Außerirdisches Leben by Sphere
Summary: Was würde geschehen, wenn man Aliens gegenübersteht, aber nichts von deren Intelligenz bemerkt? SG-1 gerät genau in eine solche Situation und begeht dabei prompt einen schwerwiegenden Fehler...
Categories: Stargate SG-1 Characters: Daniel Jackson (SG-1), Jack O’Neill (SG-1), Samantha Carter (SG-1), Teal’c (SG-1)
Genre: Action, Friendship, General
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 1 Completed: Ja Word count: 15235 Read: 2109 Published: 15.05.12 Updated: 15.05.12
Story Notes:
Die Geschichte erschien an anderer Stelle unter dem Titel „Strange new World“.

1. Kapitel 1 by Sphere

Kapitel 1 by Sphere
Außerirdisches Leben


Nett. Dies war das Wort, das in Jacks Augen am ehesten auf diesen Planeten zutraf. Nett – nicht mehr und nicht weniger.
Die erste Stunde war er noch interessant gewesen, sogar beeindruckend. Doch es kamen die Stunden, die er Daniel und Carter einfach lassen musste – bei was auch immer es war, was sie da taten. Ihm und Teal’c blieb nichts, als Däumchen zu drehen.
Nicht, dass Jack etwas gegen Faulenzen gehabt hätte. Ganz im Gegenteil. Aber so etwas tat er vorzugsweise dann doch in oder zumindest nahe der eigenen vier Wände und nicht Lichtjahre von zu Hause entfernt.
Wie auch immer. Jetzt saß er also hier, in diesen unglaublich bequemen Stuhl gefläzt, ließ das Jojo rauf und runter schwingen und diskutierte mit Teal’c darüber, welche Hockeymannschaft denn nun über die besseren Krieger verfügte.
Als sie hier eingetroffen waren, hatten sie die Umgebung des Tores mit Bäumen bedeckt vorgefunden. Die bunten Blätter hatten ihnen in verschiedenen Farben entgegengestrahlt: hellgrün, dunkelgrün, blattgrün... was für eine Überraschung.
Weitaus beeindruckender war das Innere des einzigen Gebäudes gewesen, auf das eine verwilderte Straße zugeführt hatte und das von außen einfach nur schmutzig und zugewuchert gewirkt hatte. Das große Tor war ohne Quietschen und Schaben vor ihnen zurückgewichen und hatte sie in eine auf Hochglanz polierte Empfangshalle eingelassen, die so strahlend weiß war, dass sie beinahe blendete. Dort hatte ein Ding gestanden, irgend so ein Alienapparat. Derart aufgestellt, dass jeder Neuankömmling ihn einfach sehen musste. Am liebsten hätte sich Carter sofort darauf gestürzt.
Es war ein Bauwerk der Antiker, wie Daniel recht bald behauptet hatte. Das wunderte Jack, schien es doch bisher so gewesen zu sein, dass diese fortschrittliche Kultur nur Ruinen aus ein paar Steinklötzen zurückließ. Was ihn dann aber überrascht hatte, war die überwältigende Ähnlichkeit mit einem Hotel gewesen! Lange Reihen mit Einzel- und Doppelzimmern. Frisch gemachte Betten. Was war das, wenn kein Hotel?
Wer die Betten immer wieder aufschüttelte, hatten sie schnell heraus bekommen. Kleine, eifrige Roboter, stets bemüht ihnen aus den Augen zu gehen, sorgten für die hier herrschende, strahlende Sauberkeit. Sie waren völlig harmlos.
Die verschieden großen Konferenzräume hatten Jacks Hotel-These noch nicht widerlegen können, wohl aber die riesige, runde Halle, in welcher er nun mit Teal’c die Zeit totschlug. Dort gab es viele, viele Reihen von ringförmig angeordneten Sitzen, in einem von denen Jack nun saß. Es war wohl eine Art Parlament.
Eine Art Parlament, wie Daniel betont hatte. Schließlich stand es nicht auf einem ehemals dicht besiedelten Planeten, im Zentrum des Staates, den es regierte, sondern inmitten des Nirgendwo, dessen einziger Vorteil darin bestehen konnte, dass es neutraler Boden war, auf dem sich verschiedene Seiten treffen konnten, ohne der jeweils anderen dabei zu nahe zu kommen.
Die Tatsache, dass es überhaupt verschiedene Seiten gegeben hatte, zeigte, dass auch die Antiker nicht immer das eine Volk gewesen waren, als das man es heute kannte. Das selbst diese Zivilisation mit derartigen Problemen gekämpft hatte, fand Jack irgendwie beruhigend.
Während seiner dahinplätschernden Unterhaltung mit Teal’c beobachtete Jack das Treiben von Daniel in den unteren Reihen des großen Saales. Dieser filmte dort mit seiner Videokamera, befingerte die Sitze, als ob er dort nach alten Kaugummis suchte, filmte wieder. Seine Begeisterung für dieses Zeugs hatte er selbst nach all den anderen besuchten Welten nie verloren.
Jacks Funkgerät knackte. „Sir“, erklang es daraus.
Das war Carter. Nur sie benutzte hier diese förmliche Anrede.
„Ich bin jetzt so weit die Maschine einzuschalten... Mit Ihrer Erlaubnis
.“ Endlich geschah etwas. Jack drückte auf den Sende-Schalter des Geräts an seiner Schulter. „Die bekommen Sie, Carter. Aber warten Sie auf uns...“ Er rappelte sich hoch, stopfte das Jojo in seine Westentasche. „Wir wollen bei der Show dabei sein!“

Wie Jack feststellte war es in der Empfangshalle vorbei mit der hochglanzpolierten Ordnung. Carter hatte die Verkleidungen der Maschine vollständig abmontiert und ihr Inneres freigelegt. Zum Glück schien die Wissenschaftlerin eines der Kinder gewesen zu sein, die den Wecker nicht nur auseinander nehmen, sondern auch wieder zusammenbauen konnten. Ansonsten hätte Jack den Anblick, der sich ihm bot, für Sachbeschädigung und nicht für Forschung gehalten.
Die Maschine bestand im Wesentlichen aus einem Zylinder an der Decke sowie einem Gegenstück am Boden. Auch ein ganzer Teil es umliegenden Fußbodens schien zu ihr zu gehören, wie die nun offen dar liegenden bunten Kristalle und dicken Kabel verrieten.
Carter hatte sich erhoben, als sie den Raum betreten hatten.
„Und?“ fragte Jack sie, versucht etwas Begeisterung in seine Stimme zu bringen. „Wozu ist das Ding gut?“
Carter wiegte mit dem Kopf. „Das kann ich mit Bestimmtheit erst sagen, wenn ich es eingeschaltet habe, Sir.“
„Ach kommen Sie, Carter!“ Sie wusste sicherlich ganz genau worum es sich handelte, wollte es ihm nur nicht verraten. „Ein kleiner Tipp...“
Sie lächelte und meinte dann nur: „Ich schalte jetzt die Maschine ein, Sir.“
Während sie wieder in die Hocke ging und etwas tat, was er von seiner Position aus nicht erkennen konnte, warf Jack einen fragenden Blick hinüber zu Daniel und Teal’c. Doch offenbar hatten auch sie keine Ahnung, was für ein Gerät sie da vor sich hatten.
Mit einem Brausen entstand zwischen den beiden Zylindern ein Punkt, der sich wie ein gewaltiger Wasserschwall ausdehnte, plötzlich verharrte und dann zu einer wabernden Kugel von etwa einem Meter Durchmesser in sich zusammenfiel.
Jack starrte auf das silbrige, leise gluckernde Ding vor ihm. „Das sieht aus wie...“ Es lag ihm auf der Zunge.
„Der kugelsymmetrische Ereignishorizont eines Stargates! Ja, Sir.“ kam es begeistert von Carter.
Nicht gerade die Worte, die Jack auf der Zunge gelegen hatten, aber er verstand das Wort Stargate und schloss daraus, dass die Physikerin das gleiche wie er meinte. Die Kugel hatte tatsächlich die gleiche Oberfläche wie ein aktives Sternentor und schwebte dort wie ein gewaltiger Wassertropfen.
„Aber ein Stargate ist doch gewöhnlich flach...“
Der Einwand kam von Daniel. Allmählich lernte er die richtigen Fragen zu stellen – Fragen, die sonst von Jack kamen.
„Sicher“, erklärte Carter, während sie mit leuchtenden Augen um die Maschine herum zu gehen begann. „Aber es ist technisch sehr viel schwieriger ein Wurmloch mit planarer Geometrie zu erschaffen, als ein kugelförmiges.“ Sie blieb stehen. „Verstehen Sie, was das bedeutet? Wir träumen seit Jahren davon, unsere eigenen Sternentore zu bauen! Aber sie sind viel zu komplex, die Tollaner wollten uns nicht helfen und das Tor, was Orlin in meinem Keller gebastelt hat, war völlig zusammengeschmolzen. Aber das hier, das absolute Basismodell – das können wir vielleicht kopieren!“
Jack hatte bis eben gar nicht gewusst, dass irgendjemand von sowas träumen konnte.
„Es ist ein Symbol“, kam es von Daniel. Ebenfalls begeistert, doch vermutlich aus einem etwas anderen Grund als Carter. „Wenn dies das Basismodell ist, vielleicht das erste funktionierende Tor, dann ist es ein Symbol für die Vereinigung der Planeten. Daher hat man es hier im Eingangsbereich untergebracht, wo es jeder sehen musste und wenn das wirklich so ist – dann gibt es uns einen Hinweis, wozu die Sternentore einst gedacht waren. Sie waren niemals in der Lage den Personenverkehr oder Güterumschlag eines ganzen Planeten zu tragen. Aber sie konnten zumindest als Rückgrat des gegenseitigen Austauschs zwischen allen Planeten der Galaxis dienen, als Werkzeug die wirklich wichtigen Dinge und Personen sofort von einer Welt in die andere tragen zu können...“
Ein Piepsen wie von einem alten, nach Strom jammernden Handy unterbrach den Redefluss des Archäologen.
Doch es war kein Handy, sondern kam aus den Eingeweiden des Stargates.
„Carter?“
„Keine Ahnung, Sir.“
Ein kleiner, spinnenförmiger Roboter, für den Arme und Beine wohl einerlei waren, kam herbeigeeilt und begann durchsichtige Kristalle aus einer der Öffnungen zu ziehen.
„Hey!“ protestierte Carter.
Längst waren zwei Waffen auf die Maschine gerichtet doch Jack fürchtete, dass die Bedrohung nicht von dem kleinen Roboter ausging.
„Carter?!“ fragte er noch einmal.
Die Blase des Stargates dehnte dich blitzschnell aus, raste ihm entgegen und verschluckte ihn.

Wasser.
Wasser! Überall!
Hätte Jack nicht bereits überrascht die Luft eingezogen, als das Wurmloch ihn verschluckte, hätte er es womöglich jetzt getan – mit fatalen Folgen.
Instinktiv begann er mit den Armen zu rudern, um sich in eine halbwegs aufrechte und stabile Lage zu bringen. Im trüben Licht konnte er kaum mehr erkennen, als das sie sich wohl in einer Art Höhle befanden. Der Blick nach oben zeigte ihm ein normales, handelsübliches Stargate sowie einen Schatten, der sich bedrohlich auf ihn herabsenkte. Nur knapp konnte er ihm ausweichen. Es war wohl der obere Zylinder der Maschine, der gerade nach unten sank.
Die Luft in seinen Lungen wurde knapp. Über ihm war außer dem Gate nur Fels. Er begann sich um seine Achse zu drehen und erkannte dabei einige weitere Gestalten, die wohl sein Team waren.
Dort. Tageslicht!
Er schwamm darauf zu. Seiner Glieder waren steif, wie schockgefroren. Die Kleider, die Stiefel und das Gewehr behinderten ihn. Doch es gab keine Zeit sie abzulegen, seine Lunge stand kurz vor der Explosion. Er musste atmen.
Der Ausgang der Höhle.
Die Wasseroberfläche einige Meter über ihm.
Abstoßen vom Grund ging nicht, dazu war er zu weit davon entfernt. Also schwamm er einfach los, schaffte es irgendwie den Drang zum atmen zu unterdrücken. Durchstieß die Oberfläche und sog an Luft in die Lungen, was er nur konnte.
Carter war bereits da. Sie war in Ordnung. Teal’c tauchte auf.
Daniel fehlte.
Jack wirbelte herum, doch konnte ihn nicht sehen. Er musste in Schwierigkeiten sein.
Teal’c nahm sein Gewehr, zog die Weste aus, drückte beides Carter in die Hand und tauchte erneut.
Noch immer rang Jack nach Atem, zwang sich zur Ruhe. Wenn er zu schnell Teal’c folgte, würde er ihm keine Hilfe sein können.
Gerade als er ebenfalls nach seiner Waffe griff, drückte ihm Carter Teal’cs Ausrüstung in die Hand – ihre eigene hatte sie auf dem Antiker-Planeten bereits weitgehend abgelegt gehabt – und tauchte.
Fluchend starrte Jacks auf die schäumenden Luftblasen, die sie hinterlassen hatte. Wenn er und sein Team auf diesem Planeten festsaßen, konnte Jack es sich nicht leisten die Ausrüstung sinken zu lassen und den beiden zu folgen. Solange die Chance bestand, dass sie es allein schafften, würde er hier warten müssen.
Jacks Blick suchte nach einem Ufer und fand es sofort. Es war noch schwärzer, als der See, in dem sie sich offensichtlich befanden.
Spritzend durchstießen drei Personen die Wasseroberfläche. Sofort begann Daniel zu husten und damit freiwillig und ohne lange Wiederbelebungsmaßnahmen das Wasser wieder von sich zu geben.
Die Geräusche, die er dabei machte, waren Musik in Jacks Ohren, bedeutete es doch, dass sie mal wieder glimpflich davongekommen waren: Das primitive Stargate hatte sie nicht atomisiert und im See waren sie nicht ertrunken. Erleichterung erfüllte Jack. Alles, was er sich nun noch wünschte, war fester Boden unter den Füßen.

Der Boden war schwarz. Tiefschwarz. Nachtschwarz. Nur hin und wieder zeigten sich feine Verästelungen in dem schwarzen Gestein, deren grelles Weiß mit der umgebenden Schwärze in scharfem Kontrast stand.
Sie befanden sich in einer Felsenlandschaft. Hier war nichts außer diesem Gestein und dem dunklen, ruhigen See, der am tiefsten Punkt von etwas lag, das Jack weniger als Tal, sondern eher als „Delle in der Landschaft“ bezeichnen würde.
SG-1 hatte schon weit schlimmeres hinter sich, dennoch saß ihnen der Schreck noch in den Gliedern. Um sich erst einmal zu sammeln, hatten sie in aller Ruhe einen Teil von ihrer durchnässten Ausrüstung und Kleidung zum trockenen auf dem weitgehend flachen Fels ausgebreitet.
Jack trat an Carter heran. Sie hatte ihr nasses Haar zurückgestrichen, was nicht neu, aber dennoch etwas ungewohnt war.
„Carter. Wenn ich Sie jetzt frage, was passiert ist und wo wir sind – werde ich das bereuen?“
Sie starrte einen Moment nachdenklich in die Gegend. „Ich denke schon, Sir“, erklärte sie dann völlig ernst.
„Nun, ich frage Sie trotzdem.“
„Wäre es möglich, dass die Stargate-Maschine nicht mit der gleichen Sorgfalt von den Robotern gewartet wurde, wie der Rest des Gebäudes?“ fragte Teal’c.
„Bestimmt sogar“, antwortete Carter und wandte sich dann wieder Jack zu. „Sir, es tut mir leid. Ich hätte nicht so voreilig mit dem Einschalten der Maschine sein dürfen.“
„Vergessen Sie es, Major“, erwiderte er sofort, ohne darauf auch nur einen weiteren Gedanken zu verschwenden. „Wir gehen ständig Risiken ein. Sagen Sie mir lieber, wo wir sind.“
„Ich vermute, dass ein Stargate nahe dem Planeten, auf dem wir zuletzt waren, das offene Ende des Wurmlochs eingefangen hat. Ähnlich wie es passiert, wenn ein Stargate durch eine Energieentladung umspringt.“
„Also muss man nicht lange nach uns suchen, habe ich recht?“ fragte Jack. „So viele Tore in der Umgebung wird es doch wohl nicht geben.“ Bisher bereute er seine Frage noch nicht.
„Das mag schon sein. Doch man wird nicht nach uns suchen“, zerschmetterte sie seine Hoffungen. „Sie werden auf dem Planeten vermutlich nur ein kugelförmiges Loch und die Reste eines undefinierbaren Apparates finden. Keiner wird auf die Idee kommen, dass wir durch ein Stargate gegangen sind! Man wird glauben, wir wären in einer Art Explosion getötet worden.“
„Das ist alles kein Problem“, warf Daniel ein. Man konnte ihm seine Zerknirschung, als einziger beinahe ertrunken zu sein, noch immer ein wenig ansehen. „Es hindert uns doch niemand daran selbst das hiesige Stargate zu benutzen.“
Bis auf das Wasser, dachte Jack. Doch damit sollten sie irgendwie fertig werden. Er bereute immer noch nichts.
„Carter?“ fragte er.
Sie zuckte die Schultern. „Schon möglich“, erwiderte sie. „Aber wann hatten wir das letzte Mal einen Tag, der besser wurde?“

Der Tag wurde nicht besser. Sie tauchten herab und mussten feststellen, dass es dort unten kein DHD gab. Wie immer das Stargate in diese Höhle gekommen war, das Anwahlgerät war nicht mitgekommen.
Dummerweise würde es nicht einmal helfen, wenn sie sich die Mühe machten, in dieser Tiefe das Gate von Hand zu drehen. Dieser Trick funktionierte ohne Energiequelle nur, wenn das Tor zuletzt eine herausgehende Verbindung aufgebaut hatte. Doch leider war weder das der Fall, noch konnten sie mit irgendeiner Form von Energie aufwarten.
Sie saßen also fest und das offenbar ohne Chance, dass jemand sie retten würde. Ihre Vorräte verdienten diesen Namen nicht, da das Missionsprofil keinen längeren Aufenthalt vorgesehen hatte. Es würde keine zwei Tage dauern, bis sie zu Ende waren, zumal Carters Ausrüstung zu allem Überfluss im Antiker-Hotel zurückgeblieben war.
Zwar gab es hier trinkbares Wasser in Hülle und Fülle, aber mehr eben auch nicht. Daher beschloss Jack den See und das Stargate zu verlassen. Wenn die Tatsache, dass man in der Antarktis landete noch lange nicht bedeutete, dass die Erde ein Eisplanet war, dann gab es selbst in dieser toten Umgebung immer noch die Chance auf Leute zu treffen, die ihnen helfen konnten. Oder doch zumindest etwas Essbares zu finden.
Also marschierten sie los. Nach Süden, obwohl diese Richtung so gut wie jede andere war. Die nassen Kleider klebten an ihnen, was unangenehm war, aber eine Verzögerung nicht gerechtfertigt hätte.
Obwohl das Gelände nur sehr langsam anstieg, kamen sie lediglich schleppend voran. Zu schleppend. Bereits jetzt fühlte sich Jack so ausgepowert, wie nach einem längeren Marsch mit schwerem Gepäck.
Anfangs hatte er sich seine weichen Knie noch damit erklärt, dass ihn die Tatsache plötzlich im Wasser gelandet zu sein, eben ungewöhnlich stark erschreckt hatte. Doch allmählich kam er dahinter, dass es das nicht sein konnte.
„Geht es nur mir so oder ist dieser Planet wirklich anstrengend?
Sie blieben stehen, dankbar einen Vorwand dafür zu haben.
„Der Planet muss eine größere Masse als die Erde haben“, schnaufte Carter. „Das sind mindestens 1,5g. Ich werde später vielleicht versuchen das auszumessen.“
Jack war Pilot. Ihm musste man die Bedeutung dieser Worte nicht erklären. Teal’c aber offenbar schon.
„Was bedeuten 1,5g?“ fragte er leise.
„Das bedeutet“, sprang Jack ein ehe Carter ihm zuvor kam, „dass jede Zelle deines Körpers auf einmal um die Hälfte mehr wiegt. Die Zellen deiner Beine, deines Blutes, deiner Lungen und dem Rest von dir.“ Jack stellte bei seiner Musterung fest, dass Teal’cs stolze Haltung sich um ein kaum wahrnehmbares Maß gekrümmt hatte. „Es ist nicht nur so, als würdest du schweres Gepäck tragen. Jeder Atemzug fällt schwerer weil die Lungen selbst mehr wiegen und das Herz bekommt Probleme, das ganze Blut bis nach oben zu pumpen“, fügte er seinem seltenen Vortrag hinzu.
Jack wusste aus eigener Erfahrung, dass ein Mensch sehr viel mehr als 1,5g aushalten konnte. In einem beschleunigendem Flugzeug traten weit größere Kräfte auf – aber nur für Sekunden oder Minuten und nicht für Stunden oder Tage. Und das es Tage werden würden, da war Jack sich inzwischen sicher.
Er sah hinüber zu Carter, um zu sehen, ob sie an seinen Ausführungen etwas zu bemängeln hatte. Doch zu Jacks Befriedigung schien er alles notwendige gesagt zu haben.
Schweigend marschierten sie weiter über das lichtschluckende Gestein. Es würde eine kleine Weile dauern, bis sie das Tal verlassen würden. In der Zwischenzeit schien es kontinuierlich wärmer zu werden. Jack hoffte, dass dies bald aufhören würde, denn er hatte keine Lust in der Nacht wandern zu müssen.
„Sagten Sie nicht, dass alle Planeten, auf denen sich Stargates befinden, erdähnlich wären?“ maulte Jack irgendwann in Richtung von Carter.
„Ja, Sir“, kam von dort die knappe Bestätigung.
„Und jetzt geben Sie zu, sich geirrt zu haben?“ Die kleine Stichelei und der sich ankündigende Triumph taten ihm gut.
„Nein, Sir.“
Nein, Sir?
Doch statt etwas zu erwidern, wartete er lieber auf ihre Erklärung.
„Vergleichen Sie diesen Planeten doch nur mit den anderen Welten allein in unserem eigenen Sonnensystem. Mit der Venus oder dem Jupiter... Diese Welt ist verdammt erdähnlich.“
Es kam nicht oft vor, dass sein Major solche Worte in den Mund nahm. Doch Jack konnte nicht anders, als ihr, schlicht und ergreifend, einfach zuzustimmen.

Das Tal ging allmählich über in eine Ebene, die genauso schwarz war, wie der Ort, von dem sie kamen. In weiter Ferne zeigte sich die Kette eines beginnenden Waldes – Wald schien tatsächlich etwas zu sein, was es überall gab. Sofern dieser Wald mit seinen irdischen Gegenstücken mehr als nur das ungefähre Aussehen gemeinsam hatte, dann würden sie dort vielleicht Nahrung finden, bevor ihnen die Energieriegel ausgingen.
Mit diesen Aussichten verbrachten sie eine äußerst ungemütliche Nacht auf dem harten und stellenweise scharfkantigen Gestein. Zum Glück hatte dieses Tags über genug Wärme gespeichert, so dass sie nicht allzu sehr frieren mussten. Jedenfalls war das Liegen angenehmer als das Stehen.
Nach einer Nacht, welche geschlagene 16 Stunden gedauert hatte, brachen sie wieder auf und erreichten den Wald viel früher als erwartet. Er hatte nur deswegen so weit entfernt gewirkt, weil die Bäume – so man sie denn so nennen konnte – lediglich um die 2 Meter hoch waren.
Mit ihrer Größe zollten sie unter anderem der höheren Schwerkraft ihren Tribut. Sie bestanden praktisch nur aus einem hellgelben, kegelförmigen Stamm, dessen breite Unterseite sich mit einigen wenigen, dünnen Wurzeln ins Gestein bohrte. Bedeckt war der Stamm mit unzähligen, dünnen und extrem kurzen Ästen, welche in festen Blättern endeten.
Anfangs standen die Bäume noch praktisch isoliert voneinander und ohne die Gesellschaft anderer Pflanzen, was ebenfalls den Namen Wald fragwürdig erscheinen ließ. Sie mussten noch einen halben Tag laufen, bis die Bäume dichter zusammenrückten und auch andere Pflanzen das nackte Gestein zu bedecken begannen. Nur allmählich schien dann auch genug verrottendes Material vorhanden zu sein, um eine Erdschicht von gnädig brauner Farbe über dem ewig schwarzen Grund bilden zu können.
Die nächste Nacht konnten sie entsprechend auf einem etwas weicheren Boden verbringen und das sogar an einem – wenn auch noch recht bescheidenen – Feuerchen. Sie verzehrten die letzten Vorräte, welche den Hunger nicht wirklich befriedigen konnten und legten sich erneut abwechselnd schlafen.
Doch obwohl Jack todmüde war, dauerte es lange, bis sich der Schlaf einstellte. Diese nur-Stamm Bäume fand er einfach zu merkwürdig und die seltsamen Geräusche, die sie in der sonst herrschenden Stille machten, schafften es, ihm Schauder über den Rücken zu treiben.
Dabei war es mit Sicherheit nur der Wind, der über einige ungewöhnliche Formen hinweg strich.
Am folgenden Tag fanden sie Büsche, die es schafften, Früchte ohne die gleichzeitige Anwesenheit von Blättern hervorzubringen. Aber in einem fremden Land sollte man, wenn überhaupt, nur abgepacktes Essen, dachte Jack. So verzweifelt, dass sie anfingen irgendwelche potentiell giftigen Pflanzen zu essen, waren sie noch nicht.
Es war der gleiche Tag, an dem sie zum ersten Mal die Affen sahen.
Natürlich waren es keine echten Affen, aber sie sahen so aus. Sie waren vielleicht 40 Zentimeter groß, bewegten sich vorzugsweise auf allen Vieren, konnten ihre Hände aber offenbar auch als solche benutzen. Die Viecher hatten die Frechheit sie mit kleinen Steinen zu bewerfen, schienen sie auszulachen und verschwanden dann wieder im Gebüsch.
Fleisch, hatte ein erschöpfter Jack in diesem Moment gedacht. Fleisch war im Gegensatz zu Pflanzen weitgehend ungefährlich.
Doch diesen Gedanken hatte er wieder fallen gelassen. Zum einen mal, weil vermutlich außer Muskeln bei den Affen nicht viel zu finden war. Zu anderen einfach, weil es Affen waren. Und Affen aß man nicht.
So verbrachten sie also einen ganzen, fünfzehnstündigen Tag, mit knurrendem und trotzdem ein viel zu hohes Gewicht aufweisenden Magen.

Teal’cs Faust ruckte nach oben.
Jack war trotz der langen Ruhephase während der Nacht ausgelaugt. Er hatte Hunger. Seine Beine und sein Rücken taten einfach nur weh. Er machte sich Sorgen, was geschehen würde, wenn ihre Kraft weiter in diesem Maße abnahm. Dennoch funktionierten die alten Reflexe reibungslos: Er blieb selber stehen und riss die eigene Faust nach oben.
Hinter ihm erstarrte der Rest seines Teams.
Fragend sah Jack Teal’c an. Dieser lauschte in die vermeintliche Stille des niedrigen Waldes und hielt nach Spuren Ausschau.
Dann hob er den Zeigefinger. Einer, hieß das.
Ein was? sollte Jacks Geste ausdrücken. Ein Mensch, ein Tier? Was hatte sein Freund entdeckt?
Teal’c hob nur die Augenbraue. Vermutlich wusste er es selbst nicht.
Geduckt und völlig geräuschlos setzte Teal’c sich wieder in Bewegung. Sie folgten ihm mit den Waffen im Anschlag.
Mit gehobener Hand deutete Teal’c ihnen an vorsichtig zu sein, als er hinter einem dicht belaubten Busch in Deckung ging. Geschickt huschte Jack auf die andere Seite des Busches. Mit einem kurzen Blick zu Teal’c vergewisserte er sich, dass dieser ihn nicht davor warnte, aus der Deckung heraus zu spähen.
Langsam schob er seinen Kopf an den Blättern vorbei und sah, was Teal’c lange vor ihm bemerkt hatte.
Es war ein Tier mit einem kurzen, braunen Fell und sechs stämmigen Beinen, auf denen es sich durchaus zügig voranbewegte. Es war vielleicht 2 Meter lang und einen guten halben Meter hoch. Der flache Kopf hatte zwei Augen an den dafür vorgesehenen Stellen sowie ein weiteres auf der Rückseite.
Trotz der vielen Augen schienen sie nicht bemerkt worden zu sein.
Jack knurrte der Magen. Dies war der Zeitpunkt, auf den sie gewartet hatten. Die Chance, bei Kräften zu bleiben. Vorsichtig hob er die P-90, von der er wusste, dass das Wasser ihr nicht geschadet hatte.
Er blickte über die Schulter zu Daniel hinüber. Wenn er erwartet hatte, dass dieser ihm das auszureden versuchte, wurde er enttäuscht. Daniel war Humanist, kein Vegetarier. Auch Carters Mine drückte nicht mehr als Entschlossenheit aus.
Da Jack jedoch nicht wusste, wie er das Tier zuverlässig mit einem einzelnen Schuss töten konnte und es auch nicht in ein Sieb verwandeln wollte, ließ er die vollautomatische Waffe wieder sinken und griff statt dessen zur Zat.
Zwei schnell aufeinander folgende Schüsse ließen das gewichtige Tier zusammenbrechen. In einer einzigen, fließenden Bewegung war SG-1 heran und vergewisserte sich, dass es auch wirklich tot war.
„Soweit so gut“, durchbrach Jack die bis eben eingehaltene Stille. „Das war der einfache Teil.“ Sie alle trugen ein Messer bei sich, das nicht nur Waffe, sondern auch nützliches Werkzeug war. Dies galt es nun als solches zu benutzen.
Ausgerechnet Daniel war derjenige, der als Erster danach griff und prüfend um ihre Beute herumzugehen begann. Die überraschte Frage sparte Jack sich jedoch, als ihm klar wurde, dass es das Essen auf Abydos auch nicht abgepackt im Supermarkt zu kaufen gegeben hatte.

Jack liebte Lagerfeuer, das flackernde Licht, das Knistern des Holzes. Er liebte Steaks. Und er liebte es sitzen zu dürfen.
Zum ersten Mal seit sie hier waren, hatten sie es geschafft ein Feuer zu entfachen, das diesen Namen auch wirklich verdiente. Es war inzwischen dunkel geworden, wie es sich für ein Lagerfeuer gehörte und sie hatten das Fleisch über den Flammen gebraten.
In Anbetracht der Umstände, dass es nichts anderes zu essen gab und vermutlich so schnell auch nicht geben würde, hätte Jack wohl fast alles gegessen. Doch Überwindung war nicht notwendig gewesen. Obwohl Jack keinen Vergleich zu irgendwelchem irdischen Fleisch ziehen konnte, war es dennoch sehr gut. So gut, dass er sich fragte, ob man diese Tiere vielleicht auf der Erde einführen und behaupten könnte, man hätte sie in irgendeiner abgelegenen Region des Planeten vor kurzem erst entdeckt.
Er freute sich bereits auf die nächste Mahlzeit, denn sie hatten genug Fleisch für zwei weitere Tage übrig. Verpackt in Plastikbeuteln, welche sonst der Aufnahme von Proben oder Artefakten dienten, würden sie keine Probleme haben, es zu transportieren.
Aber eigentlich war es gar nicht das Feuer selbst, was Jack so liebte. Es war das Zusammengehörigkeitsgefühl, dass sich an ihm entwickeln konnte.
Trotz aller förmlichen „Sirs“ hatte sich Carter nun doch sehr dicht neben ihn gesetzt. Links von ihnen beiden befanden sich Teal’c und Daniel und sahen verträumt in die Flammen.
Jeder von ihnen, wenn er denn überhaupt noch über so etwas verfügte, war weit von seiner richtigen Familie entfernt – und das nicht nur hier und in diesem Augenblick. Doch in diesem Team hatten sie eine neue Familie gefunden. Eine Familie, an der sich sowohl der richtige, wie auch der scheinbare Tod schwer taten, sie zu entzweien. In Momenten wie diesen gestand Jack sich ein, wie viel ihm der Halt bedeutete, den er hier fand. Wie wohl er sich in Gesellschaft seines Teams fühlte.
Er wusste nicht genau wieso, aber es fiel ihm ein Lied wieder ein, das der alte Urgo ihm beigebracht hatte. Es hieß „Row, row, row your boat“.
Jack hatte wohl unbewusst angefangen es zu summen, denn auf einmal bemerkte er zu seiner Überraschung Teal’c, wie dieser voller Inbrunst die Melodie aufgriff und fortführte. Row, row, row your boat...
Auf einmal fiel Carter mit ein: „...gently down the stream...“, sang sie mit heller Stimme.
„...merrily, merrily, merrily, merrily...“ hörte Jack sich leise brummen.
„...das Leben ist ein Traum.” schloss Daniel.
Mit einem mal zweifelte Jack nicht mehr daran, dass der nächste Tag sehr wohl besser werden würde.

Daniel sah, wie Teal’cs Faust nach oben ruckte und blieb stehen. Nach all den Jahren war auch ihm das in Fleisch und Blut übergegangen.
Es war wie am Tag zuvor. Teal’c und Jack begannen sich in Zeichensprache zu unterhalten, dann verschwand der Jaffa völlig lautlos zwischen einigen dicht stehenden Mini-Bäumen. Im Gegensatz zu ihm würden sie dabei sicherlich einen Riesenlärm machen.
Daniel fragte sich, was es war, das Teal’c gefunden hatte. Wenn es wieder nur ein Tier war, dann war die Aufregung wohl umsonst. Doch noch immer hatte Daniel die Hoffnung nicht aufgegeben, hier auf eine Zivilisation zu stoßen. Selbst wenn sie nur ein paar Jaffa fanden, dann wäre das ihr Ticket nach Hause, sofern sie sich geschickt anstellten.
Es war tatsächlich nur ein Tier, sogar genau so eines, wie sie es gestern erlegt hatten – sechs Beine und ein braunes Fell. Es schien fast so, als gäbe es sie hier fast so häufig wie diese Affen. Trotzdem war etwas anders als gestern.
Unwillkürlich erhob Daniel sich aus der Deckung.
„Daniel“, zischte Sam, doch er hörte nicht. Gefahr bestand wohl keine.
Zwei der affenartigen Wesen tanzten und hüpften um das größere Tier herum, doch dieses schien das ebenso wenig zu stören, wie das plötzliche Auftauchen von Daniel.
Langsam ging er auf das Tier zu, das inzwischen stehen geblieben war und ihm gelassen entgegen blickte. Ganz offensichtlich war es den Anblick von Menschen gewohnt.
„Das sie sich aber nicht an dem Viech verheddern!“, rief Jack ihm knurrig nach.
Daniel grinste kurz. Nein, das würde ihm sicher nicht noch einmal passieren.
Das Tier war mit einer Art Jacke behängt, die mit einem Geschirr an ihm festgezurrt war. Die Jacke hatte ein fröhliches Muster in verschiedenen Blautönen und war übersäht mit unzähligen, großen und zumeist weit ausgebeulten Taschen. Es handelte sich wohl eher um einen Packesel, als um ein Reitpferd.
Sie schienen ein Zeichen von Zivilisation gefunden zu haben, nach dem sie so lange Ausschau gehalten hatten.
In zwei Metern Abstand blieb Daniel stehen. Das Tier sah mit seinen drei tiefgrünen Augen zu ihm herauf.
Nun gut, dachte Daniel. Für kurze Zeiträume konnte er sich im Zweifelsfall bestimmt weitaus schneller als dieses Wesen bewegen. Also trat er vorsichtig näher heran und begann die Taschen zu mustern, versuchte zu erkennen, was sie enthielten.
Auf einmal saßen die beiden Affen auf dem Rücken des Tieres, kreischten ihn an und schienen ihn zu beschimpfen.
„Vielleicht sind sie darauf abgerichtet, den Inhalt der Taschen zu bewachen, bis der Besitzer wieder zurück ist“, kam Sams Stimme von hinten. Er hatte ihr Kommen gar nicht bemerkt.
Neben ihr standen Jack und Teal’c. Misstrauisch wie immer, die Hände auf ihren Waffen.
Langsam trat Daniel einen Schritt zurück. Sofort beruhigten sich die Affen. Dafür kam plötzlich ein weiterer von ihnen aus dem Wald angerannt und baute sich neben dem Tier auf.
„Sie erscheinen mir weit gepflegter, als die, denen wir bisher begegnet sind“, bemerkte Daniel. Die Affen, die sie bei ihrer ersten Begegnung beworfen hatten, waren ihm irgendwie zotteliger erschienen.
„Sie stinken nicht so!“ kam es trocken von Jack.
Daniel versuchte etwas anderes. Diesmal ging er auf den Kopf des Wesens zu und streckte die Hand aus. Vorsichtig begann er es am Hals zu kraulen.
Unwillig ruckte das Tier beiseite und Daniels Hand griff ins Leere. Seufzend ließ er sie sinken. Okay, sie mochten Zeichen einer Zivilisation gefunden haben. Die Frage war nun, ob sie auch die Zivilisation selbst finden würden.
Während Daniel noch dieser Frage nachhing, turnte der neu hinzugekommene Affe auf den Rücken des Tieres und machte sich an einer der Taschen zu schaffen.
„Ähm“, machte Jack. „Nun, also das verstehe ich nicht unter bewachen.
Der Affe zog etwas aus der Tasche heraus und sprang auf den Boden. Neugierig beobachte Daniel den Vorgang.
„Sollten wir dem nicht Einhalt gebieten, Daniel Jackson?“ kam die besorgte Frage von Teal’c.
Natürlich – wenn sie sich gut mit den Besitzern des Tieres stellen wollten, wäre es sicher angebracht zu verhindern, dass ihr Eigentum entwendet wurde. Andererseits – irgendetwas ließ Daniel zögern.
Es war ein großformatiges, zusammengefaltetes Papier, was der Affe in der Hand hielt. Statt damit wieder im Wald zu verschwinden, begann er es aufzuklappen und auf dem Boden auszubreiten. Es handelte sich offenbar um die Karte einer Insel oder von einem Kontinent. Genaues war nicht zu erkennen, weil der Affe es mit der weißen Rückseite nach oben auf den kahlen Erdboden legte.
„Daniel?“ Jack wollte wissen, was los war, doch woher sollte er das wissen?
Ein zweiter Affe löste den ersten ab. Er trug plötzlich einen Stift, der wie angegossen in seine kleinen Finger passte. Als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan, nahm er die Schutzkappe ab und steckte sie unter Daniels faszinierten Blicken auf das andere Ende des Stiftes. Dann beugte er sich über das Papier und begann zu schreiben.
Die Buchstaben waren groß und unbeholfen. Doch es waren lateinische Buchstaben und sie wurden mit jedem Zeichen besser.
Der Affe trat zurück und ließ sie sein Werk lesen.
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Obwohl er eine ganze Weile zum schreiben gebraucht hatte, begann erst jetzt die Bedeutung dieses Vorgangs ganz langsam durch Daniels Hirn zu sickern. Die Besitzer des Tieres waren nie fort gewesen. Die Affen, waren die intelligente Spezies dies Planeten!
Daniel lächelte den Affen vor ihm an.
„Hallo“, wiederholte er die Begrüßung und ging langsam in die Hocke.
Der Affe begann zu zetern und zu kreischen, zeigte auf das größere Tier vor ihm. Auch die beiden anderen Affen schienen sehr motiviert zu sein, die Aufmerksamkeit auf das Wesen zu lenken, auf dem sie gerade saßen.
„Was?“ Daniel verstand gar nichts mehr. Er starrte den Sechsfüßler mit der blauen Jacke an und schnellte wieder nach oben. „Du bist das intelligente Wesen?“
Das vermeintliche Tier erwiderte nur Daniels Blick und das Zetern der Affen verstummte.
Erneut setzte der Affe den Filzstift an.
ja
Vermutlich stand Daniel da wie ein begossener Pudel. Diese Erkenntnis hatte derart lange gebraucht, dass es beinahe peinlich war.
Doch obwohl jetzt wenigstens geklärt war, mit wem er sich gerade unterhielt, verstand Daniel das Wie noch längst nicht.
wir kontrollieren die affen telepathisch damit sie als unsere Hände dienen
Die Antwort kam, ohne, dass er etwas gefragt hätte.
Der Affe zögerte ein wenig und setzte dann um den Begriff Affe Anführungszeichen.
Ich habe auch telepatisch von dir erfahren wie wir uns verständigen können.

Jack stand ein wenig abseits und beobachtete das Geschehen. Seine Hände hatten sich keinen Millimeter von der P-90 entfernt.
Krampfhaft versuchte er nicht daran zu denken, was sie gestern Abend gegessen hatten...

Natürlich! Auf einmal machte für Daniel alles Sinn.
Dieses Wesen verfügte weder über Hände noch über etwas Vergleichbares. Es wäre nicht einmal in der Lage gewesen, die eigene Jacke selbst anzulegen, geschweige denn eine Zivilisation aufzubauen, wie Daniel sie kannte – eine Zivilisation, die Dinge baute! Ohne Hände mochte ein Volk ein Gemeinwesen begründen können und sich der Philosophie hingeben, aber mehr eben auch nicht.
Diese Wesen allerdings hatten einen Weg gefunden, auch ohne eigene Hände auszukommen! Sie ließen andere das tun, was sie selbst sich konnten – Tiere, die über Hände, nicht aber über Intelligenz verfügten.
Nachdem er die ganze Zeit wie ein Idiot dagestanden hatte, dem man die Situation erklären musste, fand Daniel den Zeitpunkt gekommen, wieder selbst die Initiative zu übernehmen.
„Nun, meinen Namen kennst du ja offensichtlich schon“, stellte er fest. „Verstehst du mich überhaupt?“ vergewisserte er sich. „Ich meine, ich verstehe dich, aber verstehst du auch mich?
Er wandte sich von dem Tier... von seinem Gegenüber ab und sah nach, ob der Affe wieder zu schreiben begann.
Ich verstehe nicht die Laute, die du ausstößt. Aber ich verstehe, was du damit sagen WILLST.
Das mit der Rechtschreibung schien er inzwischen jedenfalls weitgehend begriffen zu haben.
„Also ließt du meine Gedanken? So, wie du auch die Schrift meiner Erinnerung entnommen hast?“
Ich lese nur die oberste Schicht deiner Gedanken. Ich vermute, sie entspricht dem, was du auch aussprichst.
„Also ist es in Ordnung, wenn ich weiterrede? Es ist für mich so einfacher, als nur zu denken.“
Er stellte fest, dass er gerade sogar etwas viel redete. Aber es war wohl besser viel zu fragen, als Gefahr zu laufen, schon wieder etwas nicht zu begreifen.
Es ist in Ordnung.
„Okay... Nun, also auch auf die Gefahr hin, dass du es schon weißt – das hier sind Major Carter, Colonel O’Neill und Teal’c“, stellte er seine Begleiter vor. Er wartete einen Moment, doch das Papier blieb leer. „Wie ist dein Name?“ hakte er also nach, als ihm klar wurde, worauf er gerade wartete.
Ich habe einen Namen. Aber er ist ein Gedanke, ein Symbol. Es gibt kein Geräusch, was ihm entspräche.
Das war schlecht. Sie würden ihm einen Namen geben müssen. Aber das hatte Zeit. Jetzt begann Daniel erst einmal darzulegen, wie sie hier her gelangt waren und dass sie friedliche Forscher waren.
Die ganze Zeit über beobachtete er dabei die Reaktionen seines namenlosen Freundes und versuchte zu erkennen, was in ihm vor ging – ob er ihm glaubte, ob er Probleme mit Begriffen wie Wurmloch hatte oder ob ihn irgendetwas von dem Gesagten besonders interessierte. Leider blieb es bei dem bloßen Versuch, denn sofern sein Gegenüber überhaupt irgendwelche Regungen zeigte, bemerkte Daniel sie nicht.
Eigentlich war Anthropologe auf der Erde zu sein gar nicht so schwer, denn selbst im hintersten Dschungeldorf war die Mimik der Menschen die selbe. Hier jedoch war Daniel sich nicht einmal sicher, ob er es sich leisten konnte, das ungewöhnliche dritte Auge am Hinterkopf des Wesens einfach zu ignorieren.
„Versteh mich bitte nicht falsch“, beteuerte er zum Abschluss und meinte es auch so. „Wir würden sehr gerne eine Weile bleiben und von euch lernen. Es gibt bestimmt sehr vieles, was wir miteinander teilen können, wir würden gern eine dauerhafte Freundschaft zwischen unseren Welten beginnen.
Trotzdem wüssten wir aber auch gerne, ob ihr uns helfen könntet, eure Welt auch wieder zu verlassen.“
Das sein Gegenüber nach der langen Rede erst einmal schwieg, war natürlich nicht verwunderlich. Doch auch der Affe brauchte eine ganze Weile, bis er wieder den Stift ansetzte.
Ich helfe euch gerne. Wartet einen Moment.
Als Daniel seinen Blick vom Papier hob, sah er, dass sich ein Hologramm vor dem Kopf des Wesens aufgebaut hatte. Die Anzeige veränderte sich und Daniel hatte das Gefühl, dass sie über die Bewegungen der Augen gesteuert wurde.
Als das Hologramm verschwand, musste ihn erst ein leises Schreien des Affen hinter ihm auf die neueste Zeile hinweisen.
Ich bekomme zur Zeit keine Verbindung mit den verantwortlichen Stellen. Das dürfte sich aber legen, wenn ich weitergehe.
Der Platz auf dem Papier war fast erschöpft. Die Schrift des Affen war zunehmend kleiner geworden, trotzdem aber noch immer gut lesbar.
Wenn wir ein Schiffswrack im Ozean bergen können, dann sicher auch euer Stargate. Macht euch also keine Sorgen.
Ich vermute mal, dass sie Helikopter schicken werden, um euch abzuholen. Ein Stück hinter mir gibt es eine Lichtung. Ich hoffe, das reicht zum landen. Am besten wartet ihr dort. Wenn ihr mit mir mitkommen würdet, dann würde mich das zu sehr aufhalten.

Da stimmte Daniel ihm zu. Sie waren, was das Marschtempo anging, auf diesem Planten die reinsten Schnecken.
Er sah hinüber zu Jack. Mit einem Nicken signalisierte dieser seine Zustimmung.
„Einverstanden“, sagte also Daniel.
Erst jetzt kam er dazu, Erleichterung zu empfinden. Nach fünf langen Tagen des Umherirrens auf diesem Planeten, schienen sie letztlich doch noch Freunde gefunden zu haben und es erschien auf einmal sehr wahrscheinlich, dass sie hier nicht auf ewig festsaßen.
Der Affe faltete das Papier wieder zusammen und verstaute es in der Jackentasche. Dann setzte sich das vermeintliche große Tier wieder in Bewegung, umgeben von seinen drei Affen, die um es herumtollten, wie es auch ihre Artgenossen im Wald taten.

Jack wartete, bis er das fremde Wesen außer Hörweite wähnte. Es war sicher nicht das beste Kriterium, aber aufgrund ihres bescheidenen Wissens wohl so gut wie jedes andere.
„Hast du nicht eben etwas vergessen zu erwähnen?“ schnauzte er Daniel an.
Er hatte ihn gewähren lassen, weil er der Diplomat seines Teams war. Weil er hoffentlich wusste, was er tat. Aber das hieß nicht, dass er es auch billigte!
„Wir haben einen von seinen Leuten getötet! Wann hattest du vor, ihm das zu sagen?“
„Später“, kam es knapp von Daniel. Sofern ihm das Problem erst jetzt bewusst wurde, bekam er sehr schnell die Kurve.
„Ach ja? Später?
„Ich denke nur, es wäre nicht der beste Weg gewesen einen guten, ersten Eindruck zu vermitteln.“ Daniel klang mit seinen Worten so ruhig und vertrauenserweckend, als ob er glaubte, die Lage unter Kontrolle zu haben.
„Mörder und auch noch Lügner? Das nennst du einen guten, ersten Eindruck?“
„Ist die entscheidende Frage nicht eher, wie sie darauf reagieren werden, als was sie dabei von uns denken?“ Teal’c traf mit seiner Frage den Nagel auf den Kopf.
„Also ich weiß nicht, was die tun werden, aber ich kann mir denken, was auf der Erde mit Aliens passieren würde, die einen einsamen Wanderer überfallen und auffressen!“ ereiferte sich Jack.
Daniels zuversichtlicher Gesichtsausdruck begann allmählich doch zu leiden. „Vermutlich gar nichts“, schlug er vor. „Ich meine, wir... wir konnten es nicht wissen. Das müssen sie doch begreifen!“
„Ja, Daniel. Du und ich, wir begreifen das. Aber erklär das mal der Bevölkerung eines Hinterwälderdorfes. Die würden sich zusammenrotten und selber jemanden erschießen gehen!“
„Trotzdem müssen wir es ihnen sagen!“ erwiderte Daniel heftig.
„Natürlich müssen wir das!“ ließ Jack mit einer derartigen Schärfe verlauten, die jedweden Zweifel, er könne das in Frage stellen, hinfort fegte. „Davon rede ich doch die ganze Zeit. Ich wollte euch nur klarmachen, dass dies nicht unbedingt ein Zuckerschlecken wird.“
Er wartete auf Widerspruch. Darauf, dass jemand Einspruch erhob und meinte, Okay, wir haben einen einsamen Wanderer getötet. Aber die Betonung liegt doch auf einsam. Bis die das herausfinden, sind wir längst wieder auf der Erde.
Doch keiner brachte das Argument und das beruhigte ihn ungemein, denn es zeigte, dass sie eben doch nicht einfach nur irgendwelche fleischfressenden Monster waren.
Sie mochten einen schrecklichen Fehler begangen haben. Aber gerade deswegen konnten sie es einfach nicht auf sich beruhen lassen.
„Trotzdem“, begann Daniel von neuem. „Ich meine, wir konnten es nicht wissen! Auf wieviele Völker sind wir in all den Jahren gestoßen, die nicht menschenähnlich waren und trotzdem noch makroskopische, organische Köper besaßen?“
„Auf eines“, kam es sofort von Teal’c, der solche Dinge stets mitzählte. „Die Re’etu.“
„Und die Solmothen“, warf Carter ein. Auf Jacks fragenden Blick beeilte sie sich zu erklären: „SG-7.“
„Seht ihr!“ rief Daniel. „Das sind zu wenige, als das wir damit rechnen würden, auf so jemanden zu treffen!“
„Der Punkt ist aber, dass du so nicht argumentieren kannst, Daniel“, warf Carter diesem vor. Erst jetzt fiel Jack auf, wie bleich sie wirkte. „Ich meine, wir hätten uns dieses Problems schon viel früher bewusst werden können. Bei jedem bekleideten Tier, das wir irgendwann einmal auf der Erde gesehen haben, hätten wir uns fragen können, was ein Alien darüber denken würde, wenn er keine Ahnung hätte! Trotzdem laufen wir wie mit Scheuklappen umher! Wenn dieser Wald intelligent gewesen wäre, hätten wir das sicher überhaupt nie bemerkt.“
Daniel verzog die Mundwinkel und schob seine Brille zurück. „Ja. Ich denke du hast recht“, gab er dann niedergeschlagen zu. „Wir haben uns wohl schon wieder so verhalten, als hätten wir die Erde nie verlassen. Dabei... ich meine, wir müssen uns nur umsehen. Diese Welt ist so fremd!“
Jack gefiel nicht in welche Richtung die Diskussion führte. „Wir können bei unseren Missionen aber nicht jeden Stein umdrehen, bevor wir über ihn drüber laufen“, widersprach er heftig. „Wenn wir Angst hätten, Fehler zu machen, könnten wir gleich zu Hause unter die Bettdecke kriechen und das mit der Erforschung des Weltalls lassen.“ Es war Daniel anzusehen, dass es ihm nicht gefiel, dass nicht nur ein Kampf seine Opfer forderte. „Aber wenn ich euch erinnern darf, was passiert ist, als wir hier eintrafen: Auch wir riskieren unser Leben. Risiko für beide Seiten, das ist nun mal der Preis.“
„Liegt es nicht in der Natur des Unbekannten, dass man es nicht erwartet?“ Mal wieder sprach aus Teal’cs Worten große Weisheit.
„Schön“, beendete Jack das Thema, als keiner Teal’cs Äußerung etwas hinzufügte. „Kommen wir also wieder zum hier und jetzt!
„Bei nächster Gelegenheit sagen wir es ihnen, Sir.“
„Und hoffen, dass sie uns nicht gleich erschießen...“ vervollständigte Jack mit tiefem Unbehagen.
„Wir müssen abwarten, wie sie reagieren“, kehrte Daniel wieder in seine besonnene Rolle zurück. „Erst dann können wir entscheiden, wie wir danach weiter vorgehen.“
Da war wohl etwas wahres dran. Sie mochten sich jetzt durchaus über alle möglichen Eventualitäten den Kopf zerbrechen können. Etwas entscheiden würden sie jedoch auf dieser Grundlage nicht können. Entsprechend würden sie einfach abwarten müssen.
Wenn Jack jedoch bedachte, dass er gestern noch geglaubt hatte, die Situation wäre besser geworden, fürchtete er, dass ihm weder die Eventualitäten, noch die folgenden Entscheidungen gefallen würden.

Das unstetige Flackern des Feuers, das Knacken des Holzes immer dann, wenn sie es nicht erwartete, all das machte Sam nervös.
Andererseits: Vermutlich war sie das bereits und das Feuer verstärkte dies nur ins Unermessliche.
Ihr war speiübel. Sam befand sich in der paradoxen Situation, dass einerseits bereits wieder der Hunger in ihren Gedärmen wühlte, sie sich anderseits nichts sehnlicher wünschte, als zu erbrechen. Sich die vergangenen Ereignisse aus dem Leib zu kotzen, in der irren Hoffung sie würden dadurch ungeschehen werden.
Sie war in einer Gesellschaft aufgewachsen, in der das Schlimmste war, was einem geschehen konnte, dass man erzählt bekam, man hätte gerade Wauwau gegessen. Das Verspeisen eines Menschen war völlig indiskutabel.
Okay, es war kein Mensch gewesen, was sie da gegessen hatten, ganz offensichtlich. Aber darauf kam es nicht an. Es – er, sie? – war ein intelligentes Wesen gewesen! Und das war es, was zählte. Das war es, was Sam wünschen ließ, der gestrige Tag wäre nicht geschehen.
Ausgerechnet jetzt glaubte Daniel auch noch einen Vortag über Kannibalismus halten zu müssen. Sam kannte ihn schon eine ganze Weile und obwohl sie fand, dass er sich seit seinem Aufstieg etwas verändert hatte, glaubte sie ihn auch gut zu kennen. Trotzdem war sie sich im Moment nicht sicher, ob Daniel selbst dieser schrecklichen Lage allen Ernstes noch eine faszinierende Seite abringen konnte oder ob er sich lediglich durch das Reden ein Gefühl der Normalität vermitteln wollte.
Jedenfalls war das letzte, was Sam im Moment hören wollte, dass man zwischen profanem Kannibalismus aus Hunger heraus und religiösem Kannibalismus aus dem Glauben heraus, man würde Fähigkeiten des Opfers übernehmen, unterscheiden musste. Ihr wurde einfach noch übler bei dem Thema.
Als der Colonel keine Anstalten machte, Daniel mit einer harschen Bemerkung zum Schweigen zu bringen, warf sie selbst Daniel einen Blick zu, der vernichtend genug war, um seinen Redefluss endlich zum Versiegen zu bringen.
Sie war außerdem in einer Gesellschaft aufgewachsen, in der man oftmals nicht mehr erkennen konnte, was es einmal gewesen war, das man da aß und sich darüber auch nicht allzu viele Gedanken machte. In einer Gesellschaft, in der Vegetarier sozusagen voll emanzipiert waren... Und dennoch blieb das Schlachten und Verzehren eines Tieres immer noch eines der natürlichsten Dinge im Universum. Sie hatten in bestem Wissen und Gewissen gehandelt.
Trotzdem versuchte sie gerade zum wohl hundertsten Mal das getrocknete Blut unter ihren Fingernägeln hervorzukratzen.
Das es zu unbeteiligten Opfern kommen konnte, hatte sie bereits während der Ausbildung zu hören bekommen und leider war es auch grausame Realität. Doch es war kein friendly fire gewesen, dem das Wesen zum Opfer gefallen war, auch keinem verirrten Querschläger. Es war nicht einmal ihr bloßer Hunger gewesen. Ihre Ignoranz, alles für ein Tier zu halten, was auch so aussah, hatte es getötet.
Vielleicht hatte ihr Opfer Kinder gehabt, ließ Eltern und Freunde zurück. Es würde seine Träume, seine Pläne von der Zukunft nicht mehr wahr machen können. All das war in ihrem Magen verschwunden.
Fast alles.
Sie hatten noch immer einiges von dem Fleisch übrig gehabt und es hatte sie einige Diskussion gekostet, zu entscheiden, wie sie damit verfahren sollten, wenn sie es schon nicht essen konnten.
Schließlich hatten sie es in der hiesigen, dünnen Erdschicht vergraben – und zwar so, dass jemand, der danach suchte, es auch finden würde. Vielleicht würde ihr Opfer so irgendwann noch zu einer würdigeren Bestattung kommen.
Sofern angebratenes Fleisch in Probenbeuten noch über einen Hauch von Würde verfügte.

Es war durchaus möglich dem eisernen Griff dieses Planeten zu trotzen, der einen ständig zu Boden zog. Das erforderte sowohl Stärke des Körpers, als auch des Willens. Doch es war möglich.
Nötig war es allerdings zur Zeit nicht. Teal’c und seine drei Gefährten befanden sich in der einzigen, dieser Welt angepassten Körperhaltung: Sie lagen auf dem Rücken und warteten darauf, dass der Außerirdische sein Versprechen wahr machte und sie mit einem Helikopter abholen ließ.
Zwar war es schon seit einigen Stunden wieder hell ohne das sich etwas getan hätte, aber aufgrund der Länge der hiesigen Tage, zweifelte Teal’c nicht daran, dass noch heute etwas geschehen würde. Bis dahin würde er sich in Geduld üben.
Wem diese Tugend natürlich völlig fremd war, war sein Freund O’Neill. „Ihr Mr. Ed wird uns doch hoffentlich nicht versetzen, Daniel?“ fragte er ungeduldig. O’Neill klang völlig unbeschwert, doch Teal’c wusste, dass dies nicht der Wahrheit entsprach.
„Mr. Ed, Sir?“ echote Major Carter sofort, auf der Suche nach einer Ablenkung.
„Carter, erzählen Sie mir nicht, nur weil es schwarz-weiß ist, wäre das vor ihrer Zeit gewesen! Mr. Ed, das sprechende Pferd – die Fernsehserie, sagt Ihnen das nichts?“
Teal’cs Augenbraue wanderte langsam nach oben und verharrte dort. Die Angewohnheit seiner Freunde in schweren Situationen zu scherzen hatte er oft beobachtet. Teilen tat er sie deswegen noch lange nicht.
Leider war dies nun einmal eine schwere Situation. Sie hatten Schuld auf sich geladen. Und Schuld war etwas, das sich jemand mit Teal’cs Vergangenheit nicht mehr leisten konnte.
Major Carter ging jedenfalls nicht darauf ein, ob ihr der von O’Neill genannte Begriff etwas sagte. „Und das finden Sie einen passenden Namen?“
„Wir können ihn doch nicht ständig den Alien mit der kitschigen Jacke nennen”, rechtfertige sich O’Neill. „Immerhin hat der Kerl doch etwas tierisches und außerdem kann er... nicht... sprechen...“
Teal’cs Augenbraue sank wieder nach unten. Den folgenden Gesprächsverlauf ignorierte er.
Es war durchaus möglich, dass sie von den Wesen vor ein Gericht gestellt würden. Zwar mochten sie keine bösen Absichten gehabt haben, dennoch war er sich nicht sicher, ob dies als Rechtfertigung ausreichte. In dieser Situation war er mit der Rechtsprechung auf dem Planeten Karthago einer Meinung: Nur wem Leid angetan wurde, kann ermessen, was nötig ist, um es wieder gut zu machen.
Wenn das hiesige Volk ihre Entschuldigung also akzeptierte, würde es auch Teal’c gelingen, damit zu leben. Wenn jedoch nicht, würde er auch ein Urteil von ihnen akzeptieren, egal in welchem Rahmen es gefällt wurde, Hauptsache ihre Richter benahmen sich selber einigermaßen zivilisiert.
Bis es soweit war, blieb ihm nichts, als sich mental darauf vorzubereiten, schweigend in sich zu gehen und über die Situation nachzudenken.
Nach weiteren zwei Stunden vernahm er das Geräusch von Rotoren. Er richtete sich auf und sah aufgrund der niedrigen Bäume sofort das zugehörige Fluggerät.
Es war lang gezogen wie die Wurst eines Hot Dogs und verfügte an jedem Ende über einen Propeller, von dem es in der Luft gehalten wurde. Teal’c hatte ähnliche Vehikel bereits auf der Erde gesehen. Es schien tatsächlich so zu sein, dass gleiche Ansprüche und Fähigkeiten zu ähnlichen Lösungen führte.
Das Fluggerät landete. Gespannt beobachtete Teal’c, wie ein Teil der Seitenwand begann sich wie dünnes Papier beiseite zu falten. Aus der entstandenen Öffnung sprangen mehrere Affenwesen. Es waren acht an der Zahl, alle gekleidet in schwarze, dick gepolsterte Kampfanzüge.
Für Teal’c erforderte es keines bewussten Gedankens die Tau’ri-Waffe hochzureißen, als er die Gewehre in den Händen der Affen sah.
Verbitterung erfasste ihn. Verbitterung darüber, dass auch auf diesem Planeten Waffen benutzt wurden.
Teal’c war Meister im Umgang mit allen Arten von Waffen. Doch Waffen waren es gewesen, mit denen man ihn und seine Mutter von Kronos Heimatwelt vertrieben hatte. Waffen waren es gewesen, mit denen Apophis und die anderen Goa’uld Jaffa und Menschen unterdrückten. Daher hasste er in Momenten wie diesen sein Handwerk und die zugehörigen Werkzeuge.
Fast eine halbe Minute standen sie sich nun schon gegenüber und Teal’c war sich noch immer nicht im Klaren darüber, worum es hierbei eigentlich ging. Zwar war es durchaus möglich, dass die Herren der Affen verärgert wegen ihres getöteten Kameraden waren. Wenn Mr. Ed jedoch nicht die falschen Gedanken gelesen hatte, bestand durchaus die Möglichkeit, dass sie es noch gar nicht wussten. In diesem Fall waren sie wohl „lediglich“ in einen unerfreulichen Hinterhalt geraten.
„Die Waffen runter“, kam es leise von O’Neill.
Teal’c erlaubte sich einen kurzen Blick zur Seite in dem Wissen, dass dies in einer solchen Situation ein absolut tödliches Risiko war.
Was er sah, war, dass O’Neills Waffe bereits nach unten zeigte und niemand auf ihn geschossen hatte. Also senkte auch Teal’c langsam das Gewehr.
O’Neill machte sich sogar daran, seine Waffe abzulegen, doch die Affenwesen winkten nur ungeduldig mit ihren eigenen Waffen und bedeuten ihnen einzusteigen.
„Na schön“, meinte O’Neill mit gespielter Unbeschwertheit. „Dann halt nicht.“ Er behielt seine Waffen und betrat den Laderaum des Hubschraubers, dicht gefolgt von Teal’c und dem Rest des Teams. Auch die Affen stiegen ein.
Der Raum war bis auf sechs gepolsterte Balken am Boden leer. Diese eigneten sich als Sitzgelegenheit für die kleinen Affen und mochten sich auch für die niedrig gebauten, sechsbeinigen Wesen eignen, nicht jedoch für sie.
Die fehlende Wand faltete sich wieder auseinander und verschloss den Raum. Obwohl sie sehr dünn gewirkt hatte, war sie nun hart wie der Rest der Hülle. Der Helikopter startete und Teal’c blickte aus dem Fenster in der neu entstandenen Wand. Sie bewegten sich in die Richtung, in der sich nach Teal’cs Ansicht der See mit dem Stargate befand. Bisher sah es also doch nicht nach einem Hinterhalt aus.
Auf O’Neills fragenden Blick antwortete er mit einem Nicken und teilte ihm so seine Beobachtung mit.
„Ist das jetzt ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?“ stellte O’Neill die Frage in den Raum.
„Was?“ fragte Daniel Jackson. „Das sie sich an die Abmachung halten oder das sie uns mit Waffen bedrohen?“
O’Neills Finger zuckten kurz, als wolle er Daniel Jackson an die Gurgel.
Soweit Teal’c das wusste, hatte er das allerdings schon lange nicht mehr getan.
„Beides, Daniel.“
„Nun, keine Ahnung“, begann dieser und sah O’Neill bedeutungsvoll an. „Vielleicht sind wir einfach nur an ein paar paranoide Militärs geraten...“
O’Neills Gesichtszüge gefroren einen Moment in einem Ausdruck der Verblüffung. Hilfe suchend wandte er sich Major Carter zu, doch statt ihn mit Entrüstung zu unterstützen, schien sie sich lediglich am Gesichtsausdruck ihres Vorgesetzten zu laben.
O’Neill murmelte irgendetwas von Papiertaschentüchern und nicht mehr vorhandenen Allergien, was Teal’c nicht verstand, und schwieg dann für den Rest des Fluges.
Teal’c sah wieder aus dem Fenster. Bei diesem Tempo würden sie die Strecke, für die sie zu Fuß über drei Tage gebraucht hatten, in einem Bruchteil der Zeit zurücklegen können.
Bald würde es Klarheit geben.

Daniel hatte den dunklen See und den tiefschwarzen, endlosen Fels mit seinen weißen Adern nicht unbedingt vermisst. Trotzdem war es gut, wieder hier zu sein, bedeutete es doch, der Heimat ein Stück näher zu sein.
Die gepolsterten Kampfaffen, die den Flug über starr auf ihren Bänken gehockt hatten, ließen ihre Waffen achtlos in der Kabine des Bananenhubschraubers zurück und tollten fröhlich ins Freie. Ihre Besitzer, die vermutlich im verspiegelten Cockpit saßen, bekam Daniel nicht zu Gesicht.
Neben ihrem Hubschrauber standen zwei weitere, baugleiche Geräte und in einiger Entfernung noch ein größeres Modell. Ein fünfter, sehr großer und sehr dreieckiger Hubschrauber schwebte regungslos, aber mit drei knatternden Rotorblättern über dem See.
Überall waren Affen. Einige schienen damit beschäftigt sich spielerisch gegenseitig zu jagen, der Rest war sehr mit dem Unhertragen von Gegenständen beschäftigt.
Weit weniger aktiv, aber dennoch nicht untätig wirkend, waren mehrere Gruppen von Sechsfüßlern, welche sich zu beratschlagen schienen oder das Entladen von Ausrüstung überwachten. Dies geschah durch Kräne in den Hubschrauben und Gabelstapler am Boden, die, wie Daniel vermutete, entweder teil-automatisch arbeiteten oder ferngelenkt wurden.
Jeder der Aliens war mit einem Kleidungsstück behängt. Meist waren es Jacken ähnlich der von Mr. Ed, wenn auch mit weit weniger Taschen. Die ausgesprochen bunten Farben, an denen diese Wesen offenbar Gefallen gefunden hatten, taten der sonst so eintönig schwarzen Landschaft sehr gut.
Aus den Augenwinkeln sah Daniel, wie etwas aus der Unterseite des Hubschraubers, der über dem See hing, heraus fiel und klatschend ins Wasser stürzte, dicht gefolgt von einem zweiten Gegenstand, der Daniel mit seinen zwei Greifarmen an einen Tiefseeroboter erinnerte.
Obwohl es so aussah als wären die Wesen tatsächlich gewillt ihnen zu helfen, kümmerte sich niemand um sie.
Die ganze Zeit über hatte Daniel nach Mr. Ed Ausschau gehalten und sah ihn dann schließlich auch, wie er auf sie zukam. Er trug noch immer die gleiche blaue Jacke, ohne die ihn Daniel mit Sicherheit nicht erkannt hätte. Neu war allerdings das metallene Gestell, was er auf dem Kopf trug und das Daniel bereits bei einigen seiner Artgenossen bemerkt hatte.
„Man sagte mir, das würde funktionieren“, erklärte Mr. Ed laut und deutlich.
Erst jetzt bemerkte Daniel die beiden kleinen Lautsprecherboxen, welche an zwei Ösen befestigt von der Jacke herab baumelten. Aus ihnen war die Stimme erklungen.
„Wow“, kommentierte Daniel. „Offenbar tut es das tatsächlich.“
„Der Helm hier setzt meine Gedanken in Laute um, wie ihr sie benutzen würdet“, erklärte Mr. Ed. Seine Stimme klang kein bisschen mechanisch, sondern vollauf lebendig. Daniel kam ihr Klang vertraut vor, als ob sie aus verschiedenen Stimmen seiner Erinnerung zusammengemixt wäre – was sie bestimmt auch war.
„Wir stellen gewöhnlich keine großen Anforderungen an Lautsprecher, daher scheppert der Ton ein bisschen“, fuhr Mr. Ed fort.
„Schön“, meldete sich Jack zum ersten Mal gegenüber dem fremden Wesen zu Wort. „Aber könntest du jetzt, wo wir uns richtig verständigen können, aufhören unsere Gedanken zu lesen?“ Offenbar war es Jack gewesen, dem das mit dem Scheppern negativ aufgefallen war.
„Du missverstehst diese Technik“, antwortete Mr. Ed freundlich. Freundlich! Endlich konnte Daniel einschätzen, was sein Gegenüber dachte! „Nur weil ich kein Papier mehr brauche, um mich euch mitzuteilen, heißt das nicht, dass ich auf einmal euch verstehen würde.“ Ohne zu zögern fuhr er hastig fort: „Entschuldigt übrigens den unfreundlichen Empfang. Die Militärs drohen gerne, um zu sehen, wie darauf reagiert wird.“
Demnach wussten sie also tatsächlich noch nicht, was passiert war. Jetzt, wo Daniel all die Mühe sah, welche sich diese Wesen machten, um ihnen zu helfen, wurde der Druck auf Daniels Gewissen nicht gerade leichter.
Zwei weitere Sechsfüßler näherten sich ihnen. Beide trugen Metallhelme wie Mr. Ed, aber nur einer hatte auch Lautsprecher dabei. Das in sich selbst verknotete Muster aus Hellgrün und Orange auf der Jacke des lautsprecherlosen Wesens empfand Daniel als geradezu hypnotisierend.
Ohne sich zu seinen Artgenossen umzudrehen erklärte Ed: „Man fragt mich gerade, ob einer von euch den Technikern mit seiner Ortskenntnis zur Seite stehen könnte.“
„Teal’c?“ Mehr brauchte Jack nicht zu sagen und war dabei nicht einmal unhöflich.
Der Jaffa blickte ihren Anführer lange an, als wolle er sagen Haben wir nichts wichtigeres zu tun? doch nickte dann und ging hinüber zu den beiden Wesen.
Daniel sah ihm lange nach und wandte sich dann wieder Mr. Ed zu. „Ich muss dir etwas mitteilen“, begann er und es fiel ihm ausgesprochen schwer, das zu sagen.
Mr. Ed sah ihn mit dem undeutbaren Blick seiner drei Augen an.
„Wir hätten dir... euch das schon viel früher sagen sollen. Es ist so...“
Er druckste herum. Es wäre besser, wenn er endlich zum Punkt käme, bevor seine Gedanken schon alles im Voraus verrieten.
„Du musst wissen, dass ihr für uns ausseht wie Tiere. Das ist nicht abwertend gemeint, denn ihr seid keine Tiere, aber auf den ersten Blick seht ihr nun mal für uns so aus. Und das ist ein Problem! Das ist ein Problem, weil wir einige Tage auf eurem Planeten unterwegs waren und uns die Nahrung ausging. Wir mussten uns etwas suchen. Und da die falschen Pflanzen für uns giftig sein können, gingen wir auf die Jagd...“
Er verstummte. „Du weißt längst, worauf ich hinaus will, oder?“ fragte er leise. „Verdammt, meine Gedanken schreien es wohl die ganze Zeit, obwohl es derart schrecklich ist, habe ich recht?“ Er ballte die Faust und starrte seinen Gegenüber an. Suchte, suchte nach einer, nach irgendeiner Reaktion. „Aber wenn du meine, wenn du unsere Gedanken ließt, dann weißt du auch, wie sehr wir bereuen, was wir getan haben. Wie sehr es uns zerreißt. Das wir es niemals getan hätten, wenn wir auch nur vermutet hätten, ihr wärt intelligent. Das wir lieber verhungert wären, als einen von euch zu töten, damit wir leben können.“
Innerlich bebend wartete er auf eine Antwort.
„Ja, ich lese deine Gedanken“, erwiderte Mr. Ed schließlich nachdenklich, aber ohne jeden Vorwurf. „Daher kann ich euch sagen, dass ihr die Situation falsch einschätzt.“
Was?!
Was gab es daran falsch einzuschätzen?
„Was ihr gesehen und getötet habt, war keiner meines Volkes, auch wenn er in euren Augen so aussah.“
In Daniels Kopf begann sich alles zu drehen.
„Er war nackt, nicht wahr? Hat euch das nicht gewundert?“
Natürlich hatte es das. Aber schließlich waren sie schon einmal mit ihren menschlichen Maßstäben gescheitert.
„Dann nimm die Maßstäbe, die für uns wichtig sind: Er hatte keine Affen bei sich. Keine Hände, begreifst du? Aber er hätte sie auch nicht benutzen können. Wenn ihr mit unserem Aussehen etwas vertrauter wärt, dann wären euch auch die Wülste an den Augen aufgefallen und die übergroßen Füße. Das alles sind die Merkmale einer Gattung, die mit uns verwandt ist, aber keine Intelligenz aufweist. Ihr braucht euch also keine Sorgen machen!“

Das Wort Erleichterung konnte nur unzulänglich beschreiben, was Jack in diesem Moment fühlte.
Die vergangene Nacht hatte er schlecht geschlafen, sich stets irgendwo zwischen Schlafen Wachen umhergewälzt, getrieben von einer inneren Unruhe.
Erwacht war er von einem Traum, der ihn zutiefst erschüttert haben musste, an den er sich jedoch nicht mehr erinnerte. Selbst, als er längst wach gewesen war, schien ihm etwas die Kehle zuzuschnüren und sein Brustkorb hatte das unglaubliche Verlangen gezeigt, etwas in seinem Inneren zu einer kompakten Masse zusammenquetschen zu wollen. Ihm war gewesen, als gäbe es irgendwo in tief in ihm ein kleines Männchen, welches nervös umherlief und dabei am zerbröckelnden Rande der Panik stand.
Er hatte das nicht gezeigt, ganz im Gegenteil, aber es hatte viele Stunden und der einen oder anderen Unterhaltung mit Carter bedurft, bis dies allmählich abflachte und sich langsam wieder das Gefühl einstellte, halbwegs festen Boden unter den Füßen zu haben.
Das Gebirge war ihm allerdings erst jetzt vom Herzen gefallen. Jetzt, wo man ihnen sagte, dass alles eben doch ganz harmlos gewesen war.
„Aber ich muss sagen, diese Einstellung ehrt euch“, fuhr Mr. Ed anerkennend fort. „Ich weiß nicht, ob ich mich als Fleischfresser so verhalten würde.“
„Allesfresser“, erwiderte Daniel völlig zerstreut.
Ed ging nicht darauf ein. „Wenn ich das Thema wechseln dürfte?“ fragte er und lauschte dabei sicher auf ihre Gedanken. Jack war noch immer derart erleichtert, dass er darüber nicht einmal wie sonst Widerwillen empfand. „Was euren Wunsch nach Beziehungen zwischen unseren Völkern angeht, muss ich euch nämlich enttäuschen. So sehr es mich gefreut hat, eure Bekanntschaft zu machen...“, beteuerte er, „...haben wir doch wenig Interesse an Beziehungen zu anderen Welten. Deswegen reisen wir selbst auch nicht zu den Sternen, obwohl wir die Technik dafür durchaus entwickeln könnten. Es ist einfach alles viel zu weit weg, um für uns von Belang zu sein.“
Mal wieder also ein Volk, das nichts mit ihnen zu tun haben wollte, notierte sich Jack. Es wäre auch neu gewesen, wenn jemand, mit dem sich wirklich etwas anfangen ließ, sich anders verhalten hätte.
Doch in anbetracht der jüngsten Ereignisse erschien ihm das lediglich wie eine Fußnote, die Jack frühestens aufregen würden, wenn er sich im SGC an das Tippen seines Berichtes machte. Wenn überhaupt...
Falls es Ed störte, dass niemand etwas auf seinen ununterbrochenen Redeschwall zu erwidern wusste, dann zeigte er dies nicht. Vielleicht bemerkte er es nicht einmal, da sie ja nicht zugleich auch mit dem Denken aufhörten. „Ihr müsst mich jetzt einen Moment entschuldigen“, bedauerte er. „Es gibt hier ein paar Leute, denen es gar nicht gefällt, dass ein normaler Mensch wie ich, auf einmal den Botschafter gegenüber einer außerirdischen Rasse spielt. Aber ich komme gleich wieder.“
Mit diesen Worten drehte er sich auf seinen sechs Füßen herum, was ein durchaus interessanter Vorgang war, und ging davon.
Mensch? fragte sich Jack nur.
Aber wenigstens schien nun erwiesen, dass sie nicht auf Anhieb in den Präsidenten der Sechsfüßler gerannt waren.
Jack zwang sich dazu die Euphorie, die ihn noch immer erfüllte, zurückzudrängen und Vorsicht walten zu lassen. „Glaubt ihr ihm?“ kehrte er den sorgfältig aufbewahrten Skeptiker in sich hervor.
„Was?“ fragte Daniel aufgeschreckt. „Das ist nicht dein Ernst!“
Manchmal war Daniel einfach zu gutgläubig. „Was hat Carter gesagt, als wir hier ankamen? Wann wurde der Tag schon mal besser?“
„Zum Beispiel als dieses Volk beschloss, uns bei der Heimreise zu helfen?“
Schon wieder hatte Daniel ihn erwischt. „Schön“, gab Jack zu. „Schlechtes Beispiel! Aber du weißt trotzdem was ich meine. Also noch mal: Glaubst du ihm?“
„Ja, Sir“, kam die präzise Antwort von Carter.
Jacks Blick durfte sie gerne als Aufforderung sehen.
„Nun ja, Sir. Ich vermute, dass wenn man beispielsweise einen Neandertaler in moderne Kleidung stecken und etwas die Haare schneiden würde, dann würde er eine ganze Weile gar nicht auffallen“, legte sie ihre These dar. „Wenn uns das bei jemandem passiert, der mit uns verwandt ist, dann glaube ich sofort, dass wir nicht in der Lage sind zwei außerirdische Völker auseinander zu halten.“
Das leuchtete sogar Jack ein.
Also war es amtlich: sie waren lediglich haarscharf an einem schweren Fehler vorbeigeschrammt, aber das schlimmste war ihnen erspart geblieben. Er würde wieder ruhig schlafen dürfen. Es gab keine Eventualitäten, auf die sie reagieren mussten. Die Sache würde keine Konsequenzen für sie haben.
Jack sah, wie Teal’c, der bisher mit einigen der Sechsfüßlern am Ufer des Sees gestanden hatte, wieder zu ihnen herüber gestapft kam. Der Helikopter über dem See war inzwischen damit beschäftigt – diesmal etwas vorsichtiger – etwas ins Wasser herabzulassen, das wie eine Seilwinde aussah.
„Die Aliens scheinen über eine hinreichende technische Ausrüstung zur Bergung des Sternentores zu verfügen. Es könnte jedoch noch einige Stunden dauern“, verkündete Teal’c pflichtbewusst, als er sie erreichte. Jack kannte ihn gut genug, um zu erkennen, dass er es ihm übel nahm, ihn fortgeschickt zu haben.
„Die steuern die Maschinen ebenfalls mit diesen Helmen, nicht wahr?“ fragte Daniel, stets von der ihm eigenen Neugier getrieben. „Eine andere Art von Händen...“
„Korrekt“, erwiderte Teal’c kurz angebunden. „Was habt ihr in Erfahrung gebracht?“
„Wir haben nur ein Tier erlegt, Teal’c“, durfte Jack ihm seelenruhig erklären. „Es ist alles in Ordnung.“
Wie gut sich das anhörte!
Teal’c jedoch blieb skeptisch. „Wie kommt ihr zu dieser Annahme?“
„Das ist keine Annahme!“, beteuerte Jack nun weit weniger gelassen. „Keine Kleider, keine Affen. Dafür Stirnwülste und Riesenfüße“, zählte er auf.
„Laut Mr. Ed war das, was wir getötet haben, kein Angehöriger seines Volkes.“ Daniel schien wohl der Ansicht zu sein, Jacks Aussage wäre zu unklar gewesen.
„Also das mit den Stirnwülsten ist mir doch gleich aufgefallen...“, scherzte Jack, weil sowas von ihm inzwischen erwartet wurde. „Hat mich gleich gewundert!“
Doch Teal’cs Zweifel waren nicht verschwunden. Im Gegenteil: Er hatte diesen unheilsschwangeren Gesichtsausdruck, den er immer zeigte, wenn es in ihm arbeitete und er dabei kurz vor einer unangenehmen Erkenntnis stand.
Jack beobachtete das eine Weile. „Okay. Okay, Teal’c“, meinte er schließlich. „Was? ?“
„Da waren Affen...“ erinnerte sich Teal’c mit Blick in die Ferne. „Mindestens zwei. Ich habe ihnen keine weitere Beachtung geschenkt, da sie zu weit entfernt waren, um uns zu bemerken und durch ihre Reaktion verraten zu können.“
„Bitte, was?! “ Jack spürte, wie diese verdammten Schuldgefühle wieder begannen seine Kehle zuzuschnüren. Er wirbelte herum und fragte „Carter?!“, wie er es immer tat, wenn er nicht weiter wusste.
„Das könnte auch Zufall sein, Sir.“
„Ach, ja?“ schnauzte er.
„Ja, selbst wenn...“ schaltete sich Daniel ein. „...selbst wenn es kein Zufall war. Warum sollte Ed uns anlügen?“
„Vielleicht wollte er nicht, dass wir uns deswegen schlecht fühlen“, schlug Carter eifrig vor. „Oder es war ihm recht, dass wir ihn getötet haben.“
„Wieso sollte ihm dies recht gewesen sein, Major Carter?“ fragte Teal’c.
„Na ja. Da muss man seine Fantasie etwas anstrengen. Gründe wird man genug finden, nur vermutlich nicht die, welche einen Alien antreiben würden.“
„Trotzdem. Erleuchten Sie uns mit Ihrer Fantasie“, forderte Jack seine Stellvertreterin ungeduldig auf.
„Vielleicht war es eine Art Eingeborener. Daher keine Kleidung. Und vielleicht weint hier Eingeborenen niemand eine Träne nach. Oder vielleicht sind wir gar nicht zwei harmlosen Wanderern begegnet. Vielleicht waren es Jäger und Gejagter...“
Nett.
Oder besser: Verdammt! Jack wünschte sich auf einmal, er könne wieder in diesem unglaublich bequemen Sessel der Antiker sitzen und sich langweilen. Das Jojo auf und ab schwingen lassen und einfach nur Faulenzen.
Vielleicht jagten sie mit derartigen Vermutungen nur einem verdammten Phantom hinterher. Aber wenn dem so war, dann wollte er das wissen. Mit Sicherheit wissen. Keinesfalls wollte er sein Leben lang mit der Unsicherheit herumrennen, ob er sich jetzt wegen irgendetwas schuldig fühlen musste oder nicht!
Er machte auf dem Absatz kehrt und begann mit der Suche nach Mr. Ed. Dieser hatte behauptet, dass er mit jemandem reden müsse. Auf einmal von Wut erfüllt fragte sich Jack, warum Telepaten sich überhaupt gegenüberstehen mussten, um miteinander zu reden.
Wenn sie doch einen echten Sechsfüßler getötet hatten, rannte Jack vielleicht gerade ins offene Messer, aber wenigstens rannte er – und das tat unglaublich gut.
Sie umrundeten zwei Helikopter und ließen sich auch von einem vorbeirollenden Gabelstapler und seiner gefährlich aussehenden gelb-schwarz markierten Tonne nicht aufhalten. Stets nach einer blau gemusterten Jacke Ausschau haltend, umrundeten sie systematisch jedes Hindernis, jeden Heli und jeden Ausrüstungsgegenstand. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie Ed fanden, doch selbst nach Stunden der Suche hätte Jack nicht locker gelassen.
Er war versucht etwas zu rufen. Auch wenn Ed ihn nicht verstehen konnte, würde er so zumindest auf sie aufmerksam werden. Doch Jack zügelte sich verbissen. Diesmal war er entschlossen, es nicht zu verbocken. Diesmal würde er ganz genau wissen, was er tat. Daher würde er es vermeiden, frühzeitig Aufmerksamkeit zu erregen.
Als sie bei Ed ankamen, musterte dessen „Gesprächspartner“ sie flüchtig aus dunkelroten Augen und ließ sie dann etwas überhastet allein.
„Jack“, erklang es erfreut aus Mr. Eds Lautsprechern. „Was ist los?“
„Wir haben bei dem Toten zwei Affen gesehen und wollten wissen, ob das etwas zu bedeuten hat.“ Es klang harmlos, es klang nach Daniel. Jack bemühte sich, auch genauso harmlos zu denken.
„Es hat nichts zu bedeuten. Es gib viele wild lebende Affen hier im Wald – was ziemlich praktisch ist, wie du dir vorstellen kannst.“
Entweder machte der Helm auf Eds Kopf mit dem Lesen seiner Gedanken seine Sache in diesem Augenblick besonders gut – oder Jack hatte es tatsächlich geschafft, seinen Gegenüber für diesen einen Moment mit seiner Aussage derart zu überraschen, dass dieser sich nicht mehr verstellen konnte.
Jedenfalls hörte Jack sofort, dass Mr. Ed log.
Offenbar wusste dieser, dass sie es wussten, denn auch er schwieg eine ganze Weile.
„Setzt euch“, sagte er dann resigniert.
Jack machte keine Anstalten, dem folge zu leisten.
„Das Stehen fällt euch schwer, nicht wahr?“ fuhr Ed fort. „Also. Setzt euch.“
Jack brauchte Daniel nicht anschauen, um festzustellen, dass dieser ihn drängte, die Einladung anzunehmen.
Also setzten sie sich auf den Boden, was natürlich ausgesprochen gut tat. Aber Jack wollte sich im Moment nicht gut fühlen. Auch die Tatsache, dass sie sich zum ersten Mal auf Augenhöhe mit ihrem Gesprächspartner befanden, empfand er nicht als Vorteil. Viel lieber wäre es ihm gewesen, weiterhin über den Dingen und den grünen Augen zu stehen.
„Es tut mir leid“, meinte schließlich Mr. Ed. „Wenn ich die Sache mit den Affen nicht erwähnt hätte, dann wärt ihr mit reinem Gewissen nach Hause zurückgekehrt.“
Jack seufzte leise. Irgendwie hatte er es gewusst. Es war nun mal so: Der Tag wurde nie besser.
Erstaunlicherweise empfand Jack bei dieser Eröffnung ansonsten nichts mehr. Wer am Boden zerstört war, konnte nicht noch tiefer fallen.
„Der Grund, warum er keine Kleider an hatte, liegt darin, dass manche von uns es vorziehen, diese Wälder so zu durchstreifen, wie es einst unsere Vorfahren taten“, klärte Ed sie auf. Nach einer kurzen Pause fuhr er in sich gekehrt fort: „Ich wusste schon bei unserer ersten Begegnung, was geschehen war. Aber ich verstand es. Daher habe ich euch geholfen, statt euch einfach bis in alle Ewigkeit auf Hilfe warten zu lassen... Da ich auch euren Schmerz kannte, wollte ich euch helfen, damit fertig zu werden. Es tut mir leid, dass ich damit gescheitert bin.“
„Nun, vielen Dank...“ begann Jack in dem Wissen, dass einer seiner Teamkollegen den Satz mit weit mehr angemessenen Worten zu Ende führen musste, als ihm gerade einfielen.
„Danke mir nicht zu früh“, wurde er jedoch schon vorher unterbrochen. „Wenn ihr die Wahrheit wollt, dann sollt ihr sie auch erfahren. Tatsache ist, dass ich mit meiner Meinung ziemlich alleine stehe.“
Jack tastete in seinem Inneren nach einer verborgenen Falltür.
„Wir haben uns über dieses Thema unterhalten und kamen zu einem KONSENS.“ Er sah hinüber zu Carter. „Wir sind Telepathen. Wenn ich sage wir, dann schließt das jeden ein, der in Reichweite ist, also fast unser gesamtes Volk“, beantwortete er ihre unausgesprochene Frage. „Das Entscheidende dabei ist, dass die meisten von uns euch durchaus verstehen. Aber sie können euch nicht vergeben.
Das wiederum müsst ihr jetzt verstehen. Schon bevor wir lernten, Tiere unter unsere Kontrolle zu zwingen, hatten wir keine natürlichen Feinde. Das jemand oder etwas uns fressen will, ist also alles andere als eine Urangst, sondern lediglich Thema von ziemlich abstrusen Gruselgeschichten. Aber genau das ist es, was die Tatsache, dass es auf einmal völlig real wurde so... beunruhigend macht.“
Er blickte Jack aus seinen mysteriösen Augen an. „Ist euch nicht aufgefallen, wie sie euch meiden?“
Jack hatte durchaus bemerkt, dass die anderen Aliens auf Abstand blieben, jedoch hatte er das auf die Ungeübtheit mit dem Sprechen sowie eine natürliche Scheu dem Unbekannten gegenüber zurückgeführt.
„Sie fürchten euch“, erklärte Mr. Ed. „Der KONSENS besteht darin, dass wir euch helfen werden, hier fort zu kommen, weil wir eure Lage verstehen – aber mehr auch nicht. Daher wird es vorerst keine Beziehungen zwischen unseren Völkern geben.“
Was hatte Teal’c ihm gesagt, fragte sich Jack. Das er auf Vergebung hoffte?
Jetzt konnte man sicher lange in irgendeinem Elfenbeinturm darüber philosophieren, ob die Hilfe, die man ihnen zukommen ließ, nicht ebenfalls eine Form von Vergebung war und ob es nicht erstaunlich war, dass Vergebung offenbar doch kein rein menschliches Konzept war. Jack jedenfalls war es immer ziemlich egal gewesen, was ihm andere vorwarfen oder verziehen, weswegen Eds Eröffnung ihn wenig beeindruckte. Das Problem waren stets Jacks eigenen Dämonen gewesen.
Nur leider sah es so aus, als hätten eben diese Dämonen in letzter Zeit Nachwuchs bekommen.
„Die Behauptung, wir hätten kein Interesse am All, weil es so weit entfernt wäre, stimmt ebenfalls nicht“, fuhr Mr. Ed unbeeindruckt fort und klang dabei direkt erheitert. „Entfernungen schrumpfen, wenn der Wille da ist, die notwendige Technik zu ihrer schnellen Überwindung zu entwickeln. Wir unterhalten bereits Beziehungen zu zwei Völkern, die ein paar Lichtjahre entfernt leben. Trotz allem, was geschehen ist, hätte ich es gerne gesehen, wenn auch wir Freunde geworden wären – zumal eure Welt keine monatelange Reise, sondern nur ein paar Schritte entfernt liegt. Vielleicht solltet ihr in einer Generation wieder kommen, wenn all das verjährt ist“, schlug er abschließend noch vor. „Möglicherweise wird man euch dann wärmer empfangen...“

Keiner der Aliens tauchte zu irgendeinem Zeitpunkt in das Wasser herab. Nachdem sie haufenweise Seile und Maschinen in den See geschafft und einige Stunden irgendwelche Vorgänge in der Tiefe ferngesteuert hatten, war das Stargate schließlich triefend und an einem dicken Stahlseil hängend von dem Dreiecks-Helikopter aus dem Wasser gewuchtet und in einer Furche, die extra dafür in das schwarze Gestein gefräst worden war, abgesetzt worden. Jetzt thronte also auch auf diesem Planeten der beeindruckende Ring eines Sternentores.
Eifrig waren Affen herbeigeeilt und hatten dicke Kabel am Tor befestigt, welche in der mit warnenden, gelben Streifen versehenen Tonne endeten, die Jack zuvor schon aufgefallen war.
Jetzt, wo sie Energie hatten, war das Wählen von Hand nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll. Teal’c und Daniel machten sich sogleich daran, den schweren inneren Ring des Tores zu drehen.
Der Vorgang war nicht weiter kompliziert: Man musste so lange drehen, bis das gewünschte Symbol den obersten Zeiger des Tores erreicht hatte und dann mit dem Drehen aufhören. Es zeigte sich, dass das Tor intelligent genug war, sich auch wirklich am obersten Zeiger zu orientieren und nicht am Zeiger, der sich nur dann oben befand, wenn das Tor richtig aufgestellt war. Einzige Schwierigkeit blieb, dass Teal’c und Daniel sehr gleichmäßig drehen mussten und erst genau dann damit aufhören durften, wenn das richtige Symbol die gewünschte Position erreicht hatte – ansonsten hätten sie sich verwählt und dürften von vorn anfangen.
Es lief jedoch alles wie am Schnürchen und das Wählen gelang gleich beim ersten Mal. Brausend brach der blaue Schwall aus Energie – oder was es auch war – aus dem Tor hervor und zog den Blick allerhand Vorder- und Hinteraugen auf sich.
Jack grinste die Menge an. Doch so schnell wie die Köpfe sich eben ausgerichtet hatten, kehrten sie auch wieder in ihre Ruheposition zurück. Der einzige Kopf, für den das nicht galt, war der von Mr. Ed. Er stand in sicherer Entfernung und musterte das sanfte Brodeln, welches das Tor nun ausfüllte. Genau wie Daniel vermochte jedoch auch Jack der Körperhaltung dieses Wesens nichts über dessen Gefühle in diesem Moment zu entnehmen.
Zufrieden registrierte Jack, wie Carter mit einem GDO den Iriscode durch das Tor schickte. Zum Glück liefen diese Codes bei Standard-Missionen nicht allzu schnell aus, so dass sie nicht fürchten mussten, bei ihrer Rückkehr an einer Barriere aus Trinium zu zerschellen.
Zusammen mit Daniel ging er zu Mr. Ed hinüber. „Wir werden euch jetzt verlassen, wie es euer Wunsch war“, erklärte Daniel mit tiefem Bedauern in der Stimme. „Ich hoffe, ihr werdet uns irgendwann verzeihen können.“
„Wie gesagt. Ihr solltet eine Generation warten“, wiederholte Ed.
Jack konnte nicht anders und platzte dazwischen: „Wie viel war das noch mal in Erdjahren?“
„Das ist gar nicht so wichtig. Nimm 20, nimm 100 Jahre, ich weiß auch nicht, was da das klügste ist“, gab Mr. Ed zu. „Wichtig ist nur, dass ihr euch eine Weile erst mal nicht blicken lasst.“
Einer der Affen kam mit einem Umschlag angerannt und überreichte ihn Carter. Diese nahm ihn entgegen, als hätte sie ihn bereits erwartet.
„Carter?“
„Das sind Bilder des hiesigen Nachthimmels, Sir“, erklärte sie mit diesem Funkeln in den Augen. „Zusammen mit der ungefähren Position dieser Welt aufgrund der Nähe zum Antikerplanten und dem neuen Navigationssystem der Prometheus, müsste ich damit in der Lage sein, die Position dieses Planeten und damit auch die Toradresse zu bestimmen.“
Jack hatte längst aufgegeben zu versuchen, ihren Redefluss einzudämmen geschweige denn sich zu fragen, warum sie sich nicht einfach auf das Wort Toradresse beschränkte. Vermutlich gefiel es ihr einfach, ihm Kopfschmerzen zu bereiten.
„Ihr seht also, ich meine es mit der Bitte an euch, irgendwann wiederzukommen, durchaus ernst“, kommentierte Ed.
„Wir sind dir dafür sehr dankbar“, nickte Daniel. „Auch wenn wir uns vermutlich nicht wieder sehen, hoffe ich doch, dass unsere beiden Zivilisationen eines Tages Freunde werden können.“ Seine Worte mochten durchaus etwas geschwollen klingen, aber Jack wusste, dass sie bei Daniel dennoch keine leeren Phrasen darstellten.
Mr. Ed bewegte den Kopf langsam auf und ab, als wolle er Daniels Nicken nachahmen. „Auf Wiedersehen“, klang es aus den Lautsprechern.
Jack äugte noch einmal zu Eds Artgenossen hinüber. Diese ignorierten sie mit einer Intensität, welche zumindest ein Mensch nur aufbringen konnte, wenn er sich voll auf etwas konzentrierte.
„Wiedersehen “, wiederholte Jack, in dem Bewusstsein, dass dies sehr wohl eine Phrase war. Er hob die Hand zum Gruß und ging dann mit seinem Team die paar Schritte zum Tor. Vor dessen Grenze drehte er sich noch einmal um. Auf Eds Rücken saßen seine drei Affen und winkten ihnen zu. Es war bestimmt nicht so gemeint – dennoch sah es ulkig aus.
Jack winkte zurück und verließ die Welt.

Mit federnden Schritten schwebte Jack durch die Cafeteria des SGC. Nach beinahe einer Woche unter erschwerten Bedingungen tat ihm die gute, alte irdische Schwerkraft unglaublich gut.
Er schlenderte hinüber zur Essensausgabe und musterte misstrauisch den Inhalt der diversen Warmhalteplatten und Regale.
Natürlich nur aufgrund der körperlichen Belastungen, denen sie zuletzt ausgesetzt gewesen waren, hatte Hammond darauf bestanden, ihnen zwei Tage frei zu geben – worauf dann erst einmal das Wochenende folgen würde.
Es war Ehrensache gewesen, dem General erst einmal zu widersprechen. Das dieser ihm allerdings nicht nachgegeben hatte, war Jack dann aber durchaus recht gewesen.
Der Kuchen sagte ihm nicht zu, also griff er kurzerhand nach einem Glas mit hellblauem Wackelpudding. Suchend sah er sich nach einem freien Platz um und fand ihn unmittelbar gegenüber seines Majors, welche dieses Fünf-Sterne-Etablissement ganz offensichtlich ebenfalls in Anspruch nahm.
„Carter“, begrüßte er sie. „Sagen Sie bloß, dass sie jetzt unter die Vegetarier gegangen sind?“ fragte er mit Blick auf ihren grünen Salat und setzte sich.
„Nein“, beteuerte sie. „Nein. Zumindest...“ Sie räusperte sich. „...nicht auf Dauer.“ Sie sah ihn und seinen Pudding an. „Was ist mit Ihnen, Sir?“
„Wenn etwas nicht vegetarisch ist, dann Gelatine“, wehrte er ab, obwohl sie natürlich recht hatte: auch er hatte etwas gewählt, das zumindest nicht nach Fleisch aussah.
Er begann seinen Pudding zu löffeln, während Carter schweigend zwischen ihren Salatblättern umherstocherte.
„Ich weiß nicht...“ begann sie irgendwann und schluckte etwas herunter, das nicht ihr Salat war. „Ich weiß nicht, ob ich darüber hinwegkommen werde, Sir.“
Jack tastete nach dem Stein in seinem eigenen Magen, nach dem dicken Klumpen aus Schuldgefühlen, welche allmählich von Verbitterung eingekapselt wurden. Zu gerne hätte er Carter mit einem flapsigen Spruch aufgeheitert. Doch es fiel ihm nichts passendes ein.
„Manchmal wird behauptet, die Zeit würde alle Wunden heilen“, hörte er sich statt dessen sagen. „Dass sie Schuld mildern würde. Doch das ist nicht wahr. Das einzige, was die Zeit kann, ist einem zu helfen, zu vergessen.“ Das mochten keine allzu aufmunternden Worte sein. Aber es war die Wahrheit und sie beide wussten, dass er dabei aus Erfahrung sprach. „Auch Sie werden irgendwann vergessen, Carter.“
In ihren Zügen zeigte sich eine Mischung aus Verzweiflung und Hoffnung. „Ich hoffe, Sie haben Recht.“
Jack hatte auf einmal keinen Appetit mehr und legte den Löffel beiseite. Natürlich hatte er Recht – das Schreckliche würden allerdings die Momente des Erinnerns werden.
Teal’c betrat dicht gefolgt von Daniel den Raum. Der Blick auf die Uhr zeigte, dass es, wie Jack es nannte, Fütterungszeit war. Befanden sie sich im SGC, kam Teal’c stets um 1230 hier her, stapelte auf seinem Tablett zumeist recht wenig zusammenpassende Mahlzeiten und verschlang sie dann bis zum letzten Reiskorn.
Auch heute griff er zu Jacks Befremden nach einem Tablett. Daniel folgte in eine Unterhaltung vertieft dem Jaffa auf Schritt und Tritt, bediente sich selbst aber nicht. Schließlich kamen die beiden zu ihnen herüber und nahmen ohne lange Vorrede bei ihnen Platz.
„Für den kleinen Hunger?“ kommentierte Jack wie so gerne Teal’cs schwer beladenes Tablett.
Gewöhnlich verzichtete Teal’c auf eine Erwiderung. Nicht jedoch heute. „Wir hätten vollkommen umsonst ein Leben genommen, wenn ich mich nun zu Tode hungere, O’Neill“, verkündete er und widmete sich dem ersten seiner Teller.
Manchmal beneidete Jack Teal’c um dessen klare Moralvorstellungen.
„Jack?“ begann Daniel.
„Daniel?“ antwortete Jack.
„Ich...“ Er sah hinüber zum ins Essen vertieften Teal’c. „Das heißt, wir sind mit dir einer Meinung.“
„Das ist nett“, erwiderte Jack automatisch, sah sich dann misstrauisch um und fügte hinzu: „Worin seid ihr mit mir einer Meinung?“
„Das wir auf einem fremden Planeten nicht jeden Stein umdrehen können, um uns zu vergewissern, ob darunter nicht vielleicht eine intelligente Ameise sitzt.“
Schön, dass Daniel das einsah. Da Jack das Aber allerdings schon hören konnte, bevor sein Freund es aussprach, verzichtete er auf einen Kommentar.
„Aber trotzdem können wir so nicht weiter machen“, kam das Aber. „Ich meine, wir waren nicht zum ersten Mal in einer Situation, die wir falsch eingeschätzt haben: Ein UAV kracht in eine Pflanze und wir machen uns lediglich über etwas beschädigte Hardware Sorgen. Wir entnehmen eine Wasserprobe und wundern uns, wenn sie beginnt sich zu wehren.“
„Das waren die Russen, nicht wir“, korrigierte Jack sofort.
„Aber wir hätten nicht anders gehandelt. Das Problem ist, dass wir ein Leben lang Erfahrungen gemacht haben, die wir dann auch stets anwenden – vollkommen egal, wo wir sind! Das ist normal, so funktioniert der Mensch eben. Das darf uns aber nicht daran hindern wenigstens einen Teil von den Dingen, die wir als selbstverständlich ansehen, in Frage zu stellen.“
„Aber nur, wenn wir auch in der Lage sind, auf diese Fragen in der jeweiligen Situation eine Antwort zu bekommen“, warf Carter ein. „Ansonsten verunsichert und lähmt es nur, hilft aber nicht weiter.“
Daniel sah sie einen Moment überrascht an und nickte dann. „Ja, genau.“
Das klang in Jack Ohren alles etwas sehr theoretisch. „Ich weiß nicht, ob ich sowas kann“, zweifelte er.
„Ich denke, du kannst das genauso gut oder schlecht wie jeder von uns“, machte Daniel den Versuch, ihn zu beschwichtigen. „Wie gesagt, können wir gar nicht alles in Frage stellen. Da jeder von uns die Welt jedoch ein bisschen anders wahrnimmt, weil wir auf unterschiedliche Dinge achten, hoffe ich allerdings, dass wir ebenso unterschiedliche Dinge hinterfragen, uns also auch in dieser Hinsicht gut ergänzen.
Auf diese Weise können wir vielleicht nicht jeden Fehler vermeiden, aber wenn dann doch etwas schief läuft, wird es uns wenigstens nicht ganz unvorbereitet treffen, so dass wir bessere Schadensbegrenzung betreiben können.“
Wie so oft klangen Daniels Argumente selbst für O’Neill-Ohren wunderbar. Dennoch zweifelte Jack daran, dass man eine derartige Änderung seiner Grundeinstellung einfach so beschließen konnte.
„Ich denke, dass es sehr viel Konzentration kosten wird“, fuhr Daniel fort, als könne auch er plötzlich Gedanken lesen. „Aber wenn uns schon nicht die weißen, singenden Kerlchen oder das mysteriöse Wasser dazu bringen konnten, das durchzuhalten – dann denke ich doch, dass wir ihm das schuldig sind.“
Ihm... Für einen kurzen Moment sah er wieder das Wesen vor sich, sah die zwei blauen Zat-Entladungen, die auf es zurasten, sah das Aufblitzen ihrer Messer.
Daniel hatte vollkommen recht und Jack blickte in Gesichter, in denen sich Zustimmung und Entschlossenheit widerspiegelten.
Vielleicht war zu vergessen genau der falsche Weg, erkannte er. Teal’c vergaß seine Vergangenheit sicherlich auch keine Sekunde. Eine bewusste Erinnerung mochte nicht nur verhindern können, dass man die selben, sondern vor allem auch ähnliche Fehler, erneut beging. Statt die Vergangenheit zu begraben, konnte sie einem den Weg in die Zukunft zeigen.
Auch auf Jacks Gesicht begannen sich Entschlossenheit und Zustimmung zu zeigen.

ENDE
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