hatten die eingedrungenen Replikatoren ihre Modifikationen an den Schiffen beendet. „Die Tzenk treffen keinerlei Vorkehrungen, sie mit ihren Zugstrahlen daran zu hindern.“
Die Replikatoren hatten längst erkannt, wie primitiv die Technologie dieser Welt war. Das machte die Mjölnir mit ihrer Technik und ihrem Material erneut zu einem ihrer primären Ziele – und die Tzenk wussten das. Daher verzichteten sie bisher darauf, die Schiffe aufzuhalten. Sie glaubten, sie dadurch noch weiter unter Druck setzen zu können.
Erneut flammte das Holo von Schesch auf. „Es tut mir leid“, bedauerte er. Vermutlich erleichterte ihm diese Doppelmoral sein Vorgehen ungemein. „Aber solltet ihr versuchen zu starten, werden wir gezwungen sein, die Bomben vor Ablauf der Frist fernzuzünden.“
Ein Mensch hätte jetzt sicherlich seine Gedanken daran verschwendet festzustellen, dass er in einer Zwickmühle saß: Entweder er startete und wurde durch einen Schauer von Neutronen getötet – oder er blieb wo er war und fiel den Replikatoren zum Opfer.
Nicht so Thor.
Es gab nur eine logische Wahl. Und die traf er.


* * *

Sam schlug nicht hart auf dem Dach des Hochhauses auf. Ihr Schutzschirm verhinderte, dass sie dieses zu irgendeinem Zeitpunkt auch nur berührte. Die künstliche Schwerkraft innerhalb des Anzuges reagierte schnell und glich die auftretenden Beschleunigungskräfte einfach durch ein Schwerefeld in entgegengesetzter Richtung aus.
Sie schlitterte über den Boden und überschlug sich mehrfach, doch sie spürte davon nicht das Geringste. Alles kam ihr so irreal vor, als würde sie lediglich das Video einer vorbeiwirbelnden Umgebung sehen. Das Ganze hatte etwas von einem Traum, in dem alles geschehen konnte, aber nichts davon – selbst innerhalb des Traumes – Konsequenzen hatte.
Alle Viere von sich gestreckt versuchte sie zum Stillstand zu kommen, doch das Video lief davon völlig unbeeindruckt weiter. Ihr Schwung war einfach zu groß.
Und auf einmal war da kein Boden mehr, über den sie schlitterte.
Auf einmal flog sie auch nicht mehr in einem beabsichtigten Sprung durch die Luft.
Sie fiel dem Boden entgegen, war über die Kante des Hochhauses gestürzt.
Der Instinkt suchte nach der Reißleine eines Fallschirms, den es nicht gab.
Plötzlich holte die Realität sie ein, wurde der Traum zur Wirklichkeit.
Sam schrie auf.

Jack hatte das Gefühl zu fliegen. Es schien, als wären es seine Muskeln, sein reiner Wille gewesen, die ihn in diese Höhe geschleudert hatten. Die Zweifel fielen von ihm ab und wandelten sich Begeisterung.
Immer noch vom Schwung getrieben, bewegte er sich aufwärts, während unter ihm die Straße vorbeizog. Es war eine simple und vorhersehbare Parabelflugbahn, die er durchlief. Er würde genau auf dem angepeilten Dach des Nachbargebäudes landen. Die Sache war perfekt.
Ein Schlag traf ihn von unten und riss ihm die Beine zur Seite.

Der Aufprall presste ihr die gesamte Luft aus den Lungen. Einen Moment lag Sam benommen da, erst dann füllte sich mit einem Keuchen die unnatürliche Leere in ihrer Brust wieder.
Sams ganzer Körper tat einfach nur weh. Dennoch hatte sie den Sturz überlebt. Interessanterweise war ihr erster klarer Gedanke die kühle Feststellung, dass die anzuginternen Projektoren für künstliche Schwerkraft ganz offensichtlich ihre Grenzen hatten. Sie hatten die Wucht des Aufpralls gemindert, aber nicht vollständig absorbiert.
Den Tzenk am Ende der Straße sah sie viel zu spät.
Das Projektil seiner Waffe traf und explodierte mit einer grellen Explosion in ihrem Schutzschirm. Es wirbelte sie herum und schleuderte Sam gegen die Fassade des nächsten Hauses.
Geschützt von dem Anzug brachte sie das nicht um. Doch der helle Blitz hatte sie geblendet und sie litt noch immer unter den Folgen des vorangegangenen Sturzes. Dennoch – oder vielleicht auch gerade weil sie keinen klaren Gedanken fassen konnte, reagierte sie vollautomatisch und warf sich nach vorn.
Die Tatsache, dass eine weitere Explosion ein Loch in die Wand riss, vor der sie eben noch gestanden hatte, bekam sie nur am Rande mit. Ein einzelner Druck auf den Touchscreen der Asgardwaffe an ihrem rechten Unterarm ließ diese zum Leben erwachen. Sam riss den Arm hoch, die Hand flach ausgestreckt. Während die andere Hand noch nach dem Handgelenk griff, um es zu stützten visierte Sam den Tzenk an.
Das Ballen der Faust löste die Waffe aus. Ein hellgrüner Strahl löste sich und traf den schwammartigen Körper genau im Zentrum.
Der Tzenk brach zusammen, schien zu zerfließen und verfärbte sich schwarz.
Heftig atmend stützte Sam die Hände auf die Knie.
Verdammt! Zwar war sie mit dem Leben davongekommen, doch hatte sie den Tzenk nicht töten wollen. Auch wenn dieser das eben mit ihr versucht hatte, verstand sie die Situation noch zu wenig, um derartige Gewalt rechtfertigen zu können. Die grüne Farbe des Strahls, den sie verschossen hatte, bewies eindeutig seine geringe Intensität. Er hätte das Wesen eigentlich nur betäuben dürfen. Wenn die Waffe versehentlich nur ein wenig stärker eingestellt gewesen wäre, dann wäre auch der Strahl grünblau bis blau gewesen. Doch offenbar waren die Tzenk empfindlichere Lebensformen, als es vom Äußeren her den Anschein hatte.
Hastig erhob sie sich wieder und blickte auf. Sie stand inmitten der Straße, welche aus hellgrauem, fast weißen Material bestand und keinerlei Markierungen für etwaige Bodenfahrzeuge aufwies. Um sie herum türmten sich die bekannten Wolkenkratzer auf. Tzenk waren keine mehr zu sehen, aber das würde sich ändern. Es besteht kein Zweifel, dass man euch finden wird, klangen die Worte von Sasss in ihr nach.
Sie blickte auf die Energieanzeige ihres Anzugs. Die Vorräte waren auf 67 Prozent gesunken. Mehr als zwei weitere Treffer aus einem Tzenk-Gewehr sollte sie sich wohl besser nicht mehr leisten.
Seltsam, wie wenig ihr das jetzt erschien, obwohl sie sich bisher mit der Tatsache hatte arrangieren müssen, dass schon eine einzelne Kugel tödlich sein konnte, ganz zu schweigen von einer, die beim Aufprall explodierte.
Sam rannte los. Einfach geradeaus, einfach nur, um Abstand zu ihrer letzten, den Tzenk bekannten Position zu gewinnen.
„Carter!“, erklang eine bekannte Stimme in ihrem Helmfunk.

Jack krallte sich an etwas fest, das eben noch nicht da gewesen war und seiner Ansicht nach mitten in der Luft auch nichts zu suchen hatte.
Es war glatt, schwarz und glatt – hatte er erwähnt, dass es glatt war? Er lag mit dem Bauch mitten darauf und hatte bisher keine Ahnung, was es war, wusste lediglich, dass er im Flug dagegen gestoßen war.
Endlich hatten seine beiden Hände und auch einer seiner Füße etwas gefunden, das ihnen besseren, möglicherweise sogar halbwegs sicheren Halt bot. Vorsichtig stützte er sich auf und betrachtete das Ding unter sich genauer, während er nebenher irgendeine Vertiefung oder einen Vorsprung für den verbliebenen Fuß suchte.
Schließlich erkannte er, was es war. Es war einer der kleinen, eiförmigen Flugapparate, die er schon zuvor gesehen hatte – wenn auch aus einiger Entfernung innerhalb des Stadtpanoramas. Er hatte keine Ahnung, zu was sie dienten. Jedenfalls schien dieser hier automatisch zu fliegen, denn ein Pilot hätte auf einen Zusammenstoß irgendwie reagiert.
Erst jetzt nahm sein Hirn sich wieder die Zeit, auf die Ohren zu achten. Als ob jemand etwas auf einen Anrufbeantworter gesprochen hätte, erinnerte er sich an den Knall und das Keuchen, welche er eben noch vernommen hatte.
Carter! erinnerte er sich und sprach es wohl auch laut aus.
„Colonel! Wo sind Sie?“, erklang die vertraute Stimme aus dem Funkgerät. Rasche und tiefe Atemzüge waren zu hören, vermutlich rannte Carter gerade. „Ich bin vom Dach gefallen und kann Sie nicht mehr sehen.“
In Anbetracht der Tatsache, dass sie nach einem solchen Sturz noch rennen konnte, sparte sich Jack die Sorge.
„Ich steige mitsamt einem dieser fliegenden Eier senkrecht nach oben“, berichtete er und versuchte, dabei halbwegs cool zu klingen. „Wenn Sie von einem Dach fallen können, kann ich dann einfach so abspringen?“
Kurze Pause. „Sie müssen den Schutzschirm ausdehnen und in seiner Stärke abschwächen.“ Ein hastiges Atemholen zwischen den Sätzen. „Wie ein Airbag. Der Schirm wird nachgiebig und Ihr Sturz wird weniger abrupt gebremst.“
Statt Ketzerei zu üben fragte er nur: „Um wieviel muss ich den Schirm abschwächen?“
„Wie hoch ...e, Sir?“
Einen Moment stutzte Jack über den kurzen Aussetzer im Asgardfunk. Dann erinnerte er sich an das Dämpfungsfeld, welches auch die Verbindung zu Thor störte.
Er schielte nach unten. „Etwa zehnmal so hoch wie die Häuser.“ Das war bereits so hoch, dass ihm nicht einmal mehr schwindelig wurde...
Carters Schnaufen verstummte. Er glaubte bereits, dass die Verbindung vollends abgebrochen wäre, doch dann erkannte er, dass sie lediglich stehen geblieben war. Betroffenheit klang aus ihrer Stimme. „Dann... ich nichts für Sie tun, ...ir.“
„Carter?“
Doch die Verbindung war weg.
Auch der Steigflug des schwarzen Dings schien beendet. Jack fürchtete, dass es jetzt seine Reisehöhe erreicht hatte. Von nun an würde es vorwärts statt nur nach oben fliegen.
Er dachte an das Tempo, welches das Flugzeug erreicht hatte, das sie in die Stadt gebracht hatte und plötzlich wurde die Tatsache, dass sein linker Fuß immer noch keinen festen Halt gefunden hatte, wieder zu einem ernsten Problem.


* * *


Ohne merkliche Kraftanstrengung riss die Mjölnir das Erdreich auf, in welches sie sich gebohrt hatte und startete.
Die Replikatoren würden seine Besatzung definitiv töten. Die Tzenk dagegen hatten moralische Skrupel, blufften vielleicht sogar. Das kleinere Risiko war für Thor die logische Wahl. Daher startete er und versuchte den Replikatorenschiffen zu entkommen.
Selbstverständlich griffen die Zugstrahlen der Tzenk sofort zu. Die Maschinen der Mjölnir waren mächtig. Ob sie mächtig genug waren, um das Schiff zu befreien, blieb zweifelhaft. Scheinbar unaufhaltsam folgte die Mjölnir dem Sog, welcher sie auf den ursprünglich von den Tzenk für sie vorgesehenen Landeplatz zuzog.
„Können wir Colonel O’Neill und Major Carter an Bord beamen?“, fragte er einen der Techniker an den seitlichen Stationen.
„Nein. Wir können sie derzeit nicht orten.“
Das verkomplizierte die Lage. Aufgrund der sich nähernden Replikatorenschiffe würden sie nicht in der Lage sein, nach ihnen zu suchen. Thor widerstrebte das ungemein, aber sie würden die beiden wohl vorerst zurücklassen müssen.
Die Mjölnir war nun nahe genug bei den Zugstrahlprojektoren, um von dort größere Materiemengen wegbeamen zu können.
Da Thor von einem Erfolg ausging, beschäftigten sich seine Gedanken nicht mit dem Vorgang, welcher nun ablief: Weiße Transportstrahlen tasteten über die Gebäude des Landefeldes und entmaterialisierten dort die relevanten Projektoren.
Der Sog verschwand und Hyrrockin begann den Steigflug in den Orbit.
„Eines der Replikatorschiffe hat soeben ein Projektil verschossen“, meldete die eben genannte.
Thor hatte keinerlei Zweifel, um was es sich handelte. Er hatte damit gerechnet. Derartige Projektile waren nichts Ungewöhnliches. Sie bestanden vollständig aus Replikatorbausteinen und waren auch nach dem Abschuss noch lenkbar. Da jeder normale Replikator bereits einen Schutzschirm einfach so durchdringen konnte, galt das erst recht für diese Waffe. Zwar bot die dicke, moderne Hülle möglicherweise einen gewissen Schutz. Jedoch würden sich die Bausteine schnell zu mobilen Replikatoreinheiten gruppieren, die danach trachteten das Schiff zu erobern.
„Gegenmaßnahmen“, befahl Thor.

Teal’c hastete kreuz und quer durch die Korridore des Schiffes, rüttelte an Wandverkleidungen, riss an Bodenabdeckungen. Vereinzelt hatte er damit Erfolg und konnte einen Blick in die verborgene Technik werfen. Eine Bombe, irgendetwas, was dort nicht hin zu gehören schien, fand er nicht.
Er folgte dem Verlauf der zurückliegenden Schiffstour. Die Tzenk hatten sich im Schiff nicht ausgekannt und sie hatten wenig Gelegenheit gehabt, die Bombe zu legen. Das Versteck konnte nicht gut sein. Teal’c hätte sich sicher sein können, sie zu finden, wäre da nicht das gnadenlose Verrinnen der Zeit gewesen.
Zeitgleich war er erfüllt von Sorge um seine Freunde, die sich noch immer auf dem Planeten aufhielten. Vor der Bombe mochten sie sicher sein, doch nicht vor den Bombenlegern. Keines der von Teal’c ersonnenen Szenarien, mit was seine Freunde konfrontiert werden könnten, gefiel diesem.
„Teal’c – folge diesem Korridor und wende dich dann nach rechts“, schallte die Stimme eines ihm unbekannten Asgard durch den Gang. Teal’c reagierte sofort und spurtete los. „Wir haben die Bombe aufgespürt. Allerdings ist sie sehr schwer. Du stellst die beste Möglichkeit dar, sie schnellst möglich aus dem Schiff zu entfernen.“
„Warum beamt ihr sie nicht?“, rief Teal’c aus.
„Unsere Transporter vermögen keine entartete Materie zu transportieren.“
Teal’c beschloss, dieses Technobabble einfach zu akzeptieren, selbst wenn es vielleicht sogar Sinn machte.
Der Asgard lotste ihn noch um zwei weitere Korridorbiegungen, dann war Teal’c am Ziel. Zwei Asgard standen vor einer Öffnung in der Wand.
Teal’c sah das Ding sofort. Es war eine dunkelrote Kugel von etwa zwanzig Zentimetern Durchmesser. Er griff danach und hob sie ohne Mühe aus ihrem Versteck.
„Die nächste Luftschleuse befindet sich zwei Decks über dir“, erklang wieder die Stimme seines anonymen Führers, der vermutlich irgendwo vor einem Display mit Karte und Lebensformanzeige saß. „Du musst den Lift benutzten, welcher...“
„Nein“, schnitt Teal’c dem Asgard das Wort entschieden ab. Er hatte einen besseren Plan. „Die Zeit reicht dafür nicht. Zeige mir statt dessen den schnellsten Weg zur Außenhülle.“

Das Auslösen der Gegenmaßnahmen erfolgte automatisch bei der Ortung eines Projektils. Thors Befehl war entsprechend völlig unnötig gewesen. Die Tatsache, dass er ihn dennoch aussprach, deutete auf seine innere Erregung hin.
Zwanzig kleine Luken öffneten sich auf der Hülle der Mjölnir, aus denen Geschütze hervor fuhren und mit hoher Schussrate sofort das Feuer auf das Projektil eröffneten.
Auf dem Hologramm konnte Thor beobachten, wie das feindliche Geschoss getroffen wurde. Er schätzte, dass etwa achtzig Prozent ihrer Schüsse trafen. Allerdings wurde die Energie absorbiert, statt Schaden anzurichten. Nur, wenn das Feuer lange genug andauerte, würden die Replikatorbausteine an die Grenze ihres Aufnahmevermögens kommen. Die Chance, dass dies eintrat, lag erfahrungsgemäß bei 63 Prozent.
Auf dem benachbarten Display ratterte eine Zeitanzeige nach unten. Sie war bis auf Hundertstelsekunden genau, was völlig sinnlos war, da sie den Startzeitpunkt des Ultimatums nicht einmal auf die Sekunde kannten. Nichtsdestotrotz waren es bis zur Explosion der Bombe noch zwei Minuten und ungefähr dreiundzwanzig Sekunden.
Schesch meldete sich wieder. „Solltet ihr euren Steigflug fortsetzen und die Atmosphäre verlassen, werde ich mich gezwungen sehen, die Bombe zu zünden. Haltet ihr dagegen an, werde ich die Replikatoren aufhalten lassen.“
Ein kurzer Gedanke von Thor und das Holo erlosch. Bisher hatte Schesch seine Drohungen nicht wahr gemacht. Es gab dringendere Probleme als ihn und die bestanden nicht einmal in dem Projektil. Thor sorgte sich vielmehr um die Schiffe, welche das Projektil verschossen hatten. Auch sie näherten sich der Mjölnir und er suchte noch immer nach einem Weg, sich ihrem Zugriff zu entziehen.
Thor konnte sehen, dass das Projektil unter ihrem stetigen Beschuss inzwischen begonnen hatte, von innen heraus blau zu leuchten, was darauf hindeutete, dass seine Zerstörung kurz bevor stand. Wenn es in diesem Zustand auf die Hülle traf, würde es in einer verheerenden Explosion vergehen, statt seiner normalen Funktion zu folgen.
Hinter ihnen blieb die Heimat der Tzenk zurück, nicht aber die drei Schiffe, welche sie verfolgten. Die Replikatoren schossen nicht auf sie. Zur Herstellung eines weiteren Projektils hatte es ihnen wohl nicht gereicht und da es sich lediglich um Frachter handelte, waren die Schiffe ansonsten unbewaffnet.
Das Projektil detonierte in lediglich neun Metern Entfernung zum Schutzschild.
„Eröffnet das Feuer auf das Schiff, welches uns beschossen hat“, befahl Thor, keineswegs beruhigt.
Ein bläulich glosendes Hyperenergiefeld löste sich aus dem Heckgeschütz und raste einem der Replikatorenschiffe entgegen.
Ein zweiter Schuss war nicht nötig. Das Schiff verging in einer grell strahlenden Wolke aus sich schnell ausdehnendem Plasma.
Thor hatte also richtig gelegen: Die Herstellung des Projektils hatte die Replikatoren dieses Schiffes derart in Anspruch genommen, dass sie nicht in der Lage gewesen waren, die Schirme zu verbessern.
Natürlich nahmen sie sofort die beiden anderen Schiffe unter Beschuss – und natürlich richteten sie damit keinerlei Schaden an, so dass Thor das Feuer wieder einstellen ließ. Mit der geballten Kraft der drei Buggeschütze hätten sie vielleicht eine Chance gehabt. Aber sie konnten sich jetzt nicht herumdrehen, um sich effektiv gegen die Gefahr zu wehren, welche sich ihnen näherte. Dazu waren sie zu sehr mit dem Beschleunigen in Vorwärtsrichtung beschäftigt.
Gleichzeitig näherte sich die Zeitanzeige auf dem Hologramm bedenklich schnell der Null.

Teal’c raste den Korridor entlang, in den Händen eine Bombe, welche O’Neill zweifelsohne als tickend beschrieben hätte. Er wollte gar nicht wissen, wie schnell sie detonieren würde, denn er konnte keinesfalls noch schneller rennen und ob sie in seiner Hand oder in zehn Metern Entfernung von ihm zündete, spielte keine Rolle.
„Ihr werdet mit euren Transportern eine Öffnung in der Hülle des Schiffes schaffen“, erklärte er dem Asgard seinen Plan.
Die Bombe musste lediglich den Schutzschirm der Mjölnir verlassen. Teal’c war zuversichtlich, dass er sie so weit werfen konnte.
„Du verlangst, dass wir unser eigenes Schiff beschädigen“, wandte der Asgard ein. Teal’c hatte nichts anderes von diesem Wesen erwartet.
„Korrekt“, schnaufte er grimmig.
Die Tatsache, dass der Korridor in einer Sackgasse endete, legte nahe, dass er sein Ziel erreicht hatte.
Ehe Teal’c die Wand jedoch erreichte, wirbelte er herum. Völlig lautlos hatte sich ein Schott hinter ihm geschlossen. Wüsste er es nicht besser, hätte er sich wie in der Falle gefühlt.
„Lege die Bombe vor die Außenhülle.“
Teal’c ignorierte das Schott hinter sich und tat wie geheißen.
Die rote Kugel blieb jedoch nicht an Ort und Stelle, sondern rollte von der Wand fort, auf ihn zu.
„Wir befinden uns im freien Raum. Der Sprengkörper wird der entweichenden Atmosphäre folgen.“
Hastig rollte Teal’c die Bombe über den wohl nicht ganz ebenen Boden an die Wand zurück, befreite sich aus der SG-Weste, die er über dem Raumanzug trug und warf sie auf die Kugel, damit sie vorerst an Ort und Stelle blieb.
„Ich bin soweit.“
Vor ihm begann die Wand im gleißenden Licht des Asgard-Transporters zu erstrahlen.
Er jedoch wurde nicht gebeamt.
Soweit hätte der Asgard doch noch mitdenken können! Teal’c wollte eigentlich nicht mit der Bombe nach draußen befördert werden.
In Gedanken einen ziemlich harten Jaffa-Fluch ausstoßend, hieb Teal’c auf den Schalter für den Helm.


* * *


„Colonel?“, fragte Sam, obwohl sie schon vor dem Ausbleiben der Antwort wusste, dass die Verbindung bereits abgebrochen war.
Sam bezweifelte, dass O’Neill es schaffen würde, sich an einem fliegenden Flugzeug festzuhalten. Daher kostete es sie einiges an Überwindung, ihren Lauf wieder aufzunehmen. Selbst, wenn sie weiter stehen geblieben wäre, hätte sie nichts ändern können.
Sie selbst war bisher nicht weiter bedroht worden. Dem Frieden trauen tat sie deswegen jedoch nicht. Daher hielt sie es für besser, zu ihrem ursprünglichen Plan zurückzukehren und von Dach zu Dach zu springen.
Sam zögerte nicht lange und wandte sich dem nächst besten Hochhaus zu. Es war ihr egal, ob das Durchsichtige vor ihr Wand oder Tür war. Sam rannte hindurch als wäre es Papier. Das Sicherheitsglas zerfiel in winzige Bröckchen.
Danach wieder vor einem der Lifts zum Stehen zu kommen, war weit mühsamer, aber etwas, das sie gerade so noch schaffte.

Mit gespenstischer Langsamkeit entglitt der Vorsprung, den Jack umklammerte, seinem Griff. Da entwickelten seine behandschuhten Hände größere Kräfte, wie kein Mensch sie hätte aufbringen können und dennoch reichte es nicht aus, der vorbeiströmenden Luft zu trotzen, die an seinem Körper riss. Es war zum Verzweifeln!
Vorsichtig bewegte er die Finger, um nachzufassen, doch hätte es beinahe damit bezahlt, völlig abzurutschen. Der Schutzschirm, der ihn umgab, schmiegte sich einfach nicht so gut an das Material an wie es die bloßen Handschuhe getan hätten. Außerdem war der Schirm ziemlich glatt, was nicht gerade hilfreich war. Abschalten konnte er das Ding in dieser Atmosphäre jedoch nicht.
Verzweifelt spähte Jack in die Tiefe unter sich.
Und auf einmal war da wieder ein Hoffnungsschimmer.
Da war kein harter Grund mehr unter ihm. Das Fluggerät hatte das Meer erreicht, an dessen Küste die Stadt lag.
Warten, bis es sein Ziel erreichte, konnte Jack unmöglich. Also lieber hier und jetzt springen, als auf hoher See wie ein welkes Blatt abgeworfen zu werden, das sich im Scheibenwischer eines Autos verfangen hatte.
Jack erinnerte sich an Carters Worte. „Hey, Anzug. Dehn den Schutzschirm so weit es geht aus.“
„Bestätigt“, erklärte der vermeintliche Asgard hinter dem Lautsprecher. Tatsächlich dehnte sich der Schirm überall dort aus, wo Jack nicht unmittelbar am Flugzeug auflag.
„Schwäche den Schirm ab.“ Er warf geistig eine Münze. „Um die Hälfte.“
„Die gewünschte Prozedur wird nicht empfohlen.“
„Sch... Schande“, schimpfte er und fragte sich, ob es die Formulierung Schande drauf überhaupt gab. „Tu es einfach! Okay?!“
Als ob der Asgard ihn ärgern wollte, nahm er sich diesmal einen Augenblick Zeit, bis er das „Bestätigt“ herausrückte.
Jack zögerte. „Und komm mir bloß nicht auf die Idee, wegen irgendeinem Notfallprogramm an den Einstellungen was zu ändern, wenn ich jetzt gleich loslasse!“
Erneut sah er nach unten.
Wie das Springen aus einem Flugzeug, dachte er.
Und handelte entsprechend.
Schlagartig löste er den Griff.
Die Luft packte ihn wie die Hand eines Riesen und wirbelte ihn davon.

Sie landete, wo sie landen wollte. Rollte ab, kam zum Stillstand und wieder auf die Beine. Die verbleibende Entfernung zur nächsten Häuserkante reichte locker als Anlauf für den nächsten Sprung.
Es war reine Übungssache. Inzwischen sprang Sam mit einer Selbstverständlichkeit und Sicherheit von Dach zu Dach, als hätte sie ihr Leben lang mit nichts Anderem zugebracht. Sie kam gut voran und war bisher nicht weiter behelligt worden.
Bisher.
Mitten im Flug hörte sie Schüsse und sah nach unten. Eine kleine Gruppe von Tzenk stand auf der Straße und schoss nach oben. Ein bewegtes Ziel trafen sie auf diese Entfernung jedoch nicht. Der eingeblendete Balken für die Schirmauslastung blieb an Ort und Stelle.
Sicher landete sie auf dem nächsten Dach, rannte dort aber nicht geradeaus, sondern schlug einen Haken und sprang in Richtung des Gebäudes links von ihr.
Ihre Hoffnung, die Tzenk würden ein hinreichend schlechtes Timing an den Tag legen, dass sie ihnen nie auf einem Dach begegnen würde, erfüllte sich nicht. Sie wurde bereits erwartet. Die beiden Tzenk zielten genau dort hin, wo sie landen würde und Sam verfluchte die Tatsache, dass es nichts gab, was ihre Flugbahn nennenswert hätte verändern können.
Sie traf den Boden und die beiden Projektile sie.
Die Wucht der Explosionen schleuderte sie rückwärts, dorthin, wo der feste Boden irgendwann auch wieder aufhörte.
Sie bekam die Kante des Dachs zu fassen und hielt sich daran fest.
Die Beine baumelten nach unten, ihre Augen schmerzten und sie stand schon wieder kurz davor, von einem Hochhaus zu fallen.
Ein Blick auf die Energieanzeige legte ihr jedoch nahe, dass ein Sturz diesmal keine Option darstellte. Die Vorräte waren durch die beiden Treffer praktisch erschöpft.
Über der Kante tauchten zwei bedrohliche und ziemlich große Silhouetten auf. In der jetzigen Situation schien ihr der Vergleich dieser Wesen mit wandelnden Schlangengruben für angebracht.
„Geben Sie auf.“ Jetzt, wo die beiden Tzenk sich überlegen und in Sicherheit fühlten, schienen sie wieder zu einer weniger aggressiven Sprache zurückgefunden zu haben.
Doch so hilflos, wie Sam in diesem Moment wirken musste, wie sie so am Abgrund hing, war sie keineswegs.
Sie schnellte sich nach oben. Der Beton bröckelte unter ihr weg, doch da hatte sie bereits genug Schwung. In hohem Bogen flog sie über ihre Häscher hinweg, überschlug sich mehr ungewollt, als in einem eleganten Salto, landete dafür aber sicher auf beiden Beinen.
Die beiden weiteren Tzenk, vor denen sie zum Stehen kam, waren zuvor noch nicht da gewesen.
Sam riss den Arm mit der Waffe hoch.
Doch der kurze Moment, in dem sie eine Chance zu schießen gehabt hätte, verstrich, ohne dass sie etwas unternahm. Dann hatten sich auch schon die beiden Wesen hinter ihr umgewandt. Sie war umzingelt.
„Die Waffe nach oben richten“, befahl einer der Tzenk.
Sam tat wie geheißen und hob die Arme.
Aber nur, weil sie nicht bereit gewesen war zu töten, hieß das noch lange nicht, dass sie auch bereit war, sich gefangen nehmen zu lassen.
Langsam schloss sich der Kreis um sie. Schließlich waren die Tzenk nahe genug.
„Computer“, flüsterte sie. „Die Kraftverstärker für 15 Sekunden auf ein Drittel reduzieren.“
Dann griff sie an. Ein Satz nach vorne. Sie rammte die Ellenbogen in die beiden übergroßen Knoten vor ihr. Ein hässliches Geräusch erklang und sie spürte, dass irgendetwas unter ihrem Schlag nachgab. Die beiden Getroffenen sackten zusammen. Sie wirbelte herum, schlug mit der Faust gegen den einen und mit dem Fuß gegen den anderen Gegner. Die beiden schlitterten auf die Hauskante zu, blieben aber davor liegen.
Getrieben vom eigenen Schwung vollendete Sam den Kreis und rannte wieder los. Was sie mit vollen Kraftverstärkern angerichtet hätte, wollte sie gar nicht wissen.
Der Abgrund kam näher. Im gleichen Moment, in dem sie realisierte, dass sie zu langsam war, um den Absprung zu schaffen, sprangen die Verstärker wieder auf volle Leistung und katapultierten sie aus der Gefahrenzone.


* * *


Es dauerte einen Moment, bis Teal’c sich neu orientierte. Er war aus dem Korridor direkt auf die Brücke gebeamt worden. Innerlich leistete er dem eben noch verfluchten Asgard-Techniker Abbitte.
Teal’c blickte auf die Aneinanderreihung von Holo-Displays. Der Countdown zeigte Null-Komma-irgendwas Sekunden an, erreichte die Null und begann negative Zahlen zu zählen. Schnell glitt Teal’cs Blick über die anderen Displays und fand das Bild einer Kugel, welche scheinbar immer schneller werdend hinter dem Schiff zurückblieb.
Die Bombe hatte das Schiff verlassen, war aber nicht explodiert.
Für einen kurzen Moment erstrahlte der Schirm der Mjölnir in tiefblauem Licht.
„Dieser Neutronenschauer hätte ausgereicht, uns alle zu töten“, erklärte Hermiod sachlich.
Die von der „Explosion“ völlig unbeschadete Hülle der Bombe wurde kleiner und verschwand schließlich.
„Commander, ich habe eine ungewöhnliche Feststellung gemacht“, meldete sich die Navigatorin. „Die Replikatorenschiffe beschleunigen etwas langsamer als wir.“
Thor hatte bis eben nachdenklich in seinem Sessel gesessen. Die Explosion der Bombe schien er kaum mitbekommen zu haben, vermutlich ganz nach dem Motto, was ich nicht beeinflussen kann, muss mich auch nicht aufregen. Doch jetzt ruckte sein Kopf nach oben.
„Dann haben wir eine Chance“, stellte er fest. „Hyrrockin, setze Kurs auf die Sonne.“

Daniel hatte das untrügliche Gefühl, dass die vergangenen Ereignisse an ihm vorbeigezogen waren, ohne dass er sie irgendwie hätte beeinflussen können.
Wie ein Irrer war er durch die Mjölnir gehetzt und hatte versucht zu ergründen, wo er die Bombe deponiert hätte. Er hielt den Kopf gerade in eine Wartungsluke gesteckt, als eine Stimme erklang, die nicht aus einem Lautsprecher kam, sondern von überall und nirgends zu kommen schien.
„Du kannst deine Bemühungen einstellen, Dr. Jackson“, erklärte Hyrrockins projizierte Stimme. „Teal’c hat die Sprengvorrichtung aus dem Schiff entfernt.“
Nicht ohne Erleichterung ließ Daniel von seinem Tun ab und richtete sich wieder auf.
Hyrrockin war eine Asgard, deren Höflichkeit bei früheren Gelegenheiten kaum ihr ungewöhnlich ausgeprägtes Interesse an der modernen Menschheitsgeschichte hatte kaschieren können. Sie hatten darüber längere Gespräche geführt. Jetzt weihte sie ihn während seines Rückwegs zur Brücke in das ein, was er verpasst hatte. Obwohl zur Zeit sicherlich mit dem Steuern des Schiffes beschäftigt, nahm sie sich nebenher die Zeit dafür. Je mehr Daniel allerdings hörte, desto schneller wurden seine Schritte.
Die letzten Meter legte er rennend zurück, dann betrat er endlich die Brücke. Teal’c war tatsächlich dort anwesend. Mit einem Nicken und freundlichen Lächeln bedankte sich Daniel bei der Navigatorin. Dann wandte er sich eilig Thor zu.
„Daniel Jackson“, kam dieser ihm zuvor. „Wie ich bereits Teal’c sagte, sind wir euch äußerst dankbar für euren Beitrag zur Rettung der Besatzung!“
„Jajajaja“, sprudelte es aus ihm hervor. „Aber ihr habt Jack und Sam auf dem Planeten zurückgelassen! Wir müssen zurück und sie holen!“
„Das ist richtig“, gab Thor zu.
Daniel fürchtete bereits, dass Thor glaubte, damit wäre alles gesagt, als dieser bedauernd fortfuhr: „Leider werden wir zur Zeit von zwei Schiffen der Replikatoren belagert. Eine Rückkehr zum Planeten ist daher zur Zeit nicht möglich.“
Erst jetzt blickte Daniel auf die Holodisplays und sah, dass er nichts sah. Nichts, außer einer grellen, blauweißen Fläche.
„Wir befinden uns zur Zeit in der Fotosphäre des Zentralgestirns dieses Sonnensystems“, erklärte ihm Thor.
Auf einmal erschien Daniel die Brücke viel heißer als zuvor. „Und du glaubst, dass die Replikatoren uns hierher nicht folgen?“, fragte er skeptisch.
„Das spielt keine Rolle“, erwiderte der Asgard. „Die Fotosphäre ist die Oberfläche der Sonne. Die Dichte ist hier um vieles größer als in den höher gelegenen Schichten. Hier entsteht außerdem die Strahlung, welche der Stern nach außen abstrahlt. Die Replikatoren können uns nicht finden. Ihre Sensoren werden von unserer Umgebung geblendet.“
„Und das weißt du sicher?“, hakte Daniel nach.
„Wir sind Asgard“, erklärte Thor selbstbewusst. Dann fuhr er fort: „Auch wir würden im Übrigen geblendet werden, wenn wir nicht außerhalb der Sonne Sensor- und Funkdrohnen abgesetzt hätten.“
Auch gut, dachte Daniel. Das Ganze sollte jetzt nicht sein Problem sein. „Was ist mit dem Frachtschiff?“, kam ihm eine Idee. „Es hat eine Tarnvorrichtung. Wir könnten uns damit an den Replikatoren vorbei schleichen.“
„Auch unsere Schiffe verfügen über einen umfangreichen Ortungsschutz. Dennoch konnten uns sowohl die Tzenk, als auch die Replikatoren aufspüren.“
„Ja“, gab Daniel zu. „Aber nur, weil wir eure Schiffe von der Erde aus nicht orten können, sind sie noch lange nicht unsichtbar.“
Einen Moment schwieg Thor. „Das ist eine dumme Idee, Daniel Jackson.“
Daniel setzte bereits zu einer leidenschaftlichen Erwiderung an, doch dann verstand er, was Thor damit sagen wollte. „Das heißt, du bist einverstanden?“
„Ja.“
Ein Lächeln stahl sich auf Daniels Gesicht.
„Um diesen Plan durchführen zu können, benötigen wir einen Asgard-Transporter an Bord des Frachtschiffes“, warf Teal’c sofort ein.
Thor wandte sich an Hermiod. „Wie lange benötigen deine Techniker für den Einbau?“
„Etwa zwanzig Minuten.“
„Du hast zehn.“
Hermiods Lippen bewegten sich, doch kein Laut drang aus ihnen hervor.


* * *


„Arrrgh!“
Jack erwachte mit einem Aufschrei und hätte sich zusammengekrümmt, wenn er dazu in der Lage gewesen wäre. Er tastete nach seiner Brust, doch die Bewegung erlahmte, bevor sie richtig in Gang kam. Also ließ er es und horchte in sich hinein.
Jeder Atemzug schmerzte. Doch eine gebrochene Rippe fühlte sich anders an.
Auch das Schädelweh war mit etwas Glück keine Gehirnerschütterung.
„Schadensbericht“, erklang die gefühllose Stimme des Anzuges. „Interne Reparaturmechanismen: ausgefallen. Kraftverstärker: ausgefallen. Externe Sensoren: beschädigt. Projektoren für künstliche Schwerkraft: beschädigt. Der Schutzschirm ist weiterhin einsatzbereit und wurde nach dem Aufprall der Körperform angepasst.“
Jack ließ die Worte einen Moment auf sich wirken. Es war dunkel um ihn und er wusste immer noch nicht, warum er sich nicht bewegen konnte. Erneut versuchte er es.
„Was zur Hölle ist das?“, fragte er.
„Polyschwefelsäure“, erklang erneut die Stimme des nervigen Asgards. „Bestehend aus Molekülketten mit Längen zwischen...“
„Was?!“
„Polyschwefelsäure. Bestehend aus...“, wiederholte die Maschine. Ganz offensichtlich handelte es bei dem Automaten nicht um Carter, die sich halbwegs verständlich ausdrückte, wenn man sie einmal kräftig schüttelte. Der Computer ratterte weiter seine chemische Analyse herunter und Jack verstand kein Wort. Als er schließlich in die Asgardsprache abglitt, brachte Jack ihn harsch zum Schweigen. Das hatte so keinen Sinn. Er musste versuchen in seiner eigenen Sprache zu denken.
Erneut bewegte er den Arm. Er stieß auf Widerstand und Jack verstärkte den Druck. Es war, als ob er durch Öl glitt. Er war umgeben von irgendeiner zähen Masse!
„Na toll“, schimpfte er. „Und jetzt?“
Er hatte nicht mit einer Antwort gerechnet. Dennoch kam sie. „Die Oberfläche ist etwa zwei Meter entfernt. Die Grenzschicht zur Phase aus Monoschwefelsäure etwa dreißig Zentimeter unterhalb der derzeitigen Position.“
Zwei Meter. Es hätte ebenso gut ein Kilometer sein können.
Aber andererseits: Was wollte er an der Oberfläche? Es war nicht so, dass er nach Luft hätte schnappen müssen und auf einem Meer aus Öl konnte er ebenso wenig schwimmen wie darin.
Was war das zweite, was die Maschine von sich gegeben hatte?
„Hey, Klugscheißer,“ rief Jack. „Das Zeugs unter mir – ist das sowas wie Wasser?“
Die Stimme des künstlichen Asgards klang ein bisschen so wie ein Butler, der vergeblich versuchte zu verbergen, was für ein Depp sein Herr war. „Nein.“
Schon klar. Sie beiden redeten nun mal verschiedene Sprachen. „Kann ich da drin schwimmen?“, stellte Jack die Frage anders.
„Wahrscheinlich.“
Das war doch was! Also abwärts.
Jack begann mit den Armen zu rudern, schaffte es schließlich einen Zug zu vollenden und wiederholte es ein weiteres Mal.
„Hab ich mich bewegt?“, vergewisserte er sich. Das Zeug war wirklich zäh.
„Ja.“
„Und in welche Richtung?“, Musste er dem Ding eigentlich alles aus seiner nicht-vorhandenen Nase ziehen?
„Nach hinten“, kam die leidenschaftslose Antwort.
„Oh!“
Daran würde er noch arbeiten müssen.

Sam war noch nicht auf dem Dach gelandet, da meldete sich ihr Anzug zu Wort.
„Warnung. Die Energievorräte sind nahezu erschöpft. Der Schutzschirm...“
Sie landete und rollte sich ab.
„...ist aufgrund des hohen Außendrucks absolut notwendig. Es wird empfohlen, alle nicht notwendigen Systeme zu deaktivieren.“
Sam reagierte sofort. Statt zur nächsten Häuserkante zu rennen, wandte sie sich den allgegenwärtigen Lifts zu.
„Schalte alles nicht-notwendige bis auf das Funkgerät ab“, befahl sie.
Der Lift brachte sie zurück ins Erdgeschoss. Durch die gläserne Wand waren keine Tzenk zu sehen. Vermutlich hatten sie sich inzwischen alle auf den Dächern zusammengerottet.
Sam rannte gegen die Scheibe, prallte mit voller Wucht dagegen und wurde zurückgeschleudert.
Diesmal spürte sie etwas. Und wie!
Sie wollte sich mit der Hand an die schmerzende Stirn fassen, doch der Helm war im Weg.
Keine Superkräfte mehr, hämmerte sie sich ein und kam wieder auf die Beine.
Doch vielleicht hatte sie Glück im Unglück gehabt. Durch die Scheibe erspähte sie zwei Tzenk, welche die Straße entlang krochen und die sie zuvor nicht hatte sehen können.
Schnell wich sie zurück und drückte sich gegen die Wand.


* * *


Zum ersten Mal hatte Daniel Asgard in Eile gesehen.
Wohlgemerkt Eile, keine Hektik. Sie hatten schnell gearbeitet, aber immer noch hochkonzentriert und mit traumwandlerischer Sicherheit. Jeder Handgriff hatte gesessen, während sie den Geräteblock, welcher das Beamen ermöglichen sollte, in das Frachtschiff montiert hatten.
Doch obwohl Daniel dieses Ballett rasanter Präzision mit eigenen Augen gesehen hatte, war es ihm nicht schnell genug gegangen. Die Zeit hatte ihm unter den Nägeln gebrannt, denn er wusste, dass seine Freunde in Gefahr waren. Und sie brannte noch immer, obwohl sie inzwischen längst unterwegs waren.
Die Replikatorenschiffe hatten sie dank ihrer Tarnung tatsächlich nicht bemerkt.
Obwohl diese Goa’uld-Frachtschiffe in unbeladenem Zustand wahnsinnig schnell waren, dauerte die Reise durch ein Sonnensystem mit Unterlichtgeschwindigkeit nun mal Zeit. Zeit, die unter den Nägeln brannte!
„Sollten wir nicht versuchen, sie über Funk zu erreichen?“ Daniel rutschte nervös auf dem unbequemen Sessel umher, während Teal’c das Schiff steuerte.
„Laut Thor hat zuletzt ein Dämpfungsfeld den Funkkontakt unterbrochen.“ Obwohl Daniel dieser Einwand ganz und gar nicht gefiel, wirkte Teal’cs ruhige Stimme wie ein Fels in der Brandung. Zwar wäre ein Asgard ebenso ruhig wie Teal’c geblieben, doch hätte die Kälte seiner Aussage Daniel eher noch mehr aufgewühlt.
„Aber Probieren kostet nichts.“
Teal’c hob die Augenbraue und warf ihm einen nachdenklichen Blick zu.
„In der Tat.“
Also lehnte sich Daniel nach vorn und drückte den etwas klobigen Schalter für das Funkgerät nach unten. „Jack, Sam! Könnt ihr mich hören?“, funkte er ins All hinaus.
„Hey, Leute. Ihr habt euch aber Zeit gelassen!“, erklang eine sarkastische Stimme aus den Lautsprechern.
„Colonel!“, gesellte sich eine zweite Stimme dazu. „Wie geht es Ihnen?“
„Alles bestens. Ein bisschen hungrig vielleicht... Warum hat mir keiner gesagt, dass der Funk wieder funktioniert?“
„Vermutlich haben wir das Dämpfungsfeld inzwischen verlassen, Sir.“
Daniel schloss aus dem Gespräch der beiden, dass sie noch in Freiheit, aber getrennt worden waren. „Wo seid ihr?“
„Verdammt...“, murmelte Sam kaum hörbar.
„Carter?“, erklang O’Neills Stimme. Als darauf keine Antwort kam: „Andere Frage: Daniel, wo sind Sie?“
„Wir sind mit dem Frachtschiff auf dem Weg zu euch“, erklärte Daniel hastig. „Die Tarnung funktioniert und wir haben einen Asgard-Transporter an Bord.“
„Wenn das so ist“, keuchte auf einmal Sam. „Dann wäre jetzt ein guter Moment.“
So gut schien es ihnen da unten wohl doch nicht zu gehen, erkannte Daniel. Es klang ganz so, als hätte Sam eben damit begonnen, um ihr Leben zu rennen.
Er sah aus dem Fenster. Der Planet hatte inzwischen die Größe eines Tennisballs erreicht, den man mit ausgestrecktem Arm betrachtete. Doch soweit reichten die Asgard-Transporter nicht.
„Können wir schneller fliegen?“, fragte er daher Teal’c.
„Im Gegenteil, Daniel Jackson. Wenn wir nicht langsamer werden, rasen wir am Planeten vorbei.“
„Aber das macht doch nichts“, widersprach Daniel. „Wir müssen sie nicht suchen, es reicht, wenn wir nahe genug kommen, um sie während des Vorbeiflugs hochzubeamen.“
Dann geht es schneller“, bekundete der Jaffa und schob die rote Steuerkugel ein Stück nach vorn.
„Sam, haben Sie gehört? Wir beeilen uns, brauchen aber noch ein bisschen.“ Doch von der Angesprochenen kam keine Reaktion. „Sam?“, fragte Daniel auf einmal in Sorge, etwas Wichtiges verpasst zu haben.
„Ja, ja!“, beruhigte sie ihn und machte gleichzeitig deutlich, dass er sie in Ruhe lassen sollte, wenn er ihr schon nicht helfen konnte.
„Daniel, tun Sie, was notwendig ist, aber mich werden Sie nicht hochbeamen“, erklang wieder Jacks Stimme.
Daniel runzelte die Stirn. „Wie bitte?“
„Das erklär ich ihnen später, jetzt holt verdammt noch mal Carter da raus.“
Der Planet war inzwischen um einiges in seiner Größe angeschwollen. Daniel sprang auf und eilte in den Frachtraum. Zwischen geplünderten Munitionskisten und nicht weit vom Ringtransporter entfernt stand etwas, das wie ein Rednerpult aussah, aber in Wirklichkeit eine Menge Asgardtechnik beherbergte.
Auf einem kleinen Display leuchteten die Namen von ihnen vier, da alle ihre Anzüge mit Sendern markiert waren. Die Namen O’Neill und Carter waren in asgardschem blutgrau gefärbt, da die beiden noch zu weit zum Beamen entfernt waren.
Daniel schob einen „Stein“ – er kam sich bei Benutzung dieses Begriffs stets wie ein Steinzeitmensch vor, doch ein besseres Wort fiel ihm nicht ein – neben den Namen Carter und wartete.
Aus dem Funk drang jetzt nur noch der heftige Atem von Sam. Es gefiel Daniel gar nicht, sozusagen daneben stehen zu müssen, ohne dabei irgendwie eingreifen zu können.
Auf einmal färbten sich auch die verbliebenen Namen blau. Hastig gab Daniel die entscheidende Symbolfolge in das Gerät ein. Für einen kurzen Moment erstrahlte der Frachtraum in grellem Licht.
Sam stolperte und wäre fast zu Boden gegangen. Kein Wunder, wenn man im vollen Lauf durch den Transporter plötzlich zum Stehen gebracht wurde. Die Flüssigkeit im Gleichgewichtsorgan tat dann Dinge, die nichts mehr mit der Wirklichkeit zu tun hatten. Sam sah Daniel gehetzt und aus großen Augen an.
„Danke“, seufzte sie. „Das war knapp.“
Daniel lächelte zufrieden.
Ohne weitere Umschweife ging sie steifen Schrittes ins Cockpit und stützte sich mit den Armen an der Lehne des unbesetzten Sessels ab. Daniel folgte ihr. Der Blick aus dem Fenster zeigte ihm, dass Teal’c bereits mit dem Schiff kehrt machte und zum Planeten zurückkehrte.
Sam nahm sich nur einen Moment Zeit, um zu Atem zu kommen. „Sir, warum sollten wir Sie nicht ebenfalls hochbeamen?“
„Herbert meinte doch, wir sollten uns nach diesem Geheim-Internet umsehen“, erinnerte Jack. „Nun, wisst ihr, ich schwimme hier in einem Meer aus Schwefelsäure... Ach, übrigens danke, Carter, dass Sie mich darauf hingewiesen haben, was für ein zäher Kleister da oben drauf schwimmt!“
„Ich wollte Sie nicht langweilen, Sir.“ Die hochgezogenen Brauen und ihr Gesichtsausdruck verdeutlichten jedoch nur allzu deutlich, dass auch ihr das neu war. Als sie bemerkte, dass Daniel es gesehen hatte, legte sie mit einem Stillen Schhh den Finger auf den Mund. Daniel quittierte es mit einem Grinsen. Es würde Jack nicht schaden, wenn er Sam öfter zuhören würde.
„Ja... wie auch immer. Jedenfalls hat der Klugscheißer in meinem Anzug eine Leitung gefunden, die am Grund des Meeres entlangläuft. Vermutlich genau so eine Datenleitung, wie wir sie brauchen.“
Als Hermiod vorgeschlagen hatte, die Tzenk auszuspionieren, hatte Daniel noch gehofft, dass dies nicht nötig sein würde. Doch nun, nachdem sie wohl wieder Feinde waren, schienen sie wohl kaum eine andere Option zu haben, als die Position für Projektoren des Fischernetzes in Erfahrung zu bringen und diese dann auszuschalten. Insofern war der Fund von Jack genau das, was sie jetzt brauchten.
„Das Problem ist, dass der Klugscheißer meint, man könnte nur in einer Verstärkerstation das Kabel anklemmen“, fuhr Jack fort. „Und da mir der gesunde Menschenverstand sagt, dass es eine gute Idee wäre, eine solche Station am Ufer anzubringen und nicht unter Wasser, schwimme ich jetzt zum Ufer.“
„Wir könnten dich direkt dorthin beamen“, warf Teal’c ein.
„Klar. Und wie finden wir die Station, wenn ich dem Kabel nicht folge?“, kam es sarkastisch zurück.
„Könnten wir das nicht mit den Sensoren erledigen?“, schlug Daniel vor.
„Nein“, erwiderte Sam sofort. „Die Sensoren eines Frachters leisten so etwas nicht.“
„Sag ich doch! Dann lasst mich mal weiter schwimmen. Ich rufe an, wenn ich gut angekommen bin...“


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Kapitel 4 by Sphere
KAPITEL 4

Die Zeit, in welcher Jack durch den Ozean der fremden Welt schwamm, nutzte der Rest von SG-1, um sich gegenseitig zu berichten. Daniels Ansicht nach hatte sich die Lage zwar etwas beruhigt, sah aber dennoch alles andere als rosig aus: Während die Replikatoren den Planeten in Schutt und Asche legten, hatten die Tzenk den Asgard den Krieg erklärt. Zwar vermochte die Mjölnir inzwischen wieder zu fliegen, konnte allerdings aufgrund der Replikatoren nicht die Sonne und aufgrund des ominösen Fischernetzes nicht das System verlassen.
Etwa eine knappe halbe Stunde seit dem letzten Kontakt mit Jack deutete Teal’c auf das kleinformatige Hologramm, welches er vor dem Cockpitfenster erzeugt hatte. „Major Carter. Soeben ist ein weiterer Frachter von der Oberfläche gestartet.“
„Er kommt auf uns zu“, stellte Sam mit zusammengekniffenen Augen fest.
Da sie ziemlich ausgelaugt gewesen war, hatte Daniel ihr den Sessel überlassen und sich mit dem Rücken an die Konsole hinter den Sitzen gelehnt. Jetzt blickte er auf und richtete seinen Blick zu besagtem Holo hin. Auf welchen der nicht unbedingt wenigen Punkte in der schematischen Darstellung sich die beiden bezogen, war für ihn nicht sofort ersichtlich.
Sam drückte die Taste des Funkgeräts. „Colonel, vermutlich wurden wir entdeckt“, sagte sie. „Wir müssen uns zurückziehen. Wenn Sie hier bleiben wollen, werde ich mich mit Ihrer Erlaubnis zuvor runterbeamen und Sie unterstützen.“ Sie deutete auf Daniel. „Ich brauche Ihren Anzug.“
„Negativ. Keiner von euch beamt hier runter“, befahl Jack. „Verschwindet und kommt mich später abholen.“
Daniels Hand verharrte regungslos am Kragen des Raumanzuges, den er eben noch hatte öffnen wollen.
„Sir, bei allem Respekt...“, widersprach Sam völlig zurecht.
„Sie können mich über Funk in die Technik einweisen“, unterbrach Jack sie jedoch.
„Verdammt, Jack, das ist doch...“, wollte Daniel widersprechen. Doch auch er wurde zu seiner Verärgerung dabei unterbrochen.
„Das gegnerische Schiff erhöht seine Geschwindigkeit“, meldete Teal’c.
„Teal’c! Führe den Befehl aus!“, beharrte Jack, dem natürlich klar war, wer als Pilot fungierte.
In dem kurzen Moment, in dem Teal’c zögerte, nickte Sam.
Damit war es entschieden. Daniel musste mit ansehen, wie der Planet hinter der Fensterkante verschwand, als das Frachtschiff herumschwenkte und in den freien Raum hinausflog.
„Das andere Schiff kann mit uns nicht mithalten. Wir kehren zur Mjölnir zurück“, erklärte Sam tonlos.
Fingen jetzt alle an, Gefahren zu unterschätzen, fragte sich Daniel. „Verzeihung, aber warten dort nicht zwei andere Schiffe auf uns? Die müssten doch unsere Tarnung inzwischen ebenfalls durchschauen!“
„Nein“, erklärte Sam. Es hatte eine entfernte Ähnlichkeit mit Triumph, was Daniel da in ihren Augen sah. Allerdings schien es so zu sein, als ob dieser Triumph auf halbem Wege von Sorge aufgefressen worden wäre.
Sie deutete auf das Holo, welches nun eine Karte der Sonnenumgebung zeigte. „Die beiden Replikatorenschiffe sind dort nicht zu sehen. Aller Wahrscheinlichkeit nach können sie auch uns nicht orten. Der einzige Vorteil, den sie davon haben, so nahe an der Sonne zu stehen, besteht darin, dass sie die Mjölnir etwas früher entdecken, wenn sie die Sonne verlässt. Aber das hat sie gar nicht vor. Die Mjölnir wird lediglich ein Stück aus der Sonne herausfliegen und uns dort einschleusen. Die Replikatoren können so schnell gar nicht schauen, wie das passiert.“
„Na dann...“ Das war natürlich eine gute Nachricht. Was Daniel jedoch überhaupt nicht gefiel, war die Tatsache, dass er so schnell wie irgend möglich hier her gekommen war, um Sam und Jack in Sicherheit zu bringen. Ungeachtet dessen, dass es auf Jacks ausdrücklichen Wunsch geschah, kam es für Daniel einem Versagen gleich, ihn jetzt einfach so zurückzulassen.
Andererseits war Jack nun einmal ein Sturkopf und wenn er es sich in den Kopf gesetzt hatte, die Informationen alleine zu beschaffen, dann würde er mit eben diesem sturen Kopf auch durch die Wand rennen, um das auch durchzuziehen. Weder Daniel noch irgendwer anders hätte ihm das ausreden können.
Ob Jacks Schädel sich jedoch auch in der Praxis als dick genug erweisen würde – das blieb die Frage.


* * *


Wenn Jack den Fischschwarm früher bemerkt hätte, dann wäre er trotzdem nicht mehr in der Lage gewesen, ihm auszuweichen.
Diese Welt begann ihn zu nerven. Sie hatte ihn schon wieder auf den Leim geführt gehabt. Flüssig gleich Wasser – wie naiv er gewesen war.
Das Zeugs war hier unten zwar dünnflüssiger als weiter oben. Zäher als Wasser blieb es allemal.
Aber er wollte sich lieber nicht beschweren. Wenn er drüber nachdachte, war er direkt dankbar, dass er nicht in das andere Extrem gerutscht und in eine Flüssigkeit geraten war, die so dünn war, dass sie seinen Bewegungen gar keinen Widerstand mehr entgegengesetzt hätte. Dann wäre er wohl überhaupt nicht vorwärts gekommen.
Das einzig vorteilhafte an der aktuellen Umgebung war, dass er hierin wieder sehen konnte. Mit Sicherheit drang kein einziger Lichtstrahl durch die braune Pampe über ihm, doch die Sensoren des Anzugs schienen darauf nicht angewiesen zu sein. Jack war ein großer Fan von Nachtsichtgeräten und ähnlichen Spielzeugen, entsprechend beeindruckte ihn die Schärfe des Sensorbildes ungemein, welches der Anzug direkt in seine Augen projizierte.
Doch um zu sehen, musste man hinsehen und das tat Jack reichlich spät. Der Fischschwarm war riesig. Als guter Schwimmer hätte er ihm auf der Erde vielleicht ausweichen können. Nicht jedoch hier.
Grund zur Sorge hatte er eigentlich keine. Selbst ein ausgewachsener Wal hätte Jack höchstens kurzzeitig den Status eines alttestamentarischen Propheten verleihen können – den Schutzschirm könnte auch er nicht knacken.
Er regte sich völlig unnötig auf.
Dann waren die Fische heran. Sie waren etwa Unterarm-lang. Schmal und silbrig und mit einem spitz zulaufenden Kopf. Ihre Form wirkte angenehm irdisch.
Doch sie zeigten nicht das normale Verhalten eines Fischschwarms, der einen mehr oder minder großen Bogen um einen Taucher machte. Dieser Schwarm kam schnurstracks auf ihn zu. Jeder einzelne Fisch schien unbedingt zu ihm – und nur zu ihm – kommen zu wollen.
Jack ertappte sich dabei, wie sein Blick zu den Statusanzeigen des Schutzschirms wanderte.
Der erste Fisch stieß mit seiner spitzen Nase gegen Schirm. Wich wieder zurück.
Und schwamm weiter.
Das gleiche mit den anderen Fischen: Jeder von ihnen stupste ihn kurz an und setzte seinen Weg fort.
Eine ganze Weile ging das so. Jack konnte nicht verstehen, was die Tiere sich davon erhofften. Dennoch hörte das Ganze erst auf, als auch der letzte Fisch an seinem Schirm entlang gestrichen war.
Jack schüttelte den Kopf und schwamm weiter. Er ließ den Schwarm hinter sich, folgte dem Unterseekabel, welches am Meeresgrund entlang lief. Während der restliche Boden reichlich langweilig wirkte, war das Kabel mit allen möglichen weit abstehenden Pflanzen bewachsen, die sich langsam in der Strömung wiegten.
Allmählich begann er sich doch zu fragen, ob sein Vorgehen klug war. Eigentlich war ihm die Situation zu heiß. Er wollte sein Team keinesfalls hier unten haben. Carter konnte ihn durchaus auch aus der Ferne anleiten. Andererseits – bei dem neuen Staubsauger, den er vor kurzem hatte kaufen müssen, war auch eine Bedienungsanleitung dabei gewesen. Trotzdem war er nicht in der Lage gewesen den Beutel einzusetzen...
Er hatte Daniel zur Hilfe rufen müssen, welcher natürlich Teal’c mitbrachte, dem allerdings der Sinn einer solchen Saug-Apparatur völlig schleierhaft war. Zu dritt waren sie schließlich in der Lage gewesen, das Problem zu lösen. So lange wie sie dafür gebraucht hatten, war es kein Wunder, dass keiner von ihnen Carter in den Vorgang eingeweiht hatte. Nur leider würde so eine außerirdische Kommunikationsanlage noch schlimmer als ein Staubsauger sein.
Allmählich wurde das Meer flacher und kam der Grund näher. Das Kabel versank im Boden, den Jack als Sand identifiziert hätte, wenn dies die Erde gewesen wäre. Hier wagte er lieber kein Vermutungen mehr anzustellen.
Bald hätte Jack auf allen Vieren krabbeln können, doch er zog es vor, weiter zu schwimmen. Auf diese Weise war er flacher und konnte länger unter der Oberfläche bleiben.
Doch schließlich blieb ihm nichts anderes übrig, als sich aufzurichten. Ein wenig kam er sich vor wie ein armer Wasserbewohner, welchem die Evolution eingeflüstert hatte, dass es an Land doch so viel schöner wäre.
Von der meterdicken Schicht Polyschwefelsäure war am Ufer nicht mehr als ein dünner Film übrig. Dieser legte sich jetzt über seinen Schirm, zerriss aber schnell und klatschte dorthin zurück, von wo er gekommen war.
Jacks Augen suchten nach potentiellen Bedrohungen zu Land oder zu Luft, jederzeit bereit sich wieder in die braune Flüssigkeit herab gleiten zu lassen. Doch Gefahr war nicht zu erkennen.
Vor ihm lag die Stadt. Kaltes Grauen stieg bei dem Anblick in Jack auf. Die beeindruckende Skyline hatte gelitten. Allein von seiner Position aus konnte er unzählige Trümmerhaufen eingestürzter Häuser erkennen. Irgendwo im Hintergrund schaffte es etwas, in dieser alles erstickenden Atmosphäre zu verbrennen und dabei eine schmutzigrote Rauchfahne gen Himmel zu schicken. Er war sicher, dass dies nur der Anfang war. Bald würde dieser ganze, verfluchte Planet noch weit trostloser aussehen. Es würde nicht viel übrig bleiben. Vielleicht hatte Jack sich geirrt: Kein Volk hatte verdient, dass so etwas mit seiner Heimat geschah.
Er verscheuchte den Gedanken und sah sich weiter um.
Der Himmel – war schwarz.
Erst jetzt realisierte Jack, dass es Nacht geworden war. Der Asgardanzug vermittelte ihm ein Bild, das dem bei Tageslicht kaum nachstand und sogar das unnatürliche blaue Leuchten dieser Sonne imitierte. Was ihm allerdings auffiel und was selbst die beste Bildaufbereitung nicht änderte, war die Tatsache, dass der Himmel nun mal ein Nachthimmel war.
Ein Nachthimmel ohne Sterne.
Als er auf der Hülle des Asgardschiffes gestanden hatte, war es für ihn lediglich ungewohnt gewesen, keine entfernten Sonnen um sich herum zu sehen. Hier, auf der Oberfläche eines Planeten, wirkte es einfach nur falsch. Als hätte ein Künstler sein Werk nicht vollendet, als hätte ein Riese die gewaltige Käseglocke zertrümmert, welche die Welt überspannte.
Jacks Augen zuckten suchend zur Seite. War da nicht doch ein Stern?
Nein. Das kleine Licht bewegte sich, war wohl nur ein Raumschiff. Die Erkenntnis ließ ihn die Leere über seinem Kopf als noch leerer erscheinen.
Jack war mit seinem kleinen Teleskop ein alter Sterngucker. Dennoch bemerkte er an sich selbst, dass er zu Hause oftmals gar nicht mehr nach oben blickte, weil er einfach wusste, was da oben war. Nur was wäre, wenn auch dort auf einmal sämtliche Sterne einfach erlöschen würden?
Es war nicht schwer das Gebäude zu finden, auf welches das Kabel zugelaufen war, bevor es im Boden verschwand. Keine hundert Meter vom Ufer entfernt und noch ein ganzes Stück vor dem Rand der Stadt befand sich ein kleines, würfelförmiges Häuschen.
Erneut sah sich Jack um. Dann watete er vollends aus dem Chemieozean heraus, der praktisch keinen Wellengang zeigte. Sobald er trockenen Boden unter den Füßen hatte, spurtete er los, über freies Gelände, der Deckung des Häuschens entgegen.
Diesen Teil schaffte er ohne Probleme.
Als er vor Ort war, musste er feststellen, dass die einzige Tür keinen Öffnungsmechanismus aufwies.
Einen Moment spielte Jack mit dem Gedanken die Tür mit der Asgardwaffe einfach zu zerstrahlen. Doch es war Nacht. Das Leuchten würde man noch sehr weit sehen können. Dann besann er sich eines Besseren. Er schleppte schließlich weit mehr Hightech mit sich rum, als nur eine Waffe. Vielleicht war er auf die Holzhammer-Methode gar nicht angewiesen. „Hey, Klugscheißer! Wie komme ich durch die Tür?“
„Der Öffnungsmechanismus wird durch den codierten Identifizierungsimpuls des Wartungspersonals entriegelt“, erklärte ihm sein persönlicher Freund.
„Per Funk also?“, vergewisserte er sich.
„Ja.“
„Und kannst du den Code knacken?“
„Ja.“
„Und du wirst das sicher nicht tun, bevor ich dich nicht ausdrücklich da drum bitte?“
„Das ist die korrekte Verfahrensweise.“
Jack seufzte. Es bringt nichts, sich mit einem Computer zu streiten! erinnerte er sich. Trotzdem bedauerte er, dass die Maschine nicht über ein Schienbein verfügte, in welches man sie unauffällig treten konnte. „Dann bitte,“ ließ Jack unter Aufbringung all seiner Geduld verlauten, „öffne die Tür.“
Es machte Klick und die Tür glitt beiseite.
Jacks Arm mit der Waffe schnellte nach oben.
Es hätte nicht viel gefehlt und er hätte Carter erschossen.
Carters Hologramm.
Die unscharfe Projektion flackerte ein wenig und hob langsam die Hände. „Hallo, Sir.“
Jack ließ den Arm wieder fallen. Mit einem Hausbesuch hatte er nicht unbedingt gerechnet. Es war schon toll, was die Technik von Thors Schiff alles ermöglichte. Offenbar war sein Team in der Zwischenzeit erfolgreich dorthin zurückgekehrt.
„Ich dachte mir, dass Sie irgendwie einen Weg hier rein finden. Inzwischen habe ich die Zeit genutzt, um mich hier umzusehen.“ Carter tat, als sei es das selbstverständlichste auf der Welt, dass sie hier stünde.
Jack raffte sich auf und betrat das Häuschen. Hinter ihm glitt die Tür diensteifrig wieder zu.
„Sie sollten damit anfangen diese Verblende zu öffnen...“

Jack wusste nicht, wie er es hätte schaffen sollen, wenn Carter nicht – zumindest virtuell – vor Ort gewesen wäre. Bereits so war es schon schwer genug.
Die Übertragung von Carters Hologramm auf den Planeten und den Bildern, die Carter im Gegenzug zu sehen bekam, lief über eine Reihe von Sonden, welche die Asgard im All positioniert hatten. Dies ging natürlich auf Kosten der Bildqualität, so dass Carter viele Dinge nicht wirklich gut erkennen konnte. Auch war es ihr unmöglich herumzulaufen. Zwar konnte sie ihr Hologramm projizieren wohin sie wollte, aber das war auf die Dauer sehr umständlich. Des Weiteren musste sie sich erst einmal in die fremde Technik hineindenken. Entsprechend dauerte es eine Weile, bis sie zurecht kam.
Und auch Jack hatte seine Probleme. Er benötigte für sein Vorhaben ein Stück Asgardtechnik. Ein Stück Technik, welches sich in seinem Anzug befand und er angeblich nicht für sein Überleben benötigte. Glücklicherweise war das betreffende Teil an einer Stelle über seinem Rücken verbaut, wo er besonders gut hinkam...
Es hatte ihn einiges an Verrenkungen gekostet, bis er dieses Ding dort herausgepult hatte. Das so wichtige Gerät erwies sich als ein graues, gummiartiges Oval. Als er es in die Anlage der Tzenk einsetzte und das Ding damit zwangsläufig den Bereich seines Schutzschirms verließ, verfärbte es sich in der heißen Luft schwarz. Doch Carter meinte, das hätte nichts zu bedeuten.
Irgendwann war es dann geschafft. Angeblich stellte das kleine Gummi-Dings eine drahtlose Verbindung zwischen dem hiesigen Netzwerk und seinem Anzug her, welcher über die Sonden schließlich Thors Schiff anfunkte. Nachdem er lediglich mit ein paar Kabeln herumgefuhrwerkt hatte, die ganz offensichtlich nicht für diesen Zweck gedacht gewesen waren, fiel es Jack allerdings nicht sonderlich leicht, das auch zu glauben.
„Das haben Sie gut gemacht, Sir.“
Jack zögerte. Einen Moment wusste er nicht, in welche geistige Schublade er diese Bemerkung stecken sollte. Ob es daran etwas zu interpretieren gab. Schließlich meinte er ein wenig ratlos: „Danke.“
So falsch schien die Antwort nicht gewesen zu sein, denn Carter lächelte.
„Wie lange wird das dauern?“, kehrte Jack wieder auf festes Terrain zurück.
Illusionen, dass sein Eindringen oder die Manipulationen nicht bemerkt worden waren, machte er sich keine. Das einzige, was ihn zur Zeit schützte, war die Tatsache, dass die Tzenk andere Probleme hatten oder sein Tun vielleicht auf die Replikatoren schoben. Dennoch wollte er hier so schnell wie möglich wieder raus.
„Nun ja, Sir. Es würde lange dauern, wenn wir nach den relevanten Daten suchen würden“, antwortete Carter. „Daher tun wir das nicht.“
„Tatsächlich?“ Wozu hatte er das dann eben getan?
„Wir überspielen statt dessen eine Reihe von Programmen, welche diese Arbeit für uns übernehmen werden“, beeilte sich Carter, ihm nahe zu bringen. „Sobald sie die Informationen gefunden haben, suchen sie nach einer Schnittstelle zum öffentlichen Netz, auf welches wir noch immer ohne Weiteres Zugriff haben.“
Jack übersetzte das in seine Sprache. „Also so eine Art Virus?“
„Es ist nicht dazu gedacht, irgendwelchen Schaden anzurichten...“
Ein leises Knirschen ertönte. Carter redete weiter, doch Jacks Aufmerksamkeit war dahin. Es war ein sehr leises Geräusch, aber von der Art, die einem durch Mark und Bein gingen.
„Ich kann mich nicht mehr bewegen!“, entfuhr es ihm.
Mit einem Mal schien es, als befinde er sich in einer Ritterrüstung, die vollkommen starr und unbeweglich gebaut war. Reflexartig spannte er die Muskeln an. Sie reagierten, doch pressten seine Glieder lediglich noch fester gegen den Anzug, der auf einmal hart wie Stahl war.
„Das Material des Anzugs verhärtet sich, wenn starker Druck auf ihm lastet“, erklärte Carter mit gerunzelter Stirn. Allzu alarmiert war sie noch nicht. „Ist Ihr Schirm noch aktiv? Wenn nicht, dann verhindert der Anzug gerade, dass die Atmosphäre Sie zerquetscht.“
„Computer! Sofort den Schirm wieder aufbauen!“, bellte Jack.
„Befehl nicht durchführbar. Das System erwartet noch immer den Transportprozess.“
„Was?!“, fauchte er.
„Oh, Mann!“, kam es neben ihm von Carter.
„Wer muss sich hier aufregen?“, fuhr er sie an. Sie war auf dem Raumschiff in Sicherheit. Er nicht.
„Vor jedem Transportvorgang erhalten die Anzüge ein kurzes Funksignal, damit sie ihren Schild abschalten. Das ist nötig, weil man auch durch einen Anzugs-Schutzschild nicht beamen kann. Ich fürchte, die Tzenk haben dieses Signal abgefangen, als ich vorhin weggebeamt wurde und reproduzieren es jetzt, um Ihren Schirm abzuschalten!“
WasWasWas? Jack ging das zu schnell.
Wie in Zeitlupe sah er, wie die Tür sich öffnete und ein dünnes, bleistiftlanges Rohr hereingerollt kam.
Dann war da ein gleißender Blitz.
Dass daraufhin Dunkelheit folgte, war ihm schon nicht mehr bewusst.


* * *


Die holographische Umgebung zerstäubte in Myriaden bunter Pixel. Sam hielt sich nicht lange mit den Details dieser Störung auf und blickte auf das Holodisplay an der Front der Brücke. Es zeigte eine schematische Darstellung des Gebäudes, in dem sich O’Neill aufhielt. Deutlich war sein Lebenszeichen mit einem grünen Punkt markiert.
Ein grüner Punkt, der inzwischen von mehr gelben Punkten umströmt wurde, als sie auf die Schnelle hätte zählen können.
Sam stürmte von der Kommunikationsplattform herab, genau auf Thor zu.
„Warum hat mir das niemand gesagt!“, fuhr sie ihn an. Es war ihr völlig egal, wen sie dabei vor sich hatte. „Und jetzt sag mir nicht, ich hätte nicht danach gefragt!! Das Bild ist für jeden hier zu sehen, ihr müsst bemerkt haben, wie die Tzenk angerückt sind. Es ist vollkommen selbstverständlich, dass jemand auf so etwas achtet und mich über die Gefahr in Kenntnis setzt!“
Thor sah sie an und senkte dann kaum merklich den Kopf. „Das ist wahr“, gab er zu.
„Und was jetzt?“, schnauzte sie unbeeindruckt. „Er ist noch am Leben. Wollen wir warten, bis sich das ändert?“
„Darf ich dich daran erinnern, dass wir die Sonne nicht so ohne weiteres verlassen können.“ Thor sprach leise und beschwichtigend.
„Sam an Daniel und Teal’c“, rief sie ihrem Anzug zu. „Kommt sofort auf die Brücke.“ Inzwischen bereute sie, die beiden weggeschickt zu haben, damit sie sich etwas Ruhe gönnten. Dann erst wandte sie sich wieder Thor zu. „Die kürzeste Zeit, die euer Schiff im Hyperraum verbringen kann, sind zehn hoch minus elf Sekunden“, knallte sie ihm die Daten seines eignen Schiffes vor. „Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Hyperraum-Fischernetz derartig schnell reagiert, um uns daran hindern zu können, an den Replikatoren vorbei und direkt in die Umlaufbahn des Planeten zu springen?“
„Zweifellos sehr gering“, bekannte Thor. „Jedoch funktioniert der Hyperantrieb noch nicht.“
„Was?!“ Statt dass ihre Wut verraucht wäre, kam sie jetzt erst in Schwung. „Ihr doktert schon wie lange an eurem Schiff herum und habt das immer noch nicht hinbekommen?“
„Da dieses eine Antriebssystem uns zur Zeit sowieso nicht weit bringen würde...“
„Hermiod!“, rief Sam zu selbigem herüber. „Wie lange braucht Ihr Team noch dafür?“
Der Asgard kam zu ihnen herübergestapft und erreichte sein Ziel zeitgleich mit Daniel und Teal’c, die inzwischen auf der Brücke eingetroffen waren.
„Das ist schwer zu sagen. Vielleicht fünf Minuten, vielleicht noch eine Stunde“, erklärte Hermiod ruhig. „Es würde jedenfalls weit schneller gehen, wenn wir nicht durch Nachfragen an der Arbeit gehindert würden.“
„Ich jedenfalls bin für Möglichkeit A“, schaltete sich Daniel prompt ins Gespräch ein. „Fünf Minuten – das müsste doch machbar sein, finden Sie nicht?“
Hermiod warf Daniel einen Blick zu, der durchaus als anschauliches Beispiel für das Erreichen des absoluten Temperaturnullpunktes hätte dienen können. „Doktor Jackson?“, fragte er nur, immer noch mit seiner überheblichen Ruhe.
„Ja?“, erwiderte dieser irritiert.
„Es dauert, so lange, wie es dauert“, bekundete Hermiod salbungsvoll.
„Das ist nicht genug“, wurde Sam wieder aktiv und funkelte Hermiod drohend an. „Und wenn ihr aussteigt und schiebt – ihr werdet keine Stunde brauchen!“
Zum ersten Mal war es von Vorteil, dass Hermiod nichts von Menschen und ihrer Selbstbeherrschung hielt. Denn tatsächlich zeigte sich auf seinem starren Gesicht für einen kurzen Moment Unsicherheit. Dann ging er.
Wenn er klug war, machte er sich ans Schieben.

Diejenigen, die am Besten mit Asgard-Technik umgehen können, sind Asgard.
Dies war der einzige Grund, aus dem Sam noch auf der Brücke stand und nicht in den Eingeweiden des Hyperantriebs herumkroch. Es waren bereits über fünfzehn Minuten verstrichen, dennoch bemühte sie sich ruhig zu bleiben.
Auf dem Display konnten sie beobachten, wie der Punkt, welcher das Lebenszeichen des Colonels markierte, abtransportiert wurde. Die Aktion lief wie geschmiert, die Tzenk schienen genau zu wissen, was sie wollten. Schließlich erreichte die Ansammlung von Punkten ein Gebäude, welches anscheinend das Ziel darstellte.
„Oh, oh“, kommentierte Daniel.
Um die dreidimensionale Darstellung des Gebäudes hatte sich soeben eine grün leuchtende Blase gelegt, welche das Gebäude vollständig – sogar gegen den Boden – von der Außenwelt abschnitt. Kurz darauf bildeten sich weitere grüne Wände, welche nun auch den Raum einschlossen, in dem sich O’Neill befand.
„Stellen die grünen Flächen Schutzschirme dar?“, sprach Sam ihre Befürchtung aus.
Thor saß nicht etwa gemütlich in seinem Sessel, wie er es sonst so häufig wie möglich tat, da ihn das Stehen anstrengte. Er stand die ganze Zeit schon neben ihnen, was deutlich machte, dass auch ihn die Situation nicht kalt ließ. „Ja“, antwortete er. „Aber das stellt für uns kein Hindernis dar.“
„Ihr könnt also durch eine derartige Schutzvorrichtung beamen?“ In Teal’cs knapper Frage schwang Überraschung mit.
„Nein“, negierte Thor. „Aber wir können die beiden Schirme mit einem Präzisionsschlag zerstören.“
„Ein Präzisionsschlag?“, wiederholte ein Daniel, welchem Sam seine Skepsis deutlich ansah. „Was versteht ihr darunter?“
„Wir führen dem Schild mit unseren Waffen mehr Energie zu, als er verkraften kann, wodurch er schließlich zusammenbricht“, erklärte Thor bereitwillig. „Bevor die Energie in das Innere des Schildes eindringt und alles darin vernichtet, beamen wir O’Neill heraus.“
Sams Blick wanderte wie automatisch zurück zum Holodisplay. Noch immer hätte sie Probleme gehabt, die vielen Lebenszeichen der Tzenk zu zählen, die in unmittelbarer Nähe des Colonels umherwuselten. Sie hatte eine Wut im Bauch, die nicht nur auf das Versagen der Asgard zurückzuführen war. Ihr Zorn richtete sich auch auf die Tzenk, die O’Neill gefangen genommen hatten. Die Sam gejagt hatten, die versucht hatten, alle an Bord der Mjölnir zu töten. Sie hatte keinen Grund Thor zu widersprechen. Nicht den geringsten.
Trotzdem hörte sie sich sagen: „Das erscheint mir etwas brutal, findest du nicht?“
Thor war ein netter Kerl, sie mochte und respektierte ihn. Dennoch kam er aus seiner Asgard-Haut nicht heraus. „Die Wahl unserer Mittel ist durchaus angebracht“, erwiderte er kalt. „Colonel O’Neill stellt einen wichtigen Baustein in der Evolution eures Volkes dar. Dies könnte auch für die Asgard eines Tages von entscheidender Bedeutung sein. Der Hohe Rat der Asgard hält es daher für essentiell, dass O’Neill auch weiterhin die Möglichkeit erhält, sein Erbgut auf natürliche Weise weiterzugeben.“
Einen kurzen Augenblick war Sam sprachlos.
Der kurze Augenblick dehnte sich zu einem ausgewachsenen Augenblick.
„Der Hohe Rat der Asgard?“, echote sie.
Was bildeten diese Asgard sich ein, wer sie waren?
„Auf natürliche Weise?“, schloss sich Daniel ihrer Entrüstung an.
Thor erwiderte Daniels entsetzten Blick aus unergründlichen Augen. „Natürlich sind wir darauf nicht angewiesen. Wir sind inzwischen mit künstlichen Befruchtungen sehr erfahren. Fehler, wie so genannte jungfräuliche Empfängnisse oder Kinder mit zu den vermeintlichen Eltern unpassender Augenfarbe, würden uns heute nicht mehr unterlaufen. Ich kann dir versichern, dass von unseren Aktionen niemand etwas bemerken würde. Es würde intakte Familien und gesunden Nachwuchs geben.“
Sam traute ihren Ohren nicht. Zwar hatten sie schon immer vermutet, dass die Asgard mehr getan hatten, als die Menschen vor den Goa’uld zu schützen und währenddessen einige hübsche Götterhologramme zu projizieren. Zwar glaubte sie nicht, dass die Asgard ihnen je ernsthaften Schaden zugefügt hatten. Dennoch fand sie die Selbstverständlichkeit, mit welcher Thor das völlig beiläufig vorbrachte, einfach nur unverschämt. Er schien auch ganz offensichtlich gar nicht zu begreifen, wie man damit ein Problem haben konnte. Was ihn anging, war ihr Vorgehen absolut normal und ebenso harmlos.
„Allerdings würden wir, was O’Neill angeht, den natürlichen Weg vorziehen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Menschen selbst am Besten wissen, wie sich ihr Erbgut optimal kombiniert.“
Sam wurde schlecht. Auf einmal fühlte sie sich angesprochen. „Soll das eine Aufforderung sein?“, krächzte sie.
„Keineswegs“, erwiderte Thor darauf sofort klipp und klar, begann sie dann jedoch von oben bis unten zu mustern, als sähe er sie gerade zum ersten Mal. „Allerdings wäre es durchaus sinnvoll, O’Neill auf diese Option hinzuweisen.“
Sie räusperte sich. Es kostete sie einiges an Anstrengung die Muskeln ihres Gesichts zu einem Grinsen zu verziehen. „Vergessen wir das ganz schnell, okay?“
„Okay“, wiederholte Thor, das ungewohnte Wort sorgfältig betonend. Die Gedankenblase über seinem Kopf war jedoch ganz deutlich zu lesen. Menschen sind ein seltsames Volk, stand darin geschrieben.
„Ihr nennt euer Vorgehen einen Präzisionsschlag“, erklärte Teal’c mit gehobener Augenbraue. Er ging über Thors Aussagen hinweg, als würden sie ihn nicht interessieren. „Ich kann in diesem Vorgehen keine Präzision erkennen“, verkündete er abweisend.
Doch es interessierte Teal’c sehr wohl, wie Sam schnell erkannte. Der Grund, warum er es nicht zeigte, war, dass er ihr und Daniel mit seiner Frage Gelegenheit verschaffen wollte, sich wieder zu fassen.
„Führen wir zu wenig Energie zu, bleibt der Schild bestehen und wir bekommen möglicherweise keine zweite Chance“, antwortete Thor auf den Einwand. „Führen wir zu viel Energie zu, wird alles vernichtet, bevor wir O’Neill herausholen können. Es ist dabei sehr wohl Präzision erforderlich.“
Sam atmete noch einmal tief durch. „Einen Moment, Thor“, warf sie ein. Teal’c hatte ihr tatsächlich genug Zeit verschafft, um sich etwas auszudenken. „Ihr wollt doch von uns lernen, oder?“
Thor kniff die Augen leicht zusammen. „Euer unkonventionelles Vorgehen und eure primitiven Mittel haben sich schon öfters als sehr erfolgreich erwiesen.“ Das war nicht unbedingt ein Ja, kam dem für Sams Zwecke aber nahe genug.
„Wenn ihr uns beobachtet habt, dann wisst ihr, dass wir die von dir genannten Mittel gewöhnlich nicht einsetzen. Wir gehen anders vor“, machte sie deutlich. „Beame uns runter, anstatt auf den Schild zu schießen. Wir befreien Colonel O’Neill und ihr kommt uns danach holen.“
Es war nicht unbedingt so, dass sie nicht schon des Öfteren gerne mit schwerem Geschütz gekämpft hätten. Ganz im Gegenteil. Dass sie es dem zum Trotz nicht taten, lag ganz allein daran, dass sie einfach kein schweres Geschütz zur Verfügung hatten. Genau darin bestand zur Zeit das Dilemma der Erde.
Aber das musste Thor ja im Moment nicht unbedingt wissen.
Außerdem wusste Sam, seit sie mit nur fünf Personen zwei Goa’uld-Mutterschiffe zerstört hatten, dass man eine Schwäche auch zu einer Stärke machen konnte.
Thor dachte einen Moment nach. „Einverstanden“, lenkte er dann ein. „Allerdings“, fügte er sogleich hinzu, „wird euch eine Division Asgard-Krieger begleiten.“
„Eine Division Asgard-Krieger?“
„Major Carter“, erwiderte Thor ruhig. „Du hast mich genau verstanden. Wieso wiederholst du andauernd meine Worte?“ So unschuldig wie das klang, war die Frage womöglich sogar ernst gemeint.
„Entschuldige, Thor“, erklärte sie ihm, wobei es ihr schwer fiel, ernst zu bleiben. „Aber ich denke, wir regeln das alleine.“ Die Tatsache, dass sie bereits den Begriff Asgard-Krieger für einen Witz hielt, behielt sie lieber für sich.
„Du begreifst nicht. Das ist keineswegs ein Angebot. Es ist Bedingung. Die Division wird gewährleisten, dass ihr diesmal auch tatsächlich mit O’Neill zurückkehren werdet.“

Menschen waren ungeduldig. Es schien ein wichtiger Bestandteil ihres Wesens zu sein. Thor wusste das. Auf einem rein intellektuellem Level konnte er diese Ungeduld sogar nachvollziehen. Jedoch blieb es eine Tatsache, dass Ungeduld die Reparaturen nicht eine einzige Sekunde schneller ablaufen ließ.
Gerade eben war Hermiod auf die Brücke zurückgekehrt. Er hatte die beiden Menschen und den Jaffa keines Blickes gewürdigt, als er ihm mitgeteilt hatte, dass seine Techniker gerade die letzten Einstellungen vornahmen. Thor hatte diese Entwicklung begrüßt und danach mitgeteilt, dass Hermiod die Division führen würde. Kurz darauf hatte dieser ihn um ein Gespräch unter vier Augen gebeten.
Im Gegensatz zu Thor gehörte Hermiod der jüngsten und letzten Generation der Asgard an. Seit der Perfektionierung der Klontechnik, mit welcher sie effektive Unsterblichkeit erlangt hatten, war die Zeugung von Nachwuchs weder notwenig noch erwünscht gewesen. Daher hatten sie es unterlassen und in der Folge war ihre Bevölkerung über Jahrtausende hinweg praktisch konstant geblieben. Bis zum Ausbruch des Krieges.
Plötzlich starben nicht nur Körper, sondern erloschen mit ihnen auch Bewusstseine. Auf einmal war es notwendig geworden, nicht länger Klone, sondern Nachwuchs zu züchten. In dieser Zeit war Hermiod geboren worden.
Doch die Phase war nicht von Dauer gewesen. Zwar hatten sie zuvor sehr genau registriert, wie die Qualität der neuen Körper mit jeder Generation abnahm. Jedoch hatten sie im Gegensatz zur fallenden Lebenserwartung es nur als sekundär angesehen, dass auch ihre reproduktiven Fähigkeiten abnahmen. Vierhundert Jahre nach Hermiods Geburt wurde es ihnen trotz größtem technischen Aufwand vollends unmöglich, eine erfolgreiche Befruchtung durchzuführen. Unglücklicherweise war wegen des Krieges die Forschung auf diesem Gebiet nahezu zum Erliegen gekommen, so dass sich daran bis heute nichts geändert hatte.
Obwohl Hermiod also mit vierzehnhundert Jahren vergleichsweise jung war, wäre es dennoch falsch gewesen, ihn auch als unerfahren zu bezeichnen. Er war im Gegenteil sehr gut für seine Aufgabe qualifiziert – und das wusste er auch. So wie bei allen anderen seiner Generation hatte es nie Schwierigkeiten gegeben, ihn in die vorhandene Gesellschaft zu integrieren. Dennoch vermutete Thor, dass Hermiod jetzt sehr wohl Probleme bereiten würde.
Die Menschen behaupteten, dass Asgard über keinerlei Mimik verfügten. Es traf zu, dass sie keine derart übertriebenen Gesichtsverrenkungen wie die Menschen zeigten. Dennoch konnte Thor seinem Artgenossen durchaus ansehen, was er dachte.
Hermiod würde sich nicht darüber beschweren, dass Thor ihn dem Kommando eines Menschen unterstellt hatte. Es gab keinen Asgard, welcher sich einer Notwendigkeit nicht gebeugt hätte. Was Hermiod jedoch anzweifeln würde, war, ob es auch tatsächlich notwendig war.
„Ich halte dein Vorgehen für einen Fehler“, begann er frei heraus. „Die Menschen waren schon einmal nicht im Stande O’Neill zurückzuholen. Es ist unwahrscheinlich, dass dies jetzt anders ist.“
Thor waren anfangs genau die gleichen Zweifel durch den Kopf gegangen. Inzwischen hatte sich dies jedoch gelegt und er war zu einem Befürworter dieser Taktik geworden. „Es wäre ein Fehler, wenn ich sie ohne deine Begleitung losschicken würde.“
Hermiod nahm das Argument vorerst hin. „Du vertraust den Menschen sehr.“ Hermiod brauchte gar keinen besonderen Klang in seine Stimme legen, Thor erkannte auch so, dass dies als Vorwurf gemeint war.
„Dieses Vertrauen ist gerechtfertigt. Ohne Major Carters Unterstützung wäre Othalla heute nicht mehr bewohnt. Das SG-1 Team hat mehrfach bewiesen, wozu es fähig ist.“ Thor kam nicht umhin sich einzugestehen, dass er diese Gruppe von Menschen sogar geringfügig bewunderte.
„Das mag sein oder auch nicht.“ Hermiod zeigte sich noch immer wenig beeindruckt. „Es geht mir allerdings mehr um die Menschen an sich. Du scheinst sehr von ihnen überzeugt zu sein. Vielleicht ist dies kein Wunder, wenn man bedenkt, dass du auf unzähligen Welten immer noch als Gott verehrt wirst.“
Thor war über diese Unterstellung von mangelnder Objektivität keineswegs verärgert. Hermiod hatte jedes Recht, das zu vermuten und seine Vermutung auch zu äußern. „Es ist wahr, dass ich mehr Kontakt als jeder andere Asgard mit den Menschen pflege“, gab er das Offensichtliche zu. „Dies beeinflusst jedoch in keinster Weise mein Urteilvermögen. Es gibt mir im Gegenteil die Möglichkeit die Menschen besser einzuschätzen als jeder andere. Wie dir vielleicht aufgefallen ist, handelt es sich dabei keineswegs um ein triviales Unterfangen.“
Thor kannte die Menschen länger als deren „gesicherte Geschichtsschreibung“ heute zurückreichte. Schon damals hatten ihn diese Wesen auf schwer zu definierende Weise beeindruckt. Es war ein Fehler gewesen, der Galaxis, welche sich später Milchstraße nennen würde, nicht mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Ansonsten hätten sie durchaus verhindern können, dass parasitäre Lebensformen, welche sich Antikertechnik angeeignet hatten, sich teilweise auch dieses Volkes bemächtigten.
Damals hatte Thors eigenes Volk in seiner Blüte gestanden. Es war auf der Höhe seiner Zivilisation gewesen. Die Asgard waren vital und kraftstrotzend gewesen. Fehler hatten sie sich leisten können.
Doch die Zeiten hatten sich geändert. In den letzten Jahrhunderten hatte Thor erkennen müssen, sich nicht mehr der Möglichkeit verschließen zu können, dass es ihnen eines fernen Tages nicht mehr möglich sein könnte, den Verfall ihrer Körper aufzuhalten. Dann würden die Asgard sterben. Ein anderes Volk würde ihr Erbe antreten müssen. Und wenn ein Volk dazu in der Lage war, dann die Menschen.
„Es sind Primitive in Geist, Wissenschaft und Biologie“, bekundete Hermiod im krassen Gegensatz dazu seine eigene Einschätzung der Menschen.
Thors Ansichten wurden von vielen seiner Artgenossen geteilt, die wie er in diesem jungen Volk die fünfte Spezies sahen, auch wenn die zugehörige Allianz der vier Spezies längst der Vergangenheit angehörte.
Dennoch traf Thor die von Hermiod vertretene Einschätzung zu seinem Leidwesen nicht zum ersten Mal an. Tatsache war, dass es auch Asgard gab, welche in der Menschheit lediglich einen potentiell für ihr Klonprogramm nützlichen Genpool sahen. Eine Kuriosität oder eine Art aussterbende Tierart, die durchaus schützenswert, aber nicht ernst zu nehmen war. Es schien so, dass sich nicht nur die Menschen weiterentwickeln müssten, bis alle Asgard die Menschheit als ähnlich gleichgestellt ansehen würden, wie einst die Antiker oder die anderen Mitglieder der ehemaligen Allianz.
„Die Spezies Mensch hat ein großes Potential“, hielt Thor seinem Gegenüber entgegen. „Sowohl der einzelne Mensch, als auch das gesamte Volk. Seit ewigen Zeiten machen sie fast genauso viele Fortschritte wie Rückschritte. Aber wenn sie es erst einmal schaffen, ihr Potential voll auszuschöpfen – dann werden sie selbst uns eines Tages überflügeln.“
Letzteres war natürlich alles andere als Fakt und das wusste er auch. Nichtsdestotrotz war er davon überzeugt.
„Ich sehe dieses Potential nicht“, erwiderte Hermiod lakonisch.
„Dann kennst du die Menschen nicht gut genug.“
Er hatte Hermiod nicht überzeugen können, das sah er ihm an. Es war bedauerlich, aber nicht zu ändern.
Die Argumente waren ausgetauscht, die Standpunkte blieben dieselben. Auch an den Befehlen würde Thor nichts ändern. Sein Chefingenieur würde die Befehle ausführen. Selbst, wenn er dabei skeptisch blieb, würde er es ohne weitere Umschweife tun.
Verabschiedungen waren sinnlose Floskeln und daher unter Asgard nicht üblich. Hermiod ging ohne einen weiteren Kommentar. Es war alles gesagt.


* * *


Das gleißende Licht, welches beim Transportvorgang zu sehen war, verschwand und wurde ersetzt durch den Anblick eines geräumigen, leeren Korridors. Wie Sam wusste, befand sich dieser Gang in einem Hochhaus, welches dem Gebäude, in dem Colonel O’Neill gefangen gehalten wurde, unmittelbar benachbart war.
Misstrauisch beäugte sie die 50 Asgard, welche sich hinter ihr den langen Gang entlang aufgereiht hatten. Sie alle trugen Schutzanzüge und die Hälfte von ihnen zusätzlich die langen, schrecklich eleganten Strahlengewehre, welche sie zuvor schon in Aktion gesehen hatten. Angehörige eines Volkes, welches kein Schamgefühl kannte und ohne Kleidung auch nicht fror, eines Volkes aus Wissenschaftlern und Technikern, in voller Kampfmontur zu sehen, war durchaus ein ungewöhnlicher Anblick.
Dennoch hätte Sam in der jetzigen Situation lieber eine Horde Wikingerkrieger bei sich gehabt. Riesen mit Schwertern oder Äxten, wie die Asgard ihre Götterhologramme gestalteten. Brutale, aber disziplinierte und erfahrene Krieger und nicht einen Haufen besserwisserischer Technokraten, die mit ihrer eigenen Hightech nicht umgehen konnten und von denen sie nicht wusste, wie sie sich in einer Gefahrensituation verhalten würden.
„Ihr wartet hier“, wies sie Hermiod an. Einem Asgard etwas zu befehlen, daran würde sie sich gewöhnen müssen. Vermutlich war sie der erste Mensch überhaupt, dem ein solches Privileg zuteil wurde.
Die Karte des Gebäudes, welche die Sensoren der Sonden geliefert hatten, war in einer Ecke ihres Sichtbereichs eingeblendet. Entsprechend hatte sie nichts auswendig zu lernen müssen, um zu wissen, wo es jetzt lang ging. Ein kurzer Druck auf den Öffnungsmechanismus und die Tür glitt beiseite. Zusammen mit Daniel und Teal’c schlüpfte sie in den dahinter liegenden Raum, an dessen Decke das leere Holo einer blauen Fläche flackerte. Schnell hockten sie sich an die gegenüberliegende Wand und spähten vorsichtig aus den Fenstern.
Unter ihnen bot sich ein rechteckiges, dreistöckiges Gebäude dar. Darüber spannte sich die Blase des Schutzschirms, welcher ihnen solchen Kummer bereitete. Sein gleichmäßiges, grünes Licht strahlte nach allen Seiten ab und sorgte dafür, dass sie auch ohne die Finessen des Asgardanzuges die nächtliche Umgebung gut hätten erkennen können.
Rings um das Gebäude wirkte alles wie ausgestorben. Nirgendwo war ein Tzenk zu sehen. Niemand ging ein und aus, es gab kein Eingang, der bewacht wurde – wozu auch, wenn man einen Schutzschirm hatte?
„Okay, einfach rein schleichen scheidet wohl aus“, begann Daniel aufzuzählen. „Ich glaube auch nicht, dass die Rüstungen haben, die wir jemandem abnehmen und unauffällig eindringen können.“ Das war ihr nicht gerade eine Hilfe. „Die Frage ist also“, schloss er, als ob er damit Neuigkeiten verbreiten würde, „wie kommen wir rein?“
„Wäre es Ihnen lieber gewesen, wenn ich Thor gesagt hätte, er sollte einfach aus allen Rohren feuern?“, fragte Sam etwas gereizt.
Daniel sah sie erschrocken an. „Nein“, erst jetzt schien ihm klar zu werden, wie seine Worte für sie geklungen haben mussten und er wiederholte: „Nein...“ Dann starrte er stumm aus dem Fenster.
„Sind das dort unten die Trümmer von Replikatoren?“, fragte Teal’c.
Sam kniff die Augen zusammen. „Scheint so.“ Tatsächlich erschien der Boden außergewöhnlich unregelmäßig.
Doch Teal’c sprach gewöhnlich nichts aus, was für jeden zu sehen und ganz offensichtlich auch noch nutzlos war. Er sagte nie so etwas wie Schönes Wetter heute oder Warst du beim Friseur? Warum machte er also gerade jetzt eine solche Feststellung?
„Teal’c!“ Sie begann über beide Ohren zu grinsen. „Du bist genial.“
Auf den Zügen des Jaffa spiegelten kaum wahrnehmbare Zeichen der Zufriedenheit.
„Was? Wie?“ Natürlich kapierte Daniel nicht, was los war. Wie auch?
„Replikatoren durchdringen jeden Schutzschirm“, erinnerte Sam ihn also. „Das ist eine Eigenschaft, die bereits ein einzelner Baustein entwickelt. Wenn dort unten“, sie deutete in die Richtung der Straße, „noch genug intakte Replikatorteile herumliegen und wir sie vor dem Schild aufhäufen, dann bildet sich eine Öffnung, durch die wir eindringen können!“
Daniel starrte sie groß an. „Und Sie glauben, wir können da einfach so reinspazieren?“, kam sofort die Erwiderung.
Das glaubte sie nicht, aber schließlich war sie noch am Denken.
„Wir brauchen ein Ablenkungsmanöver“, stellte Teal’c fest.
Sam nickte knapp und blickte zurück zur Tür. „Kommt mit.“
Geduckt, damit ein zufälliger Beobachter sie nicht durchs Fenster sehen konnte, eilten sie zurück in den Korridor, wo noch immer die Asgard warteten. Unruhig traten sie von einem Fuß auf den anderen.
Mit einem Mal hatte Sam Mitleid mit diesen Wesen. Sie waren keine Kämpfer. Die Zeit, in der die Evolution das von ihnen verlangt hatte, war in den Tiefen der Vergangenheit verloren gegangen. Jetzt hatten die Replikatoren ihnen eine Art von Krieg aufgezwungen, den die Asgard von sich aus nie geführt hätten. Ein Krieg, der nicht nur mit Raumschiffen ausgetragen wurde, sondern auch von Mann zu Mann.
Sie erklärte Hermiod ihren Plan und die Notwendigkeit eines Ablenkungsmanövers. „Sie werden sich den Tzenk nicht zu erkennen geben“, schärfte sie ihm ein. Sie hatte keine Lust auf ein Tontaubenschießen mit tönernen Asgard. „Ihre Leute platzieren in den Nachbargebäuden die Sprengsätze und verschwinden wieder.“
Hermiods Blick nach zu urteilen war er nur mäßig begeistert, während er das von ihr Gesagte zur Kenntnis nahm, ließ sie aber ausreden. „Ihr Plan hat einen Nachteil“, stellte er schließlich fest. „Wir haben keine Sprengsätze bei uns.“
Sam fragte sich nicht, warum dem so war. Sie hatte gelernt, es zu akzeptieren.
Wortlos griff sie in ihre SG-Weste und reichte dem kleinen Männchen zwei etwa fünf Zentimeter große Würfel. Es waren Bomben aus Asgard-Produktion. Auch Daniel und Teal’c reichten ihre Ausrüstung an die selbsternannten Kämpfer weiter.
Erstaunt nahm Hermiod die Werke seines eigenen Volkes entgegen. Er tat so, als wäre es ganz natürlich, aber Sam stellte fest, dass es Hermiod in Wahrheit die Sprache verschlagen hatte.
„Die Gebäude sehen aus, als wären sie beschädigt. Seien Sie also vorsichtig. Wenn die Häuser einstürzen, werden sich die Tzenk hinter dem Schutzschirm verstecken statt rauskommen, um nachzusehen“, erklärte sie Hermiod. Der sah sie nur an und schien dabei nicht die Absicht haben zu blinzeln. Also redete sie weiter: „Niemand von Ihnen sollte eine Bombe alleine legen, das ist zu riskant. Sie sollten aber auch nicht alle zusammen gehen, sonst sind Sie zu träge.“ Es schien ihr wichtig, das dem Asgard zu sagen, dem vermutlich jede Erfahrung in diesen Dingen fehlte. Die Details würde sie jedoch ihm überlassen.
„Wir werden Ihren Wünschen nachkommen“, stellte Hermiod fest, als sie geendet hatte.
Sam hörte das mit den Wünschen sehr genau. Wäre Hermiod ein Mensch gewesen, hätte sie dies als Anlass nehmen können, ihn auf die eine oder andere Tour in die Schranken zu weisen. Doch er war kein Mensch und alles, was sie sagen konnte, würde diesen Unterschied nur deutlicher zutage treten lassen. Sollte er also rummaulen, soviel er wollte – solange er tat, was sie verlangte.
Statt einer Erwiderung wandte sie sich also in bester Asgardmanier von ihm ab und suchte mit den zwei Jungs den nächsten Lift nach unten auf.

Die Asgard waren immer noch mit dem Legen der Bomben beschäftigt. Wartend starrte Daniel durch eines der Fenster im Erdgeschoss hinaus auf die Straße. Dort lagen derart viele Trümmer von Replikatoren, dass Daniel sich die Schlacht besser nicht vorstellen wollte, aus der sie hervorgegangen waren. Auf der anderen Straßenseite spannte sich der Schirm auf, den sie vorhatten zu durchdringen.
Eben dieses Vorhaben bereitete ihm jedoch Kopfzerbrechen.
Sie waren nicht verschwunden, seine Gewissensbisse. Den Teil von ihm, der sich nicht mit der unmittelbaren Lage beschäftigte, beruhigte das. Der restliche Teil von ihm – nun, der machte sich eben Gewissensbisse.
„Sie haben erzählt, dass die Asgard-Strahler die Tzenk töten“, wandte er sich schließlich an Sam, nachdem er eine Weile rumgedruckst hatte. „Was also tun wir, wenn wir auf Widerstand stoßen?“
Er klang dabei recht naiv, wie er fand. Was sollte man schon tun?
Zu seiner Erleichterung empfand Sam das offenbar nicht so. „Sie haben recht“, bestätigte sie ihn in seinen Zweifeln. „Die Tzenk sind in Panik“, stellte sie fest. „Das gilt aber nicht für uns. Wir haben es nicht nötig, ihnen mit den gleichen Mitteln zu antworten, die sie einsetzen.“
Nachdenklich nahm sie etwas in die Hand, das Daniel bei all dem Asgard-Spielzeug längst vergessen hatte. Mit leisem Zing sprang die Zatwaffe auf und schloss sich gleich darauf wieder. „Eine Zat betäubt nicht jeden mit dem ersten Schuss“, erklärte Sam. „Den Asgardwaffen passiert so etwas bestimmt nicht, die sind da gründlicher. Daher halte ich Zats für schwächer. Möglichweise sind sie schwach genug, um einem Tzenk keinen dauerhaften Schaden zuzufügen.“
Erleichtert atmete Daniel auf. Die Zats waren eine der wenigen Erfindungen der Goa’uld, für die er dankbar war. Mit ihnen musste man keine Handlanger mehr töten, bloß weil man mal durch eine Tür gehen wollte, die unglücklicherweise bewacht wurde.
„Was aber tun wir, wenn sich auch diese Waffen als tödlich für die Tzenk erweisen?“, warf Teal’c mit ernster Miene ein.
Sams Gesichtsausdruck verhärtete sich. „Dann tun wir, was notwendig ist.“
„Major Carter“, erklang Hermiods Stimme über Funk. „Alle notwendigen Vorbereitungen wurden getroffen.“
„Dann los“, befahl Sam. Sämtliche Zweifel waren vergessen, jetzt wurde gehandelt.
Kaum waren die Worte verklungen, donnerte schon die erste Explosion auf. Tiefrote Flammen schlugen aus dem Erdgeschoss eines Gebäudes. Krachend wurde das gesamte Obergeschoss eines weiteren Hauses gesprengt. Trümmer flogen in alle Richtungen davon, prallten staubend gegen den grünen Schutzschirm und glitten daran herab.
Im gleichen Moment setzte sich SG-1 in Bewegung, verließ das Gebäude und betrat die trümmerbedeckte Straße. Eine weitere Detonation ertönte, doch Daniel konnte nicht sehen, was sie anrichtete. Er war mit Händen und Füßen damit beschäftigt, Replikatorteile zusammenzukehren und vor sich herzuschieben, der leuchtenden Kuppel des Schutzschirms entgegen.
Schnell türmte sich ein kleiner Berg aus den so völlig harmlos wirkenden Modulen auf, welche von den Explosivwaffen der Tzenk schwarz gefärbt worden waren. Der Schirm begann zu flimmern und auszubleichen, als die Replikatortrümmer mit ihm interferierten.
Mehr.
Sie bewegten sich über offenes Gelände. Die Nacht würde sie kaum schützen, wenn sich ein Tzenk die Mühe machte, wirklich hinsehen zu wollen.
Der Schirm gab nach und die aufgetürmten Repliaktorbausteine gerieten ins Rutschen, glitten durch den Schirm hindurch und schlitterten ins Innere. Doch der abgeflachte Haufen konnte den Schirm nicht offen halten und so verschloss dieser sich wieder.
Mehr.
Sie schaufelten weiter, bis sie schließlich einen Wall errichtet hatten, der an die zwei Meter Breite erreichte. Über seinem höchsten Punkt hatte sich ein Schlitz im Schutzschirm gebildet, der gerade hoch genug war, dass man sich hindurch schieben konnte.
Sam machte den Anfang und kroch vorsichtig durch die Öffnung. Es funktionierte tadellos. Teal’c folgte.
Für einen kurzen Moment glaubte Daniel, dass der Haufen ins Rutschen geriet. Vermutlich war Teal’c versehentlich dagegen gestoßen.
Auch Daniel ließ sich auf die Knie herab, streckte Arme und Kopf durch den Schirm.
Er hätte es besser wissen müssen: Teal’c war ein Muskelprotz, aber wer ihn für ungeschickt hielt, kannte ihn nicht. Er stieß niemals versehentlich gegen etwas.
Auch Daniel hatte die Module nicht berührt. Dennoch gerieten sie in Bewegung.
„Verdammt!“
Unter ihm wirbelten wie von einer Windhose getrieben auf einmal Bausteine umher, setzten sich zusammen und nahmen Gestalt an. Plötzlich saß unter seinem Bauch ein Käfer, den Daniel mit einer ausladenden Reflexbewegung fortwischte.
Hätte er es besser nicht getan. Mit dem kleinen Replikator schleuderte er auch eine Menge der Bauteile davon, welche den Schutzschirm offen hielten. Wie von der Gewalt eines Hammerschlags getroffen, presste es ihn zu Boden, als sich der Schirm des Gebäudes ein Stück weit schloss. In einer Ecke von Daniels Sichtfeld blinkte etwas rot. Es war die Belastungsanzeige seines eigenen Schutzschirms.
Sie stand auf 116 Prozent.
Mit einem Mal wusste er auch, wo sich der Projektor für seinen Schirm befand. An seinem linken Schulterblatt war es schlagartig heiß geworden. Es vibrierte und brummte wie verrückt. Sein Schirm und der Schirm des Gebäudes kämpften miteinander. Wenn der Gebäudeschirm die volle Aufmerksamkeit der Asgardwaffensysteme benötigte, um zerstört zu werden, dann hätte er sicherlich durch Daniels Schirm geschnitten wie eine Rasierklinge durch Papier, wären da nicht die verbliebenen Replikatorteile gewesen, auf denen Daniel lag.
„Wo ist der Käfer?“, rief er, wagte es aber nicht, mit den Beinen zu strampeln, denen sich das Wesen in diesem Augenblick vielleicht schon wieder näherte.
„Fortgerannt“, kam es hastig von Sam. „Warten Sie, wir helfen Ihnen.“
Zwei Armpaare griffen nach seinen Händen und zogen.
Unter ihm gerieten die Replikatorbausteine ins Rutschen. Der Schirmprojektor brüllte auf. Irgendwo im Anzugmaterial seines Beines begann sich etwas zu bewegen, was sich im normalen Betrieb nicht bewegen sollte. Ein seltsames Gluckern erklang von irgendwoher.
„Halt!“, schrie er seinen vermeintlichen Helfern zu.
Die Belastungsanzeige stand nun auf 135 Prozent. Dabei hatten die Asgard-Ingenieuere sicher nicht aus Spaß die 100-Prozent-Marke dorthin gesetzt, wo sie war. Daniel würde nicht warten müssen, bis die Energievorräte seines Anzugs erschöpft waren. Der Schirm konnte jederzeit zerschnitten werden.
Er konnte jederzeit zerschnitten werden.
Dies wäre durchaus ein angemessener Zeitpunkt gewesen, in Panik zu geraten.
Doch Zivilist hin, Weltraumäffchen her. Darauf kam es nicht an.
Auf einmal von einer kalten Klarheit erfüllt, erkannte er, dass er nur eine Chance hatte.
Und er nutzte sie.
Gestützt auf Hände und Knie stemmte er sich nach oben, brachte ein wenig, nur ein ganz wenig Abstand zwischen seinen Körper und die Bausteine. Ein paar Zentimeter, mehr brauchte er nicht. Getrieben von den Kraftverstärkern verschob er die Fronten des Kampfs der beiden Felder ein Stück ins feindliche Gebiet.
Das Dröhnen des handtellergroßen Projektors an seiner Schulter wurde unerträglich. Daniel hatte das Gefühl, dass die Hitze sich inzwischen in seine Haut einbrannte.
Doch noch hielt sein Schirm.
So schnell es eben ging, wuchtete Daniel seine Beine herum, schob sie seitlich über den Hügel. Nur keine weiteren Bausteine verschieben! Erst das eine Bein. Dann das andere. Er rollte zur Seite.
Und lag im Inneren.
Das Schreien des Projektors erstarb.
Was auch immer sich an seinem Bein bewegt hatte, hörte damit auf.
Nur sein Herz pochte noch wie wild.
Daniel öffnete die Augen. Seine Freunde waren besorgt über ihn gebeugt.
Sam half ihm auf die Beine, lächelte und legte ihm die Hand auf die Schulten. Erneut überschnitten sich zwei Schutzschirme, wenn auch diesmal in friedlicher Koexistenz.
Sam bemerkte wohl seinen unbehaglichen Blick und zog die Hand wieder fort. „Alles okay?“, fragte sie.
Vorsichtig nickte er und rieb sich die schmerzende Schulter.
„Wie sind Ihre Energiereserven?“
Er blickte auf die Anzeige. „42 Prozent“, las er ab. In Anbetracht der viel dringenderen Probleme hatte er kaum bemerkt, wie die Vorräte dahin geschmolzen waren.
„Das reicht aus“, versuchte sie ihn aufzumuntern „Bleiben Sie einfach etwas im Hintergrund.“
Daniel nahm das als Kompliment. Früher war es selbstverständlich gewesen, dass er sich zurückhielt. Heute musste man ihn um so etwas bitten.
„Dort ist das Fenster“, erinnerte Sam an den Plan.
Keine Zeit zum Ausruhen. So war das nun einmal.
Teal’c hob seine Zatwaffe und schoss dreimal. Die Scheibe und ihr Rahmen – nicht mehr und nicht weniger – lösten sich auf.
„Wir können aus dem Stand dort hinein springen“, erklärte Sam. „Das Problem ist lediglich, das Ziel zu treffen. Ich gehe zuerst. Ihr folgt, so gut es geht.“
Daniel nickte nur matt.

„...Schesch. Du kannst diese Intrigengeschichten wegen mir deinem Friseur erzählen“, erklang O’Neills Stimme in Teal’cs Helm. „Ich kenne da zufällig einen sehr guten.“
Nachdem sie ohne größere Probleme in das Gebäude eingedrungen waren und es keinen störenden Schutzschild mehr zwischen ihnen und O’Neill gab, war Kommunikation wieder möglich.
„Andererseits seht ihr Kerle mir nicht so aus, als würdet ihr einen Friseur brauchen...“
„Jack, können Sie mich hören?“, wiederholte Daniel Jackson neben ihm.
„Lalalala-la-lah,“ sang O’Neill schräg. „Ich hör dir nicht zu!“
„Er ist durchaus in der Lage uns zu hören, Daniel Jackson“, sah sich Teal’c genötigt zu erklären. „Er will lediglich den bei ihm anwesenden Tzenk nicht unsere Anwesenheit preisgeben.“
„Was hast du gesagt?“, höhnte O’Neill dem Tzenk entgegen, den Hohn gut verborgen hinter seiner harmlosen Art. Allmählich begann sich Teal’c zu fragen, ob es wirklich O’Neill war, um den er sich Sorgen sollte oder nicht viel mehr um den Kreislauf des vormaligen Diplomaten, der anscheinend verzweifelt, aber vergeblich versuchte, O’Neill auf seine Seite zu ziehen.
Teal’c beschloss vorerst, das Gerede von O’Neill aus seinem Aufmerksamkeitsbereich auszublenden. Dies erhöhte sein Maß an Konzentration ungemein. Dennoch überraschten ihn die Ereignisse.
Ein guter Krieger war eigentlich auf alles vorbereitet. Er rief sich die Besonderheiten seines Gegners in jeder freien Sekunde zurück ins Gedächtnis. Auf diese Weise hätte ihn nichts überraschen sollen.
In der Realität war Teal’c sehr wohl verblüfft, als er die beiden Wesen an der Decke kleben sah.
Dennoch reagierte er instinktiv und blitzschnell. Ehe die beiden Wachen auch nur mit einem der Schläuche ihres Körpers zucken konnten, hatte er sie bereits einmal mit der Zat getroffen. Mit lautem Klatschen schlugen die zwei massigen Leiber zu Boden.
Die einst so beeindruckenden Geschöpfe lagen genauso flach wie leblos vor ihnen und versperrten den Korridor. Nicht ohne eine gewisse Befriedigung bemerkte Teal’c, dass sie sich nicht zu verfärben begannen, also noch immer lebten.
Es waren die ersten Tzenk, auf die sie seit ihrem Eindringen gestoßen waren. Offenbar hatte die Aktion der Asgard tatsächlich Aufmerksamkeit erregt, denn bisher hatten sie keinen Feindkontakt gehabt. Zwar hatten die Sensoren der Mjölnir zuvor schon nur vergleichbar wenig Lebewesen im ersten Stockwerk des Gebäudes angezeigt, aber ganz offensichtlich hatte ihre Zahl inzwischen noch weiter abgenommen.
„Das könnte glatt ein Spaziergang werden“, kommentierte Major Carter.
Teal’c machte seinem Unverständnis durch Heben der Augenbraue Luft.
„Das sind nur Projektilwaffen.“ Major Carter deutete auf zwei Objekte, die zwischen den verknoteten Körperteilen der Tzenk steckten. „Sie explodieren nicht beim Aufschlag, was in einem geschlossenen Raum auch besser so ist. Aber damit kratzen sie unsere Schirmfelder nicht mal an.“
„Und da sind Sie sich sicher?“, hakte Daniel Jackson nach.
Im gleichem Moment heulten Alarmsirenen auf und enthoben Major Carter einer Antwort. „Weiter“, meinte sie nur.
Sie stiegen so gut es ging über die Bewusstlosen hinweg und erreichten endlich die in den Karten verzeichnete Rampe, welche ins Erdgeschoss führte.
Nachdem sie zwei weitere Tzenk ausgeschaltet hatten, erreichen sie eine Tür. Dahinter befand sich der Vorraum zu dem Raum, in der Colonel O’Neill festgehalten wurde. Dort befand sich auch die Steuerung für die beiden Schutzschirme, wovon einer das Gebäude gegen Eindringlinge von außen schützen sollte und der andere dafür sorgte, dass O’Neill drinnen blieb. Dort würden sich bestimmt mehr als zwei Tzenk aufhalten.
Er und Major Carter postierten sich an den Seiten der Tür, Daniel Jackson ein wenig abseits. Teal’c nickte Carter zu, sie öffnete die Tür und sprang zeitgleich mit ihm ins Innere des Raumes. Ehe auch nur einer der Anwesenden reagieren konnte, gingen bereits drei von ihnen zu Boden. Auch ein Alarm konnte den unerfahrenen Kämpfern keine Reaktionsschnelligkeit schenken. Dann erst schwenkten die ersten Leiber herum und suchten die ersten Waffen ihr Ziel.
Mit einem kurzen Blick identifizierte Teal’c diese als simple Projektilwaffen und blieb stehen, wo er war. Kugeln hämmerten in schneller Folge auf seinen Schirm ein, konnten ihm jedoch nichts anhaben. Statt dessen brachen weitere Tzenk zusammen, getroffen von den zuckenden Blitzen ihrer Zat’nic’itel.
Den Tzenk mit der anderen Waffe sah er zu spät. Auch keiner seiner Gefährten hatte zuvor versucht, ihn unter Beschuss zu nehmen. Die Explosion sprengte ein Stück der Wand neben Teal’c weg und hätte ihn um ein Haar von den Beinen geworfen.
Dann sackte auch der letzte Tzenk in sich zusammen und der Kugelhagel versiegte.
„Teal’c, öffne bitte die Tür“, kam es professionell von Major Carter.
Es gab eine Tür, welcher der gegenüberlag, aus der sie gekommen waren. Doch diese war nicht gemeint, sondern die dick gepanzerte Tür zu seiner Rechten.
Während Major Carter sich an den Kontrollen zu schaffen machte, welche die Schirme steuerten und Daniel Jackson seine beiden Augen auf die verbliebenen Türen richtete, vergewisserte sich Teal’c, dass die Panzertür tatsächlich verschlossen war. Daraufhin widmete er sich dem Display der Asgardwaffe an seinem Arm. Nach einigem Suchen fand er eine Einstellung, die er dem Problem für angemessen hielt. Ein breit gefächerter, blauer Strahl schoss aus der Waffe. Das Material der Tür verschwand einfach Schicht um Schicht, als würde er es mit einem irdischen Radiergummi aus der Existenz tilgen.
„Carter an Thor. Wir sind in Kürze soweit.“
„Verstanden“, erklang verzögerungsfrei Thors Stimme, der, wenn alles korrekt funktioniert hatte, sich wieder im Orbit der Sonne befand.
Die Tür wurde allmählich dünner und enthüllte schließlich einen grünen Schutzschirm. Kurz darauf schaltete sich dieser ab. Ein weiterer Alarm ertönte und mischte sich mit dem vorhandenen zu einer äußerst unangenehmen Geräuschkulisse.
Jetzt, Thor!“
Teal’c trat mit gezogener Waffe in den Raum hinter der Panzertür. Der Alarm klang hier erträglicher. Umgeben von vielerlei hastig aufgestellten Gerätschaften schwebte O’Neill etwa einen halben Meter über dem Boden.
Das Wesen, das Teal’c für Schesch hielt, sprang mit einem Satz zwischen Teal’c und O’Neill und versperrte ihm den Weg.
„Das ist nicht richtig“, erklang Carters Stimme hinter ihm. „Thor hätte uns längst rausbeamen müssen.“
Tatsächlich dauerte das Drücken des Knopfs, welcher den programmierten Vorgang im Asgardschiff auslöste, länger als Hypersprung und Beamen zusammen.
„Irgendetwas ist schief gelaufen!“

Noch immer blieb das helle Licht des Transports aus. Daniel starrte Schesch entgegen. Dieser hatte den Großteil seiner Schläuche entwirrt und sich zu einer fast vier Meter breiten Wand zwischen ihnen und Jack aufgetürmt.
„Wenn ihr vorbei wollt, müsst ihr mich töten!“
Es klang tapfer, doch das Beben des Körpers war nicht zu übersehen.
Irgendwie hatte Daniel erwartet, dass Schesch bewaffnet sein würde, wie es sich für einen in die Enge getriebenen Bösewicht nun mal so gehörte. Doch wozu hätte Schesch in einem Raum mit einem zur Bewegungslosigkeit verdammten Gefangenen, den jedwede Beschädigung seines Schutzanzuges auf der Stelle getötet hätte, eine Waffe benötigt?
„Jack, geht es Ihnen gut?“, vergewisserte er sich.
„Ich weiß nicht“, kam die Antwort zurück. „Der Plan läuft nicht so gut, oder?“
„Eher nicht“, gab Daniel zu.
„Nun, dann geht es mir nicht gut“, stellte Jack fest. Hätte Daniel es nicht besser gewusst, hätte er geglaubt, dass der Führer ihres Teams die Lage nicht ernst genug nahm.
„Schesch“, wandte sich Daniel an selbigen. „Wir haben bisher niemanden getötet. Und wir werden auch dich nicht töten.“ Natürlich hätte er einfach schießen können. Doch hier hätte er nicht behaupten können, dass Reden nichts half. „Du weißt, dass wir uns nicht gegenseitig bekämpfen müssen!“, drang er in ihn.
„Ihr habt uns eure Hilfe verweigert“, kam die heftige Erwiderung. „Irgendwie müssen wir uns Mittel beschaffen, um den Fortbestand unserer Zivilisation zu sichern.“
„Dein Plan ist fehlgeschlagen!“, machte Daniel ihm unmissverständlich klar und wedelte demonstrativ mit seiner Zat. „Aber vielleicht gibt es einen anderen Weg. Es gibt eine Möglichkeit euer Volk zu retten!“
Schesch sackte einen Moment in sich zusammen, fing sich dann aber wieder. „Was für eine Möglichkeit?“
Natürlich ist er interessiert, schoss es Daniel durch den Kopf. „Lass uns zuerst durch.“
„Was für eine Möglichkeit?“
Teal’c, der bisher die Tür bewacht hatte, drehte sich um. „Lass – uns – durch“, betonte er jedes einzelne Wort.
Ein ziemlich ekliges Gurgeln erklang. Dann faltete sich Scheschs Körper wie eine Ziehharmonika zusammen – auch wenn ein solches Instrument sich bei diesem Vorgang gewöhnlich nicht verknotete.
„Was für eine Möglichkeit?“, wiederholte Schesch matt.
Doch Daniel sah ein, dass er seine Kompetenzen erneut überschritten hatte. Er musste das mit Jack abstimmen, ehe er weiter sprach, selbst wenn er sich dabei ziemlich mies vorkam. „Bitte gedulde dich“, vertröstete er den Tzenk daher und eilte zusammen mit Sam zum schwebenden O’Neill.
Sam blickte die Anlage kurz an, kniff die Augen zusammen und stieß dann nicht gerade feinmotorisch mit dem Stiefel gegen ein Stativ, auf dem irgendein Projektor montiert war. Lampen begannen zu flackern und erloschen. Langsam sackte Jack zu Boden.
„Na endlich“, schimpfte dieser, immer noch der Alte. „Und jetzt bringt gefälligst den Klugscheißer in meinem Anzug wieder zur Vernunft! Der Kerl weigert sich noch immer den Schirm aufzubauen.“
Daniel ertappte sich dabei, wie er Jack eine ganze Weile anstarrte. Dessen Anzug war noch immer hart wie Stahl. „Wir könnten Sie auch so lassen und wenn jemand fragt, sagen wir, Sie wären eine Wachsfigur.“ Diesen kurzen Moment der Schadenfreude konnte er sich einfach nicht verkneifen.
„Ein Merchandising-Artikel für Wurmloch X-trem... “, kam Teal’cs tiefe Stimme aus dem Hintergrund.
Ob Sam wegen Teal’cs Vorschlag grinste oder sie ihre eigenen Vorstellungen hatte, würde wohl ihr Geheimnis bleiben.
„Jetzt holt mich hier endlich raus, mir schlafen sämtliche Glieder ein!“, fuhr Jack ihn an, blickte dann zu Sam hinüber und räumte schnell ein: „Nun, ja. Nicht sämtliche Glieder...“ Er verdrehte die Augen. „Jetzt machen Sie schon, Carter!“
Diese zuckte zusammen und ihr Grinsen erstarb. „Ja, Sir.“ Daraufhin machte sie sich an Jacks Anzug zu schaffen.
Nach einer ganzen Reihe konzentrierter Handgriffe baute sich Jacks Schirm wieder auf, dehnte sich blitzschnell aus, um den Druck in seinem Inneren auf Erdenmaß zu reduzieren und stieß dabei Sam von ihren Füßen.
Jack schüttelte sich, als sein Anzug plötzlich wieder nachgiebig wurde, ersparte sich deutlich hörbar jeden dummen Spruch und half Sam, sich wieder aufzurichten.
Draußen erklang das Knattern von Schüssen. Daniel, Sam und Jack sahen sich kurz an und eilten dann zu Teal’c, welcher noch immer an der ehemaligen Panzertür stand.
Die Schüsse machten zwei Dinge deutlich: Erstens waren sie hier nicht allein. Noch immer befanden sich Tzenk im Gebäude. Doch der zweite Punkt wog fast schwerer: auf wen schossen die Tzenk? Waren die Replikatoren zurückgehrt? Daniel hatte jetzt wirklich keine Lust auf die Viecher.
Die Frage wurde beantwortet, als er Zischen hörte, das sich zu dem Knattern und dem Knallen von Explosionen gesellte. Schneller, als er schauen konnte, öffnete sich die Tür zu seiner Seite und rollten mehrere Tzenk durch den Raum mit den Schutzschirmkontrollen. Wie gewaltige Flummibälle hüpften sie über ihre bewusstlosen Kameraden hinweg und verschwanden durch die gegenüberliegende Tür.
Erneut das Zischen. Blaue Strahlen zuckten von Tür zu Tür. Daniel wusste, dass sie auflösen würden, was sie trafen. Und wen sie trafen – treffen sollten – war keine Frage.
Stille.
Gemächlichen Schrittes trat Hermiod in den Türrahmen.
„Commander Thor lässt euch ausrichten, dass er sich verspätet“, war alles, was er sagte.

„Hermiod, was hat das zu bedeuten?“, sprach Sam das aus, was auch Daniel durch den Kopf ging. „Wo ist Thor? Was haben Sie hier zu suchen? Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt!“
„Die Mjölnir wird in ihren Aktionen durch weitere Zugstrahlen der Tzenk behindert“, stellte der Asgard fest. „Dies hat sowohl unsere Position, als auch die Ihre geschwächt. Als der Schirm deaktiviert wurde, bin ich daher mit meiner Division hier eingedrungen. Sämtlicher Widerstand wurde konsequent niedergeschlagen. Gerade wird der Schutzschirm wieder aktiviert und bleibt so lange aktiv, bis sich Commander Thor bei uns meldet. Damit hat sich unsere Position eindeutig verbessert.“
Bei dem Wort konsequent lief Daniel ein Schauder über den Rücken. Vermutlich lebte im Gebäude und seinem Umfeld kein einziger Tzenk mehr. Über die Notwendigkeit ließ sich diskutieren, aber was Daniel wirklich erschreckte, war die kompromisslose Kälte, mit der Hermiod diesen Sachverhalt vortrug.
Bei einem Menschen – bei ihm selbst und jedem, den er bisher beobachtet hatte – löste derartige Gewalt stets irgendeine Art von Reaktion aus. Nicht unbedingt eine schmeichelhafte, aber irgendeine.
Doch an Hermiod und dessen Artgenossen, die nun allmählich hinter ihm auftauchten, ging es vorüber.
Dass die Asgard alles andere als zimperlich waren, wussten sie, seit eines ihrer Schiffe drei komplette Goa’uld-Pyramiden buchstäblich von der Oberfläche Cimmerias getilgt hatte. Doch dazu hatten die Asgard nur ein paar Knöpfe drücken müssen. Jemanden zu erschießen, war dagegen etwas anderes.
Zumindest für einen Menschen.
An den Asgard ging es vorüber. Für sie schien es einerlei zu sein, wie sie töteten.
„Ich befahl, dass Sie sich den Tzenk nicht zu erkennen zu geben sollen!“, ereiferte sich Sam. Sie ließ es nicht auf sich beruhen und schien es persönlich zu nehmen, dass Hermiod sie nicht zuvor gefragt hatte. Kein Wunder, denn nach Hermiods Aktion hätten sie genauso gut gleich den so genannten Präzisionsschlag durchführen können.
„Ihr nennt euch zivilisiert!“, donnerte Schesch von hinten. „Ihr schwingt große Reden über den Schutz von Zivilisationen. Jetzt sehe ich, wie weit es mit eurer Moral wirklich ist!“
Langsam wandte sich Hermiod dem Tzenk zu. „Der Tod deiner Artgenossen ist bedauerlich“, bekannte er.
Er ließ sich viel Zeit, bis er fortfuhr. „Diese Entscheidung ist keineswegs leichtfertig getroffen worden. Auch wir haben schwere Verluste zu beklagen, nur von wenigen Opfern konnte das Bewusstsein geborgen werden. Unser Volk steht vor seiner Ausrottung. Wir können Verluste nicht so problemlos wie ihr wegstecken. Die zurückliegenden Ereignisse treffen uns härter als euch.“
Schesch stülpte mehrere Hautlappen nach außen, die in wilde Wallung gerieten. „Soll das heißen, dass unsere Leben weniger wert als die euren sind?“
„Das soll heißen, dass wir in einer anderen Situation möglicherweise anders gehandelt hätten“, schnappte Hermiod, ohne jedoch die Frage dabei wirklich zu beantworten.
Im selben Moment wurde Daniel bewusst, dass auch er Schesch noch eine Antwort schuldig war.
Er wies den Anzugcomputer an, Außenlautsprecher und Übersetzer abzuschalten und bat die Anwesenden, es ihm gleich zu tun. Schesch sollte nicht hören, was sie da beredeten. „Sam, vielleicht ist es an der Zeit, dass Sie über Ihre Entdeckung berichten.“
Ein klein wenig entspannte sich ihre düstere Mine. An Jack gewandt begann sie: „Sir, wie Sie wissen, war es uns die ganze Zeit über ein großes Rätsel wie ein vergleichsweise kurzlebiger Stern hierher in den Leerraum gelangen kann. Ich und die Asgard haben eine Reihe von Messungen durchgeführt und festgestellt, dass der Stern um einen unsichtbaren Punkt kreist. Jedes normale, nicht-leuchtende Objekt, das dafür in Frage kommt, hätten wir jedoch schon früher entdeckt. Daher vermuten wir, dass es sich um ein Wurmloch handelt.“
Jack sah ziemlich gequält aus, als er meinte: „Soll das heißen, dass während ich hier in Lebensgefahr geschwebt bin, Sie in aller Ruhe mit Ihren Wurmlöchern gespielt haben?“
Sam schoss die Röte ins Gesicht. Im Versuch, das zu verbergen starrte sie auf den Fußboden. „Ich habe mir sehr wohl Sorgen um Sie gemacht, Sir...“
Jack erkannte sehr schnell, dass er etwas zu weit gegangen war. „Das weiß ich doch, Carter“, erklärte er hastig.
Schon zum zweiten Mal an diesem Tag hatte man Sam aus der Fassung gebracht. Sie schluckte, konnte sie sich dann jedoch vergleichsweise schnell wieder für das Thema begeistern: „Dieses Wurmloch ist etwa zwanzigmal so groß wie der Abstand zwischen unserer Sonne und dem Neptun, Sir. Kein Stern und kein schwarzes Loch erreicht auch nur annährend eine solche Ausdehnung! Aber gerade diese Größe ist das Glück der Tzenk. Ihr Stern ist nämlich so hell, dass ihre Heimat eine große Entfernung zu ihm braucht, damit es dort nicht zu heiß wird. Trotzdem ist das Wurmloch noch groß genug, dieses Sonnensystem zu verschlucken, ohne es dabei zu zerreißen. Nach dem darauf folgenden Transport und der Ankunft auf der anderen Seite, wird das System dann allmählich auf eine weitläufige Umlaufbahn gezwungen.
Das Wurmloch unterscheidet sich aber auch in anderer Hinsicht von den Stargate-Wurmlöchern, wie wir sie kennen. Nicht nur, dass es ein natürliches Phänomen ist. Die Physik dahinter ist auch eine völlig andere. Es ist keine Zerlegung der Materie für den Transport nötig und...“, sie machte eine kurze Pause, „und das ist das Entscheidende: es funktioniert in beide Richtungen!“
Jack sah sie an. Eben noch das Leiden in Person, blickte er nun überaus ernst, starr und nachdenklich drein.
Sagen tat er jedoch nichts.
„Sehen Sie denn nicht, was das bedeutet“, fragte Daniel, als ihm das Schweigen schließlich zu lange dauerte. „Die Tzenk brauchen keinen Hyperantrieb, um vor den Replikatoren zu fliehen! Sie können das Wurmloch benutzen und in die Galaxie zurückkehren, aus der sie ursprünglich stammen.“ Eine bessere Lösung konnte es kaum geben. Ihr Konflikt mit den Tzenk wäre auf der Stelle zu Ende. Das Überleben der Tzenk wäre gesichert und diese würden endlich die Sterne in Natura sehen können.
„Ich sehe sehr wohl, was das bedeutet, Daniel. Danke der Nachfrage“, erklärte Jack grimmig. Mehr ließ er nicht verlautbaren, doch sein Gesicht sprach Bände: Er würde diese Information nicht an Schesch weiterreichen.
„Sie sind wütend auf die Tzenk, weil sie uns angegriffen haben“, stellte Daniel fest. „Aber es geht hier nicht nur um uns und unsere Rache.“
„Sie haben Recht, ich bin wütend“, schnappte Jack. „Es ist nämlich nicht so, dass diese Kerle irgendeine Ahnung gehabt hätten, was mit mir passiert, wenn sie dieses Funksignal aussenden und sie mir diese Schockgranate reinwürgen. Es war reines Glück, dass ich es überlebt habe und nicht als Krüppel geendet bin!“
Daniel gab sich selbst keine Gelegenheit diese Worte auf sich einwirken zu lassen. „Es ist Ihnen völlig egal, dass die Tzenk sterben werden, wenn wir ihnen nicht helfen, oder?“, hielt er Jack entgegen. „Es ist Ihnen vermutlich sogar recht.“
Dies war eine Seite an seinem Freund, an die er sich nie würde gewöhnen können. Wenn ihm ein Volk nicht gefiel, entwickelte Jack sehr schnell eine Verschont mich mit euren Problemen-Mentalität.
Einen Moment starrten sie sich gegenseitig an. „Um ehrlich zu sein“, erklärte Jack dann, „ist es mir nicht egal. Ich habe nicht vergessen, wer es war, der diese Insektenplage über den Planeten gebracht hat!“ Erleichtert atmete Daniel auf.
„Aber es geht tatsächlich nicht nur um uns. Die Tzenk werden kaum die einzigen sein, die dieses Wurmloch benutzen!“ Entsetzen breitete sich in Daniel aus, als ihm klar wurde, auf was Jack abzielte. „Ich habe nicht vor, den Replikatoren den Weg in eine weitere Galaxis zu zeigen, Sie etwa?“
Nein, das hatte er nicht vor.
Die Hoffnung auf ein Happy End zerbrach mit lautem Klirren.
Entsetzt stellte Daniel fest, in seinem Übereifer beinahe das Todesurteil über eine ganze Galaxie gesprochen zu haben.
Nein, sie würden den Tzenk das Wurmloch nicht zeigen. So grausam das war, die Tzenk würden sterben müssen, damit eine ganze Galaxie weiter leben konnte.
„Bereitmachen zum Transport“, erklang Thors Stimme mit einem Mal aus den internen Lautsprechern.
Daniel sah zu Schesch hinüber, dem er Hilfe versprochen hatte. Er wusste, dass dieser ihn zur Zeit nicht hören konnte. Dennoch flüsterte er: „Es tut mir leid.“
Dann wurde es hell.


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Kapitel 5 by Sphere
KAPITEL 5

Die Helligkeit verschwand und als sie wieder sehen konnte, hatte sich ihre Umgebung in die Brücke der Mjölnirverwandelt.
Automatisch blickte Sam nach vorn zu den Hologrammen, wie sie es sich inzwischen angewöhnt hatte. Der Hyperraumsprung lag bereits hinter ihnen, die Heimatwelt der Tzenk war nicht länger zu sehen. Statt dessen türmte sich die riesenhafte, dunkelblaue Kugel eines Gasriesen vor ihnen auf. Grüne Schlieren zogen in gewaltigen, nie endenden Stürmen durch die äußeren Schichten einer in der Hitze des nahen Sterns kochenden Atmosphäre. Schnell raste selbige ihnen entgegen und füllte die Bildfläche des Hologramms vollends aus.
Eine schematische Karte im benachbarten Hologramm zeigte, wie die Mjölnir in die Atmosphäre einflog. Viel mehr als helles Blau war nun nicht mehr zu sehen.
„Dies ist der innerste Planet des Sonnensystems“, erklärte Thor in Richtung des Colonels.
Erstaunt drehte Sam sich um. Thor kommentierte mit keinem Wort die zurückliegenden Probleme. Dennoch war sie überzeugt, dass auch Thor so etwas wie Erleichterung fühlte, selbst wenn er es sich nicht eingestand.
„Das von O’Neill eingeschleuste Programm hat seinen Zweck erfüllt“, fuhr der Asgard fort. „Gemäß der gesammelten Daten wird das Fischernetz von einer Raumstation erzeugt, welche sich tief innerhalb der Gase dieses Planeten verbirgt.“
Sam vermutete, dass diese Position notwendig für die Funktionsweise der Gerätschaften war, von denen sie sich gut vorstellen konnte, dass sie möglichst tief im Schwerefeld einer großen Masse aufgebaut werden mussten. Ein Gasriese war dafür perfekt geeignet.
„Leider werden Reichweite und Wirkungsgrad unserer Waffen von der dichten Atmosphäre beeinträchtigt“, ergänzte Thor. „Daher ist es notwendig, dass wir nahe genug an die Station herankommen, um sie zu eliminieren. Ist das Fischernetz nicht mehr vorhanden, wird es uns möglich sein, dieses Sonnensystem ungehindert zu verlassen.“
An den Holodisplays blinkte es auf, als die vermutlich ebenfalls nur eingeschränkt arbeitenden Sensoren ein Objekt erfassten.
Das heißt eigentlich zwei Objekte. Und keines davon war die Raumstation.
Jemand fluchte. „Die haben auf uns gewartet.“
Die Frage, ob es sich bei den Besitzern der Schiffe um Tzenk oder Replikatoren handelte, stellte sich jedoch nicht lange. „Von den Objekten haben sich soeben zwei kleinere Objekte gelöst“, meldete Hyrrockin. „Sie näheren sich uns mit großer Geschwindigkeit.“
Auch Sam kannte inzwischen die Projektile der Replikatoren, wenn auch bisher nur aus Erzählungen.
„Ausweichmanöver“, befahl Thor völlig ungerührt. „Gegenmaßnahmen.“
Auf der Karte war zu sehen, wie die Mjölnir einen Haken schlug und zur Seite auswich. Doch die Projektile folgten wie Jagdhunde, die eine Spur aufgenommen hatten.
„Commander Thor“, meldete nun Hermiod, der völlig selbstverständlich wieder seinen Posten übernommen hatte. „Soeben wurden vier Techniker mit schweren Strahlenschäden in das medizinische Zentrum eingeliefert.“
Sam riss sich vom Anblick des taktischen Hologramms und los und runzelte die Stirn. Wo kam die Strahlung her, wenn es bisher keine Schäden am Schiff gab, die das verursachen konnten?
„Offenbar waren die Techniker über einen längeren Zeitraum einer Neutronenquelle ausgesetzt.“
Neutronen!
Mit leisem Klick, klick, klick setzten sich die Puzzlesteinchen in ihrem Kopf zusammen.
„Wir haben noch eine weitere Bombe an Bord!“, platzte sie heraus.
Alles drehte sich zu ihr um. Daniel und Teal’c warfen sich einen stummen Blick zu und hasteten ohne eine weitere Frage davon.
„Diese „Neutronenbomben“ der Tzenk sind nur stabil, weil sie in ihrem Inneren einen immensen Druck, wie er auch innerhalb eines Neutronensterns herrscht, aufrecht erhalten“, erklärte Sam hastig in die fragenden Gesichter. „Aber so etwas kostet Energie und die ist irgendwann verbraucht.“
„Wodurch die Bombe explodiert“, vermutete O’Neill, durchaus gestresst.
„Sie muss nicht explodieren, um uns umzubringen! Wenn der Druck nur langsam nachlässt, werden die Neutronen nur allmählich freigesetzt. Trotzdem werden wir dabei verstrahlt und gehen daran früher oder später zugrunde.“
Wie um ihren Worten Hohn zu sprechen, raste eine Erschütterung durch das Schiff. Der Boden bockte, löste sich von ihren Füßen, schien für einen Moment zur Seite wegzukippen.
Dann war es schon wieder vorbei. Weiß flirrende Kraftfelder hielten sie an Ort und Stelle und verhinderten, dass irgendwer stürzte. Nach getaner Arbeit verloschen sie wieder.
Auf dem Holodisplay war nur noch eines der kegelförmigen Projektile zu sehen und Sam wurde klar, was mit dem anderen geschehen war. Es war in die Hülle eingeschlagen. Die Energien, welche die Gegenmaßnahmen der Asgard in es hinein gepumpt hatten, waren ausreichend gewesen, um den Replikatorbausteinen ihre Funktionsfähigkeit zu rauben. Aber die Energie blieb erhalten und als das Projektil die Schilde durchdrang und die Hülle erreichte, war sie freigesetzt worden – in einer Explosion.
Die schematische Darstellung der Mjölnir in einem der Hologramme wirbelte herum und enthüllte, dass das Schiff nicht mehr vollständig war.
„Hüllenbrüche auf den Decks 13 bis 19“, erklärte Hermiod und untertrieb dabei. Es war nicht nur die Hülle beschädigt worden. Die Explosion hatte ein tiefes Loch gerissen. „Einige der Notschotten arbeiten nicht, wir verlieren Atmosphäre.“
„Versiegele die Decks und beame die betroffene Mannschaft aus dem Gefahrenbereich“, befahl Thor. „Die Crew soll sich von der Hülle fernhalten.“
Das zweite Projektil verfolgte sie immer noch und war inzwischen bedenklich nahe gekommen. Der einzige Lichtblick war, dass die Sensoren inzwischen nicht nur die beiden feindlichen Schiffe, sondern auch die gesuchte Raumstation anzeigten.
„Ich nehme Teal’c vom Beamvorgang aus“, hörte Sam Hermiod sagen. „Er transportiert inzwischen die Bombe.“
Das Schema der Mjölnir wurde transparent und sprang ihnen entgegen. Der rote Punkt eines Lebenszeichens – eines Jaffa-Lebenszeichens – hastete durch Gänge, aus denen im Moment vermutlich die Atmosphäre in einem nicht zu verachtenden Sturm entwich.
„Zehn Sekunden bis Einschlag“, verkündete Hyrrockin.
Der rote Punkt rannte weiter.
„Wo wird das Ding uns treffen?“, fragte O’Neill tonlos. Teal’c konnte sich im Gegensatz zu den Asgard eben nicht von der Hülle fernhalten.
Ein mächtiger Schlag traf das Schiff. Der Knall schmerzte selbst hier noch in den Ohren.
„Schäden auf den Decks 9“, Hermiod musste gar nicht zu Ende reden. Da war der rote Punkt noch... „bis 16.“ ...aber er bewegte sich nicht mehr.
Auf der Karte war zu sehen, wie die Mjölnir herumschwenkte und nach dem scheinbar endlosen Ausweichen wieder Kurs auf die Station nahm. Doch die Entfernung zum Ziel schrumpfte nicht, wie sie es hätte tun sollen.
Im Gegenteil.
„Die Station taucht tiefer in die Atmosphäre ein“, wusste Hyrrockin zu berichten.
„Was? Wie ist denn das möglich?“, entfuhr es Sam. Der Druck innerhalb eines Gasriesen wurde sehr, sehr groß. Die Schirme der Tzenk liefen bereits unter Volllast. Ein weiteres Abtauchen wäre für sie vollkommen unmöglich.
„Die Replikatoren.“ Thors Stimme klang beinahe wie ein Seufzen. „Sie haben die Station übernommen und die Schilde verstärkt.“
„Die beiden Schiffe kommen näher.“ Wieder Hyrrockin.
Sie hatten verloren. Wenn die Replikatoren schon so lange an Bord der Station waren, dass sie die Schirme derart verstärken konnten, um weiter abtauchen zu können, dann brauchten sie auch keine Angst mehr vor einem Angriff haben. Selbst, wenn sie es schaffen würden bis zur Station vorzustoßen, würden sie eben keine Seifenblase mehr vorfinden, in die man einfach nur kurz hinein stechen musste, um sie zum Platzen zu bringen. Im Gegenteil hätten sie es mit einer Granitkugel zu tun.
„Wir setzen den Kurs fort“, befahl Thor. „Eine andere Option haben wir nicht.“
Doch, schoss es Sam durch den Kopf. Überleben. Selbst, wenn sie in diesem System erst einmal festsaßen und daran nichts mehr ändern konnten, so würden sie dennoch überleben.
Die Idee durchfuhr sie siedendheiß. „Wir haben eine andere Option!“ Schon wieder hatte sie die ungeteilte Aufmerksamkeit. „Das Wurmloch. Es funktioniert in beide Richtungen!“
„Aber Sie wissen nicht, wohin es führt, nicht wahr?“, hielt O’Neill prompt dagegen.
„Wenn es in eine benachbarte Galaxis führt, dann können wir mit dem Asgard-Hyperantrieb genauso gut von dort aus nach Hause zurückkehren. Falls das Ziel in einer unbekannten Region des Universums liegt, kehren wir eben wieder um.“
Doch dann sah sie die Probleme, die dabei entstanden. „Allerdings können wir mit dem Hyperantrieb nicht in das Wurmloch springen und wir wissen nicht genau, wie groß es ist und welche Form es hat. Es könnte irgendein Ei sein, das schief im All hängt. Daher wissen wir auch nicht, wo genau wir hin springen müssen“, sprudelte es aus ihr hervor. „Wir müssten also ein ganzes Stück vor dem Wurmloch aus dem Hyperraum fallen, um genug Sicherheitsabstand zu haben.
Dabei sind wir aber einen Moment deutlich zu sehen und die Replikatoren könnten uns orten. Wenn wir dann auf einmal in das Wurmloch einfliegen und dabei von ihren Sensoren verschwinden, werden sie sich vielleicht fragen, wie das sein kann und nachsehen kommen. Damit wäre die Position des Wurmlochs verraten.“
Colonel O’Neill starrte sie vorwurfsvoll aus braunen Augen an.
Sie schnitt zerknirscht eine Grimasse.
„Dann ist es keine Option“, beschloss Thor.
Sam sah hinüber zum Holo mit der Schiffskarte. Teal’c rührte sich dort immer noch nicht. Die Bombe, welche mit ihrer Strahlung gerade Teile des Schiffs verseuchte, sicherlich unmittelbar an seiner Seite liegend. Sam wünschte, sie hätte in dieser Hinsicht etwas unternehmen können, doch sie musste nachdenken. Ihr eigenes Problem musste irgendwie lösbar sein!
Ein grüner Punkt näherte sich dem roten Punkt. Alle grünen Punkte – Menschen – waren hier auf der Brücke versammelt. Bis auf Daniel. Er war zur Stelle, um Teal’c zu helfen.
Es war schwer, sich unter solchen Umständen zu konzentrieren. Noch immer starrte der Colonel sie an, als wolle er sagen Ich weiß, dass sie die Lösungen kennen. Geben Sie es nur zu!
Der grüne Punkt verharrte mit einem Mal scheinbar grundlos auf der Stelle. Sam schnappte überrascht nach Luft und rief: „Ich hab’s!“ Sie eilte hinüber zu einer seitlichen Konsolen der Brücke. Dort hatte der Asgard gesessen, mit dem sie gemeinsam die Entdeckung des Wurmlochs gemacht hatte. Einen unangenehmen Moment war sie sich nicht sicher, ob sie jetzt die gleiche Person wie damals vor sich hatte, zu ähnlich waren sich die Asgard. „Wir werden einfach hinter dem Wurmloch aus dem Hyperraum kommen. Das Wurmloch wird uns verdecken und die Replikatoren können uns von ihrer Position aus nicht sehen.“
Sie begann, dem Asgard, von dem sie inzwischen zuversichtlich war, dass es sich um den Gesuchten handelte, zu erklären, was genau sie von ihm wollte. Er sollte den Bereich hinter dem Wurmloch berechnen, von dem man sie einerseits nicht sehen konnte und der sich andererseits definitivnicht innerhalb des Wurmlochs befand.
„Hyrrockin. Bring uns hier raus.“ Thor schien beschlossen zu haben, die Option zu ergreifen, die sich ihm dadurch bot.
Die Mjölnir schwenkte erneut herum und strebte der Oberfläche des Gasplaneten entgegen. Nur im Vakuum des freien Weltalls konnten sie ein stabiles Hyperraumfenster generieren. Die beiden Replikatorenschiffe waren ein ganzes Stück von der geplanten Flugbahn entfernt, konnten ihnen also nicht den Weg versperren. Eine Bedrohung waren sie trotzdem, denn kurz darauf meldete die Asgard-Frau: „Die gegnerischen Schiffe haben soeben vier weitere Projektile verschossen.“
Vier!
Wenn man ein einzelnes sofort unter Beschuss nahm, hatte man 63 Prozent Erfolgsaussicht, zitierte Sam innerlich. Zwei Stück waren offenbar auch noch machbar. Aber vier?
Vor der gegenüberliegenden Seitenwand der Brücke leuchtete es grell auf und ließ zwei vertraute Gestalten zurück. Obwohl Sam bei Teal’c keine Verletzungen erkennen konnte, musste sich der Jaffa dennoch auf Daniel stützen. „Problem gelöst“, erklärte Daniel knapp. „Die Bombe sind wir los.“ Dann widmete er sich wieder Teal’c.
Erneut bockte der Boden unter ihren Füßen, löste sich von ihr und schlug ihr dann entgegen. Während Sam von einem Sicherheitskraftfeld an Ort und Stelle gehalten wurde, fiel das System an anderer Stelle aus. Eine ganze Reihe von Asgard wurde aus ihren Sesseln geworfen.
Nur langsam kamen sie wieder auf die Beine.
Bis auf einen, welcher röchelnd und in mitleiderregender, verkrümmter Haltung liegen blieb.
Doch ehe irgendwer zu Hilfe eilen konnte, griff bereits ein anderes Sicherheitssystem. In gleißendem Licht verschwand der Verletzte. Sam wandte sich um und stellte fest, dass auch Teal’c verschwunden war. Daniel stand nach wie vor an der gleichen Stelle und versuchte erleichtert statt überrascht auszusehen.
Eine Folgeexplosion, erklärte Sam sich die Erschütterung. Sie hatten keinen Treffer erhalten, aber irgendein zuvor beschädigtes Aggregat war explodiert.
Ihr Blick wurde wieder von der Außenansicht eingefangen, wo die blauen Schleier der Atmosphäre allmählich dünner wurden – und zu allem Überfluss zwei weitere Schiffe enthüllten.
„Schaffst du es rechtzeitig?“, konnte sich Sam nicht verkneifen den namenslosen Asgard-Wissenschafler an ihrer Seite zu fragen. Doch dieser war zu sehr damit beschäftigt auf einer sich ständig verändernden, interaktiven Konsole seine Rechnungen durchzuführen, als ihre Frage zu beantworten.
„Kurs halten“, befahl Thor. „Feuer eröffnen!“
Wie der mythologische Hammer, dessen Namen das Schiff trug und der, einmal vom Donnergott geworfen, sein Ziel stets vernichtend traf, raste die Mjölnir dem Feind entgegen. Die Waffen traten in Aktion und entfesselten ungeheure Kräfte. Eine Dreiersalve nach der anderen brandete einem der gegnerischen Schiffe entgegen und zerlegte es schließlich in kleinere Teile, als die alten Germanen Namen dafür gehabt hätten.
„Möglicherweise“, verkündete der Asgard neben ihr.
„Wie bitte?“ Doch dann wurde ihr klar, dass er ihre vorangegangene Frage beantwortet hatte.
Viel zu nah am verbliebenen gegnerischen Schiff rasten sie an diesem vorbei und ließen es hinter sich. Freier Weltraum lag vor ihnen.
„Dieses Schiff hat nun ebenfalls ein Projektil verschossen“, stellte Hyrrockin fest. „Aufschlag in zehn Sekunden.“
Sam zweifelte nicht daran, dass dieses Projektil, das sie im Gegensatz zu seinen vier Kumpanen noch nicht hatten beschießen können, den Zweck erfüllen würde, zu dem es geschaffen worden war, statt einfach so in einer Explosion zu vergehen.
Viel zu langsam öffnete sich die Hyperraumperforation vor ihnen. Die Tachyonen, die mit ihrem Zerfall das typische blau-weiße Leuchten des Hyperraumfensters erzeugten, schienen heute alle Zeit der Welt zu haben.
Auf der holographischen Karte berührte das neue Projektil die Mjölnir.
In der Realität verschwand das Schiff zuvor im Hyperraum.

Sie traten in den Hyperraum ein und verließen ihn auf der Stelle wieder. Von einem Moment zum anderen war auf den Holodisplays jedes Anzeichen einer Bedrohung verschwunden. Die Außenbeobachtung zeigte nichts als Schwärze. Ruhe kehrte ein.
„Das Sonnensystem ist aus unserer Ortung verschwunden“, kommentierte die Navigatorin.
Carter trat neben Jack. „Das heißt, dass das Wurmloch tatsächlich an Ort und Stelle ist und den Stern verdeckt“, klärte sie ihn überflüssigerweise auf. Es war ihm klar, was das bedeutete, dennoch sparte er sich den Protest. Dieses Verhalten schadete zwar seinem Ruf, aber auf die Weise musste er Carter nicht hinterher rennen, wenn er einmal wirklich überfordert war.
„Ich setze Kurs auf den Ereignishorizont“, fuhr die Asgard-Frau fort und tippte auf ihrer Konsole herum.
Jack wurde unangenehm bewusst, dass irgendwo in ihrer Nähe ein riesiger, sternenfressender Moloch im Raum hing. Das war ihm unheimlich. Ein schwarzes Ding auf schwarzem Grund, das keiner sehen konnte, aber das dennoch da war. Carter und die Asgard schienen sich ihrer Sache sicher zu sein, aber wenn man es nicht sehen konnte – woher wollten sie dann wissen, dass es auch das war, wofür sie es hielten? Womöglich verhielt es sich eben doch nicht so berechenbar, wie alle glaubten.
„Daniel“, bat Jack rasch den Freund, „bitte sehen Sie nach Teal’c.“
Daniel nickte und eilte eifrig davon.
Kurz darauf ergriff Hermiod wieder das Wort. „Wir haben soeben den Horizont passiert.“
Jack sah auf die Displays, die immer noch die selbe Schwärze wie gerade eben zeigten. „Und das weißt du... woher? “, ließ er sich zu fragen hinreißen.
Auch wenn es für Hermiod vermutlich nichts Simpleres als das gab, so antwortete er dennoch erstaunlich bereitwillig. „Obwohl zuvor mit bloßem Auge nichts in der Außenbeobachtung zu sehen war, hätte bereits ein optisches Teleskop ausgereicht, um dennoch einen Galaxienhintergrund zu erkennen. Seit unserem Eintritt in das Wurmloch ist dort tatsächlich nichts mehr.“
„Wir sollten eine Reihe von Sonden auswerfen, um unser Vorankommen zu dokumentieren“, schlug Carter vor.
Thor schwieg, schien die Weisheit, die sich mit Sicherheit hinter diesen Worten verbarg, nicht zu sehen. Schließlich drehte sich der Asgard am Rande der Brücke, mit dem Carter zuvor verhandelt hatte, um und sprach: „Das ist korrekt. Die Metrik innerhalb des Wurmlochs ist keineswegs isotrop.“
Was auch immer das heißen sollte.
Thor nickte und Jack konnte beobachten, wie kurz darauf hell erleuchtete Sonden hinter dem Schiff zurückblieben. Seltsamerweise beschrieb die Perlenschnur, welche sie auf diese Weise durch das Nichts zeichneten, keine gerade Linie sondern einen weiten Bogen. Die Navigatorin korrigierte den Kurs, bis die neu ausgesetzten Sonden schließlich doch eine Gerade bildeten.
Carter sah ihn an und ihm war völlig klar, über was sie nachdachte. Nicht über die Erklärung dieses Vorgangs, sondern ob sie es ihm erklären sollte. „Der Eingang des Wurmlochs ist eine Kugel, Sir“, erklärte sie gedämpft, damit die Asgard davon möglichst wenig mitbekamen. „Wir konnten von jeder Seite in es einfliegen, aber im Inneren ist unsere Richtung nicht mehr egal. Das ist wie bei einer Ameise, die durch ein Rohr kriecht.“
Ameise, Ameise, wiederholte Jack in Gedanken. Würmer und Äpfel. Bienen und Blüten! Wer dachte sich eigentlich immer diese Vergleich aus?
Carter fuhr fort: „Wenn wir in die falsche Richtung fliegen oder die Ameise aus Versehen senkrecht zum Verlauf des Rohres läuft, beschreibt sie einen Kreis und kehrt zu ihrem Ausgangspunkt zurück, obwohl sie ständig nur geradeaus gelaufen ist. Hätten wir den Kurs nicht korrigiert, wäre uns mit etwas Pech ähnliches passiert.“
Jack stellte zu seinem Entsetzen fest, über diese Worte nachzudenken. Die Ameise glaubte doch nur gerade aus zu laufen. Ein Rauschiff dagegen tat das gewöhnlich tatsächlich.. . Das war zumindest seine Ansicht. Doch er fragte Carter nicht danach.
Womöglich hätte sie geantwortet.


* * *


Ohne Komplikationen folgte die Mjölnir dem Verlauf des Wurmlochs. Thor sah, wie Hermiod seine zur Zeit nicht benötigte Station verließ und zu ihm herüber kam.
„Du hattest Recht. Meine Einschätzung könnte tatsächlich nicht korrekt gewesen sein.“
Es kam nicht oft vor, dass das Verhalten eines Artgenossen Thor überraschen konnte. Alle Asgard verhielten sich in der Regel äußerst vernünftig, was ihre Handlungsweise vorhersehbar machte. Darüber hinaus legte Thor großen Wert darauf, die individuellen Eigenheiten seiner Crew zu kennen. Auch Hermiod kannte er eigentlich recht gut. Dennoch überraschte es Thor, etwas derartiges von ihm zu hören zu bekommen.
„Im Gegensatz zu mir haben die Menschen großen Wert darauf gelegt, möglichst viele Leben auf beiden Seiten zu schonen. Vielleicht weist dieses Volk tatsächlich Eigenschaften auf, welche uns abhanden gekommen sind“, erklärte Hermiod seine vorangegange Aussage. „Es könnte durchaus von Vorteil sein, sie weiter zu studieren.“
Asgard hatten keine Meinung. Eine Meinung konnte man auch haben, ohne irgendwelche Fakten zu kennen. Menschen hatten manchmal Meinungen. Asgard dagegen interpretierten nur genau die Fakten, welche sie zur Verfügung hatten.
Hermiod hatte eine Reihe von Galaxien besucht. Soweit Thor das wusste, gehörte die Milchstraße allerdings nicht dazu. Die Fakten, die Hermiod zur Verfügung standen, waren entsprechend gering. Doch er schien tatsächlich bereit zu sein, dies zu ändern und womöglich die Fakten auch neu zu interpretieren.
Jetzt war Thor auch klar, weswegen Hermiod zu ihm kam. Natürlich ging es ihm nicht darum, Thor über seinen persönlichen Fehler in Kenntnis zu setzten. Dies hätte nur Hermiod alleine etwas angegangen. Nein, er wollte etwas von ihm.
Obwohl es aus pragmatischen Gründen zunehmend lockerer gehandhabt wurde, unterlag der Kontakt zu Menschen immer noch strengen Regulationen. Der Wunsch nach einem Studium an den Menschen – besonders da Hermiod darunter sicherlich den unmittelbaren Kontakt verstand und nicht etwa Beobachtungen im Verborgenen – war daher weitaus leichter gesagt, als umgesetzt.
Doch Thor hatte, was dieses Thema anging, durchaus Einfluss. „Ich könnte dich bei diesem Vorhaben unterstützen“, erklärte er sich bereit.
„Ich hatte vor, dich darum zu bitten“, war Hermiod nicht verlegen zuzugeben.
In Thors dunklen Augen spiegelte Befriedigung wieder. Vielleicht gab es noch Hoffnung für den jungen Mann.

Etwas befremdet beobachtete Jack seine Stellvertreterin, wie diese mit verschränkten Armen vor dem Front-Hologramm stand, als würde sie frösteln.
Er ignorierte es jedoch für den Moment und fragte Hermiod, der gerade zu seiner Station zurückkehrte: „Wie lange werden wir brauchen, bis wir die andere Seite des Wurm-Lochs erreichen?“
Hermiod sah zu ihm auf. „Etwa ein bis zwei euer Stunden.“
„Was? Eine genauere Angabe habt ihr Kerle nicht drauf?“, entfuhr es Jack ehrlich überrascht.
„Ich kann Ihnen die Probleme bei der Berechnung der exakten Länge des Wurmlochs gerne im Detail darlegen.“
War das ein Witz? Von Hermiod? Hatte er inzwischen raus, wie man ihn quälen konnte? Jack schluckte. Oder meinte Hermiod es womöglich doch todernst?
Im Bestreben das nicht herausfinden zu wollen, floh Jack zu Carter.
„Wo drückt der Schuh?“
„Der Schuh, Sir?“, schreckte sie aus ihren Gedanken auf.
„Schuh, Stiefel... Sie“, schlug er vor. „Was bedrückt Sie?“
„Nichts“, behauptete sie. „Nichts, was Sie interessieren würde“, relativierte sie dann.
Sein linkes Knie zuckte, als wolle es instinktiv die Flucht ergreifen. Doch Jack redete ihm gut zu und blieb.
„Wissen Sie, dass sich meine Doktorarbeit mit Wurmlöchern beschäftigte?“
Mit was denn sonst?
„Sie werden es nicht glauben, aber es erfordert durchaus Kreativität, wenn man eine Theorie aufstellen will, wie ein Wurmloch vielleicht funktionieren könnte. Wenn man gut ist, dann schafft man es, eine Theorie zu finden, die...“ Sie zögerte, legte den Kopf etwas schief. „...gewisse Probleme vermeidet. Aber selbst dann hat man noch nichts in der Hand, mit dem man sich oder jemand anderen ins Labor stellen könnte, um es zu realisieren.“ Mit großen Augen schien sie einsaugen zu wollen, was immer es war, was sich außerhalb des Schiffes befand. „Seit Sie und Daniel zum ersten Mal das Stargate benutzt haben, versuche ich dieses in seiner Komplexität zu begreifen. Darüber habe ich aber vergessen, dass die Stargate-Wurmlöcher nicht die einzige Lösung des Problems sein müssen...“
„Kinderspielzeug“, stellte Jack fest.
Mit dem überraschten „Entschuldigung?“, hatte sie natürlich völlig recht.
„Kinderspielzeug“, wiederholte er dennoch. „Man spielt damit, hat ne Menge Spaß. Irgendwann verliert man das Interesse, jemand packt es weg, vielleicht in eine Kiste, die dann irgendwo verstaubt. Schließlich findet man die Kiste und erinnert sich an den Spaß, den man damit hatte.“
Jetzt verstand sie.
„Ja“, grinste sie. „Da draußen“, sie deutete auf das Nichts, welches Jack noch immer nicht geheuer war, „das ist mein Kinderspielzeug.“


* * *


Sterne!
Myriaden kleiner Lichtpunkte.
Auf einmal war das Display wieder voll davon.
So wie es sich gehörte.
Die aufklingende Stimme der Asgard-Frau zerstörte diesen Moment jedoch sehr schnell. „Ich versuche unsere Position aufgrund der aktuellen Sternkonstellationen zu bestimmen.“
Jack hielt den Atem an. Zwar schien die Chance nicht allzu groß zu sein, doch offenbar konnte niemand die Möglichkeit ausschließen, dass das Wurmloch sie einen Bereich des Universums transportiert hatte, der entweder völlig unbekannt war oder von dem aus sie nicht wieder nach Hause zurückkehren konnten.
„Das war einfach“, stellte die Frau fest. Jack hätte den Tonfall beinahe für amüsiert gehalten, wenn er es nicht besser gewusst hätte. „Dies ist die Ida Galaxie. Wir sind zu Hause.“

Jack war müde.
Während einer Mission war davon selten etwas zu spüren. Er war stets hellwach und sofort bereit zu handeln. Der Körper hatte mehr Reserven, als er gewöhnlich zugab. Man musste sie nur fordern.
Jetzt jedoch war das vorbei. Sie hatten einen sicheren Hafen erreicht. Ihm und seinem Team – auch Teal’c, wie er sich mehrfach vergewissert hatte – ging es gut. Für die Asgard war Medizin nur Technik. Da sie aber begnadete Techniker waren, war für Teal’c bestens gesorgt.
Jetzt jedoch forderten die Anstrengungen von Jack ihren Preis.
Für Daniel dagegen schien das nicht zu gelten. Er schwebte förmlich durch die Brücke und machte überhaupt den Eindruck, als wäre er eben erst aufgestanden und hätte frisch geduscht.
Daniel packte ihn bei der Hand, winkte Carter herbei und schleifte sie beide zu Thor. Jack ließ es geschehen.
„Der einzige Grund, aus dem wir den Tzenk nichts über das Wurmloch gesagt haben war, dass wir nicht wollten, dass die Replikatoren ihnen folgen und so eine weitere Galaxis infizieren“, sprach Daniel mit der ihm üblichen Leidenschaft. „Nun sind die Replikatoren aber bereits in dieser Galaxie!“
Überrascht flog Jacks Kopf nach oben.


weiter: Epilog

Epilog by Sphere
EPILOG

Vorgestern waren sie noch Fremde gewesen, die sich teils misstrauisch, teils optimistisch gegenüber gestanden hatten.
Gestern waren sie Feinde gewesen, die nicht gezögert hatten, sich gegenseitig umzubringen.
Heute... Nun, ja. Jack war sich nicht sicher, was sie heute waren. Jedenfalls schwebten Sasss und Schesch jetzt vollkommen friedlich in ihren grellfarbenen Schutzanzügen auf der Brücke des Asgardschiffes.
Gleich nach Daniels Erkenntnis waren sie umgekehrt, hatten erneut das Wurmloch durchquert bis sie schließlich dort ankamen, von wo sie zuvor nur knapp entkommen waren. Dann hatten sie die Tzenk über das Wurmloch in Kenntnis gesetzt.
Seitdem fraßen diese ihnen aus der Hand.
Während ihrer Rückreise war Jack klar geworden, dass Daniel, was ihn anging, im Grunde genommen völlig Recht gehabt hatte. Es hätte ihm tatsächlich nichts ausgemacht, wenn die Tzenk von den Replikatoren vernichtet worden wären. Er hätte ruhig schlafen können, weil er wusste, dass er in seinem Handeln keine andere Wahl gehabt hatte.
Doch nun hatten sie mit einem Mal eine Wahl gehabt!
Er war nicht gut auf die Tzenk zu sprechen. Nur mit welchem Recht hätte er weiter Goa’uld-Systemlords jagen können, wenn er selbst durch sein Nichtstun den Untergang eines ganzen Volkes verschuldete?
Im Grunde hatte er also doch keine Wahl gehabt.
Jack beobachtete auf dem Hologramm wie scheinbar aus dem Nichts ein Tzenk Raumschiff erschien, welches gerade das Wurmloch verlassen hatte. Es war einer der üblichen Frachter, der allerdings diesmal nicht voll von Cyber-Käfern war. Statt dessen transportierte er Flüchtlinge sowie Vorräte und Ausrüstung, mit der sich eine Infrastruktur errichten ließ.
Zwar hatte es einige kleinere Zwischenfälle gegeben, aber die Replikatoren behinderten diesen Exodus nicht wirklich. Es schien ihnen egal zu sein. Durch die Aktion wurden sie in ihrem Tun nicht weiter behindert und die abgeführten Rohstoffe schienen ihnen nicht der Rede wert zu sein.
Kurz darauf verschwand der Frachter im Hyperraum. Die Asgard hatten den Tzenk die Position eines nahen Planeten genannt, der für sie geeigneten war und auf dem sie ihre Zivilisation neu aufbauen konnten. Zwar würde es hart werden, da die Flüchtlinge vorerst nichts weiter als leere und vermutlich graue Ebenen vorfinden würden. Aber sie schienen zuversichtlich zu sein, dass sie schaffen konnten, zumal die Asgard zugesagt hatten, ihnen unter den neuen Umständen an Unterstützung zu bieten, was sie nur konnten.
Verstohlen blickte Jack hinüber zu den beiden Tzenk. Sie betrachteten die Außenaufnahmen, taten das schon eine ganze Weile. Vermutlich war es nicht nur das Kommen und Gehen der eigenen Schiffe, was sie beobachteten, sondern vor allem das scheinbar endlose Sternenmeer, das sich ihnen darbot.
Jack war sich nicht ganz darüber im Klaren, was die beiden seinem Team und den Asgard gegenüber empfanden. Die Replikatoren verwüsteten ihre Welt, brachten Schmerz und Tod, verbreiteten Angst und Schrecken. Das Ziel ihrer Flucht war alles andere, als die für immer verlorene Heimat. Aus so etwas entwuchs Hass. Es war nicht schwer zu erraten, wer als Sündenbock dafür in Frage kam.
Dennoch waren sie hier. Vielleicht hatten sie inzwischen begriffen, wie dumm es gewesen war, ausgerechnet sie anzugreifen. Vielleicht bissen sie aber auch einfach nur aus reiner Notwendigkeit nicht die Hand, die sie fütterte...
Jack stellte fest, dass er einige Schritte auf die beiden Tzenk zu gemacht hatte. Jetzt stand er einfach nur da und war sich nicht sicher, was er ihnen gegenüber empfinden sollte. Geschweige denn, ob er vorhatte, etwas zu sagen.
Es war Schesch, der ihm die Entscheidung abnahm.
„Ihr hättet das nicht tun müssen“, stellte er fest.
„Nein“, stimmte Jack offen zu. „Das hätten wir nicht.“
Gespanntes Schweigen.
Er machte sich keine Illusionen. Die Tzenk würden sich nicht für die vergangenen Ereignisse entschuldigen. Genauso wenig wie er sich für etwas entschuldigen würde, was er, sein Team oder die Asgard unternommen hatten.
„Gerade weil euch niemand dazu gezwungen hat, sind wir euch zu Dank verpflichtet“, erklärte Sasss.
Das Kriegsbeil begraben, ging Jack durch den Kopf. Zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, dass mit dieser Redensart nicht nur das Verbuddeln der ganz realen Waffen gemeint war. Wenn man den gegenseitigen Groll nicht mit begrub, würde auch der Konflikt nicht lange ruhen.
Nein, für die Vergangenheit würde sich keiner entschuldigen.
Aber welchen Wert hatte die Vergangenheit noch, wenn man bereits die Chance auf eine andere, eine bessere Zukunft hatte?
Jack musste kein Anthropologe sein, um zu erkennen, dass Sasss auf eine Erwiderung wartete. Nur was sollte er sagen? Wo war Daniel, wenn man ihn brauchte?
„Wir haben das Richtige getan“, erwiderte Jack schließlich. Es klang alles andere als poetisch, aber dennoch war Jack inzwischen davon überzeugt. „Dafür musst du dich nicht bedanken.“

Eben noch waren Daniels Gedanken düsterer gewesen, als der Situation angemessen. Eigentlich war die Tatsache, dass es wieder Hoffnung für die Tzenk gab, fantastisch. Doch er hätte gerne noch mehr geholfen. Nur leider war mehr eben weder möglich noch realistisch. Das war das Tragische.
Dann aber betrat er die Brücke und seine Gedanken klarten ein wenig auf. Er hatte gewusst, dass Sasss und Schesch an Bord waren, doch erst jetzt sah er sie mit eigenen Augen. Ihre pure Anwesenheit machte ihm etwas deutlich.
Im Universum gab es ein Prinzip, das Auge um Auge, Zahn um Zahn lautete. Es klang nach Logik und nach Gerechtigkeit, hatte aber noch nie einen Konflikt beendet. Im Gegenteil schürte es Kriege, führte zu einem Kreislauf der Gewalt, erzeugte Hass, welcher selbst während eines erzwungenen Waffenstillstands noch an die nächste Generation weitergegeben werden konnte.
Jetzt aber standen ihre kurzzeitigen Gegner hier. Das genannte Prinzip mochte leider durchaus Anwendung finden. Doch es war nicht das einzige Prinzip. Es ging auch anders.
Jack kam zu ihm herüber. „Hey, vielen Dank, dass Sie mir geholfen haben“, warf er ihm wenig ernst gemeint vor. „Ich wusste nicht, was ich denen sagen sollte!“
Neugierig geworden erwiderte Daniel: „Aber Sie haben doch etwas gesagt, oder?“
Jack sah ein wenig verlegen zu Boden. „Ich hab ihnen gesagt, dass wir das Richtige getan haben.“
Daniel lächelte. „Und Sie glauben wirklich, dass ich etwas besseres hätte anbieten können?“


* * *


Die Korridore von Raumschiffen ähnelten sich gewöhnlich alle, was die Orientierung nicht gerade erleichterte. Zum Glück kannte Jack den Weg jedoch inzwischen, so dass er zurecht kam.
Für ein Schiff, das zwei so schwere Treffer abbekommen hatte, dass ihm einige Monate in der Werft bevorstanden, sahen weite Teile der Mjölnir noch erstaunlich intakt aus, wie Jack fand. Immer wieder begegneten ihm Asgard, welche er aber dank seiner längeren Beine bei Bedarf schnell umgehen und leicht überholen konnte. Die von ihm gesuchte Tür stand offen, wodurch er bereits aus einiger Entfernung Stimmen hören konnte.
Er betrat Teal’cs Krankenzimmer. Dessen Verletzungen waren nicht sonderlich schwer gewesen. Es ging ihm schon wieder gut.
Bis auf ein merkwürdiges Gespinst an der Decke und einer breiten Konsole vor der Wand, war von der Asgard-Technik nichts sichtbar. In der Mitte des Raumes stand eine Liege, die selbst für jemanden wie Teal’c riesig war. Der Genannte lag dort jedoch nicht derart darauf, wie man auf einem Krankenlager zu liegen pflegte, sondern eher wie auf einer Couch. Gemütlich hatte er die Arme hinter dem Kopf verschränkt und verströmte nach allen Seiten, ohne dass er irgendetwas Besonderes dazu hätte tun müssen, das Gefühl, sich wohl zu fühlen. Gerade unterhielt er sich mit Carter, die an seiner Seite stand.
„Sir!“, unterbrach diese Teal’c und nahm dabei fast so etwas wie Haltung an.
„Auf was wollte Thor mich hinweisen?“, griff Jack den Gesprächsfetzen auf, den er im Korridor vernommen hatte.
Plötzliches Schweigen.
„Curling, Sir!“, kam es dann hastig von Carter, die offenbar einer plötzlichen Eingebung folgte.
Wie lange sollte ihn das denn noch verfolgen?
Curling?“ Er glaubte ihr kein Wort. Was hatte er da eben nur verpasst, dass es Carter derart aus der Ruhe brachte?
„Ja,“ bestätigte sie. „Es scheint so, dass Thor dem Spiel keinen Sinn entnehmen kann!“, Wie, als ob sie über ihre eigene Aussage erstaunt wäre, legte sie einen Moment die Stirn in Falten. Dennoch wich sie dabei seinem Blick nicht aus, obwohl ihr klar sein musste, dass er sie durchschaute.
Jack wurde mit jedem Moment neugieriger. „Tatsächlich?“, ging er also darauf ein. „Und welchen Sport hält er für sinnvoll?“, versuchte er sein Gegenüber aus der Reserve zu locken.
In diesem Moment betrat Thor den Raum.
Carter hielt hörbar die Luft an.
Thor blickte schweigend von einem zum anderen und ging dann auf Teal’c zu. „Mir wurde soeben mitgeteilt, dass deine Behandlung abgeschlossen ist“, stellte er fest. „Du bist vollständig wiederhergestellt.“
Teal’c schloss die Augen und senkte für einen Moment in einem Zeichen des Danks und der Anerkennung den Kopf. Dann erhob er sich von der Liege.
„Geht’s gut, Großer?“, versicherte sich noch einmal Jack.
„Es ging mir selten besser, O’Neill“, verkündete der Jaffa.
Jacks Blick wanderte zurück zu Thor. Doch was immer es war, das er nicht wissen sollte. So sehr es ihn auch interessierte. Er würde Carter das jetzt nicht antun und Thor danach fragen.
Belanglosigkeiten austauschend, verließen sie zu viert das Krankenzimmer. Hinter ihnen ersetzte ein grelles Licht die riesige Liege durch eine kleine Asgard-Medokapsel.


* * *


Das ursprüngliche Missionsziel wurde nicht erreicht. Dafür haben wir eine Reihe anderer, cooler Dinge erlebt.
Nein, mit einem solchen Bericht hatte Jack nicht vor, Hammond unter die Augen zu treten. Er hatte auch seinen Stolz.
Daher kehrten sie auch noch nicht gleich zur Erde zurück, sondern machten einen Umweg über das Sternensystem, welches Carter zu Beginn ihrer Mission unbedingt hatte aufsuchen wollen. Dort konnte sie nachsehen, was nach der Supernova-Explosion noch übrig war und aus sicherer Entfernung den Lichtblitz beobachten, der dabei entstanden war. Irgendwie sowas hatte sie zumindest erzählt.
Nicht, dass Jack es wirklicht verstanden hätte, was seine Lieblings-Physikerin da trieb – solange er danach in den Bericht schreiben konnte, dass die Mission erfolgreich war, konnte ihm ihr Tun aber nur recht sein.
Die verbliebenen drei des Teams konnten nun entspannt ihre Zeit mit dem verbringen, womit sie zuletzt aufgehört hatten: Kartenspielen im Frachtraum.
Zwar hätte man meinen können, dass es an Bord eines riesigen Asgardschiffes so etwas wie eine Räumlichkeit mit ein paar Tischen und Sitzgelegenheiten gab, an dem sich Asgard zu einem fröhlichen Beisammensein trafen und wo man sich vielleicht dazusetzen konnte. Ein Raum, in dem man gemütlicher saß als zwischen den leeren Containern des Frachtschiffes. Doch weder hatten die Asgard Sitze, auf die Jack sich ruhigen Gewissens gesetzt hätte, noch trafen sich Asgard zu einem fröhlichen Beisammensein.
Daher also wieder der Frachtraum.
Die Schutzanzüge waren inzwischen überflüssig geworden, daher hatten sie sie abgelegt. Darunter waren reichlich zerknitterte Uniformen zum Vorschein gekommen, welche aber von der Asgardtechnik knochentrocken und völlig frei von Schweiß gehalten worden waren.
Nachdem sie einige Stunden Karten gespielt hatten, erschien Carter im Frachtraum.
„Carter!“ Jack blickte demonstrativ auf die Uhr. „Wie viel Minuten brauchen Sie noch?“
Carter war gewöhnlich, was das anging, bescheidener als ein gewisser Archäologe, der sich, wenn es nach ihm gegangen wäre, auch über Monate in irgendwelchen Ruinen eingegraben hätte. Mit einigen Stunden Wartezeit rechnete Jack allerdings dennoch.
„Ich bin fertig, Sir“, erklärte sie dann aber zu seiner Überraschung und Freude. „Wir befinden uns bereits auf dem Weg zur Erde.“
Das wurde ja immer besser!
Carter setzte sich neugierig zu ihnen und sie erklärten ihr das Spiel. Natürlich verstand sie es genauso wenig wie er und Daniel zu Anfang, als sie beide sozusagen noch jung und naiv gewesen waren. Da auch ihn damals niemand auf die Unvollständigkeit seines Wissens hingewiesen hatte, sah Jack jedoch nicht ein, warum es Carter besser ergehen sollte – zumal sie ihn ja auch nicht in alles einweihte. Und so kam es, dass er sich ziemlich zusammenreißen musste, um seine nicht unerhebliche Erheiterung zu verbergen.
„Okay.“ Gab sich Carter schließlich geschlagen und ließ die Karten sinken. „Wo ist der Trick?“
Sofort schob Jack jede Verantwortung von sich. „Daniel. Erklären Sie es ihr!“
Daniel blickte einen Moment verschreckt gerade aus. Dann lächelte er und straffte sich etwas. „Ich denke, da Teal’c das Spiel eingeführt hat, ist nur er in der Lage, dies passend wiederzugeben.“
Der Angesprochene hatte ein perfektes Pokerface aufgesetzt, dem keinerlei Gefühlsregung zu entnehmen war. Jack hätte es durchaus interessiert zu erfahren, wie sich sein Freund aus der Affäre zog.
„Wir haben die Umlaufbahn um die Erde erreicht“, erklang Thors Stimme aus der Funkanlage des Schiffes.
Jack sprang auf die Beine und würgte somit effizient jede weitere Diskussion ab. „Ihr habt es gehört, Leute. Die Party ist vorbei.“ Es wurde Zeit, sich von Thor und seinen Asgardfreunden zu verabschieden.
Sie verließen das Frachtschiff und gingen zur Brücke.
Thor erwartete sie bereits. „Wenn ihr uns sagt, wo es hin soll, können wir euer Frachtschiff direkt runter auf den Planeten beamen“, schlug er vor.
Sie nahmen das Angebot an und Carter nannte ihm die Peterson Airforce Base.
„Noch mal vielen Dank für den Taxidienst!“, ließ Jack verlauten. Wenn es nach ihm ginge, würde er öfters mit einer O’Neill-Klasse reisen.
Natürlich verstand Thor nicht, was mit einem Taxidienst gemeint war, dennoch schien er zu erfassen, was Jack ihm damit hatte sagen wollen. „Wir waren es euch schuldig“, versicherte er. „Und nach euer Unterstützung in dem zurückliegenden Konflikt, sind wir euch erneut zu Dank verpflichtet.“
Jack winkte ab. „Kein Problem“, meinte er, doch besann sich dann eines Besseren: „Können wir die Anzüge zurück haben?“
Thor schloss kurz die Augen. „Nein“, erwiderte er dann.
„Aber ihr könnt sie uns doch wenigstens leihen“, ließ Jack nicht locker. „Oder wir mieten sie...“
Thor schwieg.
„Na, gut.“ Etwas anderes hatte Jack auch nicht erwartet. „War auf jeden Fall schön, dich mal wieder zu sehen. Also – wenn du mal wieder in Gegend bist – schau doch einfach mal vorbei.“ Einen Moment spielte er mit dem Gedanken, die Einladung zum Angeln zu wiederholen. Doch nachdem Thor zuletzt recht subtil sein mangelndes Interesse deutlich gemacht hatte, verzichtete er lieber darauf.
„Ja... Wenn ich mal wieder in der Gegend bin.“
Natürlich wussten sie beide, dass Thor nie einfach so zum Spaß vorbeisehen würde. Da die Asgard nun mal wirklich ihre eigenen Probleme hatten, wäre alles andere unrealistisch gewesen. Dass Thor ihm aber diese Wahrheit ausnahmsweise einmal nicht direkt ins Gesicht sagte, rechnete Jack ihm hoch an.
Auch sein Team verabschiedete sich von Thor, Hyrrockin und – erstaunlicherweise – auch von Hermiod. Dann warteten sie auf das Licht des Transports.
Es blieb aus.
Jack nutzte die Gelegenheit, um noch einmal den Arm zu heben. „Hey!“, rief er laut. Graue Köpfe ruckten herum und Jack stellte befriedigt fest, es damit doch noch geschafft zu haben diesen Haufen Stoiker, welcher die Brücke bevölkerte, für einen kurzen Moment aus der Ruhe zu bringen. „Wiedersehen!“, grinste er.
Dann wurde es tatsächlich hell.


ENDE


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